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Kurzgeschichten - SpecFlash

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STEAMPUNK<br />

AUTORIN UND<br />

VERLEGERIN<br />

-Musik -Musik für für Millionen Millionen<br />

-Krankes -Krankes Kino Kino<br />

Kais Bücherdimension<br />

... und natürlich jede Menge <strong>Kurzgeschichten</strong>, Interviews und tolle Bilder


Liebe Leserinnen und liebe Leser,<br />

willkommen zur neuen Ausgabe des<br />

<strong>SpecFlash</strong>. Gleich zu Anfang eine nicht so<br />

gute Nachricht: das <strong>SpecFlash</strong> macht eine<br />

kurze Pause, d.h. diese Ausgabe 9 wird die<br />

letzte in diesem Jahr sein und es wird erst<br />

Anfang nächsten Jahres (voraussichtlich am<br />

1.Februar) weitergehen. Ich hatte es ja<br />

schon in der letzten Ausgabe angedeutet,<br />

dass es mir momentan sehr schwer fällt,<br />

mich zur Arbeit an dem Magazin zu motivieren.<br />

Dazu kommen Ereignisse im privaten<br />

Umfeld, die einiges an Zeit in Anspruch<br />

genommen haben. Lange Rede, kurzer Sinn,<br />

habe ich mich entschlossen eine kleine<br />

Pause einzulegen und die Konzeption des<br />

Magazins umzustellen. Wie genau das neue<br />

<strong>SpecFlash</strong> aussehen wird, weiß ich derzeit<br />

noch nicht, habe aber schon ein paar Ideen,<br />

die ich gerne umsetzen möchte. Lasst euch<br />

einfach überraschen. Wer mich kennt weiß,<br />

dass es auf jeden Fall ein Schritt nach vorne<br />

sein wird.<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich auch<br />

mehr feste Mitarbeiter für das Magazin<br />

gewinnen. Wenn also einer von euch Lust<br />

und Interesse hat an dem Magazin mitzuwirken,<br />

soll sich bei mir melden. Gesucht<br />

werden Redakteure, Lektoren, Rechercheure,<br />

Layouter, Koordinatoren, egal ob<br />

weiblich oder männlich. Geld und Ruhm gibt<br />

es zwar nicht (zumindest noch nicht), dafür<br />

Arbeit und die Genugtuung, anderen Leuten<br />

ein wenig Kurzweil in den Alltag gebracht zu<br />

haben.<br />

Vom inhaltlichen werden wir auch weiterhin<br />

versuchen ein möglichst breites Themenfeld<br />

zu bedienen. Dabei wird es zukünftig<br />

auch wieder ein Thema geben, welches wir<br />

etwas näher beleuchten. Diese Ausgabe<br />

haben wir z.B. der aufstrebenden Steampunk-Bewegung<br />

gewidmet und wollen versuchen<br />

euch ein paar Facetten des<br />

vorwort<br />

umfangreichen Themas aufzuzeigen. Dabei<br />

können leider nicht alle Themen-Felder so<br />

ausführlich behandelt werden, sie sie es<br />

verdient haben, aber ich hoffe, wir können<br />

euch mit unseren Beiträgen etwas Appetit<br />

auf mehr machen.<br />

Einen festen Platz wird zukünftig Kai<br />

Krzyzelewski mit seiner Rubrik "Kais<br />

Bücherdimension" haben, in der er<br />

interessante Bücher vorstellen und auch den<br />

jeweiligen Autoren auf den Zahn fühlen wird.<br />

Ein weiteres Highlight dürfte wohl der sehr<br />

ausführliche Artikel von Alisha Bionda sein,<br />

in dem sie die Autorin und Verlegerin Uschi<br />

Zietsch (manchen vielleicht auch unter dem<br />

Pseudonym Susan Schwartz bekannt) vorstellt.<br />

Die Anthologie, die für dieses Jahr geplant<br />

war, verschiebt sich u.a. aus dem oben<br />

genannten Grund auch auf nächstes Jahr.<br />

Außerdem gibt es derzeit zwei Ausschreibungen,<br />

die das gleiche Thema und die<br />

gleiche Zielgruppe haben, als da wären<br />

Michael Haitel mit p.machinery auf<br />

http://blog.pmachinery.de/unsereprojekte/und<br />

die Steampunk-Chroniken von<br />

Stefan Holzhauer auf http://steampunkchroniken.de/,<br />

welche wir in dieser Ausgabe<br />

ab Seite 49 ausführlich vorstellen. Jetzt also<br />

noch ein <strong>Kurzgeschichten</strong>-Wettbewerb für<br />

Steampunk aufzuziehen halte ich nicht für<br />

sinnvoll. Wir überlegen uns für nächstes Jahr<br />

etwas Neues.<br />

Ansonsten hoffe ich, euch mit dieser<br />

Ausgabe wieder einige interessante Beiträge<br />

anbieten zu können und wünsche viel Spass<br />

beim lesen.<br />

Rainer Schwippl<br />

Chefredakteur


Artikel<br />

6 Rezension „Hack/Slash 5“<br />

16 Portrait von Dan Gerrit<br />

19 Kais Bücherdimension<br />

31 Rezension „Wonderland 3“<br />

32 Steampunk - Einleitung<br />

33 Steampunk - ein technikfokusierter<br />

Gedankengang<br />

34 Steampunk - eine Einführung<br />

40 Steampunk - Tutorial Steampunklook<br />

43 Steampunk - Blog-Streiflichter<br />

46 Steampunk - Was ist Steampunk<br />

49 Steampunk Chroniken<br />

54 Steampunk - Tutorial Drahtklammern<br />

57 Steampunk - ein Aufruf<br />

58 Steampunk - Links<br />

59 Artikel - Melodien für Millionen<br />

61 Rezension „The New Dead“<br />

63 Artikel - Uschi Zietsch<br />

94 Rezension „Teufelszeug“<br />

102 Kolumne: Krankes Kino<br />

<strong>Kurzgeschichten</strong><br />

4 Sarkophag<br />

von Carola Kickers<br />

8 Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

89 Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

96 Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

104 Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Rubriken<br />

2 Vorwort<br />

3 Inhaltsverzeichnis<br />

131 Veranstaltungen<br />

133 Künstlernachweis<br />

135 Impressum<br />

inhalt


Die Leere meines Seins<br />

unerträglich, seit Äonen<br />

kann ich nicht schlafen.<br />

Meine Wächter haben es mir<br />

untersagt, bis meine Erweckung<br />

erfolgt und mein Werk vollendet<br />

ist. Manchmal scheinen meine<br />

Gedanken sich aufzulösen und nur<br />

noch der Instinkt beherrscht mich.<br />

Meine Nacht besteht aus Zähnen<br />

und Klauen. Ich spüre die Unge-<br />

duld derer, die mir folgen werden.<br />

Sie lechzen nach Rache. Der vage<br />

Frieden färbt sich rot. Es sind Visi-<br />

onen, die mich quälen. Visionen<br />

einer unaufhaltsamen Zukunft für<br />

eine hochmütige Rasse! Ich<br />

möchte vor mir selber fliehen.<br />

Doch ich bin ich. Unergründlich<br />

wie das Leben. Ich bin Furcht und<br />

Tod.<br />

In den letzten Jahrhunderten<br />

konnte ich spüren, wie die Stärke<br />

des Glaubens erlosch, der mich<br />

niederzwang in mein Gefängnis.<br />

Sie glauben nicht mehr, sie wollen<br />

forschen, beweisen, ergründen<br />

und vor allem – besitzen, ohne zu<br />

teilen. Sie versündigen sich in nie<br />

gekanntem Maße, alle Warnungen<br />

missachtend! Bald wird das letzte<br />

Korn in ihrer Sanduhr in den end-<br />

losen Abgrund fallen.<br />

Mein Warten wurde eines Tages<br />

jäh unterbrochen, als einige aus<br />

ihrer neuen Generationen mich<br />

aufspürten. Sie haben meine Ruhe<br />

gestört, die heiligen Zeichen miss-<br />

achtet. Mich fortgebracht mit<br />

meinem Kerker, in dem ich über<br />

viele Jahrhunderte sicher war. Ich<br />

vor ihnen und sie vor mir. Jetzt bin<br />

ich hier, mitten unter ihnen, eines<br />

von vielen angeblich wertvollen<br />

Ausstellungsstücken. Sie sind so<br />

stolz auf ihren Fund, den sie aller<br />

Welt zeigen, dass ich meinen Spott<br />

am liebsten hinaus brüllen und<br />

ihnen meine Verachtung entgegen<br />

schleudern möchte. Elende<br />

Narren! Doch ich verharre still.<br />

Tagsüber höre ich ihre Schritte,<br />

ihre Stimmen, ihr Atmen. Lauter<br />

fremde Sprachen, die irgendwann<br />

zu einer bestimmten Uhrzeit ver-<br />

stummen. Ihr Lachen schmerzt<br />

dann noch nachträglich in meinen<br />

Ohren. Ihre Selbstherrlichkeit ist<br />

eine Beleidigung für mein<br />

Bewusstsein. Ich möchte aus<br />

diesem Behältnis fliehen, sie in<br />

ihre Schranken weisen und bin<br />

doch immer noch gefangen in<br />

diesem versiegelten Gefängnis. Ich<br />

weiß, dass sie mich von außen<br />

anstarren. Sie sehen eine goldglän-<br />

kurzgeschichte<br />

Sarkophag<br />

von Carola Kickers<br />

zende, prächtige Hülle, geschaf-<br />

fen, um einen Toten zu bewahren.<br />

Aber sie sehen nicht das Verder-<br />

ben in ihrem Inneren. In den Stun-<br />

den, in denen um mich herum<br />

Ruhe herrscht, möchte ich es<br />

ihnen gleichtun und schlafen,<br />

schlafen, schlafen.... Allein, dies ist<br />

mir nicht vergönnt. Solange die<br />

Siegel intakt sind, werde ich im<br />

Zaum gehalten, muss die Krea-<br />

turen da draußen ertragen, ohne<br />

selbst wieder Schöpfer und Schnit-<br />

ter sein zu können.<br />

Ausgestattet mit soviel Macht<br />

und doch hilflos und gebunden.<br />

Aber ich spüre, wie meine Zeit<br />

herannaht. Manchmal streichen<br />

sie mit neugierigen Händen über<br />

die Außenhaut meines Behält-<br />

nisses. Sie sind gierig. Gierig nach<br />

Wissen, Reichtum und Macht,<br />

hecheln nach Besitz. Dafür knech-<br />

ten sie Ihresgleichen, ihre Mitge-<br />

schöpfe und ihre Umwelt. Dabei<br />

die alten Werte vergessend, Tradi-<br />

tionen verleugnend, die Gesetze<br />

des Universums verachtend. Ehre<br />

und Moral werden von ihnen zer-<br />

treten wie lästige Insekten. Oh, ihr<br />

Menschen! Weniger Wissen und<br />

mehr Glauben. Das könnte einige<br />

von euch retten. Sogar vor mir.


Hätte die Dunkelheit meiner<br />

Anwesenheit noch ein Gesicht, so<br />

würde ich jetzt lächeln. Ich weiß<br />

genau, dass sie es nicht tun<br />

werden. Sie können sich einfach<br />

nicht beherrschen, wollen in<br />

Dimensionen vordringen, die<br />

ihnen nicht bestimmt sind. Dimen-<br />

sionen, die sie verschlingen<br />

werden. Warten. Weiter warten.<br />

Und wachen. Wenn sie das Siegel<br />

brechen, werde ich frei sein.<br />

Werde mich lösen aus den Ketten<br />

und zu neuem Leben erwachen!<br />

kurzgeschichte<br />

© Dino Muhic<br />

Sarkophag<br />

von Carola Kickers<br />

Dann führe ich jene an, die nur<br />

darauf warten, dass ich meine<br />

Stimme erhebe. Wir werden die<br />

Menschen lehren, was es heißt,<br />

sich gegen die uralten Worte zu<br />

erheben. Beugen werden wir sie,<br />

niedermähen in ihrem Stolz. Von<br />

ferne höre ich bereits mein fahles<br />

Ross sich nähern, sein Wiehern<br />

wird mit jeder Stunde lauter. Ich<br />

bin der vierte Reiter.<br />

Da sah ich ein fahles Pferd;<br />

und der, der auf ihm saß,<br />

heißt «der Tod»; und die<br />

Unterwelt zog hinter ihm her.<br />

Und ihnen wurde die Macht<br />

gegeben über ein Viertel der<br />

Erde, Macht, zu töten durch<br />

Schwert, Hunger und Tod und<br />

durch die Tiere der Erde<br />

(Offenbarung des Johannes).


Hack/Slash 5: (Re)Animatoren<br />

von Federica Manfredi, Stefano Caselli, Tim Seeley<br />

A5, Hardcover, vierfarbig, 160 Seiten, Preis: 19,80 €<br />

ISBN 978-3-941248-86-1<br />

Rezension eines Fans<br />

Der fünfte Band der Hack/Slash-Reihe: Reanimatoren<br />

stellt fünf prall gefüllte Kapitel bereit, die dem<br />

Leser Spaß und jede Menge Blut bieten.<br />

In der ersten Geschichte „Eiskalt serviert“ taucht<br />

ein alter Bekannter auf: Pooch ist aus der Nef-Welt<br />

auf die Erde gesandt worden, um Cassie ausfindig zu<br />

machen. Der verspielte Höllenhund wird allerdings<br />

von Chris aufgenommen, während Cassie und ihr<br />

hünenhafter Begleiter Vlad weiterhin Hinweise über<br />

den Verbleib ihres vermissten Vaters sammeln.<br />

In „Selbst/Mord“ kommt der Internet-Junky Diaboliq<br />

ums Leben, was ihn aber nicht davon abhält als<br />

Elektrogeist weiterhin die Mitglieder der Suicide Girls<br />

zu terrorisieren.<br />

rezension<br />

Hack/Slash 5<br />

Das „Zwischenspiel“ zeigt Poochs außerordentliches<br />

Talent die das Paar Chris und Lisa in ihrer<br />

Zweisamkeit zu stören. Außerdem: Das Grab von<br />

Delilah Hack, die als Slasher auch unter den Namen<br />

„Lunch Lady“ bekannt (und nebenbei die Mutter<br />

von Cassie) ist, wird ausgehoben. Das verheißt<br />

nichts Gutes.<br />

In einem Remake von Der Zauberer von Oz, geht<br />

ein rachsüchtiger Ghul um. „Hinter dem Regenbogen“<br />

ist ein Fall für Cassie und Vlad.<br />

Schließlich: „Cassie und Vlad treffen den Re-<br />

Animator“ im fünften und letzten Kapitel dieses<br />

Bandes. Cassie trifft zum ersten Mal auf ihren<br />

leiblichen Vater, doch ist das Vergnügen nur von<br />

kurzer Dauer …<br />

Die Geschichten in Hack/Slash, Band 5: Reanimatoren<br />

zeigen sich zumindest in Amerika im neuen<br />

Gewand: Der Wechsel vom Devil's Due Publishing<br />

zum renommierten Image Comics Verlag (Spawn)<br />

ist geglückt – was auch auf die Beliebtheit und den<br />

Erfolg der Serie hindeutet.<br />

Inhaltlich geht es hier so ziemlich zur Sache:<br />

Cassie trifft endlich auf ihren Vater; darauf hat<br />

man schon lange gewartet. Das etwas andere<br />

Familientreffen geht aber auch noch weiter, als<br />

die Lunch Lady, Cassies Mom, wieder zum Leben<br />

erwacht, aber nur noch wenig Menschliches an<br />

sich hat – oder sollte man sagen zu viel Menschliches?<br />

Der Gore-Faktor bleibt natürlich nicht aus, das<br />

ist bei Hack/Slash klar. Aber vor allen Dingen in<br />

Sequenzen wie im „Zwischenspiel“ merkt man<br />

auch, dass der Autor sich nicht nur auf dieses<br />

Genre versteift, sondern auch einen Sinn für<br />

Humor hat. Auch wenn man sich das bei Beginn<br />

der Reihe noch nicht ganz vorstellen konnte:<br />

Cassie und vor allem auch Vlad wachsen einem ans<br />

Herz, beide haben nicht nur eine sympathische<br />

Szene im Band. Genau das macht die Reihe so gut!


Parallelen zu lovecraftschen Elementen, wie etwa<br />

die Nef-Lords (cthuloide Wesenheiten) oder der<br />

Reanimator selbst sind unübersehbar, aber sehr cool<br />

umgesetzt (wie auch schon bei den vorigen Bänden,<br />

auf denen Bezug darauf genommen wurde).<br />

Optisch sticht das zweite Kapitel hervor: Tim Seeley<br />

(Autor und Erschaffer) hat selbst die Bleistifte gewetzt<br />

und die Ergebnisse sind immer noch die Besten! Katie<br />

de Sousa war für die Farben verantwortlich. Die<br />

Kombination von Seeleys Zeichnungen und de Sousas<br />

digitalen Kunstfertigkeiten (besonders: Leuchteffekte,<br />

Lippen und Augen der Personen) kann sich<br />

mehr als sehen lassen und ist eine wahre Freude für<br />

Fans der neunten Kunst. Bleibt nur zu hoffen, dass<br />

man dieses Dream-Team nicht das letzte Mal gemeinsam<br />

gesehen hat. Die restlichen Kapitel halten sich<br />

eher im traditionellen Stil, d.h. weniger kontrastreich,<br />

was aber keinen Abbruch der Qualität des Gesamtwerkes<br />

tut.<br />

Für Fans ebenfalls interessant: Cross Cult bietet den<br />

deutschen Lesern meist mehr Informationen über die<br />

Reihe, Mitwirkende etc. an, als den amerikanischen<br />

Lesern. So ist jeder Band mit Zusatzinformationen<br />

bestückt, was eine ziemlich gute Sache ist. So gibt es<br />

als Bonus Cassies Shooting-Fotos bei den (real existierenden)<br />

Suicide-Girls, Psychoakten aller auftauchenden<br />

Slasher und ein Interview mit Tim Seeley.<br />

Natürlich ist der Band im gewohnt robusten Hardcover-Format.<br />

© 2011 Wassilios Dimtsos<br />

rezension<br />

Hack/Slash 5<br />

© Markus Schüler


Ein Beobachter hätte an<br />

diesem Tag nichts Besonderes<br />

bemerkt. Im Grunde ein ganz normaler<br />

Dienstag. Irgendwann zwischen<br />

Mittag und Nachmittag. Ein<br />

kühler Wind aus Norden mischte<br />

die schwüle Luft etwas durch, die<br />

den Menschen auf der Straße<br />

ansonsten dunkle Ringe unter die<br />

Achseln gezeichnet hätte. Der<br />

Himmel über der großen Stadt war<br />

klar und die Sonne brannte unerbittlich<br />

auf den flimmernden<br />

Asphalt.<br />

Ein junger Mann saß auf einer<br />

Bank im Park und beobachtete den<br />

Flug der Vögel. In alten Zeiten<br />

hätte man ihn möglicherweise für<br />

einen Wahrsager gehalten, der aus<br />

den scheinbar zufälligen Bewegungen<br />

die Zukunft zu lesen versuchte.<br />

An solche Künste glaubte<br />

freilich keiner mehr im Zeitalter<br />

der Raumfahrt und der Atombombe.<br />

Die Bank, auf der er saß,<br />

war grün gestrichen und irgendwie<br />

kam es ihm so vor, als wäre auch<br />

sein Innenleben so gehalten, grün<br />

vor Schmerz. Neben ihm saß<br />

niemand und je länger dieser<br />

Zustand anhielt, umso schlimmer<br />

wurde der Schmerz, bis es ihm<br />

beinahe die Tränen in die Augen<br />

trieb. Diese Art von Unwohlsein<br />

kannte keine Worte, wer es verspürte,<br />

war nicht in der Lage es<br />

auszusprechen. Manche hatten<br />

versucht, es mit dem Gefühl von<br />

intensivem Hunger zu umschreiben,<br />

ein Zwicken, Drehen und<br />

Brennen im Bauch. Irgendwo in<br />

der Magengegend. Aber Essen half<br />

nichts. Im Gegenteil, das machte<br />

dieses Gefühl nur noch schlimmer<br />

und es gesellte sich eine Übelkeit<br />

dazu. Andere sagten, es sei wie<br />

Prüfungsangst, fünf Minuten,<br />

bevor es wirklich losging. So, als<br />

würde der Magen versuchen, zu<br />

fliegen, während er immer noch<br />

von Muskeln und Sehnen im<br />

Körper festgehalten wurde.<br />

Ansätze einer Beschreibung gab es<br />

viele. Das Gefühl, jeden Moment<br />

losschreiben zu müssen, aber es<br />

gleichzeitig nicht zu können, weil<br />

die Luft zu dünn war. Als wollte<br />

man sich selbst beschimpfen, die<br />

Welt und alles, was drum herum<br />

lag. Wenn man dann aber doch<br />

schrie, es irgendwie schaffte, half<br />

es nichts und man konnte am Ende<br />

nicht mehr aufhören bis der Hals<br />

schmerzte und die Stimme versagte.<br />

Vielleicht half es ein wenig,<br />

wenn man jemanden zum Reden<br />

hatte, aber auch dann kehrte das<br />

Gefühl sofort zurück. Spätestens<br />

dann, wenn man wieder alleine<br />

war.<br />

Immer wieder ballte der Mann<br />

auf seiner Bank die Hände zu<br />

Fäusten bis die Knöchel weiß hervortraten,<br />

entspannte sie wieder<br />

und wiederholte die Übung,<br />

während die Zeit quälend langsam<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

dahin kroch. Durch einen viel zu<br />

heißen Nachmittag. Tief in seinem<br />

Inneren wusste er, dass sie nicht<br />

mehr kommen würde, dass er<br />

umsonst wartete und trotzdem<br />

schob er die Frist, bis er endgültig<br />

gehen würde, immer wieder<br />

hinaus. Ihm war klar, dass es keine<br />

Verbindung mehr mit ihr geben<br />

würde, wenn er erst einmal gegangen<br />

war. Sie würden sich nie<br />

wieder sehen. Und für einen<br />

kurzen Moment wünschte er sich,<br />

zu sterben. Es war eine bittere<br />

Befriedigung sich vorzustellen, wie<br />

sie um ihn trauern würde, eine<br />

Befriedigung mit einem leeren,<br />

sauren Nachgeschmack.<br />

Irgendwo in der Innenstadt, vor<br />

einem hohen Gebäude mit hunderten<br />

von Fenstern, saß eine<br />

Frau. Ein Tourist fragte sie,<br />

welchem Zweck das Bauwerk<br />

diente und sie sagte es ihm.<br />

Freundlich bedankte er sich bei ihr<br />

und machte einen Schnappschuss<br />

von der gelben, leicht verschnörkelten,<br />

neo-klassizistischen Fassade.<br />

Ein Baustil, der so<br />

kennzeichnend für die längst vergangene<br />

Monarchie gewesen war.<br />

Nur mehr dieses Haus und der<br />

romantische Springbrunnen davor<br />

zeugten von der einstigen Macht<br />

der Kaiser. Ein übergroßes<br />

Schlachtross aus Stein stand in der<br />

Mitte des Brunnens, und auf<br />

seinem Rücken saß ein Soldat mit<br />

hoch erhobenem Säbel, während


sein Reittier unablässig Wasser aus<br />

seinem Maul in den Brunnen<br />

sprühen ließ. Irgendwo war da<br />

auch eine Gedenktafel aber<br />

niemand interessierte sich wirklich<br />

dafür. Selbst der Tourist wollte nur<br />

seine Erinnerungsbilder und<br />

weiter zum nächsten Denkmal. Die<br />

Frau hatte ihre Haare rot gefärbt<br />

und trug sie lang. Ein rostiges Fahrradschloss<br />

baumelte um ihren Hals<br />

und passte erstaunlich gut zur<br />

rot-blau karierten Hose. Im<br />

Grunde hielt sie sich für nichts<br />

Besonderes. Am Rand des Brunnens,<br />

beim kühlen Wasser war die<br />

Atmosphäre angenehmer als<br />

irgendwo sonst, während aus der<br />

Ferne das beruhigende Klingeln<br />

und Summen der Straßenbahnen<br />

erklang. Jemand hatte sich neben<br />

sie gesetzt und stellte einen tragbaren<br />

Kassettenspieler ab. Die<br />

rauschende Stimme des wohl<br />

bekanntesten Radiomoderators,<br />

Rick Stich, drang gedämpft aus den<br />

Boxen.<br />

»Und nach diesem genialen<br />

Gitarrensound aus einer besseren<br />

Zeit heißen wir den Mann willkommen,<br />

den man nicht zu Unrecht als<br />

den steifsten Nachrichtenmenschen<br />

diesseits des Ohio<br />

bezeichnet, ein Mann dessen<br />

Namen für Qualität steht: Philipp<br />

Stommer. Vielleicht noch ein<br />

kleiner Zusatz an all jene, die in<br />

letzter Zeit befürchtet haben, in<br />

einem der schlimmsten LSD-Flash-<br />

backs der letzten zwanzig Jahre<br />

gelandet zu sein. Macht Euch keine<br />

Sorgen wenn Ihr vom schwarzen<br />

Mann geträumt habt, Ihr seid nicht<br />

allein.«<br />

Eine kurze Pause trat ein, ehe<br />

sich eine nüchterne Stimme, die<br />

völlig im Gegensatz zu Ricks überdrehtem<br />

Stil stand, zu Wort meldete.<br />

»Danke Rick. Aus den neuesten<br />

Meldungen der örtlichen Wetterwarten<br />

geht hervor, dass sich die<br />

Ozonwerte im Laufe der letzten<br />

Stunden wieder etwas normalisiert<br />

haben. Es gibt keine neuen<br />

Meldungen von gehäuften Atembeschwerden<br />

oder Halluzinationen.<br />

dennoch weist das<br />

Gesundheitsamt darauf hin, dass<br />

sensible oder ältere Menschen<br />

nach wie vor zu Hause bleiben und<br />

alle schweren Arbeiten meiden<br />

sollten. Führende Experten bestätigten<br />

gegenüber der Presse, dass<br />

auch der violette Sonnenuntergang,<br />

den man an manchen Orten<br />

beobachten konnte, eine direkte<br />

Folge der ungewöhnlichen Ozonbelastung<br />

war. Wenn sie aber trotz<br />

der nun wieder fast normalen<br />

Werte irgendwelche Beschwerden<br />

wie Atemnot, Sehstörungen oder<br />

Halluzinationen bemerken, verständigen<br />

sie sofort einen Arzt und<br />

lassen sie sich untersuchen. Wir<br />

halten sie auf dem Laufenden über<br />

die weitere Entwicklung.«<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

Irgendwer sagte im Vorbeigehen:<br />

»Jahrhundertsommer«, aber<br />

niemand antwortete ihm, also ging<br />

er einfach weiter.<br />

Die Frau wischte sich mit der<br />

Hand ein paar Schweißperlen von<br />

der Nase und erinnerte sich an die<br />

letzten Wochen. Vielleicht war<br />

etwas dran an dem Gerücht, dass<br />

irgendeine ausländische Regierung<br />

mit neuen Chemikalien herumexperimentiert<br />

hatte. Wen wunderte<br />

das schon? Und die Folgen nun auf<br />

das Wetter zu schieben war wirklich<br />

genial. Zu gut konnten sich alle<br />

noch an den schweren Atomunfall<br />

vor fünfzehn Jahren erinnern.<br />

Damals hatte man auch bis zum<br />

letzten Moment gewartet und die<br />

Bevölkerung erst dann gewarnt,<br />

als es nicht mehr anders ging. Die<br />

Welt an sich würde sich nie<br />

ändern, da war sich die Frau ganz<br />

sicher.<br />

Die »Ozonwerte« und ihre<br />

komischen Folgen. Die Ärzte<br />

hatten gesagt, dass sie bei<br />

manchen Menschen schizophrene<br />

Zustände ausgelöst konnten.<br />

Farben und Bilder aus dem Nichts.<br />

Düstere Vorahnungen und Wahnvorstellungen.<br />

Natürlich waren die<br />

Krankenhäuser für eine kurze Zeit<br />

vollkommen überfüllt gewesen. Es<br />

schien beinahe so, als wäre die<br />

gesamte Bevölkerung davon<br />

betroffen gewesen. Jetzt, drei<br />

Wochen später, hatte sich alles<br />

wieder in normale Bahnen einge


enkt, und für Manche lag es schon<br />

wieder so weit zurück als wäre es<br />

in einem anderen Leben gewesen.<br />

Konnte Ozon wirklich eine solche<br />

Wirkung haben? Auf einer so<br />

großen Fläche? Den wirklichen<br />

Grund, dachte die Frau, würden sie<br />

wohl nie erfahren. Auf jeden Fall<br />

hatte man versprochen, alles<br />

genau zu untersuchen. So, wie<br />

immer.<br />

Ein Mitarbeiter der städtischen<br />

Reinigung versah seinen Dienst<br />

nur einige Straßen von der Frau<br />

am Brunnen und dem Mann auf<br />

der Parkbank entfernt. Sein orangefarbener<br />

Arbeitsanzug war von<br />

seinem Schweiß getränkt und er<br />

konnte absolut gar nichts dagegen<br />

unternehmen. Zwar hatte er den<br />

Reißverschluss bis zum Bauchnabel<br />

geöffnet, und das Oberteil<br />

schwang um seine Hüften, doch<br />

selbst im Unterhemd schwitzte er<br />

noch unter den Armen und auf der<br />

Brust. Mit schnellen, lange eingeübten<br />

Bewegungen schrubbte er<br />

die Wand eines öffentlichen<br />

Gebäudes und keuchte dabei, als<br />

würden seine Lungen gleich platzen.<br />

Die Arbeit war mehr als<br />

monoton, und so war sein Geist<br />

frei für andere Gedanken. Mindestens<br />

so rätselhaft wie die Ozonhalluzination<br />

der letzten Wochen<br />

waren die Graffiti, die etwa zur<br />

selben Zeit überall im Land aufgetaucht<br />

waren. Niemand konnte<br />

sich erklären, wer der unbekannte<br />

Künstler gewesen war, der die<br />

Worte: »Die Wahrheit liegt im<br />

Koma«, in übergroßen, altmodisch<br />

verschnörkelten Buchstaben auf<br />

die Wände gesprüht hatte. Es<br />

schien so, als hätte er alle größeren<br />

Wände der Stadt damit<br />

besprüht. Zu Beginn war es keinem<br />

aufgefallen, erst später dann. Als<br />

die meisten Leute wieder gesund<br />

waren, hatte man die Worte entdeckt<br />

und sofort damit begonnen,<br />

sie zu entfernen. Woher waren die<br />

Worte gekommen? Hatte man sie<br />

wirklich erst während der Krise<br />

angebracht? Der Mann wusste es<br />

besser, aber niemand fragte ihn.<br />

Vielleicht, dachte sich der Mann<br />

vom Reinigungsdienst, war es ja<br />

einer gewesen, der die Krise vorhergesehen<br />

hatte. Wenn er genau<br />

darüber nachdachte, konnte er<br />

sich kaum mehr daran erinnern,<br />

was vor drei Wochen geschehen<br />

war. Nach allem, was er wusste,<br />

hätte er es selbst gewesen sein<br />

können. Während die Farben<br />

langsam von der Mauer herunter<br />

rannen und die Buchstaben ineinander<br />

verschwammen, unerbittlich<br />

gelöst von den aggressiven<br />

Chemikalien der Reinigungslösung,<br />

fragte er sich, ob hinter den<br />

Worten vielleicht eine bestimmte<br />

Botschaft versteckt sein konnte.<br />

Aber schließlich verwarf er den<br />

Gedanken wieder. Niemand<br />

bezahlte ihn dafür, zu denken.<br />

Und, dass das erste Graffiti dieser<br />

Art schon vor einem halben Jahr<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

aufgetaucht war, kümmerte nun<br />

wirklich niemanden.<br />

Und dann war da noch ein achtjähriges<br />

Mädchen namens Andrea.<br />

Sie saß irgendwo am Straßenrand<br />

und spielte mit einer Handvoll<br />

Murmeln. Jede der kleinen Glaskugeln<br />

hatte ein anderes Muster.<br />

Manche waren ganz klar und nur<br />

von einer Farbe, andere wiederum<br />

enthielten milchige Streifen,<br />

Sterne und Muster. Auch in der<br />

Größe unterschieden sie sich. Ab<br />

und zu hielt sie in ihrem Spiel inne,<br />

strich sich die hüftlangen, erdbeerroten<br />

Haare aus dem hellen<br />

Gesicht und lächelte zur Sonne<br />

hinauf. Sie war das einzige Kind auf<br />

der Straße. Die Erwachsenen<br />

mieden bei diesen Temperaturen<br />

alle Anstrengungen, doch ihr war<br />

es irgendwie wichtig hier zu sein.<br />

Vor drei Wochen hatte sie sich<br />

gefühlt, als wäre sie aus einem<br />

langen Schlaf erwacht, hatte sich<br />

im Bett gestreckt wie eine junge<br />

Katze, gegähnt und war auf die<br />

Straße gegangen. Einfach, weil ihr<br />

danach gewesen war. Die<br />

Murmeln waren an jenem Tag<br />

einfach da gewesen. In einem<br />

kleinen Beutel aus blauem Samt<br />

mit einer roten Kordel, um ihn zu<br />

verschließen. Ab und zu hielt sie<br />

eine der Glaskugeln ins Licht und<br />

betrachtete die sich brechenden<br />

Strahlen. Der Regenbogen darin<br />

tanzte nur für sie.


Natürlich hatte man ihr erzählt,<br />

dass das Wetter sie so schlapp und<br />

müde gemacht hatte. Irgendetwas<br />

in der Luft. Sie hatte wohl sehr<br />

lange und tief geschlafen. An der<br />

Hand ihrer Mutter war sie dann<br />

zum Arzt gegangen. Ein hagerer<br />

Mann mit dichtem Schnauzer,<br />

beängstigenden Augenbrauen. Mit<br />

rauen Händen hatte er sie untersucht.<br />

Seine Geräte waren unangenehm<br />

kalt gewesen, aber sie<br />

hatte sich bemüht, tapfer zu<br />

wirken. Schließlich hatte er<br />

ohnehin schon recht missbilligend<br />

auf sie heruntergesehen.<br />

»Ein vollkommen gesundes<br />

Kind«, das waren seine Worte zu<br />

ihrer über alle Maßen<br />

erleichterten Mutter gewesen. Zu<br />

komisch, dass dafür diese selbst<br />

einen Tag später in jenen tiefen<br />

Schlaf fiel, der die Welt für einige<br />

Zeit in seinen Klauen gehalten<br />

hatte. Niemand wusste, warum.<br />

Niemand hatte etwas dagegen tun<br />

könnte. Und während die Welt<br />

den Atem angehalten hatte, waren<br />

seltsame Schatten über ihre Oberfläche<br />

gewandert. Natürlich war<br />

ihre Mutter am Ende wieder aufgewacht.<br />

So, wie eigentlich alle.<br />

Aber egal, was der Arzt gesagt<br />

hatte, Andrea war sich nicht so<br />

sicher, dass sie wirklich gesund<br />

war. Etwas hatte sich geändert seit<br />

diesem Tag. Was die Erwachsenen<br />

nur im Flüsterton die Krise<br />

nannten war nur der spürbare<br />

Anteil eines viel größeren Ereignisses<br />

gewesen. Dessen war sich<br />

Andrea sicher. Eine Veränderung<br />

hatte von der Welt Besitz ergriffen.<br />

Manchmal, wenn sie jetzt auf<br />

der Straße stand, glaubte sie,<br />

Stimmen zu hören. Die Stimmen<br />

klangen immer wie ihre eigene,<br />

obwohl sie ganz sicher war, diese<br />

speziellen Worte nie ausgesprochen<br />

zu haben. Einmal hörte sie<br />

sich selbst in beinahe flehendem<br />

Ton sagen: »Betest du manchmal<br />

für mich, Bruder?« Ein anderes<br />

Mal sagten die Stimmen, was<br />

überall auf den Wände als Graffiti<br />

zu lesen stand: »Die Wahrheit liegt<br />

im Koma.« Was sie aber besonders<br />

bemerkenswert fand, schien<br />

dieser völlig unsinnige Drang zu<br />

sein, eine Art Tagebuch zu führen.<br />

Ihre Mutter wusste nichts davon,<br />

und wenn sie die Natur des Tagebuches<br />

auch nur erahnt hätten,<br />

dann wäre sie sicher nicht erfreut<br />

gewesen.<br />

Das Kind nahm das in Leder<br />

gebundene Büchlein an sich, das<br />

neben dem Sack Murmeln auf dem<br />

Gehsteig lag. Vorsichtig schlug sie<br />

die erste Seite auf. Sie war von<br />

oben bis unten mit Andreas<br />

eigener Handschrift vollgeschrieben.<br />

Die Geschichte, die sich mittlerweile<br />

über mehr als zwanzig<br />

Seiten erstreckte, war nicht ihre<br />

eigene, das wusste Andrea. Sie<br />

schrieb darin über ein anderes<br />

Mädchen. Ein gänzlich anderes<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

Leben. Dieses Mädchen besuchte<br />

Orte, die Andrea noch nie gesehen<br />

hatte und von manchen hatte sie<br />

noch nicht einmal gehört. Einmal<br />

hatte sie sogar ein Lexikon von<br />

ihrem Vater genommen und angefangen,<br />

zu suchen. Diese Orte existierten<br />

wirklich, waren aber oft<br />

weit weg. Trotzdem, wenn sie<br />

schrieb, war ihr alles völlig klar. Die<br />

Plätze, die dieses andere Mädchen<br />

besucht hatte, konnte sie genauso<br />

vor sich sehen wie die Straße in<br />

diesem Moment. Seite für Seite<br />

blätterte sie sich zum letzten<br />

Eintrag vor. Bald würde sie ein<br />

neues Buch brauchen, wenn sie so<br />

weiterschrieb. Aus einer Tasche<br />

ihres Kleides holte sie einen Kugelschreiber<br />

hervor und setzte ihn am<br />

Beginn einer neuen Seite an. Die<br />

Worte kamen beinahe selbstverständlich<br />

aus ihr heraus, und der<br />

Stift wanderte sicher über das<br />

Blatt. Andrea kannte mittlerweile<br />

den Namen des Mädchens, von<br />

dem diese Geschichte handelte.<br />

Sie hieß Alexis und schien sehr<br />

alleine zu sein. Nur wenn Andrea<br />

in das Büchlein schrieb, hatte sie<br />

das Gefühl, dass diese Alexis nicht<br />

mehr ganz so alleine war.<br />

Die Stimmen in Andreas Kopf<br />

nannten dieses andere Mädchen<br />

manchmal »Die Verlorene«. Sie<br />

war während der Krise unterwegs<br />

gewesen. Hatte irgendetwas<br />

getan, um die Schatten zu vertreiben.<br />

Andrea hätte zu gerne


gewusst, was, aber die Stimmen<br />

schwiegen dazu. Und trotzdem, es<br />

war wichtig, sich an die Verlorene<br />

zu erinnern.<br />

Oben am Fenster des Mädchens<br />

stand eine Kerze und brannte vor<br />

sich hin. Sie schien seltsam fehl am<br />

Platz, an einem so hellen Nachmittag<br />

auf einem Fensterbrett.<br />

Andreas Mutter hätte die Kerze<br />

sicher ausgeblasen, wenn sie<br />

davon gewusst hätte. Natürlich<br />

war Andrea nicht so dumm, ihrer<br />

Mutter davon zu erzählen. Und die<br />

Türe hielt sie immer sorgfältig<br />

verschlossen, wenn sie auf die<br />

Straße ging.<br />

Andrea sah immer wieder nach<br />

oben und lächelte erleichtert.<br />

Diese Kerze war wichtig. Eine Art<br />

Symbol der Erinnerung. Es kam<br />

irgendwo in dem speziellen Tagebuch<br />

vor, an einer zentralen Stelle.<br />

Zuerst hatte Andrea es nicht verstanden.<br />

Wieso sollte man Kerzen<br />

aufstellen, um sich zu erinnern?<br />

Brachte es irgendjemandem<br />

etwas? Und noch viel seltsamer<br />

war gewesen, dass die Kerze dazu<br />

diente, sich an Leute zu erinnern,<br />

die sie eigentlich nie gekannt<br />

hatte, von denen sie in den<br />

meisten Fällen nicht einmal die<br />

Namen wusste. Aber am Ende war<br />

es ihr irgendwie romantisch<br />

erschienen. Warum sollte man sich<br />

nicht an die Vergessenen erinnern?<br />

Irgendjemand musste es ja<br />

tun, oder? Seitdem glaubte sie zu<br />

verstehen, stellte diese Kerze jede<br />

Nacht und beinahe jeden Tag auf.<br />

Ihrer Mutter hatte sie erzählt, dass<br />

sie die Kerzen für den Bastelunterricht<br />

in der Schule brauchte und<br />

dadurch gleich eine Packung mit<br />

dreißig Stück erhalten. Kleine, rote<br />

Kerzen, die lange brannten und<br />

sogar nach Himbeeren dufteten.<br />

Obwohl diese spezielle Eigenschaft<br />

nicht unbedingt gefordert war. Die<br />

Stimmen flüsterten ihr zu, dass<br />

Alexis nicht gänzlich verloren war.<br />

Das Mädchen blieb draußen auf<br />

der Straße bis es dunkel wurde<br />

und die Sterne fahl schimmernd<br />

über der Stadt aufgingen. Ihre<br />

Mutter sah ein paar Mal aus dem<br />

Fenster, sagte aber nichts. Sie war<br />

es gewohnt, dass ihre Tochter in<br />

diesen Tagen lange aufblieb und in<br />

der Nacht nur selten schlafen<br />

konnte. Das, dachte sie, würde<br />

wieder vorüber gehen.<br />

Ohne zurückblicken zu müssen<br />

wusste Andrea, dass ihre Mutter<br />

da war. Natürlich machte sie sich<br />

Sorgen. Aber was hätte Andrea tun<br />

sollen? Sie war jetzt anders.<br />

Konnte Stimmen hören, von denen<br />

niemand sonst wusste. Und<br />

manchmal wurden die Menschen<br />

um sie herum durchsichtig. Sogar<br />

ihre Mutter. Das hatte ihr am<br />

Anfang einen riesen Schreck eingejagt.<br />

Die Welt sah dann so aus, als<br />

würde Andrea durch eine Glasscheibe<br />

blicken, auf der sich das<br />

Innere eines Raumes spiegelte.<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

Man sah dann zwei Orte gleichzeitig.<br />

Nur, welcher war real? Wenn<br />

die Menschen durchsichtig<br />

wurden konnte Andrea eine<br />

andere Stadt wahrnehmen, einen<br />

Ort der verlassen war, ein Ort, an<br />

dem die Krise nie geendet hatte<br />

und die Menschen immer noch im<br />

Koma lagen. So wie die Wahrheit.<br />

Was das Tagebuch darüber zu<br />

sagen hatte, verstand sie nicht.<br />

Eines Tages vielleicht. Und damit<br />

begnügte sie sich.<br />

Andrea blickte hinauf zu den<br />

Sternen auf und fragte sich, wie<br />

diese Alexis wohl aussehen<br />

mochte. Sicher, sie hatte die<br />

Beschreibung der jungen Frau aus<br />

ihrem Tagebuch. Eine ziemlich<br />

gute Beschreibung sogar, aber was<br />

Andrea wirklich wollte, war das<br />

wahre Gesicht dieser unbekannten<br />

Person. Das Gesicht, das sich zwischen<br />

den Worten versteckte und<br />

über die Realität von bloßen<br />

Beschreibungen hinausging. Vielleicht,<br />

dachte sie bei sich, konnte<br />

man dieses Gesicht irgendwo zwischen<br />

den Sternen entdecken, so<br />

wie die vielen anderen Gesichter<br />

der Menschen, an die sie sich erinnern<br />

wollte. Leise wiederholte sie<br />

die Worte, die irgendwo zwischen<br />

den Seiten standen: »Erinnere dich<br />

an all die verlorenen Seelen, die<br />

umherirren und nach einem Licht<br />

suchen. Erinnere dich nicht nur an<br />

die Menschen dieser Welt,<br />

sondern an alle Wesen aus allen


Welten, die sich irgendwo befinden,<br />

zeige ihnen den Weg mit<br />

deiner Kerze.« In ihren Ohren<br />

klangen diese Worte irgendwie<br />

hölzern und hochgestochen,<br />

dennoch hatten sie etwas an sich,<br />

dem sich Andrea nicht entziehen<br />

konnte. Irgendwie wusste sie, dass<br />

sich niemand erinnerte. Weder der<br />

junge Mann auf der Parkbank,<br />

noch die Frau am Brunnen und<br />

schon gar nicht der Mitarbeiter<br />

des städtischen Reinigungsdienstes.<br />

Nicht einmal der Reporter im<br />

Radio. Sie alle wussten nicht<br />

einmal, dass Alexis überhaupt existiert<br />

hatte. Sie, das kleine<br />

Mädchen auf der Straße, war die<br />

Einzige die geblieben war. Ihr<br />

alleine hatte das Schicksal den<br />

Mythos anvertraut. Und irgendwo<br />

in den Mustern, die die Sterne<br />

bildeten, glaubte sie ein Gesicht zu<br />

erkennen, das ihr zuzwinkerte.<br />

So sehr war sie in ihr Schreiben<br />

vertieft, dass Andrea gar nicht die<br />

schweren Schritte die Straße heraufkommen<br />

hörte. Auch die plötzlich<br />

aufziehende Kälte bemerkte<br />

sie nicht. Erst als ein Schatten,<br />

dunkler als die Nacht selbst, über<br />

sie fiel, sah das Mädchen auf. Instinktiv<br />

schlug sie das kleine Tagebuch<br />

zu und drückte es schützend<br />

gegen ihren Körper. Der Fremde<br />

stand über ihr wie ein schwarzer<br />

Koloss. Ein langer Mantel umfloss<br />

seinen Körper, darunter ein altmodisches<br />

Sakko und ein am Hals<br />

hochgeschlossenes Hemd mit Spitzenkragen.<br />

Andrea fühlte sich<br />

unendlich klein, als sie vor diesem<br />

Fremden auf der Straße saß. Mit<br />

zusammengepressten, blutleeren<br />

Lippen sah er auf sie herunter, die<br />

Züge ohne jede Mimik und kalt wie<br />

die eines Haifisches. Ebenso tot<br />

starrten seine Augen. Das einzig<br />

Lebendige an ihm schienen die<br />

Haare zu sein. Sie flossen wie ein<br />

silberner Wasserfall über seine<br />

Schultern und bewegten sich in<br />

einem leichten Wind, obwohl<br />

Andrea geschworen hätte, dass<br />

sich sonst nicht ein Staubkorn in<br />

ihre Nähe bewegte.<br />

»Ich weiß, wer du bist«, brachte<br />

sie mühsam hervor.<br />

Der Fremde verzog seine bleistiftdünnen<br />

Lippen zu so etwas wie<br />

einem Lächeln. Dabei zeigte er<br />

seine blendend weißen Zähne.<br />

»Ich hatte mir jemand anderen<br />

vorgestellt«, entgegnete der<br />

Fremde gelassen. Seine Stimme<br />

klang wie Fingernägel, die über<br />

eine Schultafel kratzten. »Ich habe<br />

dich lange gesucht, Liktor.«<br />

Andrea verstand nicht, was der<br />

Mann meinte, aber sie kannte ihn.<br />

Er war einer jener Schatten, die<br />

über die Erde gewandelt waren,<br />

als alle anderen geschlafen hatten.<br />

Einer derjenigen, die fast für den<br />

Tod all derer verantwortlich<br />

gewesen wären, die Andrea liebte.<br />

Mama. Papa. Und ein Feind von<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

Alexis. Kindliche Wut gab ihr die<br />

Kraft aufzustehen. Dennoch<br />

reichte sie ihm gerade bis zu den<br />

Hüften. Wieder entblößte der<br />

Fremde seine Zähne.<br />

»Vergessen oder sterben. Die<br />

Wahl liegt bei dir.« Er hielt dem<br />

Mädchen seine ausgestreckte<br />

Hand entgegen. In seinem Blick lag<br />

ein Befehl. Andrea sah an sich<br />

hinunter. Das Buch. Sie hielt es<br />

immer noch an ihren Körper<br />

gepresst. Das war es, was er<br />

wollte. Ungeduldig schürzte er<br />

seine Lippen.<br />

Andrea sah auf seine dürre,<br />

faltige Hand und schüttelte den<br />

Kopf.<br />

»Wie du willst.« Ohne mit der<br />

Wimper zu zucken, wandte er<br />

seine offene Handfläche dem<br />

Mädchen zu, formte seine Finger<br />

zu einer Kralle. In Andreas Geist<br />

entstand ein Bild. Vor langer Zeit<br />

an einem anderen Ort. Ein<br />

Mensch, der sich der Dunkelheit<br />

entgegen stellte. Violettes Licht.<br />

Tod. Andrea schloss die Augen.<br />

Eine Träne rann plötzlich über ihre<br />

Wange und sie wusste nicht<br />

einmal, wieso.<br />

»Erstaunlich«, hörte sie den<br />

Mann sagen. Vorsichtig öffnete<br />

das Mädchen ihre Augen. Er stand<br />

immer noch da, fixierte aber nun<br />

seine eigene Handfläche. Da<br />

spürte Andrea etwas Kaltes zwischen<br />

ihren Fingern. Eine Murmel.


Eine von denen mit gesprenkelten<br />

Sternen darin. Sie musste sie, ohne<br />

es zu bemerken, aufgehoben<br />

haben. Das Licht der Kerze spiegelte<br />

sich in der durchsichtigen<br />

Kugel und tauchte ihren kleinen<br />

Körper in sanftes Licht.<br />

»Und du hattest niemanden, der<br />

dir das beigebracht hat?«, fragte<br />

der Fremde. Andrea schüttelte den<br />

Kopf.<br />

Misstrauisch blickte er sich um,<br />

sah die Straße hinauf und hinunter.<br />

Streunende Katzen und Straßenlaterne.<br />

Bis auf den Mann und<br />

das Mädchen keine Menschenseele<br />

weit und breit. Schließlich<br />

sah er zum Fenster hinauf,<br />

erblickte die Kerze.<br />

Mit einem breiten Grinsen, das<br />

mehr Zähne offenbarte, als Andrea<br />

je sehen hatte wollen. Es gab ihr<br />

einen Stich ins Herz, wie er eine<br />

wegwerfende Geste in Richtung<br />

des Fensters vollführte. Die Kerze<br />

erlosch.<br />

»Nur noch ein kleines Mädchen«,<br />

murmelte der Fremde, als<br />

das Leuchten um Andrea herum<br />

ebenfalls erstarb.<br />

Andrea stolperte einen Schritt<br />

rückwärts, aber der Fremde war<br />

schneller. Als er auf sie zu trat, sah<br />

Andrea nur mehr Dunkelheit. Sie<br />

bedauerte, dass sie sich von ihrer<br />

Mutter und ihrem Vater nicht<br />

mehr abschiedet hatte. Und sie<br />

bedauerte, dass sie jetzt nicht<br />

mehr erfahren würde, wie es mit<br />

diesem anderen Mädchen weiterging.<br />

Der Mann packte sie am Genick.<br />

Sein Gesicht hatte jeden Ausdruck<br />

verloren, er wurde wieder zu dem<br />

Haifisch, der er zu Beginn gewesen<br />

war. In Panik wollte das Mädchen<br />

nach ihrem Angreifer schlagen,<br />

streckte ihre kleine Hand zu einer<br />

Kralle verbogen seinem Gesicht<br />

entgegen. Purpurnes Licht schlug<br />

dem Fremden entgegen. Der Griff<br />

um Andreas Genick löste sich und<br />

sie fiel zu Boden. Der harte Asphalt<br />

schrammte über ihr Knie und am<br />

Rande ihres Bewusstseins nahm<br />

sie wahr, wie Blut aus der Wunde<br />

zu fließen begann. Aber eigentlich<br />

konnte sie sich nur auf ihren<br />

Angreifer konzentrieren. Wie ein<br />

Betender kniete er vor ihr auf der<br />

Straße. Der weite Mantel hatte<br />

sich um ihn herum ausgebreitet<br />

wie eine schwarze Decke auf<br />

einem makaberen Friedhofspicknick.<br />

»Erstaunlich«, wiederholte er<br />

seine Worte von vorhin. Etwa<br />

stimmte mit ihm nicht. Seine<br />

Haare hatten aufgehört in jenem<br />

seltsamen Geisterwind zu wehen<br />

und auch die durchdringende Dunkelheit,<br />

aus der er bestanden<br />

hatte, wurde schwächer. Andrea<br />

kam es so vor, als würde er<br />

weniger real werden.<br />

»Nur einer meiner Art ist jemals<br />

vernichtet worden«, sagte der<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

Fremde zu dem Mädchen. »Ich<br />

werde der Zweite sein.« Andrea<br />

konnte sehen, wie er zusehends an<br />

»Realität« verlor. Er löste sich<br />

nicht auf, schmolz auch nicht<br />

dahin. Nein, er glitt einfach weg.<br />

So, als als hätte es ihn nie gegeben.<br />

»Und du bist dir sicher, dass dir<br />

das niemand beigebracht hat?«<br />

Interessiert sah er auf ihre Hand<br />

und tatsächlich, ein bisschen von<br />

dem Purpurglanz tanzte immer<br />

noch über ihre Fingernägel.<br />

Andrea schüttelte wortlos den<br />

Kopf. Selbst die Stimmen schwiegen.<br />

»Dann bist du es wirklich. Und es<br />

wird nicht mehr lange dauern.<br />

Glaub mir, vergessen wäre die<br />

bessere Wahl gewesen« Mit<br />

diesen Worten, von denen sie<br />

spürte, dass sie aufrichtig gemeint<br />

waren, verschwand der Fremde<br />

vollends aus Andreas Welt. Dabei<br />

konnte sie einen kurzen Blick auf<br />

die andere Seite werfen. Da war<br />

sie wieder, die tote Welt, in der<br />

niemand aus dem Koma erwacht<br />

war. Sie sah zu ihrem eigenen<br />

Haus. Es war eine Ruine, verfallen.<br />

Die Fenster waren verschwunden<br />

und an ihrer Stelle starrten nur<br />

leere, schwarzen Höhlen in die<br />

Einöde hinaus. Andrea sah sich<br />

um. Die ganze Stadt befand sich in<br />

diesem Zustand. Wahrscheinlich<br />

sogar die ganze Welt. Schatten<br />

tanzten über die menschenleeren<br />

Straßen. Irgendwo da draußen,


dass wusste sie, irrte die Verlorene<br />

umher. So sah die Welt wirklich<br />

aus. Und nur sie, Andrea, wusste<br />

es. Die Verlorene war vielleicht der<br />

Schlüssel, die Rettung am Ende<br />

aber, wenn sich Andrea nicht mehr<br />

erinnerte, konnte Alexis den Weg<br />

nicht zurückfinden und alles wäre<br />

verloren. Die Wahrheit würde im<br />

Koma liegen. Für immer.<br />

Die Welt, wie Andrea sie kannte,<br />

kehrte zurück. Zuerst legte sie sich<br />

transparent über jene apokalyptische<br />

Vision, bis sie diese ungültig<br />

verdrängte. Und mit der Welt kam<br />

der Schmerz. Ein tiefes Pochen in<br />

ihrem Knie machte Andrea auf die<br />

Verletzung aufmerksam. Das Kleid<br />

war am Knie komplett durchgescheuert.<br />

Nur ein Blick genügte<br />

und sie wusste, dass sie den tiefen<br />

Riss vor ihrer Mutter nicht verbergen<br />

konnte. Andrea seufzte und<br />

überlegte sich eine gute<br />

Geschichte. Vielleicht war sie<br />

einfach beim Laufen gestolpert?<br />

Den Schattenmann würde sie nicht<br />

erwähnen. Ihre Mutter würde sich<br />

dann sicher große Sorgen machen,<br />

mit ihr vielleicht zu einem Arzt<br />

gehen, zu einem von denen, über<br />

die man nur mit vorgehaltener<br />

Hand sprach. Nein. Dafür war sie<br />

zu wichtig, das wusste Andrea.<br />

Die Stimmen bestärkten Andrea,<br />

als sie ihre Murmeln und das Tage-<br />

kurzgeschichte<br />

Erinnerung<br />

von Dan Gerrit<br />

buch zusammenpackte, um hineinzugehen<br />

zu ihrer Mutter. Andrea<br />

sah zu ihrer Mutter, die am Bügelbrett<br />

stand, ein paar Hemden<br />

faltete und dabei in den Fernseher<br />

blickte. Irgendeine Talkshow. Ob<br />

ihre Mutter wohl ahnte, dass sie<br />

eigentlich gar nicht hier war? Das<br />

Mädchen bezweifelte es und<br />

zuckte mit den Schultern. Sie<br />

wollte unbedingt noch ihre Lieblingszeichentrickserie<br />

anschauen.<br />

Außerdem musste sie die Kerze<br />

wieder entzünden. Das Schicksal<br />

eines anderen Mädchens hing<br />

davon ab und damit das Schicksal<br />

der Welt.<br />

© Koshka


Im Zuge der Arbeitsaufnahme von Dan Gerrit als<br />

Redakteur des Vampire Magic Magazins führte Carola<br />

Kickers ein kleines Interview mit ihm, welches wir<br />

euch nicht vorenthalten möchten.<br />

Vampire Magic Magazin mit neuem<br />

Redakteur!<br />

Das Vampire Magic Magazin bekommt nicht nur ein<br />

neues Layout, sondern auch einen neuen Mitarbeiter.<br />

Deshalb möchte ich (Carola Kickers) Euch gleich<br />

hier unseren neuen Redakteur und<br />

Mitherausgeber Dan Gerrit kurz vorstellen:<br />

Hallo Dan, erzähl unseren Lesern doch etwas über<br />

Deine Person.<br />

Das ist immer so eine Sache mit dem über die eigene<br />

Person was erzählen. Wie fasst man ein Leben in ein<br />

portrait<br />

Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />

Dan Gerrit ist in letzter Zeit recht aktiv in der Szene geworden und damit ihr ihn etwas näher<br />

kennenlernt, haben wir hier noch einige Informationen von und über ihn zusammen gestellt.<br />

Kurzvita<br />

Dan Gerrit wurde am 14.01.1979 in Voralberg/Österreich am Bodensee geboren, wo er seine ersten<br />

Lebensjahre und Jugend verbrachte.<br />

Musisch interessiert widmete er sich zunächst der Musik und erlernte Violoncello ebenso wie das Gitarrespielen.<br />

Durch das Schreiben eigener Songs entdeckte er früh seine Leidenschaft für die Schriftstellerei. Erste<br />

<strong>Kurzgeschichten</strong> folgten, die in Schülerzeitungen seines Gymnasiums veröffentlicht wurden.<br />

Nach einer pädagogischen Ausbildung begann er im Herbst 2003 ein Studium der Psychologie an der<br />

Universität Innsbruck, welches er 2008 mit Auszeichnung abschloss. Schwerpunktthemen waren „Denkpsychologie“<br />

und „Psychologie des Alltagshandelns“. Dies floss nun auch in seine schriftstellerische Arbeit mit<br />

ein. Fasziniert vom menschlichen Geist, sowohl in seiner gesunden als auch pathologischen Form, nutzte er<br />

das Gelernte für weitere <strong>Kurzgeschichten</strong>, zwei Romanprojekte und kleinere Theaterstücke.<br />

Hauptberuflich arbeitet Dan Gerrit als Medical Writer, Medical Editor und Statistiker, eine Position in der er<br />

sowohl schreibend als auch wissenschaftlich tätig sein kann. Nun sollen seine Texte endlich einem größeren<br />

Publikum vorgestellt werden.<br />

paar Sätze? Vielleicht wäre es wichtig über mich<br />

zu wissen, dass Musik das Zentrum meines Lebens<br />

bildet. Es gibt kaum einen Abschnitt meiner Vergangenheit,<br />

in dem ich nicht meinen eigenen<br />

Soundtrack gehabt hätte. Zu jedem Triumph, jeder<br />

Niederlage, beinahe jedem Tag kann ich die Musik<br />

nennen, die mich am meisten beeinflusst hat. Ich<br />

brauche nur eine bestimmte Scheibe aufzulegen,<br />

und schon werde ich in die Vergangenheit katapultiert.<br />

Manchmal ist das gut. Manchmal auch nicht.<br />

Die zweite große Liebe ist die Literatur. Egal ob<br />

Fantasy, Science Fiction, Mystery oder Krimi. Ich<br />

liebe Bücher und habe immer mindestens eines<br />

dabei, egal wohin ich gehe. In meiner Jugend<br />

konnte man mich oft unten am See finden, bei<br />

einem kleinen Leuchtturm. Da saß ich dann, dem<br />

Wasser zugewandt, und habe gelesen. Besonders<br />

schöne Erinnerungen habe ich an diverse Stürme,<br />

wenn die Schaumkronen der Wellen über die<br />

Steinbrüstung nach oben geschleudert wurden, der<br />

Wind mir die Haare zerzaust hat und ich einfach<br />

nur da stand und über die letzten gelesenen Zeilen


nachdachte. Definitiv ein Gefühl von Unendlichkeit.<br />

Neben dem bloßen Genuss des Konsumierens von<br />

Literatur schreibe ich auch selber ziemlich viel. Das<br />

hat mir wohl in der Schulzeit den Ruf eingebracht,<br />

etwas „seltsam“ zu sein, da ich oft in den Pausen<br />

irgendwo in einer Ecke saß und an meinen Ideen feilte.<br />

Dem Schreiben, Lesen und der Musik bin ich bis heute<br />

treu geblieben. Außerdem mag ich Katzen. Habe ich<br />

das schon erwähnt? Haustiere hatten wir eigentlich<br />

bei mir daheim immer und mit einer Ausnahme waren<br />

das durchwegs Stubentiger. Schwarz, weiß, getigert,<br />

bunt – in allen Farben, Formen und Rassen. Ich finde<br />

es faszinierend, wie jede von diesen ihren eigenen<br />

Charakter entwickelt, wenn man es nur zulässt.<br />

Du bist langjähriger Rollenspieler und wirst dieses<br />

Ressort neu im Vampire Magic betreuen. Wo liegen<br />

da Deine Schwerpunkte?<br />

Persönlich bin ich ein großer Fan von Pen&Paper<br />

Rollenspielen, damit habe ich auch angefangen.<br />

Shadowrun, damals in der 2. Edition erhältlich, war<br />

so was wie meine Einstiegsdroge von der aus ich dann<br />

Dungeons and Dragons, DSA, Vampire und all die<br />

anderen wunderbaren Spiele erforschen durfte.<br />

Aktuell leite ich mehrere Runde für D&D 4e sowie<br />

Cthulhu. Später kamen dann auch TabletopWargames<br />

(Warhammer 40k und Fantasy) sowie Onlineund<br />

Offline-Rollenspielen zu meinem Repertoire. Was<br />

die Online-Spiele betrifft, lief wahrscheinlich so ziemlich<br />

jedes in unseren Breiten erhältliche zumindest für<br />

ein paar Wochen zum Testen auf meinen PCs. Halten<br />

konnten mich aber eigentlich nur Ultima Online und<br />

die EverQuest Franchise. Aktuell teste ich „RIFTS“ und<br />

„Mythos“ auf ihr LangzeitmotivationspotenzialJ .<br />

Live-Action hingegen war für mich mehr so eine<br />

Randerscheinung, wahrscheinlich, weil es in meiner<br />

Gegend einfach keine Möglichkeiten gab, das mal so<br />

richtig auszuprobieren.<br />

portrait<br />

Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />

Als Redakteur möchte ich meine Schwerpunkte im<br />

Bereich Pen&Paper und Online-Rollenspiele setzen,<br />

einfach, weil da meine Wurzeln liegen. Allem<br />

anderen bin ich aber nicht unbedingt abgeneigt.<br />

Außerdem wirst Du als ehemaliger Rockmusiker<br />

die Musiksparte in unserem Magazin übernehmen.<br />

Welche Bands/Künstler dürfen sich in<br />

Zukunft an Dich wenden?<br />

Musikalisch ist mein Geschmack relativ breit gefächert.<br />

Ich mag durchaus die alten Klassiker wie den<br />

legendären Leonard Cohen (hat jemals wer ein<br />

tiefsinnigeres Lied als „If it be your will“ geschrieben?),<br />

die Beatles und Bob Dylan. In den „prägenden“<br />

Lebensjahren, während der mittleren und<br />

späten 90ern, lief bei mir die erste Platte von HIM<br />

rauf und runter, ebenso die DreadfulShadows,<br />

Lacrimosa, Tristania, Tiamat, Theatre of Tragedy,<br />

Type-O-Negative und EverEve. Wobei sich manche<br />

dieser Künstler später in Richtungen entwickelten,<br />

die ich dann nicht mehr mitgetragen habe (ja, ich<br />

schaue Euch an, Theatre of Tragedy). Aktuell höre<br />

ich sehr viel Alternative wie Death Cab for Cutie,<br />

Arcade Fire und The National. Generell liebe ich es<br />

düster und melancholisch.<br />

Als Autor schreibst Du gerade an Deinem ersten<br />

Roman. Willst Du uns darüber schon etwas erzählen?<br />

Dem Schreiben an sich bin ich ja schon seit frühester<br />

Jugend sehr zugetan. Ich kann mich noch gut<br />

erinnern. als ich mit 9 Jahren die ersten Ideen<br />

hatte, natürlich nichts, was man irgendjemandem<br />

hätte präsentieren können, aber diese Idee, selber<br />

Welten zu erschaffen, war immer schon irgendwie<br />

da in meinem Kopf. Neben diversen <strong>Kurzgeschichten</strong><br />

und Theaterstücken arbeite ich auch schon


einige Jahre an mehreren Romanprojekten .Mein<br />

aktueller Roman ist ein Mystery-Thriller mit Fantasy-<br />

Einflüssen. Im Zentrum des Werkes, welches in<br />

unserer gewohnten Welt spielt, steht eine mysteriöse<br />

Katze mit besonderen Kräften. Verschiedene Fraktionen,<br />

darunter das Militär und ein geheimnisvoller<br />

Mann aus einer anderen Welt, versuchen, diese Kräfte<br />

für sich zu gewinnen, während eine kleine Gruppe von<br />

Menschen bemüht ist, die Katze, und damit vielleicht<br />

die Welt vor den falschen Einflüsse zu bewahren.<br />

Herzlichen Dank für das kleine Interview. Wir<br />

werden in Zukunft noch oft von Dir lesen und freuen<br />

uns auf Deine Beiträge. Dan wird sich in der nächsten<br />

Magazin-Ausgabe nochmal kurz vorstellen. Besuchen<br />

könnt Ihr Dan´s Blog unter http://dangerrit.blogspot.com/<br />

Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />

© Nyala<br />

portrait<br />

Und zum Schluß verrät uns Dan Gerrit noch,<br />

welche Projekte er derzeit in der Mache hat:<br />

Es sind in der Tat aufregende Zeiten. Zum einen<br />

bereiten Carola Kickers und ich die Anthologie<br />

„Zauber der Musik“ vor, die für mich persönlich<br />

besondere Bedeutung hat, schließlich ist es das<br />

erste Mal, dass ich als Herausgeber fungiere und<br />

nicht nur als Autor quasi auf der anderen Seite<br />

sitze. Anna Kery wird uns hier wieder ein wunderschönes<br />

Cover zaubern. Auf jeden Fall freue ich<br />

mich schon sehr, die vielen hoffentlich interessanten<br />

Beiträge zu lesen.<br />

Zum anderen arbeite ich mit Hochdruck an meiner<br />

ersten Romanveröffentlichung, die noch in diesem<br />

Jahr käuflich zu erwerben sein sollte. Es handelt<br />

um einen Mystery-Roman der, wenn alles gut<br />

geht, Teil einer Romanreihe werden soll. Ideen für<br />

weitere Romanprojekte liegen schon als Skizzen<br />

und Pläne vor, so dass auch 2012 spannend<br />

bleiben dürfte. Geplant sind dabei Projekte im<br />

Bereich Mystery und Fantasy.<br />

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich mich<br />

sehr darauf freue, in den kommenden Ausgaben<br />

des Vampire Magic Magazins endlich meiner<br />

Aufgabe als Redakteur in vollem Umfang nachzukommen.<br />

Weitere <strong>Kurzgeschichten</strong> wie jene im<br />

Vampire Magic, hier im <strong>SpecFlash</strong> und von Rena<br />

Larf vorgelesen im Alpha-Channel, wird es, in<br />

welcher Form auch immer, natürlich auch noch<br />

geben. Über Arbeitsmangel kann ich mich auf<br />

jeden Fall nicht beschweren.<br />

Vielen Dank an Dan Gerrit und ich denke,<br />

wir werden zukünftig noch sehr viel von<br />

ihm hören und sehen.


Kais Bücherdimension<br />

Ein Gruß und ein Abschied<br />

Ein Vorwort zu „Kais Bücherdimension“<br />

Dies ist sie also, die neue Dimension in den weiten jenes Universums, das „<strong>SpecFlash</strong>. Portal in eine parallele<br />

Realität“ aufgetan hat: „Kais Bücherdimension“, eine Dimension die meinen Namen trägt. Eine unbeschreibbare<br />

Ehre, die einen Hauch von Trübsal aufsteigen lässt: Denn „<strong>SpecFlash</strong>“ wird in den Tiefen eines Schwarzen Lochs<br />

verschwinden, und nur sein Schöpfer wird entscheiden, wann – und wie – „<strong>SpecFlash</strong>“ wieder seinen Weg in<br />

eine greifbare Sphäre findet.<br />

Und dazu hat sein Schöpfer auch alles Recht – ebenso, wie er das Recht besitzt, jenes Schwarze Loch selbst zu<br />

beschwören. Denn was wissen wir schon von dem unzähligen Schalten und Walten hinter den Kulissen eines<br />

solchen Magazins? Wenn das Verteilen und Sammeln von Artikeln, der Kontakt zu Verlegern, das Prüfen der<br />

Texte und das Zusammenstellen des Inhalts, das zeitgenaue Arbeiten und der stetige Wunsch nach Verbesserung<br />

nicht mehr nur Freude bereitet, sondern die persönliche Leidenschaft nur allzu sehr den Stempel mühseliger<br />

Arbeit trägt, dann sollte die Leidenschaft rasch eine Pause einlegen. Denn täte sie es nicht, das Hobby würde<br />

doch nur unter dem Druck leiden – und „<strong>SpecFlash</strong>“ sollte weiterhin für das engagierte Hobbyprojekt kreativer<br />

Geister stehen, die sich zusammenfinden, um gemeinsam jene Realität, von der der Titel spricht, zu gestalten.<br />

Insofern gilt Rainer Schwippl mein Respekt, und ich möchte ihm für die Erfahrungen danken, die ich seit nunmehr<br />

drei Ausgaben mit „<strong>SpecFlash</strong>“ machen konnte – angefangen bei der Kurzgeschichte „Die Seele jenseits des<br />

Metalls“ in der siebenten Ausgabe, über die zweite Kurzgeschichte „Die Streiter der flammenden Speere“, der<br />

Rezension zu „Starchild Terry“ und dem Interview mit dem Schweizer Roger Kappeler in der achten Ausgabe, bis<br />

hin zu „Kais Bücherdimension“ in dieser, der neunten Ausgabe.<br />

Wie auch immer die Zukunft dieser Dimension aussehen mag: Lasst euch heute entführen in ein Sternensystem<br />

zweier außergewöhnlicher Science-Fiction-Romane, die, obwohl sie sich gänzlich voneinander unterscheiden,<br />

beide die Fusion von Science-Fiction mit der Kriminalgeschichte anstreben. Ob dem Leser dabei lebendige<br />

Raumschiffe lieber sind, die gedächtnislose Diebe durch ein buntes Universum tragen, oder ob er gern teilhaben<br />

möchte an den Abenteuern einer genetisch verjüngten Studentin, die ihre Spuren verwischt, das bleibt ihm –<br />

oder ihr – überlassen. Beide Romane bieten die Möglichkeit, in die Synthese von Science-Fiction und Kriminalroman<br />

einzusteigen.<br />

Besonders inspirierend gestalten sich die Interviews, in denen die beiden Autoren viele Details ihres Lebensweges<br />

preisgeben, den unzweifelhaft der eine oder andere für sich persönlich verwerten mag; denn wer erfüllt sich<br />

nicht gern seine Träume, die ihn im Schlaf heimsuchen, und wer sehnt sich nicht danach, dass Fleiß und<br />

Beständigkeit und eine bleibende Liebe für die eigenen Hobbys Erfolg versprechen.<br />

Ich hoffe, dass euch dieser erste Eindruck von jener neuen Dimension – „Kais Bücherdimension“ – gefallen wird.<br />

Daher möchte ich euch herzlich willkommen heißen – und mich im gleichen Augenblick verabschieden ...<br />

... bis „<strong>SpecFlash</strong> - Portal in eine parallele Realität“ aufersteht!<br />

Kai Krzyzelewski<br />

(Anmerkung des Chefred.: Stand Heute wird es nächstes Jahr auf jeden Fall weitergehen)


Kais Bücherdimension<br />

Ein Quantum Wissenschaft<br />

und Kreativität<br />

Hannu Rajaniemis Debüt „Quantum“<br />

Interviewender des Artikels und Autor: Kai<br />

Krzyzelewski<br />

Eine Detektivgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts<br />

und ein Science-Fiction-Universum jenseits aller<br />

menschlichen Grenzen: zwei Hauptgerichte in einem<br />

einzigartigen Menügang, serviert mit aller gebürtigen<br />

Eleganz – das ist „Quantum“, Debütroman des studierten<br />

Physikers und Mathematikers Hannu Raja-<br />

niemi, der in seinem Leben seine finnische Heimat<br />

verlassen hat, um sich im fernen Schottland anzusiedeln.<br />

In seinem Roman aber übertritt er eine Grenze,<br />

die noch weit größer ist: Nicht nur betritt er ein völlig<br />

neues Universum, ihm gelingt auch der Aufstieg in<br />

die Riege der großen Schriftsteller durch die Publikation<br />

im angesehenen Piper-Verlag – ein Traum jedes<br />

Jungautoren, den Hannu Rajaniemi sich hart erarbeitet<br />

hat.<br />

Roman und Person nahm ich zum Anlass, zwei<br />

Artikel zu einem zu fusionieren: Rezension und Interview<br />

geben einen Einblick in das Leben einer Person,<br />

die sich Jungautoren allzu gerne zum Vorbild nehmen.<br />

Und wer weiß, vielleicht genügt ein einzelner Satz<br />

oder ein einzelnes Wort, um das Leben eines Menschen<br />

zu lenken ...<br />

Folter, Verzweiflung und absolute Kontrolle – das<br />

ist das Gefängnis der Archonten, ein Gefängnis des<br />

Bewusstseins voller gewalttätiger Illusionen. Einer der<br />

Gefangenen ist Jean Le Flambeur, ein Dieb ohne<br />

Erinnerungen. Doch eines Tages ist die Gefangenschaft<br />

beendet, als eine Frau mit dem Namen Mieli,<br />

die mit dem lebenden Schiff Perhonen durch das<br />

Universum fegt, ihn aus den Qualen errettet.<br />

Doch ist dies bei weitem kein Akt der Selbstlosigkeit,<br />

und auch Jean Le Flambeurs Dank für die Tat soll auf<br />

eine ganz bestimmte Weise ausfallen. Mieli verlangt<br />

von dem ehemaligen Dieb das, was dieser am besten<br />

beherrscht: er soll Erinnerungen stehlen – seine<br />

eigenen Erinnerungen...<br />

Hannu Rajaniemi schafft in seinem Debütroman<br />

eine Welt, in der der Mensch – sein Wesen, sein<br />

Selbst – kaum noch eine Rolle spielt. In einem<br />

Moment außerordentlicher Macht, ermöglicht durch<br />

eine außergewöhnliche Hardware, erklärt Jean Le<br />

Flambeur: „Meine eigene menschliche Psyche entspricht<br />

in dieser babylonischen Bibliothek weniger als<br />

einer Buchseite.“ Es ist eine Welt, in der nicht Geld,<br />

sondern ZEIT die Währung ist, ZEIT, die es dem<br />

Menschen gestattet, als Mensch zu leben, und die in<br />

UHREN gespeichert ist: kostbare Gegenstände, die<br />

nicht selten ein begehrtes Gut der Diebe und Schar-


Kais Bücherdimension<br />

latane sind, die sich im Universum von „Quantum“<br />

tummeln. Und wo der Tod ein ständiger Begleiter in<br />

anderen Universen ist, da ist der Tod in „Quantum“<br />

unlängst nicht mehr das tragischste Schicksal; grausame<br />

Gefängnisse für das Bewusstsein, und ein König,<br />

der keinen Thron, sondern fremde Körper besetzt,<br />

und der das Bewusstsein ihrer Träger in einem sadistischen<br />

Spiel auszulöschen vermag, verdrängen den<br />

körperlichen Tod von der Rangliste der Furcht.<br />

„Ich komme nie umher, in jede meiner Geschichten<br />

irgendein fremdartiges, anderweltliches Element<br />

einzubauen“, berichtet mir Hannu Rajaniemi, „denn<br />

'realistische Fiktion' kratzt nur an der Oberfläche des<br />

imaginär Möglichen.“ In der Tat wimmelt es in „Quantum“<br />

vom Andersartigen, vom Fremdartigen. Alles<br />

beginnt damit, dass „ein Blitz aus der schwarzen<br />

Pupille seines Revolvers“ schlägt – der Auftakt eines<br />

metaphorischen Spiels, in dem eine Wunde ein „blutiger<br />

Pinselstrich“ eines bizarren Gemäldes wird.<br />

„Quantum“ ist surreal, es herrscht das kreative Chaos<br />

eines kreativen Geistes.<br />

Doch ein Zitat aus Rajaniemis Werk lässt sich nur<br />

allzu bereitwillig in die Realität übertragen: „Der<br />

Übergang ist hart und schmerzhaft wie ein Biss auf<br />

den Pfirsichkern. Sie bricht sich am harten Kern der<br />

Wirklichkeit fast die Zähne aus“. Was dies bedeutet,<br />

das erschließt sich dem Leser von „Quantum“<br />

überaus rasch: Ein Besuch bei „Quantum“ ist wie das<br />

Stranden eines Urzeitmenschen auf einer Welt außerirdischer<br />

Lebensformen mit einem undenkbar hohen<br />

technologischen Standard. Weder nimmt Hannu<br />

Rajaniemi den Leser bei der Hand, noch stellt er ihm<br />

einen ähnlich ahnungslosen Gefährten zur Seite, der<br />

sich in seinem Universum ebenfalls zunächst zurechtfinden<br />

muss – der Leser taucht von der ersten Zeile<br />

an tief in eine Welt ein, die ihm mit noch so viel<br />

Vorbildung niemals von Beginn an vertraut sein kann.<br />

Nicht auszuschließen also, dass sich der Leser in<br />

Rajaniemis Universum zunächst verloren fühlt. Es<br />

fordert daher ein gewisses Maß an Entdeckergeist,<br />

um sich „Quantum“ zu nähern; der Leser erschließt<br />

sich Seite für Seite, Kapitel für Kapitel die Zusammenhänge<br />

solcher Größen wie ZEIT und der Funktion von<br />

UHREN. Und je mehr der Leser entdeckt, umso<br />

vertrauter wird ihm das Universum, und die Lösung<br />

des Rätsels um den Hauptprotagonisten Jean Le<br />

Flambeur wird zum Vergnügen und höchsten Ziel.<br />

Und in der Tat ist Rajaniemis Universum ein Genuss,<br />

findet man sich in selbigem erst einmal zurecht. Es<br />

erschließt sich dem Leser eine nur allzu bunt gezeichnete<br />

Welt voller filigraner Details. Da werden „zappelndes<br />

Synthfleisch“ und „durchsichtige Würfel von<br />

einem ganz besonderen Violett“ aufgetischt; da<br />

erfährt der Leser faszinierende Technologien, die aus<br />

einem Menschen einen Gott machen; da trifft der<br />

Leser auf „Realm-Avatare“, „schmächtige Gürtelbewohner<br />

in quallenähnlichen Exoskeletten“, „Zoku-<br />

Angehörige in Standardkörpern vom Saturn“ und<br />

lebende Raumschiffe; da ist von der venusschen<br />

Bräune die Rede und von Krankheiten, die den Leser<br />

abschrecken könnten, würde es diesen nicht im<br />

gleichen Moment so sehr faszinieren, dass dieses<br />

Universum in all seinen Facetten so ungeheuer lebendig<br />

wirkt. Oder wünscht man sich, dass einem bei der<br />

glücklicherweise kurierbaren Smartkoralleninfektion<br />

spitze Dornen aus den Zähnen wachsen und sich in<br />

den Gaumen bohren?<br />

Ich wollte von Hannu Rajaniemi wissen, wie es ihm<br />

gelang, ein solches Universum zu erschaffen – woher<br />

dieser Mann seine Ideen bezieht. Bereitwillig antwortete<br />

er: „Ideen kommen von überall, denn es ist<br />

Aufgabe des Gehirns Assoziationen zwischen willkürlichen<br />

Dingen zu sehen, so dass die Kreativität zu den<br />

leichteren Teilen gehört.“<br />

Doch diejenigen, denen nun der Mund offen stehen<br />

bleibt: Hannu Rajaniemi gibt zu, dass auch er nicht<br />

formulieren kann, wie genau der Schaffungsprozess<br />

funktioniert. Bei „Quantum“ käme zusammen, „wie<br />

Situationen und Charaktere einer Detektivgeschichte<br />

des frühen 20. Jahrhunderts sich ändern würden,<br />

würde man sie in eine ferne, nichtmenschliche Zukunft<br />

transplantieren.“<br />

Eine Kombination zweier interessanter und vermeintlich<br />

gegensätzlicher Genres folglich: Science-<br />

Fiction und Detektivroman.


Kais Bücherdimension<br />

Um ein solches Kompositum zusammenzustellen,<br />

braucht es eines ganz besonderen Menschen mit<br />

einer ganz besonderen Vorgeschichte – eine Vorgeschichte,<br />

die Rajaniemi gerne preisgab. Science-Fiction<br />

schien dabei schon von Kindesbeinen an eine<br />

Rolle zu spielen, denn wo liegen die Wurzeln dieses<br />

vielschichtigen Genres, wenn nicht in der Wissenschaft:<br />

„Als Kind wollte ich immer Wissenschaftler<br />

werden – kein Schriftsteller“, erzählt mir der Autor.<br />

„In der Tat waren Sprachen und Schreiben immer<br />

meine besseren Schulfächer, doch wollte ich herausfinden,<br />

wie das Universum funktioniert (wenngleich<br />

es auch einen gewissen Hang zu dem Willen gab,<br />

Weltraumschiffe oder Unterseeboote wie das des<br />

Kapitäns Nemo zu bauen) ... Das Außergewöhnlichste<br />

für mich war, wie Mathematik eine solch enge Verbindung<br />

zur Physik eingeht: wie die abstraktesten<br />

mathematischen Strukturen, einst entwickelt ohne<br />

Realitätsbezug, sich als nützlich in der Quantenmechanik<br />

oder in der generellen Relativität erweisen. Es<br />

fühlte sich an, wie die ultimative Detektivgeschichte.“<br />

Wissenschaftler, die ultimative Detektivgeschichte<br />

in der Physik und Mathematik – beste Voraussetzungen<br />

für einen Detektiv- und Science-Fiction-Roman.<br />

Und Kapitän Nemo? „Ich wuchs in einer<br />

Kleinstadt in Finnland auf“, erinnert sich Rajaniemi,<br />

„und ich war als Kind ein unersättlicher Leser. Eines<br />

meiner ersten Bücher, die ich las, war Jules Vernes<br />

'20.000 Meilen unter dem Meer“, welches mich zu<br />

einem Verne-Süchtigen machte und meine Faszination<br />

lebenslänglich für die Viktorianische Fiktion<br />

weckte. Andere frühe literarische Lieben waren Arthur<br />

Conan Doyles Sherlock Holmes-Geschichten und<br />

Maurice Leblanc, der Schöpfer von Arsene Lupin.“<br />

In der Tat scheinen die Wurzeln von „Quantum“ tief<br />

ins Erdreich der persönlichen Geschichte hinein zu<br />

greifen. Und gern gibt Rajaniemi zu, dass die Science-<br />

Fiction immer seine „erste Liebe“ bleiben wird. Eine<br />

Liebe, die bald ganz praktisch ausgelebt wurde: „Ich<br />

studierte theoretische Physik und Mathematik,<br />

zunächst in der University of Oulu in Finnland, und<br />

dann in Cambridge und Edinburgh. Ich las während<br />

all dieser Zeit selbstredend weiterhin Science-Fiction<br />

und stellte fest, dass dasjenige Element, das mich<br />

wahrscheinlich am meisten in der Science-Fiction<br />

begeisterte, der Weg war, den sie einschlug, um<br />

intellektuelle und imaginäre Feuerwerke zu erzeugen.<br />

Dies geschah durch die Applikation der wissenschaftlichen<br />

Methode des Erstellens einer Annahme, des<br />

Ausarbeitens der Konsequenzen und der Ehrlichkeit<br />

gegenüber der Implikationen.“<br />

„Quantum“ ist der kreative Gipfel des Lebensweges<br />

– ein einzigartiges Erlebnis, das sich nur allzu bereitwillig<br />

von üblicher Science-Fiction unterscheidet,<br />

anregende Diskussionen in skurrile Geschehnisse von<br />

allergrößter Spannung bettet, und angenehm erfrischende,<br />

manches Mal erschreckende Ideen vereinbart.<br />

Und auch von der formalen Seite glänzt<br />

„Quantum“: Der im Präsens geschriebene Roman<br />

entfacht durch die Ich-Perspektive ein erlebbares<br />

Abenteuer, das alle Register der Zeichensetzungsund<br />

Textgestaltungskunst zieht. Wie in einem Kinofilm<br />

wird das reine Lesen zum Ereignis. Und wenn der<br />

Hauptcharakter in einer Sequenz den Kampfkünsten<br />

Mielis ausgesetzt ist, dann ist es dem Leser, als wäre<br />

er selbst ins Kreuzfeuer von Schlägen und kunstvollen<br />

Tritten geraten.<br />

Doch auch angehende Schriftsteller will Rajaniemi<br />

nicht entmutigen – im Gegenteil. Offen gibt er zu,<br />

dass auch „Quantum“, beziehungsweise dessen<br />

gekonnter Schreibstil, nur das Ergebnis einer längeren<br />

„Ausbildung“ zum Schriftsteller ist. Die Schreibkunst<br />

hat sich Rajaniemi hart erarbeitet: „Ein Freund in<br />

Cambridge inspirierte mich, <strong>Kurzgeschichten</strong> zu<br />

schreiben, und ich stellte fest, dass ich es genoss. Das<br />

ernsthafte Schreiben begann jedoch erst, als ich nach<br />

Edinburgh kam und dem Writers' Bloc beitrat, einer<br />

lokalen Schreibgruppe, eine perfekte Umgebung, in<br />

der ich die Grundfähigkeiten der Schriftstellerei<br />

erlernt habe: ehrliche (manchmal brutale) Kritik von<br />

einer Gruppe von erfahrenen, publizierten Schriftstellern.<br />

Ich bin noch immer Mitglied und nehme so viel<br />

wie möglich teil. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit,<br />

und es ist sehr wichtig, Herausforderungen mit<br />

ähnlich denkenden Menschen zu teilen.“


Kais Bücherdimension<br />

Und auch „Quantum“ ist nur das Ergebnis einer<br />

bereits lange währenden Schriftstellerkarriere, die<br />

sich Schritt für Schritt entwickelte: Sein Debütroman<br />

ist nur Debütroman und keineswegs Debütgeschichte.<br />

Der Publikation ging eine mehrjährige Phase<br />

voraus, in der Rajaniemi seine Schreibkünste an<br />

diversen <strong>Kurzgeschichten</strong> erprobte. Wer einmal auf<br />

die Suche nach den ersten erfolgreichen Schriftstücken<br />

gehen will, der möge nach einer Geschichte<br />

namens „Shibuya no Love“ suchen, die in<br />

Futurismic.com im Jahre 2004 veröffentlicht wurde.<br />

Doch nicht nur die Science-Fiction erfuhr die Aufmerksamkeit<br />

Rajaniemis. Der Autor berichtete mir<br />

mitunter von einer Kollektion von Geschichten aus<br />

dem Gebiet der Dark-Fantasy mit dem Namen<br />

„Words of Birth and Death“. „Deus Ex Homine“,<br />

publiziert in der Anthologie „Nova Scotia“, war jedoch<br />

sein persönlicher Durchbruch – und der „Fuß in der<br />

Tür“ der Science-Fiction. Die Geschichte war derart<br />

erfolgreich, dass sie bald die Aufmerksamkeit von<br />

Rajaniemis künftigem Agenten John Jarrold auf sich<br />

zog – und dieser schließlich war verantwortlich dafür,<br />

dass man auf Rajaniemis Manuskript zu „Quantum“<br />

aufmerksam wurde.<br />

War es folglich Glück, das Rajaniemis Erfolg möglich<br />

machte? Vielleicht ein wenig, doch nur allzu offensichtlich<br />

ist die konsequente Wertschätzung der<br />

persönlichen Leidenschaft: der des Schreibens.<br />

Beständigkeit,<br />

Fleiß und Ausdauer<br />

ließen<br />

Rajaniemi seine<br />

Fähigkeiten als<br />

Schriftsteller verfeinern,<br />

so dass<br />

es allein seinen<br />

Fähigkeiten zu<br />

verdanken war,<br />

dass man auf ihn<br />

a u f m e r k s a m<br />

wurde – dass er<br />

aus einer Flut an<br />

Jungautoren auftauchte.<br />

Hannu Rajaniemi<br />

Hannu Rajaniemi erinnert sich und gibt Gleichgesinnten<br />

einen Rat: „Ich würde angehenden Schriftstellern<br />

zum Schreiben von <strong>Kurzgeschichten</strong> raten:<br />

einerseits kann man diese in absehbarer Zeit vollenden,<br />

andererseits gibt es eine Vielzahl an interessanten<br />

Märkten für kurze Fiktion, sowohl online als<br />

auch offline. Dies bietet die Möglichkeit, sich selbst<br />

einen Namen zu machen.“<br />

Es ist offensichtlich, dass „Quantum“ ebenfalls aus<br />

der Menge an neuen Science-Fiction-Romanen<br />

heraussticht, die monatlich auf den Markt schwemmen.<br />

Denn „Quantum“ bietet ein frisches, unberührtes<br />

und ungemein detailverliebtes Universum, in<br />

das es sich lohnt, ein wenig Zeit und Geduld zu<br />

investieren, um tiefer einzusteigen. Die Handlung ist<br />

spannend erzählt, bietet interessante, manches Mal<br />

außergewöhnlich außergewöhnliche Begebenheiten,<br />

und lockt mit dem Unerwarteten. Fantastische Technologien,<br />

die aus Menschen gottähnliche Kreaturen<br />

formen, sprechende Raumschiffe und gekonnt eingesetzte<br />

Fachterminologie runden die gelungene Science-Fiction<br />

trefflich ab. Und zudem ist „Quantum“<br />

der Beweis, dass man als noch unbekannter Schriftsteller<br />

immer noch erfolgreich sein kann, wenn man<br />

seiner Leidenschaft treu bleibt und den Weg Schritt<br />

für Schritt beschreitet.<br />

Das kann und will uns Hannu Rajaniemi mit auf den<br />

Weg geben.<br />

Dieser Artikel fußt auf folgendem Werk des Autors<br />

Hannu Rajaniemi:<br />

„Quantum“, erschienen 2011 im Piper-Verlag unter<br />

der ISBN 978-3-492-70193-8<br />

sowie auf einem Interview in englischer Sprache,<br />

absolviert und übersetzt von Kai Krzyzelewski per<br />

E-Mail-Kontakt nach Schottland zwischen dem 9. Mai<br />

und 13. Juni 2011.


Kais Bücherdimension<br />

Psychologie in der Zukunft<br />

Eine Rezension zu den Geschehnissen „Jenseits<br />

der Zone“ von Kai Krzyzelewski<br />

Glaubt man der Zukunftsvision der Psychologin Concordia<br />

S. Rosa, unsere Welt ist auch im Jahre 2043 nicht gefeit<br />

vor Gewalt, Furcht und Unterdrückung. Im Gegenteil:<br />

Nicht nur die Welt, sondern auch die Menschheit ist<br />

zerrissen wie zu schlimmsten Zeiten ihrer Geschichte.<br />

Nicht von ungefähr erinnert sich daher die Studentin<br />

Cosina Xe Mnesa Ysa, Hauptprotagonistin in Rosas Werk<br />

„Jenseits der Zone“, an das geteilte Deutschland nach dem<br />

Ausgang des Zweiten Weltkriegs.<br />

Dass sich Cosina Xe Mnesa Ysa an diese Ereignisse jedoch<br />

erinnern kann, das brandmarkt sie in jener Zukunft. Denn<br />

die Menschen – einige unfreiwilliger als die anderen -<br />

zogen eine grausame Konsequenz: Sie gaben den sogenannten<br />

Alten Seelen, denjenigen, die vor der Jahrtausendwende<br />

geboren wurden, die Schuld an der immer<br />

mehr zerbrochenen Gesellschaft. Die Neuen Seelen, jene,<br />

die im neuen Jahrtausend geboren wurden, isolierten die<br />

verhassten Alten Seelen, und leiteten ein neues Zeitalter<br />

der Geschichte ein.<br />

Dass Cosina Xe Mnesa Ysa dennoch unter den Neuen<br />

Seelen wandelt, das verdankt sie einer List – und einer<br />

unglaublichen Technologie: Die Zellen ihres Körpers technisch<br />

verjüngt, gibt sie sich als Angehörige der Neuen<br />

Seelen aus, geboren im neuen Jahrtausend.<br />

Als solche schreibt sie sich im Institut für Extraordinäre<br />

Verhaltensforschung ein, um schließlich durch einen<br />

angesehen Rang ein Leben ohne Versteckspiel führen zu<br />

können.<br />

Doch ihre Tarnung droht zu fallen, als sie in jener neuen<br />

Welt einem grausamen Verbrechen zum Opfer fällt – und<br />

die findigen Wissenschaftler des Instituts Nachforschungen<br />

über Cosina Xe Mnesa Ysa anstellen...<br />

Gäbe es eine Nadel, die anzeigen würde, ob ein Roman<br />

in Richtung Science-Fiction oder in Richtung Kriminalgeschichte<br />

tendiert, bei „Jenseits der Zone“ würde jene<br />

Nadel exakt in der Mitte liegen. Concordia S. Rosas<br />

Geschichte ist ein Kriminalroman auf jeder Buchseite. Seite<br />

für Seite stößt der Leser auf immer neue Geheimnisse, die<br />

die Protagonisten umgeben, und die im Widerspruch zu<br />

stehen scheinen zu allem, was der Leser bis dahin erfahren<br />

hat. Dadurch fühlt er sich selbst in die Rolle des Detektivs<br />

versetzt, und er durchkämmt die Seiten des Buches auf<br />

der Suche nach Antworten – ein treffliches Gelingen für<br />

einen Kriminalroman!<br />

„Jenseits der Zone“ ist jedoch auch Science-Fiction, denn<br />

ohne die Technologien, ohne die gesellschaftlichen Vorbedingungen<br />

jener Zukunft kann die Kriminalgeschichte<br />

nicht funktionieren. Geschichte und Welt sind exakt<br />

aufeinander abgestimmt.<br />

Als ein Hybrid aus Kriminalgeschichte und Science-Fiction<br />

handelt es sich bei den geschilderten Ereignissen um<br />

schreckliche, und schon die ersten Seiten von „Jenseits<br />

der Zone“ verraten die Intensität, mit der der Leser an den


Kais Bücherdimension<br />

Geschehnissen teilhaben wird. Diese Intensität der Ereignisse<br />

wird umso mehr verstärkt, als dass die Zukunft bei<br />

weitem kein paradiesischer Ort ist. Die Welt in der sich die<br />

Protagonisten bewegen, folgt dem Prinzip der Abschreckung:<br />

Die Autorin formt eine steril wirkende Welt – eine<br />

Welt, die all ihre Wurzeln, all ihre kulturellen Eigenheiten<br />

bestreitet. Dass in einer solchen Welt auch genetisch<br />

Identische auftauchen, scheint dabei nur allzu erwartbar,<br />

und die vermeintlich überlegenen Neuen Seelen tragen<br />

durch ihre vermeintliche Überordnung über andere Lebewesen<br />

zu der unmenschlich wirkenden Zukunft bei, die<br />

sich in dem einen Moment als abgeklärt und bedächtig,<br />

im anderen Moment als überaus grausam herausstellt.<br />

Insofern unterstreicht die Welt das kriminalistische<br />

Geschehen.<br />

Doch die wirklich bewegenden Momente werden auf<br />

dem Leidensweg der Hauptprotagonistin beschritten, und<br />

es kann ohne Zweifel behauptet werden, dass der Leser<br />

vor einer schwierigen Entscheidung steht: Zum Einen sind<br />

die häufig grausamen Ereignisse für sensible Gemüter<br />

kaum ertragbar, zum Anderen wird gerade jene sensible<br />

Seite des Menschen – das Mitfühlen mit dem Hauptcharakter<br />

– von der Autorin angesprochen.<br />

Die Schilderung der Charaktere steigt dabei tief hinab in<br />

die Gefühlswelt. Im einen Moment bleibt diese Gefühlswelt<br />

metaphorisch. Kraftvolle Bilder tauchen auf, wenn<br />

beispielsweise die Protagonistin „Selbstzweifel von sich<br />

abschüttelte wie den Staub von der Kleidung nach einer<br />

langen Wüstenwanderung“.<br />

Im anderen Moment aber erhält die Gefühlswelt eine<br />

Kühle, bei der hinterfragt werden darf, ob diese Form der<br />

Aufdeckung der menscheninternen Geschehnisse bewusst<br />

steril gewählt ist, um der Welt zu entsprechen, oder ob<br />

der Autorin ein Missgeschick passiert ist: In nüchterner<br />

Fachwissenschaftsterminologie des Psychologen wird die<br />

Gefühlswelt seziert – ein Stilmittel, das einen gewissen<br />

Ekel erzeugt und somit der Grausamkeit der kreierten Welt<br />

entspricht.<br />

Doch die Voraussetzung, dieses Stilmittel derart zu<br />

empfinden, ist, dass der Leser die Vorgänge noch begreift:<br />

Harmlos bleibt es, wenn sich die Protagonistin in Konfrontation<br />

mit ihrem Dozenten „über seine gegenwärtig in<br />

Anspruch genommene Prozeduralmacht wie auch die ihm<br />

aktuell übertragene Positionsmacht ärgerte“. Wenn aber<br />

die Charaktere eine „subminimale Unruhe“ oder einen<br />

„zunehmend unfigürlich konstituierenden Moment“<br />

erleben oder ein „theoretisches Postulat“ aufgestellt wird,<br />

so zeigt Concordia S. Rosa zwar, dass sie ihr Fachgebiet<br />

beherrscht – und es ist unzweifelhaft, dass eine<br />

Geschichte, die zumindest teilweise an einer Universität<br />

spielt, durch derlei Termini realistisch getroffen wird. Was<br />

die Autorin jedoch vergisst, ist, dass Cosina Xe Mnesa Ysa<br />

zwar am Institut für Extraordinäre Verhaltensforschung,<br />

somit an der Universität eingeschrieben ist – der Leser in<br />

der Regel jedoch nicht.<br />

Durch ergreifende metaphorische Umschreibungen –<br />

oder das Streichen allzu weitläufiger psychologischer<br />

Profile, die großräumig auszuwalzen die Autorin sich nicht<br />

scheut – hätte die Geschichte ein Mehr an Handlung<br />

erhalten können.<br />

Das wäre ganz im Interesse des Lesers, denn die Schilderungen<br />

der Handlung selbst könnten mitunter spannender<br />

nicht sein: Wenn Cosina Xe Mnesa Ysa auf der<br />

Flucht vor den Neuen Seelen Tickets vertauscht, um ihre<br />

Spuren zu verwischen und dabei auf eine surreal anmutende<br />

Weise vor den Illusionen ihrer Peiniger zurückschreckt,<br />

erreicht „Jenseits der Zone“ die Gipfel seiner<br />

Spannungsmomente. Hier zeigt die Autorin, dass sie das<br />

spannende Element beherrscht und ihre Charaktere auf<br />

eine sensible Art zu charakterisieren weiß – fern davon,<br />

dass die Protagonistin „ihr Gehirn mit Daten füttert, damit<br />

es die Harmonisierung ihrer momentanen vegetativen<br />

Dysregulation einleitete“.<br />

Ein steriler Stil kommt freilich auch in solchen<br />

Momenten zur Geltung, in denen grausame Ereignisse<br />

geschildert werden. So ist es zwar umso grausamer, jedoch<br />

das Mitgefühl verstärkend, wenn menschenexterne Beobachtungen<br />

des Hauptprotagonisten hinzukommen, wie<br />

wenn der Leser die Gewalttat an Cosina über ein Videoband<br />

miterlebt, dass von den Mitarbeitern des Instituts<br />

für Extraordinäre Verhaltensforschung betrachtet wird.<br />

Die Protagonisten beobachten folglich das Geschehen aus<br />

einer undefinierbaren Distanz – eine Verdopplung der<br />

Sterilität, die einen klinischen Ekel verstärkt, der in Betroffenheit<br />

wegen und Mitleid für den Hauptcharakter gipfelt.<br />

Dies ist ein großer Gewinn für „Jenseits der Zone“.<br />

Fest steht jedoch, dass dem einen oder anderen Leser<br />

der Erzähler der Geschichte zu viel wissen wird, zu tief und<br />

auf eine zu wissenschaftliche – im schlimmsten Fall als<br />

unmenschlich auffassbare Weise in den Charakter hinabsteigt.


Kais Bücherdimension<br />

Es ist Psychologie aus dem Lehrbuch, wenn Cosina ihre<br />

gegenwärtige Situation analysiert und unter systematischer<br />

Berücksichtigung ihrer Optionen zu dem Schluss<br />

kommt, dass ihr nichts mehr übrig bleibt, als Folge zu<br />

leisten. Hier macht gerade die Schilderung von innen<br />

heraus den Menschen fremd – denn welcher Mensch<br />

reagiert in einer Situation, die über das eigene Leben<br />

entscheidet, mit einer kühlen Betrachtung seiner Optionen?!<br />

Mehr äußere statt innere Bilder könnte sich der<br />

eine oder andere Leser wünschen. Hier könnte eine<br />

deutlichere Differenzierung zwischen Belletristik und<br />

Fachartikel für den einen oder anderen Verbesserungen<br />

schaffen.<br />

Bedauerlich ist auch, dass jene wissenschaftliche<br />

Betrachtungsweise der Gefühlswelt kein Äquivalent in der<br />

wissenschaftlichen Betrachtungsweise der technischen<br />

Hochleistungen der geschilderten Zukunft besitzt. Der<br />

genetischen Verjüngung – welch ein Meilenstein für jede<br />

Medizin! – wird sich auf eine Weise genähert, die eher in<br />

den Bereich der Fantasy fallen würde. Jene Technologie,<br />

die in einer zukünftigen Welt entstanden ist, zeichnet sich<br />

dadurch aus, dass „über den Geist die Materie beeinflusst<br />

wird“ und bildet bei der Verjüngung die „magische Grenze<br />

von 25 Jahren“. Das ist weniger Science-Fiction als die<br />

Implementierung einer unerklärten Technologie. Dies<br />

wiederum ist kein schriftstellerisches Verbrechen –<br />

welcher Science-Fiction-Autor könnte schon die Überlichtgeschwindigkeitsantriebe<br />

seiner Raumschiffe selbst nachbauen?<br />

Das Problem ist, dass nur allzu deutlich darauf<br />

hingewiesen wird, dass die Autorin eben nicht weiß.<br />

Kleinere Patzer, wie dass Cosina Xe Mnesa Ysa kein<br />

japanischer Name ist, fallen darüber hinaus vor einer<br />

unliebsamen Tendenz komplexer Romane zurück: dem<br />

des Registers. Wenn ein tausendseitiger Wälzer ein<br />

umfangreiches Personenregister im Anhang trägt, das<br />

nachschlagen lässt, wann immer der Leser die Personen<br />

nicht mehr zuordnen kann, dann ist dies mitunter schade<br />

genug, denn es stört den Lesefluss – Belletristik ist kein<br />

Fachbuch. Nicht mit den Personen, sondern mit den<br />

Abkürzungen befasst sich Concordia S. Rosas Register in<br />

„Jenseits der Zone“ - und dieses ist mehr als notwendig.<br />

Einmal erläutert, wird fortan hemmungslos von LDH,<br />

MKM, EOV-A und EOV-B, BP-DNSA, SI, SEG und SSFD<br />

geredet – in einer Häufigkeit, die den Leser nicht darüber<br />

hinwegsehen lässt. Zudem erscheinen viele Abkürzungen<br />

unnötig: Warum nicht Schockindex schreiben, statt SI?<br />

Diese Eigenheit scheint von der Autorin ebenfalls aus dem<br />

universitären Bereich entlehnt, wo die Abkürzung Gang<br />

und Gäbe ist.<br />

Doch welche Konsequenz zieht der Leser daraus? Fest<br />

steht, dass der Schreibstil zwei erstaunlich gegenseitige<br />

und gleichzeitig kompatible Merkmale aufweist: Concordia<br />

S. Rosa beherrscht ihre Spannungsmomente und zeichnet<br />

sich durch die psychologische Tiefe der Charaktere als<br />

ausgebildete Psychologin mit einem großen Spektrum an<br />

Hintergrundwissen aus. Dieses Hintergrundwissen wird<br />

freilich hemmungslos zur Schau gestellt – warum auch<br />

nicht?! Wenn der Leser mit den Fachtermini vertraut ist,<br />

beispielsweise einen hypovolämischen Schockzustand<br />

zuordnen vermag, dann kann der Leser den Stil der Autorin<br />

ohne Zweifel als gewollt hinnehmen. Die Kühle der wissenschaftlichen<br />

Betrachtungsweise passt exakt auf das<br />

sterile Weltbild, in der sich wahre Menschen mit ihren<br />

Gefühlen und Schwächen behaupten wollen, doch<br />

gezwungen werden, sich der Abgeklärtheit und vermeintlichen<br />

Professionalität der Welt zu beugen. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt ist der Schreibstil eine ganz große Leistung!<br />

Stößt sich der Leser jedoch an den unzähligen Fachtermini,<br />

kann ein „vereinfachtes Makulatur-Gebaren“ nicht<br />

zuordnen, so werden ihm die metaphorischen Passagen,<br />

die surrealen Spannungsmomente und die vielsagenden<br />

Andeutungen zu wenige sein; die Welt und seine Charaktere<br />

würden ihm zu fremd erscheinen, als dass er sich zu<br />

nähern wagt.<br />

Dabei ist „Jenseits der Zone“ ein gesellschaftskritischer<br />

Kriminalroman, der in der Tat tiefsinnige Elemente, Denkweisen<br />

thematisiert, die Äquivalente in der gesamten<br />

Menschheitsgeschichte finden. Die Handlung lädt nicht<br />

nur zum Mitfühlen ein, sie fordert dies geradezu. Insofern<br />

hat „Jenseits der Zone“ einen tiefsinnigen Inhalt, der zum<br />

Nachdenken anregt und anregen sollte.<br />

Die Autorin lässt dabei eine ihrer Botschaften schon zu<br />

Beginn verlauten: „Gewidmet den Alten Seelen“, heißt es<br />

an jener Stelle des Buches, an der man für gewöhnlich eine<br />

ganz reale Widmung vorfindet, „ihr seid das Tal, das<br />

Flussbett, die Wüste, der Berg. Der Boden, auf den wir [...]<br />

unseren Fuß setzen“.<br />

Die Vergangenheit ist ein Teil von uns, wir sollten von<br />

ihr lernen und sie schätzen. Denn ohne sie tragen wir keine<br />

Wurzeln.<br />

Diese Rezension fußt auf folgendem Werk der Autorin<br />

Concordia S. Rosa: „Jenseits der Zone“, erschienen 2010<br />

im Wagner Verlag unter der ISBN 978-3-86683-905-2.


Kais Bücherdimension<br />

Jenseits des Seitenrandes<br />

Ein Interview mit Concordia S. Rosa<br />

Interviewender des Artikels: Kai Krzyzelewski<br />

Können die nächtlichen Träume – vielleicht weniger<br />

Wunsch als Vision – Wirklichkeit werden? Nun, das<br />

kommt darauf an wie „greifbar“ jene Träume sind.<br />

Träumt jener Mensch von der Entdeckung ferner<br />

Sternensysteme oder der ewigen Jugend, jener<br />

Mensch könnte von Dingen träumen, die sich nie<br />

erfüllen.<br />

Was aber, wenn auch die Träume der Realität nahe<br />

bleiben? In diesem Falle liegt es im Eifer und im<br />

Schweiß des Träumers, jene Visionen Wirklichkeit<br />

werden zu lassen – so er es wünscht.<br />

Eine solche realistische Träumerin ist die aus der<br />

Psychologie stammende Concordia S. Rosa, die sich<br />

mit ihrem Werk „Jenseits der Zone“ einen Traum<br />

erfüllt hat – im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Das folgende Interview führte Kai Krzyzelewski per<br />

E-Mail-Kontakt zwischen dem 6. April und 7. Mai 2011.<br />

Frau Rosa, in "Jenseits der Zone" gibt es keine<br />

blutdurstigen Außerirdischen, keine Weltraumgefechte<br />

zwischen Sternenschiffen und keine Weltraumkolonien.<br />

Die trotzdem nicht unerheblichen<br />

technischen Fortschritte fügen sich in Ihrem Werk<br />

in ein Drama aus Isolation, Verfolgung und Gewalt<br />

ein, ergänzt durch ausführliche, selten wünschenswerte<br />

psychologische Profile.<br />

Wie kam diese individuelle Mischung zustande;<br />

welche Komponenten wirkten bei der Idee zu Ihrem<br />

Zukunftskriminalroman zusammen?<br />

Ich bin eine Frau. Das heißt, dass ich aus einer eher<br />

weiblichen Sicht geschrieben habe. In der Zukunft,<br />

die ich mir wünsche, sind alle „Helden“ - auch die<br />

Stillen und Alltäglichen, die dem Leben dienen oder<br />

anderen helfen, es wieder in den Griff zu bekommen.<br />

Angefangen habe ich nach einer gut durchträumten<br />

Nacht und weiteren, die sich dieser angeschlossen<br />

haben. Damals habe ich mit HemiSync, einem auditiven<br />

Entspannungsprogramm herumexperimentiert,<br />

entwickelt vom Monroe Institut mit dem Ziel der<br />

„Gateway - Experience“, was soviel heißt wie „durch<br />

das Tor gelangen“, um andere Bewusstseinszustände<br />

zu erreichen. Ich habe damit Erfolge wie jene<br />

Zukunftsträume erzielt, sie aufgeschrieben und<br />

geschaut, wie es weitergeht.<br />

Zudem habe ich schon als Kind immer wieder<br />

Einblicke in zukünftige Szenarien nehmen dürfen. Im<br />

Grundschulunterricht habe ich mich geweigert, das<br />

Emblem „Hammer, Zirkel, Ähre“ auf die Fahne zu<br />

malen, bin dann aber gezwungen worden und musste<br />

nachsitzen. Und zum Thema „Unsere Welt zur Jahrtausendwende“<br />

habe ich andere Dinge gesehen, als<br />

meine Mitschüler. Fasziniert hat mich das rollende<br />

Brett ohne Lenkstange (heute: Skateboard), aber<br />

auch technische Details meines zukünftigen<br />

Fahrrades, mit Stoßdämpfung und einer<br />

Lichterzeugung, die ohne einen erhöhten<br />

Tretwiderstand auskommen sollte und die in<br />

der Mittelachse eingebaut werden könnte.<br />

So ein Fahrrad habe ich heute …<br />

Monsterfilme habe ich noch nie mit einer<br />

möglichen Realität in Verbindung gebracht<br />

und auch nicht zum persönlichen Stressaufbau<br />

und anschließendem Abbau gebraucht.<br />

Stattdessen sehe ich mir zumeist lieber deut-<br />

Concordia S. Rosa


Kais Bücherdimension<br />

sche Filme an: Krimis, die auch meinen Alltag wiedergeben<br />

und die eben nicht von einer anderen Welt<br />

sind, zu der ich keinen Kontakt habe.<br />

Was heißt „selten wünschenswerte“ Profile? Dass<br />

sie wünschenswert wären, oder eher nur selten sind?<br />

Beides muss ich bejahen. Ich habe selbst mal ein<br />

Seminar in „Psychologischer Täterprofilerstellung und<br />

Fallanalyse“ gegeben und die Ansprüche der renommiertesten<br />

Leute auf dem Gebiet waren gelinde<br />

gesagt hanebüchen und von ihrem Wirkungsgrad<br />

gering. Das hat mich geärgert. Denn ich hatte schon<br />

im Praktikum bei der Berliner Polizei bewiesen, dass<br />

es auch anders geht. Ich habe die Methode „Technical<br />

Remote Viewing“ angewandt, übersetzt: „Strukturierte<br />

Fernwahrnehmung“, in der ich mich habe<br />

ausbilden lassen. Die war vorher nur für die Psi-<br />

Spionage im amerikanischen Raum entwickelt und<br />

gedacht gewesen. Und als interessierte Psychologin<br />

für dieses Gebiet – Menschen in ihren Extremen –<br />

habe ich dann diesen Schritt gewagt.<br />

Darin besteht also meine Portion an Verrücktheit<br />

oder Ausbrechen aus dem vorgegeben Rahmen.<br />

Nun führt gezielte Entspannung, ein anregender<br />

Traum, eine andere Sichtweise der Dinge oder eine<br />

psychologische Vorbildung nicht zwingend zum<br />

eigenen Buch - wie kam es dazu, dass Sie planten,<br />

aus Ihren Zukunftswünschen und Erfahrungen ein<br />

Manuskript zu erstellen?<br />

Ich habe in einem Seminar mal einen Vortrag zum<br />

Thema "Misshandlung an Kindern/Opfererleben"<br />

gegeben. Dazu gehörte die Geschichte "Asche im<br />

Brot", damit sich die angehenden Kriminalistikstudenten<br />

besser in die Perspektive von Opfern einfühlen<br />

lernen konnten. Das geht meines Erachtens nicht<br />

über Theorien und Zahlenwerte. Anschließend ist<br />

eine von ihnen zu mir gekommen und hat gefragt, ob<br />

das meine Geschichte gewesen sei. Ich war verwirrt,<br />

habe<br />

ihr die Antwort verweigert, wollte in meiner Rolle als<br />

Dozentin möglichst auch weiterhin objektiv bleiben.<br />

Aber sie hat es doch gespürt. Da habe ich gemerkt,<br />

verheimlichen geht nicht und sie hat gesagt: "Schreiben<br />

Sie doch ein Buch!"<br />

Ein paar Tage später habe ich mich dann an den PC<br />

gesetzt mit dem Ziel, über dieses Thema einen persönlichen<br />

Roman zu schreiben. Aber ich habe<br />

gemerkt, dass es so nicht funktioniert. Zunächst<br />

musste ich mich von allem frei machen.<br />

Schließlich kam der Traum mit der inspirierenden<br />

zukunftsträchtigen Architektur, dem Fahrstuhl und<br />

den Gebäuden ... Ich dachte, es wäre zu schade, wenn<br />

es allein in mir verbleiben und verstauben würde, und<br />

habe gespürt, dass dies nun getippt werden will.<br />

Einen Plan hatte ich nicht. Ich wusste nie, wie es<br />

genau weitergehen wird und auch nicht, dass daraus<br />

mal ein dicker Wälzer entstehen könnte. Ich wusste<br />

nur: Das, was da ist, will sich ausdrücken. Und das hat<br />

mir als Grund gereicht.<br />

Außerdem träumte ich eines Nachts, dass in meinem<br />

Regal mehrere Bücher in Augenhöhe standen, auf<br />

deren Buchrücken mein Name stand.<br />

Da habe ich gewusst: Ich soll schreiben. Ich vertraue<br />

ihr nämlich, dieser inneren Stimme. Sie hat mich<br />

immer besser durchs Leben geführt als irgendetwas<br />

Anderes.<br />

Eine ganz praktische Frage: "Jenseits der Zone"<br />

erschien im Wagner-Verlag, einem Verlag, der damit<br />

wirbt, Neuautoren zu fördern und diesen Freiraum<br />

für Ihr individuelles Gedankengut zu lassen. Hat Sie,<br />

Frau Rosa, diese Werbung ebenfalls angesprochen?<br />

Oder haben Sie versucht Ihr Werk auch bei anderen<br />

Verlegern einzusenden? Wie kam es zur Zusammenarbeit<br />

mit dem Wagner-Verlag?<br />

Ich habe nicht nur ein Manuskript daheim, inzwischen<br />

sind es fünf. „Jenseits der Zone“ habe ich auch<br />

ein paar Mal zu anderen Verlagen eingesandt und<br />

auch Verträge angeboten bekommen. Allerdings zu<br />

Knebelbedingungen wie auf dem Sklavenmarkt, die<br />

sich für den Autor nicht rechnen. Auch von zunächst<br />

seriös wirkenden Verlagen oder Literaturgesellschaften.<br />

Bis meine Freundin im Internet auf den<br />

Wagner Verlag gestoßen ist. Da hat einfach alles<br />

gestimmt: Respekt dem Autor gegenüber, sanftes


Kais Bücherdimension<br />

Lektorat, gute Themenauswahl im Verlagsprogramm<br />

und faire Vertragsbedingungen. Allerdings nur mit<br />

einer Beteiligung, die ich mir ausleihen musste, die<br />

ich dann zurückerhalten werde, wenn vierhundert<br />

Bücher verkauft sind. Andere Verlage behalten das.<br />

Aber da ist trotzdem das Problem: Buchhändler<br />

nehmen mein Buch nicht in ihren Handel auf, weil<br />

ihnen der Preis von 20.80 EUR zu teuer ist. Da spielt<br />

der Inhalt, die Qualität, und der Umfang offenbar<br />

kaum noch eine Rolle.<br />

Das habe ich vorher so nicht gewusst. Dabei benötigt<br />

ein Buch Investitionen, die etwa der Herstellung<br />

einer Musik-CD gleichkommen. Bücher aber möchte<br />

man für Schleuderpreise um die 9.95 EUR anbieten.<br />

Das geht meiner Ansicht nach auf Kosten der Autoren.<br />

Die Verlage verlangen die fehlenden Einnahmen<br />

dann von diesen mit der Begründung, schreiben sei<br />

keine Arbeit, sondern quasi ein Hobby.<br />

Da kann ich mir jedoch Entspannenderes vorstellen:<br />

faulenzen und in der Sonne liegen.<br />

Wenn ich also merke, dass da kein Schwung reinkommt,<br />

werde ich wahrscheinlich auf die Fortsetzung<br />

verzichten müssen. Denn ich werde kein Buch noch<br />

einmal bezuschussen können.<br />

Und Verträge abschließen, wo ich als Autor nur zehn<br />

Prozent vom Reingewinn verdienen würde, auch<br />

nicht. Solche mangelnde Wertschätzung unterstütze<br />

ich nicht.<br />

"Jenseits der Zone" aber wurde erfolgreich zur<br />

Veröffentlichung gebracht. Es fällt auf, dass sich das<br />

Buch nur schwer mit anderen zeitgenössischen<br />

Werken vergleichen lässt, es von der Konzeption und<br />

Erzählweise sehr individuell ist.<br />

Zu einem Buch gehören jedoch immer mindestens<br />

zwei: Autor und Leser.<br />

Wir haben nun bereits viel über Sie erfahren, Frau<br />

Rosa. Aber wie sieht Ihrer Meinung nach der<br />

"typische" Leser Ihres Buches aus? Wen wollen Sie<br />

mit Ihrer Geschichte ansprechen? Wem würden Sie<br />

das Buch schmackhaft machen wollen?<br />

Ein Buch ist für mich ein Buch, genauso, wie ein<br />

Tisch ein Tisch ist oder ein Bild ein Bild, und zwar<br />

unabhängig davon, ob es gesehen, gehandhabt oder<br />

gelesen und als ein solches Verwendung findet. Ich<br />

weiß, dass ich mit dieser Ansicht ein wenig von<br />

anderen, neueren sozialinteraktionistischen<br />

Ansichten divergiere. Aber auch diese sind ja nur<br />

Ansichten und meine ist eben so, dass ein Ding auch<br />

um seiner selbst willen ein Ding oder eine Sache ist,<br />

ungeachtet des Nutzungsaspektes, eben rein intrinsisch<br />

mit diesem ihm zugedachten Aspekt der potentiell<br />

möglichen Handhabung. Das ist meine von der<br />

Person unabhängige Philosophie.<br />

Ich glaube also an den Eigensinn und das nicht nur<br />

bei Sachen oder Objekten, wie etwa einem Buch,<br />

sondern auch bei Personen. Auch diese müssen,<br />

meiner Meinung nach, keinen von ihnen selbst<br />

geplanten Zweck erfüllen. Sie dürfen sein, wie es<br />

ihnen gegeben ist. Das ist mir wichtig, bei allem, was<br />

ich tue, also auch beim Schreiben. Ich möchte dabei<br />

frei und intuitiv vorgehen können.<br />

Dafür müssen andere, künstlich von mir gesetzte<br />

Ziele auch mal zurückstehen. Denn ich weiß, meine<br />

Intelligenz ist eng und endlich. Aber jene in Verbundenheit<br />

ist weit und unerschöpflich.<br />

In diesem Sinne kann ich die Frage nicht beantworten,<br />

für wen das Buch geschrieben ist. Das liegt auch<br />

nicht in meinem Schöpfungs- und Verantwortungsbereich,<br />

sondern in dem der Anderen.<br />

Sie bestimmen und entscheiden das ganz allein für<br />

sich selbst, und so ist das auch gedacht und gewollt.<br />

Und mit dieser Haltung gibt es sicher auch viel Platz<br />

für Überraschungen - auch für mich. Ich wünsche mir,<br />

dass sich die Menschen ansprechen lassen und sie<br />

sich dann davon berührt und ebenfalls in ihrem<br />

eigenen Schaffen und Sein inspiriert fühlen. Doch das<br />

ist und bleibt nur ein Wunsch und keine Festlegung<br />

oder Eingrenzung. Weil ich fühle, dass mir das nicht<br />

zusteht, zu keinem Zeitpunkt und egal, was auch<br />

immer locken könnte.<br />

Ich vertraue da auf das Leben oder nennen wir es<br />

auch Gott.


Kais Bücherdimension<br />

Sollte es doch zu einer Fortsetzung von "Jenseits<br />

der Zone" kommen, können Sie uns schon etwas<br />

über den Inhalt verraten? Welche Abenteuer wird<br />

Cosina Xe Mnesa Ysa erleben, welche Hürden meistern?<br />

Oder wird ein ganz neuer Held hervortreten?<br />

Bitte verraten Sie uns Ihre literarischen Pläne für die<br />

Zukunft.<br />

Eine schwere Frage. Denn ich habe schon etwas<br />

geschrieben. Die Fortsetzung existiert also schon auf<br />

der Manuskriptebene zu dreißig Prozent und es<br />

würde mir eine Freude sein, mitzuerleben, wie es<br />

darin weitergeht. Denn im Moment ist alles auf „Eis“<br />

gelegt und in den Ruhestand versetzt. Meine Enttäuschung<br />

darüber, dass man heute offensichtlich nur<br />

mit viel Geld im Rückhalt publizieren kann, ist einfach<br />

zu groß. Das lähmt mich in meinem Schreiben phasenweise<br />

leider immer wieder und dann gärtnere ich<br />

lieber oder wandere um den See bis der nächste<br />

Winter wiederkommt.<br />

Dann erst werde ich sehen, ob es weiter gehen kann<br />

oder ob das alles in eine staubige Schublade gepackt<br />

werden muss.<br />

Aber anbei: In meinen Büchern sind alle Beteiligten<br />

„Helden“, in „Jenseits der Zone“ die drei Hauptprotagonisten,<br />

Lea, Wolf und Cosina, als auch die Nebenprotagonisten,<br />

denen ich auch immer ihren Platz<br />

einräume. Oder aber: Keiner ist ein „Held“. Ich habe<br />

mit dem Begriff so meine Schwierigkeiten. Denn das<br />

wirklich heldenhafte, was ich bisher so in meinem<br />

Leben geleistet habe, ist immer übersehen worden<br />

oder unbemerkt geblieben und Leistungen, die ich<br />

selbst als selbstverständlich und so gegeben<br />

betrachte, werden dann auch schon mal hochstili-<br />

siert. Heldenhaft ist für mich nicht nur das sichtbare<br />

Handeln, sondern auch solches, was im Stillen abläuft<br />

und was im wahrsten Sinne auch Leben retten oder<br />

jemanden darin unterstützen kann, wieder oder auch<br />

nur weiterhin auf seiner Bahn zu bleiben und nicht<br />

abzudriften. Zum Beispiel, das Gebet. Ehrliches,<br />

authentisches Verhalten dabei und den Willen und<br />

die Entschiedenheit, sich für jemandes Belang mit<br />

aller zur Verfügung stehenden Energie einzusetzen.<br />

Das tut auch schon Wirkung, von der heute kaum<br />

noch jemand weiß oder aber auch niemand je daran<br />

geglaubt hat.<br />

In einer Fortsetzung würde es noch mehr um<br />

Verständigung und Einheitserleben gehen. Aber auch<br />

um Macht und Ohnmacht und den Umgang damit.<br />

Ein Weg auf einem schmalen Grat, vor dem sich viele<br />

scheuen, aus Furcht dabei vielleicht auch abstürzen<br />

zu können. Es wird sich zeigen, dass es immer die<br />

bessere Wahl ist, wenn man mit Kontrahenten in<br />

Kontakt bleibt, sich um Verstehen bemüht und aktiv<br />

daran mitgestaltet, dass Blockaden und Hemmnisse<br />

überwunden werden können. Das wird von Lea Liebig<br />

vollen Einsatz - auch persönlichen - verlangen.<br />

Dann kann das Wunder geschehen…<br />

Frau Rosa, haben Sie vielen Dank für dieses inspirierende<br />

Interview. Im Namen aller Mitarbeiter und<br />

Leser von „<strong>SpecFlash</strong>“ wünsche ich Ihnen für die<br />

Zukunft alles Gute.


Wonderland 3: Flucht aus dem Wunderland<br />

Raven Gregory, Daniel William Leister<br />

Verlag: Panini Comics<br />

ISBN: 978-3-86201-085-1<br />

"Flucht aus dem Wunderland" ist der dritte und<br />

letzte Teil der blutigen Wonderland-Reihe. Nachdem<br />

Calie so viel durchmachen musste, hat sie die Nase<br />

gestrichen voll von dieser verrückten Welt und deren<br />

noch verrückteren Bewohnern. Zeit abzurechnen,<br />

Zeit, die Waffen sprechen zu lassen.<br />

Genial ist die Waldszene mit den Schildern: Calie ist<br />

orientierungslos und auf den Wegweisern stehen<br />

anzügliche Bemerkungen über ihre Figur, z.B. "Nette<br />

Dinger", auch nett ist: "Megan Fox sollte dich spielen".<br />

Nachdem sie die Richtungsanzeiger droht sie zu<br />

Streichhölzern zu verarbeiten, geht's schließlich<br />

weiter.<br />

In einer anderen Szene steht auf einem Schild: "Cassie<br />

Hack was here", was natürlich eine Anspielung auf<br />

die gleichnamige amerikanische Comic-Reihe ist (das<br />

Cthulhu-Universum findet in beiden Werken<br />

Anklang). Verständlich, dass Fans zwei Mal so viel<br />

Wonderland 3<br />

Spaß an dieser Stelle haben. Schön, wenn<br />

Comicautoren- und Künstler Comics ihrer Kollegen<br />

lesen und es dann auch in ihren eigenen Werken<br />

einfließen lassen!<br />

Das einzig Nagative, was auffällt, ist der kurzzeitige<br />

Wechsel der Zeichner in der Mitte und relativ am<br />

Ende des Bandes. Konnte die Deadline nicht<br />

eingehalten werden? Wollte man dadurch<br />

unbekannten Künstlern eine Chance geben?<br />

Das Ende ist deshalb so gelungen, da alternative<br />

Versionen gezeigt werden. Interessant und gut<br />

umgesetzt und das wahre Ende ist obendrein auch<br />

noch zufriedenstellend.<br />

Fazit: Mit Band 3 hat die Reihe einen tollen<br />

Abschluss gefunden.<br />

© 2011 Wassilios Dimtsos<br />

© Markus Schüler<br />

rezension


steampunk<br />

Steampunk ist ein Phänomen, das als literarische Strömung in den 1980ern begann und sich<br />

zu einem Kunstgenre, einer kulturellen Bewegung einem Stil und einer Subkultur ausgeweitet<br />

hat. Dabei werden einerseits moderne und futuristische technische Funktionen mit Mitteln<br />

und Materialien des viktorianischen Zeitalters verknüpft, was einen deutlichen Retro Look der<br />

Technik ergibt. Andererseits wird das viktorianische Zeitalter in Bezug auf Mode und Kultur<br />

idealisiert wiedergegeben. Steampunk fällt damit in den Bereich des sogenannten Retro-<br />

Futurismus, also einer Zukunftssicht, wie sie in früheren Zeiten entstanden sein könnte, ohne<br />

ein Wissen über den tatsächlichen Ablauf der Geschichte.<br />

Häufige Elemente des Steampunk sind dampf- und zahnradgetriebene Mechanik, viktorianischer<br />

Kleidungsstil und ein viktorianisches Werte-Modell, eine gewisse Do-it-yourself-<br />

Mentalität und Abenteuerromantik. Elemente des Steampunk finden sich in vielen Bereichen<br />

der populären Kultur wieder, von Film und Fernsehen über Gesellschaftsspiele bis zu Musikprojekten.<br />

Es gibt jedoch auch zahlreiche Varianten des Steampunk, die verschiedenste andere<br />

Elemente einbringen oder Elemente weglassen bzw. variieren.<br />

Seite „Steampunk“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Juni 2011, 23:24 UTC. URL:<br />

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Steampunk&oldid=90207682<br />

© Nyala


Tick tack, tick tack, tick tack... Das ist der Herzschlag<br />

der uns antreibt. Tick tack, tick tack, tick tack... Ein<br />

leises klicken im Rauschen der Zeit. Tick tack, tick<br />

tack, tick tack... Ein heller Schlag abseits des Stroms.<br />

Nur weil wir in dieser Welt der digitalen Technik<br />

leben heißt das nicht, daß wir ihre Normen auch<br />

vollends akzeptieren. Die Industrialisierung brachte<br />

der Menschheit enormen technologischen Fortschritt<br />

und Wohlstand, aber auch Monotonie und Agonie.<br />

Diesen wollen wir entfliehen und uns der alten Schule<br />

widmen. Neben dem Strom schwimmen aber weder<br />

gegen ihn noch mit ihm.<br />

Wir sind keine Feinde der modernen Technik jedoch<br />

nimmt für uns die technologische Revolution im<br />

Geiste einen anderen Weg als für die industrialisierte<br />

Welt. Im Gegensatz zu dieser und ihrer digitalen<br />

Technik hielt für uns die ideologie der Dampfmaschine<br />

und ihre Perfektionierung Einzug an die Spitze<br />

der technologischen Errungenschaften unserer viktorianisch<br />

geprägten Welt.<br />

Wir leben nicht in der Edisonischen Ära, in der die<br />

Maschinen benutzt werden die Welt zu kontrollieren<br />

und als pure Werkzeuge des überlegenen Menschen<br />

angesehen werden.<br />

Unsere Werke leben! Sie sind die konkrete und<br />

wahr gewordene Idee, der Funke, der Imaginationspartikel,<br />

der ihrem Erschaffer seit Jahren im Kopf<br />

rumgeistert, ihn nächtelang nicht schlafen läßt und<br />

ihn immer wieder in die Werkstatt treibt. Sie sind<br />

unsere Kinder und wir müssen lernen mit ihnen zu<br />

leben und sie in all ihren Facetten erfassen und<br />

akzeptieren. Unsere Werke wachsen mit uns und wir<br />

mit ihnen. Sie können immer etwas mehr, als sie<br />

eigentlich müssen, sie sind immer etwas schöner, als<br />

der reine Zweck ihnen vorgibt und sie werden in ihrer<br />

Gänze sicherlich nie vollständig von uns erfaßt<br />

werden. Unsere Werke altern! Nichts, was real ist<br />

wird ewig so bestehen, wie es erschaffen wurde.<br />

Material ermüdet und Mechanik versagt. Wir haben<br />

immer ein Auge auf das Werk und verbessern und<br />

pflegen sie, wann immer es nötig wird. Unsere Werke<br />

sterben! Denn alles was lebt stirbt irgendwann, aber<br />

alles was lebt, hinterläßt eine Spur in unserer Welt.<br />

steampunk<br />

Steampunk - ein technikfokusierter Gedankengang<br />

Wir lernen aus Niederlagen und werden nicht müde,<br />

den Maschinen immer wieder neues Leben einzuhauchen.<br />

Wir verehren die Technik in all ihren Facetten<br />

verwehren uns aber jener, die ohne Leben und Geist<br />

unachtsam auf Fließbändern hergestellt wird. Diese<br />

Fabriken sind das, was die Welt um uns herum<br />

entzaubert und ihr das kreative Chaos nimmt, was<br />

uns immer wieder antreibt zu Neuem zu streben,<br />

Großes zu erschaffen und Bestehendes zu verbessern.<br />

Dieses kreative Chaos, was den Wissenschaftler<br />

beseelt und seinen Werken den Funken gibt. Was uns<br />

empfänglich macht für den leichten Wahnsinn der<br />

nötig ist um beständig einen Kampf mit der Maschine<br />

auszutragen. Was uns den Weg zur Magie öffnet, der<br />

wir es verdanken, das unsere Maschinen leben!<br />

Wir stehen für eine Gesellschaft in der das Werk<br />

des einzelnen eine hohe Wertschätzung erlangt hat.<br />

Wunderschöne Kunstwerke, Kleinode oder gewaltige<br />

Maschinen von Menschenhand erschaffen, etwas mit<br />

Bestand. Eine Gesellschaft in der Wert gelegt wird auf<br />

die kleinen Dinge, Gegenstände des Alltags, die wie<br />

jedes andere Werk auch so perfekt und schön wie<br />

möglich konstruiert werden um ihnen Ästhetik über<br />

den eigentlichen Nutzen hinaus zu verleihen.<br />

Wir setzen unsere Energie nicht in Zerstören,<br />

sondern in Erschaffen. Ihr mögt uns Träumer nennen,<br />

Künstler oder Philosophen, doch wir sind Artisanen!<br />

Wir lieben das Stoffliche, das Echte, das Sichtbare.<br />

Wir ergötzen uns an sich bewegenden Zahnrädern,<br />

Kolben, Hebeln und Lichtern. Wir wollen wissen, wie<br />

es funktioniert und wie man es wieder reparieren<br />

kann. Wir vereinen Funktion und Beschaffenheit in<br />

einem einzigartigen Werk!<br />

Wir sind der strahlende Funken in einer<br />

grauen Welt. Wir bewahren altes Wissen und<br />

leben tot gesagte Traditionen. Sei es nur ein<br />

wenig Höflichkeit.<br />

Weder sehnen wir der goldenen Zeit nach, noch<br />

sind wir ein Schatten ihrer, denn wir holen die alte<br />

Welt in die Gegenwart und wir leben sie! Wir sind der<br />

Aufbruch nach Gestern und unser Ziel ist das Morgen!<br />

© 2011 John Copper


steampunk<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler


steampunk<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Jules Verne trifft auf Microsoft<br />

Steampunk ist ein Genre das mit der Literatur Jules Vernes und H. G. Wells' seinen Anfang<br />

nahm, sich inzwischen bedeutend weiterentwickelt hat und nun auch in Musik, Film, dem<br />

Internet und nicht zu vergessen Anime und Manga (z.B. Steamboy) seinen Ausdruck findet,<br />

mehr dazu weiter unten.<br />

Steampunk beruht auf einer "gesci-fiten" Version der Technik des viktorianischen Zeitalters,<br />

gekoppelt mit der Annahme, dass sich Mode und soziale Struktur nicht ändern. Dies findet<br />

auch Ausdruck in den wunderschönen und im Rückblick bezaubernd naiven Vorstellungen, die<br />

die Futuristen des ausgehenden 19. Jahrhunderts über die Zukunft hatten:<br />

Flugmaschinen für den Sonntagsspaziergang:


Ästhetische Elemente<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Steampunk ist allerdings weit mehr als Visionen der Zukunft über das, was inzwischen<br />

bereits Vergangenheit ist. Steampunk verbindet Mode und Manieren der Jahrhundertwende<br />

vom 19. zum 20. Jahrhundert mit verschiedenen modernen und moderneren Elementen.<br />

Steampunk sucht sich eine Nische in der modernen Welt und vermischt dort Technik von der<br />

Industrialisierung bis heute mit dem Entdeckergeist eines Livingstone, Darwin oder von<br />

Siebold und dem Forschungsgeist eines Dr. Frankenstein.<br />

Steampunk schmückt sich mit Messing und schützt sich mit einer Schutzbrille.<br />

Messing (Enlisch: Brass) und Schutzbrillen (Englisch: Goggles) sind ein wiederkehrendes<br />

Motiv innerhalb des Genres. Dies findet besonders in der brtischen Steampunk Online-<br />

Community Brassgoggles seinen Ausdruck.<br />

Steampunk kombiniert all diese Elemente und spinnt sie weiter. Literarisch gesehen ist<br />

Steampunk die Weiterentwicklung dessen, was Verne, Wells und andere begonnen haben,<br />

die modische Facette der Steampunk-Subkultur verbindet "Zeppelin-Chick" (siehe z.B. Abney<br />

Park weiter unten) mit Elementen viktorianischer oder wilhelminischer Kleidung und<br />

Stilelementen aus Punk und Gothic.<br />

Steampunk in verschiedenen Medien<br />

Eine weitere modernere Ausprägung des Steampunk manifestiert in der Musik der Gothic-<br />

Industrial Szene, wie bei Abney Park oder Vernian Process. Hier sollte sich jeder selbst ein Urteil<br />

bilden, indem er oder sie sich eine Hörprobe gönnt:<br />

http://www.youtube.com/v/-IBf0hI4F-U&rel=1;<br />

Ein kurzes Video zu Steampunk-Einflüssen außerhalb des eigentlichen Steampunk Genres:<br />

http://www.youtube.com/v/IXxypefA1jY&hl=en&fs=1;<br />

Jasper Morello<br />

steampunk<br />

(eine etwas düstere Interpretation des Steampunk-Genres)<br />

http://www.youtube.com/v/vORsKyopHyM&hl=en&fs=1


steampunk<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Steampunk in Anime und Manga:<br />

Steamboy<br />

(hier sind auch die für Steampunk typischen Goggles zu sehen)<br />

Last Exile<br />

um nur zwei Beispiele zu nennen.


steampunk<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Steampunk my Computer:<br />

Wie würden Computer der Steampunkära aussehen?<br />

Wahrscheinlich so.<br />

(Von Datamancer, genialer, funktionstüchtiger Umbau)<br />

Aber am aller liebsten sind mir:<br />

HMS Ophelia, das Luftschiff wurde von Abney Park<br />

"geborgt".<br />

Steampunk Luftschiffe und Steampunk Zeppeline:<br />

Kapitän Albrecht von Kober, Kaiserliches Luftschiffkorps:<br />

zum Expeditionstagebuch<br />

Ein Steampunk Blog (Mein Steampunk Reise-Blog, um genau zu sein).<br />

Bordgeschütz eines Steampunkzeppelins<br />

und natürlich die Württemberg, kaiserliches Experimentalluftschiff für den Langstreckenflug:<br />

LZ-X1 Württemberg


steampunk<br />

von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Steampunks in Deutschland<br />

Deutschland weißt inzwischen eine sehr aktive Steampunk-Szene auf, mit der ich persönich<br />

noch gar nicht zu diesem Zeitpunkt gerechnet habe. Das Internet, bzw. Æthernets, tut einen<br />

sicherlich nicht geringen Teil dazu beitragen, dass sich die Szene organisiert.<br />

Neben Webseiten wie dieser, Clockworker und anderen privaten Homepages gibt es inzwischen<br />

mindestens eine deutsche Steampunk Community, den Rauchersalon.<br />

Wie bei vielen anderen Subkulturen in Deutschland verhält es sich bei Steampunk so, dass die<br />

Zentren der Aktivität nördlich des Mains liegen und sich vergleichsweise wenige Mitglieder<br />

der Szene in Bayern und Baden Württemberg befinden. Dies ist umso erstaunlicher, als dass<br />

eine Steampunk Ikone, der verehrungswürdige<br />

Ferdinand Graf von Zeppelin<br />

schließlich vom Bodensee stammt und es in Friedrichshafen auch das Zeppelin Museum gibt.<br />

Insofern liegt ein zumindest theoretischer Hauptkristallisationspunkt der Szene im Süden<br />

Deutschlands, allerdings hat dies leider wenig Auswirkung auf die geographische Verteilung<br />

der Steampunks in Deutschland.<br />

Ich bin bisher auf keine Szene Events in Bayern und Baden-Württemberg gestoßen, dafür gibt<br />

es aber einige in Hamburg, Köln und Berlin.<br />

Da ich selbst in Süddeutschland wohnhaft bin, die Betonung liegt dabei auf Wohnhaft, meine<br />

Wahlheimat befindet sich auf der anderen Seite des Ärmelkanals, sollte ich daran wohl mal<br />

was ändern.


Hier eine kleine Anleitung zum Steampunklook,<br />

um euch ein wenig Rüstzeug zu geben für viele<br />

tollen Ideen.<br />

Zuallerst das Material:<br />

Um es matellern aussehen zu lassen gibt es<br />

mehrere Möglichkeiten. Entweder man verwendet<br />

von Anfang an Metalliceffektfimo oder man<br />

benutzt einfach schwarzes Fimo und bepudert es<br />

gut mit den altbekannten Püderchen von (jetzt)<br />

Staedler oder Micapuder.<br />

Ich benutze dafür gern schwarz.<br />

Ich habe noch keine andere Farbe verwendet,<br />

generell sollte es auch mit jeder anderen Farbe<br />

gehen.<br />

Die ganz besondere Magie des schwarzen Fimo<br />

werde ich euch aber noch offenbaren.<br />

Grundsätzlich: Wenn ihr euer Steampunkobjekt<br />

dick bepudert habt ist es bald unablässlich es zu<br />

Lackieren. Es sei denn ihr wollt eure Wohnung<br />

auch steampunken.<br />

Natürlich kann man auch mit dem Effektfimo<br />

arbeiten und mit den Pudern Akzente setzen.<br />

Auf dem Foto könnt ihr erkennen (bei Gold sieht<br />

mans sehr gut) das die geknetelte Masse vorne an<br />

den beiden Effektblöcken einen Grauschleier hat.<br />

Ich habe einfach ein wenig schwarzes Fimo hineingeknetelt.<br />

So bekommt das Fimo die Optik von<br />

altem Metall.<br />

steampunk<br />

Kleines Tuto zum Steampunklook<br />

von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum<br />

Jetzt geht's los.<br />

Wir wollen Steampunk!<br />

Wie das Effektfimo aussieht wissen wir ja. Also zeig<br />

ich euch das magische, schwarze Steampunkfimo.<br />

Ich hab ein bißchen was durch die Nudelmaschine<br />

genudelt. Und jetzt kommt das Puder zum Einsatz.<br />

Hier benutze ich das Puder von (steht noch so<br />

drauf) Faber, jetzt aber Staedler.<br />

Nehmt am besten einen weichen Pinsel (es sei<br />

denn ihr wollt DEN Effekt, dazu komme ich später)<br />

und pinselt es über das Fimo.<br />

Hält von ganz allein. Ich mags am liebsten, wenn<br />

das Schwarz ein wenig durchschimmert.<br />

So sieht das Ganze dann aus... na...?!<br />

Macht das Lust auf mehr?!


Was soll die Nadel da?<br />

Nun, glattes Metall ist unspektakulär. So mit Rost<br />

und Kratzern und Schrauben... ja das ist schon eher<br />

das was wir wollen.<br />

Dafür ist die Nadel. Zieht sie übers Fimo und macht<br />

Kratzer und Macken rein.<br />

Und jetzt zu dem Borstenpinsel:<br />

Mit dem bekommt ihr auch Kratzer ins Fimo. Nicht<br />

so tiefe Macken, es schaut etwas benutzt oder<br />

abgenutzt aus. Versuchts mal!<br />

Das schaut dann so aus:<br />

Ein bißchen Rost wäre schön.<br />

Dafür nehme ich einen Zahnstocher, teile ihn und<br />

nutze die ausgefransten Burchstellen um damit<br />

"Rost" ins Fimo zu dürcken.<br />

steampunk<br />

Kleines Tuto zum Steampunklook<br />

von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum<br />

Man kann dem ganzen noch den letzten Schliff<br />

verpassen, indem man die Roststelle mit Bronzepuder<br />

bestäubt!


Echte Schrauben sind ganz wundervoll für Steampunk.<br />

Aber na ja, ich hab nicht viele da. Außerdem<br />

bräuchte ich von manchen nur die Köpfe für die<br />

Optik.<br />

Zum Glück kann man die ganz leicht aus Fimo<br />

machen.<br />

Sucht euch einen Schraubendreher (Kreuz- oder<br />

Schlitz).<br />

Rollt eine kleine Schwarze Kugel etwa in der Größe<br />

in der ihr eure Schraube haben wollt und setzt sie<br />

auf euer Fimoobjekt. Normalerweise würde ich<br />

immer erst alles fertigmodellieren und es dann mit<br />

dem Puder bestäuben. Haftet einfach besser.<br />

Dann drückt ihr den Schraubendreher in die Kugel.<br />

Nun muss nur noch das Schräubchen bepudert<br />

werden.<br />

Violá!<br />

steampunk<br />

Kleines Tuto zum Steampunklook<br />

von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum


Steampulpfantasy<br />

Posted By Traveler on 11. September 2010<br />

EIgentlich hätte ich darauf schon länger mal<br />

hinweisen sollen:<br />

Ein paar polnische (glaube ich) Steampunk- und<br />

Rollenspielenthusiasten haben sich zusammengetan<br />

und Steampulpfantasy ins Leben gerufen.<br />

Von dem, was auf der Website zu sehen ist (sowohl<br />

Grafik als auch Regelwerk) muss ich sagen, ich bin<br />

sehr angetan. Das Regelwerk erscheint nicht zu<br />

kompliziert, die Welt ist mir zwar ein wenig zu<br />

Fantasylastig aber insgesamt, alles sehr schön<br />

gemacht. Besonders gut gefällt mir das Konzept<br />

hinter Steam Pulp Fantasy und einige kleine Details,<br />

wie das unvermeidliche Gadget, dass jeder Held<br />

haben sollte. Beispiele reichen von einem exzellenten<br />

Stockdegen über ein Krtistallglasmonokel bis hin zu<br />

einem kugelsicheren Korsett.<br />

Man sieht schon, die Leute hinter Wolsung hatten<br />

eine ganze Menge Spaß. Die Basisregeln für einen<br />

schnellen Einstig kann man außerdem kostenlos<br />

herunterladen:<br />

Wolsung Test Drive<br />

Also, beim nächsten Rollenspielabend, vielleict mal<br />

die etwas andere Steampunk-Spielwelt Wolsung<br />

ausprobieren! Ich für meinen Teil werde wohl ein<br />

paar Elemente des Regelwerks klauen und bei mir<br />

verwenden (spiele Chaosium Basic Roleplaying mit<br />

Steampunk-Hintergrund).<br />

Argo – Steampunk MMORPG<br />

Posted By Traveler on 13. März 2011<br />

Auf meinen Streifzügen durchs Æthernetz stieß ich<br />

kürzlich auf Argo und bin ganz hin und weg. Das Spiel<br />

steampunk<br />

Streiflichter<br />

aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

macht einen klasse EIndruck und die Bckstory ist<br />

auch passend post-apokalyptisch (Auszug aus den<br />

Hintergrundinfos):<br />

Eine Welt zerstört von Serpestis, dem 4. Weltkrieg<br />

im 23. Jahrhundert. Es wurden nicht nur ganze<br />

Städte und Landschaften zerstört, sondern sogar<br />

ganze Kontinente umgeformt. Doch zwei Rassen<br />

bauten ihre Zivilisation in dieser postapokalyptischen<br />

Welt entsprechend ihrer Lebensanschauungen<br />

wieder auf: Die Steampunk-inspirierten<br />

Noblian und der geheimnisvolle Stamm der Floresslah.<br />

Für welche würdest du dich entscheiden?<br />

Siehst du die Zukunft der Menschheit in der technologischen<br />

Weiterentwicklung oder in der Symbiose<br />

mit der Natur? Das ist eine der wichtigsten<br />

Entscheidungen, die die Menschheit treffen muss.<br />

Woran glaubst du? Steige ein in ARGO, das Online<br />

RPG der nächsten Generation, und kämpfe für das,<br />

woran du glaubst.<br />

Hier erst mal ein paar Grafiken (aus dem Spiel<br />

selbst und natürlich Artwork):


Was mich massiv stört: Ich habe momentan überhaupt<br />

keine Zeit, mich mit Online Spielen zu beschäftigen.<br />

Mein Sprössling lernt gerade Laufen und da<br />

habe ich wörtlich alle Hände voll zu tun. Nichts desto<br />

trotz würde es mich natürlich interessieren, eure<br />

Meinung zu diesem Spiel zu hören und ob es tatsächlich<br />

so grandios ist, wie es die Screenshots und das<br />

Artwork versprechen.<br />

Hier noch ein paar Basisinfos:<br />

Fakten:<br />

� Zwei unterschiedliche Fraktionen (Floresslah<br />

und Noblians)<br />

� Vier von insgesamt acht Klassen pro Fraktion<br />

spielbar<br />

� Startkontinente bis Level 30 freigeschaltet<br />

� 20 verschiedene Gebiete mit zehn spannenden<br />

Dungeons<br />

� Hunderte von Quests mit packender Hintergrundstory<br />

� Interaktives Map-System für die schnelle Suche<br />

nach NPCs, Quests etc.<br />

� Crafting-System mit Upgrade-Möglichkeiten für<br />

Items<br />

� Ressourcensystem (Mineral „Earthdium“) für<br />

Skill-Entwicklung<br />

� Sechs verschiedene Berufe<br />

� Sowohl PvP- als auch Raid-Dungeons<br />

� Verschiedene Fortbewegungsmittel für beide<br />

Fraktionen (Floresslah: Animal-Mounts / Noblians:<br />

Steampunk-Fahrzeuge)<br />

� Achievementsystem<br />

� Petsystem mit zwei komplett unterschiedlichen<br />

Fraktionsdesigns<br />

� 20 riesige Dungeons zum Erkunden<br />

� 80 verschiedene Karten zum Erforschen<br />

steampunk<br />

Streiflichter<br />

aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

� ·3,600 (!) Questen, auf die man sich in der<br />

Steampunk-Fantasy Welt begeben kann<br />

� 10,000 verschiedene NPCs mit denen man<br />

sich unterhalten.<br />

Riese: Kingdom Falling auf Deutsch<br />

Posted By Traveler on 5. April 2011<br />

Riese: Kingdom Falling ist meine bevorzugte<br />

Steampunk Serie. Vor fast zwei Jahren hat sie als<br />

Youtube-Projekt angefangen, dann waren die<br />

Videos auf einmal privat, weil die Macher in<br />

Verhandlung mit verschiedenen Parteien standen.<br />

Dann kam die Nachricht, dass die Serie auf Syfy zu<br />

sehen sei, was uns in Deutschland nichts nutzte.<br />

Zumindest nicht, wenn man keine IP-Verschleierung<br />

verwendete…<br />

Wie dem auch sei, jetzt gibt es Riese: Kingdom<br />

Falling auch in der deutschen Synchronisation, die<br />

Serie ist inzwischen gewachsen, mehr Teile, mehr<br />

Protagonisten, mehr Spaß!<br />

Hier der erste Teil, Riese: Kingdom Falling – Die<br />

Jagd:<br />

http://www.youtube.com/v/p5A5_eYW0r4?fs=1<br />

&hl=de_DE<br />

Musik der 20er und Gentechnik<br />

Posted By Traveler on 2. März 2011<br />

Was für Lieder würde man in einer Steampunk<br />

oder Dieselpunk Welt schreiben und vortragen?<br />

Manchmal findet man Antworten auf Steampunkfragen<br />

tatächlich in der realen Welt. Ein Beispiel<br />

hierfür ist Max Raabe und sein Palast Orchester.<br />

Max Raabe macht Musik im Stile der 20er und 30er<br />

Jahre und lehnt sicht stark an den Comedian<br />

Harmonsist an, deren Stücke auch zu seinem<br />

Repertoire gehören.


Er geht aber noch einen Schritt weiter und verarbeitet<br />

moderne Themen in Form der Schlager der Weimarer<br />

Republik. Dabei kommt dann ein Juwel wie dieses<br />

heraus:<br />

http://www.youtube.com/v/YzwULeKtvYY?fs=1&hl=<br />

de_DE<br />

Und Schlager wie dieser wären auch bestimmt der<br />

Fall gewesen, wenn entsprechende Technologien<br />

bereits in den 20ern verfügbar gewesen wären…<br />

Die Szene nimmt fahrt auf<br />

Posted By Traveler on 23. Juni 2011<br />

Die Steampunk Szene in Deutschland, vielmehr im<br />

deutschsprachigen Raum, bewegt sich immer schneller<br />

vorwärts. Thalia hat in verschiedenen Filialen ein<br />

Steampunk-Special in Zusammenarbeit mit Feder und<br />

Schwert laufen:<br />

Leider nicht bei mir vor Ort, sonst hätte ich schon<br />

längst mal darüber berichtet…<br />

Und man findet Steampunk immer häufiger in den<br />

etablierten Medien, wir sind sichtbarer. Passend zum<br />

Wave Gotik Treffen gab es zum Beispiel diesen<br />

Bericht in der Leipziger Volkszeitung. Besonders<br />

auffällig: Wir Æthernomaden bekommen erstaunlich<br />

wenig schlechte Presse ab.Ich spekuliere, das liegt<br />

daran, dass man mit schräg-viktorianischen Gestalten<br />

nicht so wirklich reibungslos Satanismus und ähnlichen<br />

Unfug in Verbindung bringen kann, wie das bei<br />

Gothics und Metal Heads der Fall ist.<br />

steampunk<br />

Streiflichter<br />

aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Zurück zum Thema und<br />

anknüpfend an die Thalia-<br />

Aktion: Es erscheint immer<br />

mehr Steampunk-Literatur<br />

auf Deutsch. Mehrheitlich<br />

Übersetzungen, aber immerhin.<br />

Man kann ja nicht nur<br />

ständig etwas über Liebesbeziehungen<br />

mit Vampiren und<br />

Teenage-Magier lesen. Da<br />

bekommt man ja Literatur-<br />

Skorbut… Zu einseitig.<br />

Pieper wird die Romane von<br />

Lavie Tidhar veröffentlichen, der Deal steht, soviel<br />

ich weiß (es sei denn, Lavie hat sich einen Scherz<br />

mit mir erlaubt) und hier ist ein deutscher Steampunk-Trailer<br />

für einen weiteren Roman des<br />

Genres, das is das erste Mal, dass ich sowas auf<br />

Deutsch sehe:<br />

http://www.youtube.com/v/aP_S6IMQBd0?versi<br />

on=3&hl=de_DE<br />

Also, es geht vorwärts, wir sind schon beinahe<br />

Mainstream…<br />

(den vollständigen Blog findet ihr unter:<br />

http://daily-steampunk.com/steampunkdeutschland/)


Ich vermute, dass das die Frage ist, die sich<br />

manch einer stellen wird, der über diese Seite<br />

stolpert — darunter vielleicht auch Leser und<br />

Autoren, die bislang keine Berührung mit diesem<br />

Thema hatten. Die Erklärung ist nicht ganz einfach,<br />

insbesondere deswegen, weil man von fünf Anhängern<br />

des Genres wahrscheinlich acht unterschiedliche<br />

Antworten dazu bekommt. Das macht eine Definition<br />

die auch Außenstehende zufrieden stellt nachvollziehbarerweise<br />

nicht einfacher. Ich weise an dieser Stelle<br />

darauf hin, dass alle nachfolgenden Aussagen meine<br />

Einstellung und Meinung wiederspiegeln und diese<br />

selbstverständlich nicht die des Lesers oder der<br />

Leserin sein muss. Wie ich schon im Interview mit<br />

dem Zauberspiegel schrieb: “wer bin ich schon, dass<br />

ich mir anmaßen könnte das Genre zu definieren?”.<br />

:o)<br />

Aus diesem Grund gebe ich an dieser Stelle Hinweise<br />

und merke an: umfassend kann die Erklärung nicht<br />

sein — das soll sie auch nicht — und Abweichungen<br />

von meiner Ansicht sind nicht nur erlaubt, sondern<br />

erwünscht.<br />

Da es hier um ein Literaturprojekt geht, werde ich<br />

mich dem Thema von dieser Seite nähern — ich<br />

möchte aber vorab deutlich darauf hinweisen, dass<br />

sich das Genre in der heutigen Form erfreulicherweise<br />

einer exakten Definition entzieht und — so<br />

steampunk<br />

Was ist eigentlich Steampunk?<br />

Von Professor Xanathon<br />

meine ich zumindest erkannt zu haben — ein Großteil<br />

der Anhänger genau diese fehlende Einengung als<br />

überaus erfrischend empfindet. Wenn also immer<br />

wieder gefragt wird, wo denn der Punk im Steampunk<br />

ist, dann lautet eine der Antworten: lass´ mich mit<br />

Deinem Schubladendenken in Ruhe! :o)<br />

Doch zurück zur Literatur beziehungsweise zum<br />

Hintergrund oder vielleicht “Setting” wie es auf<br />

Neudeutsch heißt. Es geht um Parallelweltgeschichten.<br />

Grundsätzlich würde ich das Ganze zur viktorianischen<br />

Zeit verorten wollen, also sagen wir mal grob<br />

im Zeitraum 1840 bis 1900. Das ist natürlich zum<br />

einen nur ein Anhaltspunkt, zum anderen gibt es die<br />

Möglichkeit, dass sich das viktorianische Zeitalter —<br />

oder dessen Stil und Kolorit — aufgrund von Geschehnissen<br />

und Erfindungen in Steampunk-Universen<br />

weitestgehend bis in die heutige Zeit oder in die<br />

Zukunft erhalten hat.<br />

Immer wieder lese ich die Aussage “ohne Dampf ist<br />

es für mich kein Steampunk”. Diese halte ich für<br />

grundlegend falsch. Der Begriff an sich rührt daher,<br />

dass die Vorlage in der realen Welt in die Zeit der<br />

Industrialisierung fällt, in der die Dampfmaschine<br />

einen maßgeblichen Anteil an der Veränderung der<br />

Welt hatte. Nun kann es sein, dass Dampfmaschinen<br />

eine zentrale Rolle in einer Steampunk-Geschichte<br />

oder dem zugehörigen Universum spielen, aber ein<br />

Zwang ist das keinesfalls — denn genauso gut können<br />

es andere Erfindungen<br />

sein, die in der realen<br />

Welt nie gemacht wurden<br />

und die zur Entwicklung<br />

einer parallelen Zeitlinie<br />

führen. Beispiele hierfür<br />

wären von Uhrwerken<br />

angetriebene Roboter<br />

(vergleiche Clockpunk, ein<br />

Subgenre des Subgenres,<br />

allerdings sehe ich da<br />

schon wieder die Aufteilung<br />

in mikro-Schubladen,


deswegen erwähne ich das nur am Rande), leistungsfähige<br />

mechanische Rechenmachinen, Aetherpropeller,<br />

die die Kolonialmächte auf Planeten des<br />

Sonnensystems tragen, Naphtha-getriebene Kutschen<br />

oder Konstrukte, die durch ein mysterlöses<br />

“Plasma” befeuert werden und die über nahezu<br />

unerschöpfliche Energiereserven verfügen.<br />

Neben zeitlichem und technischem Rahmen nimmt<br />

die Ästhetik einen zentralen Punkt beim Steampunk<br />

ein. Das Aussehen von beispielsweise Technik und<br />

Mode ist ebenfalls grob am oben genannten viktorianischen<br />

Rahmen angelehnt, wobei selbstverständlich<br />

auch hier Variationen nicht nur möglich sondern fast<br />

zwingend sind. Ein gutes Beispiel ist Captain Nemos<br />

U-Boot NAUTILUS aus dem Disney-Film “20000 Meilen<br />

unter dem Meer”. Die ist zwar ein technisches<br />

Meisterwerk und allen anderen Fahrzeugen ihrer Zeit<br />

weit voraus, weist aber im Design exakt darauf hin,<br />

in welcher Epoche sie entstanden ist, und zeigt<br />

Verzierungen und Schnörkel, die sie im Gegensatz zu<br />

den Kriegsschiffen der Zeit einzigartig aussehen lassen.<br />

Übrigens sah die Nautilus in einer Illustration des<br />

Originalbuches von Verne eher so aus, wie ein heutiges,<br />

modernes U-Boot (siehe rechts), aber das nur<br />

am Rande. :)<br />

Ebenfalls immer wieder zentral bei Steampunk:<br />

Sitte und Etikette des viktorianischen Zeitalters.<br />

Selbstverständlich reden wir hier in aller Regel über<br />

eine idealisierte und romantisierte Sicht jener Zeit,<br />

aber das ist mit Sicherheit auch ein Grund für die<br />

Attraktivität des Genres. Wir bekommen es mit<br />

kultivierten Ladies und Gentlemen zu tun, aber<br />

ebenso möglich sind Mitglieder der sogenannten<br />

Unterschicht, seien es nun Heizer der dampfgetriebenen<br />

Landleviathane oder die Aethermänner, die auf<br />

Solarseglern durchs Sonnensystem reisen.<br />

Möglich sind übrigens sowohl Utopien wie auch<br />

Dystopien, wobei es nach meinen Erfahrungen gern<br />

eher mal in Richtung Dystopie geht (weil dann die<br />

Helden heldenhafter sein können). Es geht geht<br />

beides und alles dazwischen. Hier kann auch wieder<br />

steampunk<br />

Was ist eigentlich Steampunk?<br />

Von Professor Xanathon<br />

der Punk ins Spiel kommen, nämlich Querdenker, die<br />

sich den gestrengen Sitten der Zeit widersetzen, oder<br />

gegen alle Widerstände der etablierten Wissenschaft<br />

eine technische Innovation entwickeln, die die Gesellschaft<br />

für immer verändern wird. Frauen in klassischen<br />

Männerberufen. Ausbrecher aus Standes– oder<br />

Nationsdünkel. Und vieles mehr. Meiner Ansicht nach<br />

rührt der Begriff “Punk” im Steampunk auch daher,<br />

dass man eine bekannte Historie und bekannte<br />

Hintergründe nimmt und sie mit nie Gewesenem und<br />

Phantastischem anreichert, um ein neues Ganzes zu<br />

schaffen (und weil K. W. Jeter damals in den frühen<br />

80ern einen griffigen Namen für sein neues Genre<br />

brauchte und sich dabei am damals ebenfalls gerade<br />

frischen Cyberpunk orientierte… :o).<br />

Ebenfalls gern Teil von Genre-Erzählungen sind<br />

Mystik, Okkultes und Magie. Entweder ganz offen in<br />

die Gesellschaft integriert oder als zusätzliches Spannungselement<br />

in Erscheinung tretend. Man bekommt<br />

es in der einschlägigen Literatur beispielsweise auch<br />

mal mit auferstandenen Mumien, sinistren Magienutzern<br />

oder uralten bösen Göttern zu tun. Ob der Autor<br />

solche Elemente in seinen Geschichten nutzt, ist allein<br />

ihm überlassen und wie er sein Universum angelegt<br />

hat — erlaubt ist, was gefällt und “alles wird besser<br />

mit Zombies!” :o)<br />

Auf der Seite zum Steampunk-Comic “Girl Genius”<br />

von Phil Foglio heißt es passend:<br />

Adventure, Romance, MAD SCIENCE! 1)<br />

Eine Nähe zu Penny Dreadfuls und Pulps ist selbstverständlich<br />

beabsichtigt und erlaubt. Und da es<br />

diese Nähe zur Unterhaltungsliteratur des 19. und<br />

frühen 20 Jahrhunderts fraglos gibt, weigere ich mich<br />

auch nachdrücklich, nur angeblich “Anspruchsvolles”<br />

zu veröffentlichen. Das Genre hat seine Wurzeln eben<br />

auch und gerade in der Unterhaltungsliteratur, wenn<br />

das gewissen Kulturchauvinisten nicht passt, dann sei<br />

diese Meinung ihnen unbenommen, sie sollen aber<br />

bitte etwas anderes lesen!


Kleiner Einschub: Steamfantasy. Im Gegensatz<br />

zum Steampunk verorte ich Steamfantasy nicht<br />

in einem semi-historischen irdischen Hintergrund,<br />

sondern eben auf erfundenen Fantasy-Welten,<br />

die keinen direkten Bezug zur Geschichte der Erde<br />

aufweisen. Ob die Protagonisten dann Menschen,<br />

Zwerge oder Elfen sind (oder alle davon), ist erst<br />

einmal zweitrangig. Wie beispielsweise “Castle<br />

Falkenstein” aber zeigt, sind umgekehrt Fabelwesen<br />

wie Zwerge, Elben oder Sidhe im Steampunk<br />

einer parallelen Erde ebenfalls möglich — deswegen<br />

sind auch hier die Grenzen fließend.<br />

Bei Hardcore-Anhängern des SF-Genres lese ich<br />

immer wieder, dass Steampunk doch keine Science<br />

Fiction sei, sondern Fantasy. Und es wird im Detail<br />

ausdefiniert und (zum Teil hanebüchen begründet),<br />

was zum SF-Genre gehören könnte und was nicht.<br />

Meine Antwort darauf: diskutiert ihr ruhig, mir doch<br />

egal und völlig unwichtig! Viel wichtiger als eine<br />

konkrete Definition von Steampunk und damit eine<br />

Einengung des Genres und insbesondere der Möglichkeiten<br />

ist es mir, wenn kreativ mit Rahmenbedingungen<br />

umgegangen wird und dabei interessante,<br />

kurzweilige und innovative Werke entstehen. Totdefinieren<br />

ist kontraproduktiv und tötet die Kreativität<br />

— das braucht keiner! Zudem ist Steampunk längst<br />

nicht mehr nur ein Literaturgenre und die aktuelle<br />

Bewegung gründet sich auch und vielleicht sogar<br />

vorrangig im Maker-Movement statt nur in der Literatur,<br />

weitere Punkte sind Spaß am Rollenspiel und<br />

Geselligkeit. Wer das Genre also ausschließlich aus<br />

dem literarischen Blickwinkel betrachtet, schließt<br />

maßgebliche Aspekte völlig aus. Aber das nur am<br />

Rande, man vergebe mir die kleine Exkursion.<br />

Ich möchte diese Betrachtung des Genres Steampunk<br />

und die explizit verweigerte konkrete Definition<br />

steampunk<br />

Was ist eigentlich Steampunk?<br />

Von Professor Xanathon<br />

an dieser Stelle beschließen und die Leser bitten, ihre<br />

Anmerkungen und anderslautenden Meinungen gern<br />

hier als Kommentar zu hinterlassen oder bei Unklarheiten<br />

Fragen zu stellen. Wie ich Eingangs schrieb:<br />

das sind nur meine Ideen zum Thema, keine Naturgesetze!<br />

es verbleibt,<br />

hochachtungsvoll,<br />

Professor X<br />

p.s.: eine ausführlichere Betrachtung der Steampunk-Bewegung<br />

an sich — also nicht auf Literarisches<br />

beschränkt — findet sich beim Clockworker<br />

p.p.s.: Bei der Auswahl der Geschichten, die es<br />

letztlich in die STEAMPUNK-CHRONIKEN schaffen<br />

wird, halte ich es mit meinen Worten oben und setze<br />

keine strengen Regeln, um die Kreativität nicht einzuschränken<br />

(überrascht mich!). Es wäre aber schon<br />

angebracht, wenn es Versatzstücke aus den soeben<br />

genannten Punkten zumindest ansatzweise in die<br />

Stories schaffen könnten. Nach dem, was ich bislang<br />

an Geschichten oder Fragmenten erhalten habe<br />

mache ich mir da aber ehrlich gesagt gar keine<br />

Sorgen. :)<br />

Bild 1: Steampunk-Apparatur, Foto von Robin Stevens,<br />

CC-Lizenz<br />

Bild 2: Nautilus, Neuville 1868, aus 20000 LEAGUES<br />

UNDER THE SEA, gemeinfrei<br />

1) Zitat gnadenlos geklaut beim Clockworker<br />

© 2011 Stefan Holzhauer


Am 22.05.2011 wurde eine neues Projekt des PhantaNews.de-Machers Stefan Holzhauer<br />

gestartet.<br />

Bei diesem Projekt unter dem Namen DIE STEAMPUNK-CHRONIKEN geht es um Steampunk, um<br />

Literatur, um das Web, aber insbesondere auch um eBooks. Auf den folgenden Seiten findet Ihr<br />

alles Wissenswerte rund um dieses Projekt.<br />

Die Eckpunkte:<br />

� Es soll im Rahmen des Projektes eine Anthologie von Stories rund um das Thema<br />

„Steampunk“ heraus gebracht werden<br />

� Die Anthologie soll in Form eines eBooks erscheinen<br />

� Das eBook soll unter einer Creative Commons-Lizenz erscheinen<br />

Weitere Details findet der Interessierte auch in den mit Stefan Holzhauer auf verschiedenen Seiten<br />

im Web geführten Interviews, in denen Hinter– und Beweggründe beleuchtet werden:<br />

� Clockworker<br />

� Padlive<br />

� Zauberspiegel<br />

steampunk


Mission<br />

Das Projekt STEAMPUNK-CHRONIKEN ist ein Experiment<br />

— ein Experiment von dem ich derzeit noch<br />

nicht sagen kann, ob es erfolgreich werden wird. Aber<br />

das ist gerade das Spannende an Experimenten. Es<br />

geht um Autoren, um Leser, um Veröffentlichungen<br />

und um eBooks. Und selbstverständlich geht es auch<br />

um spannenden Lesestoff.<br />

Es heißt:<br />

Ich sage:<br />

� die “großen, etablierten” Verlage sagten:<br />

“Steampunk interessiert kein Schwein”<br />

� eBooks sind ungeliebt, teuer und mit DRM<br />

verseucht<br />

� Man muss bei einem Verlag unterkommen,<br />

um etwas veröffentlichen zu können.<br />

� ohne Copyright und DRM geht in Sachen<br />

eBooks gar nichts<br />

� Blödsinn!<br />

Ziel dieser Webseite ist es, eine Anthologie von<br />

Steampunk-Geschichten heraus zu bringen. Dies<br />

geschieht erst einmal ausschließlich als eBook, wenn<br />

später ein Verleger einsteigen möchte, um die<br />

STEAMPUNK-CHRONIKEN als Buch heraus zu bringen:<br />

gut. Wenn nicht: macht auch nichts. Und es gibt auch<br />

immer noch die “Option Lulu”…<br />

Die Geschichten werden<br />

gesammelt und gesichtet.<br />

Aus den Einsendungen<br />

wird eine Anzahl von<br />

Stories ausgewählt werden,<br />

als PDF und ePub<br />

(vielleicht auch .prc und<br />

.mobi) aufbereitet und<br />

zum Download angeboten.<br />

Wer die Geschichten<br />

herunter laden<br />

möchte, kann sofort<br />

oder nach dem Lesen<br />

steampunk<br />

Die Steampunk-Chroniken<br />

einen beliebigen von ihm oder ihr bestimmten<br />

Betrag auf ein PayPal– oder Moneybookers-Konto<br />

überweisen (mehr als ein Euro wäre prima, wegen<br />

der Gebühren…). Oder auf ein Bankkonto. Oder<br />

das lassen — es gibt keinen Zwang.<br />

Die eBooks werden NICHT mit DRM geschützt.<br />

DRM ist böse. DRM bestraft nur ehrliche Kunden.<br />

DRM kann ohnehin in Sekunden umgangen werden.<br />

Stattdessen werden die Nutzer sogar animiert,<br />

die Datei zu kopieren und weiter zu geben.<br />

Im Vorwort der STEAMPUNK-CHRONIKEN wird<br />

eine Erläuterung stehen — ähnlich wie die von<br />

Cory Doctorow im Vorwort seiner Bücher -, warum<br />

man sie weiter geben darf, sogar soll, und dass<br />

man etwas spenden darf, wenn sie gefallen. Und<br />

dass man sie dann weiterempfehlen soll — sprich:<br />

auch kopieren — mit dem Hinweis auf die Spende.<br />

Ich möchte die erste Ausgabe der STEAMPUNK-<br />

CHRONIKEN zudem in den deutschen AmazoneBook-Shop<br />

stellen. Ein weiteres hehres Ziel, von<br />

dem ich noch nicht weiß, ob es zu realisieren ist,<br />

wäre es, die Stories ins Englische zu übersetzen<br />

und eine Ausgabe in den US-Shop Amazons zu<br />

stellen sowie auf Smashwords zu publizieren. Aber<br />

das ist Zukunftsmusik. Erst einmal ist der deutschsprachige<br />

Markt angepeilt. Das eBook wird keinerlei<br />

ISBN erhalten, außerdem steht kein Verlag<br />

hinter der Veröffentlichung, damit es keine Probleme<br />

mit der Buchpreisbindung gibt.<br />

Ja, ich weiß, das kann fürchterlich ins Auge gehen<br />

(wenn kein Schwein zahlt), aber wer nicht wagt<br />

der nicht gewinnt. Vielleicht kann man auch ohne<br />

DRM-Zwang und Verlagsgebaren eBooks absetzen<br />

und vielleicht sogar ein wenig Geld dabei verdienen.<br />

Vielleicht können wir den großen Verlagen<br />

zeigen, wo es lang geht! Und wenn nicht, haben<br />

wir immer noch einen coolen Steampunk-Storyband<br />

heraus gebracht! Und niemand hatte irgendwelche<br />

riesigen finanziellen Verluste.<br />

Wenn wir ehrlich sind, handelt es sich auch erst<br />

einmal um eine reine Publicity-Maßnahme für die<br />

Autoren und für das Konzept. Die Chance, dass<br />

viele Personen das lesen, ist aufgrund der Heran


gehensweise erst einmal potentiell deutlich größer<br />

als bei einem teuren gedruckten Buch mit einer<br />

vergleichsweise niedrigen Auflage. Jeder Autor soll<br />

explizit nach seiner Geschichte mit einem Text vorgestellt<br />

werden, damit man genau weiß, wer geschrieben<br />

hat.<br />

Den Autoren die mitmachen kann ich kein Honorar<br />

versprechen, denn es weiß keiner, ob überhaupt<br />

irgendwann mal Geld erlöst wird. Die Autoren werden<br />

aber an einem einmaligen Experiment teilnehmen<br />

können und dadurch mindestens Publicity erhalten<br />

(unbekannt sein nützt niemandem). Sollte Geld erlöst<br />

werden, dann wird dieses selbstverständlich nach<br />

Abzug meiner Unkosten (ich kümmere mich beispielsweise<br />

um Publicity, Lektorat, Webseite, Layout und<br />

Umsetzung in eBooks — wobei vielleicht hie und da<br />

jemand hilft) nach einem Seitenschlüssel an die<br />

Autoren ausgeschüttet.<br />

Es wird die Frage<br />

kommen: “Gebe<br />

ich als Autor meine<br />

Urheberrechte auf,<br />

wenn das Anthologie-eBook<br />

ohne<br />

DRM verteilt werden<br />

kann?” Die<br />

Antwort ist sehr<br />

einfach: Selbstverständlich<br />

nicht! Die<br />

Inhalte der Anthologie<br />

dürfen ausschließlich<br />

privat<br />

kopiert und weiter<br />

gegeben werden. Kommerzielle Nutzung der Stories<br />

ist ausgeschlossen, wird dies gewünscht, muss ein<br />

potentieller Verwerter mit dem Autor verhandeln. Es<br />

werden mir vom Autor nicht ausschließliche Nutzungsrechte<br />

übertragen, um seine Story veröffentlichen<br />

zu können und zu dürfen. Wenn ihr die<br />

Geschichten auch noch anderswo verkaufen könnt:<br />

Prima! Nur seid bitte so fair: erst nach dem Erscheinen<br />

der ersten Ausgabe der STEAMPUNK-CHRO-<br />

NIKEN! Danke! :)<br />

steampunk<br />

Die Steampunk-Chroniken<br />

Angedacht habe ich eine Creative-Commons-Lizenz.<br />

Das hat insbesondere den Charme, dass eine<br />

Geschichte für rein private oder nichtkommerzielle<br />

Zwecke frei genutzt werden darf. Wenn also eine<br />

Schulklasse eine Story in ein Theaterstück<br />

umbauen möchte: darf sie! Wenn jemand eine<br />

Geschichte auf einem Geburtstag lesen möchte:<br />

darf er! Warum auch nicht? Mit der CC-Lizenz, die<br />

kommerzielle Verwertung ausschließt, gibt niemand<br />

seine Rechte auf — und will ein Verleger<br />

eine Geschichte (oder alle) verlegen, dann darf er<br />

das nach dem Aushandeln von Tantiemen selbstverständlich<br />

tun. Aber nicht ohne!<br />

Und ganz klar: Im Vordergrund steht erst einmal<br />

der Spaß am Schreiben, am Fabulieren, am Lesen<br />

und selbstverständlich am STEAMPUNK!<br />

Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass<br />

dieses Projekt in keiner Konkurrenz zu Kleinverlagen<br />

stehen soll. Das ist nicht einmal ansatzweise<br />

die Intention. Im Gegenteil bin ich sogar der<br />

Ansicht, dass hier Synergien entstehen könnten.<br />

Sollten noch Fragen offen sein (wovon ich ausgehe)<br />

dann stellt sie einfach hier in den Kommentaren,<br />

ich werde versuchen, sie zeitnah zu<br />

beantworten (und später eine FAQ-Seite einrichten).<br />

Aber bitte daran denken: ich habe neben<br />

diesem Projekt auch einen Broterwerb und<br />

betreibe zudem noch PhantaNews.de. :o)<br />

LASST UNS GESCHICHTE(N)<br />

SCHREIBEN!<br />

Bild “Zifferblatt” von Zyllan auf flickr, CC-Lizenz,<br />

Bild “Professor X” von mir


Ausschreibung<br />

Gesucht werden für den ersten “Band” der STEAM-<br />

PUNK-CHRONIKEN <strong>Kurzgeschichten</strong> aus dem Genre<br />

Steampunk. Der Themenschwerpunkt liegt auf<br />

Der Æther — Die letzte Grenze<br />

Es geht somit um Steampunk-<br />

Raumfahrt: schlanke Ætherschiffe<br />

mit Segeln die sich im<br />

solaren Wind blähen, Kolonien<br />

des Empire (und anderer) auf<br />

Venus und Mars, Æthernavigation,<br />

fremdartige Maschinen<br />

die den Raumflug erst<br />

ermöglichen, ehrenwerte<br />

Marsianer, Raumpiraten mit<br />

fauchenden Strahlenkanonen und vieles mehr.<br />

Die Themenbegrenzung ergibt sich daraus, dass im<br />

Erfolgsfalle eventuell noch weitere STEAMPUNK-<br />

CHRONIKEN erscheinen sollen und auch diese dann<br />

einem Themengebiet zugeordnet werden. Wir wollen<br />

nicht gleich alles Pulver verschießen… :)<br />

Die Texte sollten mindestens einen ersten Korrekturlauf<br />

hinter sich haben und grundlegende Qualitätsstandards<br />

erfüllen. Ihr müsst zwar noch nicht<br />

veröffentlicht haben, um Euren Text einzureichen,<br />

doch wünschen wir uns weder Rechtschreib– noch<br />

Tempora-Fehler. Ob alte oder neue Rechtschreibung<br />

oder eine Mischung aus beidem (“gemäßigte neue<br />

Rechtschreibung”) ist allerdings egal. Ausgeschlossen<br />

ist Fanfiktion: “Steampunk-STAR TREK” ist zwar<br />

attraktiv, aber aus rechtlichen Gründen leider nicht<br />

erlaubt. Weiterhin keine übermäßige Gewalt und<br />

keine Pornographie (wir reden hier über Steampunk,<br />

okay?).<br />

Teilnahmebedingungen:<br />

� Formale Vorgaben:<br />

Normseite (60 Anschläge mal 30 Zeilen), Schriftart:<br />

Times New Roman, Schriftgröße: 12 Pt., Zeilenabstand:<br />

1,5, maximal ca. 22.000 Zeichen inklusive<br />

Leerzeichen (Normseiten-Vorlagen für verschiedene<br />

steampunk<br />

Die Steampunk-Chroniken<br />

Textverarbeitungsprogramme finden sich beispielsweise<br />

auf literaturcafe.de — ja, die stimmen<br />

nicht genau mit meinen gerade genannten Vorgaben<br />

überein — ist schon okay… :o)<br />

� Jeder darf mitmachen<br />

� Jeder Teilnehmer darf bis zu zwei <strong>Kurzgeschichten</strong><br />

einreichen. Die Texte müssen<br />

noch unveröffentlicht sein (auch<br />

Internetpublikationen zählen hier als<br />

Veröffentlichung)<br />

� Texteinsendungen ausschließlich per<br />

eMail als .doc– (KEIN docx!), .rtf– oder<br />

odt-Datei an<br />

a u s s c h r e i b u n g [ a t ] s t e a m p u n k -<br />

chroniken[dot]de (bitte das (at) durch<br />

“@” und das [dot] durch “.” ersetzen)<br />

� Die Geschichten müssen in deutscher<br />

Sprache geschrieben sein<br />

� Die endgültig in der Anthologie vertretenen<br />

Geschichten werden durch mich<br />

und ggfs. weitere Personen ausgewählt.<br />

Bei einer Annahme wird der<br />

Autor per Mail benachrichtigt, bei einer<br />

Ablehnung gibt es ebenfalls eine Mail,<br />

aber keine Begründung<br />

� Mit der Teilnahme bestätigen die Autoren<br />

und Autorinnen, alleinige(r)<br />

Urheber(in) des/der gesendeten<br />

Werke(s) zu sein und darin keine<br />

Rechte Dritter zu verletzen. Die Teilnehmer<br />

geben ihr Einverständnis zur<br />

redaktionellen Bearbeitung, zu einer<br />

eventuellen Übersetzung, sowie zur<br />

Veröffentlichung der Beiträge und<br />

Leseproben und einer eventuellen<br />

Übersetzung in einer eBook-Anthologie<br />

sowie im Internet. Auch Lesungen<br />

unter Nennung der jeweiligen Verfassernamen<br />

sollen erlaubt sein.<br />

� Jeder Text sollte mit dem Namen<br />

des/der Autors/Autorin versehen sein


� Eine Auswahl der besten Beiträge soll in<br />

einer Anthologie gemäß der Informationen<br />

auf der “Mission”-Seite veröffentlicht<br />

werden. Erscheinen wird diese online als<br />

eBook im Eigenverlag. Geplant sind auch<br />

Lesungen im öffentlichen Rahmen, Termine<br />

werden noch bekannt gegeben<br />

� Der Rechtsweg ist ausgeschlossen<br />

Vorläufiger Einsendeschluss: 31.08.2011 (wird bei<br />

Bedarf verlängert, aber wirklich nur im Notfall)<br />

Jede/r veröffentlichte Autor/in erhält ein Freiexemplar<br />

als PDF oder ePub. Darüber hinaus wird kein<br />

Honorar gezahlt (siehe auch hierbei für weitere<br />

Informationen die Seite “Mission”).<br />

Mit Einreichung seiner Geschichte erklärt sich der<br />

Teilnehmer mit den Bedingungen dieser Ausschreibung<br />

und den ergänzenden Details auf der Seite<br />

“Mission” in allen Punkten einverstanden.<br />

Es besteht kein Recht auf Veröffentlichung. Kriterium<br />

für eine Veröffentlichung ist die Qualität des Textes<br />

steampunk<br />

Die Steampunk-Chroniken<br />

und die Auswahl der Jury.<br />

Dem Autor oder der Autorin entstehen durch die<br />

Teilnahme oder die Veröffentlichung keinerlei<br />

Kosten.<br />

Wenn noch Fragen offen sind, können diese in den<br />

Kommentaren gestellt werden, oder aber auch an<br />

die Emailadresse im Impressum.<br />

Bild von Urban Don auf flickr, CC-Lizenz<br />

Die Steampunk-Chroniken<br />

http://steampunk-chroniken.de<br />

sh@steampunk-chroniken.de<br />

© OnehandsLady


Benötigte Materialien:<br />

Draht (evtl. Reste)<br />

Zangen<br />

Holzspiesschen o.ä.<br />

FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />

von Tumana<br />

Klammern gehören für mich zum Steampunk. Ob<br />

nun als etwas brutales Détail in einer Maske oder<br />

als hübsches Accessoir an einem andern Werk ist<br />

egal - ich mag Klammern.<br />

Man kann sie prima aus Abfallstücken selber<br />

machen, die dunklen Klammern hier zum Beispiel<br />

am linken Auge sind verhunzte O'Wires vom Bind<br />

it All als ich mich beim Buchbinden mal total<br />

verhauen hab.<br />

Je nach dem wie dick das Fimo ist passen wir die<br />

länge der "Füsschen" einfach an.<br />

Erst mal ein Füsschen biegen, ich behelfe mit mit<br />

Rund- und Spitzzange:<br />

steampunk<br />

Nun das zweite Füsschen machen - genau gleich!<br />

Das lange Stück das jetzt noch dranhängt…<br />

...einfach abzwacken:


FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />

von Tumana<br />

Hat man verschieden dicke Fimoschichten - auf der<br />

einen Seite z.B. eine Schicht, auf der andern drei -<br />

macht man einfach die Füsschen verschieden lang:<br />

Die Klammer halte ich mit der Zange fest:<br />

Ich drücke sie nur so tief ins Steampunkstück wie<br />

nötig damit sie nicht grad rausfällt.<br />

Reindrücken tu ich sie mit einem absichtlich zerbrochenen<br />

Holzspiesschen; erst die so weit rausragenden<br />

Spriessen abzupfen, dann hat man ein<br />

Superwerkzeug für Steampunk!<br />

Reindrücken! Falls gewünscht kann man so gleich<br />

noch ein paar "Rostspuren" im Fimo hinterlassen.<br />

steampunk<br />

Reindrücken tu ich sie mit einem absichtlich zerbrochenen<br />

Holzspiesschen; erst die so weit rausragenden<br />

Spriessen abzupfen, dann hat man ein<br />

Superwerkzeug für Steampunk!<br />

Reindrücken! Falls gewünscht kann man so gleich<br />

noch ein paar "Rostspuren" im Fimo hinterlassen.


FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />

von Tumana<br />

Verschieden dicke Lagen tackern ist wirklich kein<br />

Problem mehr so:<br />

steampunk<br />

Hab ich schon erwähnt dass ich mein Sofa einfach<br />

liebe?<br />

Ich liebe mein Ateliersofa! Und nicht nur ich.<br />

Vorsicht, das erste Steampunkwerk führt oft zum zweiten und vierundfünfzigsten! Man beginnt sich hektisch<br />

im Haushalt umzuschauen was man alles versteampunken könnte und der Keller vom Nachbarn, der mit all<br />

diesem Gerümpel drin ist plötzlich seeeehr attraktiv!<br />

Also sieh Dich vor<br />

Liebe Grüsse,<br />

Eure Tumana<br />

© Nyala


steampunk<br />

Ein Aufruf von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />

Süddeutsche Steampunks, meldet euch!<br />

Am 8.Januar 2011 gab es das zweite Süddeutsche Mini-Treffen für Steampunks in<br />

Süddeutschland von dem ich weiß, diesmal in Augsburg. Erfreulicherweise habe ich erfahren,<br />

dass es noch einige “under cover” Steampunks zwischen Augsburg und München gibt. Also<br />

Leute, die sich für das Thema interessieren, aber noch nicht wirklich dazu gestoßen sind.<br />

Wir vier, klingt nicht schlecht, oder? Drei der vier waren allerdings meine Familie… Waren uns<br />

auf jeden Fall darüber einig, dass es an der Zeit ist, hier im sonnigen Süden aktiver zu werden.<br />

Also, aufruf an alle süddeutschen, österreichischen und schweizer Steampunks: Bitte meldet<br />

euch! Und wenn jemand dies liest, der Steampunks oder Interessenten aus Süddeutscheland<br />

kennt, bitte weiter sagen! Wir würden gerne ein Treffen organisieren, muss kein LARP sein,<br />

kann aber. Ich erkläre mich auch bereit, hier die Ferderführung zu übernehmen, muss dies<br />

aber nicht, wenn sich jeamdn anderer beflissen fühlt. Es geht jetzt nur mal darum, fest zu<br />

stellen, wie groß die Szene im Süden ist, wo wir uns genau befinden und was wir machen<br />

können. Ich weiß, dass Matthias (der Kopf hinter Steampunkwelten) Münchner ist und da gibt<br />

es auch noch mehr. Wir hatten ja schon mal ein Treffen im Victorian House am Viktualienmarkt.<br />

Ich hatte auch vor, das weiter zu organisieren, dann kam aber mal wieder alles anders und<br />

jetzt bin ich nicht mehr in München und obendrein Familienvater…<br />

Wie dem auch sei, nachdem es auch im sonnigen Süden der Republik immer mehr Steampunks<br />

gibt, schlage ich vor, wir treten mal in Kontakt, zum Austausch, Treffen etc.<br />

Ela hat den Vorschlag gemacht, in Montur in ein passendes Museum zu gehen o.ä. Mir schwebt<br />

auch ein entsprechender Kaffeehaus-Besuch vor oder man trifft sich mal zu einem<br />

ungezwungenen Kafee/Tee/Biwr irgendwo um die eigenen Interessen und Beweggründe<br />

darzulegen und zu sehen, wo man noch gemeinsam was machen könnte. In den USA und<br />

Großbritannien gibt es immer wieder große Steampunk Get-Togethers, es ist Zeit, dass wir<br />

auch mal was auf die Beine stellen. vielleicht finden wir uns auch zu einer bundesweiten<br />

Steampunk-Aktion.<br />

Aber jetzt erst mal: Süddeutsche, österreichische und schweizer Steampunks, bitte melden!<br />

Man erreicht mich am Besten per Æthermail unter webmaster@dailysteampunk.com


Und hier noch einige ausgewählte Links zu<br />

Steampunk-Seiten im Internet, auf denen ihr euch<br />

einen Eindruck über die Vielfältigkeit des Themas<br />

verschaffen könnt:<br />

Community:<br />

� The Daily Steampunk (dt.) http://www.dailysteampunk.de/<br />

� Clockworker (dt. aktuell die größte und älteste<br />

Steampunk-Seite) http://clockworker.de/cw/<br />

� Künstlerseite von Richard "Doc" Nagy (engl.)<br />

http://www.datamancer.net/<br />

� Daily Steampunk (engl.) http://dailysteampunk.com/<br />

� Steampunk Magazin (engl.)<br />

http://www.steampunkmagazine.com<br />

� Steamtown (dt.) http://www.steam-town.de/<br />

� The Steampunk Workshop (engl.)<br />

http://www.steampunkworkshop.com/<br />

� Steampunk Design (dt.) http://www.steampunkdesign.com<br />

� Feder&Schwert goes Steampunk http://www.federundschwert.com/index.php?option=com_content&view<br />

=article&id=173:steampunk&catid=51:news<br />

� Brass Goggles (engl.)<br />

http://brassgoggles.co.uk/blog/<br />

Musik:<br />

� Abney Park http://www.abneypark.com/<br />

� The Clockwork Quartet<br />

http://www.clockworkquartet.com/<br />

� the Dresden Dolls<br />

http://www.dresdendolls.com/home.html<br />

� the Tiger Lillies http://www.tigerlillies.com<br />

� The Clockwork Dolls<br />

http://www.theclockworkdolls.com/<br />

� Dr. Steel<br />

http://www.worlddominationtoys.com/drsteel/<br />

� The Men That Will Not Be Blamed For Nothing<br />

https://www.facebook.com/blamedfornothing<br />

� Sunday Driver http://www.sundaydriver.co.uk/<br />

� Unextraordinary Gentlemen<br />

http://www.unextraordinarygentlemen.com/<br />

� Vernian Process http://www.vernianprocess.com/<br />

Filme:<br />

� Sky Captain and the world of tomorrow<br />

http://www.skycaptain.com/<br />

steampunk<br />

Links<br />

� Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen<br />

http://www.imdb.de/title/tt0311429/<br />

� Prestige<br />

http://wwws.warnerbros.de/theprestige/landing.h<br />

tml<br />

� Vidocq http://www.imdb.de/title/tt0164961/<br />

� Wild Wild West<br />

http://wildwildwest.warnerbros.com<br />

� Steamboy http://www.steamboy.net/intro.shtml<br />

� Last Exile http://www.jvcmusic.co.jp/flyingdog/lastexile/top.html<br />

� Casshern http://www.imdb.de/title/tt0405821/<br />

Comics:<br />

� Girl Genius<br />

http://www.girlgeniusonline.com/comic.php<br />

� Dust http://www.theridecomic.com/dust.html<br />

� The League of Extraordinary Gentlemen<br />

http://www.comicimoc.de/comic/the_league_of_ex<br />

traordinary_gentlemen.html<br />

� Ignition City http://www.ignitioncity.com/<br />

� AETHERIC MECHANICS<br />

http://www.comicbookresources.com/?page=user_r<br />

eview&id=495<br />

� Steam Noir http://steamnoir.com/<br />

� Fee http://www.splitter-verlag.eu/fee.html<br />

� LADY MECHANIKA<br />

http://www.joebenitez.com/mechanika.htm<br />

Literatur:<br />

� Jules Verne http://www.jverne.de/verne_edit1.html<br />

� H. G. Wells http://www.phantastik-couch.de/h-gwells.html<br />

� 20 wichtige Bücher der Steampunk-Literatur (engl.)<br />

http://www.libraryjournal.com/article/CA6720180.h<br />

tml<br />

� George Mann’s - The Affinity Bridge (engl.)<br />

http://www.tor.com/blogs/2009/10/has-anybodyseen-the-bridge<br />

Und noch viele, viele Seiten mehr gibt es unter<br />

http://www.google.de/#hl=de&xhr=t&q=steampunk


Hans Zimmers RANGO chargiert wild(geworden)<br />

zwischen Ennio Morricone, Richard Wagner und<br />

Johann Strauss. Damit ist jedoch weniger der Film<br />

an sich, als die orchestrale Packungsbeilage gemeint<br />

– kurz, der Soundtrack. Denn was diese CD mit ihren<br />

zwanzig scores angeht, drängt sich bei näherer<br />

Betrachtung, oder vielmehr Anhörung förmlich die<br />

Frage auf, was das denn nun sei: Grober Diebstahl<br />

geistigen Eigentums, oder vielleicht doch „nur“ eine<br />

liebgemeinte Referenz, quasi eine lobhudelnde<br />

Hommage an die alten Meister? Der Versuch einer<br />

Antwort fördert höchst Unerfreuliches zutage. Ein<br />

bislang wenig beachteter Konfliktherd schwellt hier<br />

munter vor sich hin.<br />

Ganz allgemein nimmt es ja kaum ein Komponist<br />

aus Hollywood mit der Originalität so genau (Anm.:<br />

John Williams, Bill Conti, James Horner, … ). Bei Tyler Bates<br />

gab es diesbezüglich schon massiven Ärger. Hat der<br />

doch schon unverschämterweise „seinen“ vierten<br />

track aus 300 (Regie: Zack Snyder, USA 2007) von<br />

Elliot Goldenthal geklaut – aus dem O. S. T. der<br />

Shakespeare-Verfilmung TITUS (Regie: Julie Taymor,<br />

USA/I 1999). Ihr werdet euren Ohren nicht trauen!<br />

Returns a King ist eine nahezu deckungsgleiche<br />

Version von Victorious Titus. Hans Zimmer geht bei<br />

seinen Plagiats-Kompositionen zwar ungleich versierter<br />

und geschickter vor, doch gleichwohl ebenso<br />

ungeniert, wenn nicht sogar meilenweit unverfrorener<br />

zu Werke. Der gebürtige Frankfurter kupferte<br />

in der Vergangenheit doch vornehmlich bei sich selbst<br />

ab! (Anm.: Oder etwa noch nicht aufgefallen, dass sich die<br />

O.S.T.´s von BACKDRAFT und THE ROCK zum Verwechseln<br />

ähneln? Und das ist nur die Spitze des Eisbergs …) Doch<br />

mittlerweile wird er immer (toll)dreister!!<br />

FLUCH DER KARIBIK 3 (PIRATES OF THE CARIBBEAN:<br />

AT WORLD’S END. Regie: Gore Verbinski, USA 2007)<br />

bedient sich beispielsweise schon in gewissen Teilen<br />

äußerst ausgiebig beim Spaghettiwestern-Œuvre von<br />

Ennio Morricone (Anm.: Zu Fluch der Karibik 4 soll hier<br />

geschwiegen werden …). Und die Ouvertüre zu KUNG FU<br />

PANDA (Regie: Mark Osborne/John Stevenson, USA<br />

2008) mit dem Namen Hero weist frappierende<br />

artikel<br />

Nah(end)er O.S.T. – Konflikt:<br />

Melodien von und für Millionen?<br />

Ähnlichkeiten zu Battle Without Honor or Humanity<br />

von Tomoyasu Hotei auf, einem energiegeladenen<br />

Soundstück, dass wir noch aus KILL BILL: VOL. 1<br />

(Regie: Quentin Tarantino, USA 2003) in guter Erinnerung<br />

haben und womit wir augenblicklich Uma<br />

Thurman als rächende Braut im gelben Bruce-Lee-<br />

Gedächtnis-Outfit assoziieren. Also nach dem Mann<br />

und der Frau mit der Todeskralle nun auch ein fetter<br />

Panda mit einer solchen, das will uns zumindest die<br />

musikalische Untermalung suggerieren. Und nun?<br />

Nun treibt es Hans Zimmer allerdings bei den<br />

Klangfarben seines Chamäleons RANGO (R: Gore<br />

Verbinski, USA 2011) zu bunt. Ein regelrechtes Leipziger<br />

Allerlei von verschiedensten Partituren hängen<br />

an diesem singenden, klingenden O. S. T. - Bäumchen.<br />

Ganz explizit geht es mir jedoch um den Track<br />

Nummero 12, namens Bats. Das Stück beginnt mit<br />

einer klampfigen Hillbilly-Version des Walkürenritts<br />

von Richard Wagner, hier und da unterlegt von<br />

jaulenden Mundharmonikaklängen, wie sie schon<br />

Charles Bronson in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD<br />

(Regie: Sergio Leone, USA 1968) getrötet hat. Dann<br />

leiten ein paar schmissige Bläserattacken, wie wir das<br />

aus dem Soundtrack von FLUCH DER KARIBIK<br />

gewohnt sind (Anm.: Für den im Grunde damals auch eher<br />

Klaus Badelt verantwortlich war …) über zum anheimelnden<br />

Donauwalzer von Johann Strauß. Der wird dann aber<br />

abrupt durch ein paar rasche Klangfolgen abgebrochen,<br />

bei denen ein jeder unwillkürlich He´s a pirate<br />

denken muss. Anschließend wird das main theme von<br />

RANGO angespielt – oder sollte man es als ausgespielt<br />

bezeichnen? – bevor der frenetische Einsatz von<br />

dröhnenden Trompeten so ziemlich alles überdeckt.<br />

Jetzt könnte freilich der Einwand erhoben werden,<br />

dass ‚Diebstahl geistigen Eigentums’ in der Welt der<br />

Musik gang und gebe ist, also allerhöchstens ein<br />

Kavaliersdelikt. Franz Liszt hat früher auch schon<br />

Partituren aus Opern von Verdi fürs Klavier umgeschrieben<br />

und damit die Salonmusik des 19ten Jahrhunderts<br />

quasi erfunden (Wohl deswegen gilt er bis<br />

heute als einer der produktivsten Komponisten seiner<br />

Zeit) Musikologisch gesehen geht das wohl als Cover


version‚ Remix, oder Sampling in Ordnung. Da freut<br />

sich doch die GEMA! Das neue Arrangieren und<br />

geringfügige Variieren bereits bekannter Tonabfolgen<br />

hat im Bereich der Musik also eine lange Tradition.<br />

Länger, als das Prinzip des Remakes, oder Reimaginings<br />

im Film. Man denke in jüngerer Vergangenheit<br />

dabei nur an Joe Cocker, der seinen Durchbruch<br />

letztendlich nur with a little help from his friends John<br />

Lennon und Paul McCartney geschafft hat, welche<br />

ihrerseits wiederum zu Anfang mit Chuck Berrys Hilfe<br />

rund um die Uhr gerockt sind. Oder wer hätte denn<br />

gewusst, dass Sinead O´Connors Nothing compares<br />

to U ursprünglich von Prince stammt, oder Janis<br />

Joplins Me and Bobby McGee von Kris Kristofferson?<br />

Peter, Paul and Mary bliesen zudem ungleich erfolgreicher<br />

in den Wind, als Bob Dylan.<br />

Im Bereich der Bewegten Bilder sei hier noch der<br />

O.S.T von MICMACS À TIRE-LARIGOT (R: Jean-Pierre<br />

Jeunet, F 2009) erwähnt. Dieser wurde von Klangbildhauer<br />

Raphaël Beau<br />

gestaltet – mithilfe alter O. S. T.´s von Max Steiner.<br />

So ist es auch zu erklären, dass der Film in Nuancen<br />

verdächtig nach CASABLANCA (R: Michael Curtiz, USA<br />

1942), oder VOM WINDE VERWEHT (R: Victor Fleming,<br />

USA 1939) klingt. (Anm.:<br />

http://www.bbc.co.uk/music/reviews/4nvh) Ergo: Plagiate<br />

wohin das Ohr auch reicht. Und wir sind es ja mittlerweile<br />

schon gewohnt, dass Western-Szenarien mit<br />

Klängen unterlegt werden, wie sie bereits in den<br />

1960er Jahren Ennio Morricone mit Filmen wie der<br />

‚Dollar-Trilogie’ eingeführt hat. Eine blechern scheppernde<br />

Trompete, wie das damals bei EINE HAND-<br />

VOLL DOLLAR (R: Sergio Leone, I/S/D 1964) der Fall<br />

war. Harte Klänge einer nicht unbedingt einwandfrei<br />

gestimmten Gitarre wie sie ein El Mariachi durch die<br />

endlosen Weiten der Prärie mit sich in einem Koffer<br />

spazieren trägt. Dazu die klagende Arie einer hochgeschraubten<br />

Sopranistin, die über The Ecstasy of Gold<br />

singt. Ferner ein klimperndes Klavier, wie es gefälligst<br />

in jedem verstaubten, abgewrackten Saloon im<br />

Wilden Westen zu stehen hat …<br />

Nah(end)er O.S.T. – Konflikt:<br />

Melodien von und für Millionen?<br />

Selbstverständlich sollen bei den Bats von Hans<br />

Zimmer keine Assoziationen zu Wagners Nibelungenring<br />

aufgebaut werden, auch nicht zum Donauwalzer<br />

und allem, wofür er ideologisch in der Alten Welt<br />

steht. Viel mehr haben wir es hier mit einem augenzwinkernden<br />

Fingerzeig (Anm.: Sofern dies anatomisch<br />

überhaupt möglich ist …) auf die überaus einprägsame<br />

und deswegen auch mittlerweile allerseits tief eingeprägte<br />

Sequenz des Hubschrauberangriffes aus APO-<br />

CALYPSE NOW (R: Francis Ford Coppola, USA 1979)<br />

zu tun – ferner auf den trägen Tanz der zirkulierenden<br />

Raumstation aus 2001 – A SPACE ODYSSEE (R: Stanley<br />

Kubrick, USA 1969). Ein Wink mit dem Zaunpfahl in<br />

Form des Taktstockes des Dirigenten Hans Zimmers.<br />

So gesehen ist also der Tatbestand eines Verbrechens<br />

nicht erfüllt. Antrag auf Einstellung dieses Verfahrens<br />

hiermit stattgegeben. Hans Zimmer wird demzufolge<br />

nicht ins Gefängnis rock house jail (Anm.: Der Name eines<br />

scores aus The Rock (R: Michael Bay, USA 1996)) müssen.<br />

Doch ist es, auch wenn es legal ist, damit automatisch<br />

auch legitim?<br />

Es soll jetzt im Wendekreis von ‚Coversionen’ keine<br />

Pejoration betrieben werden, doch mutet es höchst<br />

befremdlich an, nur noch die Kopien von Kopien von<br />

Kopien der Kopien zu hören. Mit größter Vorsicht zu<br />

genießen ist unter solchen Umständen der (Aus)Blick<br />

in die Zukunft. Was wäre denn, wenn es in diesem<br />

Stil heiter weiterginge? Wenn Referenzen und Hommagen<br />

nur noch Inspirationslosigkeiten kaschieren<br />

würden? (Anm.: Was sie mit größter Wahrscheinlichkeit jetzt<br />

schon tun, allerdings (noch) adäquat verkauft werden können.)<br />

Die Medienbetriebe sich fortwährend selbst zitieren,<br />

hommagieren, reflektieren, referenzieren, kurz und<br />

freundlich formuliert, recyceln? Und sich damit letztendlich<br />

zu Nullmedien degradieren? Dann wäre folglich<br />

ein Zustand erreicht, in dem Melodien für<br />

Millionen auch von Millionen sind, was eher paradox<br />

als basisdemokratisch anmutet und darüber hinaus<br />

den Absoluten Nullpunkt in Kunst und Kultur, geradezu<br />

einen Rasenden Stillstand markiert, auf den wir<br />

alle offenbar unweigerlich zutreiben. Bleibt zu hoffen,<br />

dass dem nicht so sein wird.<br />

© 2011 Markus Kügle<br />

artikel


The New Dead<br />

A Zombie Anthology<br />

By Christopher Golden<br />

ISBN-13: 978-0312559717<br />

Egal, wie die wandelnden Toten bezeichnet<br />

werden - ob Beisser, Reanimierte oder einfach nur<br />

althergebracht, aber immer noch bewährt, Zombies:<br />

In diesem Band stehen sie im Mittelpunkt. Teils<br />

laufen, schlurfen, wanken oder kriechen sie. Teils<br />

sind sie bestialisch, philosophisch oder melancholisch.<br />

Allerdings haben sie eines alle gemeinsam: Sie<br />

sind seit den Zeiten der ersten Romero-Filme hinaus<br />

immer beliebter geworden und fassen - endlich -<br />

auch in Deutschland in anderen Medien immer<br />

weiter Fuß, wie z.B. in Büchern (besonders zu<br />

empfehlen: „Der Zombie Survival Guide“) und<br />

Comics („The Walking Dead“). „The New Dead“ zeigt<br />

eine breite Vielfalt der Untoten mit unterschiedlichen<br />

Motiven, Darstellungen und Interpretationen<br />

der Autoren.<br />

Die Anthologie beginnt mit „Lazarus“, eine<br />

Geschichte, die die berühmte Bibelpassage in einem<br />

etwas anderen Licht erzählt. Ist es wirklich ein<br />

Segen, die Toten aus ihren Gräbern zu rufen? In<br />

diesem Fall wohl nicht. Der Autor John Connolly<br />

rezension<br />

The New Dead<br />

schildert die Ereignisse und Gedanken des Wiederauferstandenen<br />

sehr stimmungsvoll. Als Leser empfindet<br />

man viel Mitgefühl für die Hauptfigur; die traurige<br />

Atmosphäre lässt Einen nicht los.<br />

Skrupellos und abartig sind passende Eigenschaftswörter<br />

für die nächste Short Story: „Maisie“. Hier<br />

erinnern sich die so genannten Reanimierten lediglich<br />

an Bruchstücke ihres alten Lebens, doch auch nur dann,<br />

wenn sie sexuell missbraucht oder ihnen Schmerzen<br />

zugefügt werden. Walter ist eines Nachts betrunken<br />

Auto gefahren und hat eine junge Studentin überfahren.<br />

Er begeht Fahrerflucht. Einige Zeit später trifft er<br />

sie in einem fragwürdigen Club, in dem die untoten<br />

Ladies als Kellnerinnen und anderes auftreten … Die<br />

Sprache und Beschreibungen in diesem Werk sind noch<br />

nicht einmal das Schlimmste. Aber allein schon die<br />

Ideen, die in dieser Kurzgeschichte thematisiert<br />

werden, reichen schon aus, dass einem übel wird. Ein<br />

starker Magen ist hier Voraussetzung!<br />

Nach dem 11. September haben sich viele junge<br />

Männer zum Dienst gemeldet; sie haben sich bereit<br />

erklärt für ihr Land zu kämpfen und Soldat zu werden.<br />

Die Zeiten haben sich allerdings geändert. Der Opfer<br />

gibt es etliche und viele Häuser stehen in den USA leer.<br />

Diebesbanden machen gute Geschäfte, in dem sie die<br />

Behausungen ausrauben. Copper ist ein Veteran, der<br />

seine Heimat gut kennt. Geduldig warten die untoten<br />

Greenhorns auf ihren neu erkorenen Anführer. Schließlich<br />

gilt es mit Strategien und Plänen, die nur ein<br />

erfahrener Kommandant schmieden kann, das einzufordern,<br />

was ihnen ihr Land angetan hat. „Copper“ hat<br />

einen bemerkenswerten Stil: Es findet sich fast ausschließlich<br />

ein parataktischer Satzbau. Subjekt, Prädikat,<br />

Objekt. Manchmal auch nur ein Wort. Außerdem<br />

tauchen viele Wiederholungen auf und Beginn mag<br />

man sich darüber ärgern und nicht damit zurechtkommen.<br />

Später erkennt man jedoch wie passend der<br />

Schreibstil für diese Geschichte ist und wie genial es in<br />

Szene gesetzt wird. Eine sehr außergewöhnliche und<br />

zugleich interessante Erzählung.<br />

Nach diesen drei einprägsamen Geschichten folgen<br />

weitere, die für das Genre charakteristisch, aber auch<br />

ein wenig reizlos sind. In „Im Staub“ wird eine kleine


Gruppe Menschen in einem isolierten Gebiet vom<br />

Militär gefangen gehalten, da eine mysteriöse<br />

Seuche ausgebrochen ist. In diesem Endzeitszenario<br />

wirkt das Militär bedrohlich und übermächtig, bis<br />

es irgendwann letztendlich auch betroffen ist. „Zum<br />

Leben verurteilt“ hält keine Überraschungen bereit<br />

und ist auch zu klischeehaft: Der reiche Mistkerl, die<br />

attraktive, aber kühle Assistentin und das fade Ende.<br />

Die achte und auch etwas längere Kurzgeschichte<br />

„Familienbetrieb“ ist dann wieder sehr unterhaltend,<br />

insbesondere die genannten Berufe, die in<br />

einer von Zombies bevölkerten Welt wichtig sind,<br />

beispielsweise: Zaunprüfer, Späher, Schutzjackenverkäufer,<br />

aber auch so etwas wie Ascheabsauger,<br />

Grubendurchstöberer, Erosionskünstler (Es werden<br />

Fotos von verstorbenen Fotos genommen und der<br />

Künstler zombifiziert diese, damit die Jäger es leichter<br />

bei ihren Streifzügen haben) und Abfüller (Diaminopentan<br />

wird aus Zombiefleisch gepresst. Das<br />

gewonnene Öl setzen Jäger bei ihrer Jagd ein, um<br />

nicht sofort von den Untoten erkannt zu werden).<br />

Es sind ein paar sehr kreative Elemente dabei, die<br />

die Geschichte lesenswert machen, leider hapert es<br />

bei den Charakterdarstellungen. Auch hier ist das<br />

Ende voraussehbar.<br />

Der Autor von „Der Zombie der vom Himmel fiel“<br />

versucht Humor in seine Erzählung zu bringen, was<br />

ihm aber gründlich misslingt. Die Gedichte und die<br />

Fußnoten sind völlig fehl am Platz.<br />

„Dritter Frühling“ ist insoweit für Zombie-Fans<br />

ansprechend, da sich ein ziemlich abgebrühter<br />

Börsenmakler freiwillig dazu entschließt zum<br />

Untoten zu werden, damit er ohne die lästigen<br />

Probleme des Lebens, wie Herzinfarkte, von denen<br />

er bereits schon zwei an der Zahl hatte, Essen und<br />

Trinken etc. ungehindert seinen Geschäften nachgehen<br />

kann. Interessant: Die verschiedensten Verwesungsstadien<br />

und Gegenmaßnahmen werden aus<br />

der Sicht der Hauptfigur beschrieben.<br />

Eine fast perfekte Geschichte, bei der es um einen<br />

Zombie geht, der seit Jahrzenten unter Wasser<br />

gekettet ist und nun von einem Taucher gefunden<br />

The New Dead<br />

wird, ist „Geisterreuse“. Mit dem Kontakt des<br />

Geschöpfes wird eine Seuche in die Welt gebracht, die<br />

die Menschheit vernichten könnte. Hätte man sich hier<br />

den letzten Satz gespart, gäbe es keine Abstriche in der<br />

Bewertung.<br />

Nightingale beschäftigt sich in „Sturmtür“ mit dem<br />

Paranormalen. Als er seinem kranken Onkel einen<br />

Besuch abstattet, berichtet er über seine jüngsten<br />

Untersuchungen. Er hegt die Vermutung, dass sich<br />

bösartige Hungergeister in die stoffliche Welt manifestieren<br />

und so Kontrolle über die Verstorbenen übernehmen<br />

können. Schließlich bemerkt er, dass etwas<br />

mit seinem Onkel nicht stimmt … Keine klassische<br />

Zombiegeschichte, aber eine mit paranormalen<br />

Akzenten. Und diese tun der Anthologie gut, bringen<br />

sie doch etwas frischen Wind auf, besonders im letzten<br />

Drittel des Buches. Ein Lob an Tad Williams, der exotische<br />

Kulturen und deren Anschauungen wie z.B. das<br />

Bardo Thödröl - das tibetische Totenbuch - auf wenigen<br />

Seiten so interessant und informativ beschreibt.<br />

Neben „Copper“ ist „Twittern aus dem Zirkus der<br />

Toten“ von Joe Hill, bemessen an dem Schreibstil,<br />

ebenfalls eine außergewöhnliche Story. Wie der Titel<br />

vermuten lässt, ist der gesamte Inhalt in Form von<br />

kurzen Textnachrichten verfasst. Eine Art Leseprobe<br />

lässt sich tatsächlich auch online finden unter<br />

http://twitter.com/#!/TYME2WASTE<br />

Nicht umsonst gebührt Hill die Ehre der letzten<br />

Erzählung, rundet sie doch die Anthologie sehr schön<br />

ab.<br />

Fazit:<br />

Zombievielfalt ohne Ende: Untote und ihre verschiedenen<br />

Darstellungen finden sich in „The New Dead“.<br />

Bei den meisten der <strong>Kurzgeschichten</strong> gibt es zwar kein<br />

überraschendes Ende, aber das ist bei diesem Genre<br />

ganz gut zu verkraften. Unterm Strich sind viele der<br />

Geschichten spannend geschrieben und bestens geeignet<br />

für kurzweilige Unterhaltung.<br />

© 2011 Wassilios Dimtsos<br />

rezension


DIE SCHÖPFERIN DES<br />

TRÄUMENDEN UNIVERSUMS<br />

- Erfolgsautorin Uschi Zetsch.<br />

Natürlich ist USCHI ZIETSCH den Fantasylesern<br />

längst keine Unbekannte mehr, dennoch möchte<br />

ich über das Allroundtalent (Autorin, Velergerin,<br />

Dozentin) einige Worte verlieren: 1961 geboren<br />

absolvierte Uschi Zietsch das Abitur in München und<br />

studierte Jura, Politik, Theaterwissenschaft und<br />

Geschichte.<br />

Ihr erster Roman „Sternwolke und Eiszauber“<br />

erschien bereits 1986 im Heyne-Verlag. Kurz darauf<br />

gründete sie ihren eigenen Verlag: Fabylon.<br />

In den Folgejahren schrieb sie, teilweise unter ihrem<br />

Pseudonym „Susan Schwartz“, etliche Romane für<br />

Serien wie DSA, SunQuest, Elfenzeit und für TV-<br />

Serien, darüber hinaus viele Dutzend<br />

Heftromane/Titel für die Serien Perry-Rhodan,<br />

Atlan, Maddrax und Bad Earth.<br />

Im Jahre 2008 errang Uschi Zietsch mit ihrer Story<br />

"Aische" den 1. Platz des Literaturpreis Amnesty<br />

International »Menschenrechte«.<br />

Doch sie macht nicht nur als Schriftstellerin von sich<br />

reden, sie gibt auch Schreibseminare für angehende<br />

Autoren in Österreich und Deutschland und verlegt<br />

nicht nur textlich herausragende, sondern auch<br />

optisch sehr ansprechende Bücher bei Fabylon.<br />

Eine Allrounderin in der Literaturszene.<br />

Aktuell ist sie u.a. mit Romanen, die im „Träumenden<br />

Universum“ beheimatet und bei Bastei<br />

Lübbe erschienen sind, auf dem Markt.<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

NAURAKA - Volk der<br />

Tiefe<br />

Taschenbuch<br />

493 Seiten<br />

15.00 EUR<br />

ISBN:978-3-404-28534-1<br />

Oktober 2009<br />

Sie atmen Wasser und<br />

wandeln auch auf der<br />

Erde. Sie haben Fähigkeiten,<br />

die die eines<br />

gewöhnlichen Sterblichen<br />

bei weitem überschreiten.<br />

Sie sind die Nauraka, und sie leben auf<br />

Waldsee, einer Welt voller mystischer und absonderlicher<br />

Wesen und Dämonen. Erenwin ist einer von<br />

ihnen.<br />

Eines Tages findet Erenwin auf dem Meeresgrund<br />

einen alten Gegenstand: eine seltsame Perle. Plötzlich<br />

hört er merkwürdige Stimmen, und dann taucht<br />

vor ihm ein Geschöpf aus den dunklen Fluten auf,<br />

ein Geschöpf, wie es die Nauraka noch nie zuvor<br />

gesehen haben …<br />

LESEPROBE<br />

15. Die Traurige Festung<br />

portrait<br />

Erenwin hasste Laoren mit jeder Faser seines Seins.<br />

Der Alte war ein launischer Nörgler, der ihn den<br />

ganzen Tag schikanierte, oft betrunken und meistens<br />

von seinen Kräutern berauscht war. Von<br />

welchem Volk er stammte, fand der Nauraka nicht<br />

heraus, doch Laoren verstand sich immerhin so weit<br />

auf Magie, dass er seinen »Gast«, wie er Erenwin<br />

ab und zu höhnisch bezeichnete, unter Kontrolle<br />

hielt.<br />

Es gab stets viel zu erledigen, wenngleich Erenwin<br />

den Sinn dahinter nicht immer ergründen konnte.<br />

Aber er hatte keine Wahl. Er konnte sich nicht<br />

einmal einen Schritt zu weit von dem Alten entfernen,<br />

ohne dass er bitter dafür büßen musste. Jedes


Mal fiel die Strafe anders aus; manchmal fuhr ein<br />

Blitz auf ihn herab, der ihn wie einen Baum fällte<br />

und ohnmächtig werden ließ, und danach war ihm<br />

oft noch tagelang übel, und wenn er Wasser trank,<br />

wurde er von einem Schlag getroffen, der ihn<br />

zusammenbrechen ließ. Manchmal versanken seine<br />

Füße im Sand, und er steckte darin fest, ohne sich<br />

befreien zu können, der erbarmungslosen Sonne<br />

ausgesetzt, bis er ohnmächtig wurde. Sogar Schläge<br />

von unsichtbarer Hand, wie von einer Keule, hatte<br />

er empfangen, bis sein Körper von Blutergüssen<br />

angeschwollen und verfärbt war und er sich kaum<br />

noch rühren konnte.<br />

Am schlimmsten war es, wenn Laoren einen besonders<br />

unkontrollierten Wutausbruch bekam und den<br />

jungen Mann in eine Grube warf, die unter dem<br />

Sand verborgen lag, gleich neben dem Brunnen. Er<br />

schaufelte Bretter frei, schob sie beiseite und zwang<br />

Erenwin, in den feuchtkalten Schacht zu steigen, in<br />

dem so wenig Platz war, dass er sich mit eng<br />

angezogenen Beinen hinkauern musste. Dann legte<br />

Laoren die Bretter über die Grube und schaufelte<br />

wieder Sand darüber. Manchmal verbrachte<br />

Erenwin Tage darin, bis der Alte sich endlich wieder<br />

an ihn zu erinnern schien und ihn herausließ.<br />

Jede Nacht kettete er Erenwin an seinem Lager an,<br />

und auch tagsüber, wenn Laoren ans Meer ging, um<br />

Strandgut zu sammeln.<br />

Erenwin litt unter der trockenen Hitze, wenn er<br />

draußen arbeiten musste, und unter der muffigen<br />

Dunkelheit in der Hütte. Nahrung bekam er gerade<br />

so viel, dass er bei Kräften blieb, doch er litt nicht<br />

selten Hunger und vor allem Durst.<br />

Und er konnte nicht entkommen. Der Alte hatte<br />

sein Pendel immer griffbereit und erneuerte den<br />

Bann, sobald er anfing, sich zu lösen. Erenwin hatte<br />

allerlei Tricks versucht, um ihn zu täuschen, doch<br />

Laoren merkte es sofort und zog hämisch grinsend<br />

das Medaillon hervor.<br />

»Willst du mich bis ans Ende deiner Tage als Sklaven<br />

halten?«, fragte Erenwin nicht zum ersten Mal, als<br />

er wieder einmal aus der Grube stieg. Diesmal hatte<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Laoren ihn darin verborgen, weil Händler vorbeigekommen<br />

waren, um Strandgut, Kräuter und Salben<br />

zu kaufen, und allerlei Dinge zur Beschwörung.<br />

Laoren wollte nicht, dass jemand von seiner Anwesenheit<br />

erfuhr. Bemerkbar machen konnte Erenwin<br />

sich nicht, weil der Alte ihn geknebelt und gefesselt<br />

hatte.<br />

»Ich finde das sehr praktisch«, kicherte Laoren<br />

boshaft. »So viel Spaß hatte ich schon lange nicht<br />

mehr. Außerdem habe ich jemanden zur Unterhaltung.<br />

Und für dich ist es eine gute Lehre, Prinzenbürschlein,<br />

Bescheidenheit zu lernen.«<br />

Laoren war nicht immer grausam; vor allem beim<br />

gemeinsamen Abendessen konnte er durchaus<br />

umgänglich sein und zeigte sich als Gelehrter mit<br />

viel Wissen, das er bereitwillig preisgab, und das<br />

Erenwin begierig in sich aufsog.<br />

»Laoren«, sagte er in solch friedlichen Momenten,<br />

»bitte lass mich frei. Du weißt, dass ich meine<br />

Schwester suchen muss. Wenn du mich auf ewig<br />

daran hinderst, wird es dich das Leben kosten, denn<br />

ich stehe unter einem Bann. Der Fluch wird auch<br />

dich treffen, sollte ich meine Verpflichtung nicht<br />

erfüllen können.«<br />

»Was verstehst du denn von diesen Dingen?«,<br />

erwiderte der Alte verächtlich.<br />

»Genug um zu wissen, dass es so ist. Ich werde<br />

freikommen, aber du wirst bezahlen. Je länger du<br />

mich hier behältst, umso schlimmer wird es dich<br />

treffen.«<br />

»Darauf lasse ich es ankommen.«<br />

Erenwin sagte nichts mehr, doch er fühlte die<br />

Dunkelheit in sich wachsen, und das wütende Flüstern<br />

der Schwarzen Perle.<br />

Wie lange er nun schon hier war, vermochte er<br />

nicht zu sagen. Die Jahreszeiten, von denen Laoren<br />

erzählt hatte, waren hier im Süden des Landes<br />

Nerovia kaum zu bemerken. Ab und zu wurde es ein<br />

bisschen angenehmer, wenn die Sonne schräger als


sonst am Himmel stand, die Tage kürzer wurden und<br />

ein kühler Wind vom Meer her blies.<br />

Für Erenwin veränderte sich dabei nicht viel, außer,<br />

dass er mehr Schlaf bekam und Laoren öfter im<br />

Rausch dahindämmerte. Doch die Arbeit blieb dieselbe,<br />

und der tägliche Rhythmus auch. Ab und zu<br />

kamen Händler, und nie gelang es Erenwin, sie auf<br />

sich aufmerksam zu machen.<br />

Seine Sinne wären längst abgestumpft, wäre da<br />

nicht das fordernde Flüstern in ihm gewesen, und<br />

das Bewusstsein der Schuld, weil er Lurdèa im Stich<br />

gelassen hatte. Immerhin hatte die Sehnsucht nach<br />

dem Meer endlich nachgelassen; seine Seele hatte<br />

wohl erkannt und akzeptiert, dass es kein Zurück<br />

mehr gab. Zumindest nicht, bis er seine Schwester<br />

gefunden hatte. Wenn er denn je die Suche nach ihr<br />

fortsetzen konnte.<br />

Doch nachdem immer mehr Zeit verging, sah er ein,<br />

dass er keine Möglichkeit mehr hatte, jemals ihre<br />

Spur zu finden. Dann war das eben das Schicksal<br />

seines Lebens, er konnte es nicht ändern. Der Fluch<br />

seines Vaters zwang ihn zu suchen, selbst wenn<br />

Lurdèa gar nicht mehr am Leben sein sollte – oder<br />

sogar den Weg nach Hause schon gefunden hatte.<br />

Jeden Tag entwarf Erenwin einen neuen Plan für<br />

seine Flucht, und jeden Tag vereitelte Laoren ihn.<br />

Es war ein immerwährender Wettkampf zwischen<br />

ihnen. Der Alte durfte niemals in seiner Aufmerksamkeit<br />

nachlassen, und der Nauraka würde<br />

niemals aufhören, ihn herauszufordern.<br />

Erenwins Körper hatte sich durch die harte Arbeit<br />

gut an das Landleben angepasst, seine Muskeln<br />

waren prächtig entwickelt, und er war geschmeidig<br />

und schnell. Sobald er Gelegenheit dazu hatte, übte<br />

er heimlich mit einem Stock den Schwertkampf und<br />

hielt seinen Körper geschmeidig. An die Truhe mit<br />

seiner Kleidung und Lurions Schwert kam er nie<br />

heran, so oft er es auch versuchte. Allerdings verkaufte<br />

Laoren die Sachen auch nicht, obwohl er sonst<br />

so geldgierig war und schon eine Menge gehortet<br />

hatte, wofür auch immer, denn er gab nie etwas<br />

davon aus.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

»Solange ich deinen Besitz habe, besitze ich dich«,<br />

gackerte der Alte, als Erenwin wieder einmal unter<br />

den Folgen eines fehlgeschlagenen Versuchs zu<br />

leiden hatte.<br />

»Ich werde nie aufgeben, und du wirst bezahlen«,<br />

knurrte Erenwin. »Für jeden einzelnen Tag, den ich<br />

hier verbringen muss. Dein Ende ist schon nah, alter<br />

Mann.«<br />

Dreihundert Mann zogen durch das Reich Morang<br />

und trieben die Steuern ein. Wer nicht zahlen<br />

konnte, wurde zum Frondienst gepresst. Manch<br />

einen traf dabei ein besseres Los als vorher, wenn<br />

er kräftig und jung genug war, denn dann wurde er<br />

eingezogen und erhielt gute Kleidung, bekam regelmäßig<br />

Nahrung und teilte Schläge aus, anstatt<br />

welche einzustecken.<br />

Fangur führte eine kleine Truppe von zwanzig Mann<br />

an, die genügte, um das Gebiet an der Küste zu<br />

durchforsten. Hier lebten nicht viele Leute, und<br />

ohnehin war Fangur nur an einem einzigen Mann<br />

interessiert.<br />

Laoren schien um keinen Tag in den vergangenen<br />

Jahren gealtert, als Fangurs Weg zu seiner Hütte<br />

führte. Alles sah genauso heruntergekommen wie<br />

immer aus, und der Alte lief in denselben Lumpen<br />

herum.<br />

»Ich habe dich schon erwartet«, kicherte er, als<br />

Fangur das Pferd beim Brunnen parierte. Seine<br />

Männer warteten ein wenig abseits. »Du bist wie<br />

immer pünktlich.«<br />

»Dann wirst du ja alles bereithaben, und ich muss<br />

mich nicht lange aufhalten.« Was Laoren zu bieten<br />

hatte, war nur Fangur vorbehalten, das Wenigste<br />

davon landete in der Steuertruhe. Die ausgewählten<br />

zwanzig Männer erhielten ihren Anteil und<br />

bewahrten Stillschweigen.<br />

»Was ich diesmal für dich habe, wird dich sehr<br />

zufriedenstellen«, meinte der Alte.<br />

»Was könntest du schon besitzen, das für mich von<br />

Interesse wäre?«, knurrte Fangur verächtlich.


»Ich habe ein interessantes Fischlein aus dem Meer<br />

gezogen.« Laoren ging in seine Hütte, Fangur hörte<br />

ihn mit Ketten rasseln, und dann weiteten sich seine<br />

Augen, als der Alte mit einem an den Händen<br />

gefesselten jungen, bartlosen Mann wieder herauskam.<br />

So einen merkwürdigen Burschen hatte er noch nie<br />

gesehen. Er war hochgewachsen und schlank, besaß<br />

edle Gesichtszüge, doch er schien an einer schrecklichen<br />

Hautkrankheit zu leiden, denn schwarze, sich<br />

bewegende Schlieren überzogen die Haut von oben<br />

bis unten. Im Kontrast dazu standen seine langen<br />

hellen Haare. Er trug dieselbe rissige Kutte wie<br />

Laoren und war barfuß. »Was soll ich mit dem?«,<br />

fragte Fangur angewidert. Die völlig schwarzen<br />

Augen des Mannes blickten ausdruckslos an ihm<br />

vorbei.<br />

»Ob du’s glaubst oder nicht, das ist ein Nauraka!«,<br />

gackerte Laoren.<br />

Fangur tippte sich an die Stirn. »Du bist verrückt,<br />

dieses Volk ist schon lange ausgestorben.«<br />

»Er nennt sich Prinz Erenwin von Darystis, und ich<br />

weiß, dass er ein Nauraka ist. Ich verkaufe ihn dir zu<br />

einem guten Preis, und dann verfahre mit ihm nach<br />

Belieben. Ich glaube, du wirst in der Traurigen<br />

Festung eine Menge Aufsehen mit ihm erregen, und<br />

die Gunst des Fürsten ist dir sicher!«<br />

»Und was ist das für eine Hautkrankheit, unter der<br />

er leidet?«<br />

»Nur ein Fluch, der dich nicht weiter zu bekümmern<br />

braucht.«<br />

Der seltsame Mann wandte sich dem Alten zu.<br />

»Dafür also? Um mich zu verkaufen?«<br />

»Man muss sehen, wo man bleibt, Junge«, versetzte<br />

Laoren. »Du hast ja keine Ahnung, wie dieses<br />

Land hier ausgepresst wird, und wie behütet du bei<br />

mir gelebt hast. Fürst Morangars Lebensstil ist<br />

äußerst aufwendig, und sein Hofstaat sehr verwöhnt.<br />

Du wirst dort sehr beliebt sein und Morangars<br />

Ansehen gegenüber den anderen Fürsten um<br />

ein Vielfaches erhöhen, wenn er einen wie dich als<br />

Diener vorzuweisen hat.«<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Fangur dachte nach. »Na schön, ich erlasse dir die<br />

Steuern für fünf Jahre. Hoffen wir, dass er es auch<br />

wirklich wert ist.«<br />

»Abgemacht!«, stimmte Laoren zu und übergab<br />

ihm die Führkette.<br />

»Komm her, Erenwin«, sagte Fangur, der immer<br />

noch nicht so recht wusste, was er von der Sache<br />

halten sollte. Doch irgendetwas war an diesem<br />

jungen Mann, das an ihm rührte und etwas in ihm<br />

weckte, das er verloren geglaubt hatte.<br />

Der angebliche Nauraka näherte sich schweigend<br />

dem Pferd. Er hob den Kopf und sagte ausdruckslos:<br />

»Da ist noch mehr in der Hütte, das von nicht<br />

unbedeutendem Wert ist.«<br />

»Augenblick«, warf Laoren ein, »der Handel gilt<br />

bereits!«<br />

Fangur hob eine Braue. Dann gab er zwei Männern<br />

einen Wink. »Durchsucht die Hütte.«<br />

»Was sollte ich schon verbergen? Ihr wisst, das<br />

habe ich noch nie getan!«, rief der Alte und hastete<br />

den Soldaten hinterher.<br />

Kurz darauf kam ein Mann zurück und hielt kostbar<br />

aussehende, farbenfrohe Kleidung und ein Schwert<br />

samt Scheide hoch. Aus der Hütte erklang Laorens<br />

Zetern, und gleich darauf Kampfgeräusche.<br />

»Meine Sachen«, sagte der Mann mit den glasschwarzen<br />

Augen. »Laoren hat sie mir gestohlen.«<br />

»Nun, du wirst neue Kleidung erhalten, das Schwert<br />

allerdings behalte ich. Es sieht wertvoll aus und<br />

passt nicht zu einem Sklaven«, erklärte Fangur, und<br />

seine Männer grinsten.<br />

Der Gefangene verzog keine Miene. Dann drehte<br />

er sich zur Hütte. »Such hinter der Herdstelle!«, rief<br />

er hinein. »Dort gibt es ein Versteck unter dem<br />

Sand.«<br />

»Erenwin, was tust du?«, schrie Laoren und stolperte<br />

mit wedelnden Armen aus der Hütte. Seine<br />

weiteren Worte gingen im Lachen des Soldaten<br />

unter, der nun herauskam und einen prallen, schwer<br />

wirkenden Beutel schwenkte.<br />

»Sieh mal, was uns der Kerl all die Jahre vorenthalten<br />

hat!«


»Vielen Dank«, sagte Fangur zu dem angeblichen<br />

Nauraka.<br />

»Keine Ursache.«<br />

»Wie ... wie konntest du davon wissen?«, stieß<br />

Laoren mit brüchiger Stimme hervor.<br />

»Ich habe dich gewarnt!«, zischte der Mann so<br />

scharf, dass selbst Fangur zusammenfuhr.<br />

Laoren wich verstört zurück und schwieg.<br />

»Also gut, lasst uns aufbrechen!«, rief Fangur. »Hier<br />

haben wir nichts mehr verloren. Bis in fünf Jahren,<br />

Laoren.«<br />

Die beiden Soldaten saßen auf, der Trupp wendete<br />

und mit Fangur an der Spitze, der Erenwin an der<br />

Kette hinter sich herzog, ritten sie davon. Als sie die<br />

erste Düne erreichten, blieb der angebliche Nauraka<br />

stehen.<br />

»Was ist?«, fragte Fangur und runzelte die Stirn.<br />

»Laoren ist nicht mehr von Nutzen«, sagte der<br />

Gefangene, »außer für den Verrat.«<br />

Die Soldaten drehten sich ungeduldig um. »Wir<br />

müssen weiter, wenn wir noch ein Gasthaus erreichen<br />

wollen!«<br />

»Augenblick«, sagte Fangur und starrte auf den<br />

Mann hinab. »Was willst du damit sagen?«<br />

»Ihr habt ihm seinen gesamten Besitz genommen«,<br />

antwortete er. »Er ist alt und allein, dem Rauschkraut<br />

völlig verfallen. In fünf Jahren kann er nicht<br />

genug für den Zehnten aufbringen. Also wird er euch<br />

alle miteinander verkaufen, um sich die Gunst des<br />

Fürsten zu sichern.«<br />

»Du kennst ihn gut ...«<br />

»Ich habe lange genug als Sklave bei ihm gelebt.«<br />

Der rothaarige hünenhafte Koldar ritt an Fangurs<br />

Seite. »Der Bursche ist gar nicht mal so dumm«,<br />

bemerkte er. »Wir könnten tatsächlich Ärger<br />

bekommen, wenn wir diesen Beutel unterschlagen,<br />

denn die Händler, die Laoren bezahlt haben, müssen<br />

darüber Bescheid wissen. Fürst Morangar ist<br />

ohnehin schon misstrauisch und stellt Fragen.«<br />

Die anderen stimmten zu, und Fangur entschied<br />

kurzerhand: »Tötet den alten Nörgler und brennt<br />

die Hütte nieder.«<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Während die zwanzig Mann die Düne hinunterstürmten,<br />

um den grausamen Befehl auszuführen,<br />

beobachtete Fangur den Gefangenen. Doch dessen<br />

Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck.<br />

Rauch stieg hinter ihnen auf, während sie Sand<br />

aufwirbelnd über die Dünen ritten. Niemand würde<br />

um Laoren trauern, und die Händler würden sich<br />

einen anderen Strandgutsammler suchen.<br />

Fangur war erbost, als sein Gefangener ein zweites<br />

Mal an der Kette riss. »Was ist denn jetzt schon<br />

wieder?«<br />

»Ich will meine Sachen und ein Pferd«, antwortete<br />

der junge Mann bestimmt.<br />

Koldar kam hinzu. »Was ist denn mit dem los?«, rief<br />

er. »Seine Haut ist ja vollständig schwarz geworden!<br />

So können wir ihn nicht mehr verkaufen. Hoffentlich<br />

ist das nicht ansteckend!«<br />

»Er hat einen Sonnenstich«, erwiderte Fangur. »Er<br />

verlangt seine Sachen und ein Pferd.«<br />

Die Soldaten lachten schallend.<br />

»Wir könnten ihn als Spaßmacher anbieten«, fügte<br />

Koldar hinzu.<br />

»Als Krieger bin ich nützlicher«, sagte der Gefangene.<br />

»Halte dich nicht auf, Hauptmann!«, rief Dengür.<br />

»Wir sollten uns dieses Burschen entledigen, der<br />

wird uns nur Ärger machen.«<br />

»Moment«, wies Fangur ihn ab. »Ich muss nachdenken.«<br />

Er blickte auf den Gefangenen hinab, und<br />

wieder beschlich ihn das Gefühl, dass er von Bedeutung<br />

war. Irgendetwas in seiner Ausstrahlung, seiner<br />

Haltung ... »Du behauptest, ein Krieger zu sein?«<br />

»Stell mich auf die Probe.« Der Schwarzhäutige<br />

wies auf Koldar. »Gib mir ein Pferd, und ich trete<br />

mit einem Holzstock gegen ihn an. Ich werfe ihn aus<br />

dem Sattel, und wenn mir das gelingt, bekomme ich<br />

sein Pferd und meine Sachen.«<br />

»Mit einem Stock?«, sagte Koldar ungläubig.<br />

»Dein Tod wäre nutzlose Verschwendung, der<br />

Hauptmann braucht jeden Mann.«


Diesmal blieb den Soldaten das Lachen im Halse<br />

stecken, und sie blinzelten verwirrt.<br />

»Also gut, einen Versuch ist es wert«, entschied<br />

Fangur. »Wenn du ihn aus dem Sattel wirfst,<br />

bekommst du sein Pferd und anständige Kleidung.<br />

Über deine Sachen reden wir später.«<br />

Koldar lachte dröhnend. »Mir soll’s recht sein!«<br />

»Hast du schon einmal auf einem Pferd gesessen?«,<br />

fragte Fangur, während er die Ketten löste.<br />

Der Gefangene spuckte aus. »Ich habe Seeschwärmer<br />

geritten.« Er rieb sich kurz die Handgelenke,<br />

schüttelte die Arme und nickte. »Ich bin bereit.«<br />

Ein Soldat lieh ihm sein Pferd, und die anderen<br />

rissen die Augen auf, als der Gefangene sich mit<br />

unerwarteter Geschmeidigkeit und sicherem Gleichgewicht<br />

in den Sattel schwang. Er nahm einen Speer,<br />

hielt ihn mit dem dick mit Stoff umwickelten Ende<br />

nach vorn, und stürmte dann los, noch bevor Koldar,<br />

der ein Stück abseits geritten war, sein Schwert<br />

gezogen hatte.<br />

Das Pferd gehorchte dem barfüßigen Mann, der<br />

nicht einmal die Zügel in die Hand genommen hatte,<br />

als hätte es nie einen anderen Reiter gehabt. Dabei<br />

schien er sich kaum zu bewegen, nur seine Beinmuskeln<br />

spannten sich abwechselnd an. Wie festgewachsen<br />

saß er im Sattel, als das Pferd durch den<br />

Sand galoppierte.<br />

In der Mitte der Düne prallten die beiden aufeinander,<br />

und Koldar stieß einen Schrei aus, als der<br />

Speerschaft ihn an der Schulter traf und aus dem<br />

Sattel hebelte. Unter dem Hohngelächter seiner<br />

Gefährten landete er kopfüber im Sand, kam<br />

hustend und Staub spuckend wieder hoch und<br />

suchte fluchend nach seinem Schwert.<br />

Die Soldaten applaudierten, als der Schwarzhäutige<br />

in ruhigem Trab zurückkam, aus dem Sattel glitt und<br />

den Speer zurückgab.<br />

Fangur lachte mit den anderen. »Gebt ihm etwas<br />

Ordentliches anzuziehen!«, befahl er. »Und du,<br />

Koldar, suchst dir jemanden, bei dem du aufsitzen<br />

darfst!«<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Am Abend lagerten sie in den Dünen, entfachten<br />

ein Feuer und brieten frisch gefangenen Fisch. Auch<br />

der Gefangene, an Händen und Füßen gefesselt,<br />

damit er nicht davonlaufen konnte, erhielt seinen<br />

gerechten Anteil. Er trug inzwischen saubere Kleidung,<br />

die aus Hemd, Hose, Gürtel und Lederwams<br />

bestand, allerdings nach wie vor keine Schuhe. Er<br />

sei daran nicht gewöhnt, erklärte er, weil er noch<br />

nie Schuhe getragen habe.<br />

Die Sonne ging rot leuchtend im Meer unter, das<br />

wie ein schlummernder Vulkan aufglühte. Mit<br />

weißer Gischt gekrönte Flutwellen rollten über den<br />

Strand und spuckten gepanzerte Schnappkröten<br />

aus, die auf Jagd nach Wandermuscheln gingen.<br />

Über ihnen wurde der violette, stets leicht verschleierte<br />

Himmel allmählich dunkler, und in der Ferne<br />

prangte schon der siebenstrahlige Schutzstern.<br />

»So«, sagte Fangur. »Du heißt also Erenwin.«<br />

»Ja.«<br />

»Und du bist wirklich ein Nauraka?«<br />

»Wirf mich ins Meer, und du weißt es.«<br />

Fangur grinste. »Dein voller Name ...«<br />

»Prinz Erenwin von Darystis. Aber das spielt keine<br />

Rolle hier an Land, wie ich feststellen musste.« Er<br />

verzehrte den letzten Rest Fisch und leckte sich die<br />

Finger ab.<br />

»Darystis, was heißt das?«<br />

»Silberspeer.«<br />

Fangur nahm eine bequemere Haltung ein. Einer<br />

der Soldaten legte Holz nach, die anderen lagerten<br />

darum herum und erzählten sich launige<br />

Geschichten. »Nun, Erenwin Silberspeer – verrate<br />

mir, was einen edlen Prinzen von einem sagenumwobenen<br />

Volk der Tiefe an Land treibt, in die<br />

Gefangenschaft eines halbverrückten Alten.«<br />

»Eine Suche«, antwortete Erenwin. »Und ein Fluch.<br />

Vielleicht auch zwei.«<br />

Fangurs Neugier wuchs, und er kam immer mehr<br />

von dem Plan ab, den bedeutsamen Fund Laorens<br />

zu verkaufen. »Erzähl mir mehr. Du gehörst zwar zu<br />

den Alten Völkern, aber du bist noch jung, nicht<br />

wahr?«


Erenwin nickte. »Ungefähr Mitte zwanzig, glaube<br />

ich. Ich habe nicht so genau mitgezählt. Vor Jahren<br />

habe ich jemandem ein Versprechen gegeben, ihn<br />

zu beschützen. Weil ich es nicht einhalten konnte,<br />

wurde ich verflucht. Das bedeutete, ich musste<br />

mein Volk und das Meer verlassen, allein mein<br />

Name, meine Kleidung und das Schwert sind mir<br />

geblieben. Ich kann den Fluch nur abwenden, wenn<br />

ich meine Suche beende.«<br />

»Und wenn dir das nicht mehr möglich ist?«, fragte<br />

Fangur. »Ich meine, es sind schon Jahre vergangen.<br />

Hast du eine Spur aufnehmen können?«<br />

»Nein. Wenn ich meine Suche nicht beenden kann,<br />

muss ich eben mein Leben lang dem Fluch folgen<br />

und weitersuchen, dann gibt es keine Erlösung für<br />

mich.«<br />

»Kommt deine schwarze Haut daher? Du bist nicht<br />

damit geboren, das haben wir vorhin gesehen, als<br />

die letzten hellen Flecken plötzlich verschwunden<br />

waren.«<br />

Erenwin nahm einen langen Zug Wasser. »Das ist<br />

eine andere Sache«, brummte er. »Der zweite Fluch,<br />

den ich erwähnte, und der auf einem anderen,<br />

älteren Fehler beruht. Aber beides hängt zusammen.<br />

Und jedes Mal, wenn ich eine böse Tat begehe,<br />

kehrt sich meine schwarze Seele nach außen und<br />

verändert mich. Eine Hellseherin sagte mir, dass ich<br />

zu einem Ungeheuer werde, wenn ich meine Suche<br />

nicht beenden kann.«<br />

Fangur stieß einen leisen Pfiff aus. »Beeindruckende<br />

Geschichte.«<br />

»Glaubst du die etwa?«, fragte Koldar, der gerade<br />

hinzukam und sich mit schmerzlicher Miene seine<br />

verletzte Schulter rieb. Ächzend ließ er sich in den<br />

Sand fallen.<br />

»Ich habe keinen Grund, sie nicht zu glauben«,<br />

versetzte der Hauptmann. »So etwas Absurdes kann<br />

sich niemand ausdenken.« Zu Erenwin gewandt,<br />

fuhr er fort: »Du hast von bösen Taten gesprochen.<br />

Dann hast du also Gewissensbisse wegen Laoren?«<br />

»Nein«, antwortete der Nauraka, doch dabei geriet<br />

sein Gesicht in unkontrollierte Zuckungen, und für<br />

portrait<br />

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ein Artikel von Alisha Bionda<br />

einen Moment schimmerte helle Haut durch das<br />

Schwarz. Stöhnend sank er zur Seite und übergab<br />

sich. Ein unterdrücktes Wimmern drang dabei aus<br />

seiner Kehle.<br />

»So viel dazu«, bemerkte Koldar. »Ein Jammer um<br />

das schöne Essen.«<br />

»Hol ihm noch was, er muss bei Kräften bleiben.«<br />

»Aber es ist nicht mehr viel da!«, protestierte<br />

Koldar, gehorchte aber, als Fangur ihm einen strengen<br />

Blick zuwarf.<br />

Erenwin erholte sich rasch, seine Gesichtsmuskeln<br />

kamen zur Ruhe, die Haut wurde wieder durchgehend<br />

schwarz. »Das hat nichts zu bedeuten«, versicherte<br />

er. »Nichts darf mich ablenken.«<br />

Fangur sagte nichts dazu, er half Erenwin aufzustehen<br />

und wechselte mit ihm den Platz.<br />

Koldar kam mit einem gefüllten Teller zurück, und<br />

der Gefangene fing an zu essen, als wäre nichts<br />

geschehen.<br />

Fangur legte die Stirn in Falten und rieb sich das<br />

bärtige Kinn. »Was sollen wir jetzt mit dir machen,<br />

Erenwin?«, fragte er.<br />

Darauf schien der Schwarzhäutige nur gewartet zu<br />

haben. »Warum heißt es Traurige Festung?«<br />

»Niemand mit Ausnahme der Herrschenden hat<br />

dort viel zu lachen«, antwortete Fangur. »Fürst<br />

Morangar ist der Fürst des ärmsten Reiches von<br />

Nerovia. Vor ihm und seinem Vater mag es einst<br />

bessere Herrscher gegeben haben, doch seither<br />

wird das Land ausgepresst, während Fürst und<br />

Hofschranzen aus dem Vollen leben. Das Volk gab<br />

der Festung ihren Namen. Am besten lebt man hier<br />

als Soldat.«<br />

»Vor allem, wenn man Steuern unterschlägt«,<br />

bemerkte Erenwin.<br />

»Man muss sehen, wo man bleibt«, erwiderte<br />

Fangur gelassen. »Ich bin fünfundvierzig Jahre alt<br />

und habe eine Familie zu ernähren, wie alle hier.<br />

Der jüngste ist gerade so alt wie du und wird bald<br />

Vater. Koldar geht schon auf die fünfzig zu und ist<br />

bereits Großvater.«


»Sag mal«, mischte Koldar sich ein, »worauf willst<br />

du eigentlich hinaus, Meerling?«<br />

Erenwins glasschwarze Augen blitzten kurz auf. »Ich<br />

helfe euch, den Fürsten zu entmachten, und dafür<br />

bekomme ich meine Kleidung und mein Schwert.«<br />

Fangur fühlte Koldars bohrenden Blick auf sich und<br />

wurde unruhig, aber zu seinem eigenen Erstaunen<br />

war er nicht empört. »Du schlägst Landesverrat vor?<br />

Wir einfachen Leute sollen gegen einen adligen<br />

Fürsten rebellieren? Damit wären wir alle verflucht.«<br />

»Nicht, wenn ich es bin, der den Fürsten absetzt«,<br />

versetzte Erenwin. »Ich begehe keinen Verrat, da<br />

ich kein Untertan bin und ihm in keiner Weise<br />

verpflichtet. Wahrscheinlich tue ich dem ganzen<br />

Land damit einen Gefallen – falls du ein besserer<br />

Herr bist, Fangur.«<br />

»Ich?«, sagte der Hauptmann verblüfft.<br />

»Wer sonst? Zieh alle Männer zusammen, denen<br />

du vertraust. Bring mich ins Schloss, vor den Fürsten,<br />

und ich erledige den Rest. Dann übernimmst<br />

du den Thron und entscheidest, ob es besser oder<br />

schlechter wird. Das ist dann nicht mehr meine<br />

Angelegenheit.«<br />

Koldars Brauen stießen über der Nasenwurzel<br />

zusammen. »Und wer sagt uns, dass du nicht den<br />

Thron willst?«<br />

»Warum sollte der mich interessieren?«, sagte<br />

Erenwin verächtlich. »Ein unbedeutendes kleines<br />

Reich, das in Armut lebt, darauf kann ich verzichten.<br />

Ich bin zudem nicht an Macht interessiert. Und ich<br />

muss meine Suche fortsetzen.«<br />

»Ich sollte dir die Zunge herausreißen, und dann<br />

vergessen wir diese Angelegenheit ganz schnell<br />

wieder«, brummte Fangur.<br />

»Welche Skrupel hast du, Hauptmann? Du hintergehst<br />

deinen Fürsten doch ohnehin seit Jahren, und<br />

es berührt dich nicht im Mindesten, einen alten<br />

Mann getötet zu haben – auch wenn er es verdient<br />

hatte. Du hast mir einen Gefallen getan, nun tue ich<br />

dir einen.«<br />

Fangur war immer noch nicht wirklich aufgebracht.<br />

Weder riss er Erenwin die Zunge heraus, noch<br />

portrait<br />

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schnitt er ihm die Kehle durch. Was war nur los mit<br />

ihm? Auch Koldar rührte sich nicht. Im Gegenteil, er<br />

sah ihn auffordernd an.<br />

Im vergangenen Jahr hatten sie sich ab und zu<br />

darüber unterhalten, was wohl geschehen würde,<br />

wenn Fürst Morangar unvermutet starb. Dem Alter<br />

nach war er zwar noch weit davon entfernt, aber er<br />

lebte sehr ausschweifend und war fett und kurzatmig.<br />

Da konnte schon einmal das Herz plötzlich<br />

versagen. Aber natürlich hatte keiner an Verrat<br />

gedacht, es war nur ein Gedankenspiel gewesen.<br />

Erenwins Stimme drang in seine Überlegungen.<br />

»Das ist mein Preis: Ich helfe euch, und dafür<br />

erlange ich die Freiheit, meine Sachen und ein<br />

Pferd.« Er hielt sich die Hand vor den Mund und<br />

gähnte. »Überleg es dir, Hauptmann Fangur. Bisher<br />

hast du geglaubt, nichts tun zu können, und nun<br />

biete ich dir eine Gelegenheit, die du nur einmal<br />

bekommst. Du hast die Wahl.« Damit drehte er sich<br />

auf die Seite, legte sich hin, und war kurz darauf<br />

eingeschlafen.<br />

Fangur und Koldar sahen sich verblüfft und beunruhigt<br />

an.<br />

Dann gingen sie zu den anderen Soldaten.<br />

Fangur weckte Erenwin am nächsten Morgen persönlich.<br />

»Oh«, sagte er fast erstaunt. »Ich bin ja noch am<br />

Leben.«<br />

»Denkst du, ich will so enden wie Laoren?«,<br />

bemerkte der Hauptmann. Er war übermüdet nach<br />

einer Nacht voller aufwühlender Gedanken. »Während<br />

du selig geschlummert hast, habe ich mich mit<br />

meinen Leuten über deinen Vorschlag beraten.«<br />

Erenwin streckte sich und gähnte. »Demnach sieht<br />

es gut für mich aus.«<br />

»Für uns alle, wenn du uns nicht zu viel versprochen<br />

hast.« Fangur löste die Ketten, und Erenwin sah ihm<br />

verdutzt dabei zu. »Ich habe mich entschlossen, dir<br />

zu vertrauen. Ich habe keine Ahnung, weshalb –<br />

aber vermutlich kann es nicht mehr schlimmer


kommen, und ich will nicht auch noch das letzte<br />

bisschen Selbstachtung verlieren, das ich besitze.<br />

Ab sofort reitest du als mein Soldat. Du wirst dich<br />

an meine Befehle halten und nichts Eigenmächtiges<br />

unternehmen. Hältst du dich an die Vereinbarung,<br />

werde ich das auch tun.«<br />

Der schwarzhäutige Nauraka stand auf und klopfte<br />

sich den Sand ab. »Abgemacht. Ich werde ebenso<br />

kühn sein wie du und dich beizeiten an dein Versprechen<br />

erinnern.«<br />

Koldar kam heran. »Wir haben die Kleidung des<br />

Bürschleins genauer durchsucht und festgestellt,<br />

dass da noch ein juwelenverzierter Dolch und sogar<br />

eine Armbrust in den Falten verborgen waren. Nicht<br />

mal Laoren hat das gefunden. Diese Kleidung ist<br />

hervorragend! Wir sollten das Geheimnis dieser<br />

Schneiderkunst herausfinden.«<br />

»Mein Jugenddolch«, sagte Erenwin, und für einen<br />

winzigen Augenblick huschte ein heller, weicher<br />

Schimmer über sein Gesicht. »Ich wäre euch verbunden,<br />

wenn ihr ihn nicht verkaufen würdet, er ist<br />

meine letzte Erinnerung an glücklichere Tage.«<br />

»Wir haben kein Interesse daran«, sagte Fangur<br />

und sah Koldar streng an. Der brummelte irgendetwas<br />

vor sich hin und trollte sich. »Kannst du mit der<br />

Armbrust umgehen?«<br />

»Ich habe einem wild gewordenen Urantereo die<br />

Augen ausgeschossen – ich glaube also schon.«<br />

»Was ist das für ein Tier?«<br />

»Oh, ein Schlängelaal, zwanzig oder mehr Mannslängen<br />

groß, und mit Zähnen, so dick wie der<br />

Schädel deines Pferdes. Die Augen sind normalerweise<br />

nicht schwer zu verfehlen, weil sie sehr groß<br />

sind, aber wenn ein Urantereo wütend ist, wirbelt<br />

er das Wasser ziemlich durcheinander, und das<br />

macht das Zielen fast unmöglich.«<br />

Fangur entschloss sich, keine weiteren Fragen mehr<br />

zu stellen. Entweder war dieser schwarzhäutige<br />

junge Mann völlig verrückt, oder er war gefährlicher,<br />

als es seine eher schmächtige Gestalt vermuten<br />

ließ.<br />

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USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Sie nahmen den direkten Weg zur Traurigen Festung.<br />

Fünf seiner Soldaten hatte Fangur als Boten<br />

ausgeschickt, die Übrigen zu benachrichtigen. Er war<br />

sicher, dass sie im geeigneten Moment alle mitmachen<br />

würden, sie waren eher ihm als dem launischen,<br />

unberechenbaren Fürst Morangar ergeben,<br />

der zudem so misstrauisch war, dass er sich nur fünf<br />

Mann als Leibgarde hielt, die er ständig beobachtete.<br />

Mit denen konnten sie leicht fertig werden,<br />

und wenn Morangar erst aus dem Weg geräumt<br />

war, würden die übrigen Soldaten auch überlaufen.<br />

Fangur hätte diesen Schritt niemals gewagt, wenn<br />

Erenwin nicht gewesen wäre. Dass sein Verrat<br />

keineswegs dadurch geschmälert wurde, dass ein<br />

anderer das Attentat ausführte, verdrängte er. Vor<br />

dem Volk würde es anders aussehen, es würde ihn<br />

feiern, wenn er die prall gefüllten Vorratskammern<br />

öffnete und das Essen verteilte. Zur Abwechslung<br />

würde er mal etwas Gutes tun und sein in Heldengeschichten<br />

vernarrter Sohn, der ihn sonst mit<br />

Verachtung strafte, stolz auf ihn sein.<br />

Allmählich gewöhnte er sich an den Gedanken, den<br />

Thron zu übernehmen. Es wäre nicht das erste Mal,<br />

dass es solch einen Wechsel gab, und es musste ja<br />

auch nicht für immer sein.<br />

Fangur hütete sich, die Wahrheit bekannt werden<br />

zu lassen, als alle am vereinbarten Treffpunkt<br />

erschienen waren. Er begründete den vorzeitigen<br />

Abbruch ihrer Steuereintreibung mit einem dringenden<br />

Ruf des Fürsten.<br />

Erenwin hatte sich inzwischen gut in die Truppe<br />

eingefügt. Er war wortkarg und distanziert, doch es<br />

gab keinen Grund zur Beanstandung. Er ritt besser<br />

als sie alle zusammen und befolgte widerspruchslos<br />

jeden Befehl.<br />

Und er unternahm keinen einzigen Fluchtversuch.<br />

Als sie den letzten Abend unter freiem Himmel<br />

verbrachten, bevor sie am nächsten Morgen die<br />

Burg erreichen würden, saßen Fangur und seine<br />

engsten Vertrauten zu einer letzten Beratung am


Feuer, während die übrigen Soldaten verstreut um<br />

sie herum lagerten. Alle schienen zufrieden, ein<br />

wenig Ruhe zu haben, und freuten sich auf ihre<br />

Familien, Geliebten, und Wein und Bier machten die<br />

Runde.<br />

Nur einer war nervös, Fangur selbst, da sich morgen<br />

sein Schicksal entscheiden würde.<br />

»Nun, Erenwin«, sagte Koldar gut gelaunt, »wie<br />

denkst du jetzt über uns Landgänger, nachdem wir<br />

schon eine Weile miteinander reiten?«<br />

»Ihr seid langweilig, einfallslos, armselig in eurem<br />

Verhalten«, antwortete der Nauraka und versetzte<br />

alle in Sprachlosigkeit. »Kein Tanz, keine Gestik,<br />

höchstens ein wenig anmutiges Wedeln mit den<br />

Händen. Nauraka achten weniger auf Worte und<br />

Aussehen, sondern beobachten die Haltung des<br />

Gegenübers und können sich verständigen, ohne<br />

sprechen zu müssen. Ihr seid zu bedauern.«<br />

Koldar schluckte hörbar und wischte sich den<br />

Bierschaum aus dem Oberlippenbart. »Danke für<br />

deine hohe Meinung«, sagte er finster.<br />

»Ich wollte euch nicht beleidigen, es ist die reine<br />

Wahrheit«, versetzte Erenwin. »Eure Sinne sind<br />

stumpf. Ich aber erkenne schon von weitem am<br />

Geruch, ob jemand Angst hat, egal wie martialisch<br />

er sich geben mag. Ich sehe das Unbewusste, was<br />

ihr durch falsche Gesten vertuschen wollt. Ich habe<br />

hier«, er legte den Finger zwischen Lippe und Nase,<br />

»einen besonderen Tastsinn für Gefahr, für Furcht,<br />

aber auch für Ausgeglichenheit. Sträubt sich da etwa<br />

gerade dein Bart, Koldar, weil du spürst, dass etwas<br />

mit dem Bier nicht in Ordnung ist?«<br />

Kurzes Gelächter machte die Runde, als Koldars<br />

Hand unwillkürlich wieder zum Mund hochzuckte.<br />

»Was ist denn damit nicht in Ordnung?«, rief er.<br />

»Palfir hat vorhin einen Fischschwanz in den Krug<br />

geworfen, bevor er dir nachgoss«, antwortete Erenwin.<br />

Entsetzt kippte Koldar den Rest aus, und tatsächlich,<br />

ein Fischschwanz fiel heraus. Nun brüllten viele<br />

vor Lachen, während der rothaarige Hüne fluchend<br />

dem bereits fliehenden Scherzbold hinterherrannte.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

»Erzähl uns etwas über den Kampf, Erenwin!«, rief<br />

einer aus der Menge.<br />

»Ja, wie kämpfen die Nauraka?«, fielen andere ein.<br />

»Im Kampf sind sie Menschen gegenüber ebenfalls<br />

im Vorteil«, sagte Erenwin. »Hier an Land kann man<br />

nur nach zwei Seiten kämpfen – vor oder zurück,<br />

links oder rechts. Das ist plump und schwerfällig,<br />

und voraussehbar, weil der Kampf derart<br />

beschränkt ist. Ich kann hier an Land leicht berechnen,<br />

was mein Gegner als Nächstes tun kann, und<br />

aus wenigen Möglichkeiten die wahrscheinlichste<br />

wählen. Nauraka hingegen kämpfen in alle Richtungen,<br />

auch oben und unten ist ihnen nicht verwehrt.<br />

Sie müssen ihre Sinne auf vier Richtungen<br />

ausdehnen. Das ist gleichwohl herausfordernder<br />

und schwieriger, zugleich eleganter.«<br />

Fangur glaubte dem jungen Mann jedes Wort,<br />

fragte sich aber, wie viel Erfahrung und Können er<br />

selbst besitzen mochte, nachdem er mindestens<br />

zwei Jahre bei Laoren in Knechtschaft verbracht<br />

hatte.<br />

»In welchem Alter lernt ein Nauraka zu kämpfen?«,<br />

stellte jemand die richtige Frage.<br />

»Ich war fünf Korallenringe alt … ich meine fünf<br />

Jahre, als meine Ausbildung begann«, erklärte Erenwin.<br />

»Und nicht nur im Kampf, sondern auch in der<br />

Geistesbildung. Jeden Tag, oder Helldämmer, wie<br />

es in der Tiefe heißt. Manchmal auch nachts. Allerdings<br />

ist das nur bei den Adligen der Fall, das<br />

einfache Volk hat es leichter.«<br />

»Vermisst du dein Volk?«, fragte Fangur dazwischen,<br />

der immer nachdenklicher wurde und dem<br />

sehr wohl aufgefallen war, dass Erenwin nie von<br />

»wir« sprach, sondern von »den« Nauraka.<br />

»Ich habe kein Volk mehr«, antwortete er.<br />

»Weißt du was, Erenwin?«, sagte Koldar, der<br />

gerade zurückkam und sich schweratmend in den<br />

Sand fallen ließ. Der Schweiß tropfte ihm von der<br />

Stirn, und er rieb sich die Fingerknöchel der rechten<br />

Hand. »Genau das ist dein Problem. Du fühlst dich<br />

über uns erhaben, aber andererseits hast du keine<br />

Möglichkeit mehr, zu deinem ach so edlen Volk


zurückzukehren. Du hast keinen Anteil an unserem<br />

Leben, du bist nur auf dich selbst fixiert und schiebst<br />

deinen Fluch vor, um zu niemandem eine Beziehung<br />

aufbauen zu müssen. Deswegen willst du auch so<br />

bereitwillig die Schmutzarbeit für andere übernehmen,<br />

weil sie keine Bedeutung für dich hat. Nichts<br />

bedeutet dir etwas. Hast du auf dem Ritt hierher<br />

überhaupt bemerkt, in welchem Zustand die Dörfer<br />

waren, durch die wir kamen? Und die Menschen,<br />

die wir im Auftrag des Fürsten berauben? Du wandelst<br />

durch unsere Welt wie ein Toter.«<br />

Daraufhin trat Schweigen ein. Viele wandten sich<br />

betreten ab. Fangur bekam beinahe Mitleid, als er<br />

den Ausdruck auf dem Gesicht des jungen Mannes<br />

sah, in dessen glasschwarzen Augen sich das Feuer<br />

spiegelte, ohne Wärme zu zeigen.<br />

»Ich bin … ein Toter«, sagte Erenwin schließlich<br />

leise. »Jeder in der See weiß das, selbst die anderen<br />

Völker. Ich kann dort nirgends leben, nicht einmal<br />

als Einsiedler. Ich trage etwas in mir, das mich zu<br />

Dingen zwingt, die ich nicht tun will, und die meine<br />

Seele zerstören. Gleichzeitig werde ich innerlich<br />

immer tauber und leerer, unfähig, noch etwas Gutes<br />

zu empfinden. Stück um Stück geht verloren, bis<br />

nichts mehr bleibt. Ich klammere mich an meine<br />

Suche, ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass ich<br />

… meine Schwester finde. Lurdèa. Ich gab ihr mein<br />

Versprechen und habe sie verloren.« Er blickte auf,<br />

und Fangur sah eine Träne über seine Wange rollen,<br />

die eine helle Spur hinterließ.<br />

»Hm«, murmelte Koldar. »Wir alle suchen nach<br />

Liebe und Anerkennung, Erenwin, auf die eine oder<br />

andere Weise. Das unterscheidet dich dann gar<br />

nicht so sehr von uns. Vielleicht findet deine Suche<br />

ja doch eines Tages Erfüllung. Lange genug wirst du<br />

dafür leben. Ich wünsche dir viel Glück dabei.«<br />

Damit suchte er sich einen Platz bei seinen Gefährten.<br />

»Du bist nicht zu beneiden«, bemerkte Fangur.<br />

Doch die Tränenspur war bereits getrocknet und<br />

die Haut nahtlos schwarz. Erenwins Gesicht war so<br />

ausdruckslos wie zuvor.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

»Es wird jeden Tag leichter«, entgegnete er ruhig.<br />

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USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

FYRGAR - Volk des Feuers<br />

Uschi Zietsch<br />

Bastei - Roman<br />

Fantasy<br />

Taschenbuch<br />

14.00 EUR<br />

ISBN: 9783404285495<br />

November 2010<br />

Die Fyrgar sind das Volk des<br />

Feuers und sterben nie. Ihre<br />

Weisheit ist so groß, dass<br />

sie alles über Waldsee<br />

wissen. Doch dann scheitern sie an dem Rätsel der<br />

Schattenweber, die das Reich mit Tod und Schrecken<br />

überziehen. Um die Antwort zu ergründen, entsenden<br />

sie Aldavinur. Er muss dafür einen hohen Preis<br />

zahlen: Er muss selbst zum Menschen werden. Und<br />

Menschen sind sterblich.<br />

LESEPROBE<br />

So gehe denn durch das Feuer.<br />

Möge es dich ewig begleiten, dich leiten und schützen,<br />

und dir Heilung spenden. Mögest du Teil werden<br />

der Urkraft und ihr Hüter. Gib das Feuer weiter in<br />

Dankbarkeit und Demut, um zu leiten, zu wärmen<br />

und zu dienen. Bewahre, was dir gegeben wurde,<br />

und halte es in Ehren. Missbrauche niemals seine<br />

Macht und nimm sein Urteil an, sobald es gefällt ist.<br />

Das Feuer ist dein Baiku, und dein Baiku ist das Feuer.<br />

Und dies bist du: Fyrgar.<br />

Erstes Leben<br />

Das stolze Kind<br />

1. - Der halbe Mensch<br />

Aldavinur hätte auf den Rat hören sollen.<br />

Nur wie hätte er ahnen können, was daraus erwachsen<br />

würde. Wie hätte er vom Verborgenen wissen<br />

portrait<br />

sollen, das schon so lange existierte und nun erst<br />

zutage trat, wenn es doch nicht einmal die Götter<br />

erkannt hatten.<br />

Aber Aldavinur war es, der den Fehler beging, ans<br />

Ende seiner Weisheit zu gelangen.<br />

Der Morgen tropfte kühl auf den Fyrgar herab.<br />

Spinnweb war angebrochen und färbte die Welt vor<br />

seinen Augen grau. Der schwere Sturm der vergangenen<br />

Nacht hatte endlich nachgelassen, doch es<br />

sah nicht so aus, als würde das Wetter bald besser<br />

werden. Schwarze Wolken zogen zwischen den<br />

Gipfeln hindurch, und jedes Mal, wenn sie sich an<br />

schroffem Gestein stießen und sich verletzten,<br />

weinten sie bittere Tränen, die schwer auf Aldavinurs<br />

Fell platschten. Er schüttelte sich, und die<br />

Fontänen aus seinen Haaren vereinigten sich mit<br />

dem Wolkenblut und prallten auf Felskanten, fielen<br />

weiter hinab auf Klippen und Grate, sprangen, in<br />

Rinnen und Gräben, flossen zusammen und schwollen<br />

weiter an. Breite Ströme ergossen sich in<br />

Schluchten und Senken wie Wasserfälle und rauschten<br />

in schäumenden Fluten immer steiler hinab in<br />

die ferne Welt dort unten, die darob zu bedauern<br />

war, fand Aldavinur, denn sie war schutzlos ausgeliefert.<br />

Die langen Grannenhaare legten sich wieder eng<br />

über das Unterfell, damit keine Feuchtigkeit hindurchdringen<br />

konnte. doch Aldavinurs Kopf und<br />

seine Pfoten waren triefnass, und dementsprechend<br />

mürrisch war seine Miene. Einige Angehörige seines<br />

Volkes schätzten den Regen, aber er gehörte nicht<br />

dazu. Die dichte Winterwolle seines blauschwarzen<br />

Fells saugte sich bei zu lange andauernden Schauern<br />

voll, wurde prall und schwer, und nahm ihm jeglichen<br />

Schwung in der Bewegung. An Jagd war dann<br />

kaum zu denken.<br />

»Meister!«<br />

Eine Stimme, hell wie ein Glockenläuten, drang in<br />

seine trüben Gedanken, schob den grauen Schleier<br />

einfach fort und ließ für einen Augenblick sogar den<br />

Regen innehalten. Aldavinur brummte und richtete


die langen, spitzen Ohren auf, bewegte sie leicht in<br />

die Richtung, aus der die Stimme erklungen war.<br />

»Efrynn, wieso bist du so früh schon auf?«<br />

»Ich habe ein Geräusch gehört, Meister, und wollte<br />

nachsehen!«<br />

»Geräusche gibt es hier viele, närrisches Kind, selbst<br />

die Steine stoßen Töne aus, wenn sie in der glühenden<br />

Hitze ihre Hülle sprengen oder mit dem<br />

Regen plaudern, so wie jetzt.«<br />

Manche Flachländer dort unten suchten in einem<br />

Augenblick tiefer Lebensverzweiflung den Weg in<br />

die Berge, um Stille zu finden. Was für ein törichter<br />

Gedanke. Selbst die Kälte hatte hier oben vierunddreißig<br />

verschiedene Klänge, und erst der Ton des<br />

Schnees! Er war wechselvoll, je nach Tageszeit, oder<br />

wenn man ihn berührte. Aldavinur hatte einst an<br />

einem Wettstreit teilgenommen und als Sieger<br />

eintausendachthundert Schneetöne gezählt, doch<br />

das waren bei weitem nicht alle, die es gab. Und wie<br />

viel mehr erst erklangen bei Regen und wenn der<br />

Morgentau trocknete … hier holten sich die Barden<br />

der Fyrgar ihre Inspiration, um ihre einzigartigen<br />

Melodien zu schaffen.<br />

»Meister, du hörst mir nicht zu!«<br />

»Sollte ich das?«<br />

Das Kind sprang lachend über die Felsklippen heran.<br />

Der Regen konnte seiner glatten Schuppenhaut<br />

nichts anhaben, er perlte einfach in funkelnden<br />

Tropfen ab. Alles an Efrynn war Farbe, selbst in<br />

diesem Morgengrau. Je nachdem wie das Licht<br />

auftraf, schimmerten seine Schuppen hell oder<br />

dunkel, in allen Farben des Regenbogens, ineinandergegossen<br />

und vermischt. Purpur und Violett<br />

herrschten an Kopf und Rumpf vor,, durchsetzt von<br />

zarten Blautönen; am Bauch und an den Gliedmaßen<br />

wechselte es zu Grün und Gelb. Seine Kopfhörner<br />

fingen gerade an, sich auszubilden, und auch die<br />

Schuppen an seinen Wangen wurden allmählich<br />

länger. Ebenso wuchs sein kurzer Schwanz und<br />

bildete an der Spitze Stacheln aus.<br />

Die großen, stets fragend wirkenden Augen des<br />

Kindes schillerten ebenfalls vielfarbig wie edle Opale<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

mit goldener Einfassung um die schlitzförmigen<br />

schwarzen Pupillen. Wie alle Kinder war Efrynn sehr<br />

lebhaft und kaum zu bändigen, ging jeden Tag auf<br />

Abenteuerreise und unternahm alle möglichen<br />

Versuche, sich den Hals zu brechen.<br />

»Der Regen hört auf«, bemerkte Efrynn strahlend,<br />

als er bei seinem Meister angekommen war.<br />

»Das ist mir nicht entgangen.«<br />

So war es doch meistens. Nicht einmal schlechtes<br />

Wetter konnte sich bei dieser Erscheinung halten.<br />

Das Kind war von einem ganz besonderen Glanz<br />

umgeben, der weithin strahlte. Efrynn ließ bei jeder<br />

Bewegung eine unverwechselbare Melodie erklingen,<br />

der sogar die Elemente verzückt lauschten.<br />

»Was für ein Geräusch hast du gehört, Efrynn?«,<br />

fragte Aldavinur nun.<br />

»Ein sehr fremdes«, antwortete der Junge. »Einen<br />

Klagelaut, der von keinem Tier kam, das wir jagen.<br />

Er passte zu nichts, was hierher gehört. Und vorher<br />

gab es das Geräusch eines Aufschlags, doch ich<br />

konnte nicht erkennen, wodurch es verursacht<br />

wurde.«<br />

Aldavinur fragte sich, ob Efrynn jemals irgendetwas<br />

entging. Was die hellwachen Sinne betraf, war er<br />

seinem Lehrmeister sehr ähnlich. Kein anderer<br />

Fyrgar war hier draußen. Anscheinend waren sie<br />

beide die Einzigen, die eine Veränderung bemerkten.<br />

Oder die anderen achteten nicht darauf. Die<br />

Wahrnehmung eines Fyrgar war äußerst fein; Aldavinur<br />

konnte sich nicht vorstellen, dass niemand<br />

sonst den Schrei gehört hatte.<br />

Sie beschränken sich wieder einmal aufs ferne Lauschen.<br />

Das Hören war der wichtigste Sinn der Fyrgar, er<br />

konnte kaum getäuscht werden. Und hier oben,<br />

viele Tausend Schritte über dem Talgrund, war das<br />

Gebirge karg und reizlos, und es gab weniger Farben<br />

als Töne.<br />

»Sehen wir nach?«, schlug Efrynn aufgeregt vor.<br />

Alles, was die tägliche Gleichförmigkeit des Lernens<br />

und Rezitierens unterbrach, begeisterte ihn, und die<br />

Aussicht auf ein Abenteuer umso mehr.


Aldavinur überlegte kurz, dann stimmte er zu.<br />

»Warum nicht.« Eine Gefahr, mit der nicht fertig<br />

wurde, würde wohl nicht drohen. Der unsterbliche<br />

Fyrgar war nicht nur Efrynns Lehrmeister, sondern<br />

auch verantwortlich für dessen Schutz, und er nahm<br />

diese Aufgabe sehr ernst. Efrynn war der kostbarste<br />

Schatz des Volkes. Dennoch konnte Aldavinur<br />

seinen Schützling nicht in Daunenfedern packen und<br />

für immer in seiner Höhle anketten. Er entwickelte<br />

sich beängstigend schnell und musste vorbereitet<br />

werden.<br />

Außerdem würde Efrynn in seiner lebhaften<br />

Neugier nicht gehorchen, wenn er ihn jetzt zurückschickte;<br />

er würde ihm entweder heimlich folgen<br />

oder nach einem anderen, schnelleren Weg suchen,<br />

um herauszufinden, was geschehen war. Also war<br />

es besser, ihn unter seiner Aufsicht mitzunehmen<br />

und ihm gleichzeitig eine Lektion zu erteilen.<br />

Auffordernd sah er seinen Schüler an. »Aus welcher<br />

Richtung kam das Geräusch?«<br />

Efrynn deutete mit einer Kralle Richtung Sonnenuntergang,<br />

nach Westen, und nach unten, wo die<br />

messerscharfen Klingfelsen lagen. Das Gebiet war<br />

nicht ungefährlich. Aldavinur zögerte, ob er nicht<br />

vorschnell nachgegeben hatte, denn tatsächlich war<br />

das Geräusch von dort gekommen. Genau in jenem<br />

Augenblick, als der Sturm sich legte. Hatte der Wind<br />

sich etwa an den spitzen Felsenzähnen verfangen<br />

und war dazwischen zerrieben worden, bis er mit<br />

einem letzten Schrei erstarb?<br />

Nein. Ein Lebewesen hatte in grellem Schmerz<br />

geschrien. Aldavinur kannte diese Art Schrei in<br />

Todesnot, die jeden, Fyrgar und Tier, gleichmachte.<br />

»Habe ich recht, Meister?«<br />

»Du hast recht.«<br />

Efrynn stürmte los, und Aldavinur streckte blitzschnell<br />

seine Pranke aus, sodass Efrynn stolperte<br />

und ächzend auf den nasskalten Felsboden<br />

plumpste. Aldavinur schüttelte die Pfote, es hatte<br />

ihm beinahe das Vorderbein ausgekugelt. Efrynn<br />

hatte ordentlich an Gewicht zugelegt. Das nächste<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Mal konnte er ihn vielleicht nicht mehr aufhalten.<br />

»Du gehst hinter mir, verstanden?«<br />

»Ja, Meister«, murmelte Efrynn und neigte den<br />

Kopf mit griesgrämiger Miene.<br />

Ja, der Junge wuchs heran. Er war nicht mehr weit<br />

entfernt von der zweiten Stufe seiner Entwicklung.<br />

Vom Schüler zum Meister.<br />

Aldavinur maß kurz die Entfernung, schätzte mit<br />

den Augen den Weg ab, dann spannte er die Oberschenkelmuskeln<br />

an und sprang mit einem<br />

geschmeidigen Satz hinunter auf den nächsten<br />

Vorsprung. »Schlaf nicht, Junge!«, rief er zu Efrynn<br />

hinauf, der einen Jubelschrei ausstieß. Ein rasanter<br />

Abstieg bevor, der Efrynns Gleichgewichtssinn und<br />

Geschicklichkeit einiges abverlangte.<br />

Aldavinur wollte so schnell wie möglich der Ursache<br />

des Schreis auf den Grund gehen. Jeder Moment<br />

zählte. Der Tod kam schnell in den Bergen, erst recht<br />

zu dieser Jahreszeit, wenn die Felsen nass und kalt<br />

waren. Und nicht alle waren so zäh wie Fyrgar.<br />

Der Weg verlangte große Sprünge über klaftertiefe<br />

Abgründe, und Landungen auf schmalen Felsgraten<br />

oder lockeren Brocken, auf denen jemand von<br />

Größe und Gewicht der beiden Fyrgar nicht länger<br />

als einen Atemzug verweilen durfte. Der richtige<br />

Absprungwinkel zum nächsten Ziel musste mit<br />

traumwandlerischer Sicherheit gefunden werden,<br />

zum Innehalten und Nachdenken war keine Zeit.<br />

Es hatte aufgehört zu regnen, und hie und da brach<br />

sogar ein Sonnenstrahl durch die grauschwarzen<br />

Wolkenballungen. Aldavinurs feuchtes Fell glänzte<br />

wie schwarzblauer Schwertstahl, wenn er lang<br />

gestreckt zwischen Himmel und Abgrund dahinflog,<br />

und Wassertropfen sprühten in einem feinen Nebel<br />

auf, sobald seine schweren Pfoten festen Untergrund<br />

erreichten und er die gelben Krallen ausfuhr,<br />

um im Gestein Halt zu finden .<br />

Ab und zu musste Aldavinur auf einem Vorsprung<br />

innehalten. Trotz seiner Jugend und Stärke und trotz<br />

seines Draufgängertums schaffte Efrynn es noch


nicht, mit ihm Schritt zu halten. An seiner Gestalt<br />

lag es nicht, diese war wie geschaffen für das<br />

Gebirge, schlank und geschmeidig, mit beweglichen,<br />

muskulösen Gliedern, und er war sehr geschickt<br />

durch das ausdauernde Üben. Aber er war immer<br />

noch ein Kind und beherrschte seinen Körper bei<br />

Weitem nicht so vollkommen wie sein Meister.<br />

Wie ein Regenbogen flirrte er durch die Luft im<br />

nächsten Sprung und kam außer Atem bei seinem<br />

Lehrmeister an. Er schnappte kurz nach Luft, sein<br />

Kopf ruckte hoch, und seine Nüstern blähten sich.<br />

»Meister, ich wittere etwas …«<br />

Aldavinur nickte und deutete mit ausgestreckter<br />

Kralle nach links, ungefähr fünfzig Höhenschritte<br />

unter ihnen. Spitz und steil ragten die Klingfelsen<br />

auf, voller Zacken und Sporne. Abweisend gegen<br />

jeden, der keine Flügel besaß oder nicht mehr als<br />

vier Beine.<br />

»Meine Eltern haben mir verboten, dorthin zu<br />

gehen«, sagte Efrynn.<br />

»Aus gutem Grund«, erklärte Aldavinur. Er hatte<br />

den Jungen in letzter Zeit einige Male dabei ertappt,<br />

wie der sich heimlich hinunterschleichen wollte.<br />

»Du musst sehr vorsichtig sein und darfst keinen<br />

falschen Schritt tun. Sprich nicht, stoße keinen Laut<br />

aus. Halte dich genau an meine Anweisungen!«.<br />

Vorsichtig kletterte er den steilen Felsgrat hinunter.<br />

Hier, zwischen den Bergen, trafen verschiedene<br />

Luftschichten aufeinander und erzeugten ihren<br />

eigenen Wind, der sich niemals über die Grate<br />

erhob, sondern durch die Schluchten und Täler<br />

donnerte, schneller und zerstörerischer als ein<br />

Wolkensturm.<br />

Dieser Wind war es auch, der die Klingfelsen<br />

umwarb und umschmeichelte, der mit ihnen spielte<br />

wie auf einer Harfe und ihnen Lieder entlockte, die<br />

von Krallen handelten, von Blut und Tod, von<br />

Schneidschlingen und Würgenetzen, von Giftzähnen<br />

und Stacheln. Es waren schaurige Lieder, die dem,<br />

der ihre Sprache nicht verstand, allein schon wegen<br />

ihres Klangs die Haare zu Berge stehen ließen.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Die Fyrgar ertrugen diese schrillen Misstöne nicht,<br />

und für Aldavinurs besonders empfindliche Ohren<br />

waren sie eine Qual. Es fiel ihm schwer, Gleichmut<br />

zu bewahren und die Klingfelsen als Teil des großen<br />

Ganzen zu sehen. Hohn und Spott verbreiteten sie<br />

über die Täler. Nicht einmal Flechten konnten dort<br />

wachsen, wo deren Schall hindrang.<br />

Nur eine einzige, zumeist sehr verborgene Lebensform<br />

gedieh in harmonischer Eintracht mit den<br />

spitzen, schmalen, messerscharfen Felskanten, die<br />

aufragten wie gebogene Zähne und Stacheln. Es gab<br />

nur wenige Stellen dort unten, an denen Pranken<br />

oder Hände Halt fanden, kaum Überhänge und<br />

Hochflächen, nur Löcher, Spalten und Höhlen, in die<br />

kein Licht eindringen konnte, aus denen nur Finsternis<br />

herausdrang. Viele der kleinen Löcher waren<br />

rund und so angeordnet, dass der Wind hindurchstrich<br />

wie bei einer Flöte und das schaurige Konzert<br />

nur noch verstärkte.<br />

Efrynn schob sich neben Aldavinur, und er konnte<br />

sehen, dass dem Jungen nun doch etwas von seinem<br />

Forscherdrang und Mut abhandengekommen war.<br />

Mit dem Kopf nach unten zu verharren behagte ihm<br />

nicht sonderlich, und der Blick hinüber war wenig<br />

erbaulich. »Meister, es klingt furchtbar«, flüsterte<br />

er seinem Beschützer zu. Seine Wangenschuppen<br />

sträubten sich. »So schlimm hat es sich noch nie an<br />

angehört …«<br />

»Sie rufen zur Jagd«, murmelte Aldavinur. Efrynn<br />

war manchmal recht ungeschickt. Er hatte gerade<br />

zugegeben, dass er sich schon mehrmals heimlich<br />

hierhergeschlichen hatte. Doch der Lehrmeister<br />

verzichtete auf eine Ermahnung. »Das sind nicht nur<br />

die Felsen, die da singen.«<br />

»Aber ich sehe nichts …«<br />

Auch Aldavinur konnte nichts erkennen, und das<br />

beunruhigte ihn. Kein hauchfeines Gespinst, kein<br />

abgesetztes Schwarz vor den silbergrauen Felsen.<br />

Und das zu Spinnweb! Erstaunlich, denn gerade jetzt<br />

kamen sie häufiger hervor. Oft verirrten sich Zugvögel<br />

oder Klippspringer auf der Reise in tiefere,<br />

wärmere Gefilde hierher. Sie waren willkommene


Beute vor dem Schlaf bis zum Frühjahr. Den Winter<br />

hier oben hielten nur wenige Tiere ohne Winterschlaf<br />

aus, und auch Aldavinur musste daran<br />

denken, bald Vorräte anzulegen.<br />

»Du solltest besser hierbleiben und mir Rückendeckung<br />

geben«, ordnete er an.<br />

Efrynn schüttelte heftig den Kopf. »Du wirst mich<br />

hier nicht auf halber Höhe im Zwischennichts<br />

zurücklassen, Meister! Ich gehe mit dir dorthin.«<br />

»Du hast zu gehorchen.«<br />

»Aber in diesem Fall gehorche ich nicht!«<br />

Aldavinur richtete seine Turmalinaugen auf den<br />

aufsässigen Jungen, und der wich rasch dem Blick<br />

aus, doch seine trotzige Miene blieb.<br />

»Da braucht jemand unsere Hilfe, und du wirst auf<br />

meine Unterstützung nicht verzichten können,<br />

Meister!«<br />

Aus diesem Grund trug er den Namen: das stolze<br />

Kind.<br />

Erneut unterließ Aldavinur den Tadel. »Wem auch<br />

immer hier etwas zugestoßen ist, der ist nicht mehr<br />

am Leben, Efrynn. Ich gehe nur nachsehen, welche<br />

Ursache das hatte, um nötigenfalls Vorsorge zu<br />

treffen, dass es kein zweites Mal passiert.«<br />

»Und wenn du dich irrst? Außerdem können die da<br />

drin mir nichts anhaben. Ich bin sehr schuppig,<br />

anders als du.« Er spannte die Rückenmuskeln an,<br />

und kleine Stacheln richteten sich auf. »Siehst du?«<br />

»Seit wann …«, entfuhr es Aldavinur verblüfft. Er<br />

unterbrach sich und winkte mit einer Pranke ab.<br />

»Wir sprechen nachher darüber. Also gut. Du darfst<br />

mitkommen – aber von jetzt an wirst du mir widerspruchslos<br />

gehorchen.«<br />

»Verstanden, Meister!«, versicherte Efrynn eifrig.<br />

Seine Wangen glühten rot auf.<br />

Aldavinur stieß sich ab und überwand den Abgrund<br />

zwischen den beiden Bergen, durch die verwirbelten<br />

Luftströme hindurch. Das war die unsichtbare<br />

Grenze zwischen dem östlichen und dem südlichen<br />

Gebirgszug, hier endete das Gebiet der Fyrgar.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Wenn man von den Klingfelsen aus immer weiter<br />

südlich wanderte, gelangte man zur Unendlichen<br />

Wüste, die sich von Osten nach Westen, von Meer<br />

zu Meerbusen zog, von Luvgar bis Nerovia. Auf der<br />

anderen Seite des Meerbusens lag Ishgalad, von<br />

dem man heute nicht mehr viel wusste. Die Seefahrer<br />

bereisten nur die Inseln dazwischen, bis zu einer<br />

gewissen, nie verbürgt festgelegten Grenze, aber<br />

keinesfalls bis in das große Reich des Westens.<br />

Umgekehrt schien auch Ishgalad diese geheimnisvolle<br />

Grenze zu achten, denn nie kam es zu einer<br />

Begegnung auf See.<br />

Diese Trennung des Reiches geschah vor langer Zeit<br />

während des Titanenkrieges, als Götter und Mächtige<br />

um die Herrschaft über Waldsee kämpften. Die<br />

letzte Schlacht fand auf dem Titanenfeld in Valia<br />

statt und endete in einem solch schrecklichen<br />

Gemetzel, dass dies das Ende des Krieges bedeutete,<br />

ohne dass es einen Sieger gegeben hätte. Die<br />

ursprünglichen Vier Königreiche waren für immer<br />

zerstört, und Ishgalad wurde zudem durch eine<br />

gewaltige Katastrophe von den anderen Reichen<br />

getrennt, ein riesiges Loch tat sich durch einen<br />

Einschlag plötzlich auf im Kontinent und füllte sich<br />

in einer gewaltigen Springflut mit Meerwasser. Ein<br />

Dämon sollte dies ausgelöst haben, hieß es, der in<br />

der Schlacht verwundet wurde und dessen austretende<br />

Lebensessenz das Gefüge der Welt aus dem<br />

Lot gebracht hatte. Es war natürlich eine Legende,<br />

aber nicht unmöglich, wenn man bedachte, dass an<br />

jenem Tag auch Götter fielen, dunkle ebenso wie<br />

helle.<br />

Nur ein schmaler Streifen Land blieb erhalten, eine<br />

tödlich heiße Wüste im äußersten Süden, doch<br />

dieses Gebiet war noch niemals durchquert worden.<br />

Seit der Titanenschlacht war Ishgalad von den<br />

anderen Ländern getrennt, und es kam nie wieder<br />

zu einer Verbindung, nicht einmal mittels den Luftschiffen<br />

der Daranil. Es war, als läge dazwischen<br />

nicht nur das Meer, sondern auch eine Schutzmauer.<br />

Seltsam, dass Aldavinur sich genau in dem Moment<br />

daran erinnerte, als sein Körper durch die Luft flog,


evor er geschmeidig auf der anderen Seite aufkam<br />

und sich mit steil hochgerecktem Schwanz auf<br />

einem schmalen Grat im Gleichgewicht hielt. Als<br />

hätte der Gesang der Lüfte diese Bilder in ihm<br />

hervorgerufen, irgendwelche Überbleibsel des<br />

nächtlichen Sturms aus Westen. Eine Botschaft, die<br />

er durch Zufall empfing? Hatte er je daran gedacht,<br />

mehr über Ishgalad herauszufinden? Schließlich<br />

rühmten sich die Fyrgar, dass sie alles wüssten über<br />

Waldsee.<br />

»Das Wissen kommt zu uns, wenn es an der Zeit ist«,<br />

lautete ein Spruch des Volkes. »Was wir nicht<br />

wissen, hat keine Bedeutung.« Die Fyrgar warteten<br />

seit je her ab. Früher oder später erfuhren sie alles.<br />

Und sie würden ebenso alles bewahren.<br />

Efrynn hatte ab und zu davon gesprochen, wenigstens<br />

einmal das ganze Gebirge zu durchwandern,<br />

um mit eigenen Augen zu sehen, was er nur vom<br />

Hörensagen wusste. Seine Eltern waren über dieses<br />

Ansinnen entsetzt gewesen. Fyrgar wanderten<br />

nicht, sie blieben und bewahrten, beobachteten und<br />

lauschten, ließen das Wissen zu sich kommen. Sie<br />

versuchten, den Göttern so nah zu sein wie möglich,<br />

vor allem Lúvenor, dem Schöpfergott und Beschützer<br />

der Alten Völker, zu denen auch die Fyrgar<br />

gehörten.<br />

Aldavinur hatte den Jungen streng ermahnt, doch<br />

wie konnte er einen solchen Forscherdrang ausmerzen?<br />

Das war unmöglich. Deshalb nahm er Efrynn<br />

jetzt mit, das heutige Abenteuer würde ihn wieder<br />

für einige Zeit zufriedenstellen, bevor er von neuer<br />

Ruhelosigkeit erfüllt würde. Und Efrynn, das stolze<br />

Kind, musste Erfahrungen sammeln, um zu erkennen,<br />

wie falsch sein Streben war.<br />

Es gab Fyrgar, die ebenso ruhelos waren wie der<br />

Junge. In früheren Zeiten war es immer wieder<br />

vorgekommen, dass der eine oder andere nach dem<br />

Gang durch das Feuer auf die Dritte Stufe die Berge<br />

verließ, um im Tiefland seine Dienste anzubieten.<br />

Dort unten nannte man diese sterblich gewordenen<br />

Fyrgar ehrfürchtig »die Flammenritter«, weil sie den<br />

Umgang mit dem Schwert in Vollendung<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

beherrschten, doch bei ihrem eigenen Volk galten<br />

sie als Narren und vor allem als blutgierige Söldner.<br />

Man sprach nicht über sie. Die letzten Fyrgar waren<br />

wohl vor tausend Jahren gegangen, aber Aldavinur<br />

hatte keinen von ihnen gekannt. Sie hatten ziemlich<br />

weit entfernt in den westlichen Ausläufern des<br />

Gebirges gelebt. Er hatte sich nicht darum gekümmert;<br />

wenn jemand gehen wollte, dann war es<br />

dessen freie Entscheidung. Er urteilte auch nicht<br />

über diese sogenannten »Abtrünnigen«, über die<br />

der Rat sich empörte.<br />

Andererseits konnte er die Besorgnis durchaus<br />

verstehen, dass solches Verhalten eines Tages zu<br />

Verwicklungen führen konnte, wenn dadurch etwa<br />

die Lebensweise der Fyrgar bekannt würde oder<br />

wenn sich mehrere Tiefländer auf den Weg zu ihnen<br />

herauf machen würden. Ab und zu kam das zwar<br />

vor, aber es waren immer nur Einzelne, die den Pfad<br />

der Erleuchtung betreten wollten oder nach Erlösung<br />

suchten, und keiner von ihnen kehrte wieder<br />

zurück.<br />

Aldavinurs erste Vermutung, nachdem er den<br />

Schrei gehört hatte, war deshalb, dass es sich um<br />

einen solchen ungeladenen Besucher handelte, dem<br />

etwas zugestoßen war. Vielleicht hing dies auch mit<br />

den Stürmen der letzten Zeit zusammen, die immer<br />

aus Westen kamen …<br />

©Andrä Martyna


Ich habe USCHI ZIETSCH zu den<br />

„Chroniken von Waldsee“-Romanen<br />

befragt. Die Antworten möchte ich<br />

nicht vorenthalten.<br />

A.B.: Waldsee gehört zu den ältesten<br />

und größten Welten des „Träumenden<br />

Universums“. Eine Welt<br />

voller Magie. Alter Völker und Artefakte.<br />

Wie kam es zu der Idee dazu?<br />

Wann wurde sie in dir geboren?<br />

Wie hat sie sich entwickelt?<br />

U.Z.: Das „Träumende Universum“<br />

wurde 1977 geboren als ich mit meinem dicken,<br />

niemals veröffentlichten Fantasy-Erstling anfing. Ich<br />

schrieb damals zum ersten Mal in diesem Bereich,<br />

und daraus entwickelte sich schnell nicht nur eine<br />

Geschichte, sondern ein ganzes Universum, weil erst<br />

so viele Fragen über den Hintergrund beantwortet<br />

werden mussten, bevor ich die eigentliche<br />

Geschichte erzählen konnte. Ich legte mir damals<br />

einen Karteikasten an, der schnell auf über 1000<br />

Stichpunkte anschwoll.<br />

Nachdem ich meinen Erstling abgeschlossen und<br />

Kontakte zu Verlagen geknüpft hatte, entwickelten<br />

sich auch die Geschichten und vor allem Welten im<br />

Träumenden Universum rasch weiter. Neben der<br />

Zaubererwelt Lerranee aus „Sternwolke und Eiszauber“<br />

drängelte sich auf einmal Waldsee in den<br />

Vordergrund, diese große alte, wunderbare Welt.<br />

Die erste Geschichte daraus war „Der Stern der<br />

Götter“ (Fabylon), der auf einer Insel spielt, doch<br />

Waldsee hatte noch mehr zu bieten – und da hatte<br />

ich auf einmal das Stichwort „Visionenritter“ im<br />

Kopf, das war der zündende Funke, und ich entwickelte<br />

eine Idee mit einigen Szenen drumherum,<br />

die dann gut 20 Jahre in der Schublade vor sich<br />

hinschlummerte.<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

A.B: Gibt es für den Fantasyleser<br />

etwas Besonderes in der Welt von<br />

Waldsee zu entdecken? Was grenzt<br />

sie ggfs. von den gängigen Fantasy-<br />

Mehrteilern ab?<br />

U.Z.: Abgesehen von Menschen und<br />

Zwergen (die bei mir allerdings<br />

anders sind als das übliche Klischee,<br />

beispielsweise sind Zwergenfrauen<br />

äußerst sexy, geschäftstüchtig und<br />

haben keinen Bart) sind die Völker<br />

und Strukturen von mir gestaltet<br />

und haben nichts mit den klassischen<br />

„Mittelerde“-Grundlagen gemein. Auch die<br />

Schöpfungsmythologien und göttlichen Gesetzmäßigkeiten<br />

unterscheiden sich ganz erheblich, da ein<br />

ganzes Universum den Hintergrund bildet, dessen<br />

Struktur und Entwicklung eindeutig definiert ist. Die<br />

Welten sind oftmals miteinander durch Tore verbunden,<br />

und es ist auch möglich, mit<br />

Sternen(segel)schiffen zu reisen. Das Universum<br />

selbst ist auch belebt, da es eine gewisse Atmosphäre<br />

gibt.<br />

Die Trilogie ist in eine viel größere Geschichte<br />

eingebettet, auch wenn sie in sich abgeschlossen<br />

ist. Als Ambiente habe ich das späte Mittelalter mit<br />

Rittertum gewählt, dem vor allem die Menschen<br />

anhängen – kein Wunder, da sie so gut wie nicht<br />

über Magie verfügen, müssen sie sich ja irgendwie<br />

gegen die zahlreichen anderen Völker behaupten<br />

können. Der durchschnittliche Standard ist so um<br />

das 17.-18. Jahrhundert anzusiedeln. Würde mich<br />

aber nicht wundern, wenn da irgendwo Dampfmaschinen<br />

rumfahren, auch wenn sie bisher nicht<br />

erwähnt wurden – schmunzel. Skurriles und Phantasievolles<br />

ist an fast jedem Ort auf Waldsee zu<br />

finden, auch viele märchenhafte Elemente, Strukturen<br />

und Geschichten. Da gibt es noch vieles zu<br />

entdecken.


A.B.: Im Oktober 2009 ist ein Band aus der Welt<br />

Waldsee erschienen. Ein One-Shooter, der den<br />

Titel “Nauraka” trägt. Erzähle uns doch mehr<br />

darüber.<br />

U.Z.: 1000 Jahre nach den Ereignissen der Waldsee-<br />

Trilogie ist von den Nauraka nur noch ein kleines,<br />

geschundenes Volk übrig, das seine Identität fast<br />

aufgegeben hat, und auch Tradition und Historie.<br />

Auch der Seedrache, einst eng verbunden mit dem<br />

stolzen Volk, das man auch von der Landbevölkerung<br />

ehrfürchtig "die Drachenzähmer" genannt hat,<br />

scheint für immer verschwunden.<br />

Erzählt wird die Geschichte eines adligen Geschwisterpaares,<br />

Erenwin und Lurdèa, die beide auf ihre<br />

Weise versuchen, das Volk zu retten. Erenwin ist<br />

dabei der Träumer, der ungewollt von einem Abenteuer<br />

ins nächste stolpert und dabei die größte<br />

Katastrophe verursacht, wohingegen Lurdèa versucht,<br />

die Traditionen zu wahren und dem Volk zu<br />

neuer Blüte zu verhelfen, und dabei vor allem<br />

Gewalt und Missbrauch ausgesetzt ist. Durch ein<br />

großes Unglück verschlägt es beide an Land, aber<br />

getrennt voneinander, und eine jahrelange Odyssee<br />

beider beginnt. Erenwin hat dabei noch das Problem,<br />

dass er zuvor auf dem Meeresgrund eine<br />

schwarze Perle gefunden hat, die ihn seither verän-<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

dert – innerlich wie äußerlich. Je mehr böse Taten<br />

er begeht, desto schwärzer wird sein Aussehen und<br />

nimmt groteske Formen an, die sich immer mehr<br />

einem Ungeheuer angleichen. Wie ein Fluch, von<br />

dem er lange Zeit nicht weiß, wie er sich befreien<br />

kann…<br />

A.B.: Im November 2010 erschien FYRGAR - VOLK<br />

DES FEUERS. Worum geht es in dem Roman der<br />

wieder im Träumenden Universum spielt?<br />

U.Z.: Da geht es um ein bisher nicht beschriebenes<br />

Volk, die Fyrgar. Dieser Roman greift Motive eines<br />

Schelmenromans auf und bietet viele skurrile Abenteuer.<br />

Die Fyrgar an sich sind schon sehr interessant<br />

und außergewöhnlich, da sie – auch körperlich –<br />

verschiedene Lebens-/Entwicklungsstadien durchlaufen,<br />

die sie durch nicht minder außergewöhnliche<br />

Umstände erreichen.<br />

Neugierig auf das TRÄUMENDE UNIVERSUM<br />

geworden? Dann tauchen Sie ab in die spezielle<br />

Fantasywelt der Uschi Zietsch oder auf<br />

der Website: http://www.traeumendesuniversum.de/


Natürlich darf ein Artikel über die rührige Literatin<br />

ein Thema nicht aussparen. Das sind die verlegerischen<br />

Aktivitäten der Frau für die das Wort „multitasking“<br />

erfunden worden sein muss.<br />

In ihrem Verlag FABYLON erschienen jüngst zwei<br />

neue Werke. Wie gewohnt sind beide im Innenbereich<br />

reich bebildert. Sind also im doppelten Sinne<br />

ein Augenschmaus.<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Da wäre die von Jörg Weigand herausgegebene<br />

Anthologie<br />

ZWEI ENGEL DER NACHT<br />

Fabylon - Anthologie - Phantastische Geschichten<br />

Broschiert - 256 Seiten - 13.00 EUR<br />

ISBN: 9783927071339 - März 2011<br />

Covergrafik: Rainer Schorm<br />

Innengrafiken: Andrä Martyna<br />

Mit Nachwort und Autorenbiographien<br />

Jede Geschichte wurde mit einer Entry-Grafik versehen.<br />

Es gibt viele Engel der Nacht zwischen Gut und Böse.<br />

Finden Sie heraus, welcher der Ihre ist ...<br />

Story-Verzeichnis<br />

portrait<br />

Wolfgang Hohlbein: Engel der Nacht<br />

Der sterbende Monsignore<br />

Gerber besucht am<br />

Tag der Sonnenfinsternis<br />

1999 eine Kirche. In den<br />

letzten Monaten ist er<br />

mehrmals hier gewesen,<br />

seit er die Diagnose des<br />

tödlichen Kopftumors<br />

erhalten hat. In dieser<br />

Kirche, die über mehrere<br />

Stufen nach oben betreten<br />

wird, steht ein 2 m großer<br />

weißer Marmorengel auf<br />

einem weißen Marmorsockel,<br />

mit dem der<br />

Priester sich bei seinen Besuchen unterhalten hat<br />

- und der Engel mit ihm. Er ist gütig, androgyn, sanft,<br />

mit mächtigen Schwingen und einem langen<br />

Gewand. Auch heute spricht der Engel wieder zu<br />

Gerber, doch diesmal empfängt der Sterbende<br />

keinen Trost, sondern führt einen Disput über die<br />

Existenz Gottes, was ihn schwer in seinem Glauben<br />

erschüttert.


Während draußen die Sonnenfinsternis voranschreitet,<br />

warnt der Engel Gerber vor der letzten Erkenntnis.<br />

Aber genau wie Lots Frau will Gerber sie<br />

erhalten ...<br />

Uschi Zietsch: Mein ist die Nacht<br />

Arabella Pusteblume ist eine Puppe, mit der Lara-<br />

Ann am liebsten gespielt hat. Jede Nacht, wenn alle<br />

schlafen, erwacht das Spielzeug zu Leben und feiert<br />

Party. Arabella erinnert sich als Einzige auch an das<br />

Tagesgeschehen, denn in ihr ruht der Tabalin, ein<br />

Geist der Nacht.<br />

Eigentlich ist Lara-Ann schon zu alt für Puppenspiele.<br />

Doch irgendetwas hält den Schutzgeist noch<br />

bei ihr. Und dann fängt Lara-Ann an, sich zu verändern.<br />

In der Schule wird sie immer schlechter, mit<br />

der Mutter, die nicht zuhört, hat sie ständig Streit.<br />

Eines Nachts öffnet sich die Tür zu Lara-Anns<br />

Zimmer, und etwas kommt herein ...<br />

Jan Osterloh: Nachtwanderung<br />

Ein Biolehrer ist mit einer Schulklasse zur Nachtwanderung<br />

im Wilsamtal. Er findet es scheußlich, weil<br />

die Kinder rumlärmen und so gar nichts vom nächtlichen<br />

Wald mitbekommen. Auf einmal wird alles<br />

angehalten und steht still - bis auf Groot. Den<br />

Zauber hat das Eifeler Waldmännchen namens Hans<br />

verursacht, denn es braucht Groots Hilfe: Seine<br />

große Liebe ist in der Vergangenheit gefangen ...<br />

Karla Weigand: Elisabeths letzte Reise<br />

Die alte Elisabeth hat eine Menge Gepäck dabei, als<br />

sie mit dem Zug verreisen will. Natürlich steht der<br />

Zug am letzten Gleis und sie muss bis ganz vor in<br />

den ersten Waggon. Nach einer Weile stellt sie fest,<br />

dass sie die einzige Reisende an Bord ist, es gibt<br />

außer ihr nur noch den freundlichen Zugbegleiter.<br />

Doch draußen am nächtlichen Fenster zieht nicht<br />

die Landschaft vorbei ...<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Jörg Kastner: Verboten<br />

Paul lebt in einer Welt, in der die EU die Gesamtkontrolle<br />

über die Länder übernommen hat und es<br />

keine Einzelregierungen mehr gibt. Seine Ehe ist<br />

lieblos, seine Frau hält sich streng an die Vorschriften<br />

und ist EU-treu. Paul hingegen vermisst<br />

sein früheres Leben, und am allermeisten Bücher.<br />

Diese gelten als streng verboten und wurden dereinst<br />

in einer Großaktion verbrannt oder vernichtet.<br />

Doch auf dem Schwarzmarkt gibt es sie noch ...<br />

Katja Göddemeyer: Rendezvous am See<br />

Die über 70jährige Sofia ist seit einem Jahr Witwe.<br />

Ihr Mann ist bei einem tragischen Unglück im See<br />

im nahegelegenen Park ertrunken. Seither geht<br />

Sofia jeden Sonntag an den See, um mit ihrem<br />

verstorbenen Mann, einem Basken, zu plaudern. Sie<br />

vermisst ihn unendlich. Doch eines Tages ist Serge<br />

nicht da, und ein fremder Mann spricht sie an ...<br />

Frank G. Gerigk: Sasquatch<br />

Vier Männer haben eine Bank in den USA überfallen<br />

und sind nun auf der Flucht Richtung Kanada. Zuerst<br />

im Auto, verirren sie sich irgendwann in der Wildnis<br />

und müssen sich zu Fuß durch die beginnende<br />

Dunkelheit durch die Wald-Wildnis schlagen. Als sie<br />

auf ein Gleis treffen, folgen sie ihm. Ein Geisterzug<br />

wird für zwei von ihnen zum Verhängnis, und die<br />

Überlebenden befürchten, dem unheimlichen<br />

Wesen Sasquatch in die Hände zu fallen ...<br />

Rainer Schorm: Tineidae<br />

Ein Mann befindet sich in der Psychiatrie in einem<br />

geschlossenen Raum. Er glaubt, dass überall hauchfeine<br />

schwarze Haare herauswachsen und ihn überwuchern,<br />

und mit ihnen kommt die tödliche Kälte.<br />

Sein Freund beobachtet ihn geschockt und will sich<br />

auf die Suche nach dem Grund für diesen plötzlichen<br />

Verfall machen. Zuletzt war der Mann in eine dunkle<br />

Schönheit verliebt gewesen. Doch je öfter er die<br />

Frau traf, desto verwirrter und verwahrloster wurde<br />

er. Und dann begegnet der Freund der geheimnis


vollen Frau und fühlt sich unwiderstehlich zu ihr<br />

hingezogen ...<br />

Gisbert Haefs: Die Nacht gestalten<br />

Mitten in der syrischen Wüste zum Nachtlager<br />

treffen sich Reisende: Alastor aus Ephesos, Rahim<br />

der Araber, Trebonius der Römer, Kylaxais der<br />

Skythe, Gunavata aus Indien und Kurush aus Persien.<br />

Sie teilen Brot und Salz, das Feuer und<br />

Geschichten. Alastor bemerkt zu seinem Namen:<br />

»Alastor ist der Dämon des Fluchs, der auf einem<br />

Frevel ruht«, sagte der Grieche mit einem schrägen<br />

Grinsen. »Er rächt einen Frevel, wodurch er einen<br />

neuen hervorruft. Hat jemand von euch einen Frevel<br />

zu rächen? Soll ich helfen?« Niemand nimmt das<br />

ernst. Doch am Morgen ist einer von ihnen tot ...<br />

Jörg Weigand: Der Gesang der schwarzen Kiefern<br />

Seit sie zwölf Jahre alt war, fühlt Velda sich von den<br />

schwarzen Kiefern auf einem Hügel wie magisch<br />

angezogen. Oft schlafwandelt sie dorthin, um ihrem<br />

Gesang zu lauschen, aber sie geht auch bewusst des<br />

Nachts hinauf auf den Berg. In einer Vollmondnacht<br />

breitet sie die Arme aus und singt mit ihren schwarzen<br />

Baumfreunden ...<br />

Manfred Borchard: Bericht an keine Akademie<br />

Ein Autor ist damit beauftragt, Aufklärung für seltsame<br />

Vorfälle zu finden: Irgendwann häuften sich<br />

die immer gleichen Berichte über die seltsamen<br />

Toten in allen Teilen der Welt, die alle das gleiche<br />

Schicksal teilten - tot gefroren, so eiskalt, als wären<br />

sie aus dem Weltall tot geboren. Und schwarz waren<br />

sie alle, schwarz wie das Weltall. Wenn man sie nur<br />

ein bisschen berührte, zerfielen sie wie zweitausendjährige<br />

Mumien. Trotz des grausam erscheinenden<br />

Todes zeigen die Opfer eine verzückte<br />

Miene ...<br />

Helmut Ehls: Sieben von neun Glocken<br />

Um der Langeweile ihrer Ehe mit Arthur C. Dent zu<br />

entfliehen, geht die Science Fiction-Muse Urania ins<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

Darkover, dem angesagtesten Club der Stadt. Dort<br />

trifft sie zufälligerweise Cpt. Janeway, Barbarella<br />

und Ripley und verbringt eine vergnügte und<br />

berauschte Nacht. Als sie jedoch herausfindet, dass<br />

ihr Mann eine neue Muse hat, will sie mehr über die<br />

Rivalin herausfinden - und deckt dabei Dinge auf,<br />

die besser verborgen geblieben wären ...<br />

Monika Niehaus: Diesseits von Eden<br />

Auf einer namenlosen kleinen Insel im Mittelmeer<br />

steht eine Frau auf einem Felsvorsprung.<br />

Bei ihr ist ein Mann, ein Freund, der zugleich Wissenschaftler<br />

ist. Die Frau ist durch einen Tumor zum<br />

Tode verurteilt. Ihr Mann lebt schon lange nicht<br />

mehr, sie hat sonst niemanden.<br />

Weil sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, bittet<br />

sie den Wissenschaftler, sein Gen-Experiment, an<br />

dem er gerade arbeitet, an ihr zu testen ...<br />

Markus Kastenholz: Von Menschen und Wölfen<br />

Thalberg ist ein zwanghafter Pädophiler, der kleinen<br />

Mädchen auflauert, sie in den Wald entführt und<br />

dort vergewaltigt. Einmal hat sich ein Mädchen<br />

gewehrt, woraufhin er es getötet hat. Dafür wird er<br />

verurteilt. Inzwischen ist er auf freiem Fuß - und<br />

begegnet erneut einem kleinen Mädchen, als er in<br />

seinem klapprigen alten Auto auf dem Weg nach<br />

Hause ist.<br />

Thalberg weiß nicht, ob er der Versuchung widerstehen<br />

kann ...<br />

Corinna Kastner: Engel der Nacht<br />

In einer Zeit vor Gründung der Gewerkschaften<br />

arbeitet Friedrich Hansen in einer Fabrik, deren<br />

Besitzer keinen Wert auf Arbeitssicherung legt.<br />

Immer wieder kommt es zu Unglücks-, wenn nicht<br />

Todesfällen. Weil Hansen die Arbeiter zusammenbringen<br />

will, um gegen diese Missstände zu demonstrieren,<br />

wird er vom Besitzer entlassen. Auf der<br />

Straße begegnet er einem merkwürdigen, etwa<br />

15jährigen Mädchen, das immer dann zur Stelle ist,<br />

wenn ihm beinahe ein Unglück passiert ...


.. und der <strong>Kurzgeschichten</strong>band des Autors<br />

Thomas Wawerka:<br />

WIE DAS UNIVERSUM UND ICH FREUNDE WUR-<br />

DEN<br />

Thomas Wawerka<br />

Fabylon - Social Fiction-Storys<br />

Broschiert - 264 Seiten - 13.50 EUR<br />

ISBN: 9783927071346 - März 2011<br />

Cover- und Innenillustrationen: Yvonne Dick<br />

Mit einem Vorwort von Andreas Eschbach<br />

Bei Wawerka stehen zwischenmenschliche Beziehungen,<br />

Konflikte und Dramen im Mittelpunkt von<br />

Geschichten, die mal grotesk, mal klassisch fantas-<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

tisch, mal surreal, vor allem aber eines sind: unterhaltsam.<br />

Wawerka ist ein Autor der leisen Töne -<br />

zumindest so lange, bis es kracht und er eine<br />

Wendung herbeizaubert, die es in sich hat und die<br />

Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit so noch nie<br />

gelesen haben. Rechnen Sie damit, zum Nachdenken<br />

angeregt zu werden. Erwarten Sie Abwechslung<br />

und originelle Ideen.<br />

Story-Verzeichnis<br />

Die Mutter des Abends<br />

Hippokratisches Gleichnis<br />

Wie das Universum und ich Freunde wurden<br />

Begegnung auf Golgatha<br />

Die Göttin des Überflusses<br />

Gezählte Tage<br />

Advent: Ankunft<br />

Der alte Mann und das Glück<br />

Wir könnten Kolumbus fragen<br />

Animal Farm<br />

Auf der nächsten Stufe<br />

Routinejob<br />

Auf der anderen Seite<br />

Ich habe Uschi Zietsch zu eben jenen Veröffentlichungen<br />

befragt.


A.B.: Liebe Uschi, heute möchte mit Dir über die<br />

aktuellen FABYLON-Titel reden. Jüngst erschienen<br />

zwei neue Werke. Darauf möchte ich näher eingehen.<br />

Zuerst auf die Anthologie ZWEI ENGEL DER<br />

NACHT, unter der Herausgabe von Jörg Weigand.<br />

Was hat Dich an dem Projekt gereizt?<br />

U.Z.: Der Herausgeber, Jörg Weigand, hatte mich<br />

ursprünglich um eine Story für eine von ihm<br />

geplante Anthologie gebeten. Darüber verging<br />

einige Zeit, und schließlich trat er mit dem gesamten<br />

Projekt an mich als Verlegerin heran. Der Großteil<br />

der Stories konnte mich überzeugen, und nach dem<br />

guten Erfolg der DARK LADIES konnte ich mir das<br />

Projekt bei uns gut vorstellen.<br />

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Jörg Weigand?<br />

U.Z.: Wir kennen uns schon sehr lange, seit Ende<br />

der 80er Jahre, und hielten den Kontakt über die<br />

Jahre immer wieder bei einigen gemeinsamen Projekten<br />

aufrecht.<br />

A.B.: Die Autorenriege u.a. mit Wolfgang Hohlbein,<br />

Jörg Kastner und Gisbert Haefs liest sich beachtlich.<br />

Auch Du hast eine Story beigetragen. Verrate uns<br />

doch kurz, was den Leser darin erwartet und wie<br />

Du auf die Idee zu dem speziellen Plot kamst.<br />

U.Z.: Das Zentralthema war „Nacht“ und alles was<br />

damit zu tun hat. Ich wollte daher Nyx in einer<br />

Inkarnation als Geist der Nacht darstellen, gleichzeitig<br />

bot sich die Gelegenheit, mal wieder ein zeitgenössisches<br />

Thema aufzugreifen. Ursprünglich, bevor<br />

ich zur Phantastik kam, habe ich hauptsächlich<br />

zeitgenössische <strong>Kurzgeschichten</strong> verfasst, und ich<br />

schreibe sie auch heute noch gern, vor allem in<br />

Verbindung mit einem phantastischen Element.<br />

Misogynie, Missbrauch und Gewalt gegen Frauen<br />

ist für mich ein sehr wichtiges Thema, das ich 2008<br />

auch für die Ausschreibung von amnesty internati-<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

onal mit dem Thema „Menschenrechte“ verwendet<br />

habe. Meine Geschichte „Aische“, in der es um die<br />

Verheiratung eines minderjährigen Mädchens mit<br />

einem sehr viel älteren Mann mit dem Segen der<br />

Eltern geht, gewann damals den ersten Preis. So lag<br />

es nahe, sich diesmal der häuslichen Gewalt zuzuwenden<br />

– aber zum Glück hat Lara-Ann ja einen<br />

„Schutzengel“, den jedes Kind haben sollte. Trotzdem<br />

ist es keine „nette“ Geschichte, und darauf kam<br />

es mir an.<br />

A.B.: Die Aufmachung dieser Anthologie ist schon<br />

wie die DARK LADIES I & II, die ja ebenfalls reichbebildert<br />

bei FABYLON erschienen, mit einer Entry-<br />

Grafik von Andrä Martyna zu jeder Story versehen.<br />

Wieviel Wert legst Du besonders bei dieser Literaturgattung<br />

auch auf Innengrafiken?<br />

U.Z.: Ich möchte am liebsten in jedem Fabylon-Buch<br />

Innenillustrationen haben. Das war schon immer so,<br />

und teilweise konnten wir es früher auch budgettechnisch<br />

machen, aber eben nicht bei allen<br />

Bänden, weil es damals mit der Belichtungstechnik<br />

noch sehr teuer war. Heutzutage kostet eine Grafik<br />

für die Satz- und Druckerstellung nicht mehr als eine<br />

Seite Text, deshalb können wir unsere Vorstellungen<br />

besser umsetzen. Ich finde Illustrationen gerade bei<br />

einer Anthologie sehr wichtig, sie dienen der Auflockerung,<br />

aber auch Unterstreichung der<br />

Geschichten.<br />

A.B.: Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzung der<br />

Grafiken in „Zwei Engel der Nacht“? Hast Du einen<br />

persönlichen Favoriten?<br />

U.Z.: Ich bin sehr zufrieden, es passt alles sehr gut<br />

zusammen. Am besten gefällt mir der laszive, hintergründige<br />

Engel zu Wolfgang Hohlbeins<br />

Geschichte. Sehr anrührend ist auch die Grafik zu<br />

Katja Göddemeyers „Rendezvous am See“ … ach<br />

was, mir gefallen alle.


A.B.: Was hältst Du generell von Anthologien?<br />

U.Z.: Ich halte sie für sehr wichtig, um den Lesern<br />

„Autoren kompakt“ nahezubringen, sie können so<br />

in einem einzigen Buch viele verschiedene<br />

Schreibstile und Erzählweisen kennenlernen und sie<br />

als Anregung nehmen.<br />

A.B.: Wo siehst Du ihre Vor- ,wo ihre Nachteile?<br />

U.Z.: Ich sehe den Sinn einer Kurzgeschichte hauptsächlich<br />

daran, dass sie auf knappem Raum sehr<br />

präzise sein muss. Sie soll mit wenigen, treffenden<br />

Worten den Leser zum Nach- und Mitdenken reizen.<br />

Bedeutende Themen werden so aufgegriffen und<br />

bearbeitet, und das gleich in mehrfacher Hinsicht<br />

durch die Beteiligung verschiedener Autoren, die<br />

viele Sichtweisen widerspiegeln. Gleichzeitig<br />

können die Geschichten aber auch bei unterhaltsamer<br />

Themenwahl pointiert und humorvoll zum<br />

kurzen Amüsement „zwischendrin“ beitragen, wenn<br />

man gerade keine Zeit für einen dicken Roman hat<br />

oder ständige Unterbrechungen hat, aber zur Kurzweil<br />

etwas lesen möchte.<br />

Der Nachteil liegt darin, dass die meisten Leser<br />

Romane lieber haben. Wenn die Kurzgeschichte<br />

gefällt, will man mehr davon haben, gefällt sie nicht,<br />

können selbst zwei Seiten zu viel sein.<br />

Leider verschließen sich ja Großverlage weitestgehend<br />

dem Verlegen von Anthologien. Auch da<br />

leisten Kleinverlage nach wie vor wertvolle Arbeit,<br />

damit dieses wichtige Mosaik im Literaturbild nicht<br />

gänzlich verschwindet. Dürfen sich die Leser weiterhin<br />

auf Anthologien aus dem Hause FABYLON<br />

freuen? Wenn ja, auf welche?<br />

U.Z.: Da wir nur ein sehr kleines Programm haben,<br />

werden wir unseren Focus in den nächsten beiden<br />

Jahren wieder mehr auf Romane legen – aber eine<br />

Anthologie haben wir dennoch geplant: Die DARK<br />

portrait<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

LADIES III, die sich diesmal auf erotischem Grund<br />

bewegen … da freue ich mich schon drauf.<br />

A.B.: Der zweite neue Titel in Deinem Verlagshaus<br />

ist die <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung WIE DAS UNIVER-<br />

SUM UND ICH FREUNDE WURDEN von Thomas<br />

Wawerka. Ein ungewöhnliches Projekt. Wie bist du<br />

auf Thomas, der ja schon eine Weile als „Insider-<br />

Tip“ gilt, aufmerksam geworden?<br />

U.Z.: Thomas hat mir seine Sammlung von sich aus<br />

angeboten. Da er sehr viele Geschichten auf Lager<br />

hat, haben wir überlegt, was wir am besten machen<br />

sollten – und uns schließlich für eine Richtung<br />

entschieden: Die Science Fiction, die aber gleichzeitig<br />

im Social Fiction-Bereich angesiedelt ist, denn<br />

immer geht es hier um die Menschen und ihre<br />

Fähigkeiten, in Extremsituationen zurecht zu<br />

kommen.<br />

A.B. Was erwartet die Leser in diesem Titel? Aus<br />

Sicht der Verlegerin. Wieso hat es Dich gereizt,<br />

dieses <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung zu verlegen?<br />

U.Z.: Alle Geschichten sind in einer näheren Zukunft<br />

oder parallelen Zeit angesiedelt; die Welt scheint<br />

vertraut, wenn da nicht doch plötzlich ein Element<br />

auftauchte, das aufzeigt, dass wir uns nicht in der<br />

Realität befinden. Bedingt durch sein Studium der<br />

Theologie setzt Thomas Wawerka sich auch mit dem<br />

Glauben auseinander und schafft erstaunliche Situationen<br />

und Begegnungen.<br />

Am meisten gereizt hat mich sein Erzählstil, der<br />

immer der jeweiligen Situation angepasst ist.<br />

Thomas Wawerka ist ein hervorragender Erzähler,<br />

der selbst aus einer scheinbar banalen Alltagsgeschichte<br />

wie der Pflegerin, die jeden Tag einen alten<br />

Mann betreut und gewissenhaft jede einzelne<br />

Minute notiert und berechnet, eine große Tragödie<br />

mit sehr viel Hintergrund herausholt (Der alte Mann<br />

und das Glück). In Die Göttin des Überflusses greifen<br />

die zum Aussterben verurteilten Menschen zum


letzten Strohhalm, noch einmal das Beste zu erleben<br />

und mit Würde abzutreten. Dann gibt es da noch<br />

die Geschichte von dem Mann, der angeblich auf<br />

dem Mars war, aber an einen Verkehrsunfall glaubt,<br />

und dessen Gedächtnis ihm aber Streiche spielt …<br />

Die Sammlung besteht aus solchen Geschichten mit<br />

unglaublichen Einfällen, nicht eine Story gleicht<br />

auch nur ansatzweise der anderen oder verfolgt ein<br />

bestimmtes Schema. Dass wir damit auf dem richtigen<br />

Weg sind, beweist das ausführliche Vorwort<br />

von Andreas Eschbach.<br />

A.B.: Auch dieser Band ist im Innenbereich illustriert.<br />

Von der Künstlerin Yvonne Dick, die einen<br />

sehr prägnanten Stil /und somit hohem Wiedererkennungswert)<br />

hat. Überhaupt fällt auf, dass<br />

FABYLON Wert darauf legt, jeden Titel optisch<br />

individuell zu gestalten. Ist das einVerlags-Credo?<br />

U.Z.: Ja, auf alle Fälle! Bild und Wort müssen zusammenpassen.<br />

Die Künstlerin wurde von Thomas<br />

Wawerka selbst vorgeschlagen, sie kannte seine<br />

Geschichten bereits und konnte daher präzise dazu<br />

arbeiten. Yvonne Dick ist Theaterbildnerin, dadurch<br />

kann sie mit wenigen Strichen sehr prägnant arbeiten.<br />

Auch das Cover stammt von ihr, und wenn man<br />

die Geschichte selben Namens dazu liest – übrigens<br />

eine humorvolle und augenzwinkernde – erkennt<br />

man gleich ihre Intention.<br />

A.B. Wird es eventuell weitere Titel von Thomas<br />

Wawerka bei FABYLON geben?<br />

U.Z.: Wir haben uns auf der Buchmesse in Leipzig<br />

darüber unterhalten, das ist durchaus denkbar.<br />

Thomas Wawerka ist sehr engagiert, man sollte ihn,<br />

seinen Ideenreichtum und sein hohes erzählerisches<br />

Talent nicht aus den Augen verlieren.<br />

USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />

ein Artikel von Alisha Bionda<br />

A.B.: Verrate uns doch abschließend bitte was<br />

generell als Nächstes bei FABYLON zu erwarten ist?<br />

U.Z.: Nächstes Jahr wird wie weiter oben angekündigt<br />

die DARK LADIES III erscheinen, ferner haben<br />

wir einen Sammelband mit Romanen und Geschichten<br />

sowie ein wenig „Beiwerk“ von Thomas<br />

Ziegler sowie einen Spezialband über Ernst Vlcek<br />

geplant, mit Biographie und Geschichten. Alle anderen<br />

Projekte sind in der Vorplanung und stehen<br />

nicht fest, aber wir werden in den nächsten beiden<br />

Jahren noch einen oder zwei Romane aus dem<br />

Bereich der High Fantasy bringen, sowie einen Beitrag<br />

aus der Dark Fantasy. Und wir werden auch<br />

endlich ebooks herausbringen, den Anfang wird<br />

unsere SunQuest-Serie machen.<br />

Somit möchte ich meine kleine Betgrachtungsweise<br />

auf USCHI ZIETSCH beenden – wer mehr über sie<br />

erfahren will, lese eines ihres Werke. Besser kann<br />

man die Autorin nicht kennenlernen, denn ihre<br />

Romane sprechen für sich.<br />

Und wer sich vorher schon einen Appetizer zu Gemüte<br />

führen will, darf sich in der kommenden Ausgabe<br />

des <strong>SpecFlash</strong> auf die Story von Uschi Zietsch<br />

aus der Anthologie „Zwei Engel der Nacht“ freuen.<br />

In diesem Sinne – immer ein gutes Buch zur Hand!<br />

Alisha Bionda<br />

portrait


Vian blickte konzentriert nach<br />

Nordosten. In der Ferne, hoch<br />

oben in den Hügeln, blitzte und<br />

funkelte es in wechselnden<br />

Farben. Am Tag war es nicht auffällig<br />

genug gewesen, um zufällig<br />

Aufmerksamkeit auf sich zu<br />

lenken, wenn man nicht danach<br />

suchte, aber jetzt in der beginnenden<br />

Dämmerung war es unverkennbar.<br />

»Es ist also wahr«, flüsterte Vian.<br />

»Le Merk hat einen Weg gefunden<br />

alte Kräfte zu erwecken.«<br />

Er stand einige Schritte vor<br />

seiner Hütte, die linke Hand an<br />

einen Baum gelegt, als wollte er<br />

sich absichern, falls die aufwühlenden<br />

Eindrücke ihn plötzlich ins<br />

Schwanken bringen sollten. Es war<br />

niemand in unmittelbarer Nähe,<br />

nur am Rande seines Sichtfeldes<br />

trotteten ein paar Dörfler herum,<br />

doch fehlte ihnen jede Bedeutsamkeit,<br />

um sie in diesem Moment<br />

überhaupt wahrzunehmen. So<br />

sprach Vian ausschließlich zu sich<br />

selbst. Wenn es so etwas wie<br />

einen hinreichenden Anlass gab,<br />

Selbstgespräche zu führen, dann<br />

war dies die Zeit. Er kam jedoch<br />

nicht dazu, damit fortzufahren.<br />

»Aber zu welchem Preis?«,<br />

fragte eine tiefe Stimme hinter<br />

seinem Rücken.<br />

Vian fuhr herum und sah das<br />

runzlige Gesicht seines Lehrmeisters.<br />

Tormen verstand es, unbemerkt<br />

aufzutauchen. Angeblich<br />

ganz ohne magische Tricks.<br />

»Erspart mir Euren Pessimismus,<br />

Meister. Ich weiß nichts von einem<br />

Preis.«<br />

»Das ist mir klar.«<br />

Warum nannte er Tormen<br />

eigentlich noch immer ‚Meister’?<br />

Seine Magie-Ausbildung war seit<br />

zwei Wochen abgeschlossen. Er<br />

musste sich das abgewöhnen.<br />

»Wisst Ihr vielleicht mehr,<br />

Tormen?«<br />

»Nein. Und das ist doch beunruhigend,<br />

findest du nicht?«<br />

»Nein.«<br />

»Nein. Natürlich nicht.«<br />

Sie hatten sich stets gut verstanden,<br />

aber sie hatten ihre Mein<br />

u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n .<br />

Besonders dann, wenn es um die<br />

alte Magie ging. Die Magie, die<br />

dieser Tage gelehrt wurde, war –<br />

aus Vians Sicht – ein schlechter<br />

Witz. Er hatte seine Ausbildung<br />

beendet und konnte nun einen<br />

Apfel blau färben, wenn er mit den<br />

Fingern schnippte, aber das war<br />

nichts im Vergleich dazu, was die<br />

Magier früherer Zeiten vermocht<br />

hatten. Vian war begierig darauf<br />

ihr Wissen eines Tages neu zu<br />

entdecken, aber Tormen, wenngleich<br />

er dieses Ziel früher einmal<br />

geteilt haben mochte, glaubte<br />

heute es sei besser so, wie es war<br />

– dass die Magie der alten Zeit<br />

vergangen war und Magier heute<br />

nur noch bessere Gaukler waren.<br />

Über dieses Thema hatten sie oft<br />

gestritten – oft genug. Vian wollte<br />

es nicht gerade jetzt wiederholen,<br />

kurzgeschichte<br />

Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

wo der Magier Le Merk offensichtlich<br />

einen Durchbruch erzielt<br />

hatte. Denn immerhin stand ein<br />

Großteil der Magier in dieser<br />

Debatte auf Seiten Vians – es<br />

mochte mit Risiken verbunden<br />

sein die alte Magie wiederzuerwecken,<br />

aber die geradezu grenzenlosen<br />

Möglichkeiten waren es<br />

wert. Diese Ansicht teilte auch der<br />

Hohe Rat, das höchste Gremium<br />

der Magier und ihrer aller Regierung.<br />

Lange hatten sie für eine<br />

vom Rest der Menschheit unabhängige<br />

Regierung streiten<br />

müssen, doch noch war die Magie<br />

nicht so kraftlos, dass sie nicht<br />

hätte helfen können dieses Ziel zu<br />

erreichen.<br />

Der Hohe Rat war es auch gewesen,<br />

der Le Merks viel versprechende<br />

Forschung, die sich vor<br />

allem auf die Reaktivierung alter<br />

und die Produktion neuer<br />

magischer Artefakte von großer<br />

Macht konzentrierte, gefördert<br />

hatte, indem ihm auf Kosten der<br />

Regierung Magier aller Schulen<br />

und Spezialisierungen unterstellt<br />

wurden. Selbst ein Nekromant und<br />

ein Dämonenbündler, deren Kunst<br />

sonst verboten war, obgleich Vian<br />

annahm, dass sie in heutiger Zeit<br />

erst recht über keine echte Macht<br />

verfügten, sollten gerüchteweise<br />

für Le Merk arbeiten.<br />

»Ich gehe ins Bett«, erklärte<br />

Vian, um weiteren Diskussionen<br />

mit Tormen auszuweichen. Es war<br />

eine bedeutsame Nacht, wenn –<br />

wie er annahm – in ihr tatsächlich


Artefakte von heute nicht mehr<br />

gekanntem Potenzial hergestellt<br />

wurden. Er würde die Ergebnisse<br />

ohnehin frühestens am nächsten<br />

Morgen bewundern können. Nun,<br />

er würde gewiss früh aufstehen.<br />

Irritiert bemühte Vian sich, zu<br />

sich zu kommen, als ihn mitten in<br />

der Nacht ein Klopfen weckte. So<br />

früh hatte er dann auch wieder<br />

nicht aufstehen wollen. Schlaftrunken<br />

näherte er sich der Tür. Erst<br />

auf halbem Wege fielen ihm die<br />

dünnen Lichtstrahlen auf, die<br />

durch Ritzen der Tür drangen. Da<br />

es jedoch noch lange nicht dämmerte,<br />

wie der Blick zum Fenster<br />

auf der anderen Seite eindeutig<br />

bewies, gab es nur eine Erklärung<br />

dafür, wer auf der anderen Seite<br />

der Tür darauf wartete, dass er die<br />

Müdigkeit abschüttelte.<br />

Rasch zog er sich einen Mantel<br />

über und etwas an die Füße. Wenn<br />

sein Gast der war, von dem er es<br />

annahm, dann würde er wahrscheinlich<br />

nicht so bald zurück ins<br />

Bett kommen. Er öffnete die Tür<br />

und fand seine Annahme bestätigt.<br />

Ihm gegenüber stand ein Wesen<br />

von menschlichem Körperbau, das<br />

ihm nur bis zur Brust reichte und<br />

das doch von beeindruckender<br />

Größe zu sein schien. Vielleicht<br />

war es die leuchtende Aura, die<br />

das Wesen umgab, der es diesen<br />

Effekt zu verdanken hatte. Es war<br />

keinem Geschlecht zuzuordnen<br />

und doch von einnehmender<br />

Schönheit. Es war einzigartig. Nicht<br />

nur nach Vians Dafürhalten. Es war<br />

der oder die einzige seiner oder<br />

ihrer Art.<br />

»Vian«, sagte das Wesen und<br />

seine Stimme hatte zugleich auffordernden<br />

Charakter, wie auch<br />

eine melodische Note. »Ich habe<br />

ein Ziel. Bist du dabei?«<br />

»Natürlich, Chi-Ven«, antwortete<br />

Vian. Er hatte niemals anders<br />

geantwortet, seit er sich der heldenhaften<br />

Gruppe angeschlossen<br />

hatte, die der Halbengel anführte.<br />

Niemand wusste es genau, aber es<br />

wurde gemeinhin angenommen,<br />

dass Chi-Ven tatsächlich das Kind<br />

eines Engels und eines Menschen<br />

war. Und seit er auf der Welt war,<br />

suchte er das Böse, um es von<br />

ihrem Angesicht zu tilgen. Vian<br />

fühlte sich geehrt, in dieser hehren<br />

Sache einer der Mitstreiter zu sein,<br />

denen Chi-Ven vertraute.<br />

Er spürte das reine Böse. Er<br />

konnte es wahrnehmen wie<br />

andere an einem Luftzug spürten,<br />

dass in einer gewissen Entfernung<br />

eine Bewegung stattgefunden<br />

haben musste. Doch es war selten<br />

– das reine Böse. Bosheit, Grausamkeit<br />

und Egoismus – sie waren<br />

verbreitet in der Welt, sie durchzogen<br />

die Welt, sie schienen<br />

untrennbar mit ihr verbunden.<br />

Doch dies waren nicht die Dinge,<br />

gegen die er seine Streiter um sich<br />

scharte und auszog, sie zu vernichten.<br />

Es gab ihrer nicht einfach zu<br />

viele, nein, sie waren zu eng mit<br />

dem Harmlosem, Gutmütigem, gar<br />

Gerechtem verbunden. Etwas in<br />

ihm wollte die Menschen für das<br />

kurzgeschichte<br />

Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

verurteilen, was sie taten, doch sie<br />

alle waren zu inkonsistent, zu verschwommen<br />

in ihrem Selbst. Er<br />

kam nicht umhin sie danach zu<br />

beurteilen, was sie waren, und da<br />

sie waren, wozu die Summe aller<br />

Taten sie machte, waren sie… nun,<br />

er war geneigt zu sagen Gar nichts,<br />

denn zu oft hielt sich das Gute mit<br />

dem Bösen die Waage. Die Summe<br />

war Null, ein Nichts, und ganz<br />

gewiss nichts, was er bereit<br />

gewesen wäre noch auszulöschen.<br />

Aber es gab sie, die Elemente des<br />

reinen Bösen. Und ihre Existenz<br />

machte es möglich einen Sinn in<br />

seinem Dasein zu sehen, wo die<br />

ganzen nebulösen Existenzen ihn<br />

daran zweifeln ließen, dass es<br />

einen Sinn gab. Heute hatte er seit<br />

Langem erneut eine solche böse<br />

Präsenz gespürt und er war bereit<br />

sich ihrer anzunehmen. Und seine<br />

treuen Gefährten aus den Reihen<br />

der Menschen, die ihm schon in<br />

manchem Gefecht beigestanden<br />

hatten, folgten ihm ohne zu<br />

fragen. Weniger, weil sie keine<br />

Fragen oder Zweifel gehabt<br />

hätten, sondern vermutlich mehr,<br />

weil sie es aufgegeben hatten.<br />

Viele unter ihnen glaubten sie<br />

würden zu wenig bekämpfen, wo<br />

es doch mehr Böses gebe. Es war<br />

eine menschliche Sichtweise. Sie<br />

musste deswegen nicht falsch sein.<br />

Es gelang ihm nur nicht sie zu<br />

teilen. Dennoch konnte er ihnen<br />

nie wirklich erklären, warum sie<br />

diejenigen verschonten, die<br />

oftmals verantwortlich dafür<br />

waren, dass das Böse hatte erwa


chen können. Denn selten kam es<br />

von ungefähr. Er wusste, dass ihm<br />

auch dieses Mal wieder die Antworten<br />

fehlen würden. Und<br />

deshalb schwieg er. Er nannte<br />

ihnen nicht einmal das Ziel. Sie<br />

erkannten es früh genug. Und er<br />

merkte, wie der Unmut einiger<br />

unter ihnen – der Magier, um<br />

genau zu sein – stieg, bevor sie sich<br />

dessen selbst bewusst wurden.<br />

»Chi-Ven?« Vian blickte unruhig<br />

zu dem Turm, dem sie sich näherten,<br />

und wieder zurück zu dem<br />

Halbengel. »Ihr wollt aber nicht<br />

sagen, die Alte Magie sei das Böse,<br />

das wir heute Nacht bekämpfen…<br />

oder?«<br />

Nein, natürlich wollte der Halbengel<br />

das nicht sagen. Es war ja<br />

nicht so, dass er überhaupt etwas<br />

sagen wollte. Vian ärgerte sich<br />

über seine Wortwahl, sagte sich<br />

aber, dass er vermutlich so oder so<br />

keine Antwort erhalten hätte, als<br />

Chi-Ven zu seiner Überraschung<br />

doch darauf einging. Nicht sehr<br />

ausführlich allerdings.<br />

»Nein.«<br />

»Oh. Gut.« Für einen Moment<br />

gab er sich damit zufrieden, doch<br />

noch immer war er unruhig. Sie<br />

folgten weiter dem Weg, der den<br />

Hügel hinauf führte. Sie würden<br />

den Turm zwangsläufig erreichen,<br />

es gab gar keine anderen Gebäude<br />

mehr auf dem Weg. Aber es war<br />

natürlich möglich, dass sie einfach<br />

auf die andere Seite des Hügels<br />

mussten. Es war doch ohnehin das<br />

Wahrscheinlichste, dass sie noch<br />

einen weiten Weg vor sich hatten<br />

und das Böse nicht vor ihrer<br />

Haustür aus dem Boden gekrochen<br />

war. Doch er wollte darüber<br />

Gewissheit haben, bevor sie den<br />

Turm erreichten. »Es geht auch<br />

nicht um Le Merk, oder? Ich<br />

meine, er war früher selbst Mitglied<br />

dieser Gruppe.«<br />

»Ja«, bestätigte Chi-Ven und es<br />

schwang unverkennbare Bitterkeit<br />

in dem einen Wort mit.<br />

Es klang nicht danach als würde<br />

Vian weitere Antworten erhalten.<br />

Schweren Herzens – verdammt<br />

schweren Herzens – fand er sich<br />

damit ab. Chi-Ven wusste, was sie<br />

taten. Darauf musste er vertrauen.<br />

Darauf hatte er immer vertrauen<br />

können. Nur war es ihm nie so<br />

schwer gefallen.<br />

Der Turm lag unmittelbar vor<br />

ihnen. Chi-Ven bedeutete seinen<br />

Begleitern stehen zu bleiben und<br />

hörte abermals unruhiges Murmeln,<br />

das er überging. Flackerndes<br />

Licht in verschiedenen Farben fiel<br />

aus den Fenstern, die überall ab<br />

einer Höhe von vielleicht drei<br />

Metern angebracht waren. Chi-<br />

Ven drehte sich zu seinen Gefährten<br />

um, deren Gesichter in diesem<br />

Moment von rotem Flackern<br />

unheilvoll erleuchtet wurden. Er<br />

merkte am Rande wie Vian seinem<br />

Blick auswich.<br />

kurzgeschichte<br />

Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

»Ich hoffe ihr seid bereit. Und<br />

eure Waffen geheiligt, denn sonst<br />

werden sie nichts ausrichten<br />

können. Wir haben einen Dämon<br />

niederzustrecken. Einen ungewöhnlich<br />

mächtigen, wie ich<br />

annehme. Wir haben nur einen<br />

Vorteil: Er rechnet nicht mit uns<br />

und wird uns nicht bemerken, da<br />

er damit beschäftigt sein wird<br />

magische Artefakte herzustellen.«<br />

Er deutete in Richtung Fenster.<br />

»Sobald wir ihn aber angreifen,<br />

gibt es kein Erbarmen. Wir müssen<br />

es zeitgleich und entschlossen tun,<br />

sobald wir ihn umzingelt haben.<br />

Verteilt euch also drinnen<br />

zunächst über den ganzen Bodenbereich<br />

– versucht höher zu gelangen,<br />

wenn ihr könnt.« Er wandte<br />

sich zum Turm und starrte für<br />

einen Moment auf das Mauerwerk.<br />

Wenngleich sein Blick es<br />

nicht durchdrang, konnte er doch<br />

den Raum dahinter erspüren.<br />

»Letzteres wird allerdings schwierig«,<br />

fügte er hinzu und drehte sich<br />

wieder zu seinen Streitern. »Es<br />

gibt keine wirklichen Stockwerke<br />

mehr. So hat der Dämon den Platz,<br />

den er braucht.«<br />

Jemand sog scharf die Luft ein.<br />

»Es kann möglicherweise hilfreich<br />

sein einige der in Arbeit<br />

befindlichen oder schon fertig<br />

gestellten Artefakte in den Kampf<br />

einzubinden – sie vielleicht auch<br />

einfach explodieren zu lassen, in<br />

den diversen Höhen, in denen sie<br />

hängen, wo die frei gesetzten<br />

Kräfte als erstes den Dämon atta


ckieren werden. Andererseits hat<br />

er sie geschaffen und womöglich<br />

mit böser Kraft gefüllt. Dann<br />

schneiden wir uns mit solchen<br />

Manövern selbst ins Fleisch. Entscheidet<br />

selbst, was ihr mit euren<br />

Möglichkeiten tut. Vertraut eurer<br />

Intuition!«<br />

Mehr sagte er nicht. Mehr sagte<br />

er nie. Es war an der Zeit den<br />

Kampf zu beginnen.<br />

Die Eingangstür war unverschlossen.<br />

Chi-Ven trat als erster in den<br />

Turm. Die Anderen folgten dicht<br />

hinter ihm. Es war kein Dämon zu<br />

sehen. Es war überhaupt niemand<br />

zu sehen. Nur viele leuchtende<br />

Dinge hingen überall im Turm, wo<br />

sie auf die Entfesselung ihrer<br />

Kräfte zu warten schienen. Einige<br />

drehten sich, manche gaben seltsame<br />

Geräusche von sich, das eine<br />

oder andere pulsierte oder<br />

änderte beständig seine Gestalt.<br />

»Nicht ablenken lassen«, zischte<br />

Chi-Ven. »Verteilt euch. Der<br />

Dämon ist unsichtbar, möglicherweise<br />

teils gestaltlos. Zwingen wir<br />

ihn…«<br />

Der Rest seiner Ansage entfiel,<br />

als ihn eine unsichtbare Kraft traf,<br />

in die Höhe zog und gegen die<br />

Wand schmetterte. Der Schmerz<br />

drohte ihm das Bewusstsein zu<br />

rauben, aber Chi-Ven überwand<br />

ihn und unterdrückte jede körperliche<br />

Empfindung. Seine Flügel<br />

waren gebrochen, doch verfügte<br />

sein Körper über enorme Selbstheilungskräfte,<br />

die er augenblick-<br />

lich in Rücken und Flügeln<br />

aktivierte, während er fast noch<br />

gleichzeitig von der Wand sprang,<br />

vorwärts stürzte und sein weißes<br />

Schwert durch die Luft schneiden<br />

ließ. Der Dämon hatte ihn jedoch<br />

für einen Moment zu lange in die<br />

Defensive getrieben. Sein Hieb traf<br />

kein Ziel, stattdessen wurde er<br />

selber von oben am Kopf getroffen<br />

und mit der Kraft eines fallenden<br />

Felsens zu Boden gepresst. Er<br />

hörte wie seine Kampfgenossen<br />

Zaubersprüche sprachen und<br />

Waffen durch die Luft wirbelten,<br />

doch das alles schien in Zeitlupe zu<br />

geschehen, während er selbst<br />

gelähmt war und sein Körper zu<br />

brennen begann. Es war kein sichtbares<br />

Feuer. Es war die Macht der<br />

Höllen unter seiner Haut. Mit<br />

seinen letzten Gedanken versuchte<br />

er seinen Gefährten Kräfte<br />

des Himmels zu übertragen. Und<br />

doch wusste er, dass sie keine<br />

echte Chance hatten. Nicht,<br />

nachdem er selbst keine gehabt<br />

hatte.<br />

Vian blickte auf Chi-Vens reglosen<br />

Körper, unfähig sich zu<br />

bewegen. Aus den Augenwinkeln<br />

sah er wie nach und nach auch die<br />

anderen erstarrten, als sie<br />

erkannten, was geschehen war. Er<br />

sah es und doch erreichte es kaum<br />

sein Bewusstsein. Tormen hatte<br />

recht gehabt. Die Artefakte, auf<br />

die er vor wenigen Stunden noch<br />

sehnsüchtig gewartet hatte,<br />

hatten einen allzu großen Preis.<br />

kurzgeschichte<br />

Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

Die Einsicht traf ihn trotz des<br />

langen Weges hierher und trotz<br />

Chi-Vens schließlich doch noch<br />

gegebenen Erklärungen unvorbereitet,<br />

als er die Leiche des Halbengels<br />

wenige Schritte vor sich sah.<br />

Irgendwo stieß jemand einen<br />

Kampfschrei aus und es kam<br />

wieder Bewegung in die Versammelten.<br />

Auch Vian brachte wie<br />

automatisch seinen Zauberstab in<br />

Position.<br />

Dann folgte ein anderer Schrei.<br />

Wollte man den ersten einen<br />

Schrei nennen, konnte man es mit<br />

dem zweiten kaum noch tun. Das<br />

Brüllen des Dämons zerriss Vians<br />

Trommelfell ebenso wie es die<br />

Wände des Turms sprengte. Steine<br />

prasselten hernieder und zerfetzten<br />

die Artefakte, auf die sie<br />

trafen. Wie in einem Feuerwerk<br />

stieben die Energien davon, die in<br />

ihnen gebannt waren. Vian<br />

wusste, dass er sich keine Vorstellung<br />

davon machte, was sie anrichten<br />

konnten.<br />

Plötzlich sah er Le Merk. Er<br />

wusste nicht, woher der Magier<br />

aufgetaucht war, aber er versuchte<br />

offensichtlich den Dämon<br />

zu bändigen. Der nahm plötzlich<br />

Gestalt an, in einer widerlichen<br />

gigantischen Erscheinung. Es war<br />

ein schreckliches Bild. Und das<br />

letzte, das Vian sah, bevor ein<br />

Stein ihn hart am Kopf traf und ihm<br />

das Bewusstsein raubte.


»Was tust du?!«, kreischte Le<br />

Merk und versuchte so laut zu<br />

schreien, dass seine Stimme nicht<br />

zittern konnte.<br />

Der Dämon beugte sich zu ihm<br />

herunter und blies ihm einen Atem<br />

voller Asche und Hitze ins Gesicht.<br />

Le Merk wusste, dass der Dämon<br />

auch jede andere Gestalt annehmen<br />

könnte, aber sich an der<br />

Furcht einflößenden Erscheinung<br />

dieser erfreute.<br />

»Unser Vertrag ist geplatzt«,<br />

verkündete der Dämon und aus<br />

seinem Maul tropfte schwarzer<br />

Schleim. »Du hast mir die Seele<br />

eines Engels versprochen. Du hast<br />

gesagt er würde von sich aus<br />

kommen. Also hast du ihn<br />

gemeint, oder etwa nicht?«<br />

Es fiel Le Merk schwer der ausgestreckten<br />

Kralle des Dämons zu<br />

folgen und den toten Körper Chi-<br />

Vens anzusehen. Er hatte einst für<br />

ihn gekämpft. Es gab nichts<br />

Falsches an Chi-Ven, aber die<br />

Ergründung der alten Magie war<br />

zu wichtig und eine einzelne Seele<br />

– noch dazu nicht die eigene – der<br />

beste denkbare Preis gewesen, um<br />

einen Dämon zu rufen, der die alte<br />

Magie zu neuer Blüte zu führen<br />

vermochte. Ein Dämon seiner<br />

Macht hätte eigentlich ein Vielfaches<br />

an Seelen verlangt.<br />

Abgelenkt von dem Anblick Chi-<br />

Vens hatte er dem Dämon noch<br />

immer keine Antwort gegeben,<br />

doch der deutete das bereits als<br />

Zustimmung.<br />

»Dieses erbärmliche Ding ist ein<br />

Halbengel. Seine Seele ist nicht<br />

einmal halb so viel wert wie die<br />

eines Engels.«<br />

Le Merk musste sich nicht länger<br />

auf eine feste Stimme konzentrieren.<br />

Er zitterte bereits am ganzen<br />

Körper, ahnend, dass er aus<br />

diesem Fehler nicht heil herauskommen<br />

würde. Hatte er denn<br />

wirklich ‚Engel’ gesagt? Konnte der<br />

Dämon ihn dafür verzehren, dass<br />

er es mit einem Wort nicht so<br />

genau genommen hatte?<br />

»Du hast Glück, Mensch«,<br />

dröhnte jetzt der Dämon. »Ich bin<br />

heute gnädig. Gib mir einen<br />

zweiten Halben und ich werde sie<br />

als Ganzen betrachten, auch wenn<br />

der Wert ihrer Seelen jämmerlich<br />

ist.«<br />

Es gab keinen zweiten. Chi-Ven<br />

war der einzige Halbengel, von<br />

dem man jemals gehört hatte. Er<br />

konnte das dem Dämon nicht<br />

sagen, doch dieser spürte die<br />

Antwort ohnehin, ohne dass sie<br />

ausgesprochen werden musste.<br />

»In diesem Fall«, erklärte der<br />

Dämon nun und ließ sich Zeit mit<br />

jedem seiner Worte, »werde ich<br />

mir holen, was ich bekommen<br />

kann. Und du weißt, dass da<br />

kurzgeschichte<br />

Der Preis der Macht<br />

von Simon Anhut<br />

draußen nirgends genug Seelen<br />

sind, um die eines Engels oder<br />

auch nur eines halben Engels aufzuwiegen,<br />

wenn sie alle ganze<br />

Menschen sind.«<br />

Mit diesen Worten entschwand<br />

der Dämon wieder in die Unsichtbarkeit.<br />

Einige schreckliche Augenblicke<br />

fragte sich Le Merk zwischen Hoffnung<br />

und Todesangst, was nun aus<br />

ihm werden würde. Und wieder<br />

spürte der Dämon seine unausgesprochenen<br />

Gedanken und antwortete<br />

ihm, ein letztes Mal.<br />

»Dich werde ich vernichten,<br />

sobald mir danach der Sinn steht.<br />

Vielleicht in wenigen Augenblicken.<br />

Vielleicht in ein paar Tagen.<br />

Vielleicht in einigen Wochen. Wir<br />

werden sehen.« Stille erfüllte die<br />

Ruine. Dann zuckte Le Merk<br />

zusammen, als der Dämon noch<br />

etwas hinzufügte. »Das heißt: Ich<br />

werde sehen. Du wirst einfach<br />

nicht mehr sein.«<br />

Diese Geschichte ist den Opfern<br />

der japanischen Katastrophe<br />

gewidmet, den bisherigen wie den<br />

zukünftigen.


Joe Hill: Teufelszeug<br />

Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel<br />

München: Heyne Verlag 2010, € 19,99<br />

Auch dem Teufel muss man sein Recht lassen<br />

von Wassilios Dimtsos<br />

Ignatius Martin Perrish ist ein Teufelskerl – im<br />

wahrsten Sinne des Wortes. Nach einem Zechgelage<br />

ist der darauffolgende morgendliche Kater die<br />

Geringste seiner Sorgen, denn ein Blick in den Spiegel<br />

verrät Ig, dass ihm über Nacht Hörner gewachsen<br />

sind.<br />

Doch das ist noch nicht Alles: Der neue Ig verfügt<br />

über die Fähigkeit die sündigen Gedanken seiner<br />

Mitmenschen zu lesen; Verwandte, Bekannte, aber<br />

auch völlig Fremde vertrauen ihm ohne Weiteres ihre<br />

dunkelsten Geheimnisse an.<br />

Aber wieso verwandelt sich Ig immer mehr in einen<br />

Teufel? Liegt es daran, dass er sich nachts zuvor an<br />

einer Figur der heiligen Maria erleichtert hat, oder<br />

wurzelt das Rätsel tiefer in der Vergangenheit? Der<br />

Grund seines nächtlichen Exzesses begründet sich in<br />

der Tatsache, dass seine Freundin Merrin vor genau<br />

rezension<br />

Teufelszeug<br />

einem Jahr vergewaltigt und ermordet wurde und<br />

Ig mit der Situation noch immer nicht zurechtkommt,<br />

zumal ihn alle für den Täter halten.<br />

Ig ist seitdem in ein tiefes Loch gefallen, aus dem<br />

er nicht mehr herauszukommen vermochte.<br />

Machtlos und mit der Last der angehängten<br />

Beschuldigungen, gab es für ihn keinen Weg seine<br />

Unschuld zu beweisen. Doch nun hat sich das Blatt<br />

gewendet und er kommt der blutigen Spur immer<br />

näher, die ihn zum wahren Mörder seiner einstigen<br />

großen Liebe führt. Und je mehr Ig herausfindet,<br />

je näher er seinem Ziel kommt, desto<br />

diabolischer geht es zu.<br />

Eines der bedeutenden Bestandteile von Joe Hills<br />

neuem Roman ist das unmittelbare Eintauchen in<br />

die Gefühls- und Gedankenwelt der vorgestellten<br />

Figuren, mit dem Fokus auf die heimlichen Sünden<br />

der Menschen. Denn nicht immer sind die Gedanken<br />

des Gegenübers rein und noch seltener höflich<br />

formuliert - insbesondere, wenn man jemanden<br />

insgeheim nicht leiden kann. Hill bemüht sich hier<br />

um eine „dreckige“, direkte Sprache, was dazu<br />

führt, dass die Figuren glaubhaft in Szene gesetzt<br />

werden.<br />

Gleich zu Beginn weckt Teufelszeug die Neugier<br />

auf die interessante Thematik und den nicht zu<br />

dominant auftretenden fantastischen Elemente.<br />

Der Leser begleitet Ig bei der Erkundung seiner<br />

Kräfte und ist dabei, wenn er sich nach und nach<br />

immer weiter verändert, sowohl optisch als auch<br />

charakterlich.<br />

Spätestens bei der ersten Rückblende in die<br />

Jugendzeit des Protagonisten, gewinnt das Buch<br />

noch weitere Facetten: Der Leser klagt, freut und<br />

ärgert sich mit und über Ig und oft mag man seine<br />

Meinung zu ihm und anderen wichtigen Nebenfiguren<br />

ändern. Im Mittelteil hat das Buch seine<br />

Längen, aber man muss sich eingestehen, dass die<br />

vielen Zeitwechsel unablässig für das Verständnis<br />

der Figuren und letztlich auch der Geschichte an<br />

sich sind.


Teufelszeug bleibt also nicht nur aufgrund der<br />

Thematik und der übernatürlichen Note - also der<br />

sprichwörtlichen Verwandlung Igs in einen Dämon –<br />

bis zum Ende spannend, sondern auch aufgrund der<br />

gelungenen Charakterskizzierung und der Personenkonstellation,<br />

die viele Überraschungen zu bieten hat.<br />

© Dino Muhic<br />

Joe Hill<br />

Teufelszeug<br />

eigentlich Joseph Hillstrom King, wurde 1972 in<br />

Maine (USA) geboren und ist der Sohn von<br />

Stephen King. Um nicht gleich zu Beginn seiner<br />

schriftstellerischen Karriere mit seinem Vater in<br />

Verbindung gebracht zu werden, wurden seine<br />

Werke unter dem Künstlernamen Joe Hill veröffentlicht.<br />

Bislang erschienen sind: Die <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung<br />

20th Century Ghosts (dt. Black<br />

Box), sein erster Roman Heart-Shaped Box (dt.<br />

Blind), die Comic-Reihe Locke & Key und sein<br />

zweiter Roman Horns (dt. Teufelszeug). Unter<br />

anderem gewann er den Ray Bradbury Fellowship,<br />

den Bram Stoker Award sowie den World Fantasy<br />

Award.<br />

© 2011 Wassilios Dimtsos<br />

rezension


»Hic sunt dracones«<br />

Ark-Signia Atlas, Historische Karte v.<br />

London, 1484<br />

»Na, was haben wir denn da in<br />

dem Koffer?«, fragte die bemüht<br />

freundliche Beamtenstimme in die<br />

kühl gekachelte Enge des Raumes.<br />

Milchig schimmerte Licht durch<br />

eine dicke Glastür und verlieh der<br />

sterilen Kammer die bedrückende<br />

Atmosphäre einer Zahnarztpraxis.<br />

Glasaugen Smitty kannte jenes<br />

beengende Gefühl zu genüge,<br />

doch der Reisende hatte Übung in<br />

diesen Dingen und so schnipste er<br />

die unbehagliche Emotion mit<br />

einem spitzen gedanklichen Stoss<br />

von sich. Bedächtig griffen narbige<br />

Finger nach dem Lederkoffer und<br />

ließen dessen matte Metallschnallen<br />

klacken. Angespannt folgte der<br />

wache Blick des Beamten jeder<br />

kleinen Bewegung und observierte,<br />

mit leichtem Stirnrunzeln,<br />

das blasse Geflecht verheilter<br />

Wunden. Vermutlich ahnte er<br />

woher die Spuren an Smittys<br />

Fingern rührten, kleine tief<br />

gebohrte Abdrücke, kaum länger<br />

als ein halber Zentimeter und zu<br />

dem hellen Bild eines abstrakten<br />

Kratzmusters arrangiert. Schneidezähne.<br />

Nur ein paar kräftige Faustschläge<br />

in einen geöffneten Mund<br />

konnten diese Kriegsbemalung der<br />

modernen Ellbogengesellschaft<br />

stechen. Der Koffer schnappte auf<br />

und Glasaugen Smitty erfreute sich<br />

mit spröden, gekräuselten Lippen<br />

des gleich beginnenden Spiels. Die<br />

stürmische Zeit zur See war für<br />

den alten Hamburger längst<br />

Geschichte. Doch kurze Anlegepausen<br />

an exotischen Küsten und<br />

fremden Häfen hatten ihm Kontakte<br />

und ein neues Auskommen<br />

besorgt. Glasaugen Smitty war<br />

Händler für etwas speziellere<br />

Waren und in diesem Fall hatte er<br />

eine ganz besondere Kostbarkeit,<br />

aus den Wolkenspitzen des Himalajas,<br />

mitgebracht. Als hätte er sich<br />

einen Ruck geben müssen, fuhr die<br />

Hand des Beamten in den aufgeklappten<br />

Bauch des Gepäckstückes<br />

und begann in seinen Innereien zu<br />

wühlen. Gedankenverloren<br />

schweifte Smitty´s Blick umher. Es<br />

gab einen kleinen, geheimen<br />

Markt in den Gossen und Spelunken<br />

nahezu jeder größeren Stadt<br />

und er besorgte Dinge, ganz den<br />

Wünschen des Kunden entsprechend.<br />

Schrumpfköpfe aus Peru,<br />

versteinerte Knochen aus den Diamantminen<br />

in Sierra Leone, Albinoaugen,<br />

Artefakte und Relikte<br />

längst ausgerotteter Kulturen, aus<br />

den dunkelsten Winkeln der Welt<br />

und…<br />

»Was ist da drin?«, schwallte<br />

Smitty der Minzegeruch von billigem<br />

Discounter Mundwasser entgegen<br />

und ließ ihn unfreiwillig ein<br />

wenig zurückweichen. »Drachenatem,<br />

Sir.« Für eine treue Kundin.<br />

»Was soll das bitte sein?« Ohne<br />

die Frage eine Antwort zu würdigen,<br />

fischte der Reisende einen<br />

Arbeitsausweis der Parfum Firma<br />

Elven und einen Lieferschein für<br />

drei Fläschchen »Drachenatem,<br />

kurzgeschichte<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

Proben 24-27, 2011, by Elven<br />

Paris« aus seinem herbstgrünen<br />

Mantel. Misstrauisch glitt der irritierte<br />

Blick des Beamten über das<br />

Glas und seinen nebelig, wabernden<br />

Inhalt. »Was ist das für ein<br />

Zeug, man?« Smitty lächelte. »Drachenatem.<br />

Steht doch drauf. Ich<br />

liefere das nur und entwickele die<br />

neuen Düfte nicht, aber die<br />

machen aus allem möglichen<br />

Gesöff ihre teuren Wässerchen.<br />

Weißte aus was Channor No. 5<br />

eigentlich besteht? Was damals in<br />

der Entwicklung die Grundlage<br />

bildete? Der Geruch von nasser<br />

Schafwolle. Kein Scheiß, so läuft<br />

das ab. Von Mufti zu Eleganti.« Der<br />

Drogenteststreifen war schnell aus<br />

der undurchsichtigen Flüssigkeit<br />

gezogen und wenig später steuerte<br />

Glasaugen Smitty, durch die<br />

feuchte Londoner Luft, dem nächsten<br />

Taxi entgegen. Die Weberin<br />

wartete auf ihre Lieferung.<br />

In nassem blutigem Gesudel lag<br />

das, was einmal ein Körper war, zu<br />

einer breiigen Pfütze aufgeschwemmt<br />

in der Gosse. Aus der<br />

dickflüssigen, dunkelroten Lache<br />

erhob sich eine deformierte Insel<br />

aus verklebten Hautlappen und<br />

zerquetschten Organklumpen. Im<br />

heulenden Wind der engen Gasse<br />

und ihrer dreckigen, krummen<br />

Hausfassaden wehten blonde<br />

Haarsträhnen, an der zersplitterten<br />

Spitze eines senkrechten<br />

Unterschenkelknochens, der wie<br />

ein Mast in den bizarren Fleisch


haufen gepflanzt war. Angewidert<br />

drehte Leyla den Leichenresten<br />

ihren Rücken zu. Um sie herum<br />

huschte bereits ein Schwarm Kollegen,<br />

durch das spärliche Licht<br />

der Nacht und sicherte den Tatort,<br />

des abartigen Versuches einer<br />

fleischlichen Töpferarbeit. Sie<br />

konnte den Gedanken nicht verdrängen,<br />

zu stark erinnerte das<br />

eben Erblickte an ihre kläglichen<br />

Versuche vor wenigen Jahren,<br />

nassen Lehm in eine sinnvolle<br />

Form zu kneten. Erholung durch<br />

Handwerk, hieß der Abendkurs<br />

und der Ermittlerin wurde übel bei<br />

dem kranken Gedanken, dass dies<br />

auch das Motto des Wahnsinnigen<br />

sein könnte, als er einen Menschen<br />

zu der dicklichen Masse<br />

verarbeitetet hatte. »Du solltest<br />

dich nicht hier in den Nebeln aufhalten,<br />

mein Kind.«, krächzte flüsternd<br />

eine fremde Stimme in ihr<br />

Ohr. Wie vom Schlag getroffen<br />

fuhr die Frau herum und blickte,<br />

mit Schreck geweiteten Augen, in<br />

den nebelverhüllten Schemen<br />

einer gedrungenen Gestalt. »In<br />

Nächten wie diesen, mein Kind,<br />

kann man nie wissen was sich in<br />

den Nebeln herumtreibt. Lauf,<br />

lauf. Lauf nach Hause mein<br />

Kleines.« »Wer sind Sie?«, unterbrach<br />

Leyla das Gesäusel der Silhouette<br />

vor ihr. Ein Klimpern, wie<br />

von Armreifen, antwortete und<br />

mischte sich mit leisem Lachen,<br />

das rau an hungrige Krähenrufe<br />

erinnerte. »Der Nebel ist dicht<br />

heut Nacht, kleine Polizistin.<br />

Kannst du sehen was in ihm lebt?«<br />

Dunstig schob sich eine feucht<br />

graue Wand vor die junge Kommissarin<br />

und versperrte ihr die Sicht.<br />

»Hey! Wer sind Sie? Bleiben Sie<br />

stehen!« Einer kalten Ohrfeige<br />

gleich, spuckte der Nebelschleier<br />

feuchte Tropfen in Leylas Gesicht<br />

und schmunzelte still auf sie hinab.<br />

Allein stand Leyla da, in den engen<br />

Klüften des Londoner Eastends…<br />

… und fürchtete sich, bei dem<br />

grellen Anblick der morgendlichen<br />

Stadt. Wie verblasste Bauklötze,<br />

auf dem verschimmelten, dunklen<br />

Spielteppich eines Kindes, ruhten<br />

die Häuser Londons unter ihrem<br />

ängstlichen Blick. Die wenigen<br />

Tage nach ihrem neunzehnten<br />

Geburtstag hatten die junge Frau<br />

in Panikattacken, hinter Schutzwällen<br />

aus ungeöffneten Umzugskartons,<br />

kauern lassen.<br />

Gewidmetes Mädchen – die<br />

Bedeutung ihres indischen<br />

Namens Ekanta, hatte sich in jener<br />

trüben Nacht vor drei Jahren grauenvoll<br />

offenbart. Klamme Schatten<br />

umhüllten die Erinnerungen der<br />

zierlichen Inderin, an den entstellten<br />

Moment erwachten Lebens.<br />

Sie war gerannt, schwitzend und<br />

mit stummen Schreien in ihrem<br />

offenen Mund, durch das Eastend<br />

und seine schmalen Schluchten.<br />

Hinter ihr lebte es, erhob sich<br />

atmend und starrte aus feurigen<br />

Augen ihrem kleinen Leib nach. Sie<br />

war dem Nebel gewidmet worden.<br />

Ohne Schuhe, mit aufgerissenen<br />

Strümpfen und dreckiger Kleidung,<br />

auf die lange Nebelfinger ihre<br />

dunstigen Abdrücke gebrannt<br />

kurzgeschichte<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

hatten, fand Ekanta sich irgendwann<br />

in einem cremeweißen<br />

Zimmer des Bethlem Royal Hospital<br />

wieder. Freundliche Stimmen<br />

sprachen wie von Ferne flötend<br />

auf sie ein, weiße Hände zogen sie<br />

aus und Puder tanzte um ihre<br />

Nase. Endogene Psychose mit<br />

Wahnvorstellungen lautete das<br />

prangernde Urteil ihrer Krankenakte<br />

und Erinnerungen verblassten,<br />

in der Folter ewig eintöniger<br />

Tage. Wie kalte Tropfen, die unablässig<br />

auf der Stirn trommelten,<br />

löschten Tabletten, Spritzen und<br />

die knarrenden Erklärungen. der<br />

krankenschwesterlichen Gebetsmühlen.<br />

das Bild des Geschehenen.<br />

Die irre Inderin, so wurde<br />

sie bei manchem Tratsch im<br />

Schwesternzimmer genannt. Ihre<br />

trockenen, juckenden Augen …<br />

… starrten, im flackernden Licht<br />

des klobigen Monitors, auf das<br />

Datenchaos eines heruntergekommenen<br />

Stadtteils. »Erster Februar<br />

1999, Mord an dem Studenten<br />

Nelson Bagawe. Erster Mai 2003,<br />

Mord an Unbekannt, Leiche nicht<br />

identifizierbar. Erster August 2007,<br />

Schwere Körperverletzung mit<br />

Todesfolge, Melissa Glenmoore.«<br />

Würgend zuckte Leyla´s Kopf zur<br />

Seite, als sie zu den Bildern des<br />

Tatortes und dem offenen Rücken<br />

der weiblichen Leiche scrollte. Mit<br />

zusammengekniffenen Augen ließ<br />

die Polizistin den Cursor über die<br />

bestialischen Anblicke der Bildschirmoberfläche<br />

hasten und<br />

beendete die fluchtartige Suche,<br />

mit einem gepressten Klick auf das


Drucker Symbol. Nach reichlich<br />

Gestotter spuckte das staubgraue<br />

Gerät ratternd die Dokumente<br />

aus. Erleichtert seufzte Lelya und<br />

blinzelte in das tintenfeuchte<br />

Muster starrer Linien. »Das gibt’s<br />

doch nicht.«…<br />

… »Doch. Es waren diese<br />

komischen Feiertage.«, murmelte<br />

die Inderin und tastete sich an der<br />

rauen Backsteinwand weiter. Die<br />

Strasse und der feucht schimmernde<br />

Asphalt gähnten als kantiges<br />

Maul vor ihr und Ekanta<br />

drückte sich an den schiefen<br />

Stumpen seiner grau verputzten<br />

Zähne entlang. Hier irgendwo<br />

musste es gewesen sein. Jemand<br />

hatte gesungen. Leise Befehle<br />

summend den Nebel zu einem<br />

wabernden Tanz verführt und ihm<br />

ein Geschenk dargebracht. Kalte<br />

Schlieren kringelten sich um ihre<br />

flachen Schuhe und stoben bei<br />

jeder Berührung auseinander,<br />

wanderten um Müllhaufen und<br />

krochen tastend an rissigen<br />

Mauern empor. Sie war nah.<br />

Furchtsam drängte sie quälende<br />

Unwissenheit weiter, einen Schritt<br />

nach dem anderen zu gehen, ihre<br />

Schuhspitzen in die schlängelnden<br />

Nebelnester zu setzen…<br />

… und wachsam um den Tatort<br />

zu streifen. Von dem gestrigen<br />

Verbrechen war nichts mehr zu<br />

erkennen - der Boden von Blut,<br />

Knorpel und Geweberesten gesäubert.<br />

Doch es musste etwas übersehen<br />

worden sein. In der<br />

unmittelbaren Nähe des Fleisch-<br />

fundortes gab es keine weiteren<br />

Zeichen für einen Kampf, nicht<br />

einmal Schleifspuren oder Zeugen,<br />

die von Schreien berichten konnten.<br />

Was hier passiert war, musste<br />

sich aber im Blutrausch mehrerer<br />

triefender Minuten hingezogen<br />

haben. Lelya hob den Blick und sog<br />

die feuchte Londoner Nebelluft in<br />

ihre Lungen. Irgendetwas, nur ein<br />

kleines Zeichen am Boden oder an<br />

den Häuserwänden. Kratzer,<br />

Schürfstellen oder Symbole. Symbole?<br />

Irritiert kniff die Ermittlerin<br />

ihre langen Wimpern zusammen<br />

und fixierte das blass verschlungene<br />

Muster. Eine doppelte Spirale,<br />

die ineinander lief. Wenige<br />

Schritt weiter, ein anderes schemenhaftes<br />

Muster, matt wie<br />

Wandfarbe in einem Rauchersalon.<br />

Zögernd nähert sich Leyla dem<br />

Keltenkreuz und verharrte mit<br />

ihrem Blick auf den, von Nebel und<br />

Regen aufgedunsenen, Linien. Dies<br />

war keine Schmiererei von irgendwelchen<br />

Neonaziwirrköpfen. In<br />

exakter Linienführung formte sich<br />

das fast ehrfürchtig skizzierte<br />

Emblem und weckte in Leyla den<br />

irrsinnigen Drang niederzuknien.<br />

Die Brücke zu einer anderen Welt,<br />

oder zu größerer Weisheit und<br />

Erkenntnis, so die allgemeine<br />

Deutung dieser keltischen Symbolik.<br />

Bevor die Römer hier Londinium<br />

gründeten, hatten bereits<br />

die Kelten ihr Lager, an dem jetzigen<br />

Fleck der unüberschaubaren<br />

Großstadt, aufgeschlagen. Schüttelnd<br />

streifte die Polizistin das<br />

betäubende Gefühl ab und ging<br />

kurzgeschichte<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

rasch ein paar Meter weiter. Die<br />

ersten Schritte nach diesen seltsamen<br />

Funden waren noch ruhig<br />

gesetzt, doch zwei Häuserecken<br />

weiter, huschten ihren Augen, wie<br />

von Wahnsinn getrieben, hin und<br />

her. Aus großen Pupillen hastete<br />

Leyla´s Blick über die Wände und<br />

beschleunigte das klackernde<br />

Geräusch ihrer schneller treibenden<br />

Absätze. Das erste müde<br />

Licht flackerte um die Köpfe einsamer<br />

Laternenpfähle und hinter<br />

ihm schlichen dunkle Nebelschwaden<br />

in die Schatten des blassen<br />

Scheins. Der löcherige Asphalt<br />

begann unter ihren Sohlen zu fliehen,<br />

Wände und rostige Karossen<br />

wehten gespenstisch am Rand<br />

ihres Blickfeldes. Die tiefste<br />

Schlucht des Londoner Eastends<br />

verschwamm wirbelnd in einem<br />

Labyrinth mysteriöser Zeichen.<br />

Schweiß klebte hautwarm an<br />

Leyla´s Kleidung und ließ ihre<br />

schulterlangen Haare, wie durchtränkte<br />

Fahnen, im Wind schlenkern.<br />

Fiebrig rasten ihre weiten<br />

Augen durch das klamme Nebelgespinst,<br />

auf hektischer Suche nach<br />

Halt, in dem wirren Meer schattenhafter<br />

Botschaften. Geschwungene<br />

Triskelen, in dürre Äste<br />

gefächerte Baumsymbole, Flammen,<br />

aus denen ledrige Flügel<br />

erwuchsen, gezackte Sterne, Ziegenköpfe,<br />

endlose Spiralen…<br />

… hier musste es gewesen sein.<br />

Hier ganz in der Nähe. Ängstlich<br />

brannte das Schweigen in ihrer<br />

Kehle. Bloß nichts sagen. Laute<br />

verraten. Ekanta nahm die kurze


Gasse, mit ihren Schattenwänden,<br />

in jeder dunklen Einzelheit wahr.<br />

Wie ein unterirdischer Tunnel<br />

quoll lichtloser Schein und moderige<br />

Luft aus der engen Seitenstraße<br />

hervor und zischelte sie an,<br />

sein Inneres zu betreten. Hier war<br />

es vor drei Jahren geschehen, nur<br />

wenige Sekunden vor ihrer Flucht<br />

und der würgenden Angst. Vor<br />

dieser Gasse war sie gewidmet<br />

worden. Zu Lughnasadh, dem Tag,<br />

an dem das erste Korn verarbeitet<br />

und als warme, duftende Speise<br />

gereicht wurde…<br />

… wehte ein zarter Duft von<br />

Zimt, durch die aufziehenden<br />

Nebel und versprach einen wärmenden<br />

Ofen, in der kalt anbrechenden<br />

Herbstnacht. Leyla´s<br />

Bewegungen verlangsamten sich,<br />

bis zögerliche Stille in ihren aufgewühlten<br />

Geist und ausgebrannten<br />

Körper kehrte. Wie von einem<br />

Strudel umworben, schlängelten<br />

nebelige Schlieren um das<br />

geduckte Häuschen, mit seiner<br />

runzeligen Fassade. Moos säumte<br />

die Dachziegel, deren feucht<br />

schimmernde Spitzen so tief<br />

hingen, dass Leyla sie hätte greifen<br />

können. Wie eine zerknitterte<br />

Zigarre, paffte ein alterskrummer<br />

Schlot, den rauchigen Duft von<br />

weihnachtlichen Gewürzen und<br />

orientalischen Kräutern in den<br />

Dunst der Nacht. Leyla spähte<br />

durch eines der beiden Fenster an<br />

der Front des Häuschens und<br />

beinahe hätte sich der erstaunte<br />

Laut aus ihrer Kehle befreit. Von<br />

der abblätternden grünen Farbe<br />

dünner Fensterrahmen umgeben,<br />

huschte eine gebückte Gestalt,<br />

hinter den wässerigen Schlieren<br />

der Scheibe umher. Mit klopfendem<br />

Herz schlich die Ermittlerin<br />

zur rundlichen Tür und drückte<br />

die Klinke, in schmerzlicher Erwartung<br />

eines rostigen Aufschreiens.<br />

»Komm nur rein, mein Kind.<br />

Komm doch rein. Kalt ist die Nacht<br />

der Nebel. Komm nur rein.«<br />

Warmes Licht flimmerte Leyla<br />

aus knisternden Holzscheiten entgegen<br />

und hüllte den Raum in<br />

wohlige Behaglichkeit. Wie<br />

Scharen ruhender Fledermäuse<br />

hingen Kräuterbündel, zu trockenen<br />

Sträußen geflochten, von der<br />

niedrigen Decke herab und<br />

wehten einen Duft betäubenden<br />

Staubs in das Gesicht der Polizistin.<br />

Zwei alte Balken bildeten ein Tor<br />

im Zentrum der Behausung und<br />

versteckten ihr Holz, unter einem<br />

Wirrwarr aus Amulett ähnlichen<br />

Anhängern, Perlenketten, Vogelfedern<br />

und einem Teppich winziger<br />

Tierknochen, der wie ein groteskes<br />

Mobile hin und her baumelte.<br />

»Haben Sie gestern Nacht mit mir<br />

gesprochen?«, fragte Leyla mit<br />

einer mühsamen Imitation ihrer<br />

sicheren Beamtenstimme.<br />

»Kennen Sie die Geschichte Londons,<br />

mein Herz? Seine ganze<br />

Geschichte?«, wisperte es zurück<br />

und Leyla konnte zwischen all den<br />

Kräuterbüscheln einen kurzen<br />

Blick auf die alte Frau werfen. »Sie<br />

nennen mir jetzt Ihren Namen,<br />

Miss und erzählen was Sie gestern<br />

kurzgeschichte<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

Nacht gesehen haben.« »Es ist<br />

schön dass Sie mich besuchen<br />

kommen, mein Kind. Wissen Sie,<br />

man nennt mich die Weberin.« In<br />

scheinbar unzählige Lagen aus<br />

verschiedensten Stoffen gehüllt,<br />

stand die Alte, wie ein Flickenteppich<br />

vor ihr und lächelte zahnlos.<br />

»Schauen Sie über dem Kamin.<br />

Dort steht die Geschichte Londons,<br />

sein Schicksal.«, hauchte es unter<br />

der grob genähten Kapuze hervor.<br />

Wie dürres Geäst im Wind zitterte<br />

ein krummer Finger aus den Stoffbahnen<br />

und deutete auf ein kupfernes<br />

Wappen. Das Zeichen der<br />

Londoner Altstadt. Zwei aufrecht<br />

gehende Drachen, mit gekringelten<br />

Schwänzen und offenen Mäulern.<br />

Doch dieser kunstvollen<br />

Arbeit war etwas hinzugefügt<br />

worden. Wo das ursprüngliche<br />

Symbol ein rotes Kreuz auf<br />

weißem Schild, zwischen den Riesenechsen<br />

vorsah, nahmen hier<br />

ein goldener Baum und eine<br />

schwebende Krone das Zentrum<br />

der Drachenwacht ein. »Der Thron<br />

und die Drachen sind eins, mein<br />

Liebes«, wisperte die verhüllte<br />

Gestalt weiter. »Doch ihr habt<br />

diesen Bund zerstört, mit Gewalt<br />

und Verachtung.« Spuckend fuhr<br />

die Alte auf Leyla zu. »In die Nebel<br />

getrieben habt Ihr sie. Eure Priester<br />

und Pfaffen, mit grellem Licht<br />

und den Psalmen des toten<br />

Sohnes!«<br />

»Hören Sie…«<br />

»Nein, höre du, mein Kind. Der<br />

Herbstanfang ist heut, das Ernte


fest beginnt. Seit den Kelten haben<br />

sie uns behütet, sind über das Land<br />

und unseren Fluss geflogen. Wir<br />

waren eins, die Menschen und die<br />

Drachen. Doch dann habt Ihr sie<br />

als Dämonen verbannt in die Nebel<br />

gezwungen. Aber sie waren stark<br />

und schwach halten die Fäden sie<br />

im Diesseits. Du willst wissen, was<br />

in der letzten Nacht geschah, als<br />

die Nebel dicht flossen? Komm<br />

mit, mein Kind. Ich zeige es dir.«<br />

Murmelnd schlich die Weberin<br />

durch Schwanden trüben Dunstes,<br />

der sich wellenförmig um sie<br />

bauschte. Wachsam folgte Leyla<br />

der seltsamen Frau, durch<br />

Londons Eastend und verlor sie<br />

doch mehrmals beinahe aus den<br />

Augen. Doch dann lichtete sich die<br />

dichte Kolonne züngelnder Schlieren,<br />

entschwand und ein schlanker<br />

Schatten enthüllte sich vor einer<br />

gähnenden Gasse. »Das kann doch<br />

nicht wahr sein.«, entfuhr es<br />

Ekanta und vor Schreck musste<br />

sich die junge Inderin an den bröselnden<br />

Putz der Mauer krallen.<br />

»Sieh an, sieh an. Wieder einmal<br />

pünktlich zum Tag der Gaben, oder<br />

sollte ich sagen, zur Widmung der<br />

Alten?«, schnarrte die Weberin<br />

belustigt und trottete zum schmalen<br />

Einlass der Gasse. Wie zerplatzende<br />

Glühbirnen barste der<br />

Schleier vergessener Bilder in<br />

Ekanta´s Gedächtnis und regnete<br />

scharfkantige Scherben in ihr<br />

Innerstes. »Sie… Sie haben das<br />

getan!« Verständnislos blickte<br />

Leyla zwischen den beiden Frauen<br />

hin und her. Aber jenseits dieser<br />

merkwürdigen Begegnung zerrte<br />

etwas an der Ermittlerin, pochte<br />

bettelnd um Aufmerksam. Die<br />

Gasse. Der Nebel. Ohne auf die<br />

junge Frau zu reagieren, kratzten<br />

die dünnen Finger der alten<br />

Weberin an dem Siegel einer<br />

kokonartigen Flasche, die kaum<br />

größer als ihre magere Hand war.<br />

»Drachenatem aus den wolkigen<br />

Bergen. Drachenatem, derer, die<br />

noch Fleisch sind und in den<br />

Höhen wachen. Dies ist die Gasse<br />

von gestern, kleine Polizistin und<br />

die, an der ich dein Namensschicksal<br />

erfüllen wollte, Ekanta. Heute<br />

ist Lughnasadh, Tag, das erste Korn<br />

zu backen und warme Leiber zu<br />

reichen. Atem zu Atem, Fleisch zu<br />

Fleisch und Leben zu Leben.« Wie<br />

wächserne Masse schwabbte<br />

weißer Schleier aus dem Fläschchen,<br />

schneeklar und silbern<br />

durchzogen von schillernden<br />

Adern. Der Nebel bauschte,<br />

begann sich brodelnd zu winden<br />

und wie der Dunstpilz einer Explosion<br />

aufzuwirbeln. Mächtig erhob<br />

sich die trübe Wolke, füllte die<br />

Gasse aus und brodelte, als hielte<br />

sie unzählige Seelen in ihrem<br />

unwirklichen Leib gefangen. Ein<br />

Wort entschwand den Lippen der<br />

Weberin, das Fläschchen leerte<br />

sich in die Dichte des Nebels. »Das<br />

Alte zu neuem Leben gewoben.«<br />

Tiefes Grollen wehte durch die<br />

leeren Strassen. Wie ein Neugeborenes<br />

gierig die Muttermilch<br />

aufsog, inhalierte das Nebelgebilde<br />

den befreiten Drachenatem.<br />

Formen schälten sich aus der<br />

kurzgeschichte<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

Gasse, zuckten, zerfielen und<br />

flossen neu ineinander. Ein gigantischer<br />

Kopf schien sich zu manifestieren,<br />

Nebelbänder bildeten<br />

mal geschwungene Hörner, mal<br />

pendelten sie tastend, wie ein<br />

Knäuel bizarrer Zungen durch die<br />

kalte Nachtluft. Von dem Anblick<br />

der entstehenden und sterbenden<br />

Auswüchse wie gebannt, starrten<br />

Leyla und Enkata regungslos auf<br />

das finstere Schauspiel vor ihnen<br />

und registrierten die Bewegung<br />

der Weberin nicht. Diese hat sich<br />

hinter die jungen Frauen geschlichen,<br />

als es hervorbrach. Ein<br />

Drache, bleich und dunkel wie der<br />

Tod. Innerhalb eines Atemzuges<br />

verdichtete sich die Nebelbank zu<br />

einer mächtigen Echse, deren<br />

Schwingen kratzend an den Häuserwänden<br />

schabten. Auf vier<br />

gebeugten Beinen, deren Krallenpranken<br />

knirschend in den Asphalt<br />

drückten, baute sich das Bollwerk,<br />

von einem Geschöpf jenseits rationaler<br />

Vorstellungskraft, auf. Von<br />

feinem Niesel umweht schwankte<br />

der meterlange Körper, bevor das<br />

Drachenmaul seinen Schlund aufbrach<br />

und gierig den beiden<br />

Frauen entgegenstürzte. Schwarz<br />

glühende Augen, in einem kantigen<br />

Schädel, flogen Richtung<br />

Boden, zogen, Sternenschuppen<br />

gleich, einen Nebelschleier hinter<br />

sich her und starrten hasserfüllt<br />

auf die Beute. Leyla reagierte.<br />

Reflexartig trat sie der Inderin in<br />

die Seite und nutze diese um sich<br />

selber in die entgegen gesetzte<br />

Richtung abzustoßen. Rauschend


fuhr der Drachenkopf mit irrsinnigem<br />

Schwung zwischen die fallenden<br />

Frauen, streifte sie mit<br />

dröhnendem Gebrüll und lange<br />

nebelstarre Zähnen bissen knirschend<br />

zu. Wie eine elektrische<br />

Entladung begannen rote Blitze<br />

zuckend in dem dunklen Nebeldrachen<br />

zu wütend, durchstießen<br />

dessen Hülle und warfen blutigen<br />

Schimmer in die Nacht.<br />

Die Weberin war gegangen. Mit<br />

dem Nebel des verlorenen alten<br />

Wesens vereint, verlor Glasaugen<br />

Smitty eine langjährige, treue<br />

Kundin. Unter seinen Geschäftspartnern<br />

machten verschiedene<br />

Gerüchte über ihren Tod die<br />

Runde. Sie soll sich selbst dem<br />

großen Londoner Drachen geopfert<br />

haben, um ihn zurück in die<br />

Welt der Sterblichen zu holen.<br />

Andere flüsterten von einem Hinterhalt<br />

oder murmelten Versionen<br />

unglücklicher Unfälle. Wie auch<br />

immer die alte Dame in die kalten<br />

Schlieren über der Themse gelangt<br />

war, Smitty musste sich um seine<br />

kurzgeschichte<br />

© Mustafa Gölbasi<br />

Dunkle Drachen<br />

von Torsten Exter<br />

Kunden kümmern. Pfeifend<br />

schlendere der alte Seefahrer vor<br />

dem Tower von London auf und<br />

ab, bald sollten die neuen Käufer<br />

auftauchen. Behutsam tätschelnd<br />

fuhren vernarbte Finger über ein<br />

kleines Fläschchen Drachenatem<br />

und lächelnd grüsste Glassaugen<br />

Smitty die zwei Interessentinnen.<br />

Eine zierliche Inderin und eine<br />

schlanke Engländerin kamen ihm<br />

entgegen.<br />

ENDE


Heute:<br />

Melancholia - so hätte bereits der<br />

erste Roman von Jean-Paul Startre<br />

heißen sollen. Allerdings befand<br />

der Verleger damals (Anm.: im Jahre<br />

1938) , dass La nausée besser passt.<br />

Also „Die Übelkeit“ oder, wie das<br />

Buch bei uns in Deutschland im<br />

Handel heißt: „Der Ekel“. Am 06.<br />

Oktober 2011 kommt nun Lars von<br />

Trier an und will ebenfalls ein<br />

Werk mit diesem Namen veröffentlichen.<br />

Zu überlegen wäre nun,<br />

ob nicht auch hier „Der Ekel“<br />

besser gepasst hätte …<br />

"Ein schöner Film über das Ende<br />

der Welt" (Anm.:<br />

http://www.kino.de/kinofilm/melancholi<br />

a/131146.html), so fasst der<br />

dänische Regisseur den Inhalt<br />

seiner MELANCHOLIA kurz und<br />

knapp zusammen. So ganz im<br />

Reinen mit sich selbst scheint der<br />

Gute gerade nicht zu sein (Anm.:<br />

aber war er das jemals?). Aber fangen<br />

wir einfach mal ganz von vorne an:<br />

Da wäre die zierliche Blondine<br />

Justine, gespielt von Kirsten Dunst,<br />

dem ehemaligen Spiderman-Liebchen.<br />

Diese junge Dame ist gerade<br />

im Begriff, den Bund des Lebens zu<br />

beschließen. Unglücklicherweise<br />

steht ihre Liebe unter keinem<br />

guten Stern. Und das ist bei<br />

Weitem nicht bloß metaphorisch<br />

gemeint. Denn ein Planet nähert<br />

sich unaufhaltsam der guten<br />

Mutter Erde – Kurs auf Kollision.<br />

Was also Asterix und Obelix schon<br />

immer befürchtet haben, scheint<br />

nun wahr zu werden: Der Himmel<br />

Krankes Kino: Diagnosen & Prognosen<br />

fällt uns auf den Kopf. Und als<br />

wäre das noch nicht genug, hat<br />

Justine auch noch massive Probleme<br />

mit ihrer Schwester Claire<br />

(Charlotte Gainsbourg), wobei es<br />

um die Missgeschicke der Tugend<br />

gehen könnte. Ach, ja … und Kiefer<br />

„24“ Sutherland ist auch noch mit<br />

dabei – kernig wie immer. -> Zugegeben,<br />

das klingt jetzt alles ein<br />

wenig verworren, aber so etwas<br />

sind wir ja mittlerweile schon<br />

gewohnt, wenn Lars von Trier<br />

einen Film macht – denken wir<br />

doch an dieser Stelle nur an BREA-<br />

KING THE WAVES, DANCER IN THE<br />

DARK, DOGVILLE, oder den ANTI-<br />

CHRISTen.<br />

NUN DIE GROBEN FAKTEN:<br />

Was die Erwartungshaltung nun<br />

empfindlich stört, oder zumindest<br />

auf irritierende Art beeinflusst, ist<br />

die vor einiger Zeit geäußerte<br />

Aussage des exzentrischen Filmemachers,<br />

dass er nie wieder Happy<br />

Ends in seinen Filmen plane (Anm.:<br />

http://www.moviepilot.de/news/kirstendunst-wird-fuer-lars-von-trier-melancholisch-106132).<br />

Gab es denn so was<br />

bislang schon bei ihm? (Vielleicht<br />

aus der Sicht von Masochisten …)<br />

Darüber hinaus ließ der dänische<br />

Meister verlauten, dass sein jüngster<br />

Film optisch nicht so stilisiert<br />

ausfallen werde wie sein letzter,<br />

dieser Antichrist, der immerhin<br />

„meistgehasste Film 2009“ (Anm.:<br />

Stefan Volk: Skandalfilme. Cineastische<br />

Aufreger gestern und heute. Marburg<br />

2011, S. 271) . Denn rückblickend soll<br />

kolumne<br />

von Trier dieses skandalöse Psycho-Horror-Drama<br />

rein ästhetisch<br />

gleich gar nicht (mehr) in den Kram<br />

gepasst haben. Deswegen nun<br />

eine radikale Kehrtwendung, was<br />

die formale Gestaltung angeht:<br />

MELANCHOLIA soll „sogar eine<br />

beabsichtigte Hässlichkeit verpasst<br />

bekommen“ (Anm.:<br />

http://www.moviepilot.de/news/lars-vontrier-verraet-details-ueber-melancholia-<br />

107502). Hierzu ein weiterer O-Ton<br />

des Regisseurs: "Scheiße. Ich hoffe<br />

zumindest, dass er etwas beschissener<br />

aussieht als der, den ich<br />

zuvor gemacht habe" (Anm.:<br />

http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,151<br />

8,709708,00.html). Derartige Aussagen<br />

stimmen freilich nachdenklich.<br />

Waren doch, bei eingehender<br />

Betrachtung, Überlegung und<br />

Reflexion die stilisierten Aufnahmen<br />

von Kameramann Anthony<br />

Dod Mantle mitunter noch das<br />

Beste am Machwerk „Antichrist“ -<br />

gelangen hier doch mit einer hochauflösenden<br />

Digitalkamera u. a.<br />

äußerst beeindruckende Bilder in<br />

‚Super Slow Motion’ (Von Gainsbourg<br />

und Defoe beim tête-à-tête<br />

unter der Dusche). Aber damit will<br />

Lars von Trier nun nichts mehr zu<br />

tun haben. Er bedauert sogar mittlerweile,<br />

dass er beim ANTICHRIS-<br />

Ten die Aufnahmen nicht besser<br />

kontrollieren, oder am besten<br />

gleich ganz selbst machen konnte<br />

(Anm.: So geschehen bei DOGVILLE).<br />

(Angeblich aufgrund von Depressionen,<br />

die ihn damals plagten und<br />

weswegen er zu sehr gezittert


Heute:<br />

haben soll (Anm.: Bei BREAKING THE<br />

WAVES und DOGVILLE hat ihn aber sein<br />

unruhiges Händchen auch nicht gestört).<br />

Aber nun ist er offenbar nicht<br />

mehr depressiv, sondern ‚nur<br />

noch’ melancholisch … )<br />

SPIEL MIT DEN ERWARTUNGEN:<br />

Der Schatten des ANTICHRISTen<br />

fällt also auf diesen Film, größer<br />

und länger als der jenes Planeten<br />

namens Melancholia auf die Erde.<br />

Es grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit<br />

die Erwartungen nicht mit<br />

den letzten Film des Regisseurs zu<br />

verbinden. Assoziationen, die<br />

zudem äußerst intensiv durch die<br />

erneute Verpflichtung von Charlotte<br />

Gainsbourg forciert werden.<br />

Immerhin hat die – nicht nur, aber<br />

auch – für ihre ekstatische Masturbation<br />

in den finsteren Wäldern<br />

Nordrhein-Westfalens den Großen<br />

Preis von Cannes bekommen.<br />

Hinzu kommen noch Aussagen des<br />

Regisseurs, dass er ein Nazi ist,<br />

Verständnis für Hitler hat und<br />

Albert Speer wertschätzt (Anm.:<br />

Näheres hierzu unter:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Internation<br />

ale_Filmfestspiele_von_Cannes_2011#Ek<br />

lat_um_Lars_von_TrierProvokation).<br />

Nebenwirkungen von zuviel Anti-<br />

Depressiva? Oder Polarisation<br />

durch Provokation? Egal, Kontroversen<br />

versprechen gemeinhin<br />

einen interessanten Film … Was<br />

gibt es sonst noch zu erwähnen?<br />

Kirsten Dunst hat komplett blank<br />

gezogen und sich vom Kameramann<br />

Manuel Alberto Claro idyl-<br />

Krankes Kino: Diagnosen & Prognosen<br />

lisch im Sinne einer schwarzen<br />

Romantik im schönen Schein des<br />

silbernen Mondlichts drapieren<br />

lassen – Lord Byron wäre begeistert<br />

gewesen. Und es gibt ein paar<br />

surreale Bilder zu bestaunen, in<br />

denen sich u. a. Rauchfäden aus<br />

Fingern winden.<br />

PROGNOSE:<br />

Wer Filme wie ANTICHRIST, DAS<br />

FEST, oder IT´S ALL ABOUT LOVE<br />

(wofür Lars von Triers Busenfreund<br />

und Bruder im Geiste<br />

Thomas Vinterberg verantwortlich<br />

ist) mochte, wird MELANCHOLIA<br />

lieben! Der „psychologische Katastrophenfilm<br />

im Science-<br />

Fiction-Gewand“ (Anm.:<br />

http://www.moviepilot.de/n<br />

ews/lars-von-trier-verraet-details-ueber-melancholia-<br />

107502) verspricht,<br />

schwer verdauliches<br />

Kopfkino zu werden.<br />

Darum auch das Prädikat:<br />

Existentialistisch<br />

besonders wertvoll.<br />

Bleibt zu hoffen, dass<br />

dem Film nicht dasselbe<br />

Schicksal blüht, wie<br />

Sartres Roman. Dass er<br />

nämlich mit „Ekel“<br />

weitaus besser<br />

beschrieben werden<br />

kann, als mit „Melancholia“.<br />

Denn die<br />

Chancen stehen gut,<br />

dass es wieder die ein<br />

oder andere Scheußlichkeit<br />

zu sehen gibt. Bei<br />

kolumne<br />

Lars „Okay, ich bin ein Nazi!“ (Anm.:<br />

http://www.rollingstone.de/news/meldu<br />

ngen/article97441/Okay-ich-bin-ein-Nazi-<br />

Lars-von-Trier-wird-in-Cannes-vom-Festival-ausgeschlossen.html)<br />

von Trier<br />

sind wir ja so etwas mittlerweile<br />

schon so gewöhnt (Anm.: Siehe: Die<br />

Do-it-yourself-Beschneidung von Charlotte<br />

Gainsbourg, das Reh mit der Totgeburt,<br />

sich selbst verspeisende Fuchs oder<br />

der blutspritzende Penis in ANTICHRIST).<br />

Wer meiner spekulativen Prognose<br />

nicht glaubt, sollte einen<br />

Blick auf den Trailer werfen:<br />

http://www.youtube.com/watc<br />

h?v=wzD0U841LRM


Im Mutterschiff<br />

Wir erreichten die Zentrale und<br />

sahen Max am großen Navigationsbildschirm<br />

sitzen. Er winkte<br />

uns heran und forderte uns auf,<br />

Platz zu nehmen.<br />

»Ich hatte eine Unterredung mit<br />

Anu-Esh-Varu«, begann er ohne<br />

Umschweife. »Es war nicht einfach,<br />

den alten Mann davon zu<br />

überzeugen, euch an Bord zu<br />

lassen. Ihr könnt euch bei Antu-Er-<br />

Marush bedanken, die sich für<br />

euch einsetzte und mich unterstützte.<br />

Nachdem wir auf dem<br />

Mutterschiff angekommen sind,<br />

werdet ihr euch der Dekontaminationsprozedur<br />

unterziehen<br />

müssen. Eure Bekleidung wird ausgetauscht<br />

werden und ihr werdet<br />

die Bordbekleidung tragen<br />

müssen. Die medizinische Abteilung<br />

wird euch einen Cocktail<br />

zusammenstellen, der euer<br />

Immunsystem stärken wird, damit<br />

ihr euch bei uns aufhalten könnt.<br />

Es werden nur leichte Nebenerscheinungen<br />

auftreten, die aber<br />

schnell vergehen werden. Ihr fühlt<br />

euch danach wie neugeboren. Da<br />

Kevin noch nicht wieder voll hergestellt<br />

ist, werden wir die verbleibende<br />

Zeit nutzen und euch in<br />

unsere Sprache und Kultur einführen.<br />

Lasst uns aufbrechen.«<br />

Ich sah Peter überrascht an und<br />

er begegnete meinen Blick mit<br />

ausgesprochener Neugier.<br />

»Jetzt hast du ja erreicht, was du<br />

wolltest«, sagte er lächelnd.<br />

»Ja, aber ich hatte noch nicht<br />

damit gerechnet«.<br />

»Hast du jetzt etwa Bedenken?«<br />

»Nein. Es kommt nur etwas überraschend.<br />

Sonst nichts. Ich hatte<br />

mehr Widerstand erwartet«.<br />

Max erhob sich und wir begaben<br />

uns in den Transferraum. Er nahm<br />

einige Einstellungen vor und<br />

Momente später waren wir auf<br />

seinem Schiff. Er stellte uns Esra-<br />

El-Ront vor, der uns nach terrestrischer<br />

Sitte die rechte Hand zum<br />

Gruß entgegenstreckte.<br />

»Wir sind jetzt auf deinem Schiff,<br />

warum brauchen wir nicht dekontaminiert<br />

werden?« fragte ich ihn.<br />

»Die Besatzung dieses Schiffes<br />

ist immun gegen terrestrische Bakterien<br />

und Viren. Nach Ende<br />

unseres Auftrages wird das Schiff<br />

so oder so gründlich gereinigt werden«.<br />

Max gab Esra-El-Ront noch ein<br />

paar Anweisungen, bevor wir<br />

wieder in den Transferraum<br />

gingen. Dieses Mal war das Prickeln<br />

in der Nackengegend etwas<br />

stärker, als wir zum Mutterschiff<br />

abgestrahlt wurden. Wir durften<br />

den Empfangsraum auf dem Mutterschiff<br />

nicht selbständig verlassen<br />

und wurden aufgefordert, uns<br />

zu gedulden. Max blieb bei uns. Er<br />

erklärte, dass er ebenfalls dekontaminiert<br />

werden würde, außerdem<br />

würde er als Dolmetscher<br />

fungieren. Nach etwa vier Minuten<br />

betraten drei Besatzungsmitglieder<br />

den Empfangsraum. Sie<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

trugen Schutzanzüge und geleiteten<br />

uns in einen weiteren Raum,<br />

der für etwa zehn Personen ausgelegt<br />

war. Es gab in diesem Raum<br />

kein Mobiliar und er machte einen<br />

sterilen und kalten Eindruck. Eines<br />

der drei Besatzungsmitglieder forderte<br />

uns auf, die Bekleidung abzulegen<br />

und sie in einen<br />

Aufnahmeschacht zu deponieren.<br />

Uns wurde versichert, dass wir<br />

unsere persönlichen Sachen, mit<br />

Ausnahme der Bekleidung, zurückerhalten<br />

würden. Wir taten wie<br />

uns aufgetragen wurde und<br />

standen danach gemeinsam splitterfasernackt<br />

im Raum herum.<br />

Peter sah mich erwartungsvoll an.<br />

Wir sprachen kein Wort. Der<br />

einzige feststellbare Unterschied<br />

zwischen Max und uns war seine<br />

ausgesprochen muskulöse Statur.<br />

Die Genitalien schienen auf dem<br />

ersten Blick den unseren zu gleichen.<br />

Jedoch stellte ich fest, dass<br />

Max beschnitten war!<br />

Plötzlich leuchtete ein violettes<br />

Licht auf. Max forderte uns auf,<br />

alles nachzuahmen, was er uns<br />

vormachen würde. Er legte den<br />

Kopf leicht in den Nacken und<br />

spreizte seine Nasenlöcher. Er hob<br />

seine Arme und ließ das Licht auf<br />

seine Achselhöhlen fallen. Er<br />

bewegte seinen Kopf so, dass<br />

seine Ohren direkt dem Licht ausgesetzt<br />

waren. Die Augenlieder<br />

zog er nach oben und unten und<br />

legte den vorderen Teil der Augen,<br />

frei. Danach trat er auf eine leuchtende<br />

Platte, die den Körper von<br />

unten her mit dem violetten Licht


estrahlte. Er stellte seine Füße<br />

auf die Zehen und badete sie im<br />

Licht, damit die Fußnägel ebenfalls<br />

mit einbezogen werden konnten.<br />

Er hob dann seine Hoden an, damit<br />

sie nicht mehr an den Oberschenkeln<br />

anlagen und vom Licht umflutet<br />

werden konnten. Da Peter und<br />

ich nicht beschnitten waren, forderte<br />

er uns auf, die Vorhaut<br />

zurückzuziehen, um diesen Genitalbereich<br />

ebenfalls der Behandlung<br />

auszusetzen. Zum Abschluss<br />

spreizte er die Pobacken zur<br />

Behandlung der Analregion und<br />

wedelte danach seine Hände<br />

durch das Licht. Er fragte uns, ob<br />

wir Kontaktlinsen tragen würden,<br />

da diese herausgenommen<br />

werden müssten. Da wir jedoch<br />

keine Kontaktlinsen verwendeten,<br />

wurde uns diese Prozedur erspart.<br />

Abschließend reichte er uns einen<br />

Trinkbehälter und forderte uns<br />

auf, mit der Flüssigkeit den Mund<br />

auszuspülen. Einen Teil der Flüssigkeit<br />

spieen wir dann in ein Becken,<br />

der Rest wurde durch die Nase<br />

ausgeschnäuzt. Eines der Besatzungsmitglieder<br />

reichte jedem von<br />

uns ein wohlriechendes Tuch, mit<br />

dem wir uns die Nase abwischen<br />

konnten. Das Licht erlosch und wir<br />

begaben uns zum Ausgang des<br />

Raumes. Wir befanden uns in einer<br />

Schleuse und wurden dort von<br />

einem warmen Wind umblasen.<br />

Gleichzeitig wurde die warme Luft<br />

abgesogen. Es knackte leicht in<br />

den Ohren. Als wir die Schleuse<br />

verließen, wurde uns die Bordbekleidung<br />

überreicht. Sie passte wie<br />

angegossen und fühlte sich angenehm<br />

an. Vorher hatten uns die<br />

Besatzungsmitglieder in den<br />

Schutzanzügen durch eine Seitentür<br />

verlassen.<br />

Peter und ich wurden durch eine<br />

unbekannte Stimme aufgefordert,<br />

auf den an der linken Wand befindlichen<br />

Sitzen Platz zu nehmen.<br />

Kurze Zeit später erschienen zwei<br />

weibliche Besatzungsmitglieder<br />

und forderten uns durch Max auf,<br />

die von ihnen mitgebrachten<br />

amphorenähnlichen Behälter auszutrinken.<br />

Die Behälter fassten<br />

etwa einen Viertelliter. In diesem<br />

Moment mussten wir Max und<br />

seinen Leuten volles Vertrauen<br />

entgegenbringen. Peter zögerte<br />

zuerst, aber als er sah, dass ich die<br />

Amphore leerte, tat er es ebenfalls.<br />

Die Flüssigkeit hatte einen<br />

Geschmack nach Mango und<br />

schmeckte überraschend gut. Ich<br />

fühlte mich nach ein paar Minuten<br />

eigentümlich heiß. Ich sah Peter an<br />

und konnte erkennen, dass er sich<br />

ebenfalls so fühlte.<br />

»Mir wird heiß. Geht es dir<br />

ebenso?«, fragte er mich.<br />

»Ja, aber ich schwitze nicht.<br />

Mein Mund wird trocken.«<br />

Ein leichtes Schwindelgefühl<br />

überkam mich und ich hatte Probleme,<br />

meinen Magen unter Kontrolle<br />

zu halten. Ich kämpfte gegen<br />

den Brechreiz an. Nach etwa fünf<br />

Minuten klangen die Nebenerscheinungen<br />

ab.<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Max, ich muss auf die Toilette!«,<br />

bemerkte ich schnell,<br />

wobei Peter zustimmend nickte.<br />

Er lächelte nur und zeigte uns<br />

den Weg dorthin.<br />

»Das ist vollkommen normal. Der<br />

Cocktail zwingt euren Metabolismus<br />

dazu, alle Schadstoffe und<br />

Stoffwechselprodukte auszuscheiden.<br />

Ihr werdet für eine Weile in<br />

der Toilette herumsitzen.«<br />

Er lächelte spitzbübisch, als er es<br />

uns offenbarte.<br />

»Danach werdet ihr sehr durstig<br />

sein. Lasst mich sofort wissen, ob<br />

ihr Blasen- oder Nierenschmerzen<br />

habt. Es kann sein, dass ihr Blasenoder<br />

Nierensteine absondert. Ihr<br />

werdet dann von der medizinischen<br />

Abteilung unverzüglich<br />

versorgt werden«.<br />

Ich kannte die Schmerzen nur zu<br />

genau, die in direktem Zusammenhang<br />

mit Nierensteinen standen.<br />

Es gab für mich nichts Schlimmeres,<br />

sogar Zahnschmerzen<br />

waren nichts dagegen.<br />

Nachdem ich meine erste Notdurft<br />

verrichtet hatte, war es dann<br />

auch soweit. Ich krümmte mich<br />

unter dem Ansturm der<br />

Schmerzwellen, die von meiner<br />

linken Niere ausgingen. Es war<br />

zum Wände hochkriechen. Mir<br />

stand der kalte Schweiß auf der<br />

Stirn. Helles Blut rieselte in das<br />

Toilettenbecken.<br />

»Ich… glaube… ach!… Ich<br />

scheide… eine ganzes… Nierens


teingebirge aus«, ächzte ich stöhnend<br />

und flach atmend. Peter<br />

raffte sich sofort auf, als er mein<br />

aschfahles Gesicht und meine<br />

Krämpfe sah und holte Hilfe.<br />

Tränen rannen wie Bäche über<br />

meine Wangen. Ich versuchte,<br />

mich in alle möglichen Positionen<br />

zu drehen und hielt mich krampfhaft<br />

an der Toilette fest… nichts<br />

half.<br />

Augenblicke später, die mir wie<br />

eine Ewigkeit vorgekommen<br />

waren, erschien er wieder mit<br />

einem weiblichen Besatzungsmitglied.<br />

Sie hatte eine zweiteilige<br />

handliche Apparatur bei sich, die<br />

sie mir um den Leib legte und den<br />

Bereich der Nieren abdeckte. Das<br />

Gerät summte kaum hörbar und<br />

ich fühlte augenblicklich, wie der<br />

pulsierende, drückende Schmerz<br />

nachließ. Aus meinem Penis floss<br />

ein kleiner Schwall Blut, gefolgt<br />

von einer zähflüssigen, gallertartigen<br />

Masse, die sie in einer Schale<br />

auffing. Sie erklärte durch Max,<br />

der ebenfalls hereingestürzt war,<br />

dass sie diese Masse ins Labor<br />

bringen würde, um sie analysieren<br />

zu können. Sie erklärte, dass ich<br />

wohl einen großen Stein oder<br />

mehrere kleine Steine abgesondert<br />

hätte. Trotz der Schmerzen,<br />

die ich ertragen hatte, war ich von<br />

der medizinischen Technologie<br />

fasziniert.<br />

»Wenn das so weiter geht, dann<br />

kack’ ich mir noch das Hirn aus«,<br />

bemerkte Peter sarkastisch.<br />

»Keine Panik. Die haben<br />

bestimmt Wege, dein Hirn wieder<br />

dahin zu bringen, wo es hingehört.<br />

Ich hätte nie gedacht, dass wir<br />

einmal um die Wette stinken würden«,<br />

bemerkte ich scherzhaft.<br />

Es war beklemmend, in der Toilette<br />

herumzusitzen und Thronreden<br />

zu schwingen. Nachdem wir<br />

mit unserem Abscheidungsritual<br />

fertig waren, kam es mir vor, als<br />

wenn die Besatzungsmitglieder,<br />

mit denen wir in Kontakt kamen,<br />

scherzhaft ihre Augenbrauen<br />

hochzogen. Das konnte aber<br />

ebenso Einbildung gewesen sein.<br />

Zweieinhalb Stunden später<br />

konnten wir den Quarantänebereich<br />

verlassen. Max brachte uns<br />

in einen Speisesaal, in dem wir<br />

etwas zu trinken bekamen. Das<br />

Getränk hatte einen honigartigen<br />

Nachgeschmack. Es war aber<br />

durstlöschend.<br />

»Wir werden in Kürze in den<br />

Manipulationsraum gehen, in dem<br />

ihr die ersten Stufen unserer<br />

Sprache erlernen werdet. Wir<br />

werden euch in einen Schlafzustand<br />

versetzen, aus dem ihr ausgeruht<br />

und sprachangepasst<br />

erwachen werdet«, klärte uns Max<br />

auf.<br />

»Inwieweit werdet ihr unsere<br />

Hirnrinde sondieren?«, fragte<br />

Peter.<br />

»Das kann ich nicht beantworten.<br />

Ich glaube jedoch, dass man<br />

euer Wissen kopieren wird, weil<br />

davon der weitere Ablauf der Wis-<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

senserweiterung abhängt. Ihr<br />

werdet davon allerdings nichts<br />

spüren. Eure Mentalstruktur wird<br />

davon nicht belastet werden.«<br />

»Wie lange wird die Behandlung<br />

dauern?«, fragte ich.<br />

»Nicht länger als zwei Stunden,<br />

denke ich.«<br />

Er führte uns nach draußen. Die<br />

Gänge, die wir bisher durchschritten<br />

hatten, waren etwa drei Meter<br />

breit und drei Meter hoch. Sie<br />

waren schlicht und im gleichen<br />

indirekten Licht gehalten, wie auf<br />

dem Schiff, das wir auf der Erde<br />

betreten hatten. Besatzungsmitglieder<br />

grüßten uns im Vorbeigehen<br />

und warfen uns verhaltene<br />

Blicke zu. Ich konnte jede Wette<br />

eingehen, dass sie sich nach uns<br />

umdrehten, da wir eine Neuigkeit<br />

auf ihrem Schiff darstellten. Wir<br />

konnten deutlich die Neugierde<br />

spüren. Wir gingen durch mehrere<br />

Gänge und betraten dann einen<br />

Raum, der mit sieben Kontursesseln<br />

ausgestattet war. Neben den<br />

Sesseln befanden sich links und<br />

rechts Konsolen. Die Kontursessel<br />

besaßen am oberen Ende ein paar<br />

chromartige Bügel, die mich entfernt<br />

an Hasenohren erinnerten.<br />

Max begab sich an einen Bildschirmterminal<br />

und unterhielt sich<br />

mit jemandem.<br />

»Ihr könnt euch bereits in die<br />

Sessel setzen«, forderte er uns auf,<br />

nachdem er sein Gespräch<br />

beendet hatte.


Wir setzten uns in die bequemen<br />

Sessel und warteten gemeinsam.<br />

Als das Schott sich öffnete, betrat<br />

eine alte Bekannte den Raum.<br />

Antu-Er-Marush kam direkt auf<br />

uns zu und begrüßte uns mit<br />

einem reizenden Lächeln. Ich war<br />

Hals über Kopf in sie verliebt und<br />

folgte jeder ihrer Bewegungen…<br />

sog sie förmlich in mich auf.<br />

»Du hast schon wieder Stielaugen«,<br />

bemerkte Peter auf Deutsch.<br />

»Sie ist aber auch einsame<br />

Klasse, Mensch«.<br />

»Du solltest dich aber lieber ein<br />

wenig am Riemen reißen«.<br />

»Leichter gesagt, als getan. Ich<br />

werde daran denken«.<br />

»Speziell, wenn sie später so<br />

oder so an deinem Gedankengut<br />

feststellt, dass du in sie verknallt<br />

bist«.<br />

»Mensch Meier, dass hätte ich<br />

fast vergessen«.<br />

Max verabschiedete sich von uns<br />

mit der Versicherung, bei unserem<br />

Erwachen wieder anwesend zu<br />

sein. Antu-Er-Marush zog sich eine<br />

Sitzgelegenheit heran und setzte<br />

sich uns gegenüber. Sie hatte die<br />

Beine übergeschlagen und brachte<br />

sich in Positur. Speziell ihr Becken<br />

und wohlproportionierter Oberkörper<br />

kamen dadurch wirkungsvoll<br />

zur Geltung.<br />

»Ihr werdet in einen sanften<br />

Schlaf versetzt werden…«<br />

»Ich hätte lieber einen Tiefschlaf«,<br />

unterbrach Peter sie<br />

schnell, »damit ich Mikes Schnarchen<br />

nicht höre«.<br />

Durch ihr spontanes, helles Auflachen<br />

zeigte sie uns, dass sie<br />

Humor besaß und die Unterbrechung<br />

durch Peter nicht übel<br />

nahm.<br />

»Nach dem Erwachen seid ihr in<br />

der Lage, unsere Sprache zu verstehen.<br />

Glaubt jedoch nicht, dass<br />

ihr sofort in der Lage sein werdet,<br />

sie fehlerfrei zu sprechen. Es wird<br />

etwas Übung notwendig sein«.<br />

Sie stand auf und justierte einige<br />

Einstellungen an der rechten<br />

Konsole neben Peters Sessel. Die<br />

chromartigen Bügel senkten sich<br />

langsam und sanft auf seinen Kopf<br />

und ich konnte sehen, wie Peter<br />

augenblicklich einschlief. Danach<br />

kam sie zu der Konsole, die neben<br />

meinem Sessel stand. Die Bügel<br />

senkten sich und als sie meine<br />

Kopfhaut berührten, kam ein<br />

dunkler Nebel über mich.<br />

Ein Sandsturm<br />

Ich verabschiedete mich von Peter<br />

und Mike, da Anu-Er-Marush<br />

jetzt am Zuge war und meine Anwesenheit<br />

nur stören konnte. Ich<br />

hatte jedoch vor, mich gelegentlich<br />

von den Fortschritten der<br />

Schulung zu überzeugen. Es war<br />

kein kompliziertes Verfahren und<br />

ich rechnete nicht mit Überraschungen.<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Esra-El-Ront nahm mit mir Verbindung<br />

auf und teilte mir mit,<br />

dass sich einige Leute in der Umgebung<br />

von Peters und Mikes Lager<br />

herumtrieben. Sie waren kurz nach<br />

unserem Transfer mit Geländefahrzeugen<br />

aufgetaucht. Ich<br />

ordnete sofort an, ein Illusionsfeld<br />

um das Lager zu legen. Das Illusionsfeld<br />

war eine passive Maßnahme,<br />

die das Lager für einen<br />

Betrachter unsichtbar machte und<br />

optisch eine Geländestruktur vorspiegelte,<br />

die der natürlichen<br />

Umgebung täuschend ähnlich sah.<br />

Wir wussten nicht, wer die Leute<br />

waren. Ihre Fahrzeuge hatten<br />

jedoch einen zivilen Charakter und<br />

wir nahmen erst einmal an, dass<br />

es sich um Jäger handelte, die<br />

zufällig in die Nähe der Grotte<br />

gelangt waren. Esra-El-Ront hatte<br />

eine direkte Bildverbindung<br />

geschaltet und ich war Zeuge ihres<br />

Verhaltens. Ich revidierte meine<br />

Ansicht, Jäger vor mir zu haben. Ihr<br />

Verhalten war Jägern nicht würdig.<br />

Sie fuhren wie die Verrückten in<br />

der Gegend herum und verursachten<br />

so viel Staub, dass unsere normalen<br />

Optiken nicht in der Lage<br />

waren diesen Staub zu durchdringen.<br />

Wir mussten auf Infra-Rot<br />

umschalten, um bestimmen zu<br />

können, wo sich die Fahrzeuge<br />

befanden. Ihr Verhalten machte<br />

mich ärgerlich. Besonders als ich<br />

mit ansehen musste, wie sie mit<br />

großkalibrigen Gewehren und<br />

Revolvern auf alles schossen, was<br />

sich in der Wüste bewegte. Sie<br />

suchten nach Schlangen, auf die


sie dann einschlugen, bis nur noch<br />

eine unkenntliche Masse von<br />

ihnen übrig blieb. Ihre mitgebrachten<br />

Bierdosen warfen sie<br />

achtlos in der Gegend herum. Es<br />

war offensichtlich, dass diese<br />

Leute einen minderen Charakter<br />

aufwiesen und keinem Vergleich<br />

zu Peter, Mike und Kevin standhalten<br />

konnten. Esra-El-Ront sollte<br />

deshalb eine Bannzone von<br />

200 Metern um das Lager legen.<br />

Er hatte dafür zu sorgen, dass<br />

sobald diese Zone überschritten<br />

würde, ein Sandsturm entfacht<br />

werden sollte, um diese Individuen<br />

vertreiben zu können. Sollte das<br />

nicht ausreichen, so sollte das<br />

Fahrzeug in mein Schiff transferiert<br />

werden, um zu vermeiden,<br />

dass sie sich an dem Fahrzeug<br />

vergehen konnten. Ich spielte mit<br />

dem Gedanken, sie für ihre Freveltaten<br />

zu bestrafen. Zum ersten<br />

Mal in meinem Leben bemerkte<br />

ich, wie ein Gefühl von Hass in mir<br />

aufkeimen wollte und ich musste<br />

mich zwingen, nicht davon mitgerissen<br />

zu werden. Da unsere Anwesenheit<br />

jedoch unbemerkt bleiben<br />

sollte, musste ich darauf verzichten,<br />

sie zu maßregeln, außerdem<br />

nahm ich an, dass diese Leute<br />

sofort auf uns schießen würden,<br />

sobald sie uns erblickten. Meine<br />

Besatzungsmitglieder waren zu<br />

wertvoll, um bei einer Belehrungsaktion<br />

geopfert zu werden.<br />

Unsere Vorsichtsmaßnahmen<br />

waren richtig getroffen worden.<br />

Drei dieser Leute überschritten die<br />

Bannzone und Esra-El-Ront begeg-<br />

nete dies, indem er ein Energiefeld<br />

erzeugte, welches den Sand aufwirbelte.<br />

Sie waren davon allerdings<br />

nicht sichtlich beeindruckt<br />

und gingen weiter. In wenigen<br />

Metern würden sie in der Lage<br />

sein, das grüne Fahrzeug auszumachen.<br />

Ront erhöhte die Intensität<br />

und entfachte einen Sturm, der<br />

seinesgleichen suchte. Er erzeugte<br />

einige statische Entladungen, die<br />

als Blitze zu Erde niederschlugen.<br />

Gleichzeitig entfernte er das Fahrzeug<br />

und beseitigte das Illusionsfeld.<br />

Der künstlich entfachte<br />

Sandsturm würde die Spuren verwischen.<br />

Die Verwirrung, die er<br />

verursachte, war ausreichend. Die<br />

Leute verließen fluchtartig den<br />

Berg und rannten zu ihren Fahrzeugen.<br />

Befriedigt stellte ich fest,<br />

dass sie diese Gegend unverzüglich<br />

verließen. Ich hoffte nur, dass sie<br />

nicht wiederkommen würden. Als<br />

letzte Maßnahme ordnete ich an,<br />

den Zugang zur Grotte zu zerstören<br />

und den Weg zur Tunnelöffnung<br />

unpassierbar zu machen.<br />

Gleichzeitig sollte Ront die Besatzung<br />

des erdgebundenen Schiffes<br />

darüber informieren.<br />

Es war mehr als eine Stunde<br />

vergangen und ich begab mich<br />

wieder zum Manipulationsraum.<br />

Antu-Er-Marush wachte über ihre<br />

Instrumente. Sie hob den linken<br />

Arm und gab mir zu verstehen,<br />

dass ich näher kommen sollte.<br />

»Was machen meine Schützlinge?«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Es gibt keine Probleme. Das<br />

Programm läuft planmäßig ab.«<br />

»Neuigkeiten von Kevin?«<br />

»Sein Zustand bessert sich<br />

zunehmend. Ich denke, es ist<br />

möglich ihn in zwei bis drei<br />

Stunden zu wecken. Seine Knochenbrüche<br />

sind gut verheilt. Es<br />

bleibt nur noch zu sehen, wie er<br />

auf seine neue Umgebung reagieren<br />

wird.«<br />

»Die erste Phase der Sprachschulung<br />

sollte bis dahin abgeschlossen<br />

sein.«<br />

»Natürlich. Sie wird noch etwa<br />

eine Stunde andauern. Wir sollten<br />

uns auf einige interessante Diskussionen<br />

vorbereiten. Wie ich aus<br />

der Mentalkopie entnehmen kann,<br />

haben die drei in etwa die gleiche<br />

Kapazität. Wir hatten bei Kevin, als<br />

er bei uns eingeliefert wurde,<br />

bereits eine Kopie angefertigt. Er<br />

weiß mehr, als er bereit ist sich<br />

selbst zuzugestehen. Er befindet<br />

sich allerdings in einem Umbruch<br />

und hat bisher noch keinen Weg<br />

gefunden, sich von seinem traditionellen<br />

Ballast zu befreien. Es<br />

hindert ihn daran, rationell zu<br />

denken, weil er denkt, sich im<br />

Konflikt mit seinen traditionellen<br />

Wertvorstellungen zu befinden. Er<br />

wird mir noch meinen Schlaf<br />

rauben. Peter hat einen ausgeglichenen<br />

und vorsichtigen Charakter<br />

und ist in der Lage, sich schnell und<br />

verantwortungsbewusst auf neue<br />

Situationen einzustellen. Er besitzt<br />

ein ausgeprägtes Wissen, welches


er allerdings nicht so leicht preis<br />

gibt. Er wartet auf passende Gelegenheiten.<br />

Mike hingegen zeigt<br />

Anzeichen von spontaner und<br />

überraschender Aktionsbereitschaft,<br />

vor der wir uns vorsehen<br />

müssen. Sein überaus tiefgreifendes<br />

Wissen über unsere Machenschaften<br />

auf ihrem Planeten<br />

ermöglicht es ihm, uns im engeren<br />

Sinne zu beurteilen und einzuschätzen.<br />

Er könnte uns in Verlegenheit<br />

bringen.«<br />

»Deiner Ansicht nach wäre es<br />

also nicht ratsam, sie über die<br />

gesamte Geschichte aufzuklären?«<br />

»Ich habe mich bereits mit dieser<br />

Frage beschäftigt und neige dazu,<br />

es nicht in vollem Umfang zuzulassen.<br />

Wir könnten es anders<br />

bewerkstelligen. Durch Frage- und<br />

Antwortspiel behalten wir die<br />

Oberhand und geben nur die Informationen<br />

frei, die wir als notwendig<br />

betrachten. Gleichzeitig lernt<br />

Kevin in kleinen Schritten, was sich<br />

zugetragen hat. Für Peter ist das<br />

nur eine Wissensergänzung. Es<br />

liegt an Mike, inwieweit er sich<br />

sensibel genug zeigt, uns nicht zu<br />

konfrontieren, sondern mit uns<br />

zusammen zu arbeiten. Ich habe<br />

bei ihm noch andere Dinge festgestellt,<br />

über die ich allerdings zu<br />

diesem Zeitpunkt nicht sprechen<br />

möchte«.<br />

Genehmigung einholen<br />

»Der Sprachschulung würde ich<br />

eine technische Unterweisung<br />

und Schulung folgen lassen, damit<br />

sie sich zurechtfinden können und<br />

nicht mehr auf meine Hilfe angewiesen<br />

sind, Marush«, schlug ich<br />

vor.<br />

»Das kann ebenfalls gemacht<br />

werden. Ich möchte ihnen nur eine<br />

Pause von mehreren Stunden<br />

gönnen. In der Zwischenzeit werde<br />

ich die mobile Manipulationsapparatur<br />

bei Kevin einsetzen, damit er<br />

sich auf demselben Sprachwissensstand<br />

befindet. Abschließend<br />

werde ich sie so konditionieren,<br />

dass sie ihr Sprachwissen nur dann<br />

einsetzen und zur Verfügung<br />

haben, wenn sie entweder mit uns<br />

zusammen oder unter sich sind.<br />

Sie sind somit nicht in der Lage, ihr<br />

Sprachwissen anderen mitzuteilen.<br />

Es wird ihnen jedoch möglich<br />

sein, unsere Schrift zu lesen und<br />

sie zu interpretieren.«<br />

»Ich stimme dir zu, Marush.<br />

Bleibt nur noch zu klären, wie<br />

lange wir uns noch mit dem Mutterschiff<br />

in diesem System aufhalten<br />

werden. Ich bin geneigt, mich<br />

mit meiner Besatzung noch länger<br />

in diesem System aufzuhalten.«<br />

»Da hast du ebenfalls einen<br />

wunden Punkt bei mir berührt. Ich<br />

spiele nämlich mit demselben<br />

Gedanken. Die medizinische Abteilung<br />

kann auch ohne mich für eine<br />

Weile auskommen.«<br />

»Was hältst du davon, wenn ich<br />

unser Anliegen bei Anu-Esh-Varu<br />

vortragen würde?«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Gute Idee. Er wird sich allerdings<br />

nicht sehr darüber freuen,<br />

obwohl wir befugt sind, in besonderen<br />

Situationen von unserem<br />

Recht zur Forschung auf anderen<br />

Planeten Gebrauch zu machen.<br />

Wir würden nur den Schutz des<br />

Mutterschiffes aufgeben.«<br />

»Es wird nicht einfach sein, da er<br />

uns bestimmt die wissenschaftliche<br />

Forschung am Objekt nicht<br />

abnehmen wird. Er vermutet<br />

schon seit geraumer Zeit, dass wir<br />

uns ein neues Lieblingsfach ausgesucht<br />

haben.«<br />

»Versuche es trotzdem.«<br />

»Ich kann natürlich meine Besatzung<br />

nicht dazu zwingen, bei<br />

diesem Unternehmen teilzunehmen.<br />

Ich werde sie fragen, ob sie<br />

dazu bereit sind. Bis später,<br />

Marush.«<br />

Über die Direktverbindung,<br />

setzte ich mich mit meiner Besatzung<br />

auseinander. Von den acht<br />

Besatzungsmitgliedern sonderte<br />

sich nur der Navigationsoffizier ab<br />

und wollte nicht an der geplanten<br />

Mission teilnehmen. Ich hatte<br />

Nama-Es-Runsches Wunsch zu entsprechen<br />

und ordnete an, dass er<br />

mit sofortiger Wirkung auf das<br />

Mutterschiff zurück versetzt<br />

werden sollte. Die Navigationsarbeiten<br />

konnte ich selbst übernehmen<br />

und er war somit<br />

abkömmlich. Er bat mich um Entschuldigung,<br />

aber er wollte unbedingt<br />

bei der Initialisierung seines<br />

Sohnes in den Mannesstand dabei


sein. Diese Zeremonien wurden<br />

nach alter Tradition nur auf Nibiru<br />

durchgeführt. Aus diesen Gründen<br />

war es für ihn wichtiger, auf Nibiru<br />

dabei zu sein, als an einer Mission<br />

auf einem rückständigen Planeten<br />

teilzunehmen. Ich machte deshalb<br />

auch keine Anstalten, ihn umzustimmen.<br />

Er wusste jedoch, dass<br />

durch diese Entscheidung seine<br />

Tage in der Einsatzflotte gezählt<br />

sein würden. Es wurde nicht gerne<br />

gesehen, wenn jemand eine<br />

Stammbesatzung aus persönlichen<br />

Gründen verließ. Er konnte dafür<br />

zwar nicht bestraft werden, jedoch<br />

wurde er durch seine Wahl in<br />

gewissem Sinne gezeichnet. Er<br />

würde es nie wieder schaffen, in<br />

einen Einsatzverband aufgenommen<br />

zu werden. Dieser Ehrenkodex<br />

kam somit einer indirekten<br />

Bestrafung gleich. Man würde<br />

allerdings dafür sorgen, ihm einen<br />

Posten auf Nibiru zuweisen zu<br />

lassen.<br />

Ich war jetzt bestens für unser<br />

Vorhaben gewappnet, um mich<br />

mit Anu-Esh-Varu unterhalten zu<br />

können. Durch seinen Vorzimmeroffizier<br />

ließ ich mich wieder einmal<br />

anmelden.<br />

»Was gibt es Neues?«, fragte er<br />

mich mit polternder Stimme.<br />

Ich erklärte ihm unsere Fortschritte<br />

mit Peter, Mike und Kevin.<br />

Er sah zufrieden aus und lud mich<br />

ein, Platz zu nehmen.<br />

»Antu-Er-Marush und ich sind zu<br />

der Überzeugung gelangt, noch<br />

etwas in diesem System zu verweilen,<br />

um unsere Forschungen<br />

weiter betreiben zu können. Wir<br />

wollen dich über unseren<br />

Beschluss informieren und deine<br />

Zustimmung einholen.«<br />

»Ihr wollt also unter dem<br />

Vorwand der wissenschaftlichen<br />

Forschung zurückbleiben, um<br />

eurem Steckenpferd huldigen zu<br />

können? Es ist also schon abgemachte<br />

Sache und du kommst nur<br />

noch eben vorbei, um die Genehmigung,<br />

die ich euch so oder so<br />

nicht verweigern kann, einzuholen.<br />

Ich finde das sehr nett von<br />

euch. Wie steht denn deine Besatzung<br />

zu deinem Entschluss?«<br />

»Meine Besatzung steht hinter<br />

mir, mit Ausnahme von Nama-Es-<br />

Rausch. Er möchte nach Nibiru<br />

zurück, um bei der Initialisierung<br />

seines Sohnes dabei sein zu können.«<br />

»Ich hoffe, dass er weiß, was er<br />

da macht? Sobald er euch den<br />

Rücken kehrt ist es mit seiner Laufbahn<br />

in der Flotte zu Ende.«<br />

»Er weiß es!«<br />

»Nun gut, meinetwegen. Euer<br />

Schiff hat eine Reichweite von<br />

20.000 Lichtjahren und es sollte<br />

kein Problem sein, nach Nibiru<br />

zurück zu kehren. Ich werde veranlassen,<br />

euch Beistand durch<br />

andere Flottenteile zukommen zu<br />

lassen, wenn es nötig sein sollte.<br />

Euren Urlaub werde ich erst<br />

einmal auf ein terrestrisches Jahr<br />

festlegen. Ich erwarte jedoch, dass<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

ihr mir über die vorgeschriebenen<br />

Zwischenstationen einen monatlichen<br />

Bericht liefert. Lass deine<br />

Vorräte ergänzen sowie die technische<br />

und medizinische Ausrüstung<br />

erweitern. Seid besonders<br />

vorsichtig! Die Bewohner dieses<br />

Planeten sind in der Lage, euch zu<br />

vernichten. Sie besitzen chemische<br />

und biologische Waffen, gegen die<br />

sogar wir keine Mittel besitzen.<br />

Lasst euch nicht erwischen. Es<br />

bleiben dir für deine Vorbereitungen<br />

noch etwa 72 Stunden. Wir<br />

werden danach mit dem Mutterschiff<br />

von hier verschwinden. Ihr<br />

seid dann auf euch allein gestellt.<br />

Nehmt Verbindung mit der Infiltrationsgruppe<br />

auf. Sie können<br />

euch helfen, da sie die planetarischen<br />

Gegebenheiten bestens<br />

kennen.«<br />

»Ich danke dir für deine Unterstützung,<br />

Großonkel!«, sagte ich<br />

schnell, wobei er mit der Stirn<br />

runzelte und sich leicht schüttelte.<br />

»Mir bleibt ja gar nichts anderes<br />

übrig. Ihr habt ein Recht darauf,<br />

persönliche Forschung zu betreiben.<br />

Bevor ihr aufbrecht, möchte<br />

ich die drei Terrestrier noch<br />

genauer in Augenschein nehmen.<br />

Erwähne also nichts von eurem<br />

Vorhaben, das möchte ich übernehmen.«<br />

»Verstanden.«<br />

Er sah mir noch einen Moment<br />

tief in die Augen und begleitete<br />

mich dann zum Ausgang. Frohgestimmt<br />

begab ich mich wieder zu


Antu-Er-Marush. Sie sprang auf,<br />

umarmte mich und küsste mich<br />

auf die Stirn, als ich ihr die gute<br />

Nachricht übermittelte. Ihre<br />

Augen strahlten wie Sterne. Ich<br />

hatte sie noch nie so erlebt und<br />

hätte nun wirklich gerne gewusst,<br />

was sie sich von unserer Mission<br />

versprach. Eine Ahnung sagte mir,<br />

dass es etwas mit Mike zu tun<br />

haben musste. Bevor wir die drei<br />

getroffen hatten, war sie nicht<br />

sonderlich an diesem dritten Planeten<br />

interessiert gewesen. Sogar<br />

als Kevin nach seinem Unfall von<br />

ihr versorgt worden war, hatte sie<br />

nur sachliches Interesse gezeigt.<br />

Erst nach der Mentalkopie der drei<br />

hatte sie ihr Verhalten geändert.<br />

Sie zeigte ein gesteigertes Interesse<br />

an Mike, was weit über den<br />

wissenschaftlichen Rahmen hinausging.<br />

»Wir sind am Ende der Sprachschulung<br />

angelangt. Ich werde<br />

Peter und Mike jetzt wecken«,<br />

stellte sie nach einer Weile fest.<br />

Es hat geklappt<br />

So wie der Nebel über mich gekommen<br />

war, so verschwand er<br />

auch wieder. Ich fühlte keine<br />

Schmerzen und empfand eine beruhigende<br />

Ausgeglichenheit.<br />

Nachdem ich die Augen geöffnet<br />

hatte, musterte ich meine Umgebung.<br />

Max sah mich erwartungsvoll<br />

an. Antu-Er-Marush<br />

beschäftigte sich noch mit Peter.<br />

Die Beschriftung an der Wand in<br />

der Nähe des Ausganges konnte<br />

ich mühelos entziffern und lesen.<br />

Also hatte die Sprachschulung Erfolg<br />

gehabt!<br />

»Wie fühlst du dich?«, fragte<br />

mich Max in seiner Sprache.<br />

Ich nickte mit dem Kopf, um ihm<br />

zu verstehen zu geben, dass alles<br />

in Ordnung sei mit mir. Er forderte<br />

mich jedoch durch Gesten dazu<br />

auf, mich mit ihm zu unterhalten.<br />

Zu meinem Erstaunen hörten sich<br />

die Worte relativ gut an für mein<br />

Verständnis. Vor Freude darüber<br />

klatschte er sich mit der rechten<br />

Hand auf sein Knie. Er musste also<br />

wirklich verstanden haben, was ich<br />

ihm gesagt hatte.<br />

»Mit etwas Übung wird es schon<br />

gehen«, sagte Antu-Er-Marush. Sie<br />

strahlte übers ganze Gesicht. Sie<br />

machte keinen Hehl aus ihrer<br />

Freude. Sie kam zu mir und legte<br />

ihre Hand auf meine Stirn. Ich<br />

fühlte ihre Wärme und nahm den<br />

Duft ihres Parfums in mir auf.<br />

Die Anwesenheit von Max und<br />

ihr gaben mir die Sicherheit<br />

zurück. Ich fragte sie langsam:<br />

»Wie geht es Peter?«<br />

»Er ist bereits erwacht und versteht,<br />

was wir sagen.«<br />

Ich drehte mich zu ihm herum.<br />

»Verstehst du was wir sagen?«<br />

»Ja…«, kam es krächzend, aber<br />

kurz und bündig zurück.<br />

»Was steht auf dem Schild<br />

neben dem Eingang?«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Das Füttern der Tiere ist verboten!«,<br />

sagte er trocken.<br />

Das überzeugte mich. Wir<br />

lachten gemeinsam über seinen<br />

Scherz. Max rannen dabei die<br />

Tränen über die Wangen.<br />

»Ich werde morgen die technische<br />

Unterweisung vornehmen.<br />

Vorerst werden wir Kevin der<br />

Sprachschulung unterwerfen,<br />

bevor wir ihn aufwecken können«,<br />

erklärte Antu-Er-Marush.<br />

»In der Zwischenzeit werde ich<br />

euch das Schiff zeigen. Ich habe<br />

euch nebenbei noch etwas zu<br />

berichten. Lasst uns gehen und<br />

erst einmal etwas essen«, forderte<br />

uns Max auf.<br />

Sein Vorschlag traf bei uns nicht<br />

auf taube Ohren. Wir kehrten in<br />

den gleichen Speisesaal zurück.<br />

»Dieses ist euer Speisesaal, in<br />

dem ihr eure Mahlzeiten zu euch<br />

nehmen könnt. Da euer Metabolismus<br />

schneller arbeitet, wurde<br />

von mir bereits veranlasst, dass<br />

eure Menüs abgeändert werden,<br />

um diesen Umständen zu entsprechen.«<br />

Er erklärte uns, wie wir die Ausgabeautomatik<br />

zu bedienen<br />

hatten, ließ uns aber selbst über<br />

die Zusammensetzung entscheiden.<br />

Wir hatten eine Identifizierungsmarke<br />

erhalten, die wir nur<br />

bei der Ausgabe einscannen<br />

brauchten, um unsere angeglichene<br />

Mahlzeit empfangen zu<br />

können. Es gab ausreichend zu<br />

trinken und die künstlich herge


stellten Speisen schmeckten nicht<br />

schlecht. Die Ausgabeautomatik<br />

traf einige Entscheidungen über<br />

die Zusammensetzung der Speisen<br />

und war uns behilflich, einen ausgewogenen<br />

Speisezettel zu entwerfen.<br />

»Diese Art der Ernährung mag ja<br />

ganz gut sein, aber das menschliche<br />

Auge isst mit. Es wird einige<br />

Zeit dauern, bis wir uns daran<br />

gewöhnt haben«, nörgelte Peter<br />

respektlos.<br />

»Ich weiß. Ihr nehmt noch tierische<br />

Nahrung zu euch, die aber<br />

einige Risiken aufweist. Sie kann<br />

zu Unverträglichkeiten führen und<br />

den Gelenkverschleiß beschleunigen<br />

sowie andere medizinische<br />

Probleme mit sich führen.«<br />

»Wissen wir alles, aber es<br />

schmeckt einfach besser. Der<br />

Geruch von gebratenem Fleisch<br />

lässt einem das Wasser im Mund<br />

zusammenlaufen«, ergänzte ich.<br />

»Ist ja auch fürs Erste egal.<br />

Jedenfalls werden wir hier auf dem<br />

Schiff nicht verhungern oder verdursten«,<br />

beschwichtigte Peter.<br />

»Ihr werdet euch noch wundern.<br />

Auf den Beibooten ist die Verpflegung<br />

noch dürftiger und ganz und<br />

gar nach den Mindestanforderungen<br />

ausgelegt.«<br />

»Danke für die Vorwarnung. Es<br />

geht doch nichts über EPA!«, erwiderte<br />

Peter in Anlehnung an die<br />

Bundeswehr Einsatzverpflegung,<br />

wobei Max nichtverstehend die<br />

Augenbrauen anhob.<br />

»Ich werde euch zur Kommandozentrale<br />

führen. Sie ist in etwa<br />

gleich ausgelegt wie auf den<br />

kleineren Schiffen. Mehrere Sektionen<br />

sind dort zusammengefasst,<br />

um eine schnelle und effektive<br />

Kommandostruktur zu erlauben.<br />

Trotz des hohen Grades an Automatisierung<br />

ist es immer noch<br />

notwendig, eine gewisse Anzahl<br />

von Personen zu beschäftigen, die<br />

sich um besondere Angelegenheiten<br />

kümmern müssen. Die individuelle<br />

Entschlusskraft ist jeder<br />

Maschine überlegen. Ich erwarte<br />

nicht, dass ihr auf Anhieb alles<br />

sofort verstehen werdet. Die<br />

Sprachausbildung war erst der<br />

Anfang. Sie wird aber bereits von<br />

Nutzen sein. Nach der technischen<br />

Unterweisung werdet ihr besser<br />

verstehen, wie die Sektionen<br />

untereinander funktionieren«, ließ<br />

er so nebenbei die Katze aus dem<br />

Sack.<br />

Peter und ich sahen uns überrascht<br />

an und zuckten mit einem<br />

Grinsen die Schultern.<br />

Er hatte Recht. Wir waren in der<br />

Lage, die Beschriftungen zu lesen.<br />

Das hieß allerdings noch längst<br />

nicht, dass sie damit ebenfalls<br />

einen Sinn erhielten. Ich konnte<br />

mir allerdings denken, dass Max<br />

uns nicht das gesamte Schiff<br />

zeigen würde. Es gab bestimmt<br />

Sektionen, von denen wir nichts<br />

wissen sollten.<br />

Durch ein Labyrinth von Gängen<br />

und Schächten gelangten wir zur<br />

Zentrale. Sie war kreisförmig aus-<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

gelegt und wies eine große Anzahl<br />

von Steuerpulte und Konsolen auf.<br />

Die Atmosphäre war ruhig und<br />

entspannt. Die ruhigen Bewegungen<br />

der Besatzungsmitglieder<br />

taten auch auf uns ihre Wirkung.<br />

Als ich mich einer der Konsolen<br />

näherte, wurde ich freundlich<br />

begrüßt. Die Unterhaltungen in<br />

der Zentrale wurden in<br />

gedämpftem Ton geführt. Ein gelegentliches<br />

Zirpen war neben dem<br />

Raunen der Belüftung und den<br />

Betriebsgeräuschen der Apparaturen<br />

vernehmbar. Von der gegenüberliegenden<br />

Seite der Zentrale<br />

näherte sich uns eine Person mit<br />

schnellen Schritten. Sein Gesicht<br />

zeigte eine arrogante Note,<br />

geprägt von energischen Zügen.<br />

Sein Blick war stechend und schien<br />

alles durchbohren zu wollen. Er<br />

blieb vor Peter und mir stehen und<br />

musterte uns abfällig von oben bis<br />

unten. Max unterhielt sich gerade<br />

mit einem anderen Besatzungsmitglied<br />

und hatte den Rücken zu uns<br />

gekehrt. In Anwesenheit dieser<br />

hochnäsigen Person bekam ich ein<br />

unangenehmes Gefühl in der<br />

Magengegend, als ich ihn so vor<br />

mir stehen sah.<br />

»Mir ist nicht bekannt, dass sich<br />

gemeines Personal in der Zentrale<br />

aufhalten darf!«, zischte er uns in<br />

seiner Sprache an. Seine Stimme<br />

hatte einen schneidenden Unterton,<br />

was mich sofort in Alarmstimmung<br />

versetzte. Er hob seine<br />

rechte Hand und winkte zwei<br />

Besatzungsmitglieder heran, die


neben dem Eingang der Zentrale<br />

gestanden hatten.<br />

»Stellt die Identität dieser Niederen<br />

fest und entfernt sie aus der<br />

Zentrale. Ich werde später das<br />

Maß ihrer Bestrafung festlegen«,<br />

befahl er den Posten.<br />

Er drehte sich abrupt herum und<br />

begab sich wieder in den hinteren<br />

Teil der Zentrale zurück.<br />

»Max!«, rief ich mit einer ausweichenden<br />

Bewegung, als die<br />

beiden Posten sich anschickten<br />

uns abzuführen. Er kam sofort zu<br />

uns herüber und unterhielt sich<br />

kurz und leise mit den Posten. Als<br />

er mit ihnen fertig war, kehrten<br />

diese wieder zum Eingang der Zentrale<br />

zurück, um dort wieder ihre<br />

Wache aufzunehmen. Wir gingen<br />

langsam durch die Zentrale, wobei<br />

uns Max einige Konsolen und Bildschirme<br />

erklärte.<br />

»Es gibt bestimmt gleich Ärger«,<br />

flüsterte Peter zu mir.<br />

Ich nickte zustimmend.<br />

»Da kannst du dich drauf verlassen.<br />

Das spüre ich im Urin«, antwortet<br />

ich ihm leise. »Der Heini<br />

wird bestimmt gleich wiederkommen<br />

und uns zusammenscheißen,<br />

dass die Zentrale wackelt. Ich<br />

kenn’ das noch vom Bund.«<br />

Ich hatte es noch gar nicht ganz<br />

ausgesprochen, da kam er auch<br />

schon mit Volldampf und sichtlich<br />

erregt auf uns zugeprescht.<br />

»Hatte ich nicht befohlen diese…<br />

diese NIEDEREN aus der Zentrale<br />

zu entfernen!«, schrie er außer<br />

sich.<br />

Die Posten am Eingang der Zentrale<br />

zuckten zusammen, taten<br />

jedoch so, als ob sie sein Wortgetöse<br />

nicht gehört hatten.<br />

Max der sich wieder einmal mit<br />

jemanden unterhalten und sich<br />

dabei über eine Konsole gebeugt<br />

hatte, um etwas auf einem Bildschirm<br />

auszudeuten, richtete sich<br />

nun zur vollen Größe auf und sagte<br />

nur: »Na, und wenn schon?«<br />

Sein goldenes Brustabzeichen<br />

reflektierte das Licht der Zentrale<br />

in magischer Weise. Als der Schreihals<br />

sein Emblem bemerkte und<br />

erkannte, wen er vor sich hatte,<br />

wurde er plötzlich sichtlich nervös.<br />

»Alalu-Trona- Esh…«, sagte Max<br />

mit fester und autoritärer Stimme.<br />

»Es sollte Ihrem scharfen Auge<br />

sicherlich nicht entgangen sein,<br />

dass meine Begleiter überhaupt<br />

nicht zu unserer Besatzung gehören.<br />

Sie befinden sich als Gäste von<br />

Anu-Esh-Varu, Antu-Er-Marush<br />

und mir auf diesem Schiff. Mein<br />

Name ist Anu-Antu-Et-Laru, wenn<br />

Ihnen das entfallen sein sollte.<br />

Diese zwei Männer stammen<br />

zusammen mit einem dritten<br />

Fremden, der sich zurzeit in der<br />

medizinischen Abteilung befindet,<br />

vom dritten Planeten dieses Sonnensystems.<br />

Das sollte sich doch<br />

bereits herumgesprochen haben.«<br />

»Ich verbitte mir eine solche<br />

Belehrung und werde Ihre Unver-<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

frorenheit sofort an Anu-Esh-Varu<br />

melden«, entgegnete er entrüstet.<br />

»Ha! Das können Sie gerne<br />

machen«, lachte ihn Max lautstark<br />

an, wobei er sich leicht vorbeugte.<br />

»Augenblick!«, fuhr ich dazwischen.<br />

Ich fühlte, dass ein Kompetenzgerangel<br />

sich nur negativ für<br />

alle Beteiligten auswirken würde.<br />

»Wir haben bereits von Ihnen<br />

gehört, Alalu-Trona- Esh. Sie<br />

wurden uns als umsichtiger und<br />

pflichtbewusster Kommandant<br />

geschildert«, geradebrechte ich in<br />

der für mich neuen Sprache.<br />

»Mein Name ist Mike und mein<br />

Partner nennt sich Peter. Wir verstehen<br />

recht gut, dass sie nicht<br />

zulassen können, dass sich unbefugtes<br />

Personal in der Zentrale<br />

aufhält. Sie sind ein vielbeschäftigter<br />

Mann und es kann gut<br />

möglich sein, dass Ihnen unsere<br />

Anwesenheit auf diesem Schiff<br />

nicht rechtzeitig gemeldet wurde.<br />

Sie wären sonst sicherlich vorbeigekommen,<br />

um uns vor der Dekontaminierungsschleuse<br />

zu<br />

begrüßen.«<br />

Bei dem letzten Satz lächelte ich<br />

ihn an und zwinkerte mit dem<br />

rechten Auge. Ihm blieb fast die<br />

Luft weg, als er meine noch ungefügen<br />

Sätze vernahm. Er hatte<br />

jedoch sofort begriffen, auf was<br />

ich hinaus wollte. Seine Gesichtszüge<br />

wurden daraufhin etwas<br />

freundlicher.<br />

»Ich werde von einer Meldung<br />

absehen. Anu-Antu-Et-Laru,


sorgen sie dafür, dass die beiden<br />

hier nichts anfassen.«<br />

Max entgegnete nichts und richtete<br />

seinen Blick nur kurz zur<br />

Decke, als wenn er dort etwas<br />

suchte.<br />

Als Alalu-Esh-Trona sich wieder<br />

entfernte, gab er mir einen Stoß in<br />

die Rippen.<br />

»Das machst du nicht noch ‘mal.<br />

Ich kann mit ihm allein fertig<br />

werden. Meine Macht reicht aus,<br />

sogar ihn verstummen zu lassen«,<br />

flüsterte er mir zu.<br />

»Ich wollte deine Autorität nicht<br />

antasten, wenn du aber deine<br />

Stellung unbeherrscht zur Geltung<br />

bringst, dann kann es für Peter und<br />

mich und besonders für Kevin auf<br />

diesem Schiff gefährlich werden.<br />

Wir können uns in dieser Umgebung<br />

keine Feinde leisten. Als ich<br />

Alalu-Esh-Trona zum ersten Mal<br />

sah, überkam mich ein seltsam<br />

ungutes Gefühl. Er ist sehr ehrgeizig.<br />

Du solltest Anu-Esh-Varu vor<br />

ihm warnen. Es wird noch viel<br />

Ärger mit ihm geben. Halte deine<br />

Augen und Ohren offen. Er ist noch<br />

längst nicht mit uns fertig. Ich kann<br />

Leute nicht vertragen, die nervös<br />

mit den Augenwinkeln zucken.«<br />

»Ich mag ihn ebenfalls nicht,<br />

obwohl ich ihn verstehen kann«,<br />

bemerkte Peter. »Sein Karma ist<br />

negativ. Er ist gefährlich!«<br />

»Danke für die Warnung, aber<br />

ich werde schon mit ihm fertig<br />

werden«, nickte Max.<br />

In diesem Moment ertönte ein<br />

leises Piepen von Max‘s Armband.<br />

Er hob den Arm, besah sich sein<br />

uhrenähnliches Gerät und begab<br />

sich zu einer kleinen Apparatur an<br />

der Wand in der Nähe des Zentralschotts.<br />

Als er zurück kam sagte er:<br />

»Wir können jetzt zu Kevin gehen.<br />

Antu-Er-Marush wird ihn jetzt aufwecken.«<br />

Wir machten uns auf den Weg in<br />

die medizinische Abteilung. Der<br />

Genesungstank befand sich in<br />

einer hermetisch abgeschlossenen<br />

Sektion, die wir nur durch Schleusen<br />

betreten konnten. Eine Anzahl<br />

von Schläuchen, durch die eine<br />

hellgrüne Flüssigkeit gepumpt<br />

wurde, waren an Kevins Tank<br />

angeschlossen. Er schwebte in<br />

dieser Flüssigkeit und war von ihr<br />

vollkommen eingeschlossen. Was<br />

mir besonders dabei auffiel, war<br />

der Umstand, dass der Tank vertikal<br />

installiert war. Ich hatte mir<br />

vorgestellt, eine Art Badewanne<br />

vorzufinden. Antu-Er-Marush forderte<br />

uns durch Gesten dazu auf,<br />

näher zu kommen.<br />

»Wir werden jetzt den Tank in<br />

die Horizontale verlagern und die<br />

Flüssigkeit entfernen. Gleichzeitig<br />

werden seine Lungen wieder an<br />

gasförmigen Sauerstoff umgewöhnt.<br />

Er wird von der Transformierung<br />

nichts spüren«, erklärte<br />

sie uns. Ich konnte keine Narben<br />

an Kevins Körper entdecken. Er<br />

war wieder wie neu. Mittels einer<br />

Transportvorrichtung wurde er aus<br />

dem Tank gehoben und in ein<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

bereitgestelltes Bett gelegt. Es sah<br />

dabei so aus, als wenn er auf<br />

einem Luftkissen schweben würde.<br />

»Seine Körperfunktionen arbeiten<br />

normal, seine Mentalströme<br />

sind vorerst stabil«, ergänzte sie.<br />

Kurze Zeit später öffnete er die<br />

Augen. Er sah sich um drehte den<br />

Kopf. Sein verwirrter Gesichtsausdruck<br />

zeigte mir, dass er sich nicht<br />

in seiner neuen Umgebung<br />

zurechtfand. Als sich sein Blick auf<br />

Max und Antu-Er-Marush richtete,<br />

begann er stoßweise zu atmen. Er<br />

schien sich einer Panikstimmung<br />

zu nähern.<br />

»Ruhig bleiben, Kevin«, sagte ich<br />

zu ihm mit gemäßigter Stimme.<br />

Er drehte seinen Kopf in meine<br />

Richtung und ich konnte förmlich<br />

sehen, wie eine große Last von ihm<br />

wich. Er wurde jetzt wieder<br />

ruhiger.<br />

»Mike, wo bin ich?«, fragte er<br />

leise.<br />

»Du bist in der medizinischen<br />

Abteilung des Mutterschiffes von<br />

Max. Die bezaubernde Dame<br />

neben dir heißt: Antu-Er-Marush<br />

und ist dafür verantwortlich, dass<br />

du noch unter uns weilst.«<br />

Kevin sah sie lange und eindringlich<br />

an. Plötzlich rannen dicke<br />

Tränen über seine Wangen. Er<br />

weinte in einer Weise, wie ich es<br />

bisher nur bei Menschen, die unter<br />

sehr starken Depressionen litten,<br />

gesehen hatte. Er fing an zu zittern<br />

und bewegte sich unkontrolliert.


Ich legte ihm meine Hand auf die<br />

Stirn und forderte ihn auf, sich auf<br />

meine warme Handfläche zu konzentrieren.<br />

»Gib mir bitte etwas Wasser,<br />

Max«, bat ich.<br />

Max reichte mir einen kleinen<br />

Behälter mit Wasser. Ich tupfte<br />

meinen rechten Zeigefinger in die<br />

Flüssigkeit und ließ ein paar<br />

Tropfen auf Kevins Stirn fallen,<br />

gerade oberhalb der Nasenwurzel.<br />

»Konzentriere dich auf die Wassertropfen.<br />

Schließe deine Augen<br />

und fühle wie das kalte Wasser<br />

langsam warm wird. Wenn das<br />

Wasser unerträglich heiß wird,<br />

dann darfst du es abwischen«,<br />

forderte ich ihn auf.<br />

Nach etwa zwei Minuten wischte<br />

er sich das Wasser von der Stirn.<br />

In der Zwischenzeit war sein<br />

Zittern abgeebbt und sein Atem<br />

ging wieder normal. Antu-Er-Marush<br />

sah mich erstaunt an, sagte<br />

aber nichts. Peter hatte Kevins<br />

Hand ergriffen und seine Augen<br />

geschlossen. Er tat das seinige<br />

dazu.<br />

»Du kannst jetzt aufstehen und<br />

dich anziehen«, forderte Marush<br />

ihn in ihrer Sprache auf.<br />

»Was sagt sie?«, fragte er mich.<br />

»Du kannst jetzt aufstehen und<br />

dich anziehen«, übersetzte ich für<br />

ihn ins Englische, wobei mir<br />

hierbei einfiel, dass er es doch<br />

hätte verstehen müssen.<br />

Als er sich erhob, um die bereitgestellten<br />

Kleidungsstücke anzulegen<br />

fragte ich Marush: »Hat er<br />

bereits eine Sprachschulung erhalten?«<br />

»Natürlich! Er hätte verstehen<br />

müssen, was ich ihm sagte«, entgegnete<br />

sie verblüfft.<br />

»Mentalblock!«, meinte Peter<br />

spontan.<br />

»Das glaube ich auch«, stimmte<br />

ich ihm zu.<br />

»Was meinst du damit, Peter?«,<br />

fragte sie.<br />

»Ganz einfach. Kevin will sich mit<br />

der neuen Situation nicht abfinden<br />

und verdrängt, was er gelernt hat.<br />

Er hat dich wohl verstanden, aber<br />

er erlaubt sich nicht, das Gelernte<br />

anzuwenden. Er bildet sich ein,<br />

dass diese neue Realität für ihn<br />

nicht existiert, obwohl er sich<br />

mitten in ihr befindet und darin<br />

funktioniert.«<br />

»Etwas Ähnliches hatte ich<br />

bereits befürchtet, deswegen<br />

hatte ich darauf bestanden, bei<br />

seinem Aufwecken dabei sein zu<br />

können«, fügte ich schnell hinzu.<br />

»Ich… beginne zu verstehen«,<br />

sagte Max gedehnt.<br />

»Gegen Sturheit ist selbst im<br />

Universum kein Mittel zu erhalten.<br />

Wir können es nur durch Überzeugung<br />

abstellen«, meinte Marush.<br />

»Trotzdem werden wir mit der<br />

technischen Unterweisung in ca.<br />

einer Stunde beginnen. Ich sehe<br />

euch im Labor wieder.«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Kevin wollte sich aus Gewohnheit<br />

seine Brille aufsetzen, konnte<br />

sie aber nicht finden.<br />

»Wo ist meine Brille?«, fragte er<br />

laut auf Englisch.<br />

Marush hatte es noch vernommen<br />

bevor sie den Raum verlassen<br />

hatte. Sie drehte sich um und<br />

sagte nur kurz: »Die brauchst du<br />

nicht mehr. Wir haben deine<br />

Augen repariert!«<br />

»Eh… könnt ihr das auch bei mir<br />

machen?«, fragte ich nur mal so<br />

nach.<br />

»Das brauchen wir in deinem Fall<br />

nicht, weil der Amphorensaft das<br />

bei dir macht. Es dauert etwa zwei<br />

Tage, dann brauchst du deine<br />

Brille auch nicht mehr.<br />

»Irgendwie kommt es mir so vor,<br />

als ob ich der Gelackmeierte bin«,<br />

nötigte sich Peter zu bemerken.<br />

»Bei mir wurde nichts repariert.«<br />

Marush kam näher.<br />

»Hmm… ich wollte es dir eigentlich<br />

nicht sagen, aber du warst in<br />

einer weit schlechteren Verfassung<br />

als dir vielleicht bekannt war,<br />

bevor du den Cocktail getrunken<br />

hattest«, eröffnete sie ihm ernst.<br />

»Ich bin kerngesund!«, protestierte<br />

Peter, ergänzte dann aber<br />

zögerlich, »…oder… doch nicht?«<br />

»Hast du in den letzten Monaten<br />

bemerkt, dass du ab und zu übermäßig<br />

müde warst? Hattest du<br />

manchmal Konzentrationsschwächen<br />

oder Kopfschmerzen?


Hattest du gelegentlich Schüttelfrost?«,<br />

forschte sie.<br />

»Ja… ah«, bestätigte er langsam,<br />

die Stimme hebend. »Als wir in das<br />

Schiff eindrangen, fühlte ich mich<br />

nicht wohl. Ich hab das aber nicht<br />

weiter beachtet, wegen der<br />

Anspannung.«<br />

»Als wir dich sondierten, haben<br />

wir eine Verstrahlung deiner Leber<br />

und deines Blutes festgestellt.<br />

Hast du eine lange Zeit mit Hochfrequenzenergie<br />

zu tun gehabt?«,<br />

forschte sie weiter.<br />

Peter nickte.<br />

»Ich hatte mit Radargeräten zu<br />

tun.«<br />

»Das erklärt das Frühstadium der<br />

vorgefundenen Leukämie!«<br />

Peters Augen weiteten sich<br />

erschrocken.<br />

»Sei zuversichtlich, der Cocktail<br />

wird es in ein paar Tagen kurieren!«,<br />

beruhigte ihn Marush.<br />

»Danke!«, nickte Peter<br />

erleichtert.<br />

»Du hattest Glück, uns zu treffen«,<br />

bemerkte sie noch mit einem<br />

Augenzwinkern, bevor sie endgültig<br />

die Station verließ.<br />

Ich schlug Peter nickend auf die<br />

Schulter und rüttelte ihn sanft.<br />

»Schwein gehabt, Mann…!«<br />

Kurz vor Ablauf der Frist fanden<br />

wir uns im Manipulationsraum ein.<br />

Wir setzten uns wieder in die<br />

Sessel und ließen das Programm<br />

ablaufen. Als die technische Unterweisung<br />

beendet war und wir<br />

wieder klar sehen konnten, sah<br />

uns Max aus hohlen Augen und<br />

blassem Gesicht an. Ich fühlte,<br />

dass etwas in der Zwischenzeit<br />

etwas passiert sein musste.<br />

»Ist etwas nicht in Ordnung mit<br />

Peter und Kevin?«, fragte ich ihn.<br />

»Viel schlimmer!«, antwortete<br />

er stockend. Er hatte Mühe seine<br />

Emotionen zurückzuhalten.<br />

Nach einer kurzen Pause fuhr er<br />

fort: »Anu-Esh-Varu ist tot!«<br />

»Wie bitte?«, entfuhr es mir<br />

lauter als ich gewollt hatte, »ich<br />

kannte ihn zwar nicht persönlich,<br />

ich wusste jedoch, dass er hier der<br />

Boss war.«<br />

»Er kam bei einem Unfall ums<br />

Leben«, erklärte Max betroffen.<br />

»Hast du das mit bekommen?«,<br />

fragte ich Peter betroffen.<br />

»Ich wünschte, es wäre eine<br />

bessere Nachricht gewesen«,<br />

sagte dieser stockend.<br />

»Wie ist es passiert?«, versuchte<br />

ich nun herauszufinden.<br />

»Er benutzte einen Gravitationsschacht,<br />

der plötzlich aussetzte.<br />

Den Aufprall hat er nicht überlebt.<br />

Gleichzeitig war der Gravitationskonverter<br />

explodiert und hat<br />

seinen Körper so sehr strahlengeschädigt,<br />

dass seine Gene schlagartig<br />

mutierten. Wir sind somit<br />

nicht in der Lage, ihn aus den<br />

kümmerlichen Resten mit unseren<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

technischen Mitteln wiederherzustellen.«<br />

»Es tut mir leid um deinen<br />

Onkel«, sagte ich zu Max tröstend,<br />

»aber etwas reimt sich da nicht so<br />

ganz.«<br />

»Was meinst du damit?«, fragte<br />

Max.<br />

»So wie ich es verstehe, sollte<br />

bei einer Fehlfunktion des Gravitationsschachtes<br />

eine Vorwarnung<br />

vom Rechner erteilt worden sein,<br />

um den jeweiligen Benutzer genügend<br />

Zeit zu geben, an die Notleitern<br />

zu gelangen. Ist das so<br />

richtig?«, flüsterte ich.<br />

»Das ist korrekt… aber es<br />

geschah zu plötzlich.«<br />

»Und gerade das… macht mich<br />

stutzig! Eure Sicherheits- und Fehlschaltungsüberwachung<br />

ist so weit<br />

fortgeschritten, dass ein solches<br />

plötzliches Versagen absolut ausgeschlossen<br />

ist. Ich denke da mehr<br />

an Sabotage, um durch einen vorgetäuschten<br />

Unfall Anu-Esh-Varu<br />

loszuwerden. Ich gehe noch viel<br />

weiter und behaupte, dass uns<br />

auch jemand ans Leder will. Dabei<br />

meine ich nicht nur Peter, Kevin<br />

und mich, sondern ich schließe<br />

euch zwei ebenfalls mit ein. Wir<br />

sollten schnellstens aus dem Mutterschiff<br />

verschwinden und die<br />

Kurve kratzen. Der Transporter<br />

scheidet als Fluchtweg für uns aus,<br />

da eine bewusste Fehlschaltung<br />

dafür sorgen würde, dass wir als<br />

aufgelöste Moleküle durch die


Dimensionen preschen würden.<br />

Was uns nicht viel nützen könnte.«<br />

»Du meinst also allen Ernstes,<br />

dass Sabotage im Spiel ist?«, fragte<br />

mich Marush ebenso leise.<br />

»Glaubt es mir oder nicht, aber<br />

ich kann euch auch sagen, wer<br />

eventuell dafür verantwortlich ist,<br />

obwohl ich es nicht beweisen<br />

kann.«<br />

»An Sabotage kann ich einfach<br />

nicht glauben«, erwiderte Max.<br />

»Anu-Esh-Varu war sehr beliebt<br />

und hatte keine Feinde an Bord.«<br />

»Das heißt nichts. Er hätte<br />

ebenso auf Nibiru Feinde haben<br />

können, von denen du nichts<br />

weißt.«<br />

»Gibt es hier einen Ort, an dem<br />

wir uns ungestört und abhörsicher<br />

unterhalten können?«, fragte<br />

Kevin jetzt plötzlich Max, in seiner<br />

Sprache und dabei sehr leise.<br />

»Ja, nur auf dem wissenschaftlichen<br />

Shem, den ich bereits startklar<br />

gemacht habe, weil wir als<br />

nächstes vor hatten, zur Erde aufzubrechen,<br />

um unsere Forschungen<br />

dort weiter zu treiben«,<br />

sagte Max jetzt ebenfalls sehr<br />

leise, wobei Marush im Hintergrund<br />

mit einigen Sezierungsinstrumenten<br />

klimperte, während wir<br />

uns unterhielten. Sie hatte sehr<br />

schnell begriffen, dass unsere<br />

Sicherheit an Bord des Mutterschiffes<br />

keinen extra-terrestrischen<br />

Pfifferling mehr wert war.<br />

»Wer außer euch weiß noch von<br />

dem startbereiten Shem?«, fragte<br />

ich nun ebenso leise.<br />

»Nur Max, Anu-Esh-Varu, meine<br />

Besatzung und ich, wobei ich persönlich<br />

die Ausrüstung erweitert<br />

und ergänzt habe. Meine Besatzung<br />

ist absolut zuverlässig«,<br />

nuschelte Marush mir zu.<br />

»Gut so!«<br />

»OK. Wir tun so, als wenn wir<br />

nichts vermuten«, schlug Peter<br />

vor. »Wie weit ist es von hier bis<br />

zum Shem?«<br />

»Etwa hundert Meter von hier,<br />

wenn wir durch die wissenschaftliche<br />

Abteilung gehen«, antwortete<br />

Marush.<br />

»Da wir nicht genau wissen, ob<br />

wir beobachtet werden, schlage<br />

ich vor, dass ihr so tut, als wenn ihr<br />

uns die wissenschaftliche Abteilung<br />

erklärt, währenddessen wir<br />

uns langsam und unauffällig dem<br />

Shem nähern. Ich werde euch dazu<br />

auffordern, uns das Schiff von<br />

innen zu zeigen. Das sollte nicht<br />

weiter auffallen, da man ja<br />

annimmt, dass wir uns noch in der<br />

Orientierungsphase befinden«,<br />

schlug ich auf Englisch vor. »Antu-<br />

Er-Marush, auf wie viele deiner<br />

Wissenschaftler kannst du dich<br />

blindlings verlassen?«<br />

»Das ist eine Frage, die sich mir<br />

noch nie gestellt hat. Ich kann<br />

deine Frage nicht befriedigend<br />

beantworten.«<br />

»Also auf niemanden!«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Ich werde jetzt besonders aufpassen<br />

müssen«, antwortete sie in<br />

einem leichten Anflug von Nervosität.<br />

»Die hundert Meter werden uns<br />

wie eine Ewigkeit vorkommen«,<br />

orakelte Peter grinsend.<br />

Fast wie ein Spießrutenlauf<br />

Kevin stand der kalte Schweiß<br />

auf der Stirn. Er riss sich jedoch<br />

zusammen. Mein Adrenalin war<br />

auch bereits auf einem erhöhten<br />

Pegel. Ich konnte mir vorstellen,<br />

dass es Peter nicht anders ging.<br />

Max und Marush führten uns<br />

durch die Sektionen der wissenschaftlichen<br />

Abteilung und erklärten<br />

uns die verschiedenen Labore<br />

und Einrichtungen. Wir stellten<br />

überflüssige und dämliche Fragen,<br />

um etwaige Beobachter zu täuschen.<br />

Wir wollten damit erreichen,<br />

dass man uns<br />

unterschätzte. Ohne behindert zu<br />

werden, gelangten wie zum Shem.<br />

Hier fragten wir wieder der Kuh<br />

das Kalb ab, wobei Max unauffällig<br />

die Integrität des Schiffes untersuchte.<br />

Obwohl er keine<br />

Änderungen feststellen konnte,<br />

gab er uns trotzdem durch sein<br />

Mienenspiel zu verstehen, bei jeder<br />

Äußerung vorsichtig zu sein.<br />

»Wollt ihr einen Ausflug machen<br />

und euch einmal den großen Planeten<br />

außerhalb des Mutterschiffes<br />

von der Nähe<br />

betrachten?«, fragte Max laut und<br />

schauspielerisch.


»Wirklich? Können wir das? Das<br />

wäre eine tolle Idee!«, antwortete<br />

ich spontan und warf die Arme<br />

jauchzend vor Freude in die Höhe.<br />

Peter und Kevin stimmten zu und<br />

nickten dabei begeistert wie ein<br />

paar Verrückte. Er erklärte sein<br />

Vorhaben der Hangarkontrolle<br />

und konnte erreichen, dass wir das<br />

Mutterschiff verlassen konnten.<br />

Man hatte also noch keinen Verdacht<br />

geschöpft. Die Luft wurde<br />

aus dem Hangar gepumpt und<br />

nachdem Max auf manuelle Steuerung<br />

umgestellt hatte, manövrierte<br />

er den Shem sicher in die<br />

Kälte des Weltraums. Er zog eine<br />

Schleife um den Planeten, den ich<br />

als Jupiter erkannte, und begab<br />

sich dann langsam auf den Weg zu<br />

Erde.<br />

Es dauerte keine zwei Minuten,<br />

da meldete sich die Ortungsabteilung<br />

des Mutterschiffes.<br />

»Sie haben den vorangemeldeten<br />

Flugweg verlassen, Anu-Antu-Et-Laru!<br />

Haben Sie dafür eine<br />

Erklärung?«, fragte eine Person<br />

vom Bildschirm der Funknische.<br />

»Unsere Begleiter wollten sich<br />

ihren Heimatplaneten einmal aus<br />

der Nähe betrachten. Ist das etwa<br />

verboten?«, antwortet Max<br />

schnippisch.<br />

»Nein, das nicht, aber der Shem<br />

untersteht der wissenschaftlichen<br />

Abteilung und sie benötigen für<br />

ihre Extratour die Genehmigung<br />

von Antu-Er-Marush.«<br />

Marush drängte Max sachte zur<br />

Seite, sodass sie sich in dem Aufnahmebereich<br />

der Kamera befand.<br />

»Ich bin Antu-Er-Marush. Der<br />

Umweg wurde von mir genehmigt<br />

und merken sie sich für die<br />

Zukunft, uns nicht weiter mit Lappalien<br />

zu belästigen.«<br />

»Ich folge nur den Vorschriften,<br />

Antu-Er-Marush. Ich muss Sie<br />

jedoch noch darauf aufmerksam<br />

machen, dass Alalu-Esh-Trona eine<br />

Versammlung des Führungskaders<br />

angeordnet hat.«<br />

»Wann soll das sein?«, fragte sie<br />

ungehalten.<br />

»In einer Stunde. Sie haben also<br />

nicht viel Zeit für einen ausgedehnten<br />

Ausflug.«<br />

»Das lassen Sie mal ruhig meine<br />

Sorge sein. Ende!«<br />

Sie brach die Verbindung ab und<br />

machte eine obszöne Handbewegung<br />

in Richtung des Bildschirmes.<br />

Das hätte ich ihr nun wirklich<br />

nicht zugetraut, aber Anunnakis<br />

sind wohl auch nur Menschen. Sie<br />

wurde uns durch ihren kleinen<br />

Ausrutscher nur noch sympathischer.<br />

Peter und Kevin grinsten<br />

über das ganze Gesicht.<br />

»…hab ich ja noch nie geseh’n!«,<br />

meinte Peter langgezogen.<br />

»Zeig’ ihm, was ‘ne Harke ist!«,<br />

sagte ich ergänzend.<br />

»Wie bitte?«, fragte sie nichtverstehend<br />

zurück.<br />

»Ah. Nichts für ungut.«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Max stellte eine verschlüsselte<br />

Verbindung mit seinem alten<br />

Schiff her. Als Ront sich meldete,<br />

gab er ihm durch Handzeichen und<br />

Gesten zu verstehen, was er von<br />

ihm wollte. Die nebenbei geführte<br />

Unterhaltung war ziemlich belanglos.<br />

Ront ratterte seinen Rapport<br />

herunter und gab mit keiner<br />

Miene preis, ob er Max verstanden<br />

hätte.<br />

Marush erhob sich und öffnete<br />

ein Fach an dem uns gegenüberliegenden<br />

Tisch. Sie entnahm ihm<br />

einen fünfzehn Zentimeter langen<br />

silbernen Stab und begab sich<br />

damit in den Transferraum. Keine<br />

fünf Minuten später kehrte sie in<br />

Begleitung von Ront und einer<br />

anderen Person in die Zentrale<br />

zurück. Max übergab Ront eine<br />

Folie, auf der er alles Wissenswerte<br />

niedergeschrieben hatte. Es<br />

wurden dabei Begrüßungsfloskeln<br />

ausgetauscht. Nachdem Ront die<br />

Folie gelesen hatte, reichte er sie<br />

an die anderen Neuankömmlinge<br />

weiter. Er entfernte sich für kurze<br />

Zeit aus der Zentrale und als er<br />

wieder eintrat, nickte er kurz.<br />

»Alles in Ordnung!«, berichtete<br />

er. »Es befinden sich keine unregistrierten<br />

Gegenstände im Schiff<br />

und der Rechner versicherte mir,<br />

dass keine Abhörvorrichtungen<br />

installiert sind. Wir befinden uns<br />

jedoch noch in der Ortungsüberwachung<br />

vom Mutterschiff. Man<br />

scheint dort wohl der Meinung zu<br />

sein, uns – ganz gegen die normalen<br />

Gepflogenheiten – überprüfen


zu müssen. Wir können aber frei<br />

sprechen.«<br />

Max stellte uns nun den uns<br />

noch unbekannten Begleiter vor.<br />

Sein Name war Lesra-Gum. Er war<br />

der Waffentechniker auf Max‘s<br />

Schiff. Er hatte sich an eine<br />

Konsole gesetzt und war damit<br />

beschäftigt, sie zu überprüfen. Als<br />

er fertig war, strahlte er übers<br />

ganze Gesicht und spreizte alle<br />

fünf Finger seiner rechten Hand.<br />

»Mike deutete an«, begann Max,<br />

»dass der Unfall von Anu-Esh-Varu<br />

wahrscheinlich auf Sabotage<br />

zurückzuführen ist. Er begründete<br />

seine Vermutung damit, dass eine<br />

Warnung vom Rechner hätte<br />

erfolgt sein müssen, als der Gravitationsschacht<br />

aussetzte. Da dies<br />

nicht der Fall war und weil außerdem<br />

der Konverter in die Luft<br />

geflogen war, habe ich keine<br />

andere Wahl, als für den Augenblick<br />

anzunehmen, dass Mike<br />

Recht hat. Hinzu kommt noch, dass<br />

das genetische Material von Anu-<br />

Esh-Varu durch die freigesetzte<br />

Strahlung unbrauchbar wurde. Er<br />

erwähnte ebenfalls, dass er eine<br />

Ahnung hat, wer dafür verantwortlich<br />

ist.«<br />

Die Augen der Anwesenden richteten<br />

sich auf mich, als Zeichen<br />

dafür, meinen Verdacht zu konkretisieren.<br />

»Nun…«, begann ich, »die<br />

Gründe für meine Annahme beziehen<br />

sich hauptsächlich auf meine<br />

Beobachtungen auf dem Schiff,<br />

sowie aus der Summierung der<br />

Geschichte der Anunnaki. Bevor<br />

ich jedoch beginne, möchte ich<br />

noch einige Fragen beantwortet<br />

haben, die allerdings nur indirekt<br />

mit diesem Fall zu haben. Sie sind<br />

aber unerlässlich, weil ihr dadurch<br />

besser versteht, wie ich zu<br />

meinem Ergebnis kam.«<br />

»Frag’ nur drauf los. Wir sitzen<br />

ja im gleichen Boot«, forderte Max<br />

mich grinsend auf.<br />

»Hast du das gehört: Im gleichen<br />

Boot? Ha, ha!«, lachte Kevin in<br />

Peters Richtung.<br />

»I bin ja net deppert, du Hirsch«,<br />

antwortete er ihm, allerdings in<br />

bayrischem Dialekt, womit Kevin<br />

nichts anzufangen wusste und daraufhin<br />

Peter nur komisch ansah.<br />

»Besteht in eurer Sozialstruktur<br />

noch die Rangordnung von eins bis<br />

sechzig?«, schoss ich meine erste<br />

Frage an Max ab.<br />

»Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

was unsere Sozialstruktur mit<br />

dieser Sache zu tun haben sollte?<br />

Wieso kommst du gerade auf die<br />

Eins- bis Sechzigerfolge? Wir<br />

hatten euch noch nichts darüber<br />

erzählt. Diese Information ist nicht<br />

Teil der allgemeinen Unterweisung,<br />

soweit mir bekannt ist.«<br />

Als er dies sagte, lehnte er sich<br />

abrupt und erstaunt in seinen<br />

Sessel zurück. Die Anderen zeigten<br />

ebenfalls leichte Zeichen der Verwunderung.<br />

»Die Rangfolge von<br />

eins bis sechzig besteht noch, um<br />

deine Frage zu beantworten«,<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

ergänzte er nach einer kurzen<br />

Pause.<br />

»Das hatte ich im Geheimen<br />

gehofft. Gibt es immer noch den<br />

Rat der Zwölf? Ich meine die<br />

Gruppe, die bei euch die Entscheidungen<br />

fällt? Nebenbei nehme ich<br />

an, dass der heutige Dynastieherrscher<br />

ein Enkel von Anu und Antu<br />

sein dürfte?«<br />

Max beugte sich jetzt wieder vor<br />

und zeigte mir sein volles Interesse.<br />

Er erwiderte: »Der Rat der<br />

Zwölf besteht ebenfalls noch. Du<br />

liegt aber nur teilweise richtig,<br />

wenn du meinst, dass ein Enkel<br />

von Anu und Antu der heutige<br />

Herrscher ist. Es ist ein Nachfahre<br />

aus der Linie von Anu. Ich werde<br />

dir seinen Namen zu gegebener<br />

Zeit nennen.«<br />

»Ach ja, ich vergaß, dass eure<br />

Ahnenfolge ähnlich der ist, die wir<br />

aus unserem Alten Testament<br />

kennen und von euch damals eingeführt<br />

worden war. Sie regelte<br />

die Patriarchenfolge im jüdischen<br />

Glaubenssystem. Der Name des<br />

Herrschers ist im Augenblick auch<br />

nicht so wichtig. Ich könnte das<br />

vielleicht selbst herausfinden,<br />

natürlich im sumerischen Sinne.«<br />

»Kannst du das etwas näher<br />

erklären?«, fragte jetzt Kevin.<br />

»Das kannst du selbst herausfinden,<br />

wenn du im Alten Testament<br />

zwischen den Zeilen liest. Es ist<br />

eine ziemlich verzwickte Angelegenheit,<br />

die bereits an Blutschande<br />

grenzt!«


»Jetzt legst du aber ziemlich dick<br />

auf! Dir ist auch nichts heilig!«,<br />

entgegnete Kevin entrüstet.<br />

»Das hat mit Heiligkeit überhaupt<br />

nichts zu tun. Religiöses<br />

Wunschdenken ist hier jetzt fehl<br />

am Platz. Wir wollen uns jetzt nicht<br />

darüber streiten«, gab ich Kevin<br />

eine Abfuhr. »Eure Sozialstruktur<br />

ist für uns heutzutage ziemlich<br />

bedeutungslos«, wendete ich mich<br />

an Max. »Es gibt noch einige Reste<br />

davon in einigen Gesellschaftsformen,<br />

die sich aber meistens nur<br />

in religiösen Bereichen und bei der<br />

Rechtsprechung einiger Nationen<br />

auswirken.«<br />

»Meinst du etwa die zwölf<br />

Jünger Jesu?«, fragte Kevin wieder.<br />

»Das wäre ein Beispiel von mehreren.«<br />

»Sag mir, was weißt du noch<br />

alles über uns?«, fragte mich jetzt<br />

Ront.<br />

»Die beste Antwort könnte dir<br />

Marush darauf geben, da sie mein<br />

Gedächtnis sondiert hat.«<br />

Die Augen der Anwesenden richteten<br />

sich jetzt auf Antu-Er-Marush.<br />

Sie wurde jedoch nicht<br />

verlegen, sondern antwortete:<br />

»Die Dinge überstürzten sich, so<br />

dass ich noch keine Gelegenheit<br />

hatte, mich mit Max darüber zu<br />

unterhalten.«<br />

Max winkte nur ab.<br />

»Später ist Zeit genug dafür.«<br />

»Da dein Name Anu-Antu-Et-<br />

Laru ist, folgere ich, dass du sehr<br />

nahe an die Führungsspitze von<br />

Nibiru heranreichst, Max. Du hast<br />

jedoch keinen Anspruch auf den<br />

Herrschertitel, weil du der<br />

direkten Linie von Anu und Antu<br />

entsprungen bist. Ich erkenne<br />

jetzt, dass das Symbol auf deiner<br />

Brust eine stilisierte 53 darstellt.<br />

Demzufolge bist du ein Mitglied<br />

des Zwölferrates. Ebenso verhält<br />

es sich mit Marush. Sie trägt das<br />

Symbol 51. Ich habe also bereits<br />

zwei Mitglieder eures Ehrwürdigen<br />

Rates vor mir. Ist das richtig?«<br />

»Stimmt!«, bestätigte Max kurz<br />

und bündig.<br />

»Anu-Esh-Varu entstammte der<br />

Ahnenlinie von Anu und Esh,<br />

welche zur Zeit die Herrscherfolge<br />

bestimmt. Vermute ich da ebenfalls<br />

richtig?«<br />

Max nickte zustimmend.<br />

»Welche Stellung hatte er im<br />

Zwölferrat?«<br />

»Er trug das 57er Symbol.«<br />

»Er wäre also irgendwann zum<br />

neuen Herrscher ernannt worden?«<br />

»Sehr wahrscheinlich, wenn<br />

nicht sogar mit Bestimmtheit.«<br />

»Mensch Meier!«, entfuhr es<br />

Peter, dem jetzt ein Licht aufging.<br />

»Letzte Frage. Wie viele Besatzungsmitglieder<br />

auf dem Mutterschiff<br />

haben eine Rangordnung<br />

über 48, euch ausgenommen?«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Noch zwei weitere, nämlich 49<br />

und 50. Wieso?«, fragte mich Max<br />

erstaunt.<br />

»Weil diese zwei Personen in<br />

höchster Lebensgefahr schweben.<br />

Mein Verdacht erhärtet sich von<br />

Minute zu Minute.«<br />

»Ich sehe da noch keine klaren<br />

Zusammenhänge«, fügte Ront ein.<br />

»Ich werde euch jetzt meinen<br />

Verdacht darlegen und versuchen,<br />

ihn zu begründen. Ihr werdet<br />

jedoch über das Ergebnis nicht<br />

erfreut sein.«<br />

»Mach dir darüber jetzt noch<br />

keine Gedanken«, antwortete<br />

Marush ernst.<br />

»Du sagtest, dass Anu-Esh-Varu<br />

keine Feinde hatte, Max. Das ist<br />

von deinem Standpunkt her<br />

gesehen gut möglich. Sollte er<br />

aber einer derjenigen sein, die als<br />

neuer Herrscher in Frage kommen,<br />

so kann ich mir gut vorstellen, dass<br />

er sich bereits ein paar Feinde<br />

geschaffen hatte, ohne es gewusst<br />

zu haben und die erst jetzt zum<br />

Vorschein kommen. Wie ich aus<br />

eurer Geschichte erkennen kann,<br />

wurde der damalige Herrscher mit<br />

dem Namen Alalu von Antu durch<br />

einen Komplott gestürzt. Er floh<br />

zur Erde und entdeckte dabei Gold<br />

im Meereswasser. Aufgrund dieser<br />

Entdeckung wurde ihm das Leben<br />

geschenkt, weil das Gold für die<br />

Lebenserhaltungsmechanismen<br />

auf Nibiru von größter Wichtigkeit<br />

war. Sein Klan hatte aber niemals<br />

den Traum aufgegeben, wieder an


die Macht zu kommen. Ein Enkel<br />

von Alalu hatte mit Enki auf der<br />

Erde um angestammte Rechte<br />

gefochten. Ihr ward sehr erstaunt<br />

darüber, dass ich eure Sozialstruktur<br />

in Zusammenhang mit dem<br />

Unfall von Anu-Esh-Varu verknüpfte,<br />

aber gerade hier sehe ich<br />

ein kausales Zusammentreffen von<br />

traditionellen Umständen. Da eure<br />

Struktur den Zwölferrat innerhalb<br />

der Rangfolge von eins bis sechzig<br />

glorifiziert, benehmen sich die Mitglieder<br />

dieses Rates wie Ersatzherrscher<br />

und verfügen in<br />

arroganter Weise über die Mitglieder<br />

der unteren Schichten. Ich<br />

bemerkte diesen Umstand auf<br />

dem Mutterschiff. Als wir bei<br />

unseren Rundgängen von den<br />

Besatzungsmitgliedern begrüßt<br />

wurden, konnte ich erkennen, dass<br />

die Begrüßungen uns zwar<br />

respektvoll, jedoch mit einem Ton<br />

der Unterwürfigkeit, wie es nur<br />

einem Despoten zukommen<br />

würde, entgegengebracht wurden.<br />

Dann passierte der Zwischenfall<br />

mit Alalu-Esh-Trona in der Zentrale.<br />

Obwohl er als Kapitän dein<br />

Vorgesetzter ist, hast du deine<br />

soziale Position gegen ihn ausgespielt<br />

und damit schwer erniedrigt.<br />

Das gibt immer Probleme! Du<br />

standst da bereits auf seiner persönlichen<br />

Abschussliste!«<br />

Ich machte hier eine kurze<br />

Pause, um Max Gelegenheit zum<br />

Antworten zu geben. Er schluckte<br />

zwar, verzichtete jedoch darauf<br />

und forderte mich auf, fortzufahren.<br />

»Alalu-Esh-Trona entstammt den<br />

Klans von Alalu und Esh. Es liegt an<br />

euch, einmal festzustellen, ob<br />

bereits einige Versuche zur Machtübernahme<br />

stattgefunden haben.<br />

Das Einzige, was Alalu-Esh-Trona<br />

mit Anu-Esh-Varu verbindet, sind<br />

die weiblichen Bindeglieder der<br />

Klans. Beide Klans benutzten die<br />

weiblichen Angehörigen der Esh-<br />

Sippe zur Kopulation, um die Herrscherfolge<br />

intakt zu halten. Diese<br />

Esh-Verbindung scheint jedoch für<br />

Alalu-Esh-Trona nicht viel zu<br />

bedeuten.«<br />

»Er kam erst vor etwa zwei<br />

Monaten an Bord und hatte bisher<br />

gute Arbeit geleistet«, antwortete<br />

mir Max schnell.<br />

»Danke für den Hinweis. Das<br />

bestätigt meine Annahme, dass<br />

Alalu-Esh-Trona auf eurem Schiff<br />

eingeschleust wurde, um Anu-Esh-<br />

Varu zu beseitigen. Uns ist nur<br />

nicht bekannt, wie viele Komplizen<br />

dabei mitgewirkt haben und wann<br />

diese auf dem Mutterschiff eintrafen.<br />

Das passierte bestimmt nicht<br />

zum gleichen Zeitpunkt. Die Anzahl<br />

der potentiellen Attentäter und<br />

Mitläufer ist uns auch nicht<br />

bekannt. Wichtig ist, dass fünf<br />

Mitglieder des Zwölferrates als<br />

Besatzungsmitglieder gelten!<br />

Durch die Eliminierung von Anu-<br />

Esh-Varu und konsequenterweise<br />

dem Rest der anwesenden Ratsmitglieder<br />

auf dem Mutterschiff<br />

müssen fünf neue Positionen im<br />

Zwölferrat besetzt werden. Es entzieht<br />

sich meiner Kenntnis, ob sich<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

auf anderen Schiffen ebenfalls<br />

Mitglieder des Zwölferrates aufhalten<br />

und wie viele von ihnen<br />

bereits beseitigt wurden. Hypothetisch<br />

betrachtet, bleibt dann vom<br />

alten Zwölferrat nicht viel übrig. Es<br />

ist auch bestimmt für Alalu-Esh-<br />

Varus Hintermänner nicht erforderlich,<br />

alle Ratsmitglieder zu<br />

beseitigen, da es bestimmt einige<br />

Sympathisanten gibt.«<br />

Max war blass geworden, als er<br />

meine letzten Worte vernommen<br />

hatte. Marush knirschte mit den<br />

Zähnen und hatte ein zorniges<br />

Funkeln in den ausdrucksvollen<br />

Augen. Ront starrte ausdruckslos<br />

die Decke der Zentrale an und<br />

Gum spielte nervös mit seinen<br />

Fingern auf seiner Konsole. Peter<br />

und Kevin verhielten sich ruhig<br />

und sahen gespannt in meine Richtung.<br />

»Das sind ja wahnsinnige<br />

Anschuldigungen!«, sagte Max<br />

gedehnt.<br />

»Ja, aber je mehr ich darüber<br />

nachdenke, desto leichter fällt es<br />

mir, ihm zu glauben«, meinte jetzt<br />

Marush zu meiner Verteidigung.<br />

»Wir behandeln unsere Untergebenen<br />

genauso, wie Mike es sagte.<br />

Wir fordern von ihnen absoluten<br />

Gehorsam und dulden keinen<br />

Widerspruch. Wir drohen ihnen<br />

immer mit Strafen und Konsequenzen.«<br />

»So schlimm ist es nun auch<br />

wieder nicht«, versuchte Ront die<br />

Situation zu entschärfen.


»Mit euch ist das etwas anderes.<br />

Wir sind uns durch die gefährlichen<br />

Einsätze über Jahre hinweg<br />

näher gekommen und haben die<br />

protokollarischen Mauern eingerissen.<br />

Das ist aber ein Ausnahmezustand,<br />

wie du weißt, Ront. Auf<br />

Nibiru musst du dich deshalb<br />

besonders vorsehen, damit du<br />

nicht auffällst.«<br />

»Du hast Recht, Marush«,<br />

bekannte Max. »Wenn jetzt der<br />

Alalu-Klan, die freiwerdenden<br />

Plätze des Rates durch eigene<br />

Leute besetzt, dann ist es nur eine<br />

Frage der Zeit, wann der derzeitige<br />

Herrscher abgelöst wird. Sei es<br />

durch eine Revolte oder durch den<br />

Beschluss des neuen Rates, der<br />

dann unter Kontrolle des alten<br />

Alalu-Klans wäre.«<br />

»Gut, dann hast du also kapiert,<br />

dass die Lawine durch einen vorgetäuschten<br />

Unfall von Anu-Esh-<br />

Varu ins Rollen gekommen ist«,<br />

sagte ich.<br />

»Das leuchtet mir ein. Es scheint<br />

alles einen Sinn zu ergeben.«<br />

»Ich hoffe nur, dass Lesra-Gum,<br />

der beste Waffentechniker des<br />

Universums ist. Ich erwarte<br />

Schwierigkeiten.«<br />

»Darauf kannst du dich verlassen!<br />

Er ist der Beste!«, bestätigte<br />

Ront verweisend.<br />

»Entschuldige bitte, Ront. Ich<br />

hatte es nicht abwertend<br />

gemeint.«<br />

»Versteh’ schon.«<br />

»Der Umstand, dass Peter, Kevin<br />

und ich auf dem Mutterschiff<br />

waren, kam dem Kommandanten<br />

dabei sehr zustatten. Der Anschiss,<br />

den er uns in der Zentrale verpasste,<br />

war reine Schauspielerei.<br />

Er wusste zu dem Zeitpunkt ganz<br />

genau, wer wir sind. Er wird wahrscheinlich<br />

versuchen, uns abzuschießen<br />

und die<br />

Space-War-Verteidigung der Amerikaner<br />

dafür verantwortlich<br />

machen. Er hat uns damit vom<br />

Hals und kann uns als undankbare<br />

Verräter hinstellen, die es aber<br />

beim Anflug auf die Erde erwischt<br />

hat. Da nun dabei zwei Mitglieder<br />

des alten Zwölferrates umgekommen<br />

sind, hat er einen triftigen<br />

Grund, den neuen Rat dazu zu<br />

bewegen, eine Strafexpedition<br />

auszuschicken, um gleichzeitig<br />

einen Rohstoffplaneten zu besetzen.«<br />

»Die Erde ist für eine Neubesiedlung<br />

durch Anunnaki tabu!«,<br />

belehrte mich Max.<br />

»Das mag schon sein, aber wenn<br />

sein Klan an der Macht ist, kann er<br />

bestimmt seine Verwandten dazu<br />

überreden, die Gesetze zu ändern.<br />

Er bräuchte nicht einmal einen<br />

Schuss abzugeben. Er braucht nur<br />

zu landen und sich als den einzigen<br />

und omnipotenten Gott auszugeben.<br />

Ihm stehen genügend Machtmittel<br />

zur Verfügung, um ein<br />

dramatisches Schauspiel ablaufen<br />

zu lassen. Unsere gemeinsame<br />

Geschichte, die sich in unseren<br />

Religionen widerspiegelt, käme<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

ihm dabei sehr gelegen. Die Christen<br />

und Juden warten auf einen<br />

Messias, der mit Feuer, Schwefel<br />

und Schwert das Jüngste Gericht<br />

einläutet, um sie danach ins Paradies<br />

oder ins ewige Königreich zu<br />

geleiten. Wenn er nun auch noch<br />

über die apokalyptischen Visionen<br />

informiert ist, dann besitzt er eine<br />

Regieanweisung, wie er sie sich<br />

besser nicht wünschen könnte. Es<br />

wird danach aber zu einem<br />

Problem kommen. Die Erdbevölkerung<br />

wird nach einiger Zeit herausfinden,<br />

dass das alles Lug und Trug<br />

war und wird dann dazu übergehen,<br />

die Alulukies, wie ich sie<br />

einmal nennen möchte, zu<br />

bekämpfen. Sie werden sich in den<br />

Besitz eurer Technologie bringen<br />

und dann auf die Suche nach<br />

Nibiru machen. Den Rest könnt ihr<br />

euch denken. Nibiru wird danach<br />

als ein Haufen Trümmer der galaktischen<br />

Gravitation folgen. Eure<br />

Zivilisation ist dann Geschichte!«<br />

»Jetzt baust du aber apokalyptische<br />

Visionen auf, Mike«, entrüstete<br />

sich Kevin.<br />

»Wenn ich Unrecht haben sollte,<br />

waren meine Ausführungen nur<br />

eine Ausgeburt meiner Phantasie.<br />

Sollte ich aber Recht behalten,<br />

dann vermerke es im galaktischen<br />

Kalender! Alles Weitere überlasse<br />

ich jetzt Max und Marush.«<br />

»Du bringst uns in eine verzwickte<br />

Lage«, sagte Max. »Wenn<br />

du Recht hast, dann müssen wir<br />

etwas unternehmen. Hast du aber<br />

Unrecht, dann haben Marush und


ich uns vor dem Rat für unsere<br />

Maßnahmen zu verantworten.«<br />

»Jetzt braucht man Mut zur<br />

Lücke«, streute Peter ein.<br />

Mehr als eine Stunde war vergangen,<br />

seitdem wir zum letzten<br />

Male mit dem Mutterschiff<br />

Kontakt gehabt hatten.<br />

»Was meinst du, Max?«, fragte<br />

Marush. »Sollen wir zum Mutterschiff<br />

zurückkehren?«<br />

Er wurde einer Antwort enthoben,<br />

denn plötzlich schlugen die<br />

Ortungsanlagen an. Ein wahres<br />

Getöse von Glocken und zirpenden<br />

Tönen erfüllte die Zentrale. Lesra-<br />

Gum las die Daten von den Bildschirmen<br />

ab und sagte, nachdem<br />

er die akustischen Alarme abgestellt<br />

hatte: »Es nähert sich uns ein<br />

Shem vom Mutterschiff, mit hoher<br />

Geschwindigkeit! Wir befinden<br />

uns bereits in der Ortung ihrer<br />

Waffensysteme. Hier, ganz klar zu<br />

erkennen!« Er deutete dabei auf<br />

eine pulsierende Bildschirmdarstellung.<br />

»Die Schlächter sind auf dem<br />

Weg!«, orakelte ich. »Das sollte<br />

deine Gewissensbisse beseitigen.«<br />

Max nickte kurz.<br />

»Langsam Fahrt aufnehmen,<br />

Ront. Fürs Erste außerhalb der<br />

Waffenreichweite des anderen<br />

Shem bleiben!«, befahl Max.<br />

Ront flitzte zur Steuerkonsole<br />

des Shems und erhöhte die<br />

Geschwindigkeit.<br />

Peter, Kevin und ich starrten<br />

gebannt auf die Bildschirme. Der<br />

andere Shem war eindeutig<br />

erkennbar.<br />

»VORSCHLAG!«, sprach ich Max<br />

laut an.<br />

Da er mir den Rücken zukehrte,<br />

winkte er mir mit einer Hand auffordernd<br />

zu.<br />

»Versuche, den anderen Shem<br />

zur erdabgewandten Seite unseres<br />

Mondes zu locken, dann den Shem<br />

vernichten und gerade bevor du<br />

über den oberen Pol des Mondes<br />

fliegst, erzeugst du eine Scheinexplosion<br />

auf der Mondoberfläche.<br />

Danach müssen wir sofort landen<br />

und alle Systeme abschalten, die<br />

nichts mit der Lebenserhaltung zu<br />

tun haben.«<br />

»Ich hatte so etwas Ähnliches<br />

vor. Danke für deinen Vorschlag.<br />

Es behagt mir jedoch nicht, meine<br />

eigenen Leute zu vernichten.«<br />

»Daran zweifele ich nicht. Die<br />

Leute, die sich in dem angreifenden<br />

Shem befinden, scheinen<br />

jedoch in dieser Beziehung keine<br />

Skrupel zu kennen. Sie befolgen<br />

Befehle! Es ist wichtig, dass die<br />

Scheinexplosion auf der Rückseite<br />

des Mondes erfolgt, damit sie von<br />

der Erde nicht angemessen<br />

werden kann. Es entsteht außerdem<br />

auf dem Mutterschiff der<br />

Eindruck, dass wir erledigt<br />

wurden. Sie werden sich nicht die<br />

Mühe machen, nach uns zu<br />

suchen, da sie an Überlebenden<br />

nicht interessiert sind. Die Kälte<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

und lebensfeindlichen Bedingungen<br />

des Weltraumes würden<br />

uns so oder so den Rest geben. Die<br />

Vernichtung des verfolgenden<br />

Schiffes wurde dabei von Alalu-<br />

Esh-Trona mit ins Kalkül gezogen<br />

und er ist damit ein paar Zeugen<br />

los, um die er sich sonst zu einem<br />

späteren Zeitpunkt würde<br />

kümmern müssen.«<br />

Marush rannte plötzlich in den<br />

Transporterraum. Als sie zurückkehrte,<br />

grinste sie teuflisch hübsch<br />

mit einem schelmischen Ausdruck<br />

in den Augen.<br />

»Ich habe den Transporter vorläufig<br />

lahm gelegt, damit wir keine<br />

ungebetenen Gäste erhalten und<br />

unsere Streufrequenzen nicht<br />

mehr angemessen werden können.«<br />

»Gut gemacht, Marush«, sagte<br />

Max, »aber etwas zu früh. Schalte<br />

ihn wieder ein und erst dann aus,<br />

wenn wir theoretisch erledigt sein<br />

sollen. Bleibe im Transporterraum,<br />

um ungebetene Gäste gebührend<br />

zu empfangen! Sie können auf<br />

dem Mutterschiff darauf aufmerksam<br />

werden, wenn unsere Synchronfrequenz<br />

zu früh<br />

verschwindet. Ich gehe mit dir jede<br />

Wette ein, dass sie uns sehr genau<br />

beobachten. Mach schnell!«<br />

Sie rannte wieder zurück und<br />

schaltete den Transmitter wieder<br />

ein.<br />

»VERFOLGER-Shem HOLT AUF!<br />

Die haben einen besseren Antrieb<br />

als wir!«, rief Ront.


»Es ist nicht mehr weit bis zum<br />

Mond. Ruhe bewahren!«<br />

»Defensivschirme werden auf<br />

dem anderen Schiff aufgebaut. Die<br />

meinen es ernst!«, meldete jetzt<br />

Lesra-Gum leicht erregt.<br />

»Unsere Schirme hochschalten!<br />

Sind die Waffen einsatzbereit,<br />

Gum?«<br />

»Natürlich.«<br />

»Die Defensiv- und Offensivwaffen<br />

sind auf beiden Shems in etwa<br />

gleich stark«, erläuterte Max. »Wir<br />

haben jedoch einen kleinen Vorteil.<br />

Wenn sie auf uns schießen,<br />

müssen sie auf ein Ziel schießen,<br />

das sich von ihnen entfernt, das<br />

wiederum verringert ihre Waffenwirkung.<br />

Wir hingegen schießen<br />

auf ein kommendes Ziel und die<br />

Aufprallenergie ist fast doppelt so<br />

hoch wie bei einem stationären<br />

Ziel. Sie stoßen direkt mit unserer<br />

Waffenwirkung zusammen. Die<br />

auftretende kinetische Energie<br />

sollte ausreichen, ihre Schirme zu<br />

knacken. Wir müssen nur dafür<br />

sorgen, dass wir in gerader Linie<br />

vor ihnen herfliegen, um ihnen<br />

keine Chance für ein Sperrfeuer zu<br />

geben. Ront, pass’ also auf, damit<br />

du ihnen keine brauchbaren Zielvektoren<br />

lieferst.«<br />

Wir kamen dem Mond nun nahe<br />

genug, um unseren Plan in die Tat<br />

umzusetzen. Ront verzögerte nur<br />

kurz und ließ den anderen Shem in<br />

unsere Waffenreichweite gelangen.<br />

Das Feuer wurde auch sofort<br />

auf uns eröffnet. Als ihre Energie<br />

in unsere vollbelasteten Schirme<br />

krachte, hörten wir das Knistern<br />

der elektrischen Entladungen. Der<br />

Tod griff in dramatischer Weise<br />

nach uns. Ront stöhnte unterdrückt<br />

und Kevin sandte ein Stoßgebet<br />

zur Decke der Zentrale. Er<br />

war kalkweiß im Gesicht. Zuvor<br />

hatte Ront einige Aggregate abgeschaltet,<br />

um mehr Energie für die<br />

Schirme zur Verfügung zu haben.<br />

Das war wohl auch unser Glück!<br />

Gum erwiderte das Feuer mit<br />

einem Salventakt von drei Doppelschüssen.<br />

Wie erwartet, durchdrang<br />

die erste Schussserie die<br />

Schirme des anderen Shems, die<br />

zwei weiteren Serien brachten es<br />

zur Explosion. Es war ein schauerlich<br />

faszinierender Anblick, wie<br />

sich hinter uns geräuschlos ein<br />

Feuerball aufblähte, um fünf<br />

Sekunden später wieder zu verblassen.<br />

Wie abgesprochen schoss<br />

Gum eine Ladung auf die Mondoberfläche<br />

ab und erzeugte einen<br />

zwei Kilometer durchmessenden<br />

Magmakrater.<br />

»TRANSMITTER AUS!«, rief Max<br />

scharf, währenddessen Gum wie<br />

ein Wahnsinniger über den oberen<br />

Mondpol flog und das Schiff herunterdrückte,<br />

um zu landen. Er<br />

landete in einem der vielen Mondkrater.<br />

»ENERGIEVERSORGUNG AUF<br />

CHEMISCHE BASIS UMSCHALTEN,<br />

BEEILUNG! Nur Lebenserhaltungssysteme<br />

und Notbeleuchtung,<br />

dazu die passive Ortung einschalten,<br />

aufpassen!«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Nun fing das Warten an. Marush<br />

war in die Zentrale gekommen. Sie<br />

setzte sich vornübergebeugt in<br />

einen Sessel und hatte ihre Hände<br />

zwischen ihre Knie geklemmt. Sie<br />

zitterte leicht. Wir anderen sahen<br />

uns aus schweißüberströmten<br />

Gesichtern gedankenverloren an.<br />

»Schwein muss der Mensch<br />

haben«, bemerkte Peter nach<br />

einer Weile, tief einatmend.<br />

»Sie suchen uns. Ich empfange<br />

ihre Ortungsstreustrahlungen, die<br />

aber an Intensität schwächer werden«,<br />

meldete Gum leise.<br />

»Gutes Zeichen. Wir setzen eine<br />

optische Sonde aus, deren Antrieb<br />

auf chemischer Basis arbeitet. Sie<br />

soll passiv von der Mondnachtseite<br />

orten.«<br />

Das geschah dann auch. Die<br />

optische Aufklärung war so hervorragend,<br />

dass wir das Mutterschiff<br />

über diese riesige Entfernung, als<br />

winzigen Punkt ausmachen konnten.<br />

Das große Schiff hatte sich aus<br />

der Jupiterumlaufbahn gelöst und<br />

bewegte sich in Richtung der Plutobahn<br />

aus dem Sonnensystem<br />

heraus.<br />

»Sie verschwinden und werden<br />

sich auf den Rückweg nach Nibiru<br />

machen. In der Zwischenzeit legen<br />

sie sich eine glaubwürdige, jedoch<br />

verlogene Geschichte zurecht«,<br />

bemerkte Max betrübt.<br />

»Das brauchen sie gar nicht«,<br />

korrigierte ich ihn. »Wenn unser<br />

vermeintliches Ableben mit ihrem<br />

Umsturzplan zusammenhängt,


sind die Proklamationen bereits<br />

vorbereitet. Sie müssen bei der<br />

Besatzung des Mutterschiffes<br />

durch geschickte Propaganda<br />

dafür sorgen, dass wir Terrestrier<br />

an eurem Ableben die Schuld<br />

tragen. So einfach.«<br />

»Ja, so einfach. Einfach, zu einfach«,<br />

ergänzte Peter bedrückt.<br />

»Jupp!«<br />

»Wir wollen nur hoffen, dass die<br />

Energieausbrüche, die hinter dem<br />

Mond stattgefunden haben, nicht<br />

auf der Erde angemessen worden<br />

sind«, bemerkte jetzt Kevin.<br />

»Das hätte keine sofortigen Konsequenzen,<br />

da man auf der Erde<br />

nicht in der Lage ist, eine sofortige<br />

Untersuchung vor Ort einzuleiten.<br />

Es würde Monate dauern, bis ein<br />

irdisches Raumschiff startklar ist«,<br />

erwiderte Peter.<br />

»Unterschätze die Amis und die<br />

Russen nicht! Die können eins und<br />

eins zusammenzählen und dann<br />

wird es auf Cape Caneveral und in<br />

Baikanur verdammt hektisch werden«,<br />

antwortete ich.<br />

»Abwarten und Tee trinken«,<br />

bemerkte Kevin.<br />

»Apropos Tee trinken. Ich verspüre<br />

Hunger. Wir sollten etwas<br />

essen oder so«, meinte Peter und<br />

deutete mit seinem rechten Zeigefinger<br />

auf seinen Magen und<br />

Mund.<br />

»Gute Idee, ich könnte einen<br />

Shalag zubereiten. Hat jemand<br />

Interesse?«, fragte uns Marush.<br />

Begeistert stimmten wir zu.<br />

Kevin nickte wie ein Irrer, was uns<br />

zu einem Heiterkeitsausbruch veranlasste.<br />

Max brach die Konzentratsnahrungsmittel<br />

auf und<br />

verteilte sie an die Anwesenden.<br />

Er hatte recht gehabt. Der<br />

Geschmack der Verpflegung war<br />

mit der Kost auf dem Mutterschiff<br />

wirklich nicht vergleichbar.<br />

»Es wird Zeit, dass wir wieder zur<br />

Erde gelangen, damit wir etwas<br />

Vernünftiges zu mampfen bekommen«,<br />

stichelte ich wieder.<br />

Kevin und Peter nickten kauend<br />

und zustimmend in meine Richtung.<br />

Unsere Anunnakifreunde<br />

trugen es mit Gelassenheit. Max<br />

meinte nur: »Du hast immer etwas<br />

am Essen auszusetzen. Stimmt’s?«<br />

»Wenn der Soldat nicht übers<br />

Essen meckert, dann ist er krank.<br />

Meckern stärkt die Kampfmoral<br />

und dient als Stressventil.«<br />

»Essen und Trinken hält Leib und<br />

Seele zusammen«, gab Peter mit<br />

erhobenem Zeigefinger und intelligenter<br />

Miene ebenfalls seinen<br />

Senf dazu.<br />

Nachdem wir mit unserem<br />

‚Gelage’ fertig waren, ging Max zur<br />

Kommunikationsnische und nahm<br />

Verbindung mit seinem Shem auf.<br />

Er benutzte einen Nahbereichssender,<br />

der nur eine Reichweite<br />

von wenigen hunderttausend Kilometern<br />

hatte. Er kündigte an, dass<br />

wir in ein Beiboot umsteigen und<br />

uns im Tiefflug nähern würden, um<br />

dann übernommen zu werden. Er<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

wollte den Transporter noch nicht<br />

einsetzen, da der Abstrahlimpuls<br />

vom Mutterschiff bemerkt worden<br />

wäre. Man hätte sofort an der<br />

spezifischen Identifizierungssymbolik<br />

erkannt, dass der zerstört<br />

geglaubte Transmitter wieder<br />

arbeitete. Das wissenschaftliche<br />

Shem wurde so abgesichert, dass<br />

nur Leute mit unserem genetischen<br />

Code das Schiff betreten<br />

konnten, ansonsten würde es sich<br />

selbst zerstören. Im Konturflug<br />

rasten wir über die Mondoberfläche<br />

dem Shem von Max entgegen.<br />

Ront steuerte das Boot in manueller<br />

Steuerung. Kleine Schweißperlen<br />

standen ihm dabei auf der<br />

Stirn. Er steuerte das Boot jedoch<br />

ruhig und konzentriert. Draußen<br />

herrschte eine gleißende Helligkeit,<br />

von der wir im Inneren des<br />

Bootes aber nichts verspürten,<br />

weil starke Lichtfilter vor die Aufnahmeobjektive<br />

und Fenster vorgeschaltet<br />

waren. Die Schattenund<br />

Lichteindrücke waren überwältigend,<br />

da keine Atmosphäre<br />

den Blick trüben konnte. Die Lichtund<br />

Schattengrenzen waren wie<br />

mit einem feinen Messer geschnitten.<br />

Nach etwa einer Dreiviertelstunde<br />

erreichten wir seinen<br />

Shem. Wir wurden ohne Verzögerung<br />

aufgenommen. Ein Frachtraum<br />

musste als Erstes als Hangar<br />

genügen. Das Boot wurde verzurrt<br />

und verkeilt. Wie ich bemerken<br />

konnte, war dieser Shem ebenfalls<br />

auf chemische Energieversorgung<br />

umgestellt worden. Man hatte hier<br />

also mitgedacht!


Wir wurden mit Hallo von der<br />

Besatzung empfangen. Marush<br />

und mir fiel sofort auf, dass Max<br />

von Nana-Es-Runsh besonders<br />

herzlich begrüßt wurde. Sie<br />

umarmte ihn und gab im einen<br />

Kuss auf die linke und rechte<br />

Wange. Leichte Spuren von ihrem<br />

Lippenstift blieben dabei auf<br />

seinen Wangen zurück. Marush<br />

sah, dass ich den Lippenstiftabdruck<br />

ebenfalls bemerkt hatte. Sie<br />

sah mich lächelnd mit ihren durchdringenden<br />

Augen an und zuckte<br />

nur leicht mit den Schultern. Sie<br />

musste diese Bewegung von uns<br />

abgeguckt haben, weil die Anunnakies<br />

diese Geste nicht kannten.<br />

Max erwiderte die Umarmung von<br />

Nana-Es-Runsh, obwohl er dabei<br />

etwas Linkisch wirkte. Jedem von<br />

uns war klar, dass er sehr froh war,<br />

sie wiederzusehen.<br />

»¡Hay el amor!«, meinte ich<br />

zynisch auf Spanisch.<br />

»Yo creo que van hacer una<br />

buena pareja«, entgegnete mir<br />

Peter in typischem mexikanischen<br />

Dialekt. Er grinste dabei breit,<br />

wobei uns die anderen verwundert<br />

ansahen, weil sie kein Wort<br />

verstanden hatten und über<br />

unsere Fröhlichkeit erstaunt<br />

waren. Es würde aber wohl nicht<br />

lange dauern, bis der Rechner eine<br />

Übersetzung bereit hatte.<br />

»Was habt ihr da schon wieder<br />

zu bemerken?«, fragte Max.<br />

»Vergiss es, war nicht so wichtig«,<br />

erwiderte ich lächelnd. »Erin-<br />

nere mich nur bitte daran, dass ich<br />

ein paar kussechte Lippenstifte für<br />

eure bezaubernden weiblichen<br />

Besatzungsmitglieder besorge,<br />

sobald wir wieder auf der Erde<br />

sind.«<br />

Max errötete leicht und wir<br />

brachen in ein tosendes Gelächter<br />

aus. Er war jedoch nicht beleidigt<br />

und lachte mit uns. Wir setzten<br />

uns und Max berichtete über das<br />

Vorgefallene. Er versuchte klar zu<br />

machen, wie wir zu dem Schluss<br />

gekommen waren, dass Alalu-Esh-<br />

Trona ein Attentat auf Anu-Esh-<br />

Varu verübt hatte. Seine Erläuterungen<br />

wurden mit Bestürzung<br />

aufgenommen.<br />

»Wie wollen wir weiter vorgehen?«,<br />

fragte ich Max.<br />

»Ich würde vorschlagen, dass wir<br />

euch erst einmal zur Erde zurückbringen.<br />

Wir werden dann den<br />

Shem aus der Grotte nehmen und<br />

nach Nibiru zurückfliegen. Wir<br />

werden dort versuchen, den<br />

Zwölferrat oder was von ihm übrig<br />

geblieben ist zu warnen und über<br />

die Umstände aufklären. Dabei<br />

müssen wir sehr vorsichtig vorgehen,<br />

um keinen Verdacht zu erregen.<br />

Das ist auch der Grund,<br />

warum wir den Shem von der<br />

Grotte verwenden werden. Das<br />

Erkennungssymbol dieses Schiffes<br />

kann nicht mit uns in Zusammenhang<br />

gebracht werden. Ich muss<br />

jedoch den Kommandanten dieses<br />

Shems davon überzeugen, uns auf<br />

unserer Mission zu begleiten«,<br />

erklärte er.<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Das ist eine gute Idee, obwohl<br />

ich gerne mitgekommen wäre.«<br />

»Diese Angelegenheit geht euch<br />

nichts an, obwohl ihr beinahe euer<br />

Leben eingebüßt hättet. Wir<br />

müssen diese Sache selbst regeln.«<br />

»OK.«<br />

Peter und Kevin stimmten ebenfalls<br />

zu.<br />

»Behalten wir die Kommunikatoren?«,<br />

fragte Kevin.<br />

»Natürlich, wenn alles geregelt<br />

ist, werden wir wieder Verbindung<br />

mit euch aufnehmen«, warf<br />

Marush schnell ein. Max nickte nur.<br />

»Ich habe da noch eine Bitte,<br />

Max«, warf ich schnell ein. »Wir<br />

haben auf euren Schiffen einige<br />

fotografische Aufnahmen<br />

gemacht, die wir eigentlich als<br />

Andenken behalten wollten. Es ist<br />

aber im allgemeinen Interesse<br />

besser, wenn wir diese Aufnahmen<br />

bei euch zurücklassen. Da<br />

diese Bilder in einem Labor entwickelt<br />

werden müssen, besteht die<br />

Gefahr, dass einige Bilder extra<br />

angefertigt werden, von denen wir<br />

nichts wissen. Aufgrund der ‚Ufomanie’<br />

könnten indiskrete Leute<br />

mit diesen Bildern eine Menge<br />

Geld verdienen, dabei aber einen<br />

großen Schaden anrichten. Es<br />

würde nicht lange dauern, bis das<br />

FBI der USA und die CSIS von<br />

Kanada davon erfahren würde.<br />

Das könnte unser Leben gefährden,<br />

außerdem wäre es dann mit<br />

eurer Anonymität vorbei und man<br />

würde weltweit Jagd auf euch


machen. Was wir in unserem<br />

Gedächtnis haben, kann uns keiner<br />

nehmen. Wir müssen fast ebenso<br />

vorsichtig sein, wie ihr auf Nibiru,<br />

außerdem wissen wir nicht, ob<br />

Joe-Kojote den Mund gehalten<br />

hat. Wenn man kein Fotomaterial<br />

bei uns findet, dann muss man uns<br />

erst einmal laufen lassen. Ich<br />

rechne aber damit, beschattet zu<br />

werden. Das heißt auch, dass wir<br />

unser Fahrzeug dekontaminieren<br />

müssen, damit keine Rückschlüsse<br />

über die Gegend, in der wir uns<br />

befanden, gemacht werden<br />

können. Wir müssen also den Bully<br />

picobello sauber machen und Erdklumpen<br />

sowie tote Insekten entfernen,<br />

die unseren Aufenthaltsort<br />

verraten könnten.«<br />

»Jetzt geht aber der Gaul mit dir<br />

durch«, zweifelte Kevin an<br />

meinem Verstand.<br />

»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«,<br />

bestätigte Peter.<br />

Plötzlich stand Peter auf, öffnete<br />

die Kameras und nahm die Filme<br />

heraus. Er kramte sein Taschenmesser<br />

hervor und machte sich<br />

daran, die Filmbehälter zu öffnen.<br />

Dann zog er langsam die Filme aus<br />

den Behältern und legte sie unter<br />

eine helle Beleuchtungsleiste. Er<br />

verfuhr ebenso mit den bereits<br />

belichteten Filmen.<br />

»So! Da die Filme lichtempfindlich<br />

sind, brauchen Max und wir<br />

uns keine Gedanken mehr über<br />

den Inhalt der Filmrollen machen.<br />

Die Filme sind jetzt im Arsch!« Er<br />

sagte es mit stoischer Ruhe und<br />

hochgezogenen Augenbrauen.<br />

Danach setzte er sich wieder und<br />

tat so, als wenn nichts geschehen<br />

wäre.<br />

»Ganz schön frech, aber die<br />

beste Lösung für uns alle«, spielte<br />

ich den Beleidigten.<br />

Marush zuckte leicht mit den<br />

Schultern. Die anderen verloren<br />

kein Wort über Peters Maßnahme.<br />

»Wir werden euch dann wieder<br />

zur Erde zurück bringen. Danach<br />

werden wir uns um Alahu-Esh-<br />

Trona kümmern müssen«, nahm<br />

Max die Besprechung wieder auf.<br />

»Ich schlage vor, wieder das<br />

kleine Beiboot zu benutzen, um<br />

unseren Transporter nicht in<br />

Anspruch nehmen zu müssen. Es<br />

könnte Verdacht erregen, wenn<br />

unser Schiff plötzlich aktiv wird«,<br />

sagte Ront.<br />

»Daran habe ich auch gedacht.<br />

Wir können ohne Mühe die Raumüberwachung<br />

der Erde täuschen<br />

und hätten von dieser Seite her<br />

nichts zu befürchten. Wir können<br />

dann den Transporter des auf der<br />

Erde befindlichen Shems benutzen.<br />

Das ist unauffällig. Ich muss<br />

so oder so mit dem Kommandanten<br />

der Expedition, die sich auf<br />

der Erde befindet, Kontakt aufnehmen,<br />

um ihn über die Verhältnisse<br />

aufzuklären. Sie werden bestimmt<br />

bemerkt haben, dass sich etwas<br />

Außergewöhnliches im Sonnensystem<br />

zugetragen hat.«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Also, wann soll es losgehen?«,<br />

fragte Kevin, der es kaum noch<br />

erwarten konnte, wieder nach<br />

‚unten’ zu gelangen.<br />

»Wir können sofort aufbrechen,<br />

nachdem ich mit dem Kommandanten<br />

der Expeditionsgruppe<br />

gesprochen habe. Marush und<br />

Ront kommen ebenfalls mit.«<br />

Max entfernte sich und wir bereiteten<br />

uns auf den Rückflug vor.<br />

Wir stiegen also in das Beiboot um<br />

und rasten zur Erde. Ront steuerte<br />

souverän das Fahrzeug, wobei er<br />

es unterließ, mit hoher Fahrt in die<br />

Atmosphäre einzutauchen. Er<br />

wollte vermeiden, einen Kometenschweif<br />

zu erzeugen, den man<br />

weithin hätte sehen können. Das<br />

Übrige taten die Prallfelder, die<br />

sich automatisch so einstellten,<br />

dass sie mit den Luftmolekülen<br />

keine extreme Reibung hervorriefen.<br />

Gleichzeitig beseitigten sie die<br />

Effekte der Photonenemission, die<br />

man sonst als Lichtenergie erkennen<br />

konnte. Über Kondensstreifen<br />

brauchten wir uns ebenfalls keine<br />

Gedanken machen, weil wir keine<br />

heißen Gase ausschieden, die sich<br />

dann als Frost in den oberen<br />

Schichten der Atmosphäre<br />

bemerkbar machen würden. Max<br />

hatte uns mitgeteilt, dass unser<br />

Bully bereits dekontaminiert<br />

worden war. Das erklärte auch<br />

sein Lächeln, als ich das Problem<br />

der Dekontamination angesprochen<br />

hatte. Die Shem-Besatzung<br />

hatte es jedoch aus anderen<br />

Gründen getan. Sie wollten ver


meiden, dass sich Mikroorganismen<br />

auf ihrem Schiff breit<br />

machten und dort verrückt<br />

spielten, also eine reine Selbstschutzmaßnahme.<br />

Dieses kam uns<br />

natürlich jetzt sehr gelegen. Wir<br />

schwebten nur eine kurze Zeit<br />

über unserem alten Lagerplatz und<br />

nahmen die Kühltaschen und hinterlassenen<br />

Sachen mit. Der Platz<br />

wurde dann gesäubert und alle<br />

Spuren unserer Anwesenheit verwischt.<br />

In der Nähe von Albuquerque<br />

wurden wir dann abgesetzt.<br />

Der vorläufige Abschied war kurz<br />

aber herzlich. Wir schüttelten uns<br />

nach terrestrischer Art die Hände<br />

und Marush gab mir einen unerwarteten<br />

Kuss auf dem Mund.<br />

»Oh, lá, lá! Die intergalaktischen<br />

Beziehungen tragen bereits reiche<br />

Früchte«, spöttelte Peter.<br />

Kevin grinste über beide Ohren,<br />

wobei mir die Schamröte ins<br />

Gesicht schoss. Marush hatte mich<br />

lieb gewonnen, daran bestand<br />

kein Zweifel. Ich hätte gelogen,<br />

wenn ich von mir etwas anderes<br />

behauptet hätte. So ist nun einmal<br />

das Leben. Ich konnte nur hoffen,<br />

dass meine Maria nichts von<br />

diesem intergalaktischen Kuss<br />

erfuhr. Mexikanerinnen können da<br />

mitunter recht seltsam reagieren.<br />

»Nachdem wir alles geregelt<br />

haben, werden wir uns dann in<br />

Kanada wiedersehen«, sagte Max.<br />

»Ich überlasse es euch, ob ihr mit<br />

anderen Menschen über eure<br />

Erlebnisse sprechen wollt. Ich<br />

würde euch allerdings davon abraten,<br />

da man die Reaktionen darauf<br />

immer schlecht einschätzen kann.«<br />

Als er das sagte, fiel mir sofort<br />

die Namen Erich von Däniken und<br />

Reinhard Habeck ein. Ich verwarf<br />

den Gedanken jedoch wieder. Es<br />

war jetzt noch nicht der richtige<br />

Zeitpunkt dazu.<br />

»Zu eurer Beruhigung«, fuhr Max<br />

fort, »werden wir noch in El Moro<br />

bei Joe-Kojote vorbeisehen. Es<br />

wäre für uns alle nützlich herauszufinden,<br />

ob er vielleicht bereits<br />

geredet hat. In jeder Hinsicht<br />

werden wir dafür sorgen, dass die<br />

Erinnerung an euch und an die<br />

Grotte bei ihm gelöscht wird. Er<br />

wird davon nichts merken, weil es<br />

im Schlaf geschehen wird.«<br />

»Ich halte das für überflüssig«,<br />

erwiderte ich spontan. »Joe-Kojote<br />

ist ein alter Medizinmann, der<br />

mit den Geistern orakelt. Er würde<br />

bereits wissen, was ihr mit ihm<br />

vorhabt. Demzufolge wird er sich<br />

davor hüten, sein Wissen preiszugeben.<br />

Gebt ihm eine Chance. Er<br />

wird nichts sagen. Wir Terrestrier<br />

lieben es nicht besonders, wenn<br />

sich jemand in dieser Weise um<br />

uns kümmert. Sollte er dennoch<br />

reden, so wird es als Spinnerei<br />

eines alten Schamanen abgetan<br />

werden. Ich kann euch jedoch<br />

nicht davon abhalten. Ich wünsche<br />

euch viel Glück bei eurem Vorhaben<br />

auf Nibiru. Peter wird in Texas<br />

bleiben und Kevin und ich kehren<br />

in ein paar Wochen nach Kanada<br />

zurück. Mit den Kommunikatoren<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

können wir in steter Verbindung<br />

bleiben. Eine letzte Frage habe ich<br />

jedoch noch: Können wir auf die<br />

Unterstützung der Expeditionsgruppe<br />

rechnen, wenn wir in<br />

Schwierigkeiten geraten sollten?«<br />

»Ja. Der stellvertretende Kommandant,<br />

der den Namen ‚Rama-<br />

El-Natr’ trägt, wird eure Kommunikatoren<br />

überwachen. Er wird sich<br />

sofort mit euch in Verbindung<br />

setzen, sobald ihr ihm ein Notsignal<br />

sendet.«<br />

Sie begaben sich in ihr Boot und<br />

winkten noch kurz. Marush drehte<br />

sich noch einmal kurz um, bevor<br />

sie in der offenen Schleuse verschwand.<br />

Danach waren wir wieder<br />

allein. Es war bereits dunkel<br />

geworden und vor uns gleißten die<br />

Lichter von Albuquerque in der<br />

Ferne.<br />

Zurück nach El Paso<br />

»Lasst uns nach Hause fahren. In<br />

zweieinhalb Stunden sind wir dann<br />

wieder daheim«, schlug Peter vor.<br />

Wir begaben uns zum Bully, der<br />

an der Seite der Schotterstraße in<br />

Richtung nach Albuquerque abgestellt<br />

worden war.<br />

Bei der zweieinhalbstündigen<br />

Rückfahrt wurde kaum ein Wort<br />

gewechselt. Jeder hing seinen<br />

eigenen Gedanken nach. Es kam<br />

nun für uns der Moment der geistigen<br />

Verdauung. Wir hatten<br />

jedoch einen riesigen Trumpf in<br />

der Hand. Unsere Unterhaltungen


konnten wir später in Max’s<br />

Sprache führen und hatten dabei<br />

die Gewissheit, dass kein anderer<br />

Mensch auf der Erde uns verstehen<br />

würde. Als wir in El Paso ankamen,<br />

wurden wir von Lupe herzlich<br />

begrüßt.<br />

»Maria ist bereits nach Juarez<br />

weiter gefahren, Miguelito«,<br />

berichtete sie mir.<br />

Ich hatte nichts dagegen. Sie war<br />

bei ihrer Familie in Mexiko gut<br />

aufgehoben und konnte sich so<br />

ungestört dem ‚Dorfklatsch’<br />

widmen. Lupe wollte nun wissen,<br />

was wir so getrieben hatten. Peter<br />

erzählte ihr über Winnetou und<br />

Joe-Kojote. Er erwähnte jedoch<br />

nichts über unsere Begegnung mit<br />

Max. Sie gab sich mit seinen Erklärungen<br />

zufrieden und stellte keine<br />

weiteren Fragen.<br />

Tequila!<br />

»Pedrito, ich muss heute noch<br />

mit Josefina den Modekatalog<br />

besprechen. Ich bin in etwa einer<br />

Stunde wieder zurück«, sagte Lupe<br />

im Weggehen zu Peter.<br />

»Jetzt noch? Es ist schon 21<br />

Uhr!«, entgegnete Peter etwas<br />

überrascht.<br />

»Si, mi amor, wir müssen den<br />

Katalog zum Drucker bringen… tu<br />

sabes… wegen der Modemesse in<br />

Albuquerque in 2 Wochen.«<br />

Peter hatte es total vergessen.<br />

Manchmal ging es ihm auf den<br />

Geist, dass Lupe nebenbei ein Klei-<br />

dergeschäft für exotische Frauenbekleidung<br />

führte und daher des<br />

Öfteren außer Haus war. Da er so<br />

oder so nichts dagegen machen<br />

konnte, nickte er dann auch nur<br />

kurz und bemerkte: »Okay, aber<br />

bleib nicht zu lange weg, du musst<br />

morgen früh raus.«<br />

Nachdem Lupe das Haus verlassen<br />

hatte, lud Peter uns ein, in sein<br />

Studierzimmer zu gehen. Vorher<br />

holte er sich noch eine Flasche<br />

Tequila aus dem Kühlschrank und<br />

brachte ebenfalls ein paar kleingeschnittene<br />

Limonen und einen<br />

Salzstreuer mit. Kleine Schnapsgläser<br />

befanden sich auf einem Regal<br />

im Studierzimmer, die er nur kurz<br />

ausblies.<br />

»Staub muss ‘raus, den Rest desinfiziert<br />

der Tequila!«, bemerkte<br />

er trocken, als Kevin ihn verdutzt<br />

anstarrte.<br />

»Aha, Tequila Añejo, der geht<br />

glatt runter… wie geschmiert!«,<br />

bemerkte ich und setzte mich in<br />

einen der drei Korbsessel. In<br />

Gedanken schüttelte ich mich<br />

bereits.<br />

Kevin setzte sich ebenfalls und<br />

Peter schenkte ein. Zum Glück<br />

brauchten wir Kevin nicht auch<br />

noch zu erklären, wie man Tequila<br />

trinken musste, das hatte er schon<br />

bei mir zu Hause in Kanada gelernt.<br />

»¡Salud, dinero y amor!«, prostete<br />

er uns zu. »Was haltet ihr<br />

davon, wenn wir etwas Ana’kh<br />

üben? Da Lupe jetzt nicht da ist,<br />

passt das doch ganz gut oder?«<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

»Hab nix dagegen«, antwortete<br />

ich kurz in Max’s Sprache, was<br />

auch Kevin dazu nötigte, sich zu<br />

beteiligen. Für ihn war es etwas<br />

schwieriger als für Peter und mich,<br />

da die englische Sprache keinen<br />

‚ch’-Laut kannte.<br />

»Bevor wir weitermachen,<br />

kannst du mir noch einmal zeigen,<br />

wie man das ‚h’ am Ende besser<br />

ausspricht?«, fragte er mich.<br />

»Kein Problem, reine Konzentrationsübung«,<br />

ich überlegte einen<br />

Moment bevor ich fortfuhr, »du<br />

kennst aus dem amerikanischen<br />

Englisch einen ähnlichen Laut.<br />

Jedes Mal, wenn die Amis when,<br />

who, where und so weiter sagen,<br />

fügen sie immer einen ch-Laut an<br />

den Anfang des Wortes. Irgendwie<br />

hört sich das dann an wie chwenn,<br />

ch-hu und chwär, aber ganz<br />

dezent.«<br />

»Stimmt, fällt mir jetzt auch auf,<br />

da du es ansprichst«, bestätigte<br />

Kevin.<br />

»Wenn du immer daran denkst,<br />

dann fällt es dir leichter, Ana’kh zu<br />

sprechen. Also… es klingt nicht<br />

hart wie Anack, sondern mehr wie<br />

Ana’kch oder Aana’kchr, versuch<br />

mal«, forderte ich ihn auf.<br />

Kevin versuchte es einige Male<br />

und war kurze Zeit später in der<br />

Lage, auch andere Wörter relativ<br />

gut auszusprechen.<br />

»Das mit Anu-Esh-Varu ist so<br />

eine Sache«, begann ich nach<br />

seinen Sprachübungen die eigentliche<br />

Unterhaltung. »Wenn er jetzt


wirklich der Folgeherrscher<br />

gewesen ist, dann können wir nur<br />

hoffen, dass Max den Laden<br />

wieder in den Griff bekommt. Es<br />

wird schwer werden.«<br />

»Ja«, nickte Peter zustimmend,<br />

»hoffentlich schaffen sie es, die<br />

Ratsmitglieder zu warnen und den<br />

Umsturz zu verhindern.«<br />

»Irgendwie ist das alles Mist.<br />

Schon hat man neue, wichtige<br />

Freunde gewonnen, da fliegen sie<br />

auch schon wieder weg, um sich<br />

um interne Querelen zu kümmern«,<br />

fügte Kevin hinzu, der sich<br />

immer besser in dieser neuen Situation<br />

zurechtfand. »Für mich wäre<br />

es besser gewesen, mehr herauszufinden.<br />

Ich tappe immer noch<br />

etwas im Dunklen. Ihr versteht<br />

schon…«<br />

»Naja, wir können mit unseren<br />

Kommunikatoren auch Verbindung<br />

mit der Infiltrationsgruppe<br />

aufnehmen«, schlug ich vor. »Ob<br />

die sich allerdings so freizügig<br />

geben, ist fraglich.«<br />

»Keine gute Idee, finde ich«,<br />

entgegnete Peter. »Lasst uns erst<br />

einmal die ganze Sache verdauen.<br />

Wir brauchen selbst Zeit, nichts<br />

überstürzen oder schlafende<br />

Hunde wecken.«<br />

Wir wussten alle genau, wen er<br />

mit den Hunden meinte. Wir<br />

wären ein gefundenes Fressen für<br />

das FBI, CSIS, BND, MOSSAD, KGB<br />

und was es da sonst noch alles an<br />

Verdachtschöpfern gab. Ich<br />

konnte mir sogar eine Inquisition<br />

des Vatikans vorstellen – besonders<br />

von der Seite!<br />

Peter wechselte das Thema, er<br />

sah müde aus. Die Tequilaflasche<br />

war auch schon halb leer, aber das<br />

ging schnell bei drei Personen. Die<br />

ersten zwei Gläser waren so oder<br />

so nur zur Geschmacksgewöhnung<br />

gedacht. Ich musste bei Tequila<br />

immer vorsichtig sein, da mich das<br />

Gesöff meistens falsch erwischte<br />

und ich immer einen riesigen Kater<br />

am nächsten Tag hatte.<br />

»Es war sehr interessant, wie sie<br />

den Shem aus der Grotte geschippert<br />

haben«, wunderte sich Peter<br />

anscheinend immer noch.<br />

Er hatte Recht! Max hatte dem<br />

eigentlichen Kommandanten des<br />

Shems die Kontrolle über sein<br />

Schiff wieder übergeben und wir<br />

konnten sehen, wie der Shem<br />

langsam und behäbig die Grotte<br />

nach oben verließ. Der Kommandant,<br />

Akwar-El-Zont, löste vorher<br />

das Deckengewölbe auf, indem er<br />

ein Energiefeld deaktivierte,<br />

welches für lange Zeit das Schiff<br />

verborgen gehalten hatte, indem<br />

es die Umgebung künstlich aber<br />

naturgetreu reproduziert hatte.<br />

Das Abheben des Schiffes wurde<br />

von niemand beobachtet, weil es<br />

bereits dunkel war. Nachdem der<br />

Kommandant das Team dann kurz<br />

vor Albuquerque abgesetzt hatte,<br />

flogen sie unter Sichttarnung<br />

weiter. Ich vermutete, dass Max es<br />

nicht unterlassen hatte, trotzdem<br />

in El Moro vorbeizusehen.<br />

kurzgeschichte<br />

Begegnungen - Teil 5<br />

von Michael Köckritz<br />

Vorerst hatten wir den Kontakt<br />

zu Max, Marush und der restlichen<br />

Shem-Crew verloren.<br />

»Man wird sich über den riesigen<br />

Krater wundern!«, spekulierte<br />

Kevin mit einem Zwinkern.<br />

»Nebenbei: wann fahren wir rüber<br />

nach Mexiko?«<br />

»Wir werden erst einmal ausschlafen<br />

und dann sehen wir weiter«,<br />

bestimmte Peter und stand<br />

auf. Er brachte die Gläser und die<br />

jetzt nur noch viertelvolle Flasche<br />

in die Küche zurück. »Einkaufen<br />

müssen wir auch! Mir sind schon<br />

ein paar Mäuse mit ’ner weißen<br />

Fahne entgegen gekommen. Die<br />

wollten sich ergeben, weil‘s nichts<br />

mehr zu mampfen gibt.«<br />

»Die mexikanischen Weiber<br />

laufen dir nicht so schnell weg«,<br />

stimmte ich zu und erntete einen<br />

säuerlichen Blick von Kevin.<br />

›Keine Hektik, Kev’ … du wirst dir<br />

noch früh genug die Pfeife verbrennen<br />

…‹, dachte ich amüsiert.<br />

Ende<br />

Es ist eine weitere Episode geplant,<br />

die direkt ans erste Buch<br />

anknüpft.


14.07.11 - 17.07.11<br />

Tolkien Thing 2011<br />

Das dreizehnte Thing der Deutschen Tolkien Gesellschaft<br />

findet vom 14.-17. Juli in der Jugendherberge<br />

auf Burg Breuberg statt, die siebte "Heimat" für die<br />

traditionsreichste Großveranstaltung zu Tolkiens<br />

Werk und Leben in Deutschland.<br />

Auf dem Thing findet die Jahreshauptversammlung<br />

der DTG statt, aber damit sich die Anreise aus ganz<br />

Deutschland lohnt, verbringen unsere Mitglieder und<br />

jeder andere herzlich willkommene Tolkien-Begeisterte<br />

vier Tage mit prall gefülltem Programm. Es gibt<br />

Vorträge, Workshops, Rollenspielrunden uvm. rund<br />

um die Werke des britischen Autors. Details zum<br />

Programm folgen auf diesen Seiten.<br />

Infos unter:<br />

http://thing.tolkiengesellschaft.de/information.h<br />

tml<br />

30.07.11 - 31.07.11<br />

FeenCon 2011<br />

Stadthalle Bonn-Bad Godesberg, Koblenzer Straße 80,<br />

53177 Bonn-Bad Godesberg<br />

Neben zuletzt über 300 Spielrunden gibt es wieder<br />

Lesungen, Workshops und diverse Turniere. Verlage,<br />

Händler, Vereine, Autoren, Zeichner uvm. sind mit<br />

ihren Ständen vertreten. Im Außenbereich gibt es<br />

wieder den Mittelalterambientebereich zum spielen<br />

und entspannen. Übernachten kann man kostenlos<br />

ab 22:00 Uhr im unteren Foyer, bitte nur Schlafsack,<br />

Isomatte usw. nicht vergessen.<br />

Infos unter: http://feencon.de/<br />

veranstaltungen<br />

17.09.11 - 18.09.11<br />

DreieichCon<br />

21. Dreieicher Rollenspieltreffen im Bürgerhaus Dreieich-Sprendlingen,<br />

Fichtestr. 50, 63303 Dreieich<br />

Zeit: Samstag 10:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr<br />

NONSTOP<br />

Eintritt: Samstag 8 €, Sonntag 5 €, beide Tage 10 €<br />

GFRler zahlen eine Pauschale von 5 €<br />

Vorangemeldete Spielleiter(innen) haben freien Eintritt<br />

(die Anmeldefrist für Spielleiter(innen) endet am<br />

31.10.2011)<br />

Infos unter: http://www.dreieichcon.de/<br />

30.09.11 - 02.10.11<br />

PERRY RHODAN-WeltCon 2011<br />

Mannheim Congress Center Rosengarten<br />

Gäste: Oliver Scholl (Production-Designer), Bruno<br />

Eyron (Schauspieler und Produzent), Dr. Rainer<br />

Stache (Journalist und PERRY RHODAN-Experte),<br />

Robert Vogel (Journalist), ...<br />

Während es am 19. Juni 2011 genau 40 Jahre her war,<br />

seit ein gewisser Risikopilot in einem bestens<br />

bekannten Paralleluniversum zu seiner Reise auf den<br />

Mond gestartet ist, kommt es am 21. Juni 2011 um<br />

18 Uhr zu einem anderen, nicht minder wichtigen<br />

Zeitpunkt: Der PERRY RHODAN-WeltCon 2011 steht<br />

dann exakt 100 Tage vor seinem ersten Programmpunkt.<br />

Bis die Türen in Mannheim endlich zur großen<br />

Jubiläumsveranstaltung geöffnet werden, zählt ein<br />

Counter auf unserer WeltCon-Website die letzten 100<br />

Tage rückwärts.<br />

Einen zusätzlichen Tag muss man jedoch noch hinzu<br />

addieren, bis zwei der wahrscheinlich buntesten und<br />

überraschendsten Programmpunkte des WeltCons<br />

2011 beginnen: Die Spezialvorführung des Dokumentarfilms<br />

»PERRY RHODAN – Unser Mann im All« und<br />

natürlich die große »Nacht auf Lepso«.<br />

Infos unter: http://www.weltcon2011.de/


30.09.11 - 02.10.11<br />

FilkCONtinental 2011<br />

Ein spezieller Con für alle Barden der Zukunft, der<br />

Vergangenheit und natürlich auch der Gegenwart.<br />

Ein Con für musikbegeisterte SF und Fantasy- und<br />

Mittelalter-Fans, die folkige Klänge, handgemachte<br />

Musik aber auch Parodien oder fetzigen Rock<br />

mögen.<br />

Ein Con für Musiker, die auch dem Fantastischen<br />

und Schrägen nicht abgeneigt sind.<br />

Ein Con zum Mitmachen oder einfach Zuhören und<br />

Spaß haben.<br />

Infos unter: http://www.filkcontinental.de/2011/<br />

14.10.11 - 16.10.11<br />

RingCon 2011<br />

in Bonn im Maritim Hotel<br />

ein wundervolles Wochenende mit Stars, Panels,<br />

Autogrammen, Fotosessions, Vorträgen,<br />

Diskussionen, Parties, Freunden und viel Spaß<br />

Gäste: Hudson Leick, Renée O'Connor, Ted Raimi,<br />

Charisma Carpenter, Tom Felton, Mark Ferguson,<br />

weitere werden bekannt gegeben…<br />

Infos unter: http://www.ringcon.de<br />

14.10.11 - 16.10.11<br />

Buchmesse Con 2011<br />

Der Buchmesse Convent (kurz: der BuCon) ist seit<br />

mittlerweile 26 Jahren das unabhängige, zentrale<br />

Treffen der deutschsprachigen, literarischen<br />

Phantastik-Szene am Buchmesse-Wochenende im<br />

Rhein-Main-Gebiet und gleichzeitig die führende<br />

Convention für phantastische Literatur in<br />

Deutschland. Eingeladen sind alle Freunde von<br />

Science Fiction, Fantasy & gepflegtem Horror, egal<br />

ob in Film, TV, Literatur oder Kunst.<br />

Infos unter: http://www.buchmessecon.info/<br />

veranstaltungen<br />

04.11.11 - 06.11.11<br />

9. WEEKEND OF HORRORS<br />

in Bottrop Saalbau<br />

Das Weekend of Horrors ist das ultimative<br />

Fantreffen für Fans des fantastischen Films in<br />

Europa !<br />

Düstere Dekoration sorgt dabei für die richtige<br />

Stimmung. Alle Fenster werden schwarz abgeklebt,<br />

düsteres Licht, scary Sounds, und eine gruselige<br />

Deko werden dafür sorgen das ihr Horror Feeling<br />

pur erleben werdet!<br />

Infos unter: http://www.weekendofhorrors.com/<br />

06.11.2011<br />

MucCon<br />

in München Oberangertheater, Oberanger 38,<br />

80331 München<br />

Programm: Lesungen und Buchpräsentationen von<br />

Autoren des fantastischen Genres<br />

Rund 30 Autoren- und Autorengruppen haben<br />

bislang Interesse daran bekundet, auf dem mucCON<br />

aus ihren fantastischen Werken zu lesen. Hinzu<br />

kommen drei Verleger. Wir freuen uns riesig über<br />

diese Resonanz! Gern nehmen wir weitere<br />

Bewerbungen um die begehrten Leseplätze<br />

entgegen. Bewerben können sich Autoren,<br />

Autorengruppen/-vereine und Verleger noch bis<br />

zum 3. August 2011. Im Anschluss setzt sich unser<br />

Planungsteam zusammen, um aus allen<br />

eingegangenen Bewerbungen eine Auswahl zu<br />

treffen. Die ausgewählten Autoren,<br />

Autorengruppen/-vereine und Verleger werden<br />

umgehend informiert und auf unserer<br />

Programmseite bekannt gegeben. Weitere<br />

Einzelheiten findet ihr auf unserer Seite.<br />

Infos unter: http://www.muc-con.de/


Anhut, Simon<br />

Webseite:<br />

Seite 89: Kurzgeschichte "Der Preis der Macht"<br />

Bernhard, Boris<br />

Webseite: http://www.kupferwerk.org/<br />

Bionda, Alisha<br />

Webseite: http://www.alisha-bionda.net/<br />

Seite 63: Uschi Zietsch - Autorin und Verlegerin<br />

Chihiro<br />

Webseite: http://forum.schnugis.net/<br />

Seite 40: Kleines Tuto zum Steampunklook<br />

Dimtsos, Wassilios<br />

Webseite: http://www.media-mania.de/<br />

Seite 06: Rezension "Hack/Slash 5"<br />

Seite 31: Rezension "Wonderland 3"<br />

Seite 61: Rezension "The New Dead"<br />

Seite 94: Rezension "Teufelszeug"<br />

Exter, Torsten<br />

Webseite:<br />

Seite 96: Kurzgeschichte "Dunkle Drachen"<br />

Das Copyright all dieser Bilder und Artikel liegt bei den jeweiligen Künstlern!<br />

künstlerübersicht<br />

Gerrit, Dan<br />

Webseite: http://dan-gerrit.blogspot.com/<br />

Seite 08: Kurzgeschichte "Erinnerung"<br />

Gölbasi, Mustafa<br />

Webseite: http://4visio.designnation.de/<br />

Seite 101: Bild "Watch - Orc Ahead"<br />

Holzhauer, Stefan<br />

Webseite: http://steampunk-chroniken.de/<br />

Seite 46: Was ist eigentlich Steampunk?<br />

Seite 49: Die Steampunk Chroniken<br />

Kickers, Carola<br />

Webseite: http://www.carola-kickers.de/<br />

Seite 04: Kurzgeschichte "Sarkophag"<br />

Seite 16: Interview mit Dan Gerrit<br />

Köckritz, Michael<br />

Webseite:<br />

Seite 104: Kurzgeschichte "Begegnungen Teil 5"<br />

Koshka<br />

Webseite: http://koshka-june2014.deviantart.com/<br />

Seite 15: Bild "Steampunk"


Krzyzelewski, Kai<br />

Webseite: http://www.fynsterheld.de<br />

Seite 19: Kais Bücherdimension<br />

Kügle, Markus<br />

Webseite:<br />

Seite 59: Musik für Millionen<br />

Seite 102: Krankes Kino<br />

Muhic, Dino<br />

Webseite: http://www.dinomuhic.com<br />

Seite 05: Bild "The Silence In Me"<br />

Seite 95: Bild "Pyromaniac"<br />

Nyala<br />

Webseite: http://www.fantasy3dart.de<br />

Seite 56: Bild "What should we repair first"<br />

Seite 32: Bild "Sweet lullaby"<br />

Seite 18: Bild "Steampunk for marforno"<br />

OnehandsLady<br />

Webseite: http://ohnehandslady.deviantart.com/<br />

Seite 1: Titelbild "Steampunk"<br />

Seite 53: Bild "Steampunk"<br />

Das Copyright all dieser Bilder und Artikel liegt bei den jeweiligen Künstlern!<br />

künstlerübersicht<br />

Rauchfuß, Marcus a.k.a Traveler<br />

Webseite: http://www.sarkomand.de<br />

Seite 34: Steampunk, eine Einführung<br />

Seite 43: Steampunk, Blog-Streiflichter<br />

Seite 57: Steampunk, ein Aufruf<br />

Schüler, Markus<br />

Webseite: http://www.the-art-of-markus.de/<br />

Seite 07: Bild "Blood Princess"<br />

Seite 31: Bild "Wolf"<br />

Tumana<br />

Webseite: http://www.schnugis.net/<br />

Seite 54: Drahtklammern für Steampunklook


Chefredaktion:<br />

Rainer Schwippl<br />

Redaktion:<br />

Thomas Rabenstein, Markus<br />

Kügle, Kai Krzyzelewski<br />

Mitarbeiter dieser<br />

Ausgabe:<br />

Anhut, Simon; Bernhard, Boris;<br />

Bionda, Alisha; Chihiro; Copper,<br />

John; Dimtsos, Wassilios; Exter,<br />

Torsten; Gerrit, Dan; Gölbasi,<br />

Mustafa; Holzhauer, Stefan;<br />

Kickers, Carola; Köckritz, Michael;<br />

Koshka; Krzyzelewski, Kai; Kügle,<br />

Markus; Muhic, Dino; Nyala;<br />

OnehandsLady; Rauchfuß,<br />

Marcus a.k.a Traveler; Schüler,<br />

Markus; Tumana<br />

Titelbild:<br />

OhnehandsLady „Steampunk“<br />

Erscheinungsweise:<br />

3-monatlich als<br />

nichtkommerzielle Publikation<br />

impressum<br />

Internetadresse:<br />

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wieder.<br />

© 2011 by Rainer Schwippl<br />

Ausgabe 10 erscheint voraussichtlich am 01.02.2012<br />

Unsere Partnerseiten:<br />

http://globaltalk.de/ http://literra.info

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