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Interkulturelle Kompetenz - GEW Landesverband Bayern

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Foto: David Ausserhofer<br />

Vorbemerkung der DDS-Redaktion:<br />

Nach offiziellen Statistiken sitzen in Jugendstrafanstalten dreimal so<br />

viele türkische männliche Jugendliche im Vergleich zu ihrem<br />

Bevölkerungsanteil in der entsprechenden Altersgruppe. Dies wird<br />

gerne als Hauptargument für pauschale und diskriminierende<br />

Schlussfolgerungen zur »Ausländerkriminalität« genutzt. Der Autor<br />

des folgenden Beitrags beschäftigt sich mit dem sozio-kulturellen<br />

Hintergrund dieser Jugendlichen, den er selbst gut kennt und für den<br />

er sensibilisieren möchte. Er hat ein Anti-Aggressions-Training speziell<br />

für männliche türkische Jugendliche entwickelt, in dem neben den<br />

klassischen Anti-Aggressions-Maßnahmen die spezifischen<br />

Sozialisationsbedingungen der Teilnehmer berücksichtigt werden.<br />

Gewalt und Delinquenz von Jugendlichen ausländischer<br />

Herkunft ist in den letzten Jahren ein sehr aktuelles Thema<br />

geworden. Insbesondere Politiker, Staatsanwälte und Medien<br />

warnen davor, dass die Ausländerkriminalität kontinuierlich<br />

zunimmt und verlangen ein härteres Durchgreifen,<br />

damit die Strafen abschreckend auf andere Jugendliche wirken.<br />

Auch in einigen wissenschaftlichen Abhandlungen wird<br />

darauf verwiesen, dass die Jugendkriminalität bei türkischen<br />

Jugendlichen sehr verbreitet ist, ohne die komplexen Ursachen<br />

dafür genauer zu beschreiben. Nach Pfeiffer und Wetzels<br />

ist klar belegt, dass schlagende Väter zu einem problematischen<br />

Vorbild werden. Die beiden Wissenschaftler gehen<br />

davon aus, dass Eltern, die ihre Kinder massiv schlagen,<br />

damit deren soziale <strong>Kompetenz</strong> und ihre Erfolgschancen<br />

in Schule und Beruf reduzieren 1) .<br />

Die gesellschaftlichen und institutionellen Diskriminierungserfahrungen,<br />

die auf das Leben der Migranten türkischer<br />

Herkunft Einfluss haben, finden dagegen wenig Beachtung.<br />

Dass u.a. auch die Benachteiligung von Migran-<br />

9 DDS Juni 2004<br />

Männlichkeitsrituale<br />

Methodisches Arbeiten<br />

mit türkischen Jugendlichen<br />

tenfamilien bei der Vergabe von Kindergartenplätzen 2) und<br />

die Tatsache, dass Einwandererkinder viel öfter als ihre deutschen<br />

Altersgenossen an eine Hauptschule empfohlen werden<br />

3) und somit schlechtere Berufs- und Ausbildungschancen<br />

haben, wird in diesen Erklärungsansätzen für Straffälligkeit<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Zu den komplexen Ursachen für eine erhöhte Strafanfälligkeit<br />

türkischer Jugendlicher in der dritten Migrantengeneration<br />

gehört aber auch der Werte- und Normenkodex,<br />

mit dem türkische Jungen aufwachsen und über den<br />

sie ihre Identität definieren.<br />

Im Folgenden sollen deshalb Eigenschaften, die in einem<br />

Anti-Aggressions-Training mit türkischen Jugendlichen<br />

häufig zur Beschreibung des Selbstbildes der Teilnehmer<br />

benutzt werden, vor ihrem sozio-kulturellen Hintergrund<br />

erklärt werden:<br />

Die Ehre<br />

Der Begriff Ehre klärt die Beziehung zwischen Mann<br />

und Frau sowie die Grenzen nach innen und außen. Ein<br />

Mann gilt als ehrlos, wenn seine Frau oder Freundin beleidigt<br />

oder belästigt wird und er nicht extrem und empfindlich<br />

darauf reagiert. Derjenige Mann gilt als ehrenhaft, der<br />

seine Frau verteidigen kann, Stärke und Selbstbewusstsein<br />

zeigt und die äußere Sicherheit seiner Familie garantiert. Eine<br />

Frau, die einen Ehebruch begeht, befleckt damit nicht nur<br />

1) vgl. Pfeiffer/Wetzels, in: DVJJ-Journal, Nr. 2., S. 112, 2000<br />

2) vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />

Zehnter Kinder- und Jugendbericht<br />

3) vgl. Attia/Marburger (Hrsg.) Alltag und Lebenswelten von Migrantenjugendlichen,<br />

Frankfurt/M. 2000

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