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Interkulturelle Kompetenz - GEW Landesverband Bayern

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und Normen sowie Erziehungsmuster anderer Kulturen<br />

erschwert das Verhältnis miteinander. Als kleines Beispiel<br />

möchten wir anführen, dass die hohe Norm der individuellen<br />

Durchsetzungsfähigkeit, die in der Schule verlangt wird,<br />

bei einer Familie, die großen Wert auf den Familienzusammenhalt<br />

legt, starke Konflikte erzeugen kann.<br />

Selbstbewusstsein, Mündigkeit, selbstständige Erledigung<br />

der Hausarbeiten, Engagement der Eltern für die Schule<br />

und ein umfassendes Sprachverständnis sind Erwartungen<br />

der Schule an die Eltern. Umgekehrt erwarten häufig Migranteneltern,<br />

dass die Schule zu Gehorsam und Respekt erzieht<br />

sowie alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem Lernauftrag<br />

vollständig übernimmt.<br />

Am Beispiel einer Befragung von Eltern aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien wurde deutlich, dass vor allem folgende<br />

Themen eine wichtige Rolle spielen: Die sozioökonomische<br />

Lebenssituation, die häufig von Geldsorgen geprägt<br />

ist (auch die Familie in der Heimat muss unterstützt werden),<br />

unsicherer Aufenthaltsstatus, Diskriminierungserfahrungen<br />

und Unverständnis gegenüber ihrer Migrationssituation,<br />

unverarbeitete Traumata. Dies lässt oft wenig Zeit<br />

und Kraft für die schulischen Probleme der Kinder übrig.<br />

Dazu kommt, dass im Schulsystem des Herkunftslandes die<br />

Verantwortung für Bildung und Erziehung vollkommen bei<br />

der Schule lag.<br />

Die Funktion<br />

der interkulturellen Elternarbeit<br />

Was ist zu tun, um den verschiedenen Erwartungen gewappnet<br />

gegenüberstehen zu können? Hier ist ein Konzept<br />

der interkulturellen Elternarbeit zu entwickeln, das die wechselseitige<br />

Verständigung und Kooperation von Schule und<br />

Eltern mit Migrationshintergrund erheblich erleichtert und<br />

verbessert. Dieses Konzept muss eingebettet sein in das<br />

Gesamt-Elternarbeitskonzept der Institution. Damit wird<br />

deutlich, dass es eine Aufgabe der Gesamtorganisation ist<br />

und nicht als Nebenthema einiger Interessierter behandelt<br />

werden darf.<br />

Einige Ideen und Beispiele möchten wir aufführen: So<br />

ist es erforderlich, dass Aushänge und Informationen in die<br />

relevanten Sprachen übersetzt werden und die Räume die<br />

Vielfalt der Herkunft ihrer NutzerInnen widerspiegelt. Einführungsabende<br />

für ausländische Eltern sollten unter Hinzuziehung<br />

von MitarbeiterInnen mit entsprechenden sprachlichen<br />

<strong>Kompetenz</strong>en stattfinden. Ebenfalls sollten sich die<br />

Fachkräfte in den verschiedenen Bildungseinrichtungen wie<br />

Schule, Kinderkrippen und Kindergärten in interkultureller<br />

<strong>Kompetenz</strong> fortbilden lassen, um besser auf kulturelle, religiöse<br />

und migrationsspezifische Gegebenheiten eingehen<br />

zu können. In der Arbeit sollte darauf geachtet werden, dass<br />

eine vertrauensvolle und vorurteilsfreie Atmosphäre herrscht<br />

und dass die Lehrkräfte den Eltern ausreichend Zeit geben,<br />

ihre Probleme auszudrücken und ihnen damit das Gefühl<br />

vermitteln, dass sie Interesse an ihrer Lebenssituation haben.<br />

7 DDS Juni 2004<br />

Unsere Autorin bei der Arbeit<br />

Grundsätzlich ist festzustellen, dass interkulturelle Öffnung<br />

nicht nur durch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie<br />

Folkloreabende und kulinarische Spezialitäten erreicht werden<br />

kann. Vielmehr muss eine Schule sich der migrationsspezifischen<br />

Erfordernisse und Herausforderungen bewusst<br />

sein und danach im Unterrichtsalltag und in der Arbeit mit<br />

den Kindern und ihren Eltern handeln. Dies hat Auswirkungen<br />

auf Lehrpläne, führt aber auch zu einem sensibleren<br />

Umgang mit Sprache und einem veränderten Umgangsstil.<br />

Nach fünfzig Jahren neuerer Einwanderungsgeschichte<br />

besteht nun die Hoffnung, dass sich das Bildungssystem<br />

dieser Herausforderung stellt.<br />

Foto: Manfred Vollmer<br />

Ein Modellprojekt an einer Münchner Hauptschule mit<br />

60% türkischstämmigen SchülerInnen hat gezeigt, dass<br />

durch die Umsetzung der oben genannten Ideen ein Großteil<br />

dieser Eltern erreicht werden konnte. Mit der interkulturellen<br />

Öffnung und der verstärkten Zusammenarbeit mit<br />

den Eltern konnten die Lernerfolge und das Schulklima<br />

sichtlich verbessert werden. Die Konrektorin stellte fest: »13<br />

Jahre war ich der Meinung, dass man diese Eltern nicht erreichen<br />

kann. Ich bin eines besseren belehrt worden.«.<br />

von Rabija Avdic<br />

Sozialpädagogin bei INKOMM - Projektzentrum <strong>Interkulturelle</strong><br />

Kommunikation/Beratungsdienste der AWO<br />

München gGmbH; Schwerpunkte: Elternarbeit sowie<br />

Konflikttraining mit Mädchen. Sie wurde von der Stadt<br />

Augsburg für ihr Engagement für Integration und Zusammenleben<br />

mit der Verdienstmedaille »Für Augsburg« ausgezeichnet.<br />

Kontakt: inkomm.migration@awo.muenchen.de

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