Kurzgeschichten - SpecFlash
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Kurzgeschichten - SpecFlash
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STEAMPUNK<br />
AUTORIN UND<br />
VERLEGERIN<br />
-Musik -Musik für für Millionen Millionen<br />
-Krankes -Krankes Kino Kino<br />
Kais Bücherdimension<br />
... und natürlich jede Menge <strong>Kurzgeschichten</strong>, Interviews und tolle Bilder
Liebe Leserinnen und liebe Leser,<br />
willkommen zur neuen Ausgabe des<br />
<strong>SpecFlash</strong>. Gleich zu Anfang eine nicht so<br />
gute Nachricht: das <strong>SpecFlash</strong> macht eine<br />
kurze Pause, d.h. diese Ausgabe 9 wird die<br />
letzte in diesem Jahr sein und es wird erst<br />
Anfang nächsten Jahres (voraussichtlich am<br />
1.Februar) weitergehen. Ich hatte es ja<br />
schon in der letzten Ausgabe angedeutet,<br />
dass es mir momentan sehr schwer fällt,<br />
mich zur Arbeit an dem Magazin zu motivieren.<br />
Dazu kommen Ereignisse im privaten<br />
Umfeld, die einiges an Zeit in Anspruch<br />
genommen haben. Lange Rede, kurzer Sinn,<br />
habe ich mich entschlossen eine kleine<br />
Pause einzulegen und die Konzeption des<br />
Magazins umzustellen. Wie genau das neue<br />
<strong>SpecFlash</strong> aussehen wird, weiß ich derzeit<br />
noch nicht, habe aber schon ein paar Ideen,<br />
die ich gerne umsetzen möchte. Lasst euch<br />
einfach überraschen. Wer mich kennt weiß,<br />
dass es auf jeden Fall ein Schritt nach vorne<br />
sein wird.<br />
In diesem Zusammenhang möchte ich auch<br />
mehr feste Mitarbeiter für das Magazin<br />
gewinnen. Wenn also einer von euch Lust<br />
und Interesse hat an dem Magazin mitzuwirken,<br />
soll sich bei mir melden. Gesucht<br />
werden Redakteure, Lektoren, Rechercheure,<br />
Layouter, Koordinatoren, egal ob<br />
weiblich oder männlich. Geld und Ruhm gibt<br />
es zwar nicht (zumindest noch nicht), dafür<br />
Arbeit und die Genugtuung, anderen Leuten<br />
ein wenig Kurzweil in den Alltag gebracht zu<br />
haben.<br />
Vom inhaltlichen werden wir auch weiterhin<br />
versuchen ein möglichst breites Themenfeld<br />
zu bedienen. Dabei wird es zukünftig<br />
auch wieder ein Thema geben, welches wir<br />
etwas näher beleuchten. Diese Ausgabe<br />
haben wir z.B. der aufstrebenden Steampunk-Bewegung<br />
gewidmet und wollen versuchen<br />
euch ein paar Facetten des<br />
vorwort<br />
umfangreichen Themas aufzuzeigen. Dabei<br />
können leider nicht alle Themen-Felder so<br />
ausführlich behandelt werden, sie sie es<br />
verdient haben, aber ich hoffe, wir können<br />
euch mit unseren Beiträgen etwas Appetit<br />
auf mehr machen.<br />
Einen festen Platz wird zukünftig Kai<br />
Krzyzelewski mit seiner Rubrik "Kais<br />
Bücherdimension" haben, in der er<br />
interessante Bücher vorstellen und auch den<br />
jeweiligen Autoren auf den Zahn fühlen wird.<br />
Ein weiteres Highlight dürfte wohl der sehr<br />
ausführliche Artikel von Alisha Bionda sein,<br />
in dem sie die Autorin und Verlegerin Uschi<br />
Zietsch (manchen vielleicht auch unter dem<br />
Pseudonym Susan Schwartz bekannt) vorstellt.<br />
Die Anthologie, die für dieses Jahr geplant<br />
war, verschiebt sich u.a. aus dem oben<br />
genannten Grund auch auf nächstes Jahr.<br />
Außerdem gibt es derzeit zwei Ausschreibungen,<br />
die das gleiche Thema und die<br />
gleiche Zielgruppe haben, als da wären<br />
Michael Haitel mit p.machinery auf<br />
http://blog.pmachinery.de/unsereprojekte/und<br />
die Steampunk-Chroniken von<br />
Stefan Holzhauer auf http://steampunkchroniken.de/,<br />
welche wir in dieser Ausgabe<br />
ab Seite 49 ausführlich vorstellen. Jetzt also<br />
noch ein <strong>Kurzgeschichten</strong>-Wettbewerb für<br />
Steampunk aufzuziehen halte ich nicht für<br />
sinnvoll. Wir überlegen uns für nächstes Jahr<br />
etwas Neues.<br />
Ansonsten hoffe ich, euch mit dieser<br />
Ausgabe wieder einige interessante Beiträge<br />
anbieten zu können und wünsche viel Spass<br />
beim lesen.<br />
Rainer Schwippl<br />
Chefredakteur
Artikel<br />
6 Rezension „Hack/Slash 5“<br />
16 Portrait von Dan Gerrit<br />
19 Kais Bücherdimension<br />
31 Rezension „Wonderland 3“<br />
32 Steampunk - Einleitung<br />
33 Steampunk - ein technikfokusierter<br />
Gedankengang<br />
34 Steampunk - eine Einführung<br />
40 Steampunk - Tutorial Steampunklook<br />
43 Steampunk - Blog-Streiflichter<br />
46 Steampunk - Was ist Steampunk<br />
49 Steampunk Chroniken<br />
54 Steampunk - Tutorial Drahtklammern<br />
57 Steampunk - ein Aufruf<br />
58 Steampunk - Links<br />
59 Artikel - Melodien für Millionen<br />
61 Rezension „The New Dead“<br />
63 Artikel - Uschi Zietsch<br />
94 Rezension „Teufelszeug“<br />
102 Kolumne: Krankes Kino<br />
<strong>Kurzgeschichten</strong><br />
4 Sarkophag<br />
von Carola Kickers<br />
8 Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
89 Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
96 Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
104 Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Rubriken<br />
2 Vorwort<br />
3 Inhaltsverzeichnis<br />
131 Veranstaltungen<br />
133 Künstlernachweis<br />
135 Impressum<br />
inhalt
Die Leere meines Seins<br />
unerträglich, seit Äonen<br />
kann ich nicht schlafen.<br />
Meine Wächter haben es mir<br />
untersagt, bis meine Erweckung<br />
erfolgt und mein Werk vollendet<br />
ist. Manchmal scheinen meine<br />
Gedanken sich aufzulösen und nur<br />
noch der Instinkt beherrscht mich.<br />
Meine Nacht besteht aus Zähnen<br />
und Klauen. Ich spüre die Unge-<br />
duld derer, die mir folgen werden.<br />
Sie lechzen nach Rache. Der vage<br />
Frieden färbt sich rot. Es sind Visi-<br />
onen, die mich quälen. Visionen<br />
einer unaufhaltsamen Zukunft für<br />
eine hochmütige Rasse! Ich<br />
möchte vor mir selber fliehen.<br />
Doch ich bin ich. Unergründlich<br />
wie das Leben. Ich bin Furcht und<br />
Tod.<br />
In den letzten Jahrhunderten<br />
konnte ich spüren, wie die Stärke<br />
des Glaubens erlosch, der mich<br />
niederzwang in mein Gefängnis.<br />
Sie glauben nicht mehr, sie wollen<br />
forschen, beweisen, ergründen<br />
und vor allem – besitzen, ohne zu<br />
teilen. Sie versündigen sich in nie<br />
gekanntem Maße, alle Warnungen<br />
missachtend! Bald wird das letzte<br />
Korn in ihrer Sanduhr in den end-<br />
losen Abgrund fallen.<br />
Mein Warten wurde eines Tages<br />
jäh unterbrochen, als einige aus<br />
ihrer neuen Generationen mich<br />
aufspürten. Sie haben meine Ruhe<br />
gestört, die heiligen Zeichen miss-<br />
achtet. Mich fortgebracht mit<br />
meinem Kerker, in dem ich über<br />
viele Jahrhunderte sicher war. Ich<br />
vor ihnen und sie vor mir. Jetzt bin<br />
ich hier, mitten unter ihnen, eines<br />
von vielen angeblich wertvollen<br />
Ausstellungsstücken. Sie sind so<br />
stolz auf ihren Fund, den sie aller<br />
Welt zeigen, dass ich meinen Spott<br />
am liebsten hinaus brüllen und<br />
ihnen meine Verachtung entgegen<br />
schleudern möchte. Elende<br />
Narren! Doch ich verharre still.<br />
Tagsüber höre ich ihre Schritte,<br />
ihre Stimmen, ihr Atmen. Lauter<br />
fremde Sprachen, die irgendwann<br />
zu einer bestimmten Uhrzeit ver-<br />
stummen. Ihr Lachen schmerzt<br />
dann noch nachträglich in meinen<br />
Ohren. Ihre Selbstherrlichkeit ist<br />
eine Beleidigung für mein<br />
Bewusstsein. Ich möchte aus<br />
diesem Behältnis fliehen, sie in<br />
ihre Schranken weisen und bin<br />
doch immer noch gefangen in<br />
diesem versiegelten Gefängnis. Ich<br />
weiß, dass sie mich von außen<br />
anstarren. Sie sehen eine goldglän-<br />
kurzgeschichte<br />
Sarkophag<br />
von Carola Kickers<br />
zende, prächtige Hülle, geschaf-<br />
fen, um einen Toten zu bewahren.<br />
Aber sie sehen nicht das Verder-<br />
ben in ihrem Inneren. In den Stun-<br />
den, in denen um mich herum<br />
Ruhe herrscht, möchte ich es<br />
ihnen gleichtun und schlafen,<br />
schlafen, schlafen.... Allein, dies ist<br />
mir nicht vergönnt. Solange die<br />
Siegel intakt sind, werde ich im<br />
Zaum gehalten, muss die Krea-<br />
turen da draußen ertragen, ohne<br />
selbst wieder Schöpfer und Schnit-<br />
ter sein zu können.<br />
Ausgestattet mit soviel Macht<br />
und doch hilflos und gebunden.<br />
Aber ich spüre, wie meine Zeit<br />
herannaht. Manchmal streichen<br />
sie mit neugierigen Händen über<br />
die Außenhaut meines Behält-<br />
nisses. Sie sind gierig. Gierig nach<br />
Wissen, Reichtum und Macht,<br />
hecheln nach Besitz. Dafür knech-<br />
ten sie Ihresgleichen, ihre Mitge-<br />
schöpfe und ihre Umwelt. Dabei<br />
die alten Werte vergessend, Tradi-<br />
tionen verleugnend, die Gesetze<br />
des Universums verachtend. Ehre<br />
und Moral werden von ihnen zer-<br />
treten wie lästige Insekten. Oh, ihr<br />
Menschen! Weniger Wissen und<br />
mehr Glauben. Das könnte einige<br />
von euch retten. Sogar vor mir.
Hätte die Dunkelheit meiner<br />
Anwesenheit noch ein Gesicht, so<br />
würde ich jetzt lächeln. Ich weiß<br />
genau, dass sie es nicht tun<br />
werden. Sie können sich einfach<br />
nicht beherrschen, wollen in<br />
Dimensionen vordringen, die<br />
ihnen nicht bestimmt sind. Dimen-<br />
sionen, die sie verschlingen<br />
werden. Warten. Weiter warten.<br />
Und wachen. Wenn sie das Siegel<br />
brechen, werde ich frei sein.<br />
Werde mich lösen aus den Ketten<br />
und zu neuem Leben erwachen!<br />
kurzgeschichte<br />
© Dino Muhic<br />
Sarkophag<br />
von Carola Kickers<br />
Dann führe ich jene an, die nur<br />
darauf warten, dass ich meine<br />
Stimme erhebe. Wir werden die<br />
Menschen lehren, was es heißt,<br />
sich gegen die uralten Worte zu<br />
erheben. Beugen werden wir sie,<br />
niedermähen in ihrem Stolz. Von<br />
ferne höre ich bereits mein fahles<br />
Ross sich nähern, sein Wiehern<br />
wird mit jeder Stunde lauter. Ich<br />
bin der vierte Reiter.<br />
Da sah ich ein fahles Pferd;<br />
und der, der auf ihm saß,<br />
heißt «der Tod»; und die<br />
Unterwelt zog hinter ihm her.<br />
Und ihnen wurde die Macht<br />
gegeben über ein Viertel der<br />
Erde, Macht, zu töten durch<br />
Schwert, Hunger und Tod und<br />
durch die Tiere der Erde<br />
(Offenbarung des Johannes).
Hack/Slash 5: (Re)Animatoren<br />
von Federica Manfredi, Stefano Caselli, Tim Seeley<br />
A5, Hardcover, vierfarbig, 160 Seiten, Preis: 19,80 €<br />
ISBN 978-3-941248-86-1<br />
Rezension eines Fans<br />
Der fünfte Band der Hack/Slash-Reihe: Reanimatoren<br />
stellt fünf prall gefüllte Kapitel bereit, die dem<br />
Leser Spaß und jede Menge Blut bieten.<br />
In der ersten Geschichte „Eiskalt serviert“ taucht<br />
ein alter Bekannter auf: Pooch ist aus der Nef-Welt<br />
auf die Erde gesandt worden, um Cassie ausfindig zu<br />
machen. Der verspielte Höllenhund wird allerdings<br />
von Chris aufgenommen, während Cassie und ihr<br />
hünenhafter Begleiter Vlad weiterhin Hinweise über<br />
den Verbleib ihres vermissten Vaters sammeln.<br />
In „Selbst/Mord“ kommt der Internet-Junky Diaboliq<br />
ums Leben, was ihn aber nicht davon abhält als<br />
Elektrogeist weiterhin die Mitglieder der Suicide Girls<br />
zu terrorisieren.<br />
rezension<br />
Hack/Slash 5<br />
Das „Zwischenspiel“ zeigt Poochs außerordentliches<br />
Talent die das Paar Chris und Lisa in ihrer<br />
Zweisamkeit zu stören. Außerdem: Das Grab von<br />
Delilah Hack, die als Slasher auch unter den Namen<br />
„Lunch Lady“ bekannt (und nebenbei die Mutter<br />
von Cassie) ist, wird ausgehoben. Das verheißt<br />
nichts Gutes.<br />
In einem Remake von Der Zauberer von Oz, geht<br />
ein rachsüchtiger Ghul um. „Hinter dem Regenbogen“<br />
ist ein Fall für Cassie und Vlad.<br />
Schließlich: „Cassie und Vlad treffen den Re-<br />
Animator“ im fünften und letzten Kapitel dieses<br />
Bandes. Cassie trifft zum ersten Mal auf ihren<br />
leiblichen Vater, doch ist das Vergnügen nur von<br />
kurzer Dauer …<br />
Die Geschichten in Hack/Slash, Band 5: Reanimatoren<br />
zeigen sich zumindest in Amerika im neuen<br />
Gewand: Der Wechsel vom Devil's Due Publishing<br />
zum renommierten Image Comics Verlag (Spawn)<br />
ist geglückt – was auch auf die Beliebtheit und den<br />
Erfolg der Serie hindeutet.<br />
Inhaltlich geht es hier so ziemlich zur Sache:<br />
Cassie trifft endlich auf ihren Vater; darauf hat<br />
man schon lange gewartet. Das etwas andere<br />
Familientreffen geht aber auch noch weiter, als<br />
die Lunch Lady, Cassies Mom, wieder zum Leben<br />
erwacht, aber nur noch wenig Menschliches an<br />
sich hat – oder sollte man sagen zu viel Menschliches?<br />
Der Gore-Faktor bleibt natürlich nicht aus, das<br />
ist bei Hack/Slash klar. Aber vor allen Dingen in<br />
Sequenzen wie im „Zwischenspiel“ merkt man<br />
auch, dass der Autor sich nicht nur auf dieses<br />
Genre versteift, sondern auch einen Sinn für<br />
Humor hat. Auch wenn man sich das bei Beginn<br />
der Reihe noch nicht ganz vorstellen konnte:<br />
Cassie und vor allem auch Vlad wachsen einem ans<br />
Herz, beide haben nicht nur eine sympathische<br />
Szene im Band. Genau das macht die Reihe so gut!
Parallelen zu lovecraftschen Elementen, wie etwa<br />
die Nef-Lords (cthuloide Wesenheiten) oder der<br />
Reanimator selbst sind unübersehbar, aber sehr cool<br />
umgesetzt (wie auch schon bei den vorigen Bänden,<br />
auf denen Bezug darauf genommen wurde).<br />
Optisch sticht das zweite Kapitel hervor: Tim Seeley<br />
(Autor und Erschaffer) hat selbst die Bleistifte gewetzt<br />
und die Ergebnisse sind immer noch die Besten! Katie<br />
de Sousa war für die Farben verantwortlich. Die<br />
Kombination von Seeleys Zeichnungen und de Sousas<br />
digitalen Kunstfertigkeiten (besonders: Leuchteffekte,<br />
Lippen und Augen der Personen) kann sich<br />
mehr als sehen lassen und ist eine wahre Freude für<br />
Fans der neunten Kunst. Bleibt nur zu hoffen, dass<br />
man dieses Dream-Team nicht das letzte Mal gemeinsam<br />
gesehen hat. Die restlichen Kapitel halten sich<br />
eher im traditionellen Stil, d.h. weniger kontrastreich,<br />
was aber keinen Abbruch der Qualität des Gesamtwerkes<br />
tut.<br />
Für Fans ebenfalls interessant: Cross Cult bietet den<br />
deutschen Lesern meist mehr Informationen über die<br />
Reihe, Mitwirkende etc. an, als den amerikanischen<br />
Lesern. So ist jeder Band mit Zusatzinformationen<br />
bestückt, was eine ziemlich gute Sache ist. So gibt es<br />
als Bonus Cassies Shooting-Fotos bei den (real existierenden)<br />
Suicide-Girls, Psychoakten aller auftauchenden<br />
Slasher und ein Interview mit Tim Seeley.<br />
Natürlich ist der Band im gewohnt robusten Hardcover-Format.<br />
© 2011 Wassilios Dimtsos<br />
rezension<br />
Hack/Slash 5<br />
© Markus Schüler
Ein Beobachter hätte an<br />
diesem Tag nichts Besonderes<br />
bemerkt. Im Grunde ein ganz normaler<br />
Dienstag. Irgendwann zwischen<br />
Mittag und Nachmittag. Ein<br />
kühler Wind aus Norden mischte<br />
die schwüle Luft etwas durch, die<br />
den Menschen auf der Straße<br />
ansonsten dunkle Ringe unter die<br />
Achseln gezeichnet hätte. Der<br />
Himmel über der großen Stadt war<br />
klar und die Sonne brannte unerbittlich<br />
auf den flimmernden<br />
Asphalt.<br />
Ein junger Mann saß auf einer<br />
Bank im Park und beobachtete den<br />
Flug der Vögel. In alten Zeiten<br />
hätte man ihn möglicherweise für<br />
einen Wahrsager gehalten, der aus<br />
den scheinbar zufälligen Bewegungen<br />
die Zukunft zu lesen versuchte.<br />
An solche Künste glaubte<br />
freilich keiner mehr im Zeitalter<br />
der Raumfahrt und der Atombombe.<br />
Die Bank, auf der er saß,<br />
war grün gestrichen und irgendwie<br />
kam es ihm so vor, als wäre auch<br />
sein Innenleben so gehalten, grün<br />
vor Schmerz. Neben ihm saß<br />
niemand und je länger dieser<br />
Zustand anhielt, umso schlimmer<br />
wurde der Schmerz, bis es ihm<br />
beinahe die Tränen in die Augen<br />
trieb. Diese Art von Unwohlsein<br />
kannte keine Worte, wer es verspürte,<br />
war nicht in der Lage es<br />
auszusprechen. Manche hatten<br />
versucht, es mit dem Gefühl von<br />
intensivem Hunger zu umschreiben,<br />
ein Zwicken, Drehen und<br />
Brennen im Bauch. Irgendwo in<br />
der Magengegend. Aber Essen half<br />
nichts. Im Gegenteil, das machte<br />
dieses Gefühl nur noch schlimmer<br />
und es gesellte sich eine Übelkeit<br />
dazu. Andere sagten, es sei wie<br />
Prüfungsangst, fünf Minuten,<br />
bevor es wirklich losging. So, als<br />
würde der Magen versuchen, zu<br />
fliegen, während er immer noch<br />
von Muskeln und Sehnen im<br />
Körper festgehalten wurde.<br />
Ansätze einer Beschreibung gab es<br />
viele. Das Gefühl, jeden Moment<br />
losschreiben zu müssen, aber es<br />
gleichzeitig nicht zu können, weil<br />
die Luft zu dünn war. Als wollte<br />
man sich selbst beschimpfen, die<br />
Welt und alles, was drum herum<br />
lag. Wenn man dann aber doch<br />
schrie, es irgendwie schaffte, half<br />
es nichts und man konnte am Ende<br />
nicht mehr aufhören bis der Hals<br />
schmerzte und die Stimme versagte.<br />
Vielleicht half es ein wenig,<br />
wenn man jemanden zum Reden<br />
hatte, aber auch dann kehrte das<br />
Gefühl sofort zurück. Spätestens<br />
dann, wenn man wieder alleine<br />
war.<br />
Immer wieder ballte der Mann<br />
auf seiner Bank die Hände zu<br />
Fäusten bis die Knöchel weiß hervortraten,<br />
entspannte sie wieder<br />
und wiederholte die Übung,<br />
während die Zeit quälend langsam<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
dahin kroch. Durch einen viel zu<br />
heißen Nachmittag. Tief in seinem<br />
Inneren wusste er, dass sie nicht<br />
mehr kommen würde, dass er<br />
umsonst wartete und trotzdem<br />
schob er die Frist, bis er endgültig<br />
gehen würde, immer wieder<br />
hinaus. Ihm war klar, dass es keine<br />
Verbindung mehr mit ihr geben<br />
würde, wenn er erst einmal gegangen<br />
war. Sie würden sich nie<br />
wieder sehen. Und für einen<br />
kurzen Moment wünschte er sich,<br />
zu sterben. Es war eine bittere<br />
Befriedigung sich vorzustellen, wie<br />
sie um ihn trauern würde, eine<br />
Befriedigung mit einem leeren,<br />
sauren Nachgeschmack.<br />
Irgendwo in der Innenstadt, vor<br />
einem hohen Gebäude mit hunderten<br />
von Fenstern, saß eine<br />
Frau. Ein Tourist fragte sie,<br />
welchem Zweck das Bauwerk<br />
diente und sie sagte es ihm.<br />
Freundlich bedankte er sich bei ihr<br />
und machte einen Schnappschuss<br />
von der gelben, leicht verschnörkelten,<br />
neo-klassizistischen Fassade.<br />
Ein Baustil, der so<br />
kennzeichnend für die längst vergangene<br />
Monarchie gewesen war.<br />
Nur mehr dieses Haus und der<br />
romantische Springbrunnen davor<br />
zeugten von der einstigen Macht<br />
der Kaiser. Ein übergroßes<br />
Schlachtross aus Stein stand in der<br />
Mitte des Brunnens, und auf<br />
seinem Rücken saß ein Soldat mit<br />
hoch erhobenem Säbel, während
sein Reittier unablässig Wasser aus<br />
seinem Maul in den Brunnen<br />
sprühen ließ. Irgendwo war da<br />
auch eine Gedenktafel aber<br />
niemand interessierte sich wirklich<br />
dafür. Selbst der Tourist wollte nur<br />
seine Erinnerungsbilder und<br />
weiter zum nächsten Denkmal. Die<br />
Frau hatte ihre Haare rot gefärbt<br />
und trug sie lang. Ein rostiges Fahrradschloss<br />
baumelte um ihren Hals<br />
und passte erstaunlich gut zur<br />
rot-blau karierten Hose. Im<br />
Grunde hielt sie sich für nichts<br />
Besonderes. Am Rand des Brunnens,<br />
beim kühlen Wasser war die<br />
Atmosphäre angenehmer als<br />
irgendwo sonst, während aus der<br />
Ferne das beruhigende Klingeln<br />
und Summen der Straßenbahnen<br />
erklang. Jemand hatte sich neben<br />
sie gesetzt und stellte einen tragbaren<br />
Kassettenspieler ab. Die<br />
rauschende Stimme des wohl<br />
bekanntesten Radiomoderators,<br />
Rick Stich, drang gedämpft aus den<br />
Boxen.<br />
»Und nach diesem genialen<br />
Gitarrensound aus einer besseren<br />
Zeit heißen wir den Mann willkommen,<br />
den man nicht zu Unrecht als<br />
den steifsten Nachrichtenmenschen<br />
diesseits des Ohio<br />
bezeichnet, ein Mann dessen<br />
Namen für Qualität steht: Philipp<br />
Stommer. Vielleicht noch ein<br />
kleiner Zusatz an all jene, die in<br />
letzter Zeit befürchtet haben, in<br />
einem der schlimmsten LSD-Flash-<br />
backs der letzten zwanzig Jahre<br />
gelandet zu sein. Macht Euch keine<br />
Sorgen wenn Ihr vom schwarzen<br />
Mann geträumt habt, Ihr seid nicht<br />
allein.«<br />
Eine kurze Pause trat ein, ehe<br />
sich eine nüchterne Stimme, die<br />
völlig im Gegensatz zu Ricks überdrehtem<br />
Stil stand, zu Wort meldete.<br />
»Danke Rick. Aus den neuesten<br />
Meldungen der örtlichen Wetterwarten<br />
geht hervor, dass sich die<br />
Ozonwerte im Laufe der letzten<br />
Stunden wieder etwas normalisiert<br />
haben. Es gibt keine neuen<br />
Meldungen von gehäuften Atembeschwerden<br />
oder Halluzinationen.<br />
dennoch weist das<br />
Gesundheitsamt darauf hin, dass<br />
sensible oder ältere Menschen<br />
nach wie vor zu Hause bleiben und<br />
alle schweren Arbeiten meiden<br />
sollten. Führende Experten bestätigten<br />
gegenüber der Presse, dass<br />
auch der violette Sonnenuntergang,<br />
den man an manchen Orten<br />
beobachten konnte, eine direkte<br />
Folge der ungewöhnlichen Ozonbelastung<br />
war. Wenn sie aber trotz<br />
der nun wieder fast normalen<br />
Werte irgendwelche Beschwerden<br />
wie Atemnot, Sehstörungen oder<br />
Halluzinationen bemerken, verständigen<br />
sie sofort einen Arzt und<br />
lassen sie sich untersuchen. Wir<br />
halten sie auf dem Laufenden über<br />
die weitere Entwicklung.«<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
Irgendwer sagte im Vorbeigehen:<br />
»Jahrhundertsommer«, aber<br />
niemand antwortete ihm, also ging<br />
er einfach weiter.<br />
Die Frau wischte sich mit der<br />
Hand ein paar Schweißperlen von<br />
der Nase und erinnerte sich an die<br />
letzten Wochen. Vielleicht war<br />
etwas dran an dem Gerücht, dass<br />
irgendeine ausländische Regierung<br />
mit neuen Chemikalien herumexperimentiert<br />
hatte. Wen wunderte<br />
das schon? Und die Folgen nun auf<br />
das Wetter zu schieben war wirklich<br />
genial. Zu gut konnten sich alle<br />
noch an den schweren Atomunfall<br />
vor fünfzehn Jahren erinnern.<br />
Damals hatte man auch bis zum<br />
letzten Moment gewartet und die<br />
Bevölkerung erst dann gewarnt,<br />
als es nicht mehr anders ging. Die<br />
Welt an sich würde sich nie<br />
ändern, da war sich die Frau ganz<br />
sicher.<br />
Die »Ozonwerte« und ihre<br />
komischen Folgen. Die Ärzte<br />
hatten gesagt, dass sie bei<br />
manchen Menschen schizophrene<br />
Zustände ausgelöst konnten.<br />
Farben und Bilder aus dem Nichts.<br />
Düstere Vorahnungen und Wahnvorstellungen.<br />
Natürlich waren die<br />
Krankenhäuser für eine kurze Zeit<br />
vollkommen überfüllt gewesen. Es<br />
schien beinahe so, als wäre die<br />
gesamte Bevölkerung davon<br />
betroffen gewesen. Jetzt, drei<br />
Wochen später, hatte sich alles<br />
wieder in normale Bahnen einge
enkt, und für Manche lag es schon<br />
wieder so weit zurück als wäre es<br />
in einem anderen Leben gewesen.<br />
Konnte Ozon wirklich eine solche<br />
Wirkung haben? Auf einer so<br />
großen Fläche? Den wirklichen<br />
Grund, dachte die Frau, würden sie<br />
wohl nie erfahren. Auf jeden Fall<br />
hatte man versprochen, alles<br />
genau zu untersuchen. So, wie<br />
immer.<br />
Ein Mitarbeiter der städtischen<br />
Reinigung versah seinen Dienst<br />
nur einige Straßen von der Frau<br />
am Brunnen und dem Mann auf<br />
der Parkbank entfernt. Sein orangefarbener<br />
Arbeitsanzug war von<br />
seinem Schweiß getränkt und er<br />
konnte absolut gar nichts dagegen<br />
unternehmen. Zwar hatte er den<br />
Reißverschluss bis zum Bauchnabel<br />
geöffnet, und das Oberteil<br />
schwang um seine Hüften, doch<br />
selbst im Unterhemd schwitzte er<br />
noch unter den Armen und auf der<br />
Brust. Mit schnellen, lange eingeübten<br />
Bewegungen schrubbte er<br />
die Wand eines öffentlichen<br />
Gebäudes und keuchte dabei, als<br />
würden seine Lungen gleich platzen.<br />
Die Arbeit war mehr als<br />
monoton, und so war sein Geist<br />
frei für andere Gedanken. Mindestens<br />
so rätselhaft wie die Ozonhalluzination<br />
der letzten Wochen<br />
waren die Graffiti, die etwa zur<br />
selben Zeit überall im Land aufgetaucht<br />
waren. Niemand konnte<br />
sich erklären, wer der unbekannte<br />
Künstler gewesen war, der die<br />
Worte: »Die Wahrheit liegt im<br />
Koma«, in übergroßen, altmodisch<br />
verschnörkelten Buchstaben auf<br />
die Wände gesprüht hatte. Es<br />
schien so, als hätte er alle größeren<br />
Wände der Stadt damit<br />
besprüht. Zu Beginn war es keinem<br />
aufgefallen, erst später dann. Als<br />
die meisten Leute wieder gesund<br />
waren, hatte man die Worte entdeckt<br />
und sofort damit begonnen,<br />
sie zu entfernen. Woher waren die<br />
Worte gekommen? Hatte man sie<br />
wirklich erst während der Krise<br />
angebracht? Der Mann wusste es<br />
besser, aber niemand fragte ihn.<br />
Vielleicht, dachte sich der Mann<br />
vom Reinigungsdienst, war es ja<br />
einer gewesen, der die Krise vorhergesehen<br />
hatte. Wenn er genau<br />
darüber nachdachte, konnte er<br />
sich kaum mehr daran erinnern,<br />
was vor drei Wochen geschehen<br />
war. Nach allem, was er wusste,<br />
hätte er es selbst gewesen sein<br />
können. Während die Farben<br />
langsam von der Mauer herunter<br />
rannen und die Buchstaben ineinander<br />
verschwammen, unerbittlich<br />
gelöst von den aggressiven<br />
Chemikalien der Reinigungslösung,<br />
fragte er sich, ob hinter den<br />
Worten vielleicht eine bestimmte<br />
Botschaft versteckt sein konnte.<br />
Aber schließlich verwarf er den<br />
Gedanken wieder. Niemand<br />
bezahlte ihn dafür, zu denken.<br />
Und, dass das erste Graffiti dieser<br />
Art schon vor einem halben Jahr<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
aufgetaucht war, kümmerte nun<br />
wirklich niemanden.<br />
Und dann war da noch ein achtjähriges<br />
Mädchen namens Andrea.<br />
Sie saß irgendwo am Straßenrand<br />
und spielte mit einer Handvoll<br />
Murmeln. Jede der kleinen Glaskugeln<br />
hatte ein anderes Muster.<br />
Manche waren ganz klar und nur<br />
von einer Farbe, andere wiederum<br />
enthielten milchige Streifen,<br />
Sterne und Muster. Auch in der<br />
Größe unterschieden sie sich. Ab<br />
und zu hielt sie in ihrem Spiel inne,<br />
strich sich die hüftlangen, erdbeerroten<br />
Haare aus dem hellen<br />
Gesicht und lächelte zur Sonne<br />
hinauf. Sie war das einzige Kind auf<br />
der Straße. Die Erwachsenen<br />
mieden bei diesen Temperaturen<br />
alle Anstrengungen, doch ihr war<br />
es irgendwie wichtig hier zu sein.<br />
Vor drei Wochen hatte sie sich<br />
gefühlt, als wäre sie aus einem<br />
langen Schlaf erwacht, hatte sich<br />
im Bett gestreckt wie eine junge<br />
Katze, gegähnt und war auf die<br />
Straße gegangen. Einfach, weil ihr<br />
danach gewesen war. Die<br />
Murmeln waren an jenem Tag<br />
einfach da gewesen. In einem<br />
kleinen Beutel aus blauem Samt<br />
mit einer roten Kordel, um ihn zu<br />
verschließen. Ab und zu hielt sie<br />
eine der Glaskugeln ins Licht und<br />
betrachtete die sich brechenden<br />
Strahlen. Der Regenbogen darin<br />
tanzte nur für sie.
Natürlich hatte man ihr erzählt,<br />
dass das Wetter sie so schlapp und<br />
müde gemacht hatte. Irgendetwas<br />
in der Luft. Sie hatte wohl sehr<br />
lange und tief geschlafen. An der<br />
Hand ihrer Mutter war sie dann<br />
zum Arzt gegangen. Ein hagerer<br />
Mann mit dichtem Schnauzer,<br />
beängstigenden Augenbrauen. Mit<br />
rauen Händen hatte er sie untersucht.<br />
Seine Geräte waren unangenehm<br />
kalt gewesen, aber sie<br />
hatte sich bemüht, tapfer zu<br />
wirken. Schließlich hatte er<br />
ohnehin schon recht missbilligend<br />
auf sie heruntergesehen.<br />
»Ein vollkommen gesundes<br />
Kind«, das waren seine Worte zu<br />
ihrer über alle Maßen<br />
erleichterten Mutter gewesen. Zu<br />
komisch, dass dafür diese selbst<br />
einen Tag später in jenen tiefen<br />
Schlaf fiel, der die Welt für einige<br />
Zeit in seinen Klauen gehalten<br />
hatte. Niemand wusste, warum.<br />
Niemand hatte etwas dagegen tun<br />
könnte. Und während die Welt<br />
den Atem angehalten hatte, waren<br />
seltsame Schatten über ihre Oberfläche<br />
gewandert. Natürlich war<br />
ihre Mutter am Ende wieder aufgewacht.<br />
So, wie eigentlich alle.<br />
Aber egal, was der Arzt gesagt<br />
hatte, Andrea war sich nicht so<br />
sicher, dass sie wirklich gesund<br />
war. Etwas hatte sich geändert seit<br />
diesem Tag. Was die Erwachsenen<br />
nur im Flüsterton die Krise<br />
nannten war nur der spürbare<br />
Anteil eines viel größeren Ereignisses<br />
gewesen. Dessen war sich<br />
Andrea sicher. Eine Veränderung<br />
hatte von der Welt Besitz ergriffen.<br />
Manchmal, wenn sie jetzt auf<br />
der Straße stand, glaubte sie,<br />
Stimmen zu hören. Die Stimmen<br />
klangen immer wie ihre eigene,<br />
obwohl sie ganz sicher war, diese<br />
speziellen Worte nie ausgesprochen<br />
zu haben. Einmal hörte sie<br />
sich selbst in beinahe flehendem<br />
Ton sagen: »Betest du manchmal<br />
für mich, Bruder?« Ein anderes<br />
Mal sagten die Stimmen, was<br />
überall auf den Wände als Graffiti<br />
zu lesen stand: »Die Wahrheit liegt<br />
im Koma.« Was sie aber besonders<br />
bemerkenswert fand, schien<br />
dieser völlig unsinnige Drang zu<br />
sein, eine Art Tagebuch zu führen.<br />
Ihre Mutter wusste nichts davon,<br />
und wenn sie die Natur des Tagebuches<br />
auch nur erahnt hätten,<br />
dann wäre sie sicher nicht erfreut<br />
gewesen.<br />
Das Kind nahm das in Leder<br />
gebundene Büchlein an sich, das<br />
neben dem Sack Murmeln auf dem<br />
Gehsteig lag. Vorsichtig schlug sie<br />
die erste Seite auf. Sie war von<br />
oben bis unten mit Andreas<br />
eigener Handschrift vollgeschrieben.<br />
Die Geschichte, die sich mittlerweile<br />
über mehr als zwanzig<br />
Seiten erstreckte, war nicht ihre<br />
eigene, das wusste Andrea. Sie<br />
schrieb darin über ein anderes<br />
Mädchen. Ein gänzlich anderes<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
Leben. Dieses Mädchen besuchte<br />
Orte, die Andrea noch nie gesehen<br />
hatte und von manchen hatte sie<br />
noch nicht einmal gehört. Einmal<br />
hatte sie sogar ein Lexikon von<br />
ihrem Vater genommen und angefangen,<br />
zu suchen. Diese Orte existierten<br />
wirklich, waren aber oft<br />
weit weg. Trotzdem, wenn sie<br />
schrieb, war ihr alles völlig klar. Die<br />
Plätze, die dieses andere Mädchen<br />
besucht hatte, konnte sie genauso<br />
vor sich sehen wie die Straße in<br />
diesem Moment. Seite für Seite<br />
blätterte sie sich zum letzten<br />
Eintrag vor. Bald würde sie ein<br />
neues Buch brauchen, wenn sie so<br />
weiterschrieb. Aus einer Tasche<br />
ihres Kleides holte sie einen Kugelschreiber<br />
hervor und setzte ihn am<br />
Beginn einer neuen Seite an. Die<br />
Worte kamen beinahe selbstverständlich<br />
aus ihr heraus, und der<br />
Stift wanderte sicher über das<br />
Blatt. Andrea kannte mittlerweile<br />
den Namen des Mädchens, von<br />
dem diese Geschichte handelte.<br />
Sie hieß Alexis und schien sehr<br />
alleine zu sein. Nur wenn Andrea<br />
in das Büchlein schrieb, hatte sie<br />
das Gefühl, dass diese Alexis nicht<br />
mehr ganz so alleine war.<br />
Die Stimmen in Andreas Kopf<br />
nannten dieses andere Mädchen<br />
manchmal »Die Verlorene«. Sie<br />
war während der Krise unterwegs<br />
gewesen. Hatte irgendetwas<br />
getan, um die Schatten zu vertreiben.<br />
Andrea hätte zu gerne
gewusst, was, aber die Stimmen<br />
schwiegen dazu. Und trotzdem, es<br />
war wichtig, sich an die Verlorene<br />
zu erinnern.<br />
Oben am Fenster des Mädchens<br />
stand eine Kerze und brannte vor<br />
sich hin. Sie schien seltsam fehl am<br />
Platz, an einem so hellen Nachmittag<br />
auf einem Fensterbrett.<br />
Andreas Mutter hätte die Kerze<br />
sicher ausgeblasen, wenn sie<br />
davon gewusst hätte. Natürlich<br />
war Andrea nicht so dumm, ihrer<br />
Mutter davon zu erzählen. Und die<br />
Türe hielt sie immer sorgfältig<br />
verschlossen, wenn sie auf die<br />
Straße ging.<br />
Andrea sah immer wieder nach<br />
oben und lächelte erleichtert.<br />
Diese Kerze war wichtig. Eine Art<br />
Symbol der Erinnerung. Es kam<br />
irgendwo in dem speziellen Tagebuch<br />
vor, an einer zentralen Stelle.<br />
Zuerst hatte Andrea es nicht verstanden.<br />
Wieso sollte man Kerzen<br />
aufstellen, um sich zu erinnern?<br />
Brachte es irgendjemandem<br />
etwas? Und noch viel seltsamer<br />
war gewesen, dass die Kerze dazu<br />
diente, sich an Leute zu erinnern,<br />
die sie eigentlich nie gekannt<br />
hatte, von denen sie in den<br />
meisten Fällen nicht einmal die<br />
Namen wusste. Aber am Ende war<br />
es ihr irgendwie romantisch<br />
erschienen. Warum sollte man sich<br />
nicht an die Vergessenen erinnern?<br />
Irgendjemand musste es ja<br />
tun, oder? Seitdem glaubte sie zu<br />
verstehen, stellte diese Kerze jede<br />
Nacht und beinahe jeden Tag auf.<br />
Ihrer Mutter hatte sie erzählt, dass<br />
sie die Kerzen für den Bastelunterricht<br />
in der Schule brauchte und<br />
dadurch gleich eine Packung mit<br />
dreißig Stück erhalten. Kleine, rote<br />
Kerzen, die lange brannten und<br />
sogar nach Himbeeren dufteten.<br />
Obwohl diese spezielle Eigenschaft<br />
nicht unbedingt gefordert war. Die<br />
Stimmen flüsterten ihr zu, dass<br />
Alexis nicht gänzlich verloren war.<br />
Das Mädchen blieb draußen auf<br />
der Straße bis es dunkel wurde<br />
und die Sterne fahl schimmernd<br />
über der Stadt aufgingen. Ihre<br />
Mutter sah ein paar Mal aus dem<br />
Fenster, sagte aber nichts. Sie war<br />
es gewohnt, dass ihre Tochter in<br />
diesen Tagen lange aufblieb und in<br />
der Nacht nur selten schlafen<br />
konnte. Das, dachte sie, würde<br />
wieder vorüber gehen.<br />
Ohne zurückblicken zu müssen<br />
wusste Andrea, dass ihre Mutter<br />
da war. Natürlich machte sie sich<br />
Sorgen. Aber was hätte Andrea tun<br />
sollen? Sie war jetzt anders.<br />
Konnte Stimmen hören, von denen<br />
niemand sonst wusste. Und<br />
manchmal wurden die Menschen<br />
um sie herum durchsichtig. Sogar<br />
ihre Mutter. Das hatte ihr am<br />
Anfang einen riesen Schreck eingejagt.<br />
Die Welt sah dann so aus, als<br />
würde Andrea durch eine Glasscheibe<br />
blicken, auf der sich das<br />
Innere eines Raumes spiegelte.<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
Man sah dann zwei Orte gleichzeitig.<br />
Nur, welcher war real? Wenn<br />
die Menschen durchsichtig<br />
wurden konnte Andrea eine<br />
andere Stadt wahrnehmen, einen<br />
Ort der verlassen war, ein Ort, an<br />
dem die Krise nie geendet hatte<br />
und die Menschen immer noch im<br />
Koma lagen. So wie die Wahrheit.<br />
Was das Tagebuch darüber zu<br />
sagen hatte, verstand sie nicht.<br />
Eines Tages vielleicht. Und damit<br />
begnügte sie sich.<br />
Andrea blickte hinauf zu den<br />
Sternen auf und fragte sich, wie<br />
diese Alexis wohl aussehen<br />
mochte. Sicher, sie hatte die<br />
Beschreibung der jungen Frau aus<br />
ihrem Tagebuch. Eine ziemlich<br />
gute Beschreibung sogar, aber was<br />
Andrea wirklich wollte, war das<br />
wahre Gesicht dieser unbekannten<br />
Person. Das Gesicht, das sich zwischen<br />
den Worten versteckte und<br />
über die Realität von bloßen<br />
Beschreibungen hinausging. Vielleicht,<br />
dachte sie bei sich, konnte<br />
man dieses Gesicht irgendwo zwischen<br />
den Sternen entdecken, so<br />
wie die vielen anderen Gesichter<br />
der Menschen, an die sie sich erinnern<br />
wollte. Leise wiederholte sie<br />
die Worte, die irgendwo zwischen<br />
den Seiten standen: »Erinnere dich<br />
an all die verlorenen Seelen, die<br />
umherirren und nach einem Licht<br />
suchen. Erinnere dich nicht nur an<br />
die Menschen dieser Welt,<br />
sondern an alle Wesen aus allen
Welten, die sich irgendwo befinden,<br />
zeige ihnen den Weg mit<br />
deiner Kerze.« In ihren Ohren<br />
klangen diese Worte irgendwie<br />
hölzern und hochgestochen,<br />
dennoch hatten sie etwas an sich,<br />
dem sich Andrea nicht entziehen<br />
konnte. Irgendwie wusste sie, dass<br />
sich niemand erinnerte. Weder der<br />
junge Mann auf der Parkbank,<br />
noch die Frau am Brunnen und<br />
schon gar nicht der Mitarbeiter<br />
des städtischen Reinigungsdienstes.<br />
Nicht einmal der Reporter im<br />
Radio. Sie alle wussten nicht<br />
einmal, dass Alexis überhaupt existiert<br />
hatte. Sie, das kleine<br />
Mädchen auf der Straße, war die<br />
Einzige die geblieben war. Ihr<br />
alleine hatte das Schicksal den<br />
Mythos anvertraut. Und irgendwo<br />
in den Mustern, die die Sterne<br />
bildeten, glaubte sie ein Gesicht zu<br />
erkennen, das ihr zuzwinkerte.<br />
So sehr war sie in ihr Schreiben<br />
vertieft, dass Andrea gar nicht die<br />
schweren Schritte die Straße heraufkommen<br />
hörte. Auch die plötzlich<br />
aufziehende Kälte bemerkte<br />
sie nicht. Erst als ein Schatten,<br />
dunkler als die Nacht selbst, über<br />
sie fiel, sah das Mädchen auf. Instinktiv<br />
schlug sie das kleine Tagebuch<br />
zu und drückte es schützend<br />
gegen ihren Körper. Der Fremde<br />
stand über ihr wie ein schwarzer<br />
Koloss. Ein langer Mantel umfloss<br />
seinen Körper, darunter ein altmodisches<br />
Sakko und ein am Hals<br />
hochgeschlossenes Hemd mit Spitzenkragen.<br />
Andrea fühlte sich<br />
unendlich klein, als sie vor diesem<br />
Fremden auf der Straße saß. Mit<br />
zusammengepressten, blutleeren<br />
Lippen sah er auf sie herunter, die<br />
Züge ohne jede Mimik und kalt wie<br />
die eines Haifisches. Ebenso tot<br />
starrten seine Augen. Das einzig<br />
Lebendige an ihm schienen die<br />
Haare zu sein. Sie flossen wie ein<br />
silberner Wasserfall über seine<br />
Schultern und bewegten sich in<br />
einem leichten Wind, obwohl<br />
Andrea geschworen hätte, dass<br />
sich sonst nicht ein Staubkorn in<br />
ihre Nähe bewegte.<br />
»Ich weiß, wer du bist«, brachte<br />
sie mühsam hervor.<br />
Der Fremde verzog seine bleistiftdünnen<br />
Lippen zu so etwas wie<br />
einem Lächeln. Dabei zeigte er<br />
seine blendend weißen Zähne.<br />
»Ich hatte mir jemand anderen<br />
vorgestellt«, entgegnete der<br />
Fremde gelassen. Seine Stimme<br />
klang wie Fingernägel, die über<br />
eine Schultafel kratzten. »Ich habe<br />
dich lange gesucht, Liktor.«<br />
Andrea verstand nicht, was der<br />
Mann meinte, aber sie kannte ihn.<br />
Er war einer jener Schatten, die<br />
über die Erde gewandelt waren,<br />
als alle anderen geschlafen hatten.<br />
Einer derjenigen, die fast für den<br />
Tod all derer verantwortlich<br />
gewesen wären, die Andrea liebte.<br />
Mama. Papa. Und ein Feind von<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
Alexis. Kindliche Wut gab ihr die<br />
Kraft aufzustehen. Dennoch<br />
reichte sie ihm gerade bis zu den<br />
Hüften. Wieder entblößte der<br />
Fremde seine Zähne.<br />
»Vergessen oder sterben. Die<br />
Wahl liegt bei dir.« Er hielt dem<br />
Mädchen seine ausgestreckte<br />
Hand entgegen. In seinem Blick lag<br />
ein Befehl. Andrea sah an sich<br />
hinunter. Das Buch. Sie hielt es<br />
immer noch an ihren Körper<br />
gepresst. Das war es, was er<br />
wollte. Ungeduldig schürzte er<br />
seine Lippen.<br />
Andrea sah auf seine dürre,<br />
faltige Hand und schüttelte den<br />
Kopf.<br />
»Wie du willst.« Ohne mit der<br />
Wimper zu zucken, wandte er<br />
seine offene Handfläche dem<br />
Mädchen zu, formte seine Finger<br />
zu einer Kralle. In Andreas Geist<br />
entstand ein Bild. Vor langer Zeit<br />
an einem anderen Ort. Ein<br />
Mensch, der sich der Dunkelheit<br />
entgegen stellte. Violettes Licht.<br />
Tod. Andrea schloss die Augen.<br />
Eine Träne rann plötzlich über ihre<br />
Wange und sie wusste nicht<br />
einmal, wieso.<br />
»Erstaunlich«, hörte sie den<br />
Mann sagen. Vorsichtig öffnete<br />
das Mädchen ihre Augen. Er stand<br />
immer noch da, fixierte aber nun<br />
seine eigene Handfläche. Da<br />
spürte Andrea etwas Kaltes zwischen<br />
ihren Fingern. Eine Murmel.
Eine von denen mit gesprenkelten<br />
Sternen darin. Sie musste sie, ohne<br />
es zu bemerken, aufgehoben<br />
haben. Das Licht der Kerze spiegelte<br />
sich in der durchsichtigen<br />
Kugel und tauchte ihren kleinen<br />
Körper in sanftes Licht.<br />
»Und du hattest niemanden, der<br />
dir das beigebracht hat?«, fragte<br />
der Fremde. Andrea schüttelte den<br />
Kopf.<br />
Misstrauisch blickte er sich um,<br />
sah die Straße hinauf und hinunter.<br />
Streunende Katzen und Straßenlaterne.<br />
Bis auf den Mann und<br />
das Mädchen keine Menschenseele<br />
weit und breit. Schließlich<br />
sah er zum Fenster hinauf,<br />
erblickte die Kerze.<br />
Mit einem breiten Grinsen, das<br />
mehr Zähne offenbarte, als Andrea<br />
je sehen hatte wollen. Es gab ihr<br />
einen Stich ins Herz, wie er eine<br />
wegwerfende Geste in Richtung<br />
des Fensters vollführte. Die Kerze<br />
erlosch.<br />
»Nur noch ein kleines Mädchen«,<br />
murmelte der Fremde, als<br />
das Leuchten um Andrea herum<br />
ebenfalls erstarb.<br />
Andrea stolperte einen Schritt<br />
rückwärts, aber der Fremde war<br />
schneller. Als er auf sie zu trat, sah<br />
Andrea nur mehr Dunkelheit. Sie<br />
bedauerte, dass sie sich von ihrer<br />
Mutter und ihrem Vater nicht<br />
mehr abschiedet hatte. Und sie<br />
bedauerte, dass sie jetzt nicht<br />
mehr erfahren würde, wie es mit<br />
diesem anderen Mädchen weiterging.<br />
Der Mann packte sie am Genick.<br />
Sein Gesicht hatte jeden Ausdruck<br />
verloren, er wurde wieder zu dem<br />
Haifisch, der er zu Beginn gewesen<br />
war. In Panik wollte das Mädchen<br />
nach ihrem Angreifer schlagen,<br />
streckte ihre kleine Hand zu einer<br />
Kralle verbogen seinem Gesicht<br />
entgegen. Purpurnes Licht schlug<br />
dem Fremden entgegen. Der Griff<br />
um Andreas Genick löste sich und<br />
sie fiel zu Boden. Der harte Asphalt<br />
schrammte über ihr Knie und am<br />
Rande ihres Bewusstseins nahm<br />
sie wahr, wie Blut aus der Wunde<br />
zu fließen begann. Aber eigentlich<br />
konnte sie sich nur auf ihren<br />
Angreifer konzentrieren. Wie ein<br />
Betender kniete er vor ihr auf der<br />
Straße. Der weite Mantel hatte<br />
sich um ihn herum ausgebreitet<br />
wie eine schwarze Decke auf<br />
einem makaberen Friedhofspicknick.<br />
»Erstaunlich«, wiederholte er<br />
seine Worte von vorhin. Etwa<br />
stimmte mit ihm nicht. Seine<br />
Haare hatten aufgehört in jenem<br />
seltsamen Geisterwind zu wehen<br />
und auch die durchdringende Dunkelheit,<br />
aus der er bestanden<br />
hatte, wurde schwächer. Andrea<br />
kam es so vor, als würde er<br />
weniger real werden.<br />
»Nur einer meiner Art ist jemals<br />
vernichtet worden«, sagte der<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
Fremde zu dem Mädchen. »Ich<br />
werde der Zweite sein.« Andrea<br />
konnte sehen, wie er zusehends an<br />
»Realität« verlor. Er löste sich<br />
nicht auf, schmolz auch nicht<br />
dahin. Nein, er glitt einfach weg.<br />
So, als als hätte es ihn nie gegeben.<br />
»Und du bist dir sicher, dass dir<br />
das niemand beigebracht hat?«<br />
Interessiert sah er auf ihre Hand<br />
und tatsächlich, ein bisschen von<br />
dem Purpurglanz tanzte immer<br />
noch über ihre Fingernägel.<br />
Andrea schüttelte wortlos den<br />
Kopf. Selbst die Stimmen schwiegen.<br />
»Dann bist du es wirklich. Und es<br />
wird nicht mehr lange dauern.<br />
Glaub mir, vergessen wäre die<br />
bessere Wahl gewesen« Mit<br />
diesen Worten, von denen sie<br />
spürte, dass sie aufrichtig gemeint<br />
waren, verschwand der Fremde<br />
vollends aus Andreas Welt. Dabei<br />
konnte sie einen kurzen Blick auf<br />
die andere Seite werfen. Da war<br />
sie wieder, die tote Welt, in der<br />
niemand aus dem Koma erwacht<br />
war. Sie sah zu ihrem eigenen<br />
Haus. Es war eine Ruine, verfallen.<br />
Die Fenster waren verschwunden<br />
und an ihrer Stelle starrten nur<br />
leere, schwarzen Höhlen in die<br />
Einöde hinaus. Andrea sah sich<br />
um. Die ganze Stadt befand sich in<br />
diesem Zustand. Wahrscheinlich<br />
sogar die ganze Welt. Schatten<br />
tanzten über die menschenleeren<br />
Straßen. Irgendwo da draußen,
dass wusste sie, irrte die Verlorene<br />
umher. So sah die Welt wirklich<br />
aus. Und nur sie, Andrea, wusste<br />
es. Die Verlorene war vielleicht der<br />
Schlüssel, die Rettung am Ende<br />
aber, wenn sich Andrea nicht mehr<br />
erinnerte, konnte Alexis den Weg<br />
nicht zurückfinden und alles wäre<br />
verloren. Die Wahrheit würde im<br />
Koma liegen. Für immer.<br />
Die Welt, wie Andrea sie kannte,<br />
kehrte zurück. Zuerst legte sie sich<br />
transparent über jene apokalyptische<br />
Vision, bis sie diese ungültig<br />
verdrängte. Und mit der Welt kam<br />
der Schmerz. Ein tiefes Pochen in<br />
ihrem Knie machte Andrea auf die<br />
Verletzung aufmerksam. Das Kleid<br />
war am Knie komplett durchgescheuert.<br />
Nur ein Blick genügte<br />
und sie wusste, dass sie den tiefen<br />
Riss vor ihrer Mutter nicht verbergen<br />
konnte. Andrea seufzte und<br />
überlegte sich eine gute<br />
Geschichte. Vielleicht war sie<br />
einfach beim Laufen gestolpert?<br />
Den Schattenmann würde sie nicht<br />
erwähnen. Ihre Mutter würde sich<br />
dann sicher große Sorgen machen,<br />
mit ihr vielleicht zu einem Arzt<br />
gehen, zu einem von denen, über<br />
die man nur mit vorgehaltener<br />
Hand sprach. Nein. Dafür war sie<br />
zu wichtig, das wusste Andrea.<br />
Die Stimmen bestärkten Andrea,<br />
als sie ihre Murmeln und das Tage-<br />
kurzgeschichte<br />
Erinnerung<br />
von Dan Gerrit<br />
buch zusammenpackte, um hineinzugehen<br />
zu ihrer Mutter. Andrea<br />
sah zu ihrer Mutter, die am Bügelbrett<br />
stand, ein paar Hemden<br />
faltete und dabei in den Fernseher<br />
blickte. Irgendeine Talkshow. Ob<br />
ihre Mutter wohl ahnte, dass sie<br />
eigentlich gar nicht hier war? Das<br />
Mädchen bezweifelte es und<br />
zuckte mit den Schultern. Sie<br />
wollte unbedingt noch ihre Lieblingszeichentrickserie<br />
anschauen.<br />
Außerdem musste sie die Kerze<br />
wieder entzünden. Das Schicksal<br />
eines anderen Mädchens hing<br />
davon ab und damit das Schicksal<br />
der Welt.<br />
© Koshka
Im Zuge der Arbeitsaufnahme von Dan Gerrit als<br />
Redakteur des Vampire Magic Magazins führte Carola<br />
Kickers ein kleines Interview mit ihm, welches wir<br />
euch nicht vorenthalten möchten.<br />
Vampire Magic Magazin mit neuem<br />
Redakteur!<br />
Das Vampire Magic Magazin bekommt nicht nur ein<br />
neues Layout, sondern auch einen neuen Mitarbeiter.<br />
Deshalb möchte ich (Carola Kickers) Euch gleich<br />
hier unseren neuen Redakteur und<br />
Mitherausgeber Dan Gerrit kurz vorstellen:<br />
Hallo Dan, erzähl unseren Lesern doch etwas über<br />
Deine Person.<br />
Das ist immer so eine Sache mit dem über die eigene<br />
Person was erzählen. Wie fasst man ein Leben in ein<br />
portrait<br />
Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />
Dan Gerrit ist in letzter Zeit recht aktiv in der Szene geworden und damit ihr ihn etwas näher<br />
kennenlernt, haben wir hier noch einige Informationen von und über ihn zusammen gestellt.<br />
Kurzvita<br />
Dan Gerrit wurde am 14.01.1979 in Voralberg/Österreich am Bodensee geboren, wo er seine ersten<br />
Lebensjahre und Jugend verbrachte.<br />
Musisch interessiert widmete er sich zunächst der Musik und erlernte Violoncello ebenso wie das Gitarrespielen.<br />
Durch das Schreiben eigener Songs entdeckte er früh seine Leidenschaft für die Schriftstellerei. Erste<br />
<strong>Kurzgeschichten</strong> folgten, die in Schülerzeitungen seines Gymnasiums veröffentlicht wurden.<br />
Nach einer pädagogischen Ausbildung begann er im Herbst 2003 ein Studium der Psychologie an der<br />
Universität Innsbruck, welches er 2008 mit Auszeichnung abschloss. Schwerpunktthemen waren „Denkpsychologie“<br />
und „Psychologie des Alltagshandelns“. Dies floss nun auch in seine schriftstellerische Arbeit mit<br />
ein. Fasziniert vom menschlichen Geist, sowohl in seiner gesunden als auch pathologischen Form, nutzte er<br />
das Gelernte für weitere <strong>Kurzgeschichten</strong>, zwei Romanprojekte und kleinere Theaterstücke.<br />
Hauptberuflich arbeitet Dan Gerrit als Medical Writer, Medical Editor und Statistiker, eine Position in der er<br />
sowohl schreibend als auch wissenschaftlich tätig sein kann. Nun sollen seine Texte endlich einem größeren<br />
Publikum vorgestellt werden.<br />
paar Sätze? Vielleicht wäre es wichtig über mich<br />
zu wissen, dass Musik das Zentrum meines Lebens<br />
bildet. Es gibt kaum einen Abschnitt meiner Vergangenheit,<br />
in dem ich nicht meinen eigenen<br />
Soundtrack gehabt hätte. Zu jedem Triumph, jeder<br />
Niederlage, beinahe jedem Tag kann ich die Musik<br />
nennen, die mich am meisten beeinflusst hat. Ich<br />
brauche nur eine bestimmte Scheibe aufzulegen,<br />
und schon werde ich in die Vergangenheit katapultiert.<br />
Manchmal ist das gut. Manchmal auch nicht.<br />
Die zweite große Liebe ist die Literatur. Egal ob<br />
Fantasy, Science Fiction, Mystery oder Krimi. Ich<br />
liebe Bücher und habe immer mindestens eines<br />
dabei, egal wohin ich gehe. In meiner Jugend<br />
konnte man mich oft unten am See finden, bei<br />
einem kleinen Leuchtturm. Da saß ich dann, dem<br />
Wasser zugewandt, und habe gelesen. Besonders<br />
schöne Erinnerungen habe ich an diverse Stürme,<br />
wenn die Schaumkronen der Wellen über die<br />
Steinbrüstung nach oben geschleudert wurden, der<br />
Wind mir die Haare zerzaust hat und ich einfach<br />
nur da stand und über die letzten gelesenen Zeilen
nachdachte. Definitiv ein Gefühl von Unendlichkeit.<br />
Neben dem bloßen Genuss des Konsumierens von<br />
Literatur schreibe ich auch selber ziemlich viel. Das<br />
hat mir wohl in der Schulzeit den Ruf eingebracht,<br />
etwas „seltsam“ zu sein, da ich oft in den Pausen<br />
irgendwo in einer Ecke saß und an meinen Ideen feilte.<br />
Dem Schreiben, Lesen und der Musik bin ich bis heute<br />
treu geblieben. Außerdem mag ich Katzen. Habe ich<br />
das schon erwähnt? Haustiere hatten wir eigentlich<br />
bei mir daheim immer und mit einer Ausnahme waren<br />
das durchwegs Stubentiger. Schwarz, weiß, getigert,<br />
bunt – in allen Farben, Formen und Rassen. Ich finde<br />
es faszinierend, wie jede von diesen ihren eigenen<br />
Charakter entwickelt, wenn man es nur zulässt.<br />
Du bist langjähriger Rollenspieler und wirst dieses<br />
Ressort neu im Vampire Magic betreuen. Wo liegen<br />
da Deine Schwerpunkte?<br />
Persönlich bin ich ein großer Fan von Pen&Paper<br />
Rollenspielen, damit habe ich auch angefangen.<br />
Shadowrun, damals in der 2. Edition erhältlich, war<br />
so was wie meine Einstiegsdroge von der aus ich dann<br />
Dungeons and Dragons, DSA, Vampire und all die<br />
anderen wunderbaren Spiele erforschen durfte.<br />
Aktuell leite ich mehrere Runde für D&D 4e sowie<br />
Cthulhu. Später kamen dann auch TabletopWargames<br />
(Warhammer 40k und Fantasy) sowie Onlineund<br />
Offline-Rollenspielen zu meinem Repertoire. Was<br />
die Online-Spiele betrifft, lief wahrscheinlich so ziemlich<br />
jedes in unseren Breiten erhältliche zumindest für<br />
ein paar Wochen zum Testen auf meinen PCs. Halten<br />
konnten mich aber eigentlich nur Ultima Online und<br />
die EverQuest Franchise. Aktuell teste ich „RIFTS“ und<br />
„Mythos“ auf ihr LangzeitmotivationspotenzialJ .<br />
Live-Action hingegen war für mich mehr so eine<br />
Randerscheinung, wahrscheinlich, weil es in meiner<br />
Gegend einfach keine Möglichkeiten gab, das mal so<br />
richtig auszuprobieren.<br />
portrait<br />
Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />
Als Redakteur möchte ich meine Schwerpunkte im<br />
Bereich Pen&Paper und Online-Rollenspiele setzen,<br />
einfach, weil da meine Wurzeln liegen. Allem<br />
anderen bin ich aber nicht unbedingt abgeneigt.<br />
Außerdem wirst Du als ehemaliger Rockmusiker<br />
die Musiksparte in unserem Magazin übernehmen.<br />
Welche Bands/Künstler dürfen sich in<br />
Zukunft an Dich wenden?<br />
Musikalisch ist mein Geschmack relativ breit gefächert.<br />
Ich mag durchaus die alten Klassiker wie den<br />
legendären Leonard Cohen (hat jemals wer ein<br />
tiefsinnigeres Lied als „If it be your will“ geschrieben?),<br />
die Beatles und Bob Dylan. In den „prägenden“<br />
Lebensjahren, während der mittleren und<br />
späten 90ern, lief bei mir die erste Platte von HIM<br />
rauf und runter, ebenso die DreadfulShadows,<br />
Lacrimosa, Tristania, Tiamat, Theatre of Tragedy,<br />
Type-O-Negative und EverEve. Wobei sich manche<br />
dieser Künstler später in Richtungen entwickelten,<br />
die ich dann nicht mehr mitgetragen habe (ja, ich<br />
schaue Euch an, Theatre of Tragedy). Aktuell höre<br />
ich sehr viel Alternative wie Death Cab for Cutie,<br />
Arcade Fire und The National. Generell liebe ich es<br />
düster und melancholisch.<br />
Als Autor schreibst Du gerade an Deinem ersten<br />
Roman. Willst Du uns darüber schon etwas erzählen?<br />
Dem Schreiben an sich bin ich ja schon seit frühester<br />
Jugend sehr zugetan. Ich kann mich noch gut<br />
erinnern. als ich mit 9 Jahren die ersten Ideen<br />
hatte, natürlich nichts, was man irgendjemandem<br />
hätte präsentieren können, aber diese Idee, selber<br />
Welten zu erschaffen, war immer schon irgendwie<br />
da in meinem Kopf. Neben diversen <strong>Kurzgeschichten</strong><br />
und Theaterstücken arbeite ich auch schon
einige Jahre an mehreren Romanprojekten .Mein<br />
aktueller Roman ist ein Mystery-Thriller mit Fantasy-<br />
Einflüssen. Im Zentrum des Werkes, welches in<br />
unserer gewohnten Welt spielt, steht eine mysteriöse<br />
Katze mit besonderen Kräften. Verschiedene Fraktionen,<br />
darunter das Militär und ein geheimnisvoller<br />
Mann aus einer anderen Welt, versuchen, diese Kräfte<br />
für sich zu gewinnen, während eine kleine Gruppe von<br />
Menschen bemüht ist, die Katze, und damit vielleicht<br />
die Welt vor den falschen Einflüsse zu bewahren.<br />
Herzlichen Dank für das kleine Interview. Wir<br />
werden in Zukunft noch oft von Dir lesen und freuen<br />
uns auf Deine Beiträge. Dan wird sich in der nächsten<br />
Magazin-Ausgabe nochmal kurz vorstellen. Besuchen<br />
könnt Ihr Dan´s Blog unter http://dangerrit.blogspot.com/<br />
Dan Gerrit - Autor, Redakteur, Blogger<br />
© Nyala<br />
portrait<br />
Und zum Schluß verrät uns Dan Gerrit noch,<br />
welche Projekte er derzeit in der Mache hat:<br />
Es sind in der Tat aufregende Zeiten. Zum einen<br />
bereiten Carola Kickers und ich die Anthologie<br />
„Zauber der Musik“ vor, die für mich persönlich<br />
besondere Bedeutung hat, schließlich ist es das<br />
erste Mal, dass ich als Herausgeber fungiere und<br />
nicht nur als Autor quasi auf der anderen Seite<br />
sitze. Anna Kery wird uns hier wieder ein wunderschönes<br />
Cover zaubern. Auf jeden Fall freue ich<br />
mich schon sehr, die vielen hoffentlich interessanten<br />
Beiträge zu lesen.<br />
Zum anderen arbeite ich mit Hochdruck an meiner<br />
ersten Romanveröffentlichung, die noch in diesem<br />
Jahr käuflich zu erwerben sein sollte. Es handelt<br />
um einen Mystery-Roman der, wenn alles gut<br />
geht, Teil einer Romanreihe werden soll. Ideen für<br />
weitere Romanprojekte liegen schon als Skizzen<br />
und Pläne vor, so dass auch 2012 spannend<br />
bleiben dürfte. Geplant sind dabei Projekte im<br />
Bereich Mystery und Fantasy.<br />
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich mich<br />
sehr darauf freue, in den kommenden Ausgaben<br />
des Vampire Magic Magazins endlich meiner<br />
Aufgabe als Redakteur in vollem Umfang nachzukommen.<br />
Weitere <strong>Kurzgeschichten</strong> wie jene im<br />
Vampire Magic, hier im <strong>SpecFlash</strong> und von Rena<br />
Larf vorgelesen im Alpha-Channel, wird es, in<br />
welcher Form auch immer, natürlich auch noch<br />
geben. Über Arbeitsmangel kann ich mich auf<br />
jeden Fall nicht beschweren.<br />
Vielen Dank an Dan Gerrit und ich denke,<br />
wir werden zukünftig noch sehr viel von<br />
ihm hören und sehen.
Kais Bücherdimension<br />
Ein Gruß und ein Abschied<br />
Ein Vorwort zu „Kais Bücherdimension“<br />
Dies ist sie also, die neue Dimension in den weiten jenes Universums, das „<strong>SpecFlash</strong>. Portal in eine parallele<br />
Realität“ aufgetan hat: „Kais Bücherdimension“, eine Dimension die meinen Namen trägt. Eine unbeschreibbare<br />
Ehre, die einen Hauch von Trübsal aufsteigen lässt: Denn „<strong>SpecFlash</strong>“ wird in den Tiefen eines Schwarzen Lochs<br />
verschwinden, und nur sein Schöpfer wird entscheiden, wann – und wie – „<strong>SpecFlash</strong>“ wieder seinen Weg in<br />
eine greifbare Sphäre findet.<br />
Und dazu hat sein Schöpfer auch alles Recht – ebenso, wie er das Recht besitzt, jenes Schwarze Loch selbst zu<br />
beschwören. Denn was wissen wir schon von dem unzähligen Schalten und Walten hinter den Kulissen eines<br />
solchen Magazins? Wenn das Verteilen und Sammeln von Artikeln, der Kontakt zu Verlegern, das Prüfen der<br />
Texte und das Zusammenstellen des Inhalts, das zeitgenaue Arbeiten und der stetige Wunsch nach Verbesserung<br />
nicht mehr nur Freude bereitet, sondern die persönliche Leidenschaft nur allzu sehr den Stempel mühseliger<br />
Arbeit trägt, dann sollte die Leidenschaft rasch eine Pause einlegen. Denn täte sie es nicht, das Hobby würde<br />
doch nur unter dem Druck leiden – und „<strong>SpecFlash</strong>“ sollte weiterhin für das engagierte Hobbyprojekt kreativer<br />
Geister stehen, die sich zusammenfinden, um gemeinsam jene Realität, von der der Titel spricht, zu gestalten.<br />
Insofern gilt Rainer Schwippl mein Respekt, und ich möchte ihm für die Erfahrungen danken, die ich seit nunmehr<br />
drei Ausgaben mit „<strong>SpecFlash</strong>“ machen konnte – angefangen bei der Kurzgeschichte „Die Seele jenseits des<br />
Metalls“ in der siebenten Ausgabe, über die zweite Kurzgeschichte „Die Streiter der flammenden Speere“, der<br />
Rezension zu „Starchild Terry“ und dem Interview mit dem Schweizer Roger Kappeler in der achten Ausgabe, bis<br />
hin zu „Kais Bücherdimension“ in dieser, der neunten Ausgabe.<br />
Wie auch immer die Zukunft dieser Dimension aussehen mag: Lasst euch heute entführen in ein Sternensystem<br />
zweier außergewöhnlicher Science-Fiction-Romane, die, obwohl sie sich gänzlich voneinander unterscheiden,<br />
beide die Fusion von Science-Fiction mit der Kriminalgeschichte anstreben. Ob dem Leser dabei lebendige<br />
Raumschiffe lieber sind, die gedächtnislose Diebe durch ein buntes Universum tragen, oder ob er gern teilhaben<br />
möchte an den Abenteuern einer genetisch verjüngten Studentin, die ihre Spuren verwischt, das bleibt ihm –<br />
oder ihr – überlassen. Beide Romane bieten die Möglichkeit, in die Synthese von Science-Fiction und Kriminalroman<br />
einzusteigen.<br />
Besonders inspirierend gestalten sich die Interviews, in denen die beiden Autoren viele Details ihres Lebensweges<br />
preisgeben, den unzweifelhaft der eine oder andere für sich persönlich verwerten mag; denn wer erfüllt sich<br />
nicht gern seine Träume, die ihn im Schlaf heimsuchen, und wer sehnt sich nicht danach, dass Fleiß und<br />
Beständigkeit und eine bleibende Liebe für die eigenen Hobbys Erfolg versprechen.<br />
Ich hoffe, dass euch dieser erste Eindruck von jener neuen Dimension – „Kais Bücherdimension“ – gefallen wird.<br />
Daher möchte ich euch herzlich willkommen heißen – und mich im gleichen Augenblick verabschieden ...<br />
... bis „<strong>SpecFlash</strong> - Portal in eine parallele Realität“ aufersteht!<br />
Kai Krzyzelewski<br />
(Anmerkung des Chefred.: Stand Heute wird es nächstes Jahr auf jeden Fall weitergehen)
Kais Bücherdimension<br />
Ein Quantum Wissenschaft<br />
und Kreativität<br />
Hannu Rajaniemis Debüt „Quantum“<br />
Interviewender des Artikels und Autor: Kai<br />
Krzyzelewski<br />
Eine Detektivgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts<br />
und ein Science-Fiction-Universum jenseits aller<br />
menschlichen Grenzen: zwei Hauptgerichte in einem<br />
einzigartigen Menügang, serviert mit aller gebürtigen<br />
Eleganz – das ist „Quantum“, Debütroman des studierten<br />
Physikers und Mathematikers Hannu Raja-<br />
niemi, der in seinem Leben seine finnische Heimat<br />
verlassen hat, um sich im fernen Schottland anzusiedeln.<br />
In seinem Roman aber übertritt er eine Grenze,<br />
die noch weit größer ist: Nicht nur betritt er ein völlig<br />
neues Universum, ihm gelingt auch der Aufstieg in<br />
die Riege der großen Schriftsteller durch die Publikation<br />
im angesehenen Piper-Verlag – ein Traum jedes<br />
Jungautoren, den Hannu Rajaniemi sich hart erarbeitet<br />
hat.<br />
Roman und Person nahm ich zum Anlass, zwei<br />
Artikel zu einem zu fusionieren: Rezension und Interview<br />
geben einen Einblick in das Leben einer Person,<br />
die sich Jungautoren allzu gerne zum Vorbild nehmen.<br />
Und wer weiß, vielleicht genügt ein einzelner Satz<br />
oder ein einzelnes Wort, um das Leben eines Menschen<br />
zu lenken ...<br />
Folter, Verzweiflung und absolute Kontrolle – das<br />
ist das Gefängnis der Archonten, ein Gefängnis des<br />
Bewusstseins voller gewalttätiger Illusionen. Einer der<br />
Gefangenen ist Jean Le Flambeur, ein Dieb ohne<br />
Erinnerungen. Doch eines Tages ist die Gefangenschaft<br />
beendet, als eine Frau mit dem Namen Mieli,<br />
die mit dem lebenden Schiff Perhonen durch das<br />
Universum fegt, ihn aus den Qualen errettet.<br />
Doch ist dies bei weitem kein Akt der Selbstlosigkeit,<br />
und auch Jean Le Flambeurs Dank für die Tat soll auf<br />
eine ganz bestimmte Weise ausfallen. Mieli verlangt<br />
von dem ehemaligen Dieb das, was dieser am besten<br />
beherrscht: er soll Erinnerungen stehlen – seine<br />
eigenen Erinnerungen...<br />
Hannu Rajaniemi schafft in seinem Debütroman<br />
eine Welt, in der der Mensch – sein Wesen, sein<br />
Selbst – kaum noch eine Rolle spielt. In einem<br />
Moment außerordentlicher Macht, ermöglicht durch<br />
eine außergewöhnliche Hardware, erklärt Jean Le<br />
Flambeur: „Meine eigene menschliche Psyche entspricht<br />
in dieser babylonischen Bibliothek weniger als<br />
einer Buchseite.“ Es ist eine Welt, in der nicht Geld,<br />
sondern ZEIT die Währung ist, ZEIT, die es dem<br />
Menschen gestattet, als Mensch zu leben, und die in<br />
UHREN gespeichert ist: kostbare Gegenstände, die<br />
nicht selten ein begehrtes Gut der Diebe und Schar-
Kais Bücherdimension<br />
latane sind, die sich im Universum von „Quantum“<br />
tummeln. Und wo der Tod ein ständiger Begleiter in<br />
anderen Universen ist, da ist der Tod in „Quantum“<br />
unlängst nicht mehr das tragischste Schicksal; grausame<br />
Gefängnisse für das Bewusstsein, und ein König,<br />
der keinen Thron, sondern fremde Körper besetzt,<br />
und der das Bewusstsein ihrer Träger in einem sadistischen<br />
Spiel auszulöschen vermag, verdrängen den<br />
körperlichen Tod von der Rangliste der Furcht.<br />
„Ich komme nie umher, in jede meiner Geschichten<br />
irgendein fremdartiges, anderweltliches Element<br />
einzubauen“, berichtet mir Hannu Rajaniemi, „denn<br />
'realistische Fiktion' kratzt nur an der Oberfläche des<br />
imaginär Möglichen.“ In der Tat wimmelt es in „Quantum“<br />
vom Andersartigen, vom Fremdartigen. Alles<br />
beginnt damit, dass „ein Blitz aus der schwarzen<br />
Pupille seines Revolvers“ schlägt – der Auftakt eines<br />
metaphorischen Spiels, in dem eine Wunde ein „blutiger<br />
Pinselstrich“ eines bizarren Gemäldes wird.<br />
„Quantum“ ist surreal, es herrscht das kreative Chaos<br />
eines kreativen Geistes.<br />
Doch ein Zitat aus Rajaniemis Werk lässt sich nur<br />
allzu bereitwillig in die Realität übertragen: „Der<br />
Übergang ist hart und schmerzhaft wie ein Biss auf<br />
den Pfirsichkern. Sie bricht sich am harten Kern der<br />
Wirklichkeit fast die Zähne aus“. Was dies bedeutet,<br />
das erschließt sich dem Leser von „Quantum“<br />
überaus rasch: Ein Besuch bei „Quantum“ ist wie das<br />
Stranden eines Urzeitmenschen auf einer Welt außerirdischer<br />
Lebensformen mit einem undenkbar hohen<br />
technologischen Standard. Weder nimmt Hannu<br />
Rajaniemi den Leser bei der Hand, noch stellt er ihm<br />
einen ähnlich ahnungslosen Gefährten zur Seite, der<br />
sich in seinem Universum ebenfalls zunächst zurechtfinden<br />
muss – der Leser taucht von der ersten Zeile<br />
an tief in eine Welt ein, die ihm mit noch so viel<br />
Vorbildung niemals von Beginn an vertraut sein kann.<br />
Nicht auszuschließen also, dass sich der Leser in<br />
Rajaniemis Universum zunächst verloren fühlt. Es<br />
fordert daher ein gewisses Maß an Entdeckergeist,<br />
um sich „Quantum“ zu nähern; der Leser erschließt<br />
sich Seite für Seite, Kapitel für Kapitel die Zusammenhänge<br />
solcher Größen wie ZEIT und der Funktion von<br />
UHREN. Und je mehr der Leser entdeckt, umso<br />
vertrauter wird ihm das Universum, und die Lösung<br />
des Rätsels um den Hauptprotagonisten Jean Le<br />
Flambeur wird zum Vergnügen und höchsten Ziel.<br />
Und in der Tat ist Rajaniemis Universum ein Genuss,<br />
findet man sich in selbigem erst einmal zurecht. Es<br />
erschließt sich dem Leser eine nur allzu bunt gezeichnete<br />
Welt voller filigraner Details. Da werden „zappelndes<br />
Synthfleisch“ und „durchsichtige Würfel von<br />
einem ganz besonderen Violett“ aufgetischt; da<br />
erfährt der Leser faszinierende Technologien, die aus<br />
einem Menschen einen Gott machen; da trifft der<br />
Leser auf „Realm-Avatare“, „schmächtige Gürtelbewohner<br />
in quallenähnlichen Exoskeletten“, „Zoku-<br />
Angehörige in Standardkörpern vom Saturn“ und<br />
lebende Raumschiffe; da ist von der venusschen<br />
Bräune die Rede und von Krankheiten, die den Leser<br />
abschrecken könnten, würde es diesen nicht im<br />
gleichen Moment so sehr faszinieren, dass dieses<br />
Universum in all seinen Facetten so ungeheuer lebendig<br />
wirkt. Oder wünscht man sich, dass einem bei der<br />
glücklicherweise kurierbaren Smartkoralleninfektion<br />
spitze Dornen aus den Zähnen wachsen und sich in<br />
den Gaumen bohren?<br />
Ich wollte von Hannu Rajaniemi wissen, wie es ihm<br />
gelang, ein solches Universum zu erschaffen – woher<br />
dieser Mann seine Ideen bezieht. Bereitwillig antwortete<br />
er: „Ideen kommen von überall, denn es ist<br />
Aufgabe des Gehirns Assoziationen zwischen willkürlichen<br />
Dingen zu sehen, so dass die Kreativität zu den<br />
leichteren Teilen gehört.“<br />
Doch diejenigen, denen nun der Mund offen stehen<br />
bleibt: Hannu Rajaniemi gibt zu, dass auch er nicht<br />
formulieren kann, wie genau der Schaffungsprozess<br />
funktioniert. Bei „Quantum“ käme zusammen, „wie<br />
Situationen und Charaktere einer Detektivgeschichte<br />
des frühen 20. Jahrhunderts sich ändern würden,<br />
würde man sie in eine ferne, nichtmenschliche Zukunft<br />
transplantieren.“<br />
Eine Kombination zweier interessanter und vermeintlich<br />
gegensätzlicher Genres folglich: Science-<br />
Fiction und Detektivroman.
Kais Bücherdimension<br />
Um ein solches Kompositum zusammenzustellen,<br />
braucht es eines ganz besonderen Menschen mit<br />
einer ganz besonderen Vorgeschichte – eine Vorgeschichte,<br />
die Rajaniemi gerne preisgab. Science-Fiction<br />
schien dabei schon von Kindesbeinen an eine<br />
Rolle zu spielen, denn wo liegen die Wurzeln dieses<br />
vielschichtigen Genres, wenn nicht in der Wissenschaft:<br />
„Als Kind wollte ich immer Wissenschaftler<br />
werden – kein Schriftsteller“, erzählt mir der Autor.<br />
„In der Tat waren Sprachen und Schreiben immer<br />
meine besseren Schulfächer, doch wollte ich herausfinden,<br />
wie das Universum funktioniert (wenngleich<br />
es auch einen gewissen Hang zu dem Willen gab,<br />
Weltraumschiffe oder Unterseeboote wie das des<br />
Kapitäns Nemo zu bauen) ... Das Außergewöhnlichste<br />
für mich war, wie Mathematik eine solch enge Verbindung<br />
zur Physik eingeht: wie die abstraktesten<br />
mathematischen Strukturen, einst entwickelt ohne<br />
Realitätsbezug, sich als nützlich in der Quantenmechanik<br />
oder in der generellen Relativität erweisen. Es<br />
fühlte sich an, wie die ultimative Detektivgeschichte.“<br />
Wissenschaftler, die ultimative Detektivgeschichte<br />
in der Physik und Mathematik – beste Voraussetzungen<br />
für einen Detektiv- und Science-Fiction-Roman.<br />
Und Kapitän Nemo? „Ich wuchs in einer<br />
Kleinstadt in Finnland auf“, erinnert sich Rajaniemi,<br />
„und ich war als Kind ein unersättlicher Leser. Eines<br />
meiner ersten Bücher, die ich las, war Jules Vernes<br />
'20.000 Meilen unter dem Meer“, welches mich zu<br />
einem Verne-Süchtigen machte und meine Faszination<br />
lebenslänglich für die Viktorianische Fiktion<br />
weckte. Andere frühe literarische Lieben waren Arthur<br />
Conan Doyles Sherlock Holmes-Geschichten und<br />
Maurice Leblanc, der Schöpfer von Arsene Lupin.“<br />
In der Tat scheinen die Wurzeln von „Quantum“ tief<br />
ins Erdreich der persönlichen Geschichte hinein zu<br />
greifen. Und gern gibt Rajaniemi zu, dass die Science-<br />
Fiction immer seine „erste Liebe“ bleiben wird. Eine<br />
Liebe, die bald ganz praktisch ausgelebt wurde: „Ich<br />
studierte theoretische Physik und Mathematik,<br />
zunächst in der University of Oulu in Finnland, und<br />
dann in Cambridge und Edinburgh. Ich las während<br />
all dieser Zeit selbstredend weiterhin Science-Fiction<br />
und stellte fest, dass dasjenige Element, das mich<br />
wahrscheinlich am meisten in der Science-Fiction<br />
begeisterte, der Weg war, den sie einschlug, um<br />
intellektuelle und imaginäre Feuerwerke zu erzeugen.<br />
Dies geschah durch die Applikation der wissenschaftlichen<br />
Methode des Erstellens einer Annahme, des<br />
Ausarbeitens der Konsequenzen und der Ehrlichkeit<br />
gegenüber der Implikationen.“<br />
„Quantum“ ist der kreative Gipfel des Lebensweges<br />
– ein einzigartiges Erlebnis, das sich nur allzu bereitwillig<br />
von üblicher Science-Fiction unterscheidet,<br />
anregende Diskussionen in skurrile Geschehnisse von<br />
allergrößter Spannung bettet, und angenehm erfrischende,<br />
manches Mal erschreckende Ideen vereinbart.<br />
Und auch von der formalen Seite glänzt<br />
„Quantum“: Der im Präsens geschriebene Roman<br />
entfacht durch die Ich-Perspektive ein erlebbares<br />
Abenteuer, das alle Register der Zeichensetzungsund<br />
Textgestaltungskunst zieht. Wie in einem Kinofilm<br />
wird das reine Lesen zum Ereignis. Und wenn der<br />
Hauptcharakter in einer Sequenz den Kampfkünsten<br />
Mielis ausgesetzt ist, dann ist es dem Leser, als wäre<br />
er selbst ins Kreuzfeuer von Schlägen und kunstvollen<br />
Tritten geraten.<br />
Doch auch angehende Schriftsteller will Rajaniemi<br />
nicht entmutigen – im Gegenteil. Offen gibt er zu,<br />
dass auch „Quantum“, beziehungsweise dessen<br />
gekonnter Schreibstil, nur das Ergebnis einer längeren<br />
„Ausbildung“ zum Schriftsteller ist. Die Schreibkunst<br />
hat sich Rajaniemi hart erarbeitet: „Ein Freund in<br />
Cambridge inspirierte mich, <strong>Kurzgeschichten</strong> zu<br />
schreiben, und ich stellte fest, dass ich es genoss. Das<br />
ernsthafte Schreiben begann jedoch erst, als ich nach<br />
Edinburgh kam und dem Writers' Bloc beitrat, einer<br />
lokalen Schreibgruppe, eine perfekte Umgebung, in<br />
der ich die Grundfähigkeiten der Schriftstellerei<br />
erlernt habe: ehrliche (manchmal brutale) Kritik von<br />
einer Gruppe von erfahrenen, publizierten Schriftstellern.<br />
Ich bin noch immer Mitglied und nehme so viel<br />
wie möglich teil. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit,<br />
und es ist sehr wichtig, Herausforderungen mit<br />
ähnlich denkenden Menschen zu teilen.“
Kais Bücherdimension<br />
Und auch „Quantum“ ist nur das Ergebnis einer<br />
bereits lange währenden Schriftstellerkarriere, die<br />
sich Schritt für Schritt entwickelte: Sein Debütroman<br />
ist nur Debütroman und keineswegs Debütgeschichte.<br />
Der Publikation ging eine mehrjährige Phase<br />
voraus, in der Rajaniemi seine Schreibkünste an<br />
diversen <strong>Kurzgeschichten</strong> erprobte. Wer einmal auf<br />
die Suche nach den ersten erfolgreichen Schriftstücken<br />
gehen will, der möge nach einer Geschichte<br />
namens „Shibuya no Love“ suchen, die in<br />
Futurismic.com im Jahre 2004 veröffentlicht wurde.<br />
Doch nicht nur die Science-Fiction erfuhr die Aufmerksamkeit<br />
Rajaniemis. Der Autor berichtete mir<br />
mitunter von einer Kollektion von Geschichten aus<br />
dem Gebiet der Dark-Fantasy mit dem Namen<br />
„Words of Birth and Death“. „Deus Ex Homine“,<br />
publiziert in der Anthologie „Nova Scotia“, war jedoch<br />
sein persönlicher Durchbruch – und der „Fuß in der<br />
Tür“ der Science-Fiction. Die Geschichte war derart<br />
erfolgreich, dass sie bald die Aufmerksamkeit von<br />
Rajaniemis künftigem Agenten John Jarrold auf sich<br />
zog – und dieser schließlich war verantwortlich dafür,<br />
dass man auf Rajaniemis Manuskript zu „Quantum“<br />
aufmerksam wurde.<br />
War es folglich Glück, das Rajaniemis Erfolg möglich<br />
machte? Vielleicht ein wenig, doch nur allzu offensichtlich<br />
ist die konsequente Wertschätzung der<br />
persönlichen Leidenschaft: der des Schreibens.<br />
Beständigkeit,<br />
Fleiß und Ausdauer<br />
ließen<br />
Rajaniemi seine<br />
Fähigkeiten als<br />
Schriftsteller verfeinern,<br />
so dass<br />
es allein seinen<br />
Fähigkeiten zu<br />
verdanken war,<br />
dass man auf ihn<br />
a u f m e r k s a m<br />
wurde – dass er<br />
aus einer Flut an<br />
Jungautoren auftauchte.<br />
Hannu Rajaniemi<br />
Hannu Rajaniemi erinnert sich und gibt Gleichgesinnten<br />
einen Rat: „Ich würde angehenden Schriftstellern<br />
zum Schreiben von <strong>Kurzgeschichten</strong> raten:<br />
einerseits kann man diese in absehbarer Zeit vollenden,<br />
andererseits gibt es eine Vielzahl an interessanten<br />
Märkten für kurze Fiktion, sowohl online als<br />
auch offline. Dies bietet die Möglichkeit, sich selbst<br />
einen Namen zu machen.“<br />
Es ist offensichtlich, dass „Quantum“ ebenfalls aus<br />
der Menge an neuen Science-Fiction-Romanen<br />
heraussticht, die monatlich auf den Markt schwemmen.<br />
Denn „Quantum“ bietet ein frisches, unberührtes<br />
und ungemein detailverliebtes Universum, in<br />
das es sich lohnt, ein wenig Zeit und Geduld zu<br />
investieren, um tiefer einzusteigen. Die Handlung ist<br />
spannend erzählt, bietet interessante, manches Mal<br />
außergewöhnlich außergewöhnliche Begebenheiten,<br />
und lockt mit dem Unerwarteten. Fantastische Technologien,<br />
die aus Menschen gottähnliche Kreaturen<br />
formen, sprechende Raumschiffe und gekonnt eingesetzte<br />
Fachterminologie runden die gelungene Science-Fiction<br />
trefflich ab. Und zudem ist „Quantum“<br />
der Beweis, dass man als noch unbekannter Schriftsteller<br />
immer noch erfolgreich sein kann, wenn man<br />
seiner Leidenschaft treu bleibt und den Weg Schritt<br />
für Schritt beschreitet.<br />
Das kann und will uns Hannu Rajaniemi mit auf den<br />
Weg geben.<br />
Dieser Artikel fußt auf folgendem Werk des Autors<br />
Hannu Rajaniemi:<br />
„Quantum“, erschienen 2011 im Piper-Verlag unter<br />
der ISBN 978-3-492-70193-8<br />
sowie auf einem Interview in englischer Sprache,<br />
absolviert und übersetzt von Kai Krzyzelewski per<br />
E-Mail-Kontakt nach Schottland zwischen dem 9. Mai<br />
und 13. Juni 2011.
Kais Bücherdimension<br />
Psychologie in der Zukunft<br />
Eine Rezension zu den Geschehnissen „Jenseits<br />
der Zone“ von Kai Krzyzelewski<br />
Glaubt man der Zukunftsvision der Psychologin Concordia<br />
S. Rosa, unsere Welt ist auch im Jahre 2043 nicht gefeit<br />
vor Gewalt, Furcht und Unterdrückung. Im Gegenteil:<br />
Nicht nur die Welt, sondern auch die Menschheit ist<br />
zerrissen wie zu schlimmsten Zeiten ihrer Geschichte.<br />
Nicht von ungefähr erinnert sich daher die Studentin<br />
Cosina Xe Mnesa Ysa, Hauptprotagonistin in Rosas Werk<br />
„Jenseits der Zone“, an das geteilte Deutschland nach dem<br />
Ausgang des Zweiten Weltkriegs.<br />
Dass sich Cosina Xe Mnesa Ysa an diese Ereignisse jedoch<br />
erinnern kann, das brandmarkt sie in jener Zukunft. Denn<br />
die Menschen – einige unfreiwilliger als die anderen -<br />
zogen eine grausame Konsequenz: Sie gaben den sogenannten<br />
Alten Seelen, denjenigen, die vor der Jahrtausendwende<br />
geboren wurden, die Schuld an der immer<br />
mehr zerbrochenen Gesellschaft. Die Neuen Seelen, jene,<br />
die im neuen Jahrtausend geboren wurden, isolierten die<br />
verhassten Alten Seelen, und leiteten ein neues Zeitalter<br />
der Geschichte ein.<br />
Dass Cosina Xe Mnesa Ysa dennoch unter den Neuen<br />
Seelen wandelt, das verdankt sie einer List – und einer<br />
unglaublichen Technologie: Die Zellen ihres Körpers technisch<br />
verjüngt, gibt sie sich als Angehörige der Neuen<br />
Seelen aus, geboren im neuen Jahrtausend.<br />
Als solche schreibt sie sich im Institut für Extraordinäre<br />
Verhaltensforschung ein, um schließlich durch einen<br />
angesehen Rang ein Leben ohne Versteckspiel führen zu<br />
können.<br />
Doch ihre Tarnung droht zu fallen, als sie in jener neuen<br />
Welt einem grausamen Verbrechen zum Opfer fällt – und<br />
die findigen Wissenschaftler des Instituts Nachforschungen<br />
über Cosina Xe Mnesa Ysa anstellen...<br />
Gäbe es eine Nadel, die anzeigen würde, ob ein Roman<br />
in Richtung Science-Fiction oder in Richtung Kriminalgeschichte<br />
tendiert, bei „Jenseits der Zone“ würde jene<br />
Nadel exakt in der Mitte liegen. Concordia S. Rosas<br />
Geschichte ist ein Kriminalroman auf jeder Buchseite. Seite<br />
für Seite stößt der Leser auf immer neue Geheimnisse, die<br />
die Protagonisten umgeben, und die im Widerspruch zu<br />
stehen scheinen zu allem, was der Leser bis dahin erfahren<br />
hat. Dadurch fühlt er sich selbst in die Rolle des Detektivs<br />
versetzt, und er durchkämmt die Seiten des Buches auf<br />
der Suche nach Antworten – ein treffliches Gelingen für<br />
einen Kriminalroman!<br />
„Jenseits der Zone“ ist jedoch auch Science-Fiction, denn<br />
ohne die Technologien, ohne die gesellschaftlichen Vorbedingungen<br />
jener Zukunft kann die Kriminalgeschichte<br />
nicht funktionieren. Geschichte und Welt sind exakt<br />
aufeinander abgestimmt.<br />
Als ein Hybrid aus Kriminalgeschichte und Science-Fiction<br />
handelt es sich bei den geschilderten Ereignissen um<br />
schreckliche, und schon die ersten Seiten von „Jenseits<br />
der Zone“ verraten die Intensität, mit der der Leser an den
Kais Bücherdimension<br />
Geschehnissen teilhaben wird. Diese Intensität der Ereignisse<br />
wird umso mehr verstärkt, als dass die Zukunft bei<br />
weitem kein paradiesischer Ort ist. Die Welt in der sich die<br />
Protagonisten bewegen, folgt dem Prinzip der Abschreckung:<br />
Die Autorin formt eine steril wirkende Welt – eine<br />
Welt, die all ihre Wurzeln, all ihre kulturellen Eigenheiten<br />
bestreitet. Dass in einer solchen Welt auch genetisch<br />
Identische auftauchen, scheint dabei nur allzu erwartbar,<br />
und die vermeintlich überlegenen Neuen Seelen tragen<br />
durch ihre vermeintliche Überordnung über andere Lebewesen<br />
zu der unmenschlich wirkenden Zukunft bei, die<br />
sich in dem einen Moment als abgeklärt und bedächtig,<br />
im anderen Moment als überaus grausam herausstellt.<br />
Insofern unterstreicht die Welt das kriminalistische<br />
Geschehen.<br />
Doch die wirklich bewegenden Momente werden auf<br />
dem Leidensweg der Hauptprotagonistin beschritten, und<br />
es kann ohne Zweifel behauptet werden, dass der Leser<br />
vor einer schwierigen Entscheidung steht: Zum Einen sind<br />
die häufig grausamen Ereignisse für sensible Gemüter<br />
kaum ertragbar, zum Anderen wird gerade jene sensible<br />
Seite des Menschen – das Mitfühlen mit dem Hauptcharakter<br />
– von der Autorin angesprochen.<br />
Die Schilderung der Charaktere steigt dabei tief hinab in<br />
die Gefühlswelt. Im einen Moment bleibt diese Gefühlswelt<br />
metaphorisch. Kraftvolle Bilder tauchen auf, wenn<br />
beispielsweise die Protagonistin „Selbstzweifel von sich<br />
abschüttelte wie den Staub von der Kleidung nach einer<br />
langen Wüstenwanderung“.<br />
Im anderen Moment aber erhält die Gefühlswelt eine<br />
Kühle, bei der hinterfragt werden darf, ob diese Form der<br />
Aufdeckung der menscheninternen Geschehnisse bewusst<br />
steril gewählt ist, um der Welt zu entsprechen, oder ob<br />
der Autorin ein Missgeschick passiert ist: In nüchterner<br />
Fachwissenschaftsterminologie des Psychologen wird die<br />
Gefühlswelt seziert – ein Stilmittel, das einen gewissen<br />
Ekel erzeugt und somit der Grausamkeit der kreierten Welt<br />
entspricht.<br />
Doch die Voraussetzung, dieses Stilmittel derart zu<br />
empfinden, ist, dass der Leser die Vorgänge noch begreift:<br />
Harmlos bleibt es, wenn sich die Protagonistin in Konfrontation<br />
mit ihrem Dozenten „über seine gegenwärtig in<br />
Anspruch genommene Prozeduralmacht wie auch die ihm<br />
aktuell übertragene Positionsmacht ärgerte“. Wenn aber<br />
die Charaktere eine „subminimale Unruhe“ oder einen<br />
„zunehmend unfigürlich konstituierenden Moment“<br />
erleben oder ein „theoretisches Postulat“ aufgestellt wird,<br />
so zeigt Concordia S. Rosa zwar, dass sie ihr Fachgebiet<br />
beherrscht – und es ist unzweifelhaft, dass eine<br />
Geschichte, die zumindest teilweise an einer Universität<br />
spielt, durch derlei Termini realistisch getroffen wird. Was<br />
die Autorin jedoch vergisst, ist, dass Cosina Xe Mnesa Ysa<br />
zwar am Institut für Extraordinäre Verhaltensforschung,<br />
somit an der Universität eingeschrieben ist – der Leser in<br />
der Regel jedoch nicht.<br />
Durch ergreifende metaphorische Umschreibungen –<br />
oder das Streichen allzu weitläufiger psychologischer<br />
Profile, die großräumig auszuwalzen die Autorin sich nicht<br />
scheut – hätte die Geschichte ein Mehr an Handlung<br />
erhalten können.<br />
Das wäre ganz im Interesse des Lesers, denn die Schilderungen<br />
der Handlung selbst könnten mitunter spannender<br />
nicht sein: Wenn Cosina Xe Mnesa Ysa auf der<br />
Flucht vor den Neuen Seelen Tickets vertauscht, um ihre<br />
Spuren zu verwischen und dabei auf eine surreal anmutende<br />
Weise vor den Illusionen ihrer Peiniger zurückschreckt,<br />
erreicht „Jenseits der Zone“ die Gipfel seiner<br />
Spannungsmomente. Hier zeigt die Autorin, dass sie das<br />
spannende Element beherrscht und ihre Charaktere auf<br />
eine sensible Art zu charakterisieren weiß – fern davon,<br />
dass die Protagonistin „ihr Gehirn mit Daten füttert, damit<br />
es die Harmonisierung ihrer momentanen vegetativen<br />
Dysregulation einleitete“.<br />
Ein steriler Stil kommt freilich auch in solchen<br />
Momenten zur Geltung, in denen grausame Ereignisse<br />
geschildert werden. So ist es zwar umso grausamer, jedoch<br />
das Mitgefühl verstärkend, wenn menschenexterne Beobachtungen<br />
des Hauptprotagonisten hinzukommen, wie<br />
wenn der Leser die Gewalttat an Cosina über ein Videoband<br />
miterlebt, dass von den Mitarbeitern des Instituts<br />
für Extraordinäre Verhaltensforschung betrachtet wird.<br />
Die Protagonisten beobachten folglich das Geschehen aus<br />
einer undefinierbaren Distanz – eine Verdopplung der<br />
Sterilität, die einen klinischen Ekel verstärkt, der in Betroffenheit<br />
wegen und Mitleid für den Hauptcharakter gipfelt.<br />
Dies ist ein großer Gewinn für „Jenseits der Zone“.<br />
Fest steht jedoch, dass dem einen oder anderen Leser<br />
der Erzähler der Geschichte zu viel wissen wird, zu tief und<br />
auf eine zu wissenschaftliche – im schlimmsten Fall als<br />
unmenschlich auffassbare Weise in den Charakter hinabsteigt.
Kais Bücherdimension<br />
Es ist Psychologie aus dem Lehrbuch, wenn Cosina ihre<br />
gegenwärtige Situation analysiert und unter systematischer<br />
Berücksichtigung ihrer Optionen zu dem Schluss<br />
kommt, dass ihr nichts mehr übrig bleibt, als Folge zu<br />
leisten. Hier macht gerade die Schilderung von innen<br />
heraus den Menschen fremd – denn welcher Mensch<br />
reagiert in einer Situation, die über das eigene Leben<br />
entscheidet, mit einer kühlen Betrachtung seiner Optionen?!<br />
Mehr äußere statt innere Bilder könnte sich der<br />
eine oder andere Leser wünschen. Hier könnte eine<br />
deutlichere Differenzierung zwischen Belletristik und<br />
Fachartikel für den einen oder anderen Verbesserungen<br />
schaffen.<br />
Bedauerlich ist auch, dass jene wissenschaftliche<br />
Betrachtungsweise der Gefühlswelt kein Äquivalent in der<br />
wissenschaftlichen Betrachtungsweise der technischen<br />
Hochleistungen der geschilderten Zukunft besitzt. Der<br />
genetischen Verjüngung – welch ein Meilenstein für jede<br />
Medizin! – wird sich auf eine Weise genähert, die eher in<br />
den Bereich der Fantasy fallen würde. Jene Technologie,<br />
die in einer zukünftigen Welt entstanden ist, zeichnet sich<br />
dadurch aus, dass „über den Geist die Materie beeinflusst<br />
wird“ und bildet bei der Verjüngung die „magische Grenze<br />
von 25 Jahren“. Das ist weniger Science-Fiction als die<br />
Implementierung einer unerklärten Technologie. Dies<br />
wiederum ist kein schriftstellerisches Verbrechen –<br />
welcher Science-Fiction-Autor könnte schon die Überlichtgeschwindigkeitsantriebe<br />
seiner Raumschiffe selbst nachbauen?<br />
Das Problem ist, dass nur allzu deutlich darauf<br />
hingewiesen wird, dass die Autorin eben nicht weiß.<br />
Kleinere Patzer, wie dass Cosina Xe Mnesa Ysa kein<br />
japanischer Name ist, fallen darüber hinaus vor einer<br />
unliebsamen Tendenz komplexer Romane zurück: dem<br />
des Registers. Wenn ein tausendseitiger Wälzer ein<br />
umfangreiches Personenregister im Anhang trägt, das<br />
nachschlagen lässt, wann immer der Leser die Personen<br />
nicht mehr zuordnen kann, dann ist dies mitunter schade<br />
genug, denn es stört den Lesefluss – Belletristik ist kein<br />
Fachbuch. Nicht mit den Personen, sondern mit den<br />
Abkürzungen befasst sich Concordia S. Rosas Register in<br />
„Jenseits der Zone“ - und dieses ist mehr als notwendig.<br />
Einmal erläutert, wird fortan hemmungslos von LDH,<br />
MKM, EOV-A und EOV-B, BP-DNSA, SI, SEG und SSFD<br />
geredet – in einer Häufigkeit, die den Leser nicht darüber<br />
hinwegsehen lässt. Zudem erscheinen viele Abkürzungen<br />
unnötig: Warum nicht Schockindex schreiben, statt SI?<br />
Diese Eigenheit scheint von der Autorin ebenfalls aus dem<br />
universitären Bereich entlehnt, wo die Abkürzung Gang<br />
und Gäbe ist.<br />
Doch welche Konsequenz zieht der Leser daraus? Fest<br />
steht, dass der Schreibstil zwei erstaunlich gegenseitige<br />
und gleichzeitig kompatible Merkmale aufweist: Concordia<br />
S. Rosa beherrscht ihre Spannungsmomente und zeichnet<br />
sich durch die psychologische Tiefe der Charaktere als<br />
ausgebildete Psychologin mit einem großen Spektrum an<br />
Hintergrundwissen aus. Dieses Hintergrundwissen wird<br />
freilich hemmungslos zur Schau gestellt – warum auch<br />
nicht?! Wenn der Leser mit den Fachtermini vertraut ist,<br />
beispielsweise einen hypovolämischen Schockzustand<br />
zuordnen vermag, dann kann der Leser den Stil der Autorin<br />
ohne Zweifel als gewollt hinnehmen. Die Kühle der wissenschaftlichen<br />
Betrachtungsweise passt exakt auf das<br />
sterile Weltbild, in der sich wahre Menschen mit ihren<br />
Gefühlen und Schwächen behaupten wollen, doch<br />
gezwungen werden, sich der Abgeklärtheit und vermeintlichen<br />
Professionalität der Welt zu beugen. Unter diesem<br />
Gesichtspunkt ist der Schreibstil eine ganz große Leistung!<br />
Stößt sich der Leser jedoch an den unzähligen Fachtermini,<br />
kann ein „vereinfachtes Makulatur-Gebaren“ nicht<br />
zuordnen, so werden ihm die metaphorischen Passagen,<br />
die surrealen Spannungsmomente und die vielsagenden<br />
Andeutungen zu wenige sein; die Welt und seine Charaktere<br />
würden ihm zu fremd erscheinen, als dass er sich zu<br />
nähern wagt.<br />
Dabei ist „Jenseits der Zone“ ein gesellschaftskritischer<br />
Kriminalroman, der in der Tat tiefsinnige Elemente, Denkweisen<br />
thematisiert, die Äquivalente in der gesamten<br />
Menschheitsgeschichte finden. Die Handlung lädt nicht<br />
nur zum Mitfühlen ein, sie fordert dies geradezu. Insofern<br />
hat „Jenseits der Zone“ einen tiefsinnigen Inhalt, der zum<br />
Nachdenken anregt und anregen sollte.<br />
Die Autorin lässt dabei eine ihrer Botschaften schon zu<br />
Beginn verlauten: „Gewidmet den Alten Seelen“, heißt es<br />
an jener Stelle des Buches, an der man für gewöhnlich eine<br />
ganz reale Widmung vorfindet, „ihr seid das Tal, das<br />
Flussbett, die Wüste, der Berg. Der Boden, auf den wir [...]<br />
unseren Fuß setzen“.<br />
Die Vergangenheit ist ein Teil von uns, wir sollten von<br />
ihr lernen und sie schätzen. Denn ohne sie tragen wir keine<br />
Wurzeln.<br />
Diese Rezension fußt auf folgendem Werk der Autorin<br />
Concordia S. Rosa: „Jenseits der Zone“, erschienen 2010<br />
im Wagner Verlag unter der ISBN 978-3-86683-905-2.
Kais Bücherdimension<br />
Jenseits des Seitenrandes<br />
Ein Interview mit Concordia S. Rosa<br />
Interviewender des Artikels: Kai Krzyzelewski<br />
Können die nächtlichen Träume – vielleicht weniger<br />
Wunsch als Vision – Wirklichkeit werden? Nun, das<br />
kommt darauf an wie „greifbar“ jene Träume sind.<br />
Träumt jener Mensch von der Entdeckung ferner<br />
Sternensysteme oder der ewigen Jugend, jener<br />
Mensch könnte von Dingen träumen, die sich nie<br />
erfüllen.<br />
Was aber, wenn auch die Träume der Realität nahe<br />
bleiben? In diesem Falle liegt es im Eifer und im<br />
Schweiß des Träumers, jene Visionen Wirklichkeit<br />
werden zu lassen – so er es wünscht.<br />
Eine solche realistische Träumerin ist die aus der<br />
Psychologie stammende Concordia S. Rosa, die sich<br />
mit ihrem Werk „Jenseits der Zone“ einen Traum<br />
erfüllt hat – im wahrsten Sinne des Wortes.<br />
Das folgende Interview führte Kai Krzyzelewski per<br />
E-Mail-Kontakt zwischen dem 6. April und 7. Mai 2011.<br />
Frau Rosa, in "Jenseits der Zone" gibt es keine<br />
blutdurstigen Außerirdischen, keine Weltraumgefechte<br />
zwischen Sternenschiffen und keine Weltraumkolonien.<br />
Die trotzdem nicht unerheblichen<br />
technischen Fortschritte fügen sich in Ihrem Werk<br />
in ein Drama aus Isolation, Verfolgung und Gewalt<br />
ein, ergänzt durch ausführliche, selten wünschenswerte<br />
psychologische Profile.<br />
Wie kam diese individuelle Mischung zustande;<br />
welche Komponenten wirkten bei der Idee zu Ihrem<br />
Zukunftskriminalroman zusammen?<br />
Ich bin eine Frau. Das heißt, dass ich aus einer eher<br />
weiblichen Sicht geschrieben habe. In der Zukunft,<br />
die ich mir wünsche, sind alle „Helden“ - auch die<br />
Stillen und Alltäglichen, die dem Leben dienen oder<br />
anderen helfen, es wieder in den Griff zu bekommen.<br />
Angefangen habe ich nach einer gut durchträumten<br />
Nacht und weiteren, die sich dieser angeschlossen<br />
haben. Damals habe ich mit HemiSync, einem auditiven<br />
Entspannungsprogramm herumexperimentiert,<br />
entwickelt vom Monroe Institut mit dem Ziel der<br />
„Gateway - Experience“, was soviel heißt wie „durch<br />
das Tor gelangen“, um andere Bewusstseinszustände<br />
zu erreichen. Ich habe damit Erfolge wie jene<br />
Zukunftsträume erzielt, sie aufgeschrieben und<br />
geschaut, wie es weitergeht.<br />
Zudem habe ich schon als Kind immer wieder<br />
Einblicke in zukünftige Szenarien nehmen dürfen. Im<br />
Grundschulunterricht habe ich mich geweigert, das<br />
Emblem „Hammer, Zirkel, Ähre“ auf die Fahne zu<br />
malen, bin dann aber gezwungen worden und musste<br />
nachsitzen. Und zum Thema „Unsere Welt zur Jahrtausendwende“<br />
habe ich andere Dinge gesehen, als<br />
meine Mitschüler. Fasziniert hat mich das rollende<br />
Brett ohne Lenkstange (heute: Skateboard), aber<br />
auch technische Details meines zukünftigen<br />
Fahrrades, mit Stoßdämpfung und einer<br />
Lichterzeugung, die ohne einen erhöhten<br />
Tretwiderstand auskommen sollte und die in<br />
der Mittelachse eingebaut werden könnte.<br />
So ein Fahrrad habe ich heute …<br />
Monsterfilme habe ich noch nie mit einer<br />
möglichen Realität in Verbindung gebracht<br />
und auch nicht zum persönlichen Stressaufbau<br />
und anschließendem Abbau gebraucht.<br />
Stattdessen sehe ich mir zumeist lieber deut-<br />
Concordia S. Rosa
Kais Bücherdimension<br />
sche Filme an: Krimis, die auch meinen Alltag wiedergeben<br />
und die eben nicht von einer anderen Welt<br />
sind, zu der ich keinen Kontakt habe.<br />
Was heißt „selten wünschenswerte“ Profile? Dass<br />
sie wünschenswert wären, oder eher nur selten sind?<br />
Beides muss ich bejahen. Ich habe selbst mal ein<br />
Seminar in „Psychologischer Täterprofilerstellung und<br />
Fallanalyse“ gegeben und die Ansprüche der renommiertesten<br />
Leute auf dem Gebiet waren gelinde<br />
gesagt hanebüchen und von ihrem Wirkungsgrad<br />
gering. Das hat mich geärgert. Denn ich hatte schon<br />
im Praktikum bei der Berliner Polizei bewiesen, dass<br />
es auch anders geht. Ich habe die Methode „Technical<br />
Remote Viewing“ angewandt, übersetzt: „Strukturierte<br />
Fernwahrnehmung“, in der ich mich habe<br />
ausbilden lassen. Die war vorher nur für die Psi-<br />
Spionage im amerikanischen Raum entwickelt und<br />
gedacht gewesen. Und als interessierte Psychologin<br />
für dieses Gebiet – Menschen in ihren Extremen –<br />
habe ich dann diesen Schritt gewagt.<br />
Darin besteht also meine Portion an Verrücktheit<br />
oder Ausbrechen aus dem vorgegeben Rahmen.<br />
Nun führt gezielte Entspannung, ein anregender<br />
Traum, eine andere Sichtweise der Dinge oder eine<br />
psychologische Vorbildung nicht zwingend zum<br />
eigenen Buch - wie kam es dazu, dass Sie planten,<br />
aus Ihren Zukunftswünschen und Erfahrungen ein<br />
Manuskript zu erstellen?<br />
Ich habe in einem Seminar mal einen Vortrag zum<br />
Thema "Misshandlung an Kindern/Opfererleben"<br />
gegeben. Dazu gehörte die Geschichte "Asche im<br />
Brot", damit sich die angehenden Kriminalistikstudenten<br />
besser in die Perspektive von Opfern einfühlen<br />
lernen konnten. Das geht meines Erachtens nicht<br />
über Theorien und Zahlenwerte. Anschließend ist<br />
eine von ihnen zu mir gekommen und hat gefragt, ob<br />
das meine Geschichte gewesen sei. Ich war verwirrt,<br />
habe<br />
ihr die Antwort verweigert, wollte in meiner Rolle als<br />
Dozentin möglichst auch weiterhin objektiv bleiben.<br />
Aber sie hat es doch gespürt. Da habe ich gemerkt,<br />
verheimlichen geht nicht und sie hat gesagt: "Schreiben<br />
Sie doch ein Buch!"<br />
Ein paar Tage später habe ich mich dann an den PC<br />
gesetzt mit dem Ziel, über dieses Thema einen persönlichen<br />
Roman zu schreiben. Aber ich habe<br />
gemerkt, dass es so nicht funktioniert. Zunächst<br />
musste ich mich von allem frei machen.<br />
Schließlich kam der Traum mit der inspirierenden<br />
zukunftsträchtigen Architektur, dem Fahrstuhl und<br />
den Gebäuden ... Ich dachte, es wäre zu schade, wenn<br />
es allein in mir verbleiben und verstauben würde, und<br />
habe gespürt, dass dies nun getippt werden will.<br />
Einen Plan hatte ich nicht. Ich wusste nie, wie es<br />
genau weitergehen wird und auch nicht, dass daraus<br />
mal ein dicker Wälzer entstehen könnte. Ich wusste<br />
nur: Das, was da ist, will sich ausdrücken. Und das hat<br />
mir als Grund gereicht.<br />
Außerdem träumte ich eines Nachts, dass in meinem<br />
Regal mehrere Bücher in Augenhöhe standen, auf<br />
deren Buchrücken mein Name stand.<br />
Da habe ich gewusst: Ich soll schreiben. Ich vertraue<br />
ihr nämlich, dieser inneren Stimme. Sie hat mich<br />
immer besser durchs Leben geführt als irgendetwas<br />
Anderes.<br />
Eine ganz praktische Frage: "Jenseits der Zone"<br />
erschien im Wagner-Verlag, einem Verlag, der damit<br />
wirbt, Neuautoren zu fördern und diesen Freiraum<br />
für Ihr individuelles Gedankengut zu lassen. Hat Sie,<br />
Frau Rosa, diese Werbung ebenfalls angesprochen?<br />
Oder haben Sie versucht Ihr Werk auch bei anderen<br />
Verlegern einzusenden? Wie kam es zur Zusammenarbeit<br />
mit dem Wagner-Verlag?<br />
Ich habe nicht nur ein Manuskript daheim, inzwischen<br />
sind es fünf. „Jenseits der Zone“ habe ich auch<br />
ein paar Mal zu anderen Verlagen eingesandt und<br />
auch Verträge angeboten bekommen. Allerdings zu<br />
Knebelbedingungen wie auf dem Sklavenmarkt, die<br />
sich für den Autor nicht rechnen. Auch von zunächst<br />
seriös wirkenden Verlagen oder Literaturgesellschaften.<br />
Bis meine Freundin im Internet auf den<br />
Wagner Verlag gestoßen ist. Da hat einfach alles<br />
gestimmt: Respekt dem Autor gegenüber, sanftes
Kais Bücherdimension<br />
Lektorat, gute Themenauswahl im Verlagsprogramm<br />
und faire Vertragsbedingungen. Allerdings nur mit<br />
einer Beteiligung, die ich mir ausleihen musste, die<br />
ich dann zurückerhalten werde, wenn vierhundert<br />
Bücher verkauft sind. Andere Verlage behalten das.<br />
Aber da ist trotzdem das Problem: Buchhändler<br />
nehmen mein Buch nicht in ihren Handel auf, weil<br />
ihnen der Preis von 20.80 EUR zu teuer ist. Da spielt<br />
der Inhalt, die Qualität, und der Umfang offenbar<br />
kaum noch eine Rolle.<br />
Das habe ich vorher so nicht gewusst. Dabei benötigt<br />
ein Buch Investitionen, die etwa der Herstellung<br />
einer Musik-CD gleichkommen. Bücher aber möchte<br />
man für Schleuderpreise um die 9.95 EUR anbieten.<br />
Das geht meiner Ansicht nach auf Kosten der Autoren.<br />
Die Verlage verlangen die fehlenden Einnahmen<br />
dann von diesen mit der Begründung, schreiben sei<br />
keine Arbeit, sondern quasi ein Hobby.<br />
Da kann ich mir jedoch Entspannenderes vorstellen:<br />
faulenzen und in der Sonne liegen.<br />
Wenn ich also merke, dass da kein Schwung reinkommt,<br />
werde ich wahrscheinlich auf die Fortsetzung<br />
verzichten müssen. Denn ich werde kein Buch noch<br />
einmal bezuschussen können.<br />
Und Verträge abschließen, wo ich als Autor nur zehn<br />
Prozent vom Reingewinn verdienen würde, auch<br />
nicht. Solche mangelnde Wertschätzung unterstütze<br />
ich nicht.<br />
"Jenseits der Zone" aber wurde erfolgreich zur<br />
Veröffentlichung gebracht. Es fällt auf, dass sich das<br />
Buch nur schwer mit anderen zeitgenössischen<br />
Werken vergleichen lässt, es von der Konzeption und<br />
Erzählweise sehr individuell ist.<br />
Zu einem Buch gehören jedoch immer mindestens<br />
zwei: Autor und Leser.<br />
Wir haben nun bereits viel über Sie erfahren, Frau<br />
Rosa. Aber wie sieht Ihrer Meinung nach der<br />
"typische" Leser Ihres Buches aus? Wen wollen Sie<br />
mit Ihrer Geschichte ansprechen? Wem würden Sie<br />
das Buch schmackhaft machen wollen?<br />
Ein Buch ist für mich ein Buch, genauso, wie ein<br />
Tisch ein Tisch ist oder ein Bild ein Bild, und zwar<br />
unabhängig davon, ob es gesehen, gehandhabt oder<br />
gelesen und als ein solches Verwendung findet. Ich<br />
weiß, dass ich mit dieser Ansicht ein wenig von<br />
anderen, neueren sozialinteraktionistischen<br />
Ansichten divergiere. Aber auch diese sind ja nur<br />
Ansichten und meine ist eben so, dass ein Ding auch<br />
um seiner selbst willen ein Ding oder eine Sache ist,<br />
ungeachtet des Nutzungsaspektes, eben rein intrinsisch<br />
mit diesem ihm zugedachten Aspekt der potentiell<br />
möglichen Handhabung. Das ist meine von der<br />
Person unabhängige Philosophie.<br />
Ich glaube also an den Eigensinn und das nicht nur<br />
bei Sachen oder Objekten, wie etwa einem Buch,<br />
sondern auch bei Personen. Auch diese müssen,<br />
meiner Meinung nach, keinen von ihnen selbst<br />
geplanten Zweck erfüllen. Sie dürfen sein, wie es<br />
ihnen gegeben ist. Das ist mir wichtig, bei allem, was<br />
ich tue, also auch beim Schreiben. Ich möchte dabei<br />
frei und intuitiv vorgehen können.<br />
Dafür müssen andere, künstlich von mir gesetzte<br />
Ziele auch mal zurückstehen. Denn ich weiß, meine<br />
Intelligenz ist eng und endlich. Aber jene in Verbundenheit<br />
ist weit und unerschöpflich.<br />
In diesem Sinne kann ich die Frage nicht beantworten,<br />
für wen das Buch geschrieben ist. Das liegt auch<br />
nicht in meinem Schöpfungs- und Verantwortungsbereich,<br />
sondern in dem der Anderen.<br />
Sie bestimmen und entscheiden das ganz allein für<br />
sich selbst, und so ist das auch gedacht und gewollt.<br />
Und mit dieser Haltung gibt es sicher auch viel Platz<br />
für Überraschungen - auch für mich. Ich wünsche mir,<br />
dass sich die Menschen ansprechen lassen und sie<br />
sich dann davon berührt und ebenfalls in ihrem<br />
eigenen Schaffen und Sein inspiriert fühlen. Doch das<br />
ist und bleibt nur ein Wunsch und keine Festlegung<br />
oder Eingrenzung. Weil ich fühle, dass mir das nicht<br />
zusteht, zu keinem Zeitpunkt und egal, was auch<br />
immer locken könnte.<br />
Ich vertraue da auf das Leben oder nennen wir es<br />
auch Gott.
Kais Bücherdimension<br />
Sollte es doch zu einer Fortsetzung von "Jenseits<br />
der Zone" kommen, können Sie uns schon etwas<br />
über den Inhalt verraten? Welche Abenteuer wird<br />
Cosina Xe Mnesa Ysa erleben, welche Hürden meistern?<br />
Oder wird ein ganz neuer Held hervortreten?<br />
Bitte verraten Sie uns Ihre literarischen Pläne für die<br />
Zukunft.<br />
Eine schwere Frage. Denn ich habe schon etwas<br />
geschrieben. Die Fortsetzung existiert also schon auf<br />
der Manuskriptebene zu dreißig Prozent und es<br />
würde mir eine Freude sein, mitzuerleben, wie es<br />
darin weitergeht. Denn im Moment ist alles auf „Eis“<br />
gelegt und in den Ruhestand versetzt. Meine Enttäuschung<br />
darüber, dass man heute offensichtlich nur<br />
mit viel Geld im Rückhalt publizieren kann, ist einfach<br />
zu groß. Das lähmt mich in meinem Schreiben phasenweise<br />
leider immer wieder und dann gärtnere ich<br />
lieber oder wandere um den See bis der nächste<br />
Winter wiederkommt.<br />
Dann erst werde ich sehen, ob es weiter gehen kann<br />
oder ob das alles in eine staubige Schublade gepackt<br />
werden muss.<br />
Aber anbei: In meinen Büchern sind alle Beteiligten<br />
„Helden“, in „Jenseits der Zone“ die drei Hauptprotagonisten,<br />
Lea, Wolf und Cosina, als auch die Nebenprotagonisten,<br />
denen ich auch immer ihren Platz<br />
einräume. Oder aber: Keiner ist ein „Held“. Ich habe<br />
mit dem Begriff so meine Schwierigkeiten. Denn das<br />
wirklich heldenhafte, was ich bisher so in meinem<br />
Leben geleistet habe, ist immer übersehen worden<br />
oder unbemerkt geblieben und Leistungen, die ich<br />
selbst als selbstverständlich und so gegeben<br />
betrachte, werden dann auch schon mal hochstili-<br />
siert. Heldenhaft ist für mich nicht nur das sichtbare<br />
Handeln, sondern auch solches, was im Stillen abläuft<br />
und was im wahrsten Sinne auch Leben retten oder<br />
jemanden darin unterstützen kann, wieder oder auch<br />
nur weiterhin auf seiner Bahn zu bleiben und nicht<br />
abzudriften. Zum Beispiel, das Gebet. Ehrliches,<br />
authentisches Verhalten dabei und den Willen und<br />
die Entschiedenheit, sich für jemandes Belang mit<br />
aller zur Verfügung stehenden Energie einzusetzen.<br />
Das tut auch schon Wirkung, von der heute kaum<br />
noch jemand weiß oder aber auch niemand je daran<br />
geglaubt hat.<br />
In einer Fortsetzung würde es noch mehr um<br />
Verständigung und Einheitserleben gehen. Aber auch<br />
um Macht und Ohnmacht und den Umgang damit.<br />
Ein Weg auf einem schmalen Grat, vor dem sich viele<br />
scheuen, aus Furcht dabei vielleicht auch abstürzen<br />
zu können. Es wird sich zeigen, dass es immer die<br />
bessere Wahl ist, wenn man mit Kontrahenten in<br />
Kontakt bleibt, sich um Verstehen bemüht und aktiv<br />
daran mitgestaltet, dass Blockaden und Hemmnisse<br />
überwunden werden können. Das wird von Lea Liebig<br />
vollen Einsatz - auch persönlichen - verlangen.<br />
Dann kann das Wunder geschehen…<br />
Frau Rosa, haben Sie vielen Dank für dieses inspirierende<br />
Interview. Im Namen aller Mitarbeiter und<br />
Leser von „<strong>SpecFlash</strong>“ wünsche ich Ihnen für die<br />
Zukunft alles Gute.
Wonderland 3: Flucht aus dem Wunderland<br />
Raven Gregory, Daniel William Leister<br />
Verlag: Panini Comics<br />
ISBN: 978-3-86201-085-1<br />
"Flucht aus dem Wunderland" ist der dritte und<br />
letzte Teil der blutigen Wonderland-Reihe. Nachdem<br />
Calie so viel durchmachen musste, hat sie die Nase<br />
gestrichen voll von dieser verrückten Welt und deren<br />
noch verrückteren Bewohnern. Zeit abzurechnen,<br />
Zeit, die Waffen sprechen zu lassen.<br />
Genial ist die Waldszene mit den Schildern: Calie ist<br />
orientierungslos und auf den Wegweisern stehen<br />
anzügliche Bemerkungen über ihre Figur, z.B. "Nette<br />
Dinger", auch nett ist: "Megan Fox sollte dich spielen".<br />
Nachdem sie die Richtungsanzeiger droht sie zu<br />
Streichhölzern zu verarbeiten, geht's schließlich<br />
weiter.<br />
In einer anderen Szene steht auf einem Schild: "Cassie<br />
Hack was here", was natürlich eine Anspielung auf<br />
die gleichnamige amerikanische Comic-Reihe ist (das<br />
Cthulhu-Universum findet in beiden Werken<br />
Anklang). Verständlich, dass Fans zwei Mal so viel<br />
Wonderland 3<br />
Spaß an dieser Stelle haben. Schön, wenn<br />
Comicautoren- und Künstler Comics ihrer Kollegen<br />
lesen und es dann auch in ihren eigenen Werken<br />
einfließen lassen!<br />
Das einzig Nagative, was auffällt, ist der kurzzeitige<br />
Wechsel der Zeichner in der Mitte und relativ am<br />
Ende des Bandes. Konnte die Deadline nicht<br />
eingehalten werden? Wollte man dadurch<br />
unbekannten Künstlern eine Chance geben?<br />
Das Ende ist deshalb so gelungen, da alternative<br />
Versionen gezeigt werden. Interessant und gut<br />
umgesetzt und das wahre Ende ist obendrein auch<br />
noch zufriedenstellend.<br />
Fazit: Mit Band 3 hat die Reihe einen tollen<br />
Abschluss gefunden.<br />
© 2011 Wassilios Dimtsos<br />
© Markus Schüler<br />
rezension
steampunk<br />
Steampunk ist ein Phänomen, das als literarische Strömung in den 1980ern begann und sich<br />
zu einem Kunstgenre, einer kulturellen Bewegung einem Stil und einer Subkultur ausgeweitet<br />
hat. Dabei werden einerseits moderne und futuristische technische Funktionen mit Mitteln<br />
und Materialien des viktorianischen Zeitalters verknüpft, was einen deutlichen Retro Look der<br />
Technik ergibt. Andererseits wird das viktorianische Zeitalter in Bezug auf Mode und Kultur<br />
idealisiert wiedergegeben. Steampunk fällt damit in den Bereich des sogenannten Retro-<br />
Futurismus, also einer Zukunftssicht, wie sie in früheren Zeiten entstanden sein könnte, ohne<br />
ein Wissen über den tatsächlichen Ablauf der Geschichte.<br />
Häufige Elemente des Steampunk sind dampf- und zahnradgetriebene Mechanik, viktorianischer<br />
Kleidungsstil und ein viktorianisches Werte-Modell, eine gewisse Do-it-yourself-<br />
Mentalität und Abenteuerromantik. Elemente des Steampunk finden sich in vielen Bereichen<br />
der populären Kultur wieder, von Film und Fernsehen über Gesellschaftsspiele bis zu Musikprojekten.<br />
Es gibt jedoch auch zahlreiche Varianten des Steampunk, die verschiedenste andere<br />
Elemente einbringen oder Elemente weglassen bzw. variieren.<br />
Seite „Steampunk“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Juni 2011, 23:24 UTC. URL:<br />
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Steampunk&oldid=90207682<br />
© Nyala
Tick tack, tick tack, tick tack... Das ist der Herzschlag<br />
der uns antreibt. Tick tack, tick tack, tick tack... Ein<br />
leises klicken im Rauschen der Zeit. Tick tack, tick<br />
tack, tick tack... Ein heller Schlag abseits des Stroms.<br />
Nur weil wir in dieser Welt der digitalen Technik<br />
leben heißt das nicht, daß wir ihre Normen auch<br />
vollends akzeptieren. Die Industrialisierung brachte<br />
der Menschheit enormen technologischen Fortschritt<br />
und Wohlstand, aber auch Monotonie und Agonie.<br />
Diesen wollen wir entfliehen und uns der alten Schule<br />
widmen. Neben dem Strom schwimmen aber weder<br />
gegen ihn noch mit ihm.<br />
Wir sind keine Feinde der modernen Technik jedoch<br />
nimmt für uns die technologische Revolution im<br />
Geiste einen anderen Weg als für die industrialisierte<br />
Welt. Im Gegensatz zu dieser und ihrer digitalen<br />
Technik hielt für uns die ideologie der Dampfmaschine<br />
und ihre Perfektionierung Einzug an die Spitze<br />
der technologischen Errungenschaften unserer viktorianisch<br />
geprägten Welt.<br />
Wir leben nicht in der Edisonischen Ära, in der die<br />
Maschinen benutzt werden die Welt zu kontrollieren<br />
und als pure Werkzeuge des überlegenen Menschen<br />
angesehen werden.<br />
Unsere Werke leben! Sie sind die konkrete und<br />
wahr gewordene Idee, der Funke, der Imaginationspartikel,<br />
der ihrem Erschaffer seit Jahren im Kopf<br />
rumgeistert, ihn nächtelang nicht schlafen läßt und<br />
ihn immer wieder in die Werkstatt treibt. Sie sind<br />
unsere Kinder und wir müssen lernen mit ihnen zu<br />
leben und sie in all ihren Facetten erfassen und<br />
akzeptieren. Unsere Werke wachsen mit uns und wir<br />
mit ihnen. Sie können immer etwas mehr, als sie<br />
eigentlich müssen, sie sind immer etwas schöner, als<br />
der reine Zweck ihnen vorgibt und sie werden in ihrer<br />
Gänze sicherlich nie vollständig von uns erfaßt<br />
werden. Unsere Werke altern! Nichts, was real ist<br />
wird ewig so bestehen, wie es erschaffen wurde.<br />
Material ermüdet und Mechanik versagt. Wir haben<br />
immer ein Auge auf das Werk und verbessern und<br />
pflegen sie, wann immer es nötig wird. Unsere Werke<br />
sterben! Denn alles was lebt stirbt irgendwann, aber<br />
alles was lebt, hinterläßt eine Spur in unserer Welt.<br />
steampunk<br />
Steampunk - ein technikfokusierter Gedankengang<br />
Wir lernen aus Niederlagen und werden nicht müde,<br />
den Maschinen immer wieder neues Leben einzuhauchen.<br />
Wir verehren die Technik in all ihren Facetten<br />
verwehren uns aber jener, die ohne Leben und Geist<br />
unachtsam auf Fließbändern hergestellt wird. Diese<br />
Fabriken sind das, was die Welt um uns herum<br />
entzaubert und ihr das kreative Chaos nimmt, was<br />
uns immer wieder antreibt zu Neuem zu streben,<br />
Großes zu erschaffen und Bestehendes zu verbessern.<br />
Dieses kreative Chaos, was den Wissenschaftler<br />
beseelt und seinen Werken den Funken gibt. Was uns<br />
empfänglich macht für den leichten Wahnsinn der<br />
nötig ist um beständig einen Kampf mit der Maschine<br />
auszutragen. Was uns den Weg zur Magie öffnet, der<br />
wir es verdanken, das unsere Maschinen leben!<br />
Wir stehen für eine Gesellschaft in der das Werk<br />
des einzelnen eine hohe Wertschätzung erlangt hat.<br />
Wunderschöne Kunstwerke, Kleinode oder gewaltige<br />
Maschinen von Menschenhand erschaffen, etwas mit<br />
Bestand. Eine Gesellschaft in der Wert gelegt wird auf<br />
die kleinen Dinge, Gegenstände des Alltags, die wie<br />
jedes andere Werk auch so perfekt und schön wie<br />
möglich konstruiert werden um ihnen Ästhetik über<br />
den eigentlichen Nutzen hinaus zu verleihen.<br />
Wir setzen unsere Energie nicht in Zerstören,<br />
sondern in Erschaffen. Ihr mögt uns Träumer nennen,<br />
Künstler oder Philosophen, doch wir sind Artisanen!<br />
Wir lieben das Stoffliche, das Echte, das Sichtbare.<br />
Wir ergötzen uns an sich bewegenden Zahnrädern,<br />
Kolben, Hebeln und Lichtern. Wir wollen wissen, wie<br />
es funktioniert und wie man es wieder reparieren<br />
kann. Wir vereinen Funktion und Beschaffenheit in<br />
einem einzigartigen Werk!<br />
Wir sind der strahlende Funken in einer<br />
grauen Welt. Wir bewahren altes Wissen und<br />
leben tot gesagte Traditionen. Sei es nur ein<br />
wenig Höflichkeit.<br />
Weder sehnen wir der goldenen Zeit nach, noch<br />
sind wir ein Schatten ihrer, denn wir holen die alte<br />
Welt in die Gegenwart und wir leben sie! Wir sind der<br />
Aufbruch nach Gestern und unser Ziel ist das Morgen!<br />
© 2011 John Copper
steampunk<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler
steampunk<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Jules Verne trifft auf Microsoft<br />
Steampunk ist ein Genre das mit der Literatur Jules Vernes und H. G. Wells' seinen Anfang<br />
nahm, sich inzwischen bedeutend weiterentwickelt hat und nun auch in Musik, Film, dem<br />
Internet und nicht zu vergessen Anime und Manga (z.B. Steamboy) seinen Ausdruck findet,<br />
mehr dazu weiter unten.<br />
Steampunk beruht auf einer "gesci-fiten" Version der Technik des viktorianischen Zeitalters,<br />
gekoppelt mit der Annahme, dass sich Mode und soziale Struktur nicht ändern. Dies findet<br />
auch Ausdruck in den wunderschönen und im Rückblick bezaubernd naiven Vorstellungen, die<br />
die Futuristen des ausgehenden 19. Jahrhunderts über die Zukunft hatten:<br />
Flugmaschinen für den Sonntagsspaziergang:
Ästhetische Elemente<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Steampunk ist allerdings weit mehr als Visionen der Zukunft über das, was inzwischen<br />
bereits Vergangenheit ist. Steampunk verbindet Mode und Manieren der Jahrhundertwende<br />
vom 19. zum 20. Jahrhundert mit verschiedenen modernen und moderneren Elementen.<br />
Steampunk sucht sich eine Nische in der modernen Welt und vermischt dort Technik von der<br />
Industrialisierung bis heute mit dem Entdeckergeist eines Livingstone, Darwin oder von<br />
Siebold und dem Forschungsgeist eines Dr. Frankenstein.<br />
Steampunk schmückt sich mit Messing und schützt sich mit einer Schutzbrille.<br />
Messing (Enlisch: Brass) und Schutzbrillen (Englisch: Goggles) sind ein wiederkehrendes<br />
Motiv innerhalb des Genres. Dies findet besonders in der brtischen Steampunk Online-<br />
Community Brassgoggles seinen Ausdruck.<br />
Steampunk kombiniert all diese Elemente und spinnt sie weiter. Literarisch gesehen ist<br />
Steampunk die Weiterentwicklung dessen, was Verne, Wells und andere begonnen haben,<br />
die modische Facette der Steampunk-Subkultur verbindet "Zeppelin-Chick" (siehe z.B. Abney<br />
Park weiter unten) mit Elementen viktorianischer oder wilhelminischer Kleidung und<br />
Stilelementen aus Punk und Gothic.<br />
Steampunk in verschiedenen Medien<br />
Eine weitere modernere Ausprägung des Steampunk manifestiert in der Musik der Gothic-<br />
Industrial Szene, wie bei Abney Park oder Vernian Process. Hier sollte sich jeder selbst ein Urteil<br />
bilden, indem er oder sie sich eine Hörprobe gönnt:<br />
http://www.youtube.com/v/-IBf0hI4F-U&rel=1;<br />
Ein kurzes Video zu Steampunk-Einflüssen außerhalb des eigentlichen Steampunk Genres:<br />
http://www.youtube.com/v/IXxypefA1jY&hl=en&fs=1;<br />
Jasper Morello<br />
steampunk<br />
(eine etwas düstere Interpretation des Steampunk-Genres)<br />
http://www.youtube.com/v/vORsKyopHyM&hl=en&fs=1
steampunk<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Steampunk in Anime und Manga:<br />
Steamboy<br />
(hier sind auch die für Steampunk typischen Goggles zu sehen)<br />
Last Exile<br />
um nur zwei Beispiele zu nennen.
steampunk<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Steampunk my Computer:<br />
Wie würden Computer der Steampunkära aussehen?<br />
Wahrscheinlich so.<br />
(Von Datamancer, genialer, funktionstüchtiger Umbau)<br />
Aber am aller liebsten sind mir:<br />
HMS Ophelia, das Luftschiff wurde von Abney Park<br />
"geborgt".<br />
Steampunk Luftschiffe und Steampunk Zeppeline:<br />
Kapitän Albrecht von Kober, Kaiserliches Luftschiffkorps:<br />
zum Expeditionstagebuch<br />
Ein Steampunk Blog (Mein Steampunk Reise-Blog, um genau zu sein).<br />
Bordgeschütz eines Steampunkzeppelins<br />
und natürlich die Württemberg, kaiserliches Experimentalluftschiff für den Langstreckenflug:<br />
LZ-X1 Württemberg
steampunk<br />
von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Steampunks in Deutschland<br />
Deutschland weißt inzwischen eine sehr aktive Steampunk-Szene auf, mit der ich persönich<br />
noch gar nicht zu diesem Zeitpunkt gerechnet habe. Das Internet, bzw. Æthernets, tut einen<br />
sicherlich nicht geringen Teil dazu beitragen, dass sich die Szene organisiert.<br />
Neben Webseiten wie dieser, Clockworker und anderen privaten Homepages gibt es inzwischen<br />
mindestens eine deutsche Steampunk Community, den Rauchersalon.<br />
Wie bei vielen anderen Subkulturen in Deutschland verhält es sich bei Steampunk so, dass die<br />
Zentren der Aktivität nördlich des Mains liegen und sich vergleichsweise wenige Mitglieder<br />
der Szene in Bayern und Baden Württemberg befinden. Dies ist umso erstaunlicher, als dass<br />
eine Steampunk Ikone, der verehrungswürdige<br />
Ferdinand Graf von Zeppelin<br />
schließlich vom Bodensee stammt und es in Friedrichshafen auch das Zeppelin Museum gibt.<br />
Insofern liegt ein zumindest theoretischer Hauptkristallisationspunkt der Szene im Süden<br />
Deutschlands, allerdings hat dies leider wenig Auswirkung auf die geographische Verteilung<br />
der Steampunks in Deutschland.<br />
Ich bin bisher auf keine Szene Events in Bayern und Baden-Württemberg gestoßen, dafür gibt<br />
es aber einige in Hamburg, Köln und Berlin.<br />
Da ich selbst in Süddeutschland wohnhaft bin, die Betonung liegt dabei auf Wohnhaft, meine<br />
Wahlheimat befindet sich auf der anderen Seite des Ärmelkanals, sollte ich daran wohl mal<br />
was ändern.
Hier eine kleine Anleitung zum Steampunklook,<br />
um euch ein wenig Rüstzeug zu geben für viele<br />
tollen Ideen.<br />
Zuallerst das Material:<br />
Um es matellern aussehen zu lassen gibt es<br />
mehrere Möglichkeiten. Entweder man verwendet<br />
von Anfang an Metalliceffektfimo oder man<br />
benutzt einfach schwarzes Fimo und bepudert es<br />
gut mit den altbekannten Püderchen von (jetzt)<br />
Staedler oder Micapuder.<br />
Ich benutze dafür gern schwarz.<br />
Ich habe noch keine andere Farbe verwendet,<br />
generell sollte es auch mit jeder anderen Farbe<br />
gehen.<br />
Die ganz besondere Magie des schwarzen Fimo<br />
werde ich euch aber noch offenbaren.<br />
Grundsätzlich: Wenn ihr euer Steampunkobjekt<br />
dick bepudert habt ist es bald unablässlich es zu<br />
Lackieren. Es sei denn ihr wollt eure Wohnung<br />
auch steampunken.<br />
Natürlich kann man auch mit dem Effektfimo<br />
arbeiten und mit den Pudern Akzente setzen.<br />
Auf dem Foto könnt ihr erkennen (bei Gold sieht<br />
mans sehr gut) das die geknetelte Masse vorne an<br />
den beiden Effektblöcken einen Grauschleier hat.<br />
Ich habe einfach ein wenig schwarzes Fimo hineingeknetelt.<br />
So bekommt das Fimo die Optik von<br />
altem Metall.<br />
steampunk<br />
Kleines Tuto zum Steampunklook<br />
von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum<br />
Jetzt geht's los.<br />
Wir wollen Steampunk!<br />
Wie das Effektfimo aussieht wissen wir ja. Also zeig<br />
ich euch das magische, schwarze Steampunkfimo.<br />
Ich hab ein bißchen was durch die Nudelmaschine<br />
genudelt. Und jetzt kommt das Puder zum Einsatz.<br />
Hier benutze ich das Puder von (steht noch so<br />
drauf) Faber, jetzt aber Staedler.<br />
Nehmt am besten einen weichen Pinsel (es sei<br />
denn ihr wollt DEN Effekt, dazu komme ich später)<br />
und pinselt es über das Fimo.<br />
Hält von ganz allein. Ich mags am liebsten, wenn<br />
das Schwarz ein wenig durchschimmert.<br />
So sieht das Ganze dann aus... na...?!<br />
Macht das Lust auf mehr?!
Was soll die Nadel da?<br />
Nun, glattes Metall ist unspektakulär. So mit Rost<br />
und Kratzern und Schrauben... ja das ist schon eher<br />
das was wir wollen.<br />
Dafür ist die Nadel. Zieht sie übers Fimo und macht<br />
Kratzer und Macken rein.<br />
Und jetzt zu dem Borstenpinsel:<br />
Mit dem bekommt ihr auch Kratzer ins Fimo. Nicht<br />
so tiefe Macken, es schaut etwas benutzt oder<br />
abgenutzt aus. Versuchts mal!<br />
Das schaut dann so aus:<br />
Ein bißchen Rost wäre schön.<br />
Dafür nehme ich einen Zahnstocher, teile ihn und<br />
nutze die ausgefransten Burchstellen um damit<br />
"Rost" ins Fimo zu dürcken.<br />
steampunk<br />
Kleines Tuto zum Steampunklook<br />
von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum<br />
Man kann dem ganzen noch den letzten Schliff<br />
verpassen, indem man die Roststelle mit Bronzepuder<br />
bestäubt!
Echte Schrauben sind ganz wundervoll für Steampunk.<br />
Aber na ja, ich hab nicht viele da. Außerdem<br />
bräuchte ich von manchen nur die Köpfe für die<br />
Optik.<br />
Zum Glück kann man die ganz leicht aus Fimo<br />
machen.<br />
Sucht euch einen Schraubendreher (Kreuz- oder<br />
Schlitz).<br />
Rollt eine kleine Schwarze Kugel etwa in der Größe<br />
in der ihr eure Schraube haben wollt und setzt sie<br />
auf euer Fimoobjekt. Normalerweise würde ich<br />
immer erst alles fertigmodellieren und es dann mit<br />
dem Puder bestäuben. Haftet einfach besser.<br />
Dann drückt ihr den Schraubendreher in die Kugel.<br />
Nun muss nur noch das Schräubchen bepudert<br />
werden.<br />
Violá!<br />
steampunk<br />
Kleines Tuto zum Steampunklook<br />
von Chihiro aus dem Schnugis Bastelforum
Steampulpfantasy<br />
Posted By Traveler on 11. September 2010<br />
EIgentlich hätte ich darauf schon länger mal<br />
hinweisen sollen:<br />
Ein paar polnische (glaube ich) Steampunk- und<br />
Rollenspielenthusiasten haben sich zusammengetan<br />
und Steampulpfantasy ins Leben gerufen.<br />
Von dem, was auf der Website zu sehen ist (sowohl<br />
Grafik als auch Regelwerk) muss ich sagen, ich bin<br />
sehr angetan. Das Regelwerk erscheint nicht zu<br />
kompliziert, die Welt ist mir zwar ein wenig zu<br />
Fantasylastig aber insgesamt, alles sehr schön<br />
gemacht. Besonders gut gefällt mir das Konzept<br />
hinter Steam Pulp Fantasy und einige kleine Details,<br />
wie das unvermeidliche Gadget, dass jeder Held<br />
haben sollte. Beispiele reichen von einem exzellenten<br />
Stockdegen über ein Krtistallglasmonokel bis hin zu<br />
einem kugelsicheren Korsett.<br />
Man sieht schon, die Leute hinter Wolsung hatten<br />
eine ganze Menge Spaß. Die Basisregeln für einen<br />
schnellen Einstig kann man außerdem kostenlos<br />
herunterladen:<br />
Wolsung Test Drive<br />
Also, beim nächsten Rollenspielabend, vielleict mal<br />
die etwas andere Steampunk-Spielwelt Wolsung<br />
ausprobieren! Ich für meinen Teil werde wohl ein<br />
paar Elemente des Regelwerks klauen und bei mir<br />
verwenden (spiele Chaosium Basic Roleplaying mit<br />
Steampunk-Hintergrund).<br />
Argo – Steampunk MMORPG<br />
Posted By Traveler on 13. März 2011<br />
Auf meinen Streifzügen durchs Æthernetz stieß ich<br />
kürzlich auf Argo und bin ganz hin und weg. Das Spiel<br />
steampunk<br />
Streiflichter<br />
aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
macht einen klasse EIndruck und die Bckstory ist<br />
auch passend post-apokalyptisch (Auszug aus den<br />
Hintergrundinfos):<br />
Eine Welt zerstört von Serpestis, dem 4. Weltkrieg<br />
im 23. Jahrhundert. Es wurden nicht nur ganze<br />
Städte und Landschaften zerstört, sondern sogar<br />
ganze Kontinente umgeformt. Doch zwei Rassen<br />
bauten ihre Zivilisation in dieser postapokalyptischen<br />
Welt entsprechend ihrer Lebensanschauungen<br />
wieder auf: Die Steampunk-inspirierten<br />
Noblian und der geheimnisvolle Stamm der Floresslah.<br />
Für welche würdest du dich entscheiden?<br />
Siehst du die Zukunft der Menschheit in der technologischen<br />
Weiterentwicklung oder in der Symbiose<br />
mit der Natur? Das ist eine der wichtigsten<br />
Entscheidungen, die die Menschheit treffen muss.<br />
Woran glaubst du? Steige ein in ARGO, das Online<br />
RPG der nächsten Generation, und kämpfe für das,<br />
woran du glaubst.<br />
Hier erst mal ein paar Grafiken (aus dem Spiel<br />
selbst und natürlich Artwork):
Was mich massiv stört: Ich habe momentan überhaupt<br />
keine Zeit, mich mit Online Spielen zu beschäftigen.<br />
Mein Sprössling lernt gerade Laufen und da<br />
habe ich wörtlich alle Hände voll zu tun. Nichts desto<br />
trotz würde es mich natürlich interessieren, eure<br />
Meinung zu diesem Spiel zu hören und ob es tatsächlich<br />
so grandios ist, wie es die Screenshots und das<br />
Artwork versprechen.<br />
Hier noch ein paar Basisinfos:<br />
Fakten:<br />
� Zwei unterschiedliche Fraktionen (Floresslah<br />
und Noblians)<br />
� Vier von insgesamt acht Klassen pro Fraktion<br />
spielbar<br />
� Startkontinente bis Level 30 freigeschaltet<br />
� 20 verschiedene Gebiete mit zehn spannenden<br />
Dungeons<br />
� Hunderte von Quests mit packender Hintergrundstory<br />
� Interaktives Map-System für die schnelle Suche<br />
nach NPCs, Quests etc.<br />
� Crafting-System mit Upgrade-Möglichkeiten für<br />
Items<br />
� Ressourcensystem (Mineral „Earthdium“) für<br />
Skill-Entwicklung<br />
� Sechs verschiedene Berufe<br />
� Sowohl PvP- als auch Raid-Dungeons<br />
� Verschiedene Fortbewegungsmittel für beide<br />
Fraktionen (Floresslah: Animal-Mounts / Noblians:<br />
Steampunk-Fahrzeuge)<br />
� Achievementsystem<br />
� Petsystem mit zwei komplett unterschiedlichen<br />
Fraktionsdesigns<br />
� 20 riesige Dungeons zum Erkunden<br />
� 80 verschiedene Karten zum Erforschen<br />
steampunk<br />
Streiflichter<br />
aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
� ·3,600 (!) Questen, auf die man sich in der<br />
Steampunk-Fantasy Welt begeben kann<br />
� 10,000 verschiedene NPCs mit denen man<br />
sich unterhalten.<br />
Riese: Kingdom Falling auf Deutsch<br />
Posted By Traveler on 5. April 2011<br />
Riese: Kingdom Falling ist meine bevorzugte<br />
Steampunk Serie. Vor fast zwei Jahren hat sie als<br />
Youtube-Projekt angefangen, dann waren die<br />
Videos auf einmal privat, weil die Macher in<br />
Verhandlung mit verschiedenen Parteien standen.<br />
Dann kam die Nachricht, dass die Serie auf Syfy zu<br />
sehen sei, was uns in Deutschland nichts nutzte.<br />
Zumindest nicht, wenn man keine IP-Verschleierung<br />
verwendete…<br />
Wie dem auch sei, jetzt gibt es Riese: Kingdom<br />
Falling auch in der deutschen Synchronisation, die<br />
Serie ist inzwischen gewachsen, mehr Teile, mehr<br />
Protagonisten, mehr Spaß!<br />
Hier der erste Teil, Riese: Kingdom Falling – Die<br />
Jagd:<br />
http://www.youtube.com/v/p5A5_eYW0r4?fs=1<br />
&hl=de_DE<br />
Musik der 20er und Gentechnik<br />
Posted By Traveler on 2. März 2011<br />
Was für Lieder würde man in einer Steampunk<br />
oder Dieselpunk Welt schreiben und vortragen?<br />
Manchmal findet man Antworten auf Steampunkfragen<br />
tatächlich in der realen Welt. Ein Beispiel<br />
hierfür ist Max Raabe und sein Palast Orchester.<br />
Max Raabe macht Musik im Stile der 20er und 30er<br />
Jahre und lehnt sicht stark an den Comedian<br />
Harmonsist an, deren Stücke auch zu seinem<br />
Repertoire gehören.
Er geht aber noch einen Schritt weiter und verarbeitet<br />
moderne Themen in Form der Schlager der Weimarer<br />
Republik. Dabei kommt dann ein Juwel wie dieses<br />
heraus:<br />
http://www.youtube.com/v/YzwULeKtvYY?fs=1&hl=<br />
de_DE<br />
Und Schlager wie dieser wären auch bestimmt der<br />
Fall gewesen, wenn entsprechende Technologien<br />
bereits in den 20ern verfügbar gewesen wären…<br />
Die Szene nimmt fahrt auf<br />
Posted By Traveler on 23. Juni 2011<br />
Die Steampunk Szene in Deutschland, vielmehr im<br />
deutschsprachigen Raum, bewegt sich immer schneller<br />
vorwärts. Thalia hat in verschiedenen Filialen ein<br />
Steampunk-Special in Zusammenarbeit mit Feder und<br />
Schwert laufen:<br />
Leider nicht bei mir vor Ort, sonst hätte ich schon<br />
längst mal darüber berichtet…<br />
Und man findet Steampunk immer häufiger in den<br />
etablierten Medien, wir sind sichtbarer. Passend zum<br />
Wave Gotik Treffen gab es zum Beispiel diesen<br />
Bericht in der Leipziger Volkszeitung. Besonders<br />
auffällig: Wir Æthernomaden bekommen erstaunlich<br />
wenig schlechte Presse ab.Ich spekuliere, das liegt<br />
daran, dass man mit schräg-viktorianischen Gestalten<br />
nicht so wirklich reibungslos Satanismus und ähnlichen<br />
Unfug in Verbindung bringen kann, wie das bei<br />
Gothics und Metal Heads der Fall ist.<br />
steampunk<br />
Streiflichter<br />
aus dem Blog von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Zurück zum Thema und<br />
anknüpfend an die Thalia-<br />
Aktion: Es erscheint immer<br />
mehr Steampunk-Literatur<br />
auf Deutsch. Mehrheitlich<br />
Übersetzungen, aber immerhin.<br />
Man kann ja nicht nur<br />
ständig etwas über Liebesbeziehungen<br />
mit Vampiren und<br />
Teenage-Magier lesen. Da<br />
bekommt man ja Literatur-<br />
Skorbut… Zu einseitig.<br />
Pieper wird die Romane von<br />
Lavie Tidhar veröffentlichen, der Deal steht, soviel<br />
ich weiß (es sei denn, Lavie hat sich einen Scherz<br />
mit mir erlaubt) und hier ist ein deutscher Steampunk-Trailer<br />
für einen weiteren Roman des<br />
Genres, das is das erste Mal, dass ich sowas auf<br />
Deutsch sehe:<br />
http://www.youtube.com/v/aP_S6IMQBd0?versi<br />
on=3&hl=de_DE<br />
Also, es geht vorwärts, wir sind schon beinahe<br />
Mainstream…<br />
(den vollständigen Blog findet ihr unter:<br />
http://daily-steampunk.com/steampunkdeutschland/)
Ich vermute, dass das die Frage ist, die sich<br />
manch einer stellen wird, der über diese Seite<br />
stolpert — darunter vielleicht auch Leser und<br />
Autoren, die bislang keine Berührung mit diesem<br />
Thema hatten. Die Erklärung ist nicht ganz einfach,<br />
insbesondere deswegen, weil man von fünf Anhängern<br />
des Genres wahrscheinlich acht unterschiedliche<br />
Antworten dazu bekommt. Das macht eine Definition<br />
die auch Außenstehende zufrieden stellt nachvollziehbarerweise<br />
nicht einfacher. Ich weise an dieser Stelle<br />
darauf hin, dass alle nachfolgenden Aussagen meine<br />
Einstellung und Meinung wiederspiegeln und diese<br />
selbstverständlich nicht die des Lesers oder der<br />
Leserin sein muss. Wie ich schon im Interview mit<br />
dem Zauberspiegel schrieb: “wer bin ich schon, dass<br />
ich mir anmaßen könnte das Genre zu definieren?”.<br />
:o)<br />
Aus diesem Grund gebe ich an dieser Stelle Hinweise<br />
und merke an: umfassend kann die Erklärung nicht<br />
sein — das soll sie auch nicht — und Abweichungen<br />
von meiner Ansicht sind nicht nur erlaubt, sondern<br />
erwünscht.<br />
Da es hier um ein Literaturprojekt geht, werde ich<br />
mich dem Thema von dieser Seite nähern — ich<br />
möchte aber vorab deutlich darauf hinweisen, dass<br />
sich das Genre in der heutigen Form erfreulicherweise<br />
einer exakten Definition entzieht und — so<br />
steampunk<br />
Was ist eigentlich Steampunk?<br />
Von Professor Xanathon<br />
meine ich zumindest erkannt zu haben — ein Großteil<br />
der Anhänger genau diese fehlende Einengung als<br />
überaus erfrischend empfindet. Wenn also immer<br />
wieder gefragt wird, wo denn der Punk im Steampunk<br />
ist, dann lautet eine der Antworten: lass´ mich mit<br />
Deinem Schubladendenken in Ruhe! :o)<br />
Doch zurück zur Literatur beziehungsweise zum<br />
Hintergrund oder vielleicht “Setting” wie es auf<br />
Neudeutsch heißt. Es geht um Parallelweltgeschichten.<br />
Grundsätzlich würde ich das Ganze zur viktorianischen<br />
Zeit verorten wollen, also sagen wir mal grob<br />
im Zeitraum 1840 bis 1900. Das ist natürlich zum<br />
einen nur ein Anhaltspunkt, zum anderen gibt es die<br />
Möglichkeit, dass sich das viktorianische Zeitalter —<br />
oder dessen Stil und Kolorit — aufgrund von Geschehnissen<br />
und Erfindungen in Steampunk-Universen<br />
weitestgehend bis in die heutige Zeit oder in die<br />
Zukunft erhalten hat.<br />
Immer wieder lese ich die Aussage “ohne Dampf ist<br />
es für mich kein Steampunk”. Diese halte ich für<br />
grundlegend falsch. Der Begriff an sich rührt daher,<br />
dass die Vorlage in der realen Welt in die Zeit der<br />
Industrialisierung fällt, in der die Dampfmaschine<br />
einen maßgeblichen Anteil an der Veränderung der<br />
Welt hatte. Nun kann es sein, dass Dampfmaschinen<br />
eine zentrale Rolle in einer Steampunk-Geschichte<br />
oder dem zugehörigen Universum spielen, aber ein<br />
Zwang ist das keinesfalls — denn genauso gut können<br />
es andere Erfindungen<br />
sein, die in der realen<br />
Welt nie gemacht wurden<br />
und die zur Entwicklung<br />
einer parallelen Zeitlinie<br />
führen. Beispiele hierfür<br />
wären von Uhrwerken<br />
angetriebene Roboter<br />
(vergleiche Clockpunk, ein<br />
Subgenre des Subgenres,<br />
allerdings sehe ich da<br />
schon wieder die Aufteilung<br />
in mikro-Schubladen,
deswegen erwähne ich das nur am Rande), leistungsfähige<br />
mechanische Rechenmachinen, Aetherpropeller,<br />
die die Kolonialmächte auf Planeten des<br />
Sonnensystems tragen, Naphtha-getriebene Kutschen<br />
oder Konstrukte, die durch ein mysterlöses<br />
“Plasma” befeuert werden und die über nahezu<br />
unerschöpfliche Energiereserven verfügen.<br />
Neben zeitlichem und technischem Rahmen nimmt<br />
die Ästhetik einen zentralen Punkt beim Steampunk<br />
ein. Das Aussehen von beispielsweise Technik und<br />
Mode ist ebenfalls grob am oben genannten viktorianischen<br />
Rahmen angelehnt, wobei selbstverständlich<br />
auch hier Variationen nicht nur möglich sondern fast<br />
zwingend sind. Ein gutes Beispiel ist Captain Nemos<br />
U-Boot NAUTILUS aus dem Disney-Film “20000 Meilen<br />
unter dem Meer”. Die ist zwar ein technisches<br />
Meisterwerk und allen anderen Fahrzeugen ihrer Zeit<br />
weit voraus, weist aber im Design exakt darauf hin,<br />
in welcher Epoche sie entstanden ist, und zeigt<br />
Verzierungen und Schnörkel, die sie im Gegensatz zu<br />
den Kriegsschiffen der Zeit einzigartig aussehen lassen.<br />
Übrigens sah die Nautilus in einer Illustration des<br />
Originalbuches von Verne eher so aus, wie ein heutiges,<br />
modernes U-Boot (siehe rechts), aber das nur<br />
am Rande. :)<br />
Ebenfalls immer wieder zentral bei Steampunk:<br />
Sitte und Etikette des viktorianischen Zeitalters.<br />
Selbstverständlich reden wir hier in aller Regel über<br />
eine idealisierte und romantisierte Sicht jener Zeit,<br />
aber das ist mit Sicherheit auch ein Grund für die<br />
Attraktivität des Genres. Wir bekommen es mit<br />
kultivierten Ladies und Gentlemen zu tun, aber<br />
ebenso möglich sind Mitglieder der sogenannten<br />
Unterschicht, seien es nun Heizer der dampfgetriebenen<br />
Landleviathane oder die Aethermänner, die auf<br />
Solarseglern durchs Sonnensystem reisen.<br />
Möglich sind übrigens sowohl Utopien wie auch<br />
Dystopien, wobei es nach meinen Erfahrungen gern<br />
eher mal in Richtung Dystopie geht (weil dann die<br />
Helden heldenhafter sein können). Es geht geht<br />
beides und alles dazwischen. Hier kann auch wieder<br />
steampunk<br />
Was ist eigentlich Steampunk?<br />
Von Professor Xanathon<br />
der Punk ins Spiel kommen, nämlich Querdenker, die<br />
sich den gestrengen Sitten der Zeit widersetzen, oder<br />
gegen alle Widerstände der etablierten Wissenschaft<br />
eine technische Innovation entwickeln, die die Gesellschaft<br />
für immer verändern wird. Frauen in klassischen<br />
Männerberufen. Ausbrecher aus Standes– oder<br />
Nationsdünkel. Und vieles mehr. Meiner Ansicht nach<br />
rührt der Begriff “Punk” im Steampunk auch daher,<br />
dass man eine bekannte Historie und bekannte<br />
Hintergründe nimmt und sie mit nie Gewesenem und<br />
Phantastischem anreichert, um ein neues Ganzes zu<br />
schaffen (und weil K. W. Jeter damals in den frühen<br />
80ern einen griffigen Namen für sein neues Genre<br />
brauchte und sich dabei am damals ebenfalls gerade<br />
frischen Cyberpunk orientierte… :o).<br />
Ebenfalls gern Teil von Genre-Erzählungen sind<br />
Mystik, Okkultes und Magie. Entweder ganz offen in<br />
die Gesellschaft integriert oder als zusätzliches Spannungselement<br />
in Erscheinung tretend. Man bekommt<br />
es in der einschlägigen Literatur beispielsweise auch<br />
mal mit auferstandenen Mumien, sinistren Magienutzern<br />
oder uralten bösen Göttern zu tun. Ob der Autor<br />
solche Elemente in seinen Geschichten nutzt, ist allein<br />
ihm überlassen und wie er sein Universum angelegt<br />
hat — erlaubt ist, was gefällt und “alles wird besser<br />
mit Zombies!” :o)<br />
Auf der Seite zum Steampunk-Comic “Girl Genius”<br />
von Phil Foglio heißt es passend:<br />
Adventure, Romance, MAD SCIENCE! 1)<br />
Eine Nähe zu Penny Dreadfuls und Pulps ist selbstverständlich<br />
beabsichtigt und erlaubt. Und da es<br />
diese Nähe zur Unterhaltungsliteratur des 19. und<br />
frühen 20 Jahrhunderts fraglos gibt, weigere ich mich<br />
auch nachdrücklich, nur angeblich “Anspruchsvolles”<br />
zu veröffentlichen. Das Genre hat seine Wurzeln eben<br />
auch und gerade in der Unterhaltungsliteratur, wenn<br />
das gewissen Kulturchauvinisten nicht passt, dann sei<br />
diese Meinung ihnen unbenommen, sie sollen aber<br />
bitte etwas anderes lesen!
Kleiner Einschub: Steamfantasy. Im Gegensatz<br />
zum Steampunk verorte ich Steamfantasy nicht<br />
in einem semi-historischen irdischen Hintergrund,<br />
sondern eben auf erfundenen Fantasy-Welten,<br />
die keinen direkten Bezug zur Geschichte der Erde<br />
aufweisen. Ob die Protagonisten dann Menschen,<br />
Zwerge oder Elfen sind (oder alle davon), ist erst<br />
einmal zweitrangig. Wie beispielsweise “Castle<br />
Falkenstein” aber zeigt, sind umgekehrt Fabelwesen<br />
wie Zwerge, Elben oder Sidhe im Steampunk<br />
einer parallelen Erde ebenfalls möglich — deswegen<br />
sind auch hier die Grenzen fließend.<br />
Bei Hardcore-Anhängern des SF-Genres lese ich<br />
immer wieder, dass Steampunk doch keine Science<br />
Fiction sei, sondern Fantasy. Und es wird im Detail<br />
ausdefiniert und (zum Teil hanebüchen begründet),<br />
was zum SF-Genre gehören könnte und was nicht.<br />
Meine Antwort darauf: diskutiert ihr ruhig, mir doch<br />
egal und völlig unwichtig! Viel wichtiger als eine<br />
konkrete Definition von Steampunk und damit eine<br />
Einengung des Genres und insbesondere der Möglichkeiten<br />
ist es mir, wenn kreativ mit Rahmenbedingungen<br />
umgegangen wird und dabei interessante,<br />
kurzweilige und innovative Werke entstehen. Totdefinieren<br />
ist kontraproduktiv und tötet die Kreativität<br />
— das braucht keiner! Zudem ist Steampunk längst<br />
nicht mehr nur ein Literaturgenre und die aktuelle<br />
Bewegung gründet sich auch und vielleicht sogar<br />
vorrangig im Maker-Movement statt nur in der Literatur,<br />
weitere Punkte sind Spaß am Rollenspiel und<br />
Geselligkeit. Wer das Genre also ausschließlich aus<br />
dem literarischen Blickwinkel betrachtet, schließt<br />
maßgebliche Aspekte völlig aus. Aber das nur am<br />
Rande, man vergebe mir die kleine Exkursion.<br />
Ich möchte diese Betrachtung des Genres Steampunk<br />
und die explizit verweigerte konkrete Definition<br />
steampunk<br />
Was ist eigentlich Steampunk?<br />
Von Professor Xanathon<br />
an dieser Stelle beschließen und die Leser bitten, ihre<br />
Anmerkungen und anderslautenden Meinungen gern<br />
hier als Kommentar zu hinterlassen oder bei Unklarheiten<br />
Fragen zu stellen. Wie ich Eingangs schrieb:<br />
das sind nur meine Ideen zum Thema, keine Naturgesetze!<br />
es verbleibt,<br />
hochachtungsvoll,<br />
Professor X<br />
p.s.: eine ausführlichere Betrachtung der Steampunk-Bewegung<br />
an sich — also nicht auf Literarisches<br />
beschränkt — findet sich beim Clockworker<br />
p.p.s.: Bei der Auswahl der Geschichten, die es<br />
letztlich in die STEAMPUNK-CHRONIKEN schaffen<br />
wird, halte ich es mit meinen Worten oben und setze<br />
keine strengen Regeln, um die Kreativität nicht einzuschränken<br />
(überrascht mich!). Es wäre aber schon<br />
angebracht, wenn es Versatzstücke aus den soeben<br />
genannten Punkten zumindest ansatzweise in die<br />
Stories schaffen könnten. Nach dem, was ich bislang<br />
an Geschichten oder Fragmenten erhalten habe<br />
mache ich mir da aber ehrlich gesagt gar keine<br />
Sorgen. :)<br />
Bild 1: Steampunk-Apparatur, Foto von Robin Stevens,<br />
CC-Lizenz<br />
Bild 2: Nautilus, Neuville 1868, aus 20000 LEAGUES<br />
UNDER THE SEA, gemeinfrei<br />
1) Zitat gnadenlos geklaut beim Clockworker<br />
© 2011 Stefan Holzhauer
Am 22.05.2011 wurde eine neues Projekt des PhantaNews.de-Machers Stefan Holzhauer<br />
gestartet.<br />
Bei diesem Projekt unter dem Namen DIE STEAMPUNK-CHRONIKEN geht es um Steampunk, um<br />
Literatur, um das Web, aber insbesondere auch um eBooks. Auf den folgenden Seiten findet Ihr<br />
alles Wissenswerte rund um dieses Projekt.<br />
Die Eckpunkte:<br />
� Es soll im Rahmen des Projektes eine Anthologie von Stories rund um das Thema<br />
„Steampunk“ heraus gebracht werden<br />
� Die Anthologie soll in Form eines eBooks erscheinen<br />
� Das eBook soll unter einer Creative Commons-Lizenz erscheinen<br />
Weitere Details findet der Interessierte auch in den mit Stefan Holzhauer auf verschiedenen Seiten<br />
im Web geführten Interviews, in denen Hinter– und Beweggründe beleuchtet werden:<br />
� Clockworker<br />
� Padlive<br />
� Zauberspiegel<br />
steampunk
Mission<br />
Das Projekt STEAMPUNK-CHRONIKEN ist ein Experiment<br />
— ein Experiment von dem ich derzeit noch<br />
nicht sagen kann, ob es erfolgreich werden wird. Aber<br />
das ist gerade das Spannende an Experimenten. Es<br />
geht um Autoren, um Leser, um Veröffentlichungen<br />
und um eBooks. Und selbstverständlich geht es auch<br />
um spannenden Lesestoff.<br />
Es heißt:<br />
Ich sage:<br />
� die “großen, etablierten” Verlage sagten:<br />
“Steampunk interessiert kein Schwein”<br />
� eBooks sind ungeliebt, teuer und mit DRM<br />
verseucht<br />
� Man muss bei einem Verlag unterkommen,<br />
um etwas veröffentlichen zu können.<br />
� ohne Copyright und DRM geht in Sachen<br />
eBooks gar nichts<br />
� Blödsinn!<br />
Ziel dieser Webseite ist es, eine Anthologie von<br />
Steampunk-Geschichten heraus zu bringen. Dies<br />
geschieht erst einmal ausschließlich als eBook, wenn<br />
später ein Verleger einsteigen möchte, um die<br />
STEAMPUNK-CHRONIKEN als Buch heraus zu bringen:<br />
gut. Wenn nicht: macht auch nichts. Und es gibt auch<br />
immer noch die “Option Lulu”…<br />
Die Geschichten werden<br />
gesammelt und gesichtet.<br />
Aus den Einsendungen<br />
wird eine Anzahl von<br />
Stories ausgewählt werden,<br />
als PDF und ePub<br />
(vielleicht auch .prc und<br />
.mobi) aufbereitet und<br />
zum Download angeboten.<br />
Wer die Geschichten<br />
herunter laden<br />
möchte, kann sofort<br />
oder nach dem Lesen<br />
steampunk<br />
Die Steampunk-Chroniken<br />
einen beliebigen von ihm oder ihr bestimmten<br />
Betrag auf ein PayPal– oder Moneybookers-Konto<br />
überweisen (mehr als ein Euro wäre prima, wegen<br />
der Gebühren…). Oder auf ein Bankkonto. Oder<br />
das lassen — es gibt keinen Zwang.<br />
Die eBooks werden NICHT mit DRM geschützt.<br />
DRM ist böse. DRM bestraft nur ehrliche Kunden.<br />
DRM kann ohnehin in Sekunden umgangen werden.<br />
Stattdessen werden die Nutzer sogar animiert,<br />
die Datei zu kopieren und weiter zu geben.<br />
Im Vorwort der STEAMPUNK-CHRONIKEN wird<br />
eine Erläuterung stehen — ähnlich wie die von<br />
Cory Doctorow im Vorwort seiner Bücher -, warum<br />
man sie weiter geben darf, sogar soll, und dass<br />
man etwas spenden darf, wenn sie gefallen. Und<br />
dass man sie dann weiterempfehlen soll — sprich:<br />
auch kopieren — mit dem Hinweis auf die Spende.<br />
Ich möchte die erste Ausgabe der STEAMPUNK-<br />
CHRONIKEN zudem in den deutschen AmazoneBook-Shop<br />
stellen. Ein weiteres hehres Ziel, von<br />
dem ich noch nicht weiß, ob es zu realisieren ist,<br />
wäre es, die Stories ins Englische zu übersetzen<br />
und eine Ausgabe in den US-Shop Amazons zu<br />
stellen sowie auf Smashwords zu publizieren. Aber<br />
das ist Zukunftsmusik. Erst einmal ist der deutschsprachige<br />
Markt angepeilt. Das eBook wird keinerlei<br />
ISBN erhalten, außerdem steht kein Verlag<br />
hinter der Veröffentlichung, damit es keine Probleme<br />
mit der Buchpreisbindung gibt.<br />
Ja, ich weiß, das kann fürchterlich ins Auge gehen<br />
(wenn kein Schwein zahlt), aber wer nicht wagt<br />
der nicht gewinnt. Vielleicht kann man auch ohne<br />
DRM-Zwang und Verlagsgebaren eBooks absetzen<br />
und vielleicht sogar ein wenig Geld dabei verdienen.<br />
Vielleicht können wir den großen Verlagen<br />
zeigen, wo es lang geht! Und wenn nicht, haben<br />
wir immer noch einen coolen Steampunk-Storyband<br />
heraus gebracht! Und niemand hatte irgendwelche<br />
riesigen finanziellen Verluste.<br />
Wenn wir ehrlich sind, handelt es sich auch erst<br />
einmal um eine reine Publicity-Maßnahme für die<br />
Autoren und für das Konzept. Die Chance, dass<br />
viele Personen das lesen, ist aufgrund der Heran
gehensweise erst einmal potentiell deutlich größer<br />
als bei einem teuren gedruckten Buch mit einer<br />
vergleichsweise niedrigen Auflage. Jeder Autor soll<br />
explizit nach seiner Geschichte mit einem Text vorgestellt<br />
werden, damit man genau weiß, wer geschrieben<br />
hat.<br />
Den Autoren die mitmachen kann ich kein Honorar<br />
versprechen, denn es weiß keiner, ob überhaupt<br />
irgendwann mal Geld erlöst wird. Die Autoren werden<br />
aber an einem einmaligen Experiment teilnehmen<br />
können und dadurch mindestens Publicity erhalten<br />
(unbekannt sein nützt niemandem). Sollte Geld erlöst<br />
werden, dann wird dieses selbstverständlich nach<br />
Abzug meiner Unkosten (ich kümmere mich beispielsweise<br />
um Publicity, Lektorat, Webseite, Layout und<br />
Umsetzung in eBooks — wobei vielleicht hie und da<br />
jemand hilft) nach einem Seitenschlüssel an die<br />
Autoren ausgeschüttet.<br />
Es wird die Frage<br />
kommen: “Gebe<br />
ich als Autor meine<br />
Urheberrechte auf,<br />
wenn das Anthologie-eBook<br />
ohne<br />
DRM verteilt werden<br />
kann?” Die<br />
Antwort ist sehr<br />
einfach: Selbstverständlich<br />
nicht! Die<br />
Inhalte der Anthologie<br />
dürfen ausschließlich<br />
privat<br />
kopiert und weiter<br />
gegeben werden. Kommerzielle Nutzung der Stories<br />
ist ausgeschlossen, wird dies gewünscht, muss ein<br />
potentieller Verwerter mit dem Autor verhandeln. Es<br />
werden mir vom Autor nicht ausschließliche Nutzungsrechte<br />
übertragen, um seine Story veröffentlichen<br />
zu können und zu dürfen. Wenn ihr die<br />
Geschichten auch noch anderswo verkaufen könnt:<br />
Prima! Nur seid bitte so fair: erst nach dem Erscheinen<br />
der ersten Ausgabe der STEAMPUNK-CHRO-<br />
NIKEN! Danke! :)<br />
steampunk<br />
Die Steampunk-Chroniken<br />
Angedacht habe ich eine Creative-Commons-Lizenz.<br />
Das hat insbesondere den Charme, dass eine<br />
Geschichte für rein private oder nichtkommerzielle<br />
Zwecke frei genutzt werden darf. Wenn also eine<br />
Schulklasse eine Story in ein Theaterstück<br />
umbauen möchte: darf sie! Wenn jemand eine<br />
Geschichte auf einem Geburtstag lesen möchte:<br />
darf er! Warum auch nicht? Mit der CC-Lizenz, die<br />
kommerzielle Verwertung ausschließt, gibt niemand<br />
seine Rechte auf — und will ein Verleger<br />
eine Geschichte (oder alle) verlegen, dann darf er<br />
das nach dem Aushandeln von Tantiemen selbstverständlich<br />
tun. Aber nicht ohne!<br />
Und ganz klar: Im Vordergrund steht erst einmal<br />
der Spaß am Schreiben, am Fabulieren, am Lesen<br />
und selbstverständlich am STEAMPUNK!<br />
Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass<br />
dieses Projekt in keiner Konkurrenz zu Kleinverlagen<br />
stehen soll. Das ist nicht einmal ansatzweise<br />
die Intention. Im Gegenteil bin ich sogar der<br />
Ansicht, dass hier Synergien entstehen könnten.<br />
Sollten noch Fragen offen sein (wovon ich ausgehe)<br />
dann stellt sie einfach hier in den Kommentaren,<br />
ich werde versuchen, sie zeitnah zu<br />
beantworten (und später eine FAQ-Seite einrichten).<br />
Aber bitte daran denken: ich habe neben<br />
diesem Projekt auch einen Broterwerb und<br />
betreibe zudem noch PhantaNews.de. :o)<br />
LASST UNS GESCHICHTE(N)<br />
SCHREIBEN!<br />
Bild “Zifferblatt” von Zyllan auf flickr, CC-Lizenz,<br />
Bild “Professor X” von mir
Ausschreibung<br />
Gesucht werden für den ersten “Band” der STEAM-<br />
PUNK-CHRONIKEN <strong>Kurzgeschichten</strong> aus dem Genre<br />
Steampunk. Der Themenschwerpunkt liegt auf<br />
Der Æther — Die letzte Grenze<br />
Es geht somit um Steampunk-<br />
Raumfahrt: schlanke Ætherschiffe<br />
mit Segeln die sich im<br />
solaren Wind blähen, Kolonien<br />
des Empire (und anderer) auf<br />
Venus und Mars, Æthernavigation,<br />
fremdartige Maschinen<br />
die den Raumflug erst<br />
ermöglichen, ehrenwerte<br />
Marsianer, Raumpiraten mit<br />
fauchenden Strahlenkanonen und vieles mehr.<br />
Die Themenbegrenzung ergibt sich daraus, dass im<br />
Erfolgsfalle eventuell noch weitere STEAMPUNK-<br />
CHRONIKEN erscheinen sollen und auch diese dann<br />
einem Themengebiet zugeordnet werden. Wir wollen<br />
nicht gleich alles Pulver verschießen… :)<br />
Die Texte sollten mindestens einen ersten Korrekturlauf<br />
hinter sich haben und grundlegende Qualitätsstandards<br />
erfüllen. Ihr müsst zwar noch nicht<br />
veröffentlicht haben, um Euren Text einzureichen,<br />
doch wünschen wir uns weder Rechtschreib– noch<br />
Tempora-Fehler. Ob alte oder neue Rechtschreibung<br />
oder eine Mischung aus beidem (“gemäßigte neue<br />
Rechtschreibung”) ist allerdings egal. Ausgeschlossen<br />
ist Fanfiktion: “Steampunk-STAR TREK” ist zwar<br />
attraktiv, aber aus rechtlichen Gründen leider nicht<br />
erlaubt. Weiterhin keine übermäßige Gewalt und<br />
keine Pornographie (wir reden hier über Steampunk,<br />
okay?).<br />
Teilnahmebedingungen:<br />
� Formale Vorgaben:<br />
Normseite (60 Anschläge mal 30 Zeilen), Schriftart:<br />
Times New Roman, Schriftgröße: 12 Pt., Zeilenabstand:<br />
1,5, maximal ca. 22.000 Zeichen inklusive<br />
Leerzeichen (Normseiten-Vorlagen für verschiedene<br />
steampunk<br />
Die Steampunk-Chroniken<br />
Textverarbeitungsprogramme finden sich beispielsweise<br />
auf literaturcafe.de — ja, die stimmen<br />
nicht genau mit meinen gerade genannten Vorgaben<br />
überein — ist schon okay… :o)<br />
� Jeder darf mitmachen<br />
� Jeder Teilnehmer darf bis zu zwei <strong>Kurzgeschichten</strong><br />
einreichen. Die Texte müssen<br />
noch unveröffentlicht sein (auch<br />
Internetpublikationen zählen hier als<br />
Veröffentlichung)<br />
� Texteinsendungen ausschließlich per<br />
eMail als .doc– (KEIN docx!), .rtf– oder<br />
odt-Datei an<br />
a u s s c h r e i b u n g [ a t ] s t e a m p u n k -<br />
chroniken[dot]de (bitte das (at) durch<br />
“@” und das [dot] durch “.” ersetzen)<br />
� Die Geschichten müssen in deutscher<br />
Sprache geschrieben sein<br />
� Die endgültig in der Anthologie vertretenen<br />
Geschichten werden durch mich<br />
und ggfs. weitere Personen ausgewählt.<br />
Bei einer Annahme wird der<br />
Autor per Mail benachrichtigt, bei einer<br />
Ablehnung gibt es ebenfalls eine Mail,<br />
aber keine Begründung<br />
� Mit der Teilnahme bestätigen die Autoren<br />
und Autorinnen, alleinige(r)<br />
Urheber(in) des/der gesendeten<br />
Werke(s) zu sein und darin keine<br />
Rechte Dritter zu verletzen. Die Teilnehmer<br />
geben ihr Einverständnis zur<br />
redaktionellen Bearbeitung, zu einer<br />
eventuellen Übersetzung, sowie zur<br />
Veröffentlichung der Beiträge und<br />
Leseproben und einer eventuellen<br />
Übersetzung in einer eBook-Anthologie<br />
sowie im Internet. Auch Lesungen<br />
unter Nennung der jeweiligen Verfassernamen<br />
sollen erlaubt sein.<br />
� Jeder Text sollte mit dem Namen<br />
des/der Autors/Autorin versehen sein
� Eine Auswahl der besten Beiträge soll in<br />
einer Anthologie gemäß der Informationen<br />
auf der “Mission”-Seite veröffentlicht<br />
werden. Erscheinen wird diese online als<br />
eBook im Eigenverlag. Geplant sind auch<br />
Lesungen im öffentlichen Rahmen, Termine<br />
werden noch bekannt gegeben<br />
� Der Rechtsweg ist ausgeschlossen<br />
Vorläufiger Einsendeschluss: 31.08.2011 (wird bei<br />
Bedarf verlängert, aber wirklich nur im Notfall)<br />
Jede/r veröffentlichte Autor/in erhält ein Freiexemplar<br />
als PDF oder ePub. Darüber hinaus wird kein<br />
Honorar gezahlt (siehe auch hierbei für weitere<br />
Informationen die Seite “Mission”).<br />
Mit Einreichung seiner Geschichte erklärt sich der<br />
Teilnehmer mit den Bedingungen dieser Ausschreibung<br />
und den ergänzenden Details auf der Seite<br />
“Mission” in allen Punkten einverstanden.<br />
Es besteht kein Recht auf Veröffentlichung. Kriterium<br />
für eine Veröffentlichung ist die Qualität des Textes<br />
steampunk<br />
Die Steampunk-Chroniken<br />
und die Auswahl der Jury.<br />
Dem Autor oder der Autorin entstehen durch die<br />
Teilnahme oder die Veröffentlichung keinerlei<br />
Kosten.<br />
Wenn noch Fragen offen sind, können diese in den<br />
Kommentaren gestellt werden, oder aber auch an<br />
die Emailadresse im Impressum.<br />
Bild von Urban Don auf flickr, CC-Lizenz<br />
Die Steampunk-Chroniken<br />
http://steampunk-chroniken.de<br />
sh@steampunk-chroniken.de<br />
© OnehandsLady
Benötigte Materialien:<br />
Draht (evtl. Reste)<br />
Zangen<br />
Holzspiesschen o.ä.<br />
FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />
von Tumana<br />
Klammern gehören für mich zum Steampunk. Ob<br />
nun als etwas brutales Détail in einer Maske oder<br />
als hübsches Accessoir an einem andern Werk ist<br />
egal - ich mag Klammern.<br />
Man kann sie prima aus Abfallstücken selber<br />
machen, die dunklen Klammern hier zum Beispiel<br />
am linken Auge sind verhunzte O'Wires vom Bind<br />
it All als ich mich beim Buchbinden mal total<br />
verhauen hab.<br />
Je nach dem wie dick das Fimo ist passen wir die<br />
länge der "Füsschen" einfach an.<br />
Erst mal ein Füsschen biegen, ich behelfe mit mit<br />
Rund- und Spitzzange:<br />
steampunk<br />
Nun das zweite Füsschen machen - genau gleich!<br />
Das lange Stück das jetzt noch dranhängt…<br />
...einfach abzwacken:
FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />
von Tumana<br />
Hat man verschieden dicke Fimoschichten - auf der<br />
einen Seite z.B. eine Schicht, auf der andern drei -<br />
macht man einfach die Füsschen verschieden lang:<br />
Die Klammer halte ich mit der Zange fest:<br />
Ich drücke sie nur so tief ins Steampunkstück wie<br />
nötig damit sie nicht grad rausfällt.<br />
Reindrücken tu ich sie mit einem absichtlich zerbrochenen<br />
Holzspiesschen; erst die so weit rausragenden<br />
Spriessen abzupfen, dann hat man ein<br />
Superwerkzeug für Steampunk!<br />
Reindrücken! Falls gewünscht kann man so gleich<br />
noch ein paar "Rostspuren" im Fimo hinterlassen.<br />
steampunk<br />
Reindrücken tu ich sie mit einem absichtlich zerbrochenen<br />
Holzspiesschen; erst die so weit rausragenden<br />
Spriessen abzupfen, dann hat man ein<br />
Superwerkzeug für Steampunk!<br />
Reindrücken! Falls gewünscht kann man so gleich<br />
noch ein paar "Rostspuren" im Fimo hinterlassen.
FIMOANLEITUNG - Drahtklammern für Steampunklook<br />
von Tumana<br />
Verschieden dicke Lagen tackern ist wirklich kein<br />
Problem mehr so:<br />
steampunk<br />
Hab ich schon erwähnt dass ich mein Sofa einfach<br />
liebe?<br />
Ich liebe mein Ateliersofa! Und nicht nur ich.<br />
Vorsicht, das erste Steampunkwerk führt oft zum zweiten und vierundfünfzigsten! Man beginnt sich hektisch<br />
im Haushalt umzuschauen was man alles versteampunken könnte und der Keller vom Nachbarn, der mit all<br />
diesem Gerümpel drin ist plötzlich seeeehr attraktiv!<br />
Also sieh Dich vor<br />
Liebe Grüsse,<br />
Eure Tumana<br />
© Nyala
steampunk<br />
Ein Aufruf von Marcus Rauchfuß a.k.a Traveler<br />
Süddeutsche Steampunks, meldet euch!<br />
Am 8.Januar 2011 gab es das zweite Süddeutsche Mini-Treffen für Steampunks in<br />
Süddeutschland von dem ich weiß, diesmal in Augsburg. Erfreulicherweise habe ich erfahren,<br />
dass es noch einige “under cover” Steampunks zwischen Augsburg und München gibt. Also<br />
Leute, die sich für das Thema interessieren, aber noch nicht wirklich dazu gestoßen sind.<br />
Wir vier, klingt nicht schlecht, oder? Drei der vier waren allerdings meine Familie… Waren uns<br />
auf jeden Fall darüber einig, dass es an der Zeit ist, hier im sonnigen Süden aktiver zu werden.<br />
Also, aufruf an alle süddeutschen, österreichischen und schweizer Steampunks: Bitte meldet<br />
euch! Und wenn jemand dies liest, der Steampunks oder Interessenten aus Süddeutscheland<br />
kennt, bitte weiter sagen! Wir würden gerne ein Treffen organisieren, muss kein LARP sein,<br />
kann aber. Ich erkläre mich auch bereit, hier die Ferderführung zu übernehmen, muss dies<br />
aber nicht, wenn sich jeamdn anderer beflissen fühlt. Es geht jetzt nur mal darum, fest zu<br />
stellen, wie groß die Szene im Süden ist, wo wir uns genau befinden und was wir machen<br />
können. Ich weiß, dass Matthias (der Kopf hinter Steampunkwelten) Münchner ist und da gibt<br />
es auch noch mehr. Wir hatten ja schon mal ein Treffen im Victorian House am Viktualienmarkt.<br />
Ich hatte auch vor, das weiter zu organisieren, dann kam aber mal wieder alles anders und<br />
jetzt bin ich nicht mehr in München und obendrein Familienvater…<br />
Wie dem auch sei, nachdem es auch im sonnigen Süden der Republik immer mehr Steampunks<br />
gibt, schlage ich vor, wir treten mal in Kontakt, zum Austausch, Treffen etc.<br />
Ela hat den Vorschlag gemacht, in Montur in ein passendes Museum zu gehen o.ä. Mir schwebt<br />
auch ein entsprechender Kaffeehaus-Besuch vor oder man trifft sich mal zu einem<br />
ungezwungenen Kafee/Tee/Biwr irgendwo um die eigenen Interessen und Beweggründe<br />
darzulegen und zu sehen, wo man noch gemeinsam was machen könnte. In den USA und<br />
Großbritannien gibt es immer wieder große Steampunk Get-Togethers, es ist Zeit, dass wir<br />
auch mal was auf die Beine stellen. vielleicht finden wir uns auch zu einer bundesweiten<br />
Steampunk-Aktion.<br />
Aber jetzt erst mal: Süddeutsche, österreichische und schweizer Steampunks, bitte melden!<br />
Man erreicht mich am Besten per Æthermail unter webmaster@dailysteampunk.com
Und hier noch einige ausgewählte Links zu<br />
Steampunk-Seiten im Internet, auf denen ihr euch<br />
einen Eindruck über die Vielfältigkeit des Themas<br />
verschaffen könnt:<br />
Community:<br />
� The Daily Steampunk (dt.) http://www.dailysteampunk.de/<br />
� Clockworker (dt. aktuell die größte und älteste<br />
Steampunk-Seite) http://clockworker.de/cw/<br />
� Künstlerseite von Richard "Doc" Nagy (engl.)<br />
http://www.datamancer.net/<br />
� Daily Steampunk (engl.) http://dailysteampunk.com/<br />
� Steampunk Magazin (engl.)<br />
http://www.steampunkmagazine.com<br />
� Steamtown (dt.) http://www.steam-town.de/<br />
� The Steampunk Workshop (engl.)<br />
http://www.steampunkworkshop.com/<br />
� Steampunk Design (dt.) http://www.steampunkdesign.com<br />
� Feder&Schwert goes Steampunk http://www.federundschwert.com/index.php?option=com_content&view<br />
=article&id=173:steampunk&catid=51:news<br />
� Brass Goggles (engl.)<br />
http://brassgoggles.co.uk/blog/<br />
Musik:<br />
� Abney Park http://www.abneypark.com/<br />
� The Clockwork Quartet<br />
http://www.clockworkquartet.com/<br />
� the Dresden Dolls<br />
http://www.dresdendolls.com/home.html<br />
� the Tiger Lillies http://www.tigerlillies.com<br />
� The Clockwork Dolls<br />
http://www.theclockworkdolls.com/<br />
� Dr. Steel<br />
http://www.worlddominationtoys.com/drsteel/<br />
� The Men That Will Not Be Blamed For Nothing<br />
https://www.facebook.com/blamedfornothing<br />
� Sunday Driver http://www.sundaydriver.co.uk/<br />
� Unextraordinary Gentlemen<br />
http://www.unextraordinarygentlemen.com/<br />
� Vernian Process http://www.vernianprocess.com/<br />
Filme:<br />
� Sky Captain and the world of tomorrow<br />
http://www.skycaptain.com/<br />
steampunk<br />
Links<br />
� Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen<br />
http://www.imdb.de/title/tt0311429/<br />
� Prestige<br />
http://wwws.warnerbros.de/theprestige/landing.h<br />
tml<br />
� Vidocq http://www.imdb.de/title/tt0164961/<br />
� Wild Wild West<br />
http://wildwildwest.warnerbros.com<br />
� Steamboy http://www.steamboy.net/intro.shtml<br />
� Last Exile http://www.jvcmusic.co.jp/flyingdog/lastexile/top.html<br />
� Casshern http://www.imdb.de/title/tt0405821/<br />
Comics:<br />
� Girl Genius<br />
http://www.girlgeniusonline.com/comic.php<br />
� Dust http://www.theridecomic.com/dust.html<br />
� The League of Extraordinary Gentlemen<br />
http://www.comicimoc.de/comic/the_league_of_ex<br />
traordinary_gentlemen.html<br />
� Ignition City http://www.ignitioncity.com/<br />
� AETHERIC MECHANICS<br />
http://www.comicbookresources.com/?page=user_r<br />
eview&id=495<br />
� Steam Noir http://steamnoir.com/<br />
� Fee http://www.splitter-verlag.eu/fee.html<br />
� LADY MECHANIKA<br />
http://www.joebenitez.com/mechanika.htm<br />
Literatur:<br />
� Jules Verne http://www.jverne.de/verne_edit1.html<br />
� H. G. Wells http://www.phantastik-couch.de/h-gwells.html<br />
� 20 wichtige Bücher der Steampunk-Literatur (engl.)<br />
http://www.libraryjournal.com/article/CA6720180.h<br />
tml<br />
� George Mann’s - The Affinity Bridge (engl.)<br />
http://www.tor.com/blogs/2009/10/has-anybodyseen-the-bridge<br />
Und noch viele, viele Seiten mehr gibt es unter<br />
http://www.google.de/#hl=de&xhr=t&q=steampunk
Hans Zimmers RANGO chargiert wild(geworden)<br />
zwischen Ennio Morricone, Richard Wagner und<br />
Johann Strauss. Damit ist jedoch weniger der Film<br />
an sich, als die orchestrale Packungsbeilage gemeint<br />
– kurz, der Soundtrack. Denn was diese CD mit ihren<br />
zwanzig scores angeht, drängt sich bei näherer<br />
Betrachtung, oder vielmehr Anhörung förmlich die<br />
Frage auf, was das denn nun sei: Grober Diebstahl<br />
geistigen Eigentums, oder vielleicht doch „nur“ eine<br />
liebgemeinte Referenz, quasi eine lobhudelnde<br />
Hommage an die alten Meister? Der Versuch einer<br />
Antwort fördert höchst Unerfreuliches zutage. Ein<br />
bislang wenig beachteter Konfliktherd schwellt hier<br />
munter vor sich hin.<br />
Ganz allgemein nimmt es ja kaum ein Komponist<br />
aus Hollywood mit der Originalität so genau (Anm.:<br />
John Williams, Bill Conti, James Horner, … ). Bei Tyler Bates<br />
gab es diesbezüglich schon massiven Ärger. Hat der<br />
doch schon unverschämterweise „seinen“ vierten<br />
track aus 300 (Regie: Zack Snyder, USA 2007) von<br />
Elliot Goldenthal geklaut – aus dem O. S. T. der<br />
Shakespeare-Verfilmung TITUS (Regie: Julie Taymor,<br />
USA/I 1999). Ihr werdet euren Ohren nicht trauen!<br />
Returns a King ist eine nahezu deckungsgleiche<br />
Version von Victorious Titus. Hans Zimmer geht bei<br />
seinen Plagiats-Kompositionen zwar ungleich versierter<br />
und geschickter vor, doch gleichwohl ebenso<br />
ungeniert, wenn nicht sogar meilenweit unverfrorener<br />
zu Werke. Der gebürtige Frankfurter kupferte<br />
in der Vergangenheit doch vornehmlich bei sich selbst<br />
ab! (Anm.: Oder etwa noch nicht aufgefallen, dass sich die<br />
O.S.T.´s von BACKDRAFT und THE ROCK zum Verwechseln<br />
ähneln? Und das ist nur die Spitze des Eisbergs …) Doch<br />
mittlerweile wird er immer (toll)dreister!!<br />
FLUCH DER KARIBIK 3 (PIRATES OF THE CARIBBEAN:<br />
AT WORLD’S END. Regie: Gore Verbinski, USA 2007)<br />
bedient sich beispielsweise schon in gewissen Teilen<br />
äußerst ausgiebig beim Spaghettiwestern-Œuvre von<br />
Ennio Morricone (Anm.: Zu Fluch der Karibik 4 soll hier<br />
geschwiegen werden …). Und die Ouvertüre zu KUNG FU<br />
PANDA (Regie: Mark Osborne/John Stevenson, USA<br />
2008) mit dem Namen Hero weist frappierende<br />
artikel<br />
Nah(end)er O.S.T. – Konflikt:<br />
Melodien von und für Millionen?<br />
Ähnlichkeiten zu Battle Without Honor or Humanity<br />
von Tomoyasu Hotei auf, einem energiegeladenen<br />
Soundstück, dass wir noch aus KILL BILL: VOL. 1<br />
(Regie: Quentin Tarantino, USA 2003) in guter Erinnerung<br />
haben und womit wir augenblicklich Uma<br />
Thurman als rächende Braut im gelben Bruce-Lee-<br />
Gedächtnis-Outfit assoziieren. Also nach dem Mann<br />
und der Frau mit der Todeskralle nun auch ein fetter<br />
Panda mit einer solchen, das will uns zumindest die<br />
musikalische Untermalung suggerieren. Und nun?<br />
Nun treibt es Hans Zimmer allerdings bei den<br />
Klangfarben seines Chamäleons RANGO (R: Gore<br />
Verbinski, USA 2011) zu bunt. Ein regelrechtes Leipziger<br />
Allerlei von verschiedensten Partituren hängen<br />
an diesem singenden, klingenden O. S. T. - Bäumchen.<br />
Ganz explizit geht es mir jedoch um den Track<br />
Nummero 12, namens Bats. Das Stück beginnt mit<br />
einer klampfigen Hillbilly-Version des Walkürenritts<br />
von Richard Wagner, hier und da unterlegt von<br />
jaulenden Mundharmonikaklängen, wie sie schon<br />
Charles Bronson in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD<br />
(Regie: Sergio Leone, USA 1968) getrötet hat. Dann<br />
leiten ein paar schmissige Bläserattacken, wie wir das<br />
aus dem Soundtrack von FLUCH DER KARIBIK<br />
gewohnt sind (Anm.: Für den im Grunde damals auch eher<br />
Klaus Badelt verantwortlich war …) über zum anheimelnden<br />
Donauwalzer von Johann Strauß. Der wird dann aber<br />
abrupt durch ein paar rasche Klangfolgen abgebrochen,<br />
bei denen ein jeder unwillkürlich He´s a pirate<br />
denken muss. Anschließend wird das main theme von<br />
RANGO angespielt – oder sollte man es als ausgespielt<br />
bezeichnen? – bevor der frenetische Einsatz von<br />
dröhnenden Trompeten so ziemlich alles überdeckt.<br />
Jetzt könnte freilich der Einwand erhoben werden,<br />
dass ‚Diebstahl geistigen Eigentums’ in der Welt der<br />
Musik gang und gebe ist, also allerhöchstens ein<br />
Kavaliersdelikt. Franz Liszt hat früher auch schon<br />
Partituren aus Opern von Verdi fürs Klavier umgeschrieben<br />
und damit die Salonmusik des 19ten Jahrhunderts<br />
quasi erfunden (Wohl deswegen gilt er bis<br />
heute als einer der produktivsten Komponisten seiner<br />
Zeit) Musikologisch gesehen geht das wohl als Cover
version‚ Remix, oder Sampling in Ordnung. Da freut<br />
sich doch die GEMA! Das neue Arrangieren und<br />
geringfügige Variieren bereits bekannter Tonabfolgen<br />
hat im Bereich der Musik also eine lange Tradition.<br />
Länger, als das Prinzip des Remakes, oder Reimaginings<br />
im Film. Man denke in jüngerer Vergangenheit<br />
dabei nur an Joe Cocker, der seinen Durchbruch<br />
letztendlich nur with a little help from his friends John<br />
Lennon und Paul McCartney geschafft hat, welche<br />
ihrerseits wiederum zu Anfang mit Chuck Berrys Hilfe<br />
rund um die Uhr gerockt sind. Oder wer hätte denn<br />
gewusst, dass Sinead O´Connors Nothing compares<br />
to U ursprünglich von Prince stammt, oder Janis<br />
Joplins Me and Bobby McGee von Kris Kristofferson?<br />
Peter, Paul and Mary bliesen zudem ungleich erfolgreicher<br />
in den Wind, als Bob Dylan.<br />
Im Bereich der Bewegten Bilder sei hier noch der<br />
O.S.T von MICMACS À TIRE-LARIGOT (R: Jean-Pierre<br />
Jeunet, F 2009) erwähnt. Dieser wurde von Klangbildhauer<br />
Raphaël Beau<br />
gestaltet – mithilfe alter O. S. T.´s von Max Steiner.<br />
So ist es auch zu erklären, dass der Film in Nuancen<br />
verdächtig nach CASABLANCA (R: Michael Curtiz, USA<br />
1942), oder VOM WINDE VERWEHT (R: Victor Fleming,<br />
USA 1939) klingt. (Anm.:<br />
http://www.bbc.co.uk/music/reviews/4nvh) Ergo: Plagiate<br />
wohin das Ohr auch reicht. Und wir sind es ja mittlerweile<br />
schon gewohnt, dass Western-Szenarien mit<br />
Klängen unterlegt werden, wie sie bereits in den<br />
1960er Jahren Ennio Morricone mit Filmen wie der<br />
‚Dollar-Trilogie’ eingeführt hat. Eine blechern scheppernde<br />
Trompete, wie das damals bei EINE HAND-<br />
VOLL DOLLAR (R: Sergio Leone, I/S/D 1964) der Fall<br />
war. Harte Klänge einer nicht unbedingt einwandfrei<br />
gestimmten Gitarre wie sie ein El Mariachi durch die<br />
endlosen Weiten der Prärie mit sich in einem Koffer<br />
spazieren trägt. Dazu die klagende Arie einer hochgeschraubten<br />
Sopranistin, die über The Ecstasy of Gold<br />
singt. Ferner ein klimperndes Klavier, wie es gefälligst<br />
in jedem verstaubten, abgewrackten Saloon im<br />
Wilden Westen zu stehen hat …<br />
Nah(end)er O.S.T. – Konflikt:<br />
Melodien von und für Millionen?<br />
Selbstverständlich sollen bei den Bats von Hans<br />
Zimmer keine Assoziationen zu Wagners Nibelungenring<br />
aufgebaut werden, auch nicht zum Donauwalzer<br />
und allem, wofür er ideologisch in der Alten Welt<br />
steht. Viel mehr haben wir es hier mit einem augenzwinkernden<br />
Fingerzeig (Anm.: Sofern dies anatomisch<br />
überhaupt möglich ist …) auf die überaus einprägsame<br />
und deswegen auch mittlerweile allerseits tief eingeprägte<br />
Sequenz des Hubschrauberangriffes aus APO-<br />
CALYPSE NOW (R: Francis Ford Coppola, USA 1979)<br />
zu tun – ferner auf den trägen Tanz der zirkulierenden<br />
Raumstation aus 2001 – A SPACE ODYSSEE (R: Stanley<br />
Kubrick, USA 1969). Ein Wink mit dem Zaunpfahl in<br />
Form des Taktstockes des Dirigenten Hans Zimmers.<br />
So gesehen ist also der Tatbestand eines Verbrechens<br />
nicht erfüllt. Antrag auf Einstellung dieses Verfahrens<br />
hiermit stattgegeben. Hans Zimmer wird demzufolge<br />
nicht ins Gefängnis rock house jail (Anm.: Der Name eines<br />
scores aus The Rock (R: Michael Bay, USA 1996)) müssen.<br />
Doch ist es, auch wenn es legal ist, damit automatisch<br />
auch legitim?<br />
Es soll jetzt im Wendekreis von ‚Coversionen’ keine<br />
Pejoration betrieben werden, doch mutet es höchst<br />
befremdlich an, nur noch die Kopien von Kopien von<br />
Kopien der Kopien zu hören. Mit größter Vorsicht zu<br />
genießen ist unter solchen Umständen der (Aus)Blick<br />
in die Zukunft. Was wäre denn, wenn es in diesem<br />
Stil heiter weiterginge? Wenn Referenzen und Hommagen<br />
nur noch Inspirationslosigkeiten kaschieren<br />
würden? (Anm.: Was sie mit größter Wahrscheinlichkeit jetzt<br />
schon tun, allerdings (noch) adäquat verkauft werden können.)<br />
Die Medienbetriebe sich fortwährend selbst zitieren,<br />
hommagieren, reflektieren, referenzieren, kurz und<br />
freundlich formuliert, recyceln? Und sich damit letztendlich<br />
zu Nullmedien degradieren? Dann wäre folglich<br />
ein Zustand erreicht, in dem Melodien für<br />
Millionen auch von Millionen sind, was eher paradox<br />
als basisdemokratisch anmutet und darüber hinaus<br />
den Absoluten Nullpunkt in Kunst und Kultur, geradezu<br />
einen Rasenden Stillstand markiert, auf den wir<br />
alle offenbar unweigerlich zutreiben. Bleibt zu hoffen,<br />
dass dem nicht so sein wird.<br />
© 2011 Markus Kügle<br />
artikel
The New Dead<br />
A Zombie Anthology<br />
By Christopher Golden<br />
ISBN-13: 978-0312559717<br />
Egal, wie die wandelnden Toten bezeichnet<br />
werden - ob Beisser, Reanimierte oder einfach nur<br />
althergebracht, aber immer noch bewährt, Zombies:<br />
In diesem Band stehen sie im Mittelpunkt. Teils<br />
laufen, schlurfen, wanken oder kriechen sie. Teils<br />
sind sie bestialisch, philosophisch oder melancholisch.<br />
Allerdings haben sie eines alle gemeinsam: Sie<br />
sind seit den Zeiten der ersten Romero-Filme hinaus<br />
immer beliebter geworden und fassen - endlich -<br />
auch in Deutschland in anderen Medien immer<br />
weiter Fuß, wie z.B. in Büchern (besonders zu<br />
empfehlen: „Der Zombie Survival Guide“) und<br />
Comics („The Walking Dead“). „The New Dead“ zeigt<br />
eine breite Vielfalt der Untoten mit unterschiedlichen<br />
Motiven, Darstellungen und Interpretationen<br />
der Autoren.<br />
Die Anthologie beginnt mit „Lazarus“, eine<br />
Geschichte, die die berühmte Bibelpassage in einem<br />
etwas anderen Licht erzählt. Ist es wirklich ein<br />
Segen, die Toten aus ihren Gräbern zu rufen? In<br />
diesem Fall wohl nicht. Der Autor John Connolly<br />
rezension<br />
The New Dead<br />
schildert die Ereignisse und Gedanken des Wiederauferstandenen<br />
sehr stimmungsvoll. Als Leser empfindet<br />
man viel Mitgefühl für die Hauptfigur; die traurige<br />
Atmosphäre lässt Einen nicht los.<br />
Skrupellos und abartig sind passende Eigenschaftswörter<br />
für die nächste Short Story: „Maisie“. Hier<br />
erinnern sich die so genannten Reanimierten lediglich<br />
an Bruchstücke ihres alten Lebens, doch auch nur dann,<br />
wenn sie sexuell missbraucht oder ihnen Schmerzen<br />
zugefügt werden. Walter ist eines Nachts betrunken<br />
Auto gefahren und hat eine junge Studentin überfahren.<br />
Er begeht Fahrerflucht. Einige Zeit später trifft er<br />
sie in einem fragwürdigen Club, in dem die untoten<br />
Ladies als Kellnerinnen und anderes auftreten … Die<br />
Sprache und Beschreibungen in diesem Werk sind noch<br />
nicht einmal das Schlimmste. Aber allein schon die<br />
Ideen, die in dieser Kurzgeschichte thematisiert<br />
werden, reichen schon aus, dass einem übel wird. Ein<br />
starker Magen ist hier Voraussetzung!<br />
Nach dem 11. September haben sich viele junge<br />
Männer zum Dienst gemeldet; sie haben sich bereit<br />
erklärt für ihr Land zu kämpfen und Soldat zu werden.<br />
Die Zeiten haben sich allerdings geändert. Der Opfer<br />
gibt es etliche und viele Häuser stehen in den USA leer.<br />
Diebesbanden machen gute Geschäfte, in dem sie die<br />
Behausungen ausrauben. Copper ist ein Veteran, der<br />
seine Heimat gut kennt. Geduldig warten die untoten<br />
Greenhorns auf ihren neu erkorenen Anführer. Schließlich<br />
gilt es mit Strategien und Plänen, die nur ein<br />
erfahrener Kommandant schmieden kann, das einzufordern,<br />
was ihnen ihr Land angetan hat. „Copper“ hat<br />
einen bemerkenswerten Stil: Es findet sich fast ausschließlich<br />
ein parataktischer Satzbau. Subjekt, Prädikat,<br />
Objekt. Manchmal auch nur ein Wort. Außerdem<br />
tauchen viele Wiederholungen auf und Beginn mag<br />
man sich darüber ärgern und nicht damit zurechtkommen.<br />
Später erkennt man jedoch wie passend der<br />
Schreibstil für diese Geschichte ist und wie genial es in<br />
Szene gesetzt wird. Eine sehr außergewöhnliche und<br />
zugleich interessante Erzählung.<br />
Nach diesen drei einprägsamen Geschichten folgen<br />
weitere, die für das Genre charakteristisch, aber auch<br />
ein wenig reizlos sind. In „Im Staub“ wird eine kleine
Gruppe Menschen in einem isolierten Gebiet vom<br />
Militär gefangen gehalten, da eine mysteriöse<br />
Seuche ausgebrochen ist. In diesem Endzeitszenario<br />
wirkt das Militär bedrohlich und übermächtig, bis<br />
es irgendwann letztendlich auch betroffen ist. „Zum<br />
Leben verurteilt“ hält keine Überraschungen bereit<br />
und ist auch zu klischeehaft: Der reiche Mistkerl, die<br />
attraktive, aber kühle Assistentin und das fade Ende.<br />
Die achte und auch etwas längere Kurzgeschichte<br />
„Familienbetrieb“ ist dann wieder sehr unterhaltend,<br />
insbesondere die genannten Berufe, die in<br />
einer von Zombies bevölkerten Welt wichtig sind,<br />
beispielsweise: Zaunprüfer, Späher, Schutzjackenverkäufer,<br />
aber auch so etwas wie Ascheabsauger,<br />
Grubendurchstöberer, Erosionskünstler (Es werden<br />
Fotos von verstorbenen Fotos genommen und der<br />
Künstler zombifiziert diese, damit die Jäger es leichter<br />
bei ihren Streifzügen haben) und Abfüller (Diaminopentan<br />
wird aus Zombiefleisch gepresst. Das<br />
gewonnene Öl setzen Jäger bei ihrer Jagd ein, um<br />
nicht sofort von den Untoten erkannt zu werden).<br />
Es sind ein paar sehr kreative Elemente dabei, die<br />
die Geschichte lesenswert machen, leider hapert es<br />
bei den Charakterdarstellungen. Auch hier ist das<br />
Ende voraussehbar.<br />
Der Autor von „Der Zombie der vom Himmel fiel“<br />
versucht Humor in seine Erzählung zu bringen, was<br />
ihm aber gründlich misslingt. Die Gedichte und die<br />
Fußnoten sind völlig fehl am Platz.<br />
„Dritter Frühling“ ist insoweit für Zombie-Fans<br />
ansprechend, da sich ein ziemlich abgebrühter<br />
Börsenmakler freiwillig dazu entschließt zum<br />
Untoten zu werden, damit er ohne die lästigen<br />
Probleme des Lebens, wie Herzinfarkte, von denen<br />
er bereits schon zwei an der Zahl hatte, Essen und<br />
Trinken etc. ungehindert seinen Geschäften nachgehen<br />
kann. Interessant: Die verschiedensten Verwesungsstadien<br />
und Gegenmaßnahmen werden aus<br />
der Sicht der Hauptfigur beschrieben.<br />
Eine fast perfekte Geschichte, bei der es um einen<br />
Zombie geht, der seit Jahrzenten unter Wasser<br />
gekettet ist und nun von einem Taucher gefunden<br />
The New Dead<br />
wird, ist „Geisterreuse“. Mit dem Kontakt des<br />
Geschöpfes wird eine Seuche in die Welt gebracht, die<br />
die Menschheit vernichten könnte. Hätte man sich hier<br />
den letzten Satz gespart, gäbe es keine Abstriche in der<br />
Bewertung.<br />
Nightingale beschäftigt sich in „Sturmtür“ mit dem<br />
Paranormalen. Als er seinem kranken Onkel einen<br />
Besuch abstattet, berichtet er über seine jüngsten<br />
Untersuchungen. Er hegt die Vermutung, dass sich<br />
bösartige Hungergeister in die stoffliche Welt manifestieren<br />
und so Kontrolle über die Verstorbenen übernehmen<br />
können. Schließlich bemerkt er, dass etwas<br />
mit seinem Onkel nicht stimmt … Keine klassische<br />
Zombiegeschichte, aber eine mit paranormalen<br />
Akzenten. Und diese tun der Anthologie gut, bringen<br />
sie doch etwas frischen Wind auf, besonders im letzten<br />
Drittel des Buches. Ein Lob an Tad Williams, der exotische<br />
Kulturen und deren Anschauungen wie z.B. das<br />
Bardo Thödröl - das tibetische Totenbuch - auf wenigen<br />
Seiten so interessant und informativ beschreibt.<br />
Neben „Copper“ ist „Twittern aus dem Zirkus der<br />
Toten“ von Joe Hill, bemessen an dem Schreibstil,<br />
ebenfalls eine außergewöhnliche Story. Wie der Titel<br />
vermuten lässt, ist der gesamte Inhalt in Form von<br />
kurzen Textnachrichten verfasst. Eine Art Leseprobe<br />
lässt sich tatsächlich auch online finden unter<br />
http://twitter.com/#!/TYME2WASTE<br />
Nicht umsonst gebührt Hill die Ehre der letzten<br />
Erzählung, rundet sie doch die Anthologie sehr schön<br />
ab.<br />
Fazit:<br />
Zombievielfalt ohne Ende: Untote und ihre verschiedenen<br />
Darstellungen finden sich in „The New Dead“.<br />
Bei den meisten der <strong>Kurzgeschichten</strong> gibt es zwar kein<br />
überraschendes Ende, aber das ist bei diesem Genre<br />
ganz gut zu verkraften. Unterm Strich sind viele der<br />
Geschichten spannend geschrieben und bestens geeignet<br />
für kurzweilige Unterhaltung.<br />
© 2011 Wassilios Dimtsos<br />
rezension
DIE SCHÖPFERIN DES<br />
TRÄUMENDEN UNIVERSUMS<br />
- Erfolgsautorin Uschi Zetsch.<br />
Natürlich ist USCHI ZIETSCH den Fantasylesern<br />
längst keine Unbekannte mehr, dennoch möchte<br />
ich über das Allroundtalent (Autorin, Velergerin,<br />
Dozentin) einige Worte verlieren: 1961 geboren<br />
absolvierte Uschi Zietsch das Abitur in München und<br />
studierte Jura, Politik, Theaterwissenschaft und<br />
Geschichte.<br />
Ihr erster Roman „Sternwolke und Eiszauber“<br />
erschien bereits 1986 im Heyne-Verlag. Kurz darauf<br />
gründete sie ihren eigenen Verlag: Fabylon.<br />
In den Folgejahren schrieb sie, teilweise unter ihrem<br />
Pseudonym „Susan Schwartz“, etliche Romane für<br />
Serien wie DSA, SunQuest, Elfenzeit und für TV-<br />
Serien, darüber hinaus viele Dutzend<br />
Heftromane/Titel für die Serien Perry-Rhodan,<br />
Atlan, Maddrax und Bad Earth.<br />
Im Jahre 2008 errang Uschi Zietsch mit ihrer Story<br />
"Aische" den 1. Platz des Literaturpreis Amnesty<br />
International »Menschenrechte«.<br />
Doch sie macht nicht nur als Schriftstellerin von sich<br />
reden, sie gibt auch Schreibseminare für angehende<br />
Autoren in Österreich und Deutschland und verlegt<br />
nicht nur textlich herausragende, sondern auch<br />
optisch sehr ansprechende Bücher bei Fabylon.<br />
Eine Allrounderin in der Literaturszene.<br />
Aktuell ist sie u.a. mit Romanen, die im „Träumenden<br />
Universum“ beheimatet und bei Bastei<br />
Lübbe erschienen sind, auf dem Markt.<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
NAURAKA - Volk der<br />
Tiefe<br />
Taschenbuch<br />
493 Seiten<br />
15.00 EUR<br />
ISBN:978-3-404-28534-1<br />
Oktober 2009<br />
Sie atmen Wasser und<br />
wandeln auch auf der<br />
Erde. Sie haben Fähigkeiten,<br />
die die eines<br />
gewöhnlichen Sterblichen<br />
bei weitem überschreiten.<br />
Sie sind die Nauraka, und sie leben auf<br />
Waldsee, einer Welt voller mystischer und absonderlicher<br />
Wesen und Dämonen. Erenwin ist einer von<br />
ihnen.<br />
Eines Tages findet Erenwin auf dem Meeresgrund<br />
einen alten Gegenstand: eine seltsame Perle. Plötzlich<br />
hört er merkwürdige Stimmen, und dann taucht<br />
vor ihm ein Geschöpf aus den dunklen Fluten auf,<br />
ein Geschöpf, wie es die Nauraka noch nie zuvor<br />
gesehen haben …<br />
LESEPROBE<br />
15. Die Traurige Festung<br />
portrait<br />
Erenwin hasste Laoren mit jeder Faser seines Seins.<br />
Der Alte war ein launischer Nörgler, der ihn den<br />
ganzen Tag schikanierte, oft betrunken und meistens<br />
von seinen Kräutern berauscht war. Von<br />
welchem Volk er stammte, fand der Nauraka nicht<br />
heraus, doch Laoren verstand sich immerhin so weit<br />
auf Magie, dass er seinen »Gast«, wie er Erenwin<br />
ab und zu höhnisch bezeichnete, unter Kontrolle<br />
hielt.<br />
Es gab stets viel zu erledigen, wenngleich Erenwin<br />
den Sinn dahinter nicht immer ergründen konnte.<br />
Aber er hatte keine Wahl. Er konnte sich nicht<br />
einmal einen Schritt zu weit von dem Alten entfernen,<br />
ohne dass er bitter dafür büßen musste. Jedes
Mal fiel die Strafe anders aus; manchmal fuhr ein<br />
Blitz auf ihn herab, der ihn wie einen Baum fällte<br />
und ohnmächtig werden ließ, und danach war ihm<br />
oft noch tagelang übel, und wenn er Wasser trank,<br />
wurde er von einem Schlag getroffen, der ihn<br />
zusammenbrechen ließ. Manchmal versanken seine<br />
Füße im Sand, und er steckte darin fest, ohne sich<br />
befreien zu können, der erbarmungslosen Sonne<br />
ausgesetzt, bis er ohnmächtig wurde. Sogar Schläge<br />
von unsichtbarer Hand, wie von einer Keule, hatte<br />
er empfangen, bis sein Körper von Blutergüssen<br />
angeschwollen und verfärbt war und er sich kaum<br />
noch rühren konnte.<br />
Am schlimmsten war es, wenn Laoren einen besonders<br />
unkontrollierten Wutausbruch bekam und den<br />
jungen Mann in eine Grube warf, die unter dem<br />
Sand verborgen lag, gleich neben dem Brunnen. Er<br />
schaufelte Bretter frei, schob sie beiseite und zwang<br />
Erenwin, in den feuchtkalten Schacht zu steigen, in<br />
dem so wenig Platz war, dass er sich mit eng<br />
angezogenen Beinen hinkauern musste. Dann legte<br />
Laoren die Bretter über die Grube und schaufelte<br />
wieder Sand darüber. Manchmal verbrachte<br />
Erenwin Tage darin, bis der Alte sich endlich wieder<br />
an ihn zu erinnern schien und ihn herausließ.<br />
Jede Nacht kettete er Erenwin an seinem Lager an,<br />
und auch tagsüber, wenn Laoren ans Meer ging, um<br />
Strandgut zu sammeln.<br />
Erenwin litt unter der trockenen Hitze, wenn er<br />
draußen arbeiten musste, und unter der muffigen<br />
Dunkelheit in der Hütte. Nahrung bekam er gerade<br />
so viel, dass er bei Kräften blieb, doch er litt nicht<br />
selten Hunger und vor allem Durst.<br />
Und er konnte nicht entkommen. Der Alte hatte<br />
sein Pendel immer griffbereit und erneuerte den<br />
Bann, sobald er anfing, sich zu lösen. Erenwin hatte<br />
allerlei Tricks versucht, um ihn zu täuschen, doch<br />
Laoren merkte es sofort und zog hämisch grinsend<br />
das Medaillon hervor.<br />
»Willst du mich bis ans Ende deiner Tage als Sklaven<br />
halten?«, fragte Erenwin nicht zum ersten Mal, als<br />
er wieder einmal aus der Grube stieg. Diesmal hatte<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Laoren ihn darin verborgen, weil Händler vorbeigekommen<br />
waren, um Strandgut, Kräuter und Salben<br />
zu kaufen, und allerlei Dinge zur Beschwörung.<br />
Laoren wollte nicht, dass jemand von seiner Anwesenheit<br />
erfuhr. Bemerkbar machen konnte Erenwin<br />
sich nicht, weil der Alte ihn geknebelt und gefesselt<br />
hatte.<br />
»Ich finde das sehr praktisch«, kicherte Laoren<br />
boshaft. »So viel Spaß hatte ich schon lange nicht<br />
mehr. Außerdem habe ich jemanden zur Unterhaltung.<br />
Und für dich ist es eine gute Lehre, Prinzenbürschlein,<br />
Bescheidenheit zu lernen.«<br />
Laoren war nicht immer grausam; vor allem beim<br />
gemeinsamen Abendessen konnte er durchaus<br />
umgänglich sein und zeigte sich als Gelehrter mit<br />
viel Wissen, das er bereitwillig preisgab, und das<br />
Erenwin begierig in sich aufsog.<br />
»Laoren«, sagte er in solch friedlichen Momenten,<br />
»bitte lass mich frei. Du weißt, dass ich meine<br />
Schwester suchen muss. Wenn du mich auf ewig<br />
daran hinderst, wird es dich das Leben kosten, denn<br />
ich stehe unter einem Bann. Der Fluch wird auch<br />
dich treffen, sollte ich meine Verpflichtung nicht<br />
erfüllen können.«<br />
»Was verstehst du denn von diesen Dingen?«,<br />
erwiderte der Alte verächtlich.<br />
»Genug um zu wissen, dass es so ist. Ich werde<br />
freikommen, aber du wirst bezahlen. Je länger du<br />
mich hier behältst, umso schlimmer wird es dich<br />
treffen.«<br />
»Darauf lasse ich es ankommen.«<br />
Erenwin sagte nichts mehr, doch er fühlte die<br />
Dunkelheit in sich wachsen, und das wütende Flüstern<br />
der Schwarzen Perle.<br />
Wie lange er nun schon hier war, vermochte er<br />
nicht zu sagen. Die Jahreszeiten, von denen Laoren<br />
erzählt hatte, waren hier im Süden des Landes<br />
Nerovia kaum zu bemerken. Ab und zu wurde es ein<br />
bisschen angenehmer, wenn die Sonne schräger als
sonst am Himmel stand, die Tage kürzer wurden und<br />
ein kühler Wind vom Meer her blies.<br />
Für Erenwin veränderte sich dabei nicht viel, außer,<br />
dass er mehr Schlaf bekam und Laoren öfter im<br />
Rausch dahindämmerte. Doch die Arbeit blieb dieselbe,<br />
und der tägliche Rhythmus auch. Ab und zu<br />
kamen Händler, und nie gelang es Erenwin, sie auf<br />
sich aufmerksam zu machen.<br />
Seine Sinne wären längst abgestumpft, wäre da<br />
nicht das fordernde Flüstern in ihm gewesen, und<br />
das Bewusstsein der Schuld, weil er Lurdèa im Stich<br />
gelassen hatte. Immerhin hatte die Sehnsucht nach<br />
dem Meer endlich nachgelassen; seine Seele hatte<br />
wohl erkannt und akzeptiert, dass es kein Zurück<br />
mehr gab. Zumindest nicht, bis er seine Schwester<br />
gefunden hatte. Wenn er denn je die Suche nach ihr<br />
fortsetzen konnte.<br />
Doch nachdem immer mehr Zeit verging, sah er ein,<br />
dass er keine Möglichkeit mehr hatte, jemals ihre<br />
Spur zu finden. Dann war das eben das Schicksal<br />
seines Lebens, er konnte es nicht ändern. Der Fluch<br />
seines Vaters zwang ihn zu suchen, selbst wenn<br />
Lurdèa gar nicht mehr am Leben sein sollte – oder<br />
sogar den Weg nach Hause schon gefunden hatte.<br />
Jeden Tag entwarf Erenwin einen neuen Plan für<br />
seine Flucht, und jeden Tag vereitelte Laoren ihn.<br />
Es war ein immerwährender Wettkampf zwischen<br />
ihnen. Der Alte durfte niemals in seiner Aufmerksamkeit<br />
nachlassen, und der Nauraka würde<br />
niemals aufhören, ihn herauszufordern.<br />
Erenwins Körper hatte sich durch die harte Arbeit<br />
gut an das Landleben angepasst, seine Muskeln<br />
waren prächtig entwickelt, und er war geschmeidig<br />
und schnell. Sobald er Gelegenheit dazu hatte, übte<br />
er heimlich mit einem Stock den Schwertkampf und<br />
hielt seinen Körper geschmeidig. An die Truhe mit<br />
seiner Kleidung und Lurions Schwert kam er nie<br />
heran, so oft er es auch versuchte. Allerdings verkaufte<br />
Laoren die Sachen auch nicht, obwohl er sonst<br />
so geldgierig war und schon eine Menge gehortet<br />
hatte, wofür auch immer, denn er gab nie etwas<br />
davon aus.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
»Solange ich deinen Besitz habe, besitze ich dich«,<br />
gackerte der Alte, als Erenwin wieder einmal unter<br />
den Folgen eines fehlgeschlagenen Versuchs zu<br />
leiden hatte.<br />
»Ich werde nie aufgeben, und du wirst bezahlen«,<br />
knurrte Erenwin. »Für jeden einzelnen Tag, den ich<br />
hier verbringen muss. Dein Ende ist schon nah, alter<br />
Mann.«<br />
Dreihundert Mann zogen durch das Reich Morang<br />
und trieben die Steuern ein. Wer nicht zahlen<br />
konnte, wurde zum Frondienst gepresst. Manch<br />
einen traf dabei ein besseres Los als vorher, wenn<br />
er kräftig und jung genug war, denn dann wurde er<br />
eingezogen und erhielt gute Kleidung, bekam regelmäßig<br />
Nahrung und teilte Schläge aus, anstatt<br />
welche einzustecken.<br />
Fangur führte eine kleine Truppe von zwanzig Mann<br />
an, die genügte, um das Gebiet an der Küste zu<br />
durchforsten. Hier lebten nicht viele Leute, und<br />
ohnehin war Fangur nur an einem einzigen Mann<br />
interessiert.<br />
Laoren schien um keinen Tag in den vergangenen<br />
Jahren gealtert, als Fangurs Weg zu seiner Hütte<br />
führte. Alles sah genauso heruntergekommen wie<br />
immer aus, und der Alte lief in denselben Lumpen<br />
herum.<br />
»Ich habe dich schon erwartet«, kicherte er, als<br />
Fangur das Pferd beim Brunnen parierte. Seine<br />
Männer warteten ein wenig abseits. »Du bist wie<br />
immer pünktlich.«<br />
»Dann wirst du ja alles bereithaben, und ich muss<br />
mich nicht lange aufhalten.« Was Laoren zu bieten<br />
hatte, war nur Fangur vorbehalten, das Wenigste<br />
davon landete in der Steuertruhe. Die ausgewählten<br />
zwanzig Männer erhielten ihren Anteil und<br />
bewahrten Stillschweigen.<br />
»Was ich diesmal für dich habe, wird dich sehr<br />
zufriedenstellen«, meinte der Alte.<br />
»Was könntest du schon besitzen, das für mich von<br />
Interesse wäre?«, knurrte Fangur verächtlich.
»Ich habe ein interessantes Fischlein aus dem Meer<br />
gezogen.« Laoren ging in seine Hütte, Fangur hörte<br />
ihn mit Ketten rasseln, und dann weiteten sich seine<br />
Augen, als der Alte mit einem an den Händen<br />
gefesselten jungen, bartlosen Mann wieder herauskam.<br />
So einen merkwürdigen Burschen hatte er noch nie<br />
gesehen. Er war hochgewachsen und schlank, besaß<br />
edle Gesichtszüge, doch er schien an einer schrecklichen<br />
Hautkrankheit zu leiden, denn schwarze, sich<br />
bewegende Schlieren überzogen die Haut von oben<br />
bis unten. Im Kontrast dazu standen seine langen<br />
hellen Haare. Er trug dieselbe rissige Kutte wie<br />
Laoren und war barfuß. »Was soll ich mit dem?«,<br />
fragte Fangur angewidert. Die völlig schwarzen<br />
Augen des Mannes blickten ausdruckslos an ihm<br />
vorbei.<br />
»Ob du’s glaubst oder nicht, das ist ein Nauraka!«,<br />
gackerte Laoren.<br />
Fangur tippte sich an die Stirn. »Du bist verrückt,<br />
dieses Volk ist schon lange ausgestorben.«<br />
»Er nennt sich Prinz Erenwin von Darystis, und ich<br />
weiß, dass er ein Nauraka ist. Ich verkaufe ihn dir zu<br />
einem guten Preis, und dann verfahre mit ihm nach<br />
Belieben. Ich glaube, du wirst in der Traurigen<br />
Festung eine Menge Aufsehen mit ihm erregen, und<br />
die Gunst des Fürsten ist dir sicher!«<br />
»Und was ist das für eine Hautkrankheit, unter der<br />
er leidet?«<br />
»Nur ein Fluch, der dich nicht weiter zu bekümmern<br />
braucht.«<br />
Der seltsame Mann wandte sich dem Alten zu.<br />
»Dafür also? Um mich zu verkaufen?«<br />
»Man muss sehen, wo man bleibt, Junge«, versetzte<br />
Laoren. »Du hast ja keine Ahnung, wie dieses<br />
Land hier ausgepresst wird, und wie behütet du bei<br />
mir gelebt hast. Fürst Morangars Lebensstil ist<br />
äußerst aufwendig, und sein Hofstaat sehr verwöhnt.<br />
Du wirst dort sehr beliebt sein und Morangars<br />
Ansehen gegenüber den anderen Fürsten um<br />
ein Vielfaches erhöhen, wenn er einen wie dich als<br />
Diener vorzuweisen hat.«<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Fangur dachte nach. »Na schön, ich erlasse dir die<br />
Steuern für fünf Jahre. Hoffen wir, dass er es auch<br />
wirklich wert ist.«<br />
»Abgemacht!«, stimmte Laoren zu und übergab<br />
ihm die Führkette.<br />
»Komm her, Erenwin«, sagte Fangur, der immer<br />
noch nicht so recht wusste, was er von der Sache<br />
halten sollte. Doch irgendetwas war an diesem<br />
jungen Mann, das an ihm rührte und etwas in ihm<br />
weckte, das er verloren geglaubt hatte.<br />
Der angebliche Nauraka näherte sich schweigend<br />
dem Pferd. Er hob den Kopf und sagte ausdruckslos:<br />
»Da ist noch mehr in der Hütte, das von nicht<br />
unbedeutendem Wert ist.«<br />
»Augenblick«, warf Laoren ein, »der Handel gilt<br />
bereits!«<br />
Fangur hob eine Braue. Dann gab er zwei Männern<br />
einen Wink. »Durchsucht die Hütte.«<br />
»Was sollte ich schon verbergen? Ihr wisst, das<br />
habe ich noch nie getan!«, rief der Alte und hastete<br />
den Soldaten hinterher.<br />
Kurz darauf kam ein Mann zurück und hielt kostbar<br />
aussehende, farbenfrohe Kleidung und ein Schwert<br />
samt Scheide hoch. Aus der Hütte erklang Laorens<br />
Zetern, und gleich darauf Kampfgeräusche.<br />
»Meine Sachen«, sagte der Mann mit den glasschwarzen<br />
Augen. »Laoren hat sie mir gestohlen.«<br />
»Nun, du wirst neue Kleidung erhalten, das Schwert<br />
allerdings behalte ich. Es sieht wertvoll aus und<br />
passt nicht zu einem Sklaven«, erklärte Fangur, und<br />
seine Männer grinsten.<br />
Der Gefangene verzog keine Miene. Dann drehte<br />
er sich zur Hütte. »Such hinter der Herdstelle!«, rief<br />
er hinein. »Dort gibt es ein Versteck unter dem<br />
Sand.«<br />
»Erenwin, was tust du?«, schrie Laoren und stolperte<br />
mit wedelnden Armen aus der Hütte. Seine<br />
weiteren Worte gingen im Lachen des Soldaten<br />
unter, der nun herauskam und einen prallen, schwer<br />
wirkenden Beutel schwenkte.<br />
»Sieh mal, was uns der Kerl all die Jahre vorenthalten<br />
hat!«
»Vielen Dank«, sagte Fangur zu dem angeblichen<br />
Nauraka.<br />
»Keine Ursache.«<br />
»Wie ... wie konntest du davon wissen?«, stieß<br />
Laoren mit brüchiger Stimme hervor.<br />
»Ich habe dich gewarnt!«, zischte der Mann so<br />
scharf, dass selbst Fangur zusammenfuhr.<br />
Laoren wich verstört zurück und schwieg.<br />
»Also gut, lasst uns aufbrechen!«, rief Fangur. »Hier<br />
haben wir nichts mehr verloren. Bis in fünf Jahren,<br />
Laoren.«<br />
Die beiden Soldaten saßen auf, der Trupp wendete<br />
und mit Fangur an der Spitze, der Erenwin an der<br />
Kette hinter sich herzog, ritten sie davon. Als sie die<br />
erste Düne erreichten, blieb der angebliche Nauraka<br />
stehen.<br />
»Was ist?«, fragte Fangur und runzelte die Stirn.<br />
»Laoren ist nicht mehr von Nutzen«, sagte der<br />
Gefangene, »außer für den Verrat.«<br />
Die Soldaten drehten sich ungeduldig um. »Wir<br />
müssen weiter, wenn wir noch ein Gasthaus erreichen<br />
wollen!«<br />
»Augenblick«, sagte Fangur und starrte auf den<br />
Mann hinab. »Was willst du damit sagen?«<br />
»Ihr habt ihm seinen gesamten Besitz genommen«,<br />
antwortete er. »Er ist alt und allein, dem Rauschkraut<br />
völlig verfallen. In fünf Jahren kann er nicht<br />
genug für den Zehnten aufbringen. Also wird er euch<br />
alle miteinander verkaufen, um sich die Gunst des<br />
Fürsten zu sichern.«<br />
»Du kennst ihn gut ...«<br />
»Ich habe lange genug als Sklave bei ihm gelebt.«<br />
Der rothaarige hünenhafte Koldar ritt an Fangurs<br />
Seite. »Der Bursche ist gar nicht mal so dumm«,<br />
bemerkte er. »Wir könnten tatsächlich Ärger<br />
bekommen, wenn wir diesen Beutel unterschlagen,<br />
denn die Händler, die Laoren bezahlt haben, müssen<br />
darüber Bescheid wissen. Fürst Morangar ist<br />
ohnehin schon misstrauisch und stellt Fragen.«<br />
Die anderen stimmten zu, und Fangur entschied<br />
kurzerhand: »Tötet den alten Nörgler und brennt<br />
die Hütte nieder.«<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Während die zwanzig Mann die Düne hinunterstürmten,<br />
um den grausamen Befehl auszuführen,<br />
beobachtete Fangur den Gefangenen. Doch dessen<br />
Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck.<br />
Rauch stieg hinter ihnen auf, während sie Sand<br />
aufwirbelnd über die Dünen ritten. Niemand würde<br />
um Laoren trauern, und die Händler würden sich<br />
einen anderen Strandgutsammler suchen.<br />
Fangur war erbost, als sein Gefangener ein zweites<br />
Mal an der Kette riss. »Was ist denn jetzt schon<br />
wieder?«<br />
»Ich will meine Sachen und ein Pferd«, antwortete<br />
der junge Mann bestimmt.<br />
Koldar kam hinzu. »Was ist denn mit dem los?«, rief<br />
er. »Seine Haut ist ja vollständig schwarz geworden!<br />
So können wir ihn nicht mehr verkaufen. Hoffentlich<br />
ist das nicht ansteckend!«<br />
»Er hat einen Sonnenstich«, erwiderte Fangur. »Er<br />
verlangt seine Sachen und ein Pferd.«<br />
Die Soldaten lachten schallend.<br />
»Wir könnten ihn als Spaßmacher anbieten«, fügte<br />
Koldar hinzu.<br />
»Als Krieger bin ich nützlicher«, sagte der Gefangene.<br />
»Halte dich nicht auf, Hauptmann!«, rief Dengür.<br />
»Wir sollten uns dieses Burschen entledigen, der<br />
wird uns nur Ärger machen.«<br />
»Moment«, wies Fangur ihn ab. »Ich muss nachdenken.«<br />
Er blickte auf den Gefangenen hinab, und<br />
wieder beschlich ihn das Gefühl, dass er von Bedeutung<br />
war. Irgendetwas in seiner Ausstrahlung, seiner<br />
Haltung ... »Du behauptest, ein Krieger zu sein?«<br />
»Stell mich auf die Probe.« Der Schwarzhäutige<br />
wies auf Koldar. »Gib mir ein Pferd, und ich trete<br />
mit einem Holzstock gegen ihn an. Ich werfe ihn aus<br />
dem Sattel, und wenn mir das gelingt, bekomme ich<br />
sein Pferd und meine Sachen.«<br />
»Mit einem Stock?«, sagte Koldar ungläubig.<br />
»Dein Tod wäre nutzlose Verschwendung, der<br />
Hauptmann braucht jeden Mann.«
Diesmal blieb den Soldaten das Lachen im Halse<br />
stecken, und sie blinzelten verwirrt.<br />
»Also gut, einen Versuch ist es wert«, entschied<br />
Fangur. »Wenn du ihn aus dem Sattel wirfst,<br />
bekommst du sein Pferd und anständige Kleidung.<br />
Über deine Sachen reden wir später.«<br />
Koldar lachte dröhnend. »Mir soll’s recht sein!«<br />
»Hast du schon einmal auf einem Pferd gesessen?«,<br />
fragte Fangur, während er die Ketten löste.<br />
Der Gefangene spuckte aus. »Ich habe Seeschwärmer<br />
geritten.« Er rieb sich kurz die Handgelenke,<br />
schüttelte die Arme und nickte. »Ich bin bereit.«<br />
Ein Soldat lieh ihm sein Pferd, und die anderen<br />
rissen die Augen auf, als der Gefangene sich mit<br />
unerwarteter Geschmeidigkeit und sicherem Gleichgewicht<br />
in den Sattel schwang. Er nahm einen Speer,<br />
hielt ihn mit dem dick mit Stoff umwickelten Ende<br />
nach vorn, und stürmte dann los, noch bevor Koldar,<br />
der ein Stück abseits geritten war, sein Schwert<br />
gezogen hatte.<br />
Das Pferd gehorchte dem barfüßigen Mann, der<br />
nicht einmal die Zügel in die Hand genommen hatte,<br />
als hätte es nie einen anderen Reiter gehabt. Dabei<br />
schien er sich kaum zu bewegen, nur seine Beinmuskeln<br />
spannten sich abwechselnd an. Wie festgewachsen<br />
saß er im Sattel, als das Pferd durch den<br />
Sand galoppierte.<br />
In der Mitte der Düne prallten die beiden aufeinander,<br />
und Koldar stieß einen Schrei aus, als der<br />
Speerschaft ihn an der Schulter traf und aus dem<br />
Sattel hebelte. Unter dem Hohngelächter seiner<br />
Gefährten landete er kopfüber im Sand, kam<br />
hustend und Staub spuckend wieder hoch und<br />
suchte fluchend nach seinem Schwert.<br />
Die Soldaten applaudierten, als der Schwarzhäutige<br />
in ruhigem Trab zurückkam, aus dem Sattel glitt und<br />
den Speer zurückgab.<br />
Fangur lachte mit den anderen. »Gebt ihm etwas<br />
Ordentliches anzuziehen!«, befahl er. »Und du,<br />
Koldar, suchst dir jemanden, bei dem du aufsitzen<br />
darfst!«<br />
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ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Am Abend lagerten sie in den Dünen, entfachten<br />
ein Feuer und brieten frisch gefangenen Fisch. Auch<br />
der Gefangene, an Händen und Füßen gefesselt,<br />
damit er nicht davonlaufen konnte, erhielt seinen<br />
gerechten Anteil. Er trug inzwischen saubere Kleidung,<br />
die aus Hemd, Hose, Gürtel und Lederwams<br />
bestand, allerdings nach wie vor keine Schuhe. Er<br />
sei daran nicht gewöhnt, erklärte er, weil er noch<br />
nie Schuhe getragen habe.<br />
Die Sonne ging rot leuchtend im Meer unter, das<br />
wie ein schlummernder Vulkan aufglühte. Mit<br />
weißer Gischt gekrönte Flutwellen rollten über den<br />
Strand und spuckten gepanzerte Schnappkröten<br />
aus, die auf Jagd nach Wandermuscheln gingen.<br />
Über ihnen wurde der violette, stets leicht verschleierte<br />
Himmel allmählich dunkler, und in der Ferne<br />
prangte schon der siebenstrahlige Schutzstern.<br />
»So«, sagte Fangur. »Du heißt also Erenwin.«<br />
»Ja.«<br />
»Und du bist wirklich ein Nauraka?«<br />
»Wirf mich ins Meer, und du weißt es.«<br />
Fangur grinste. »Dein voller Name ...«<br />
»Prinz Erenwin von Darystis. Aber das spielt keine<br />
Rolle hier an Land, wie ich feststellen musste.« Er<br />
verzehrte den letzten Rest Fisch und leckte sich die<br />
Finger ab.<br />
»Darystis, was heißt das?«<br />
»Silberspeer.«<br />
Fangur nahm eine bequemere Haltung ein. Einer<br />
der Soldaten legte Holz nach, die anderen lagerten<br />
darum herum und erzählten sich launige<br />
Geschichten. »Nun, Erenwin Silberspeer – verrate<br />
mir, was einen edlen Prinzen von einem sagenumwobenen<br />
Volk der Tiefe an Land treibt, in die<br />
Gefangenschaft eines halbverrückten Alten.«<br />
»Eine Suche«, antwortete Erenwin. »Und ein Fluch.<br />
Vielleicht auch zwei.«<br />
Fangurs Neugier wuchs, und er kam immer mehr<br />
von dem Plan ab, den bedeutsamen Fund Laorens<br />
zu verkaufen. »Erzähl mir mehr. Du gehörst zwar zu<br />
den Alten Völkern, aber du bist noch jung, nicht<br />
wahr?«
Erenwin nickte. »Ungefähr Mitte zwanzig, glaube<br />
ich. Ich habe nicht so genau mitgezählt. Vor Jahren<br />
habe ich jemandem ein Versprechen gegeben, ihn<br />
zu beschützen. Weil ich es nicht einhalten konnte,<br />
wurde ich verflucht. Das bedeutete, ich musste<br />
mein Volk und das Meer verlassen, allein mein<br />
Name, meine Kleidung und das Schwert sind mir<br />
geblieben. Ich kann den Fluch nur abwenden, wenn<br />
ich meine Suche beende.«<br />
»Und wenn dir das nicht mehr möglich ist?«, fragte<br />
Fangur. »Ich meine, es sind schon Jahre vergangen.<br />
Hast du eine Spur aufnehmen können?«<br />
»Nein. Wenn ich meine Suche nicht beenden kann,<br />
muss ich eben mein Leben lang dem Fluch folgen<br />
und weitersuchen, dann gibt es keine Erlösung für<br />
mich.«<br />
»Kommt deine schwarze Haut daher? Du bist nicht<br />
damit geboren, das haben wir vorhin gesehen, als<br />
die letzten hellen Flecken plötzlich verschwunden<br />
waren.«<br />
Erenwin nahm einen langen Zug Wasser. »Das ist<br />
eine andere Sache«, brummte er. »Der zweite Fluch,<br />
den ich erwähnte, und der auf einem anderen,<br />
älteren Fehler beruht. Aber beides hängt zusammen.<br />
Und jedes Mal, wenn ich eine böse Tat begehe,<br />
kehrt sich meine schwarze Seele nach außen und<br />
verändert mich. Eine Hellseherin sagte mir, dass ich<br />
zu einem Ungeheuer werde, wenn ich meine Suche<br />
nicht beenden kann.«<br />
Fangur stieß einen leisen Pfiff aus. »Beeindruckende<br />
Geschichte.«<br />
»Glaubst du die etwa?«, fragte Koldar, der gerade<br />
hinzukam und sich mit schmerzlicher Miene seine<br />
verletzte Schulter rieb. Ächzend ließ er sich in den<br />
Sand fallen.<br />
»Ich habe keinen Grund, sie nicht zu glauben«,<br />
versetzte der Hauptmann. »So etwas Absurdes kann<br />
sich niemand ausdenken.« Zu Erenwin gewandt,<br />
fuhr er fort: »Du hast von bösen Taten gesprochen.<br />
Dann hast du also Gewissensbisse wegen Laoren?«<br />
»Nein«, antwortete der Nauraka, doch dabei geriet<br />
sein Gesicht in unkontrollierte Zuckungen, und für<br />
portrait<br />
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einen Moment schimmerte helle Haut durch das<br />
Schwarz. Stöhnend sank er zur Seite und übergab<br />
sich. Ein unterdrücktes Wimmern drang dabei aus<br />
seiner Kehle.<br />
»So viel dazu«, bemerkte Koldar. »Ein Jammer um<br />
das schöne Essen.«<br />
»Hol ihm noch was, er muss bei Kräften bleiben.«<br />
»Aber es ist nicht mehr viel da!«, protestierte<br />
Koldar, gehorchte aber, als Fangur ihm einen strengen<br />
Blick zuwarf.<br />
Erenwin erholte sich rasch, seine Gesichtsmuskeln<br />
kamen zur Ruhe, die Haut wurde wieder durchgehend<br />
schwarz. »Das hat nichts zu bedeuten«, versicherte<br />
er. »Nichts darf mich ablenken.«<br />
Fangur sagte nichts dazu, er half Erenwin aufzustehen<br />
und wechselte mit ihm den Platz.<br />
Koldar kam mit einem gefüllten Teller zurück, und<br />
der Gefangene fing an zu essen, als wäre nichts<br />
geschehen.<br />
Fangur legte die Stirn in Falten und rieb sich das<br />
bärtige Kinn. »Was sollen wir jetzt mit dir machen,<br />
Erenwin?«, fragte er.<br />
Darauf schien der Schwarzhäutige nur gewartet zu<br />
haben. »Warum heißt es Traurige Festung?«<br />
»Niemand mit Ausnahme der Herrschenden hat<br />
dort viel zu lachen«, antwortete Fangur. »Fürst<br />
Morangar ist der Fürst des ärmsten Reiches von<br />
Nerovia. Vor ihm und seinem Vater mag es einst<br />
bessere Herrscher gegeben haben, doch seither<br />
wird das Land ausgepresst, während Fürst und<br />
Hofschranzen aus dem Vollen leben. Das Volk gab<br />
der Festung ihren Namen. Am besten lebt man hier<br />
als Soldat.«<br />
»Vor allem, wenn man Steuern unterschlägt«,<br />
bemerkte Erenwin.<br />
»Man muss sehen, wo man bleibt«, erwiderte<br />
Fangur gelassen. »Ich bin fünfundvierzig Jahre alt<br />
und habe eine Familie zu ernähren, wie alle hier.<br />
Der jüngste ist gerade so alt wie du und wird bald<br />
Vater. Koldar geht schon auf die fünfzig zu und ist<br />
bereits Großvater.«
»Sag mal«, mischte Koldar sich ein, »worauf willst<br />
du eigentlich hinaus, Meerling?«<br />
Erenwins glasschwarze Augen blitzten kurz auf. »Ich<br />
helfe euch, den Fürsten zu entmachten, und dafür<br />
bekomme ich meine Kleidung und mein Schwert.«<br />
Fangur fühlte Koldars bohrenden Blick auf sich und<br />
wurde unruhig, aber zu seinem eigenen Erstaunen<br />
war er nicht empört. »Du schlägst Landesverrat vor?<br />
Wir einfachen Leute sollen gegen einen adligen<br />
Fürsten rebellieren? Damit wären wir alle verflucht.«<br />
»Nicht, wenn ich es bin, der den Fürsten absetzt«,<br />
versetzte Erenwin. »Ich begehe keinen Verrat, da<br />
ich kein Untertan bin und ihm in keiner Weise<br />
verpflichtet. Wahrscheinlich tue ich dem ganzen<br />
Land damit einen Gefallen – falls du ein besserer<br />
Herr bist, Fangur.«<br />
»Ich?«, sagte der Hauptmann verblüfft.<br />
»Wer sonst? Zieh alle Männer zusammen, denen<br />
du vertraust. Bring mich ins Schloss, vor den Fürsten,<br />
und ich erledige den Rest. Dann übernimmst<br />
du den Thron und entscheidest, ob es besser oder<br />
schlechter wird. Das ist dann nicht mehr meine<br />
Angelegenheit.«<br />
Koldars Brauen stießen über der Nasenwurzel<br />
zusammen. »Und wer sagt uns, dass du nicht den<br />
Thron willst?«<br />
»Warum sollte der mich interessieren?«, sagte<br />
Erenwin verächtlich. »Ein unbedeutendes kleines<br />
Reich, das in Armut lebt, darauf kann ich verzichten.<br />
Ich bin zudem nicht an Macht interessiert. Und ich<br />
muss meine Suche fortsetzen.«<br />
»Ich sollte dir die Zunge herausreißen, und dann<br />
vergessen wir diese Angelegenheit ganz schnell<br />
wieder«, brummte Fangur.<br />
»Welche Skrupel hast du, Hauptmann? Du hintergehst<br />
deinen Fürsten doch ohnehin seit Jahren, und<br />
es berührt dich nicht im Mindesten, einen alten<br />
Mann getötet zu haben – auch wenn er es verdient<br />
hatte. Du hast mir einen Gefallen getan, nun tue ich<br />
dir einen.«<br />
Fangur war immer noch nicht wirklich aufgebracht.<br />
Weder riss er Erenwin die Zunge heraus, noch<br />
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schnitt er ihm die Kehle durch. Was war nur los mit<br />
ihm? Auch Koldar rührte sich nicht. Im Gegenteil, er<br />
sah ihn auffordernd an.<br />
Im vergangenen Jahr hatten sie sich ab und zu<br />
darüber unterhalten, was wohl geschehen würde,<br />
wenn Fürst Morangar unvermutet starb. Dem Alter<br />
nach war er zwar noch weit davon entfernt, aber er<br />
lebte sehr ausschweifend und war fett und kurzatmig.<br />
Da konnte schon einmal das Herz plötzlich<br />
versagen. Aber natürlich hatte keiner an Verrat<br />
gedacht, es war nur ein Gedankenspiel gewesen.<br />
Erenwins Stimme drang in seine Überlegungen.<br />
»Das ist mein Preis: Ich helfe euch, und dafür<br />
erlange ich die Freiheit, meine Sachen und ein<br />
Pferd.« Er hielt sich die Hand vor den Mund und<br />
gähnte. »Überleg es dir, Hauptmann Fangur. Bisher<br />
hast du geglaubt, nichts tun zu können, und nun<br />
biete ich dir eine Gelegenheit, die du nur einmal<br />
bekommst. Du hast die Wahl.« Damit drehte er sich<br />
auf die Seite, legte sich hin, und war kurz darauf<br />
eingeschlafen.<br />
Fangur und Koldar sahen sich verblüfft und beunruhigt<br />
an.<br />
Dann gingen sie zu den anderen Soldaten.<br />
Fangur weckte Erenwin am nächsten Morgen persönlich.<br />
»Oh«, sagte er fast erstaunt. »Ich bin ja noch am<br />
Leben.«<br />
»Denkst du, ich will so enden wie Laoren?«,<br />
bemerkte der Hauptmann. Er war übermüdet nach<br />
einer Nacht voller aufwühlender Gedanken. »Während<br />
du selig geschlummert hast, habe ich mich mit<br />
meinen Leuten über deinen Vorschlag beraten.«<br />
Erenwin streckte sich und gähnte. »Demnach sieht<br />
es gut für mich aus.«<br />
»Für uns alle, wenn du uns nicht zu viel versprochen<br />
hast.« Fangur löste die Ketten, und Erenwin sah ihm<br />
verdutzt dabei zu. »Ich habe mich entschlossen, dir<br />
zu vertrauen. Ich habe keine Ahnung, weshalb –<br />
aber vermutlich kann es nicht mehr schlimmer
kommen, und ich will nicht auch noch das letzte<br />
bisschen Selbstachtung verlieren, das ich besitze.<br />
Ab sofort reitest du als mein Soldat. Du wirst dich<br />
an meine Befehle halten und nichts Eigenmächtiges<br />
unternehmen. Hältst du dich an die Vereinbarung,<br />
werde ich das auch tun.«<br />
Der schwarzhäutige Nauraka stand auf und klopfte<br />
sich den Sand ab. »Abgemacht. Ich werde ebenso<br />
kühn sein wie du und dich beizeiten an dein Versprechen<br />
erinnern.«<br />
Koldar kam heran. »Wir haben die Kleidung des<br />
Bürschleins genauer durchsucht und festgestellt,<br />
dass da noch ein juwelenverzierter Dolch und sogar<br />
eine Armbrust in den Falten verborgen waren. Nicht<br />
mal Laoren hat das gefunden. Diese Kleidung ist<br />
hervorragend! Wir sollten das Geheimnis dieser<br />
Schneiderkunst herausfinden.«<br />
»Mein Jugenddolch«, sagte Erenwin, und für einen<br />
winzigen Augenblick huschte ein heller, weicher<br />
Schimmer über sein Gesicht. »Ich wäre euch verbunden,<br />
wenn ihr ihn nicht verkaufen würdet, er ist<br />
meine letzte Erinnerung an glücklichere Tage.«<br />
»Wir haben kein Interesse daran«, sagte Fangur<br />
und sah Koldar streng an. Der brummelte irgendetwas<br />
vor sich hin und trollte sich. »Kannst du mit der<br />
Armbrust umgehen?«<br />
»Ich habe einem wild gewordenen Urantereo die<br />
Augen ausgeschossen – ich glaube also schon.«<br />
»Was ist das für ein Tier?«<br />
»Oh, ein Schlängelaal, zwanzig oder mehr Mannslängen<br />
groß, und mit Zähnen, so dick wie der<br />
Schädel deines Pferdes. Die Augen sind normalerweise<br />
nicht schwer zu verfehlen, weil sie sehr groß<br />
sind, aber wenn ein Urantereo wütend ist, wirbelt<br />
er das Wasser ziemlich durcheinander, und das<br />
macht das Zielen fast unmöglich.«<br />
Fangur entschloss sich, keine weiteren Fragen mehr<br />
zu stellen. Entweder war dieser schwarzhäutige<br />
junge Mann völlig verrückt, oder er war gefährlicher,<br />
als es seine eher schmächtige Gestalt vermuten<br />
ließ.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Sie nahmen den direkten Weg zur Traurigen Festung.<br />
Fünf seiner Soldaten hatte Fangur als Boten<br />
ausgeschickt, die Übrigen zu benachrichtigen. Er war<br />
sicher, dass sie im geeigneten Moment alle mitmachen<br />
würden, sie waren eher ihm als dem launischen,<br />
unberechenbaren Fürst Morangar ergeben,<br />
der zudem so misstrauisch war, dass er sich nur fünf<br />
Mann als Leibgarde hielt, die er ständig beobachtete.<br />
Mit denen konnten sie leicht fertig werden,<br />
und wenn Morangar erst aus dem Weg geräumt<br />
war, würden die übrigen Soldaten auch überlaufen.<br />
Fangur hätte diesen Schritt niemals gewagt, wenn<br />
Erenwin nicht gewesen wäre. Dass sein Verrat<br />
keineswegs dadurch geschmälert wurde, dass ein<br />
anderer das Attentat ausführte, verdrängte er. Vor<br />
dem Volk würde es anders aussehen, es würde ihn<br />
feiern, wenn er die prall gefüllten Vorratskammern<br />
öffnete und das Essen verteilte. Zur Abwechslung<br />
würde er mal etwas Gutes tun und sein in Heldengeschichten<br />
vernarrter Sohn, der ihn sonst mit<br />
Verachtung strafte, stolz auf ihn sein.<br />
Allmählich gewöhnte er sich an den Gedanken, den<br />
Thron zu übernehmen. Es wäre nicht das erste Mal,<br />
dass es solch einen Wechsel gab, und es musste ja<br />
auch nicht für immer sein.<br />
Fangur hütete sich, die Wahrheit bekannt werden<br />
zu lassen, als alle am vereinbarten Treffpunkt<br />
erschienen waren. Er begründete den vorzeitigen<br />
Abbruch ihrer Steuereintreibung mit einem dringenden<br />
Ruf des Fürsten.<br />
Erenwin hatte sich inzwischen gut in die Truppe<br />
eingefügt. Er war wortkarg und distanziert, doch es<br />
gab keinen Grund zur Beanstandung. Er ritt besser<br />
als sie alle zusammen und befolgte widerspruchslos<br />
jeden Befehl.<br />
Und er unternahm keinen einzigen Fluchtversuch.<br />
Als sie den letzten Abend unter freiem Himmel<br />
verbrachten, bevor sie am nächsten Morgen die<br />
Burg erreichen würden, saßen Fangur und seine<br />
engsten Vertrauten zu einer letzten Beratung am
Feuer, während die übrigen Soldaten verstreut um<br />
sie herum lagerten. Alle schienen zufrieden, ein<br />
wenig Ruhe zu haben, und freuten sich auf ihre<br />
Familien, Geliebten, und Wein und Bier machten die<br />
Runde.<br />
Nur einer war nervös, Fangur selbst, da sich morgen<br />
sein Schicksal entscheiden würde.<br />
»Nun, Erenwin«, sagte Koldar gut gelaunt, »wie<br />
denkst du jetzt über uns Landgänger, nachdem wir<br />
schon eine Weile miteinander reiten?«<br />
»Ihr seid langweilig, einfallslos, armselig in eurem<br />
Verhalten«, antwortete der Nauraka und versetzte<br />
alle in Sprachlosigkeit. »Kein Tanz, keine Gestik,<br />
höchstens ein wenig anmutiges Wedeln mit den<br />
Händen. Nauraka achten weniger auf Worte und<br />
Aussehen, sondern beobachten die Haltung des<br />
Gegenübers und können sich verständigen, ohne<br />
sprechen zu müssen. Ihr seid zu bedauern.«<br />
Koldar schluckte hörbar und wischte sich den<br />
Bierschaum aus dem Oberlippenbart. »Danke für<br />
deine hohe Meinung«, sagte er finster.<br />
»Ich wollte euch nicht beleidigen, es ist die reine<br />
Wahrheit«, versetzte Erenwin. »Eure Sinne sind<br />
stumpf. Ich aber erkenne schon von weitem am<br />
Geruch, ob jemand Angst hat, egal wie martialisch<br />
er sich geben mag. Ich sehe das Unbewusste, was<br />
ihr durch falsche Gesten vertuschen wollt. Ich habe<br />
hier«, er legte den Finger zwischen Lippe und Nase,<br />
»einen besonderen Tastsinn für Gefahr, für Furcht,<br />
aber auch für Ausgeglichenheit. Sträubt sich da etwa<br />
gerade dein Bart, Koldar, weil du spürst, dass etwas<br />
mit dem Bier nicht in Ordnung ist?«<br />
Kurzes Gelächter machte die Runde, als Koldars<br />
Hand unwillkürlich wieder zum Mund hochzuckte.<br />
»Was ist denn damit nicht in Ordnung?«, rief er.<br />
»Palfir hat vorhin einen Fischschwanz in den Krug<br />
geworfen, bevor er dir nachgoss«, antwortete Erenwin.<br />
Entsetzt kippte Koldar den Rest aus, und tatsächlich,<br />
ein Fischschwanz fiel heraus. Nun brüllten viele<br />
vor Lachen, während der rothaarige Hüne fluchend<br />
dem bereits fliehenden Scherzbold hinterherrannte.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
»Erzähl uns etwas über den Kampf, Erenwin!«, rief<br />
einer aus der Menge.<br />
»Ja, wie kämpfen die Nauraka?«, fielen andere ein.<br />
»Im Kampf sind sie Menschen gegenüber ebenfalls<br />
im Vorteil«, sagte Erenwin. »Hier an Land kann man<br />
nur nach zwei Seiten kämpfen – vor oder zurück,<br />
links oder rechts. Das ist plump und schwerfällig,<br />
und voraussehbar, weil der Kampf derart<br />
beschränkt ist. Ich kann hier an Land leicht berechnen,<br />
was mein Gegner als Nächstes tun kann, und<br />
aus wenigen Möglichkeiten die wahrscheinlichste<br />
wählen. Nauraka hingegen kämpfen in alle Richtungen,<br />
auch oben und unten ist ihnen nicht verwehrt.<br />
Sie müssen ihre Sinne auf vier Richtungen<br />
ausdehnen. Das ist gleichwohl herausfordernder<br />
und schwieriger, zugleich eleganter.«<br />
Fangur glaubte dem jungen Mann jedes Wort,<br />
fragte sich aber, wie viel Erfahrung und Können er<br />
selbst besitzen mochte, nachdem er mindestens<br />
zwei Jahre bei Laoren in Knechtschaft verbracht<br />
hatte.<br />
»In welchem Alter lernt ein Nauraka zu kämpfen?«,<br />
stellte jemand die richtige Frage.<br />
»Ich war fünf Korallenringe alt … ich meine fünf<br />
Jahre, als meine Ausbildung begann«, erklärte Erenwin.<br />
»Und nicht nur im Kampf, sondern auch in der<br />
Geistesbildung. Jeden Tag, oder Helldämmer, wie<br />
es in der Tiefe heißt. Manchmal auch nachts. Allerdings<br />
ist das nur bei den Adligen der Fall, das<br />
einfache Volk hat es leichter.«<br />
»Vermisst du dein Volk?«, fragte Fangur dazwischen,<br />
der immer nachdenklicher wurde und dem<br />
sehr wohl aufgefallen war, dass Erenwin nie von<br />
»wir« sprach, sondern von »den« Nauraka.<br />
»Ich habe kein Volk mehr«, antwortete er.<br />
»Weißt du was, Erenwin?«, sagte Koldar, der<br />
gerade zurückkam und sich schweratmend in den<br />
Sand fallen ließ. Der Schweiß tropfte ihm von der<br />
Stirn, und er rieb sich die Fingerknöchel der rechten<br />
Hand. »Genau das ist dein Problem. Du fühlst dich<br />
über uns erhaben, aber andererseits hast du keine<br />
Möglichkeit mehr, zu deinem ach so edlen Volk
zurückzukehren. Du hast keinen Anteil an unserem<br />
Leben, du bist nur auf dich selbst fixiert und schiebst<br />
deinen Fluch vor, um zu niemandem eine Beziehung<br />
aufbauen zu müssen. Deswegen willst du auch so<br />
bereitwillig die Schmutzarbeit für andere übernehmen,<br />
weil sie keine Bedeutung für dich hat. Nichts<br />
bedeutet dir etwas. Hast du auf dem Ritt hierher<br />
überhaupt bemerkt, in welchem Zustand die Dörfer<br />
waren, durch die wir kamen? Und die Menschen,<br />
die wir im Auftrag des Fürsten berauben? Du wandelst<br />
durch unsere Welt wie ein Toter.«<br />
Daraufhin trat Schweigen ein. Viele wandten sich<br />
betreten ab. Fangur bekam beinahe Mitleid, als er<br />
den Ausdruck auf dem Gesicht des jungen Mannes<br />
sah, in dessen glasschwarzen Augen sich das Feuer<br />
spiegelte, ohne Wärme zu zeigen.<br />
»Ich bin … ein Toter«, sagte Erenwin schließlich<br />
leise. »Jeder in der See weiß das, selbst die anderen<br />
Völker. Ich kann dort nirgends leben, nicht einmal<br />
als Einsiedler. Ich trage etwas in mir, das mich zu<br />
Dingen zwingt, die ich nicht tun will, und die meine<br />
Seele zerstören. Gleichzeitig werde ich innerlich<br />
immer tauber und leerer, unfähig, noch etwas Gutes<br />
zu empfinden. Stück um Stück geht verloren, bis<br />
nichts mehr bleibt. Ich klammere mich an meine<br />
Suche, ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass ich<br />
… meine Schwester finde. Lurdèa. Ich gab ihr mein<br />
Versprechen und habe sie verloren.« Er blickte auf,<br />
und Fangur sah eine Träne über seine Wange rollen,<br />
die eine helle Spur hinterließ.<br />
»Hm«, murmelte Koldar. »Wir alle suchen nach<br />
Liebe und Anerkennung, Erenwin, auf die eine oder<br />
andere Weise. Das unterscheidet dich dann gar<br />
nicht so sehr von uns. Vielleicht findet deine Suche<br />
ja doch eines Tages Erfüllung. Lange genug wirst du<br />
dafür leben. Ich wünsche dir viel Glück dabei.«<br />
Damit suchte er sich einen Platz bei seinen Gefährten.<br />
»Du bist nicht zu beneiden«, bemerkte Fangur.<br />
Doch die Tränenspur war bereits getrocknet und<br />
die Haut nahtlos schwarz. Erenwins Gesicht war so<br />
ausdruckslos wie zuvor.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
»Es wird jeden Tag leichter«, entgegnete er ruhig.<br />
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USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
FYRGAR - Volk des Feuers<br />
Uschi Zietsch<br />
Bastei - Roman<br />
Fantasy<br />
Taschenbuch<br />
14.00 EUR<br />
ISBN: 9783404285495<br />
November 2010<br />
Die Fyrgar sind das Volk des<br />
Feuers und sterben nie. Ihre<br />
Weisheit ist so groß, dass<br />
sie alles über Waldsee<br />
wissen. Doch dann scheitern sie an dem Rätsel der<br />
Schattenweber, die das Reich mit Tod und Schrecken<br />
überziehen. Um die Antwort zu ergründen, entsenden<br />
sie Aldavinur. Er muss dafür einen hohen Preis<br />
zahlen: Er muss selbst zum Menschen werden. Und<br />
Menschen sind sterblich.<br />
LESEPROBE<br />
So gehe denn durch das Feuer.<br />
Möge es dich ewig begleiten, dich leiten und schützen,<br />
und dir Heilung spenden. Mögest du Teil werden<br />
der Urkraft und ihr Hüter. Gib das Feuer weiter in<br />
Dankbarkeit und Demut, um zu leiten, zu wärmen<br />
und zu dienen. Bewahre, was dir gegeben wurde,<br />
und halte es in Ehren. Missbrauche niemals seine<br />
Macht und nimm sein Urteil an, sobald es gefällt ist.<br />
Das Feuer ist dein Baiku, und dein Baiku ist das Feuer.<br />
Und dies bist du: Fyrgar.<br />
Erstes Leben<br />
Das stolze Kind<br />
1. - Der halbe Mensch<br />
Aldavinur hätte auf den Rat hören sollen.<br />
Nur wie hätte er ahnen können, was daraus erwachsen<br />
würde. Wie hätte er vom Verborgenen wissen<br />
portrait<br />
sollen, das schon so lange existierte und nun erst<br />
zutage trat, wenn es doch nicht einmal die Götter<br />
erkannt hatten.<br />
Aber Aldavinur war es, der den Fehler beging, ans<br />
Ende seiner Weisheit zu gelangen.<br />
Der Morgen tropfte kühl auf den Fyrgar herab.<br />
Spinnweb war angebrochen und färbte die Welt vor<br />
seinen Augen grau. Der schwere Sturm der vergangenen<br />
Nacht hatte endlich nachgelassen, doch es<br />
sah nicht so aus, als würde das Wetter bald besser<br />
werden. Schwarze Wolken zogen zwischen den<br />
Gipfeln hindurch, und jedes Mal, wenn sie sich an<br />
schroffem Gestein stießen und sich verletzten,<br />
weinten sie bittere Tränen, die schwer auf Aldavinurs<br />
Fell platschten. Er schüttelte sich, und die<br />
Fontänen aus seinen Haaren vereinigten sich mit<br />
dem Wolkenblut und prallten auf Felskanten, fielen<br />
weiter hinab auf Klippen und Grate, sprangen, in<br />
Rinnen und Gräben, flossen zusammen und schwollen<br />
weiter an. Breite Ströme ergossen sich in<br />
Schluchten und Senken wie Wasserfälle und rauschten<br />
in schäumenden Fluten immer steiler hinab in<br />
die ferne Welt dort unten, die darob zu bedauern<br />
war, fand Aldavinur, denn sie war schutzlos ausgeliefert.<br />
Die langen Grannenhaare legten sich wieder eng<br />
über das Unterfell, damit keine Feuchtigkeit hindurchdringen<br />
konnte. doch Aldavinurs Kopf und<br />
seine Pfoten waren triefnass, und dementsprechend<br />
mürrisch war seine Miene. Einige Angehörige seines<br />
Volkes schätzten den Regen, aber er gehörte nicht<br />
dazu. Die dichte Winterwolle seines blauschwarzen<br />
Fells saugte sich bei zu lange andauernden Schauern<br />
voll, wurde prall und schwer, und nahm ihm jeglichen<br />
Schwung in der Bewegung. An Jagd war dann<br />
kaum zu denken.<br />
»Meister!«<br />
Eine Stimme, hell wie ein Glockenläuten, drang in<br />
seine trüben Gedanken, schob den grauen Schleier<br />
einfach fort und ließ für einen Augenblick sogar den<br />
Regen innehalten. Aldavinur brummte und richtete
die langen, spitzen Ohren auf, bewegte sie leicht in<br />
die Richtung, aus der die Stimme erklungen war.<br />
»Efrynn, wieso bist du so früh schon auf?«<br />
»Ich habe ein Geräusch gehört, Meister, und wollte<br />
nachsehen!«<br />
»Geräusche gibt es hier viele, närrisches Kind, selbst<br />
die Steine stoßen Töne aus, wenn sie in der glühenden<br />
Hitze ihre Hülle sprengen oder mit dem<br />
Regen plaudern, so wie jetzt.«<br />
Manche Flachländer dort unten suchten in einem<br />
Augenblick tiefer Lebensverzweiflung den Weg in<br />
die Berge, um Stille zu finden. Was für ein törichter<br />
Gedanke. Selbst die Kälte hatte hier oben vierunddreißig<br />
verschiedene Klänge, und erst der Ton des<br />
Schnees! Er war wechselvoll, je nach Tageszeit, oder<br />
wenn man ihn berührte. Aldavinur hatte einst an<br />
einem Wettstreit teilgenommen und als Sieger<br />
eintausendachthundert Schneetöne gezählt, doch<br />
das waren bei weitem nicht alle, die es gab. Und wie<br />
viel mehr erst erklangen bei Regen und wenn der<br />
Morgentau trocknete … hier holten sich die Barden<br />
der Fyrgar ihre Inspiration, um ihre einzigartigen<br />
Melodien zu schaffen.<br />
»Meister, du hörst mir nicht zu!«<br />
»Sollte ich das?«<br />
Das Kind sprang lachend über die Felsklippen heran.<br />
Der Regen konnte seiner glatten Schuppenhaut<br />
nichts anhaben, er perlte einfach in funkelnden<br />
Tropfen ab. Alles an Efrynn war Farbe, selbst in<br />
diesem Morgengrau. Je nachdem wie das Licht<br />
auftraf, schimmerten seine Schuppen hell oder<br />
dunkel, in allen Farben des Regenbogens, ineinandergegossen<br />
und vermischt. Purpur und Violett<br />
herrschten an Kopf und Rumpf vor,, durchsetzt von<br />
zarten Blautönen; am Bauch und an den Gliedmaßen<br />
wechselte es zu Grün und Gelb. Seine Kopfhörner<br />
fingen gerade an, sich auszubilden, und auch die<br />
Schuppen an seinen Wangen wurden allmählich<br />
länger. Ebenso wuchs sein kurzer Schwanz und<br />
bildete an der Spitze Stacheln aus.<br />
Die großen, stets fragend wirkenden Augen des<br />
Kindes schillerten ebenfalls vielfarbig wie edle Opale<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
mit goldener Einfassung um die schlitzförmigen<br />
schwarzen Pupillen. Wie alle Kinder war Efrynn sehr<br />
lebhaft und kaum zu bändigen, ging jeden Tag auf<br />
Abenteuerreise und unternahm alle möglichen<br />
Versuche, sich den Hals zu brechen.<br />
»Der Regen hört auf«, bemerkte Efrynn strahlend,<br />
als er bei seinem Meister angekommen war.<br />
»Das ist mir nicht entgangen.«<br />
So war es doch meistens. Nicht einmal schlechtes<br />
Wetter konnte sich bei dieser Erscheinung halten.<br />
Das Kind war von einem ganz besonderen Glanz<br />
umgeben, der weithin strahlte. Efrynn ließ bei jeder<br />
Bewegung eine unverwechselbare Melodie erklingen,<br />
der sogar die Elemente verzückt lauschten.<br />
»Was für ein Geräusch hast du gehört, Efrynn?«,<br />
fragte Aldavinur nun.<br />
»Ein sehr fremdes«, antwortete der Junge. »Einen<br />
Klagelaut, der von keinem Tier kam, das wir jagen.<br />
Er passte zu nichts, was hierher gehört. Und vorher<br />
gab es das Geräusch eines Aufschlags, doch ich<br />
konnte nicht erkennen, wodurch es verursacht<br />
wurde.«<br />
Aldavinur fragte sich, ob Efrynn jemals irgendetwas<br />
entging. Was die hellwachen Sinne betraf, war er<br />
seinem Lehrmeister sehr ähnlich. Kein anderer<br />
Fyrgar war hier draußen. Anscheinend waren sie<br />
beide die Einzigen, die eine Veränderung bemerkten.<br />
Oder die anderen achteten nicht darauf. Die<br />
Wahrnehmung eines Fyrgar war äußerst fein; Aldavinur<br />
konnte sich nicht vorstellen, dass niemand<br />
sonst den Schrei gehört hatte.<br />
Sie beschränken sich wieder einmal aufs ferne Lauschen.<br />
Das Hören war der wichtigste Sinn der Fyrgar, er<br />
konnte kaum getäuscht werden. Und hier oben,<br />
viele Tausend Schritte über dem Talgrund, war das<br />
Gebirge karg und reizlos, und es gab weniger Farben<br />
als Töne.<br />
»Sehen wir nach?«, schlug Efrynn aufgeregt vor.<br />
Alles, was die tägliche Gleichförmigkeit des Lernens<br />
und Rezitierens unterbrach, begeisterte ihn, und die<br />
Aussicht auf ein Abenteuer umso mehr.
Aldavinur überlegte kurz, dann stimmte er zu.<br />
»Warum nicht.« Eine Gefahr, mit der nicht fertig<br />
wurde, würde wohl nicht drohen. Der unsterbliche<br />
Fyrgar war nicht nur Efrynns Lehrmeister, sondern<br />
auch verantwortlich für dessen Schutz, und er nahm<br />
diese Aufgabe sehr ernst. Efrynn war der kostbarste<br />
Schatz des Volkes. Dennoch konnte Aldavinur<br />
seinen Schützling nicht in Daunenfedern packen und<br />
für immer in seiner Höhle anketten. Er entwickelte<br />
sich beängstigend schnell und musste vorbereitet<br />
werden.<br />
Außerdem würde Efrynn in seiner lebhaften<br />
Neugier nicht gehorchen, wenn er ihn jetzt zurückschickte;<br />
er würde ihm entweder heimlich folgen<br />
oder nach einem anderen, schnelleren Weg suchen,<br />
um herauszufinden, was geschehen war. Also war<br />
es besser, ihn unter seiner Aufsicht mitzunehmen<br />
und ihm gleichzeitig eine Lektion zu erteilen.<br />
Auffordernd sah er seinen Schüler an. »Aus welcher<br />
Richtung kam das Geräusch?«<br />
Efrynn deutete mit einer Kralle Richtung Sonnenuntergang,<br />
nach Westen, und nach unten, wo die<br />
messerscharfen Klingfelsen lagen. Das Gebiet war<br />
nicht ungefährlich. Aldavinur zögerte, ob er nicht<br />
vorschnell nachgegeben hatte, denn tatsächlich war<br />
das Geräusch von dort gekommen. Genau in jenem<br />
Augenblick, als der Sturm sich legte. Hatte der Wind<br />
sich etwa an den spitzen Felsenzähnen verfangen<br />
und war dazwischen zerrieben worden, bis er mit<br />
einem letzten Schrei erstarb?<br />
Nein. Ein Lebewesen hatte in grellem Schmerz<br />
geschrien. Aldavinur kannte diese Art Schrei in<br />
Todesnot, die jeden, Fyrgar und Tier, gleichmachte.<br />
»Habe ich recht, Meister?«<br />
»Du hast recht.«<br />
Efrynn stürmte los, und Aldavinur streckte blitzschnell<br />
seine Pranke aus, sodass Efrynn stolperte<br />
und ächzend auf den nasskalten Felsboden<br />
plumpste. Aldavinur schüttelte die Pfote, es hatte<br />
ihm beinahe das Vorderbein ausgekugelt. Efrynn<br />
hatte ordentlich an Gewicht zugelegt. Das nächste<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Mal konnte er ihn vielleicht nicht mehr aufhalten.<br />
»Du gehst hinter mir, verstanden?«<br />
»Ja, Meister«, murmelte Efrynn und neigte den<br />
Kopf mit griesgrämiger Miene.<br />
Ja, der Junge wuchs heran. Er war nicht mehr weit<br />
entfernt von der zweiten Stufe seiner Entwicklung.<br />
Vom Schüler zum Meister.<br />
Aldavinur maß kurz die Entfernung, schätzte mit<br />
den Augen den Weg ab, dann spannte er die Oberschenkelmuskeln<br />
an und sprang mit einem<br />
geschmeidigen Satz hinunter auf den nächsten<br />
Vorsprung. »Schlaf nicht, Junge!«, rief er zu Efrynn<br />
hinauf, der einen Jubelschrei ausstieß. Ein rasanter<br />
Abstieg bevor, der Efrynns Gleichgewichtssinn und<br />
Geschicklichkeit einiges abverlangte.<br />
Aldavinur wollte so schnell wie möglich der Ursache<br />
des Schreis auf den Grund gehen. Jeder Moment<br />
zählte. Der Tod kam schnell in den Bergen, erst recht<br />
zu dieser Jahreszeit, wenn die Felsen nass und kalt<br />
waren. Und nicht alle waren so zäh wie Fyrgar.<br />
Der Weg verlangte große Sprünge über klaftertiefe<br />
Abgründe, und Landungen auf schmalen Felsgraten<br />
oder lockeren Brocken, auf denen jemand von<br />
Größe und Gewicht der beiden Fyrgar nicht länger<br />
als einen Atemzug verweilen durfte. Der richtige<br />
Absprungwinkel zum nächsten Ziel musste mit<br />
traumwandlerischer Sicherheit gefunden werden,<br />
zum Innehalten und Nachdenken war keine Zeit.<br />
Es hatte aufgehört zu regnen, und hie und da brach<br />
sogar ein Sonnenstrahl durch die grauschwarzen<br />
Wolkenballungen. Aldavinurs feuchtes Fell glänzte<br />
wie schwarzblauer Schwertstahl, wenn er lang<br />
gestreckt zwischen Himmel und Abgrund dahinflog,<br />
und Wassertropfen sprühten in einem feinen Nebel<br />
auf, sobald seine schweren Pfoten festen Untergrund<br />
erreichten und er die gelben Krallen ausfuhr,<br />
um im Gestein Halt zu finden .<br />
Ab und zu musste Aldavinur auf einem Vorsprung<br />
innehalten. Trotz seiner Jugend und Stärke und trotz<br />
seines Draufgängertums schaffte Efrynn es noch
nicht, mit ihm Schritt zu halten. An seiner Gestalt<br />
lag es nicht, diese war wie geschaffen für das<br />
Gebirge, schlank und geschmeidig, mit beweglichen,<br />
muskulösen Gliedern, und er war sehr geschickt<br />
durch das ausdauernde Üben. Aber er war immer<br />
noch ein Kind und beherrschte seinen Körper bei<br />
Weitem nicht so vollkommen wie sein Meister.<br />
Wie ein Regenbogen flirrte er durch die Luft im<br />
nächsten Sprung und kam außer Atem bei seinem<br />
Lehrmeister an. Er schnappte kurz nach Luft, sein<br />
Kopf ruckte hoch, und seine Nüstern blähten sich.<br />
»Meister, ich wittere etwas …«<br />
Aldavinur nickte und deutete mit ausgestreckter<br />
Kralle nach links, ungefähr fünfzig Höhenschritte<br />
unter ihnen. Spitz und steil ragten die Klingfelsen<br />
auf, voller Zacken und Sporne. Abweisend gegen<br />
jeden, der keine Flügel besaß oder nicht mehr als<br />
vier Beine.<br />
»Meine Eltern haben mir verboten, dorthin zu<br />
gehen«, sagte Efrynn.<br />
»Aus gutem Grund«, erklärte Aldavinur. Er hatte<br />
den Jungen in letzter Zeit einige Male dabei ertappt,<br />
wie der sich heimlich hinunterschleichen wollte.<br />
»Du musst sehr vorsichtig sein und darfst keinen<br />
falschen Schritt tun. Sprich nicht, stoße keinen Laut<br />
aus. Halte dich genau an meine Anweisungen!«.<br />
Vorsichtig kletterte er den steilen Felsgrat hinunter.<br />
Hier, zwischen den Bergen, trafen verschiedene<br />
Luftschichten aufeinander und erzeugten ihren<br />
eigenen Wind, der sich niemals über die Grate<br />
erhob, sondern durch die Schluchten und Täler<br />
donnerte, schneller und zerstörerischer als ein<br />
Wolkensturm.<br />
Dieser Wind war es auch, der die Klingfelsen<br />
umwarb und umschmeichelte, der mit ihnen spielte<br />
wie auf einer Harfe und ihnen Lieder entlockte, die<br />
von Krallen handelten, von Blut und Tod, von<br />
Schneidschlingen und Würgenetzen, von Giftzähnen<br />
und Stacheln. Es waren schaurige Lieder, die dem,<br />
der ihre Sprache nicht verstand, allein schon wegen<br />
ihres Klangs die Haare zu Berge stehen ließen.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Die Fyrgar ertrugen diese schrillen Misstöne nicht,<br />
und für Aldavinurs besonders empfindliche Ohren<br />
waren sie eine Qual. Es fiel ihm schwer, Gleichmut<br />
zu bewahren und die Klingfelsen als Teil des großen<br />
Ganzen zu sehen. Hohn und Spott verbreiteten sie<br />
über die Täler. Nicht einmal Flechten konnten dort<br />
wachsen, wo deren Schall hindrang.<br />
Nur eine einzige, zumeist sehr verborgene Lebensform<br />
gedieh in harmonischer Eintracht mit den<br />
spitzen, schmalen, messerscharfen Felskanten, die<br />
aufragten wie gebogene Zähne und Stacheln. Es gab<br />
nur wenige Stellen dort unten, an denen Pranken<br />
oder Hände Halt fanden, kaum Überhänge und<br />
Hochflächen, nur Löcher, Spalten und Höhlen, in die<br />
kein Licht eindringen konnte, aus denen nur Finsternis<br />
herausdrang. Viele der kleinen Löcher waren<br />
rund und so angeordnet, dass der Wind hindurchstrich<br />
wie bei einer Flöte und das schaurige Konzert<br />
nur noch verstärkte.<br />
Efrynn schob sich neben Aldavinur, und er konnte<br />
sehen, dass dem Jungen nun doch etwas von seinem<br />
Forscherdrang und Mut abhandengekommen war.<br />
Mit dem Kopf nach unten zu verharren behagte ihm<br />
nicht sonderlich, und der Blick hinüber war wenig<br />
erbaulich. »Meister, es klingt furchtbar«, flüsterte<br />
er seinem Beschützer zu. Seine Wangenschuppen<br />
sträubten sich. »So schlimm hat es sich noch nie an<br />
angehört …«<br />
»Sie rufen zur Jagd«, murmelte Aldavinur. Efrynn<br />
war manchmal recht ungeschickt. Er hatte gerade<br />
zugegeben, dass er sich schon mehrmals heimlich<br />
hierhergeschlichen hatte. Doch der Lehrmeister<br />
verzichtete auf eine Ermahnung. »Das sind nicht nur<br />
die Felsen, die da singen.«<br />
»Aber ich sehe nichts …«<br />
Auch Aldavinur konnte nichts erkennen, und das<br />
beunruhigte ihn. Kein hauchfeines Gespinst, kein<br />
abgesetztes Schwarz vor den silbergrauen Felsen.<br />
Und das zu Spinnweb! Erstaunlich, denn gerade jetzt<br />
kamen sie häufiger hervor. Oft verirrten sich Zugvögel<br />
oder Klippspringer auf der Reise in tiefere,<br />
wärmere Gefilde hierher. Sie waren willkommene
Beute vor dem Schlaf bis zum Frühjahr. Den Winter<br />
hier oben hielten nur wenige Tiere ohne Winterschlaf<br />
aus, und auch Aldavinur musste daran<br />
denken, bald Vorräte anzulegen.<br />
»Du solltest besser hierbleiben und mir Rückendeckung<br />
geben«, ordnete er an.<br />
Efrynn schüttelte heftig den Kopf. »Du wirst mich<br />
hier nicht auf halber Höhe im Zwischennichts<br />
zurücklassen, Meister! Ich gehe mit dir dorthin.«<br />
»Du hast zu gehorchen.«<br />
»Aber in diesem Fall gehorche ich nicht!«<br />
Aldavinur richtete seine Turmalinaugen auf den<br />
aufsässigen Jungen, und der wich rasch dem Blick<br />
aus, doch seine trotzige Miene blieb.<br />
»Da braucht jemand unsere Hilfe, und du wirst auf<br />
meine Unterstützung nicht verzichten können,<br />
Meister!«<br />
Aus diesem Grund trug er den Namen: das stolze<br />
Kind.<br />
Erneut unterließ Aldavinur den Tadel. »Wem auch<br />
immer hier etwas zugestoßen ist, der ist nicht mehr<br />
am Leben, Efrynn. Ich gehe nur nachsehen, welche<br />
Ursache das hatte, um nötigenfalls Vorsorge zu<br />
treffen, dass es kein zweites Mal passiert.«<br />
»Und wenn du dich irrst? Außerdem können die da<br />
drin mir nichts anhaben. Ich bin sehr schuppig,<br />
anders als du.« Er spannte die Rückenmuskeln an,<br />
und kleine Stacheln richteten sich auf. »Siehst du?«<br />
»Seit wann …«, entfuhr es Aldavinur verblüfft. Er<br />
unterbrach sich und winkte mit einer Pranke ab.<br />
»Wir sprechen nachher darüber. Also gut. Du darfst<br />
mitkommen – aber von jetzt an wirst du mir widerspruchslos<br />
gehorchen.«<br />
»Verstanden, Meister!«, versicherte Efrynn eifrig.<br />
Seine Wangen glühten rot auf.<br />
Aldavinur stieß sich ab und überwand den Abgrund<br />
zwischen den beiden Bergen, durch die verwirbelten<br />
Luftströme hindurch. Das war die unsichtbare<br />
Grenze zwischen dem östlichen und dem südlichen<br />
Gebirgszug, hier endete das Gebiet der Fyrgar.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Wenn man von den Klingfelsen aus immer weiter<br />
südlich wanderte, gelangte man zur Unendlichen<br />
Wüste, die sich von Osten nach Westen, von Meer<br />
zu Meerbusen zog, von Luvgar bis Nerovia. Auf der<br />
anderen Seite des Meerbusens lag Ishgalad, von<br />
dem man heute nicht mehr viel wusste. Die Seefahrer<br />
bereisten nur die Inseln dazwischen, bis zu einer<br />
gewissen, nie verbürgt festgelegten Grenze, aber<br />
keinesfalls bis in das große Reich des Westens.<br />
Umgekehrt schien auch Ishgalad diese geheimnisvolle<br />
Grenze zu achten, denn nie kam es zu einer<br />
Begegnung auf See.<br />
Diese Trennung des Reiches geschah vor langer Zeit<br />
während des Titanenkrieges, als Götter und Mächtige<br />
um die Herrschaft über Waldsee kämpften. Die<br />
letzte Schlacht fand auf dem Titanenfeld in Valia<br />
statt und endete in einem solch schrecklichen<br />
Gemetzel, dass dies das Ende des Krieges bedeutete,<br />
ohne dass es einen Sieger gegeben hätte. Die<br />
ursprünglichen Vier Königreiche waren für immer<br />
zerstört, und Ishgalad wurde zudem durch eine<br />
gewaltige Katastrophe von den anderen Reichen<br />
getrennt, ein riesiges Loch tat sich durch einen<br />
Einschlag plötzlich auf im Kontinent und füllte sich<br />
in einer gewaltigen Springflut mit Meerwasser. Ein<br />
Dämon sollte dies ausgelöst haben, hieß es, der in<br />
der Schlacht verwundet wurde und dessen austretende<br />
Lebensessenz das Gefüge der Welt aus dem<br />
Lot gebracht hatte. Es war natürlich eine Legende,<br />
aber nicht unmöglich, wenn man bedachte, dass an<br />
jenem Tag auch Götter fielen, dunkle ebenso wie<br />
helle.<br />
Nur ein schmaler Streifen Land blieb erhalten, eine<br />
tödlich heiße Wüste im äußersten Süden, doch<br />
dieses Gebiet war noch niemals durchquert worden.<br />
Seit der Titanenschlacht war Ishgalad von den<br />
anderen Ländern getrennt, und es kam nie wieder<br />
zu einer Verbindung, nicht einmal mittels den Luftschiffen<br />
der Daranil. Es war, als läge dazwischen<br />
nicht nur das Meer, sondern auch eine Schutzmauer.<br />
Seltsam, dass Aldavinur sich genau in dem Moment<br />
daran erinnerte, als sein Körper durch die Luft flog,
evor er geschmeidig auf der anderen Seite aufkam<br />
und sich mit steil hochgerecktem Schwanz auf<br />
einem schmalen Grat im Gleichgewicht hielt. Als<br />
hätte der Gesang der Lüfte diese Bilder in ihm<br />
hervorgerufen, irgendwelche Überbleibsel des<br />
nächtlichen Sturms aus Westen. Eine Botschaft, die<br />
er durch Zufall empfing? Hatte er je daran gedacht,<br />
mehr über Ishgalad herauszufinden? Schließlich<br />
rühmten sich die Fyrgar, dass sie alles wüssten über<br />
Waldsee.<br />
»Das Wissen kommt zu uns, wenn es an der Zeit ist«,<br />
lautete ein Spruch des Volkes. »Was wir nicht<br />
wissen, hat keine Bedeutung.« Die Fyrgar warteten<br />
seit je her ab. Früher oder später erfuhren sie alles.<br />
Und sie würden ebenso alles bewahren.<br />
Efrynn hatte ab und zu davon gesprochen, wenigstens<br />
einmal das ganze Gebirge zu durchwandern,<br />
um mit eigenen Augen zu sehen, was er nur vom<br />
Hörensagen wusste. Seine Eltern waren über dieses<br />
Ansinnen entsetzt gewesen. Fyrgar wanderten<br />
nicht, sie blieben und bewahrten, beobachteten und<br />
lauschten, ließen das Wissen zu sich kommen. Sie<br />
versuchten, den Göttern so nah zu sein wie möglich,<br />
vor allem Lúvenor, dem Schöpfergott und Beschützer<br />
der Alten Völker, zu denen auch die Fyrgar<br />
gehörten.<br />
Aldavinur hatte den Jungen streng ermahnt, doch<br />
wie konnte er einen solchen Forscherdrang ausmerzen?<br />
Das war unmöglich. Deshalb nahm er Efrynn<br />
jetzt mit, das heutige Abenteuer würde ihn wieder<br />
für einige Zeit zufriedenstellen, bevor er von neuer<br />
Ruhelosigkeit erfüllt würde. Und Efrynn, das stolze<br />
Kind, musste Erfahrungen sammeln, um zu erkennen,<br />
wie falsch sein Streben war.<br />
Es gab Fyrgar, die ebenso ruhelos waren wie der<br />
Junge. In früheren Zeiten war es immer wieder<br />
vorgekommen, dass der eine oder andere nach dem<br />
Gang durch das Feuer auf die Dritte Stufe die Berge<br />
verließ, um im Tiefland seine Dienste anzubieten.<br />
Dort unten nannte man diese sterblich gewordenen<br />
Fyrgar ehrfürchtig »die Flammenritter«, weil sie den<br />
Umgang mit dem Schwert in Vollendung<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
beherrschten, doch bei ihrem eigenen Volk galten<br />
sie als Narren und vor allem als blutgierige Söldner.<br />
Man sprach nicht über sie. Die letzten Fyrgar waren<br />
wohl vor tausend Jahren gegangen, aber Aldavinur<br />
hatte keinen von ihnen gekannt. Sie hatten ziemlich<br />
weit entfernt in den westlichen Ausläufern des<br />
Gebirges gelebt. Er hatte sich nicht darum gekümmert;<br />
wenn jemand gehen wollte, dann war es<br />
dessen freie Entscheidung. Er urteilte auch nicht<br />
über diese sogenannten »Abtrünnigen«, über die<br />
der Rat sich empörte.<br />
Andererseits konnte er die Besorgnis durchaus<br />
verstehen, dass solches Verhalten eines Tages zu<br />
Verwicklungen führen konnte, wenn dadurch etwa<br />
die Lebensweise der Fyrgar bekannt würde oder<br />
wenn sich mehrere Tiefländer auf den Weg zu ihnen<br />
herauf machen würden. Ab und zu kam das zwar<br />
vor, aber es waren immer nur Einzelne, die den Pfad<br />
der Erleuchtung betreten wollten oder nach Erlösung<br />
suchten, und keiner von ihnen kehrte wieder<br />
zurück.<br />
Aldavinurs erste Vermutung, nachdem er den<br />
Schrei gehört hatte, war deshalb, dass es sich um<br />
einen solchen ungeladenen Besucher handelte, dem<br />
etwas zugestoßen war. Vielleicht hing dies auch mit<br />
den Stürmen der letzten Zeit zusammen, die immer<br />
aus Westen kamen …<br />
©Andrä Martyna
Ich habe USCHI ZIETSCH zu den<br />
„Chroniken von Waldsee“-Romanen<br />
befragt. Die Antworten möchte ich<br />
nicht vorenthalten.<br />
A.B.: Waldsee gehört zu den ältesten<br />
und größten Welten des „Träumenden<br />
Universums“. Eine Welt<br />
voller Magie. Alter Völker und Artefakte.<br />
Wie kam es zu der Idee dazu?<br />
Wann wurde sie in dir geboren?<br />
Wie hat sie sich entwickelt?<br />
U.Z.: Das „Träumende Universum“<br />
wurde 1977 geboren als ich mit meinem dicken,<br />
niemals veröffentlichten Fantasy-Erstling anfing. Ich<br />
schrieb damals zum ersten Mal in diesem Bereich,<br />
und daraus entwickelte sich schnell nicht nur eine<br />
Geschichte, sondern ein ganzes Universum, weil erst<br />
so viele Fragen über den Hintergrund beantwortet<br />
werden mussten, bevor ich die eigentliche<br />
Geschichte erzählen konnte. Ich legte mir damals<br />
einen Karteikasten an, der schnell auf über 1000<br />
Stichpunkte anschwoll.<br />
Nachdem ich meinen Erstling abgeschlossen und<br />
Kontakte zu Verlagen geknüpft hatte, entwickelten<br />
sich auch die Geschichten und vor allem Welten im<br />
Träumenden Universum rasch weiter. Neben der<br />
Zaubererwelt Lerranee aus „Sternwolke und Eiszauber“<br />
drängelte sich auf einmal Waldsee in den<br />
Vordergrund, diese große alte, wunderbare Welt.<br />
Die erste Geschichte daraus war „Der Stern der<br />
Götter“ (Fabylon), der auf einer Insel spielt, doch<br />
Waldsee hatte noch mehr zu bieten – und da hatte<br />
ich auf einmal das Stichwort „Visionenritter“ im<br />
Kopf, das war der zündende Funke, und ich entwickelte<br />
eine Idee mit einigen Szenen drumherum,<br />
die dann gut 20 Jahre in der Schublade vor sich<br />
hinschlummerte.<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
A.B: Gibt es für den Fantasyleser<br />
etwas Besonderes in der Welt von<br />
Waldsee zu entdecken? Was grenzt<br />
sie ggfs. von den gängigen Fantasy-<br />
Mehrteilern ab?<br />
U.Z.: Abgesehen von Menschen und<br />
Zwergen (die bei mir allerdings<br />
anders sind als das übliche Klischee,<br />
beispielsweise sind Zwergenfrauen<br />
äußerst sexy, geschäftstüchtig und<br />
haben keinen Bart) sind die Völker<br />
und Strukturen von mir gestaltet<br />
und haben nichts mit den klassischen<br />
„Mittelerde“-Grundlagen gemein. Auch die<br />
Schöpfungsmythologien und göttlichen Gesetzmäßigkeiten<br />
unterscheiden sich ganz erheblich, da ein<br />
ganzes Universum den Hintergrund bildet, dessen<br />
Struktur und Entwicklung eindeutig definiert ist. Die<br />
Welten sind oftmals miteinander durch Tore verbunden,<br />
und es ist auch möglich, mit<br />
Sternen(segel)schiffen zu reisen. Das Universum<br />
selbst ist auch belebt, da es eine gewisse Atmosphäre<br />
gibt.<br />
Die Trilogie ist in eine viel größere Geschichte<br />
eingebettet, auch wenn sie in sich abgeschlossen<br />
ist. Als Ambiente habe ich das späte Mittelalter mit<br />
Rittertum gewählt, dem vor allem die Menschen<br />
anhängen – kein Wunder, da sie so gut wie nicht<br />
über Magie verfügen, müssen sie sich ja irgendwie<br />
gegen die zahlreichen anderen Völker behaupten<br />
können. Der durchschnittliche Standard ist so um<br />
das 17.-18. Jahrhundert anzusiedeln. Würde mich<br />
aber nicht wundern, wenn da irgendwo Dampfmaschinen<br />
rumfahren, auch wenn sie bisher nicht<br />
erwähnt wurden – schmunzel. Skurriles und Phantasievolles<br />
ist an fast jedem Ort auf Waldsee zu<br />
finden, auch viele märchenhafte Elemente, Strukturen<br />
und Geschichten. Da gibt es noch vieles zu<br />
entdecken.
A.B.: Im Oktober 2009 ist ein Band aus der Welt<br />
Waldsee erschienen. Ein One-Shooter, der den<br />
Titel “Nauraka” trägt. Erzähle uns doch mehr<br />
darüber.<br />
U.Z.: 1000 Jahre nach den Ereignissen der Waldsee-<br />
Trilogie ist von den Nauraka nur noch ein kleines,<br />
geschundenes Volk übrig, das seine Identität fast<br />
aufgegeben hat, und auch Tradition und Historie.<br />
Auch der Seedrache, einst eng verbunden mit dem<br />
stolzen Volk, das man auch von der Landbevölkerung<br />
ehrfürchtig "die Drachenzähmer" genannt hat,<br />
scheint für immer verschwunden.<br />
Erzählt wird die Geschichte eines adligen Geschwisterpaares,<br />
Erenwin und Lurdèa, die beide auf ihre<br />
Weise versuchen, das Volk zu retten. Erenwin ist<br />
dabei der Träumer, der ungewollt von einem Abenteuer<br />
ins nächste stolpert und dabei die größte<br />
Katastrophe verursacht, wohingegen Lurdèa versucht,<br />
die Traditionen zu wahren und dem Volk zu<br />
neuer Blüte zu verhelfen, und dabei vor allem<br />
Gewalt und Missbrauch ausgesetzt ist. Durch ein<br />
großes Unglück verschlägt es beide an Land, aber<br />
getrennt voneinander, und eine jahrelange Odyssee<br />
beider beginnt. Erenwin hat dabei noch das Problem,<br />
dass er zuvor auf dem Meeresgrund eine<br />
schwarze Perle gefunden hat, die ihn seither verän-<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
dert – innerlich wie äußerlich. Je mehr böse Taten<br />
er begeht, desto schwärzer wird sein Aussehen und<br />
nimmt groteske Formen an, die sich immer mehr<br />
einem Ungeheuer angleichen. Wie ein Fluch, von<br />
dem er lange Zeit nicht weiß, wie er sich befreien<br />
kann…<br />
A.B.: Im November 2010 erschien FYRGAR - VOLK<br />
DES FEUERS. Worum geht es in dem Roman der<br />
wieder im Träumenden Universum spielt?<br />
U.Z.: Da geht es um ein bisher nicht beschriebenes<br />
Volk, die Fyrgar. Dieser Roman greift Motive eines<br />
Schelmenromans auf und bietet viele skurrile Abenteuer.<br />
Die Fyrgar an sich sind schon sehr interessant<br />
und außergewöhnlich, da sie – auch körperlich –<br />
verschiedene Lebens-/Entwicklungsstadien durchlaufen,<br />
die sie durch nicht minder außergewöhnliche<br />
Umstände erreichen.<br />
Neugierig auf das TRÄUMENDE UNIVERSUM<br />
geworden? Dann tauchen Sie ab in die spezielle<br />
Fantasywelt der Uschi Zietsch oder auf<br />
der Website: http://www.traeumendesuniversum.de/
Natürlich darf ein Artikel über die rührige Literatin<br />
ein Thema nicht aussparen. Das sind die verlegerischen<br />
Aktivitäten der Frau für die das Wort „multitasking“<br />
erfunden worden sein muss.<br />
In ihrem Verlag FABYLON erschienen jüngst zwei<br />
neue Werke. Wie gewohnt sind beide im Innenbereich<br />
reich bebildert. Sind also im doppelten Sinne<br />
ein Augenschmaus.<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Da wäre die von Jörg Weigand herausgegebene<br />
Anthologie<br />
ZWEI ENGEL DER NACHT<br />
Fabylon - Anthologie - Phantastische Geschichten<br />
Broschiert - 256 Seiten - 13.00 EUR<br />
ISBN: 9783927071339 - März 2011<br />
Covergrafik: Rainer Schorm<br />
Innengrafiken: Andrä Martyna<br />
Mit Nachwort und Autorenbiographien<br />
Jede Geschichte wurde mit einer Entry-Grafik versehen.<br />
Es gibt viele Engel der Nacht zwischen Gut und Böse.<br />
Finden Sie heraus, welcher der Ihre ist ...<br />
Story-Verzeichnis<br />
portrait<br />
Wolfgang Hohlbein: Engel der Nacht<br />
Der sterbende Monsignore<br />
Gerber besucht am<br />
Tag der Sonnenfinsternis<br />
1999 eine Kirche. In den<br />
letzten Monaten ist er<br />
mehrmals hier gewesen,<br />
seit er die Diagnose des<br />
tödlichen Kopftumors<br />
erhalten hat. In dieser<br />
Kirche, die über mehrere<br />
Stufen nach oben betreten<br />
wird, steht ein 2 m großer<br />
weißer Marmorengel auf<br />
einem weißen Marmorsockel,<br />
mit dem der<br />
Priester sich bei seinen Besuchen unterhalten hat<br />
- und der Engel mit ihm. Er ist gütig, androgyn, sanft,<br />
mit mächtigen Schwingen und einem langen<br />
Gewand. Auch heute spricht der Engel wieder zu<br />
Gerber, doch diesmal empfängt der Sterbende<br />
keinen Trost, sondern führt einen Disput über die<br />
Existenz Gottes, was ihn schwer in seinem Glauben<br />
erschüttert.
Während draußen die Sonnenfinsternis voranschreitet,<br />
warnt der Engel Gerber vor der letzten Erkenntnis.<br />
Aber genau wie Lots Frau will Gerber sie<br />
erhalten ...<br />
Uschi Zietsch: Mein ist die Nacht<br />
Arabella Pusteblume ist eine Puppe, mit der Lara-<br />
Ann am liebsten gespielt hat. Jede Nacht, wenn alle<br />
schlafen, erwacht das Spielzeug zu Leben und feiert<br />
Party. Arabella erinnert sich als Einzige auch an das<br />
Tagesgeschehen, denn in ihr ruht der Tabalin, ein<br />
Geist der Nacht.<br />
Eigentlich ist Lara-Ann schon zu alt für Puppenspiele.<br />
Doch irgendetwas hält den Schutzgeist noch<br />
bei ihr. Und dann fängt Lara-Ann an, sich zu verändern.<br />
In der Schule wird sie immer schlechter, mit<br />
der Mutter, die nicht zuhört, hat sie ständig Streit.<br />
Eines Nachts öffnet sich die Tür zu Lara-Anns<br />
Zimmer, und etwas kommt herein ...<br />
Jan Osterloh: Nachtwanderung<br />
Ein Biolehrer ist mit einer Schulklasse zur Nachtwanderung<br />
im Wilsamtal. Er findet es scheußlich, weil<br />
die Kinder rumlärmen und so gar nichts vom nächtlichen<br />
Wald mitbekommen. Auf einmal wird alles<br />
angehalten und steht still - bis auf Groot. Den<br />
Zauber hat das Eifeler Waldmännchen namens Hans<br />
verursacht, denn es braucht Groots Hilfe: Seine<br />
große Liebe ist in der Vergangenheit gefangen ...<br />
Karla Weigand: Elisabeths letzte Reise<br />
Die alte Elisabeth hat eine Menge Gepäck dabei, als<br />
sie mit dem Zug verreisen will. Natürlich steht der<br />
Zug am letzten Gleis und sie muss bis ganz vor in<br />
den ersten Waggon. Nach einer Weile stellt sie fest,<br />
dass sie die einzige Reisende an Bord ist, es gibt<br />
außer ihr nur noch den freundlichen Zugbegleiter.<br />
Doch draußen am nächtlichen Fenster zieht nicht<br />
die Landschaft vorbei ...<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Jörg Kastner: Verboten<br />
Paul lebt in einer Welt, in der die EU die Gesamtkontrolle<br />
über die Länder übernommen hat und es<br />
keine Einzelregierungen mehr gibt. Seine Ehe ist<br />
lieblos, seine Frau hält sich streng an die Vorschriften<br />
und ist EU-treu. Paul hingegen vermisst<br />
sein früheres Leben, und am allermeisten Bücher.<br />
Diese gelten als streng verboten und wurden dereinst<br />
in einer Großaktion verbrannt oder vernichtet.<br />
Doch auf dem Schwarzmarkt gibt es sie noch ...<br />
Katja Göddemeyer: Rendezvous am See<br />
Die über 70jährige Sofia ist seit einem Jahr Witwe.<br />
Ihr Mann ist bei einem tragischen Unglück im See<br />
im nahegelegenen Park ertrunken. Seither geht<br />
Sofia jeden Sonntag an den See, um mit ihrem<br />
verstorbenen Mann, einem Basken, zu plaudern. Sie<br />
vermisst ihn unendlich. Doch eines Tages ist Serge<br />
nicht da, und ein fremder Mann spricht sie an ...<br />
Frank G. Gerigk: Sasquatch<br />
Vier Männer haben eine Bank in den USA überfallen<br />
und sind nun auf der Flucht Richtung Kanada. Zuerst<br />
im Auto, verirren sie sich irgendwann in der Wildnis<br />
und müssen sich zu Fuß durch die beginnende<br />
Dunkelheit durch die Wald-Wildnis schlagen. Als sie<br />
auf ein Gleis treffen, folgen sie ihm. Ein Geisterzug<br />
wird für zwei von ihnen zum Verhängnis, und die<br />
Überlebenden befürchten, dem unheimlichen<br />
Wesen Sasquatch in die Hände zu fallen ...<br />
Rainer Schorm: Tineidae<br />
Ein Mann befindet sich in der Psychiatrie in einem<br />
geschlossenen Raum. Er glaubt, dass überall hauchfeine<br />
schwarze Haare herauswachsen und ihn überwuchern,<br />
und mit ihnen kommt die tödliche Kälte.<br />
Sein Freund beobachtet ihn geschockt und will sich<br />
auf die Suche nach dem Grund für diesen plötzlichen<br />
Verfall machen. Zuletzt war der Mann in eine dunkle<br />
Schönheit verliebt gewesen. Doch je öfter er die<br />
Frau traf, desto verwirrter und verwahrloster wurde<br />
er. Und dann begegnet der Freund der geheimnis
vollen Frau und fühlt sich unwiderstehlich zu ihr<br />
hingezogen ...<br />
Gisbert Haefs: Die Nacht gestalten<br />
Mitten in der syrischen Wüste zum Nachtlager<br />
treffen sich Reisende: Alastor aus Ephesos, Rahim<br />
der Araber, Trebonius der Römer, Kylaxais der<br />
Skythe, Gunavata aus Indien und Kurush aus Persien.<br />
Sie teilen Brot und Salz, das Feuer und<br />
Geschichten. Alastor bemerkt zu seinem Namen:<br />
»Alastor ist der Dämon des Fluchs, der auf einem<br />
Frevel ruht«, sagte der Grieche mit einem schrägen<br />
Grinsen. »Er rächt einen Frevel, wodurch er einen<br />
neuen hervorruft. Hat jemand von euch einen Frevel<br />
zu rächen? Soll ich helfen?« Niemand nimmt das<br />
ernst. Doch am Morgen ist einer von ihnen tot ...<br />
Jörg Weigand: Der Gesang der schwarzen Kiefern<br />
Seit sie zwölf Jahre alt war, fühlt Velda sich von den<br />
schwarzen Kiefern auf einem Hügel wie magisch<br />
angezogen. Oft schlafwandelt sie dorthin, um ihrem<br />
Gesang zu lauschen, aber sie geht auch bewusst des<br />
Nachts hinauf auf den Berg. In einer Vollmondnacht<br />
breitet sie die Arme aus und singt mit ihren schwarzen<br />
Baumfreunden ...<br />
Manfred Borchard: Bericht an keine Akademie<br />
Ein Autor ist damit beauftragt, Aufklärung für seltsame<br />
Vorfälle zu finden: Irgendwann häuften sich<br />
die immer gleichen Berichte über die seltsamen<br />
Toten in allen Teilen der Welt, die alle das gleiche<br />
Schicksal teilten - tot gefroren, so eiskalt, als wären<br />
sie aus dem Weltall tot geboren. Und schwarz waren<br />
sie alle, schwarz wie das Weltall. Wenn man sie nur<br />
ein bisschen berührte, zerfielen sie wie zweitausendjährige<br />
Mumien. Trotz des grausam erscheinenden<br />
Todes zeigen die Opfer eine verzückte<br />
Miene ...<br />
Helmut Ehls: Sieben von neun Glocken<br />
Um der Langeweile ihrer Ehe mit Arthur C. Dent zu<br />
entfliehen, geht die Science Fiction-Muse Urania ins<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Darkover, dem angesagtesten Club der Stadt. Dort<br />
trifft sie zufälligerweise Cpt. Janeway, Barbarella<br />
und Ripley und verbringt eine vergnügte und<br />
berauschte Nacht. Als sie jedoch herausfindet, dass<br />
ihr Mann eine neue Muse hat, will sie mehr über die<br />
Rivalin herausfinden - und deckt dabei Dinge auf,<br />
die besser verborgen geblieben wären ...<br />
Monika Niehaus: Diesseits von Eden<br />
Auf einer namenlosen kleinen Insel im Mittelmeer<br />
steht eine Frau auf einem Felsvorsprung.<br />
Bei ihr ist ein Mann, ein Freund, der zugleich Wissenschaftler<br />
ist. Die Frau ist durch einen Tumor zum<br />
Tode verurteilt. Ihr Mann lebt schon lange nicht<br />
mehr, sie hat sonst niemanden.<br />
Weil sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, bittet<br />
sie den Wissenschaftler, sein Gen-Experiment, an<br />
dem er gerade arbeitet, an ihr zu testen ...<br />
Markus Kastenholz: Von Menschen und Wölfen<br />
Thalberg ist ein zwanghafter Pädophiler, der kleinen<br />
Mädchen auflauert, sie in den Wald entführt und<br />
dort vergewaltigt. Einmal hat sich ein Mädchen<br />
gewehrt, woraufhin er es getötet hat. Dafür wird er<br />
verurteilt. Inzwischen ist er auf freiem Fuß - und<br />
begegnet erneut einem kleinen Mädchen, als er in<br />
seinem klapprigen alten Auto auf dem Weg nach<br />
Hause ist.<br />
Thalberg weiß nicht, ob er der Versuchung widerstehen<br />
kann ...<br />
Corinna Kastner: Engel der Nacht<br />
In einer Zeit vor Gründung der Gewerkschaften<br />
arbeitet Friedrich Hansen in einer Fabrik, deren<br />
Besitzer keinen Wert auf Arbeitssicherung legt.<br />
Immer wieder kommt es zu Unglücks-, wenn nicht<br />
Todesfällen. Weil Hansen die Arbeiter zusammenbringen<br />
will, um gegen diese Missstände zu demonstrieren,<br />
wird er vom Besitzer entlassen. Auf der<br />
Straße begegnet er einem merkwürdigen, etwa<br />
15jährigen Mädchen, das immer dann zur Stelle ist,<br />
wenn ihm beinahe ein Unglück passiert ...
.. und der <strong>Kurzgeschichten</strong>band des Autors<br />
Thomas Wawerka:<br />
WIE DAS UNIVERSUM UND ICH FREUNDE WUR-<br />
DEN<br />
Thomas Wawerka<br />
Fabylon - Social Fiction-Storys<br />
Broschiert - 264 Seiten - 13.50 EUR<br />
ISBN: 9783927071346 - März 2011<br />
Cover- und Innenillustrationen: Yvonne Dick<br />
Mit einem Vorwort von Andreas Eschbach<br />
Bei Wawerka stehen zwischenmenschliche Beziehungen,<br />
Konflikte und Dramen im Mittelpunkt von<br />
Geschichten, die mal grotesk, mal klassisch fantas-<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
tisch, mal surreal, vor allem aber eines sind: unterhaltsam.<br />
Wawerka ist ein Autor der leisen Töne -<br />
zumindest so lange, bis es kracht und er eine<br />
Wendung herbeizaubert, die es in sich hat und die<br />
Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit so noch nie<br />
gelesen haben. Rechnen Sie damit, zum Nachdenken<br />
angeregt zu werden. Erwarten Sie Abwechslung<br />
und originelle Ideen.<br />
Story-Verzeichnis<br />
Die Mutter des Abends<br />
Hippokratisches Gleichnis<br />
Wie das Universum und ich Freunde wurden<br />
Begegnung auf Golgatha<br />
Die Göttin des Überflusses<br />
Gezählte Tage<br />
Advent: Ankunft<br />
Der alte Mann und das Glück<br />
Wir könnten Kolumbus fragen<br />
Animal Farm<br />
Auf der nächsten Stufe<br />
Routinejob<br />
Auf der anderen Seite<br />
Ich habe Uschi Zietsch zu eben jenen Veröffentlichungen<br />
befragt.
A.B.: Liebe Uschi, heute möchte mit Dir über die<br />
aktuellen FABYLON-Titel reden. Jüngst erschienen<br />
zwei neue Werke. Darauf möchte ich näher eingehen.<br />
Zuerst auf die Anthologie ZWEI ENGEL DER<br />
NACHT, unter der Herausgabe von Jörg Weigand.<br />
Was hat Dich an dem Projekt gereizt?<br />
U.Z.: Der Herausgeber, Jörg Weigand, hatte mich<br />
ursprünglich um eine Story für eine von ihm<br />
geplante Anthologie gebeten. Darüber verging<br />
einige Zeit, und schließlich trat er mit dem gesamten<br />
Projekt an mich als Verlegerin heran. Der Großteil<br />
der Stories konnte mich überzeugen, und nach dem<br />
guten Erfolg der DARK LADIES konnte ich mir das<br />
Projekt bei uns gut vorstellen.<br />
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Jörg Weigand?<br />
U.Z.: Wir kennen uns schon sehr lange, seit Ende<br />
der 80er Jahre, und hielten den Kontakt über die<br />
Jahre immer wieder bei einigen gemeinsamen Projekten<br />
aufrecht.<br />
A.B.: Die Autorenriege u.a. mit Wolfgang Hohlbein,<br />
Jörg Kastner und Gisbert Haefs liest sich beachtlich.<br />
Auch Du hast eine Story beigetragen. Verrate uns<br />
doch kurz, was den Leser darin erwartet und wie<br />
Du auf die Idee zu dem speziellen Plot kamst.<br />
U.Z.: Das Zentralthema war „Nacht“ und alles was<br />
damit zu tun hat. Ich wollte daher Nyx in einer<br />
Inkarnation als Geist der Nacht darstellen, gleichzeitig<br />
bot sich die Gelegenheit, mal wieder ein zeitgenössisches<br />
Thema aufzugreifen. Ursprünglich, bevor<br />
ich zur Phantastik kam, habe ich hauptsächlich<br />
zeitgenössische <strong>Kurzgeschichten</strong> verfasst, und ich<br />
schreibe sie auch heute noch gern, vor allem in<br />
Verbindung mit einem phantastischen Element.<br />
Misogynie, Missbrauch und Gewalt gegen Frauen<br />
ist für mich ein sehr wichtiges Thema, das ich 2008<br />
auch für die Ausschreibung von amnesty internati-<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
onal mit dem Thema „Menschenrechte“ verwendet<br />
habe. Meine Geschichte „Aische“, in der es um die<br />
Verheiratung eines minderjährigen Mädchens mit<br />
einem sehr viel älteren Mann mit dem Segen der<br />
Eltern geht, gewann damals den ersten Preis. So lag<br />
es nahe, sich diesmal der häuslichen Gewalt zuzuwenden<br />
– aber zum Glück hat Lara-Ann ja einen<br />
„Schutzengel“, den jedes Kind haben sollte. Trotzdem<br />
ist es keine „nette“ Geschichte, und darauf kam<br />
es mir an.<br />
A.B.: Die Aufmachung dieser Anthologie ist schon<br />
wie die DARK LADIES I & II, die ja ebenfalls reichbebildert<br />
bei FABYLON erschienen, mit einer Entry-<br />
Grafik von Andrä Martyna zu jeder Story versehen.<br />
Wieviel Wert legst Du besonders bei dieser Literaturgattung<br />
auch auf Innengrafiken?<br />
U.Z.: Ich möchte am liebsten in jedem Fabylon-Buch<br />
Innenillustrationen haben. Das war schon immer so,<br />
und teilweise konnten wir es früher auch budgettechnisch<br />
machen, aber eben nicht bei allen<br />
Bänden, weil es damals mit der Belichtungstechnik<br />
noch sehr teuer war. Heutzutage kostet eine Grafik<br />
für die Satz- und Druckerstellung nicht mehr als eine<br />
Seite Text, deshalb können wir unsere Vorstellungen<br />
besser umsetzen. Ich finde Illustrationen gerade bei<br />
einer Anthologie sehr wichtig, sie dienen der Auflockerung,<br />
aber auch Unterstreichung der<br />
Geschichten.<br />
A.B.: Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzung der<br />
Grafiken in „Zwei Engel der Nacht“? Hast Du einen<br />
persönlichen Favoriten?<br />
U.Z.: Ich bin sehr zufrieden, es passt alles sehr gut<br />
zusammen. Am besten gefällt mir der laszive, hintergründige<br />
Engel zu Wolfgang Hohlbeins<br />
Geschichte. Sehr anrührend ist auch die Grafik zu<br />
Katja Göddemeyers „Rendezvous am See“ … ach<br />
was, mir gefallen alle.
A.B.: Was hältst Du generell von Anthologien?<br />
U.Z.: Ich halte sie für sehr wichtig, um den Lesern<br />
„Autoren kompakt“ nahezubringen, sie können so<br />
in einem einzigen Buch viele verschiedene<br />
Schreibstile und Erzählweisen kennenlernen und sie<br />
als Anregung nehmen.<br />
A.B.: Wo siehst Du ihre Vor- ,wo ihre Nachteile?<br />
U.Z.: Ich sehe den Sinn einer Kurzgeschichte hauptsächlich<br />
daran, dass sie auf knappem Raum sehr<br />
präzise sein muss. Sie soll mit wenigen, treffenden<br />
Worten den Leser zum Nach- und Mitdenken reizen.<br />
Bedeutende Themen werden so aufgegriffen und<br />
bearbeitet, und das gleich in mehrfacher Hinsicht<br />
durch die Beteiligung verschiedener Autoren, die<br />
viele Sichtweisen widerspiegeln. Gleichzeitig<br />
können die Geschichten aber auch bei unterhaltsamer<br />
Themenwahl pointiert und humorvoll zum<br />
kurzen Amüsement „zwischendrin“ beitragen, wenn<br />
man gerade keine Zeit für einen dicken Roman hat<br />
oder ständige Unterbrechungen hat, aber zur Kurzweil<br />
etwas lesen möchte.<br />
Der Nachteil liegt darin, dass die meisten Leser<br />
Romane lieber haben. Wenn die Kurzgeschichte<br />
gefällt, will man mehr davon haben, gefällt sie nicht,<br />
können selbst zwei Seiten zu viel sein.<br />
Leider verschließen sich ja Großverlage weitestgehend<br />
dem Verlegen von Anthologien. Auch da<br />
leisten Kleinverlage nach wie vor wertvolle Arbeit,<br />
damit dieses wichtige Mosaik im Literaturbild nicht<br />
gänzlich verschwindet. Dürfen sich die Leser weiterhin<br />
auf Anthologien aus dem Hause FABYLON<br />
freuen? Wenn ja, auf welche?<br />
U.Z.: Da wir nur ein sehr kleines Programm haben,<br />
werden wir unseren Focus in den nächsten beiden<br />
Jahren wieder mehr auf Romane legen – aber eine<br />
Anthologie haben wir dennoch geplant: Die DARK<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
LADIES III, die sich diesmal auf erotischem Grund<br />
bewegen … da freue ich mich schon drauf.<br />
A.B.: Der zweite neue Titel in Deinem Verlagshaus<br />
ist die <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung WIE DAS UNIVER-<br />
SUM UND ICH FREUNDE WURDEN von Thomas<br />
Wawerka. Ein ungewöhnliches Projekt. Wie bist du<br />
auf Thomas, der ja schon eine Weile als „Insider-<br />
Tip“ gilt, aufmerksam geworden?<br />
U.Z.: Thomas hat mir seine Sammlung von sich aus<br />
angeboten. Da er sehr viele Geschichten auf Lager<br />
hat, haben wir überlegt, was wir am besten machen<br />
sollten – und uns schließlich für eine Richtung<br />
entschieden: Die Science Fiction, die aber gleichzeitig<br />
im Social Fiction-Bereich angesiedelt ist, denn<br />
immer geht es hier um die Menschen und ihre<br />
Fähigkeiten, in Extremsituationen zurecht zu<br />
kommen.<br />
A.B. Was erwartet die Leser in diesem Titel? Aus<br />
Sicht der Verlegerin. Wieso hat es Dich gereizt,<br />
dieses <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung zu verlegen?<br />
U.Z.: Alle Geschichten sind in einer näheren Zukunft<br />
oder parallelen Zeit angesiedelt; die Welt scheint<br />
vertraut, wenn da nicht doch plötzlich ein Element<br />
auftauchte, das aufzeigt, dass wir uns nicht in der<br />
Realität befinden. Bedingt durch sein Studium der<br />
Theologie setzt Thomas Wawerka sich auch mit dem<br />
Glauben auseinander und schafft erstaunliche Situationen<br />
und Begegnungen.<br />
Am meisten gereizt hat mich sein Erzählstil, der<br />
immer der jeweiligen Situation angepasst ist.<br />
Thomas Wawerka ist ein hervorragender Erzähler,<br />
der selbst aus einer scheinbar banalen Alltagsgeschichte<br />
wie der Pflegerin, die jeden Tag einen alten<br />
Mann betreut und gewissenhaft jede einzelne<br />
Minute notiert und berechnet, eine große Tragödie<br />
mit sehr viel Hintergrund herausholt (Der alte Mann<br />
und das Glück). In Die Göttin des Überflusses greifen<br />
die zum Aussterben verurteilten Menschen zum
letzten Strohhalm, noch einmal das Beste zu erleben<br />
und mit Würde abzutreten. Dann gibt es da noch<br />
die Geschichte von dem Mann, der angeblich auf<br />
dem Mars war, aber an einen Verkehrsunfall glaubt,<br />
und dessen Gedächtnis ihm aber Streiche spielt …<br />
Die Sammlung besteht aus solchen Geschichten mit<br />
unglaublichen Einfällen, nicht eine Story gleicht<br />
auch nur ansatzweise der anderen oder verfolgt ein<br />
bestimmtes Schema. Dass wir damit auf dem richtigen<br />
Weg sind, beweist das ausführliche Vorwort<br />
von Andreas Eschbach.<br />
A.B.: Auch dieser Band ist im Innenbereich illustriert.<br />
Von der Künstlerin Yvonne Dick, die einen<br />
sehr prägnanten Stil /und somit hohem Wiedererkennungswert)<br />
hat. Überhaupt fällt auf, dass<br />
FABYLON Wert darauf legt, jeden Titel optisch<br />
individuell zu gestalten. Ist das einVerlags-Credo?<br />
U.Z.: Ja, auf alle Fälle! Bild und Wort müssen zusammenpassen.<br />
Die Künstlerin wurde von Thomas<br />
Wawerka selbst vorgeschlagen, sie kannte seine<br />
Geschichten bereits und konnte daher präzise dazu<br />
arbeiten. Yvonne Dick ist Theaterbildnerin, dadurch<br />
kann sie mit wenigen Strichen sehr prägnant arbeiten.<br />
Auch das Cover stammt von ihr, und wenn man<br />
die Geschichte selben Namens dazu liest – übrigens<br />
eine humorvolle und augenzwinkernde – erkennt<br />
man gleich ihre Intention.<br />
A.B. Wird es eventuell weitere Titel von Thomas<br />
Wawerka bei FABYLON geben?<br />
U.Z.: Wir haben uns auf der Buchmesse in Leipzig<br />
darüber unterhalten, das ist durchaus denkbar.<br />
Thomas Wawerka ist sehr engagiert, man sollte ihn,<br />
seinen Ideenreichtum und sein hohes erzählerisches<br />
Talent nicht aus den Augen verlieren.<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
A.B.: Verrate uns doch abschließend bitte was<br />
generell als Nächstes bei FABYLON zu erwarten ist?<br />
U.Z.: Nächstes Jahr wird wie weiter oben angekündigt<br />
die DARK LADIES III erscheinen, ferner haben<br />
wir einen Sammelband mit Romanen und Geschichten<br />
sowie ein wenig „Beiwerk“ von Thomas<br />
Ziegler sowie einen Spezialband über Ernst Vlcek<br />
geplant, mit Biographie und Geschichten. Alle anderen<br />
Projekte sind in der Vorplanung und stehen<br />
nicht fest, aber wir werden in den nächsten beiden<br />
Jahren noch einen oder zwei Romane aus dem<br />
Bereich der High Fantasy bringen, sowie einen Beitrag<br />
aus der Dark Fantasy. Und wir werden auch<br />
endlich ebooks herausbringen, den Anfang wird<br />
unsere SunQuest-Serie machen.<br />
Somit möchte ich meine kleine Betgrachtungsweise<br />
auf USCHI ZIETSCH beenden – wer mehr über sie<br />
erfahren will, lese eines ihres Werke. Besser kann<br />
man die Autorin nicht kennenlernen, denn ihre<br />
Romane sprechen für sich.<br />
Und wer sich vorher schon einen Appetizer zu Gemüte<br />
führen will, darf sich in der kommenden Ausgabe<br />
des <strong>SpecFlash</strong> auf die Story von Uschi Zietsch<br />
aus der Anthologie „Zwei Engel der Nacht“ freuen.<br />
In diesem Sinne – immer ein gutes Buch zur Hand!<br />
Alisha Bionda<br />
portrait
Vian blickte konzentriert nach<br />
Nordosten. In der Ferne, hoch<br />
oben in den Hügeln, blitzte und<br />
funkelte es in wechselnden<br />
Farben. Am Tag war es nicht auffällig<br />
genug gewesen, um zufällig<br />
Aufmerksamkeit auf sich zu<br />
lenken, wenn man nicht danach<br />
suchte, aber jetzt in der beginnenden<br />
Dämmerung war es unverkennbar.<br />
»Es ist also wahr«, flüsterte Vian.<br />
»Le Merk hat einen Weg gefunden<br />
alte Kräfte zu erwecken.«<br />
Er stand einige Schritte vor<br />
seiner Hütte, die linke Hand an<br />
einen Baum gelegt, als wollte er<br />
sich absichern, falls die aufwühlenden<br />
Eindrücke ihn plötzlich ins<br />
Schwanken bringen sollten. Es war<br />
niemand in unmittelbarer Nähe,<br />
nur am Rande seines Sichtfeldes<br />
trotteten ein paar Dörfler herum,<br />
doch fehlte ihnen jede Bedeutsamkeit,<br />
um sie in diesem Moment<br />
überhaupt wahrzunehmen. So<br />
sprach Vian ausschließlich zu sich<br />
selbst. Wenn es so etwas wie<br />
einen hinreichenden Anlass gab,<br />
Selbstgespräche zu führen, dann<br />
war dies die Zeit. Er kam jedoch<br />
nicht dazu, damit fortzufahren.<br />
»Aber zu welchem Preis?«,<br />
fragte eine tiefe Stimme hinter<br />
seinem Rücken.<br />
Vian fuhr herum und sah das<br />
runzlige Gesicht seines Lehrmeisters.<br />
Tormen verstand es, unbemerkt<br />
aufzutauchen. Angeblich<br />
ganz ohne magische Tricks.<br />
»Erspart mir Euren Pessimismus,<br />
Meister. Ich weiß nichts von einem<br />
Preis.«<br />
»Das ist mir klar.«<br />
Warum nannte er Tormen<br />
eigentlich noch immer ‚Meister’?<br />
Seine Magie-Ausbildung war seit<br />
zwei Wochen abgeschlossen. Er<br />
musste sich das abgewöhnen.<br />
»Wisst Ihr vielleicht mehr,<br />
Tormen?«<br />
»Nein. Und das ist doch beunruhigend,<br />
findest du nicht?«<br />
»Nein.«<br />
»Nein. Natürlich nicht.«<br />
Sie hatten sich stets gut verstanden,<br />
aber sie hatten ihre Mein<br />
u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n .<br />
Besonders dann, wenn es um die<br />
alte Magie ging. Die Magie, die<br />
dieser Tage gelehrt wurde, war –<br />
aus Vians Sicht – ein schlechter<br />
Witz. Er hatte seine Ausbildung<br />
beendet und konnte nun einen<br />
Apfel blau färben, wenn er mit den<br />
Fingern schnippte, aber das war<br />
nichts im Vergleich dazu, was die<br />
Magier früherer Zeiten vermocht<br />
hatten. Vian war begierig darauf<br />
ihr Wissen eines Tages neu zu<br />
entdecken, aber Tormen, wenngleich<br />
er dieses Ziel früher einmal<br />
geteilt haben mochte, glaubte<br />
heute es sei besser so, wie es war<br />
– dass die Magie der alten Zeit<br />
vergangen war und Magier heute<br />
nur noch bessere Gaukler waren.<br />
Über dieses Thema hatten sie oft<br />
gestritten – oft genug. Vian wollte<br />
es nicht gerade jetzt wiederholen,<br />
kurzgeschichte<br />
Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
wo der Magier Le Merk offensichtlich<br />
einen Durchbruch erzielt<br />
hatte. Denn immerhin stand ein<br />
Großteil der Magier in dieser<br />
Debatte auf Seiten Vians – es<br />
mochte mit Risiken verbunden<br />
sein die alte Magie wiederzuerwecken,<br />
aber die geradezu grenzenlosen<br />
Möglichkeiten waren es<br />
wert. Diese Ansicht teilte auch der<br />
Hohe Rat, das höchste Gremium<br />
der Magier und ihrer aller Regierung.<br />
Lange hatten sie für eine<br />
vom Rest der Menschheit unabhängige<br />
Regierung streiten<br />
müssen, doch noch war die Magie<br />
nicht so kraftlos, dass sie nicht<br />
hätte helfen können dieses Ziel zu<br />
erreichen.<br />
Der Hohe Rat war es auch gewesen,<br />
der Le Merks viel versprechende<br />
Forschung, die sich vor<br />
allem auf die Reaktivierung alter<br />
und die Produktion neuer<br />
magischer Artefakte von großer<br />
Macht konzentrierte, gefördert<br />
hatte, indem ihm auf Kosten der<br />
Regierung Magier aller Schulen<br />
und Spezialisierungen unterstellt<br />
wurden. Selbst ein Nekromant und<br />
ein Dämonenbündler, deren Kunst<br />
sonst verboten war, obgleich Vian<br />
annahm, dass sie in heutiger Zeit<br />
erst recht über keine echte Macht<br />
verfügten, sollten gerüchteweise<br />
für Le Merk arbeiten.<br />
»Ich gehe ins Bett«, erklärte<br />
Vian, um weiteren Diskussionen<br />
mit Tormen auszuweichen. Es war<br />
eine bedeutsame Nacht, wenn –<br />
wie er annahm – in ihr tatsächlich
Artefakte von heute nicht mehr<br />
gekanntem Potenzial hergestellt<br />
wurden. Er würde die Ergebnisse<br />
ohnehin frühestens am nächsten<br />
Morgen bewundern können. Nun,<br />
er würde gewiss früh aufstehen.<br />
Irritiert bemühte Vian sich, zu<br />
sich zu kommen, als ihn mitten in<br />
der Nacht ein Klopfen weckte. So<br />
früh hatte er dann auch wieder<br />
nicht aufstehen wollen. Schlaftrunken<br />
näherte er sich der Tür. Erst<br />
auf halbem Wege fielen ihm die<br />
dünnen Lichtstrahlen auf, die<br />
durch Ritzen der Tür drangen. Da<br />
es jedoch noch lange nicht dämmerte,<br />
wie der Blick zum Fenster<br />
auf der anderen Seite eindeutig<br />
bewies, gab es nur eine Erklärung<br />
dafür, wer auf der anderen Seite<br />
der Tür darauf wartete, dass er die<br />
Müdigkeit abschüttelte.<br />
Rasch zog er sich einen Mantel<br />
über und etwas an die Füße. Wenn<br />
sein Gast der war, von dem er es<br />
annahm, dann würde er wahrscheinlich<br />
nicht so bald zurück ins<br />
Bett kommen. Er öffnete die Tür<br />
und fand seine Annahme bestätigt.<br />
Ihm gegenüber stand ein Wesen<br />
von menschlichem Körperbau, das<br />
ihm nur bis zur Brust reichte und<br />
das doch von beeindruckender<br />
Größe zu sein schien. Vielleicht<br />
war es die leuchtende Aura, die<br />
das Wesen umgab, der es diesen<br />
Effekt zu verdanken hatte. Es war<br />
keinem Geschlecht zuzuordnen<br />
und doch von einnehmender<br />
Schönheit. Es war einzigartig. Nicht<br />
nur nach Vians Dafürhalten. Es war<br />
der oder die einzige seiner oder<br />
ihrer Art.<br />
»Vian«, sagte das Wesen und<br />
seine Stimme hatte zugleich auffordernden<br />
Charakter, wie auch<br />
eine melodische Note. »Ich habe<br />
ein Ziel. Bist du dabei?«<br />
»Natürlich, Chi-Ven«, antwortete<br />
Vian. Er hatte niemals anders<br />
geantwortet, seit er sich der heldenhaften<br />
Gruppe angeschlossen<br />
hatte, die der Halbengel anführte.<br />
Niemand wusste es genau, aber es<br />
wurde gemeinhin angenommen,<br />
dass Chi-Ven tatsächlich das Kind<br />
eines Engels und eines Menschen<br />
war. Und seit er auf der Welt war,<br />
suchte er das Böse, um es von<br />
ihrem Angesicht zu tilgen. Vian<br />
fühlte sich geehrt, in dieser hehren<br />
Sache einer der Mitstreiter zu sein,<br />
denen Chi-Ven vertraute.<br />
Er spürte das reine Böse. Er<br />
konnte es wahrnehmen wie<br />
andere an einem Luftzug spürten,<br />
dass in einer gewissen Entfernung<br />
eine Bewegung stattgefunden<br />
haben musste. Doch es war selten<br />
– das reine Böse. Bosheit, Grausamkeit<br />
und Egoismus – sie waren<br />
verbreitet in der Welt, sie durchzogen<br />
die Welt, sie schienen<br />
untrennbar mit ihr verbunden.<br />
Doch dies waren nicht die Dinge,<br />
gegen die er seine Streiter um sich<br />
scharte und auszog, sie zu vernichten.<br />
Es gab ihrer nicht einfach zu<br />
viele, nein, sie waren zu eng mit<br />
dem Harmlosem, Gutmütigem, gar<br />
Gerechtem verbunden. Etwas in<br />
ihm wollte die Menschen für das<br />
kurzgeschichte<br />
Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
verurteilen, was sie taten, doch sie<br />
alle waren zu inkonsistent, zu verschwommen<br />
in ihrem Selbst. Er<br />
kam nicht umhin sie danach zu<br />
beurteilen, was sie waren, und da<br />
sie waren, wozu die Summe aller<br />
Taten sie machte, waren sie… nun,<br />
er war geneigt zu sagen Gar nichts,<br />
denn zu oft hielt sich das Gute mit<br />
dem Bösen die Waage. Die Summe<br />
war Null, ein Nichts, und ganz<br />
gewiss nichts, was er bereit<br />
gewesen wäre noch auszulöschen.<br />
Aber es gab sie, die Elemente des<br />
reinen Bösen. Und ihre Existenz<br />
machte es möglich einen Sinn in<br />
seinem Dasein zu sehen, wo die<br />
ganzen nebulösen Existenzen ihn<br />
daran zweifeln ließen, dass es<br />
einen Sinn gab. Heute hatte er seit<br />
Langem erneut eine solche böse<br />
Präsenz gespürt und er war bereit<br />
sich ihrer anzunehmen. Und seine<br />
treuen Gefährten aus den Reihen<br />
der Menschen, die ihm schon in<br />
manchem Gefecht beigestanden<br />
hatten, folgten ihm ohne zu<br />
fragen. Weniger, weil sie keine<br />
Fragen oder Zweifel gehabt<br />
hätten, sondern vermutlich mehr,<br />
weil sie es aufgegeben hatten.<br />
Viele unter ihnen glaubten sie<br />
würden zu wenig bekämpfen, wo<br />
es doch mehr Böses gebe. Es war<br />
eine menschliche Sichtweise. Sie<br />
musste deswegen nicht falsch sein.<br />
Es gelang ihm nur nicht sie zu<br />
teilen. Dennoch konnte er ihnen<br />
nie wirklich erklären, warum sie<br />
diejenigen verschonten, die<br />
oftmals verantwortlich dafür<br />
waren, dass das Böse hatte erwa
chen können. Denn selten kam es<br />
von ungefähr. Er wusste, dass ihm<br />
auch dieses Mal wieder die Antworten<br />
fehlen würden. Und<br />
deshalb schwieg er. Er nannte<br />
ihnen nicht einmal das Ziel. Sie<br />
erkannten es früh genug. Und er<br />
merkte, wie der Unmut einiger<br />
unter ihnen – der Magier, um<br />
genau zu sein – stieg, bevor sie sich<br />
dessen selbst bewusst wurden.<br />
»Chi-Ven?« Vian blickte unruhig<br />
zu dem Turm, dem sie sich näherten,<br />
und wieder zurück zu dem<br />
Halbengel. »Ihr wollt aber nicht<br />
sagen, die Alte Magie sei das Böse,<br />
das wir heute Nacht bekämpfen…<br />
oder?«<br />
Nein, natürlich wollte der Halbengel<br />
das nicht sagen. Es war ja<br />
nicht so, dass er überhaupt etwas<br />
sagen wollte. Vian ärgerte sich<br />
über seine Wortwahl, sagte sich<br />
aber, dass er vermutlich so oder so<br />
keine Antwort erhalten hätte, als<br />
Chi-Ven zu seiner Überraschung<br />
doch darauf einging. Nicht sehr<br />
ausführlich allerdings.<br />
»Nein.«<br />
»Oh. Gut.« Für einen Moment<br />
gab er sich damit zufrieden, doch<br />
noch immer war er unruhig. Sie<br />
folgten weiter dem Weg, der den<br />
Hügel hinauf führte. Sie würden<br />
den Turm zwangsläufig erreichen,<br />
es gab gar keine anderen Gebäude<br />
mehr auf dem Weg. Aber es war<br />
natürlich möglich, dass sie einfach<br />
auf die andere Seite des Hügels<br />
mussten. Es war doch ohnehin das<br />
Wahrscheinlichste, dass sie noch<br />
einen weiten Weg vor sich hatten<br />
und das Böse nicht vor ihrer<br />
Haustür aus dem Boden gekrochen<br />
war. Doch er wollte darüber<br />
Gewissheit haben, bevor sie den<br />
Turm erreichten. »Es geht auch<br />
nicht um Le Merk, oder? Ich<br />
meine, er war früher selbst Mitglied<br />
dieser Gruppe.«<br />
»Ja«, bestätigte Chi-Ven und es<br />
schwang unverkennbare Bitterkeit<br />
in dem einen Wort mit.<br />
Es klang nicht danach als würde<br />
Vian weitere Antworten erhalten.<br />
Schweren Herzens – verdammt<br />
schweren Herzens – fand er sich<br />
damit ab. Chi-Ven wusste, was sie<br />
taten. Darauf musste er vertrauen.<br />
Darauf hatte er immer vertrauen<br />
können. Nur war es ihm nie so<br />
schwer gefallen.<br />
Der Turm lag unmittelbar vor<br />
ihnen. Chi-Ven bedeutete seinen<br />
Begleitern stehen zu bleiben und<br />
hörte abermals unruhiges Murmeln,<br />
das er überging. Flackerndes<br />
Licht in verschiedenen Farben fiel<br />
aus den Fenstern, die überall ab<br />
einer Höhe von vielleicht drei<br />
Metern angebracht waren. Chi-<br />
Ven drehte sich zu seinen Gefährten<br />
um, deren Gesichter in diesem<br />
Moment von rotem Flackern<br />
unheilvoll erleuchtet wurden. Er<br />
merkte am Rande wie Vian seinem<br />
Blick auswich.<br />
kurzgeschichte<br />
Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
»Ich hoffe ihr seid bereit. Und<br />
eure Waffen geheiligt, denn sonst<br />
werden sie nichts ausrichten<br />
können. Wir haben einen Dämon<br />
niederzustrecken. Einen ungewöhnlich<br />
mächtigen, wie ich<br />
annehme. Wir haben nur einen<br />
Vorteil: Er rechnet nicht mit uns<br />
und wird uns nicht bemerken, da<br />
er damit beschäftigt sein wird<br />
magische Artefakte herzustellen.«<br />
Er deutete in Richtung Fenster.<br />
»Sobald wir ihn aber angreifen,<br />
gibt es kein Erbarmen. Wir müssen<br />
es zeitgleich und entschlossen tun,<br />
sobald wir ihn umzingelt haben.<br />
Verteilt euch also drinnen<br />
zunächst über den ganzen Bodenbereich<br />
– versucht höher zu gelangen,<br />
wenn ihr könnt.« Er wandte<br />
sich zum Turm und starrte für<br />
einen Moment auf das Mauerwerk.<br />
Wenngleich sein Blick es<br />
nicht durchdrang, konnte er doch<br />
den Raum dahinter erspüren.<br />
»Letzteres wird allerdings schwierig«,<br />
fügte er hinzu und drehte sich<br />
wieder zu seinen Streitern. »Es<br />
gibt keine wirklichen Stockwerke<br />
mehr. So hat der Dämon den Platz,<br />
den er braucht.«<br />
Jemand sog scharf die Luft ein.<br />
»Es kann möglicherweise hilfreich<br />
sein einige der in Arbeit<br />
befindlichen oder schon fertig<br />
gestellten Artefakte in den Kampf<br />
einzubinden – sie vielleicht auch<br />
einfach explodieren zu lassen, in<br />
den diversen Höhen, in denen sie<br />
hängen, wo die frei gesetzten<br />
Kräfte als erstes den Dämon atta
ckieren werden. Andererseits hat<br />
er sie geschaffen und womöglich<br />
mit böser Kraft gefüllt. Dann<br />
schneiden wir uns mit solchen<br />
Manövern selbst ins Fleisch. Entscheidet<br />
selbst, was ihr mit euren<br />
Möglichkeiten tut. Vertraut eurer<br />
Intuition!«<br />
Mehr sagte er nicht. Mehr sagte<br />
er nie. Es war an der Zeit den<br />
Kampf zu beginnen.<br />
Die Eingangstür war unverschlossen.<br />
Chi-Ven trat als erster in den<br />
Turm. Die Anderen folgten dicht<br />
hinter ihm. Es war kein Dämon zu<br />
sehen. Es war überhaupt niemand<br />
zu sehen. Nur viele leuchtende<br />
Dinge hingen überall im Turm, wo<br />
sie auf die Entfesselung ihrer<br />
Kräfte zu warten schienen. Einige<br />
drehten sich, manche gaben seltsame<br />
Geräusche von sich, das eine<br />
oder andere pulsierte oder<br />
änderte beständig seine Gestalt.<br />
»Nicht ablenken lassen«, zischte<br />
Chi-Ven. »Verteilt euch. Der<br />
Dämon ist unsichtbar, möglicherweise<br />
teils gestaltlos. Zwingen wir<br />
ihn…«<br />
Der Rest seiner Ansage entfiel,<br />
als ihn eine unsichtbare Kraft traf,<br />
in die Höhe zog und gegen die<br />
Wand schmetterte. Der Schmerz<br />
drohte ihm das Bewusstsein zu<br />
rauben, aber Chi-Ven überwand<br />
ihn und unterdrückte jede körperliche<br />
Empfindung. Seine Flügel<br />
waren gebrochen, doch verfügte<br />
sein Körper über enorme Selbstheilungskräfte,<br />
die er augenblick-<br />
lich in Rücken und Flügeln<br />
aktivierte, während er fast noch<br />
gleichzeitig von der Wand sprang,<br />
vorwärts stürzte und sein weißes<br />
Schwert durch die Luft schneiden<br />
ließ. Der Dämon hatte ihn jedoch<br />
für einen Moment zu lange in die<br />
Defensive getrieben. Sein Hieb traf<br />
kein Ziel, stattdessen wurde er<br />
selber von oben am Kopf getroffen<br />
und mit der Kraft eines fallenden<br />
Felsens zu Boden gepresst. Er<br />
hörte wie seine Kampfgenossen<br />
Zaubersprüche sprachen und<br />
Waffen durch die Luft wirbelten,<br />
doch das alles schien in Zeitlupe zu<br />
geschehen, während er selbst<br />
gelähmt war und sein Körper zu<br />
brennen begann. Es war kein sichtbares<br />
Feuer. Es war die Macht der<br />
Höllen unter seiner Haut. Mit<br />
seinen letzten Gedanken versuchte<br />
er seinen Gefährten Kräfte<br />
des Himmels zu übertragen. Und<br />
doch wusste er, dass sie keine<br />
echte Chance hatten. Nicht,<br />
nachdem er selbst keine gehabt<br />
hatte.<br />
Vian blickte auf Chi-Vens reglosen<br />
Körper, unfähig sich zu<br />
bewegen. Aus den Augenwinkeln<br />
sah er wie nach und nach auch die<br />
anderen erstarrten, als sie<br />
erkannten, was geschehen war. Er<br />
sah es und doch erreichte es kaum<br />
sein Bewusstsein. Tormen hatte<br />
recht gehabt. Die Artefakte, auf<br />
die er vor wenigen Stunden noch<br />
sehnsüchtig gewartet hatte,<br />
hatten einen allzu großen Preis.<br />
kurzgeschichte<br />
Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
Die Einsicht traf ihn trotz des<br />
langen Weges hierher und trotz<br />
Chi-Vens schließlich doch noch<br />
gegebenen Erklärungen unvorbereitet,<br />
als er die Leiche des Halbengels<br />
wenige Schritte vor sich sah.<br />
Irgendwo stieß jemand einen<br />
Kampfschrei aus und es kam<br />
wieder Bewegung in die Versammelten.<br />
Auch Vian brachte wie<br />
automatisch seinen Zauberstab in<br />
Position.<br />
Dann folgte ein anderer Schrei.<br />
Wollte man den ersten einen<br />
Schrei nennen, konnte man es mit<br />
dem zweiten kaum noch tun. Das<br />
Brüllen des Dämons zerriss Vians<br />
Trommelfell ebenso wie es die<br />
Wände des Turms sprengte. Steine<br />
prasselten hernieder und zerfetzten<br />
die Artefakte, auf die sie<br />
trafen. Wie in einem Feuerwerk<br />
stieben die Energien davon, die in<br />
ihnen gebannt waren. Vian<br />
wusste, dass er sich keine Vorstellung<br />
davon machte, was sie anrichten<br />
konnten.<br />
Plötzlich sah er Le Merk. Er<br />
wusste nicht, woher der Magier<br />
aufgetaucht war, aber er versuchte<br />
offensichtlich den Dämon<br />
zu bändigen. Der nahm plötzlich<br />
Gestalt an, in einer widerlichen<br />
gigantischen Erscheinung. Es war<br />
ein schreckliches Bild. Und das<br />
letzte, das Vian sah, bevor ein<br />
Stein ihn hart am Kopf traf und ihm<br />
das Bewusstsein raubte.
»Was tust du?!«, kreischte Le<br />
Merk und versuchte so laut zu<br />
schreien, dass seine Stimme nicht<br />
zittern konnte.<br />
Der Dämon beugte sich zu ihm<br />
herunter und blies ihm einen Atem<br />
voller Asche und Hitze ins Gesicht.<br />
Le Merk wusste, dass der Dämon<br />
auch jede andere Gestalt annehmen<br />
könnte, aber sich an der<br />
Furcht einflößenden Erscheinung<br />
dieser erfreute.<br />
»Unser Vertrag ist geplatzt«,<br />
verkündete der Dämon und aus<br />
seinem Maul tropfte schwarzer<br />
Schleim. »Du hast mir die Seele<br />
eines Engels versprochen. Du hast<br />
gesagt er würde von sich aus<br />
kommen. Also hast du ihn<br />
gemeint, oder etwa nicht?«<br />
Es fiel Le Merk schwer der ausgestreckten<br />
Kralle des Dämons zu<br />
folgen und den toten Körper Chi-<br />
Vens anzusehen. Er hatte einst für<br />
ihn gekämpft. Es gab nichts<br />
Falsches an Chi-Ven, aber die<br />
Ergründung der alten Magie war<br />
zu wichtig und eine einzelne Seele<br />
– noch dazu nicht die eigene – der<br />
beste denkbare Preis gewesen, um<br />
einen Dämon zu rufen, der die alte<br />
Magie zu neuer Blüte zu führen<br />
vermochte. Ein Dämon seiner<br />
Macht hätte eigentlich ein Vielfaches<br />
an Seelen verlangt.<br />
Abgelenkt von dem Anblick Chi-<br />
Vens hatte er dem Dämon noch<br />
immer keine Antwort gegeben,<br />
doch der deutete das bereits als<br />
Zustimmung.<br />
»Dieses erbärmliche Ding ist ein<br />
Halbengel. Seine Seele ist nicht<br />
einmal halb so viel wert wie die<br />
eines Engels.«<br />
Le Merk musste sich nicht länger<br />
auf eine feste Stimme konzentrieren.<br />
Er zitterte bereits am ganzen<br />
Körper, ahnend, dass er aus<br />
diesem Fehler nicht heil herauskommen<br />
würde. Hatte er denn<br />
wirklich ‚Engel’ gesagt? Konnte der<br />
Dämon ihn dafür verzehren, dass<br />
er es mit einem Wort nicht so<br />
genau genommen hatte?<br />
»Du hast Glück, Mensch«,<br />
dröhnte jetzt der Dämon. »Ich bin<br />
heute gnädig. Gib mir einen<br />
zweiten Halben und ich werde sie<br />
als Ganzen betrachten, auch wenn<br />
der Wert ihrer Seelen jämmerlich<br />
ist.«<br />
Es gab keinen zweiten. Chi-Ven<br />
war der einzige Halbengel, von<br />
dem man jemals gehört hatte. Er<br />
konnte das dem Dämon nicht<br />
sagen, doch dieser spürte die<br />
Antwort ohnehin, ohne dass sie<br />
ausgesprochen werden musste.<br />
»In diesem Fall«, erklärte der<br />
Dämon nun und ließ sich Zeit mit<br />
jedem seiner Worte, »werde ich<br />
mir holen, was ich bekommen<br />
kann. Und du weißt, dass da<br />
kurzgeschichte<br />
Der Preis der Macht<br />
von Simon Anhut<br />
draußen nirgends genug Seelen<br />
sind, um die eines Engels oder<br />
auch nur eines halben Engels aufzuwiegen,<br />
wenn sie alle ganze<br />
Menschen sind.«<br />
Mit diesen Worten entschwand<br />
der Dämon wieder in die Unsichtbarkeit.<br />
Einige schreckliche Augenblicke<br />
fragte sich Le Merk zwischen Hoffnung<br />
und Todesangst, was nun aus<br />
ihm werden würde. Und wieder<br />
spürte der Dämon seine unausgesprochenen<br />
Gedanken und antwortete<br />
ihm, ein letztes Mal.<br />
»Dich werde ich vernichten,<br />
sobald mir danach der Sinn steht.<br />
Vielleicht in wenigen Augenblicken.<br />
Vielleicht in ein paar Tagen.<br />
Vielleicht in einigen Wochen. Wir<br />
werden sehen.« Stille erfüllte die<br />
Ruine. Dann zuckte Le Merk<br />
zusammen, als der Dämon noch<br />
etwas hinzufügte. »Das heißt: Ich<br />
werde sehen. Du wirst einfach<br />
nicht mehr sein.«<br />
Diese Geschichte ist den Opfern<br />
der japanischen Katastrophe<br />
gewidmet, den bisherigen wie den<br />
zukünftigen.
Joe Hill: Teufelszeug<br />
Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel<br />
München: Heyne Verlag 2010, € 19,99<br />
Auch dem Teufel muss man sein Recht lassen<br />
von Wassilios Dimtsos<br />
Ignatius Martin Perrish ist ein Teufelskerl – im<br />
wahrsten Sinne des Wortes. Nach einem Zechgelage<br />
ist der darauffolgende morgendliche Kater die<br />
Geringste seiner Sorgen, denn ein Blick in den Spiegel<br />
verrät Ig, dass ihm über Nacht Hörner gewachsen<br />
sind.<br />
Doch das ist noch nicht Alles: Der neue Ig verfügt<br />
über die Fähigkeit die sündigen Gedanken seiner<br />
Mitmenschen zu lesen; Verwandte, Bekannte, aber<br />
auch völlig Fremde vertrauen ihm ohne Weiteres ihre<br />
dunkelsten Geheimnisse an.<br />
Aber wieso verwandelt sich Ig immer mehr in einen<br />
Teufel? Liegt es daran, dass er sich nachts zuvor an<br />
einer Figur der heiligen Maria erleichtert hat, oder<br />
wurzelt das Rätsel tiefer in der Vergangenheit? Der<br />
Grund seines nächtlichen Exzesses begründet sich in<br />
der Tatsache, dass seine Freundin Merrin vor genau<br />
rezension<br />
Teufelszeug<br />
einem Jahr vergewaltigt und ermordet wurde und<br />
Ig mit der Situation noch immer nicht zurechtkommt,<br />
zumal ihn alle für den Täter halten.<br />
Ig ist seitdem in ein tiefes Loch gefallen, aus dem<br />
er nicht mehr herauszukommen vermochte.<br />
Machtlos und mit der Last der angehängten<br />
Beschuldigungen, gab es für ihn keinen Weg seine<br />
Unschuld zu beweisen. Doch nun hat sich das Blatt<br />
gewendet und er kommt der blutigen Spur immer<br />
näher, die ihn zum wahren Mörder seiner einstigen<br />
großen Liebe führt. Und je mehr Ig herausfindet,<br />
je näher er seinem Ziel kommt, desto<br />
diabolischer geht es zu.<br />
Eines der bedeutenden Bestandteile von Joe Hills<br />
neuem Roman ist das unmittelbare Eintauchen in<br />
die Gefühls- und Gedankenwelt der vorgestellten<br />
Figuren, mit dem Fokus auf die heimlichen Sünden<br />
der Menschen. Denn nicht immer sind die Gedanken<br />
des Gegenübers rein und noch seltener höflich<br />
formuliert - insbesondere, wenn man jemanden<br />
insgeheim nicht leiden kann. Hill bemüht sich hier<br />
um eine „dreckige“, direkte Sprache, was dazu<br />
führt, dass die Figuren glaubhaft in Szene gesetzt<br />
werden.<br />
Gleich zu Beginn weckt Teufelszeug die Neugier<br />
auf die interessante Thematik und den nicht zu<br />
dominant auftretenden fantastischen Elemente.<br />
Der Leser begleitet Ig bei der Erkundung seiner<br />
Kräfte und ist dabei, wenn er sich nach und nach<br />
immer weiter verändert, sowohl optisch als auch<br />
charakterlich.<br />
Spätestens bei der ersten Rückblende in die<br />
Jugendzeit des Protagonisten, gewinnt das Buch<br />
noch weitere Facetten: Der Leser klagt, freut und<br />
ärgert sich mit und über Ig und oft mag man seine<br />
Meinung zu ihm und anderen wichtigen Nebenfiguren<br />
ändern. Im Mittelteil hat das Buch seine<br />
Längen, aber man muss sich eingestehen, dass die<br />
vielen Zeitwechsel unablässig für das Verständnis<br />
der Figuren und letztlich auch der Geschichte an<br />
sich sind.
Teufelszeug bleibt also nicht nur aufgrund der<br />
Thematik und der übernatürlichen Note - also der<br />
sprichwörtlichen Verwandlung Igs in einen Dämon –<br />
bis zum Ende spannend, sondern auch aufgrund der<br />
gelungenen Charakterskizzierung und der Personenkonstellation,<br />
die viele Überraschungen zu bieten hat.<br />
© Dino Muhic<br />
Joe Hill<br />
Teufelszeug<br />
eigentlich Joseph Hillstrom King, wurde 1972 in<br />
Maine (USA) geboren und ist der Sohn von<br />
Stephen King. Um nicht gleich zu Beginn seiner<br />
schriftstellerischen Karriere mit seinem Vater in<br />
Verbindung gebracht zu werden, wurden seine<br />
Werke unter dem Künstlernamen Joe Hill veröffentlicht.<br />
Bislang erschienen sind: Die <strong>Kurzgeschichten</strong>sammlung<br />
20th Century Ghosts (dt. Black<br />
Box), sein erster Roman Heart-Shaped Box (dt.<br />
Blind), die Comic-Reihe Locke & Key und sein<br />
zweiter Roman Horns (dt. Teufelszeug). Unter<br />
anderem gewann er den Ray Bradbury Fellowship,<br />
den Bram Stoker Award sowie den World Fantasy<br />
Award.<br />
© 2011 Wassilios Dimtsos<br />
rezension
»Hic sunt dracones«<br />
Ark-Signia Atlas, Historische Karte v.<br />
London, 1484<br />
»Na, was haben wir denn da in<br />
dem Koffer?«, fragte die bemüht<br />
freundliche Beamtenstimme in die<br />
kühl gekachelte Enge des Raumes.<br />
Milchig schimmerte Licht durch<br />
eine dicke Glastür und verlieh der<br />
sterilen Kammer die bedrückende<br />
Atmosphäre einer Zahnarztpraxis.<br />
Glasaugen Smitty kannte jenes<br />
beengende Gefühl zu genüge,<br />
doch der Reisende hatte Übung in<br />
diesen Dingen und so schnipste er<br />
die unbehagliche Emotion mit<br />
einem spitzen gedanklichen Stoss<br />
von sich. Bedächtig griffen narbige<br />
Finger nach dem Lederkoffer und<br />
ließen dessen matte Metallschnallen<br />
klacken. Angespannt folgte der<br />
wache Blick des Beamten jeder<br />
kleinen Bewegung und observierte,<br />
mit leichtem Stirnrunzeln,<br />
das blasse Geflecht verheilter<br />
Wunden. Vermutlich ahnte er<br />
woher die Spuren an Smittys<br />
Fingern rührten, kleine tief<br />
gebohrte Abdrücke, kaum länger<br />
als ein halber Zentimeter und zu<br />
dem hellen Bild eines abstrakten<br />
Kratzmusters arrangiert. Schneidezähne.<br />
Nur ein paar kräftige Faustschläge<br />
in einen geöffneten Mund<br />
konnten diese Kriegsbemalung der<br />
modernen Ellbogengesellschaft<br />
stechen. Der Koffer schnappte auf<br />
und Glasaugen Smitty erfreute sich<br />
mit spröden, gekräuselten Lippen<br />
des gleich beginnenden Spiels. Die<br />
stürmische Zeit zur See war für<br />
den alten Hamburger längst<br />
Geschichte. Doch kurze Anlegepausen<br />
an exotischen Küsten und<br />
fremden Häfen hatten ihm Kontakte<br />
und ein neues Auskommen<br />
besorgt. Glasaugen Smitty war<br />
Händler für etwas speziellere<br />
Waren und in diesem Fall hatte er<br />
eine ganz besondere Kostbarkeit,<br />
aus den Wolkenspitzen des Himalajas,<br />
mitgebracht. Als hätte er sich<br />
einen Ruck geben müssen, fuhr die<br />
Hand des Beamten in den aufgeklappten<br />
Bauch des Gepäckstückes<br />
und begann in seinen Innereien zu<br />
wühlen. Gedankenverloren<br />
schweifte Smitty´s Blick umher. Es<br />
gab einen kleinen, geheimen<br />
Markt in den Gossen und Spelunken<br />
nahezu jeder größeren Stadt<br />
und er besorgte Dinge, ganz den<br />
Wünschen des Kunden entsprechend.<br />
Schrumpfköpfe aus Peru,<br />
versteinerte Knochen aus den Diamantminen<br />
in Sierra Leone, Albinoaugen,<br />
Artefakte und Relikte<br />
längst ausgerotteter Kulturen, aus<br />
den dunkelsten Winkeln der Welt<br />
und…<br />
»Was ist da drin?«, schwallte<br />
Smitty der Minzegeruch von billigem<br />
Discounter Mundwasser entgegen<br />
und ließ ihn unfreiwillig ein<br />
wenig zurückweichen. »Drachenatem,<br />
Sir.« Für eine treue Kundin.<br />
»Was soll das bitte sein?« Ohne<br />
die Frage eine Antwort zu würdigen,<br />
fischte der Reisende einen<br />
Arbeitsausweis der Parfum Firma<br />
Elven und einen Lieferschein für<br />
drei Fläschchen »Drachenatem,<br />
kurzgeschichte<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
Proben 24-27, 2011, by Elven<br />
Paris« aus seinem herbstgrünen<br />
Mantel. Misstrauisch glitt der irritierte<br />
Blick des Beamten über das<br />
Glas und seinen nebelig, wabernden<br />
Inhalt. »Was ist das für ein<br />
Zeug, man?« Smitty lächelte. »Drachenatem.<br />
Steht doch drauf. Ich<br />
liefere das nur und entwickele die<br />
neuen Düfte nicht, aber die<br />
machen aus allem möglichen<br />
Gesöff ihre teuren Wässerchen.<br />
Weißte aus was Channor No. 5<br />
eigentlich besteht? Was damals in<br />
der Entwicklung die Grundlage<br />
bildete? Der Geruch von nasser<br />
Schafwolle. Kein Scheiß, so läuft<br />
das ab. Von Mufti zu Eleganti.« Der<br />
Drogenteststreifen war schnell aus<br />
der undurchsichtigen Flüssigkeit<br />
gezogen und wenig später steuerte<br />
Glasaugen Smitty, durch die<br />
feuchte Londoner Luft, dem nächsten<br />
Taxi entgegen. Die Weberin<br />
wartete auf ihre Lieferung.<br />
In nassem blutigem Gesudel lag<br />
das, was einmal ein Körper war, zu<br />
einer breiigen Pfütze aufgeschwemmt<br />
in der Gosse. Aus der<br />
dickflüssigen, dunkelroten Lache<br />
erhob sich eine deformierte Insel<br />
aus verklebten Hautlappen und<br />
zerquetschten Organklumpen. Im<br />
heulenden Wind der engen Gasse<br />
und ihrer dreckigen, krummen<br />
Hausfassaden wehten blonde<br />
Haarsträhnen, an der zersplitterten<br />
Spitze eines senkrechten<br />
Unterschenkelknochens, der wie<br />
ein Mast in den bizarren Fleisch
haufen gepflanzt war. Angewidert<br />
drehte Leyla den Leichenresten<br />
ihren Rücken zu. Um sie herum<br />
huschte bereits ein Schwarm Kollegen,<br />
durch das spärliche Licht<br />
der Nacht und sicherte den Tatort,<br />
des abartigen Versuches einer<br />
fleischlichen Töpferarbeit. Sie<br />
konnte den Gedanken nicht verdrängen,<br />
zu stark erinnerte das<br />
eben Erblickte an ihre kläglichen<br />
Versuche vor wenigen Jahren,<br />
nassen Lehm in eine sinnvolle<br />
Form zu kneten. Erholung durch<br />
Handwerk, hieß der Abendkurs<br />
und der Ermittlerin wurde übel bei<br />
dem kranken Gedanken, dass dies<br />
auch das Motto des Wahnsinnigen<br />
sein könnte, als er einen Menschen<br />
zu der dicklichen Masse<br />
verarbeitetet hatte. »Du solltest<br />
dich nicht hier in den Nebeln aufhalten,<br />
mein Kind.«, krächzte flüsternd<br />
eine fremde Stimme in ihr<br />
Ohr. Wie vom Schlag getroffen<br />
fuhr die Frau herum und blickte,<br />
mit Schreck geweiteten Augen, in<br />
den nebelverhüllten Schemen<br />
einer gedrungenen Gestalt. »In<br />
Nächten wie diesen, mein Kind,<br />
kann man nie wissen was sich in<br />
den Nebeln herumtreibt. Lauf,<br />
lauf. Lauf nach Hause mein<br />
Kleines.« »Wer sind Sie?«, unterbrach<br />
Leyla das Gesäusel der Silhouette<br />
vor ihr. Ein Klimpern, wie<br />
von Armreifen, antwortete und<br />
mischte sich mit leisem Lachen,<br />
das rau an hungrige Krähenrufe<br />
erinnerte. »Der Nebel ist dicht<br />
heut Nacht, kleine Polizistin.<br />
Kannst du sehen was in ihm lebt?«<br />
Dunstig schob sich eine feucht<br />
graue Wand vor die junge Kommissarin<br />
und versperrte ihr die Sicht.<br />
»Hey! Wer sind Sie? Bleiben Sie<br />
stehen!« Einer kalten Ohrfeige<br />
gleich, spuckte der Nebelschleier<br />
feuchte Tropfen in Leylas Gesicht<br />
und schmunzelte still auf sie hinab.<br />
Allein stand Leyla da, in den engen<br />
Klüften des Londoner Eastends…<br />
… und fürchtete sich, bei dem<br />
grellen Anblick der morgendlichen<br />
Stadt. Wie verblasste Bauklötze,<br />
auf dem verschimmelten, dunklen<br />
Spielteppich eines Kindes, ruhten<br />
die Häuser Londons unter ihrem<br />
ängstlichen Blick. Die wenigen<br />
Tage nach ihrem neunzehnten<br />
Geburtstag hatten die junge Frau<br />
in Panikattacken, hinter Schutzwällen<br />
aus ungeöffneten Umzugskartons,<br />
kauern lassen.<br />
Gewidmetes Mädchen – die<br />
Bedeutung ihres indischen<br />
Namens Ekanta, hatte sich in jener<br />
trüben Nacht vor drei Jahren grauenvoll<br />
offenbart. Klamme Schatten<br />
umhüllten die Erinnerungen der<br />
zierlichen Inderin, an den entstellten<br />
Moment erwachten Lebens.<br />
Sie war gerannt, schwitzend und<br />
mit stummen Schreien in ihrem<br />
offenen Mund, durch das Eastend<br />
und seine schmalen Schluchten.<br />
Hinter ihr lebte es, erhob sich<br />
atmend und starrte aus feurigen<br />
Augen ihrem kleinen Leib nach. Sie<br />
war dem Nebel gewidmet worden.<br />
Ohne Schuhe, mit aufgerissenen<br />
Strümpfen und dreckiger Kleidung,<br />
auf die lange Nebelfinger ihre<br />
dunstigen Abdrücke gebrannt<br />
kurzgeschichte<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
hatten, fand Ekanta sich irgendwann<br />
in einem cremeweißen<br />
Zimmer des Bethlem Royal Hospital<br />
wieder. Freundliche Stimmen<br />
sprachen wie von Ferne flötend<br />
auf sie ein, weiße Hände zogen sie<br />
aus und Puder tanzte um ihre<br />
Nase. Endogene Psychose mit<br />
Wahnvorstellungen lautete das<br />
prangernde Urteil ihrer Krankenakte<br />
und Erinnerungen verblassten,<br />
in der Folter ewig eintöniger<br />
Tage. Wie kalte Tropfen, die unablässig<br />
auf der Stirn trommelten,<br />
löschten Tabletten, Spritzen und<br />
die knarrenden Erklärungen. der<br />
krankenschwesterlichen Gebetsmühlen.<br />
das Bild des Geschehenen.<br />
Die irre Inderin, so wurde<br />
sie bei manchem Tratsch im<br />
Schwesternzimmer genannt. Ihre<br />
trockenen, juckenden Augen …<br />
… starrten, im flackernden Licht<br />
des klobigen Monitors, auf das<br />
Datenchaos eines heruntergekommenen<br />
Stadtteils. »Erster Februar<br />
1999, Mord an dem Studenten<br />
Nelson Bagawe. Erster Mai 2003,<br />
Mord an Unbekannt, Leiche nicht<br />
identifizierbar. Erster August 2007,<br />
Schwere Körperverletzung mit<br />
Todesfolge, Melissa Glenmoore.«<br />
Würgend zuckte Leyla´s Kopf zur<br />
Seite, als sie zu den Bildern des<br />
Tatortes und dem offenen Rücken<br />
der weiblichen Leiche scrollte. Mit<br />
zusammengekniffenen Augen ließ<br />
die Polizistin den Cursor über die<br />
bestialischen Anblicke der Bildschirmoberfläche<br />
hasten und<br />
beendete die fluchtartige Suche,<br />
mit einem gepressten Klick auf das
Drucker Symbol. Nach reichlich<br />
Gestotter spuckte das staubgraue<br />
Gerät ratternd die Dokumente<br />
aus. Erleichtert seufzte Lelya und<br />
blinzelte in das tintenfeuchte<br />
Muster starrer Linien. »Das gibt’s<br />
doch nicht.«…<br />
… »Doch. Es waren diese<br />
komischen Feiertage.«, murmelte<br />
die Inderin und tastete sich an der<br />
rauen Backsteinwand weiter. Die<br />
Strasse und der feucht schimmernde<br />
Asphalt gähnten als kantiges<br />
Maul vor ihr und Ekanta<br />
drückte sich an den schiefen<br />
Stumpen seiner grau verputzten<br />
Zähne entlang. Hier irgendwo<br />
musste es gewesen sein. Jemand<br />
hatte gesungen. Leise Befehle<br />
summend den Nebel zu einem<br />
wabernden Tanz verführt und ihm<br />
ein Geschenk dargebracht. Kalte<br />
Schlieren kringelten sich um ihre<br />
flachen Schuhe und stoben bei<br />
jeder Berührung auseinander,<br />
wanderten um Müllhaufen und<br />
krochen tastend an rissigen<br />
Mauern empor. Sie war nah.<br />
Furchtsam drängte sie quälende<br />
Unwissenheit weiter, einen Schritt<br />
nach dem anderen zu gehen, ihre<br />
Schuhspitzen in die schlängelnden<br />
Nebelnester zu setzen…<br />
… und wachsam um den Tatort<br />
zu streifen. Von dem gestrigen<br />
Verbrechen war nichts mehr zu<br />
erkennen - der Boden von Blut,<br />
Knorpel und Geweberesten gesäubert.<br />
Doch es musste etwas übersehen<br />
worden sein. In der<br />
unmittelbaren Nähe des Fleisch-<br />
fundortes gab es keine weiteren<br />
Zeichen für einen Kampf, nicht<br />
einmal Schleifspuren oder Zeugen,<br />
die von Schreien berichten konnten.<br />
Was hier passiert war, musste<br />
sich aber im Blutrausch mehrerer<br />
triefender Minuten hingezogen<br />
haben. Lelya hob den Blick und sog<br />
die feuchte Londoner Nebelluft in<br />
ihre Lungen. Irgendetwas, nur ein<br />
kleines Zeichen am Boden oder an<br />
den Häuserwänden. Kratzer,<br />
Schürfstellen oder Symbole. Symbole?<br />
Irritiert kniff die Ermittlerin<br />
ihre langen Wimpern zusammen<br />
und fixierte das blass verschlungene<br />
Muster. Eine doppelte Spirale,<br />
die ineinander lief. Wenige<br />
Schritt weiter, ein anderes schemenhaftes<br />
Muster, matt wie<br />
Wandfarbe in einem Rauchersalon.<br />
Zögernd nähert sich Leyla dem<br />
Keltenkreuz und verharrte mit<br />
ihrem Blick auf den, von Nebel und<br />
Regen aufgedunsenen, Linien. Dies<br />
war keine Schmiererei von irgendwelchen<br />
Neonaziwirrköpfen. In<br />
exakter Linienführung formte sich<br />
das fast ehrfürchtig skizzierte<br />
Emblem und weckte in Leyla den<br />
irrsinnigen Drang niederzuknien.<br />
Die Brücke zu einer anderen Welt,<br />
oder zu größerer Weisheit und<br />
Erkenntnis, so die allgemeine<br />
Deutung dieser keltischen Symbolik.<br />
Bevor die Römer hier Londinium<br />
gründeten, hatten bereits<br />
die Kelten ihr Lager, an dem jetzigen<br />
Fleck der unüberschaubaren<br />
Großstadt, aufgeschlagen. Schüttelnd<br />
streifte die Polizistin das<br />
betäubende Gefühl ab und ging<br />
kurzgeschichte<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
rasch ein paar Meter weiter. Die<br />
ersten Schritte nach diesen seltsamen<br />
Funden waren noch ruhig<br />
gesetzt, doch zwei Häuserecken<br />
weiter, huschten ihren Augen, wie<br />
von Wahnsinn getrieben, hin und<br />
her. Aus großen Pupillen hastete<br />
Leyla´s Blick über die Wände und<br />
beschleunigte das klackernde<br />
Geräusch ihrer schneller treibenden<br />
Absätze. Das erste müde<br />
Licht flackerte um die Köpfe einsamer<br />
Laternenpfähle und hinter<br />
ihm schlichen dunkle Nebelschwaden<br />
in die Schatten des blassen<br />
Scheins. Der löcherige Asphalt<br />
begann unter ihren Sohlen zu fliehen,<br />
Wände und rostige Karossen<br />
wehten gespenstisch am Rand<br />
ihres Blickfeldes. Die tiefste<br />
Schlucht des Londoner Eastends<br />
verschwamm wirbelnd in einem<br />
Labyrinth mysteriöser Zeichen.<br />
Schweiß klebte hautwarm an<br />
Leyla´s Kleidung und ließ ihre<br />
schulterlangen Haare, wie durchtränkte<br />
Fahnen, im Wind schlenkern.<br />
Fiebrig rasten ihre weiten<br />
Augen durch das klamme Nebelgespinst,<br />
auf hektischer Suche nach<br />
Halt, in dem wirren Meer schattenhafter<br />
Botschaften. Geschwungene<br />
Triskelen, in dürre Äste<br />
gefächerte Baumsymbole, Flammen,<br />
aus denen ledrige Flügel<br />
erwuchsen, gezackte Sterne, Ziegenköpfe,<br />
endlose Spiralen…<br />
… hier musste es gewesen sein.<br />
Hier ganz in der Nähe. Ängstlich<br />
brannte das Schweigen in ihrer<br />
Kehle. Bloß nichts sagen. Laute<br />
verraten. Ekanta nahm die kurze
Gasse, mit ihren Schattenwänden,<br />
in jeder dunklen Einzelheit wahr.<br />
Wie ein unterirdischer Tunnel<br />
quoll lichtloser Schein und moderige<br />
Luft aus der engen Seitenstraße<br />
hervor und zischelte sie an,<br />
sein Inneres zu betreten. Hier war<br />
es vor drei Jahren geschehen, nur<br />
wenige Sekunden vor ihrer Flucht<br />
und der würgenden Angst. Vor<br />
dieser Gasse war sie gewidmet<br />
worden. Zu Lughnasadh, dem Tag,<br />
an dem das erste Korn verarbeitet<br />
und als warme, duftende Speise<br />
gereicht wurde…<br />
… wehte ein zarter Duft von<br />
Zimt, durch die aufziehenden<br />
Nebel und versprach einen wärmenden<br />
Ofen, in der kalt anbrechenden<br />
Herbstnacht. Leyla´s<br />
Bewegungen verlangsamten sich,<br />
bis zögerliche Stille in ihren aufgewühlten<br />
Geist und ausgebrannten<br />
Körper kehrte. Wie von einem<br />
Strudel umworben, schlängelten<br />
nebelige Schlieren um das<br />
geduckte Häuschen, mit seiner<br />
runzeligen Fassade. Moos säumte<br />
die Dachziegel, deren feucht<br />
schimmernde Spitzen so tief<br />
hingen, dass Leyla sie hätte greifen<br />
können. Wie eine zerknitterte<br />
Zigarre, paffte ein alterskrummer<br />
Schlot, den rauchigen Duft von<br />
weihnachtlichen Gewürzen und<br />
orientalischen Kräutern in den<br />
Dunst der Nacht. Leyla spähte<br />
durch eines der beiden Fenster an<br />
der Front des Häuschens und<br />
beinahe hätte sich der erstaunte<br />
Laut aus ihrer Kehle befreit. Von<br />
der abblätternden grünen Farbe<br />
dünner Fensterrahmen umgeben,<br />
huschte eine gebückte Gestalt,<br />
hinter den wässerigen Schlieren<br />
der Scheibe umher. Mit klopfendem<br />
Herz schlich die Ermittlerin<br />
zur rundlichen Tür und drückte<br />
die Klinke, in schmerzlicher Erwartung<br />
eines rostigen Aufschreiens.<br />
»Komm nur rein, mein Kind.<br />
Komm doch rein. Kalt ist die Nacht<br />
der Nebel. Komm nur rein.«<br />
Warmes Licht flimmerte Leyla<br />
aus knisternden Holzscheiten entgegen<br />
und hüllte den Raum in<br />
wohlige Behaglichkeit. Wie<br />
Scharen ruhender Fledermäuse<br />
hingen Kräuterbündel, zu trockenen<br />
Sträußen geflochten, von der<br />
niedrigen Decke herab und<br />
wehten einen Duft betäubenden<br />
Staubs in das Gesicht der Polizistin.<br />
Zwei alte Balken bildeten ein Tor<br />
im Zentrum der Behausung und<br />
versteckten ihr Holz, unter einem<br />
Wirrwarr aus Amulett ähnlichen<br />
Anhängern, Perlenketten, Vogelfedern<br />
und einem Teppich winziger<br />
Tierknochen, der wie ein groteskes<br />
Mobile hin und her baumelte.<br />
»Haben Sie gestern Nacht mit mir<br />
gesprochen?«, fragte Leyla mit<br />
einer mühsamen Imitation ihrer<br />
sicheren Beamtenstimme.<br />
»Kennen Sie die Geschichte Londons,<br />
mein Herz? Seine ganze<br />
Geschichte?«, wisperte es zurück<br />
und Leyla konnte zwischen all den<br />
Kräuterbüscheln einen kurzen<br />
Blick auf die alte Frau werfen. »Sie<br />
nennen mir jetzt Ihren Namen,<br />
Miss und erzählen was Sie gestern<br />
kurzgeschichte<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
Nacht gesehen haben.« »Es ist<br />
schön dass Sie mich besuchen<br />
kommen, mein Kind. Wissen Sie,<br />
man nennt mich die Weberin.« In<br />
scheinbar unzählige Lagen aus<br />
verschiedensten Stoffen gehüllt,<br />
stand die Alte, wie ein Flickenteppich<br />
vor ihr und lächelte zahnlos.<br />
»Schauen Sie über dem Kamin.<br />
Dort steht die Geschichte Londons,<br />
sein Schicksal.«, hauchte es unter<br />
der grob genähten Kapuze hervor.<br />
Wie dürres Geäst im Wind zitterte<br />
ein krummer Finger aus den Stoffbahnen<br />
und deutete auf ein kupfernes<br />
Wappen. Das Zeichen der<br />
Londoner Altstadt. Zwei aufrecht<br />
gehende Drachen, mit gekringelten<br />
Schwänzen und offenen Mäulern.<br />
Doch dieser kunstvollen<br />
Arbeit war etwas hinzugefügt<br />
worden. Wo das ursprüngliche<br />
Symbol ein rotes Kreuz auf<br />
weißem Schild, zwischen den Riesenechsen<br />
vorsah, nahmen hier<br />
ein goldener Baum und eine<br />
schwebende Krone das Zentrum<br />
der Drachenwacht ein. »Der Thron<br />
und die Drachen sind eins, mein<br />
Liebes«, wisperte die verhüllte<br />
Gestalt weiter. »Doch ihr habt<br />
diesen Bund zerstört, mit Gewalt<br />
und Verachtung.« Spuckend fuhr<br />
die Alte auf Leyla zu. »In die Nebel<br />
getrieben habt Ihr sie. Eure Priester<br />
und Pfaffen, mit grellem Licht<br />
und den Psalmen des toten<br />
Sohnes!«<br />
»Hören Sie…«<br />
»Nein, höre du, mein Kind. Der<br />
Herbstanfang ist heut, das Ernte
fest beginnt. Seit den Kelten haben<br />
sie uns behütet, sind über das Land<br />
und unseren Fluss geflogen. Wir<br />
waren eins, die Menschen und die<br />
Drachen. Doch dann habt Ihr sie<br />
als Dämonen verbannt in die Nebel<br />
gezwungen. Aber sie waren stark<br />
und schwach halten die Fäden sie<br />
im Diesseits. Du willst wissen, was<br />
in der letzten Nacht geschah, als<br />
die Nebel dicht flossen? Komm<br />
mit, mein Kind. Ich zeige es dir.«<br />
Murmelnd schlich die Weberin<br />
durch Schwanden trüben Dunstes,<br />
der sich wellenförmig um sie<br />
bauschte. Wachsam folgte Leyla<br />
der seltsamen Frau, durch<br />
Londons Eastend und verlor sie<br />
doch mehrmals beinahe aus den<br />
Augen. Doch dann lichtete sich die<br />
dichte Kolonne züngelnder Schlieren,<br />
entschwand und ein schlanker<br />
Schatten enthüllte sich vor einer<br />
gähnenden Gasse. »Das kann doch<br />
nicht wahr sein.«, entfuhr es<br />
Ekanta und vor Schreck musste<br />
sich die junge Inderin an den bröselnden<br />
Putz der Mauer krallen.<br />
»Sieh an, sieh an. Wieder einmal<br />
pünktlich zum Tag der Gaben, oder<br />
sollte ich sagen, zur Widmung der<br />
Alten?«, schnarrte die Weberin<br />
belustigt und trottete zum schmalen<br />
Einlass der Gasse. Wie zerplatzende<br />
Glühbirnen barste der<br />
Schleier vergessener Bilder in<br />
Ekanta´s Gedächtnis und regnete<br />
scharfkantige Scherben in ihr<br />
Innerstes. »Sie… Sie haben das<br />
getan!« Verständnislos blickte<br />
Leyla zwischen den beiden Frauen<br />
hin und her. Aber jenseits dieser<br />
merkwürdigen Begegnung zerrte<br />
etwas an der Ermittlerin, pochte<br />
bettelnd um Aufmerksam. Die<br />
Gasse. Der Nebel. Ohne auf die<br />
junge Frau zu reagieren, kratzten<br />
die dünnen Finger der alten<br />
Weberin an dem Siegel einer<br />
kokonartigen Flasche, die kaum<br />
größer als ihre magere Hand war.<br />
»Drachenatem aus den wolkigen<br />
Bergen. Drachenatem, derer, die<br />
noch Fleisch sind und in den<br />
Höhen wachen. Dies ist die Gasse<br />
von gestern, kleine Polizistin und<br />
die, an der ich dein Namensschicksal<br />
erfüllen wollte, Ekanta. Heute<br />
ist Lughnasadh, Tag, das erste Korn<br />
zu backen und warme Leiber zu<br />
reichen. Atem zu Atem, Fleisch zu<br />
Fleisch und Leben zu Leben.« Wie<br />
wächserne Masse schwabbte<br />
weißer Schleier aus dem Fläschchen,<br />
schneeklar und silbern<br />
durchzogen von schillernden<br />
Adern. Der Nebel bauschte,<br />
begann sich brodelnd zu winden<br />
und wie der Dunstpilz einer Explosion<br />
aufzuwirbeln. Mächtig erhob<br />
sich die trübe Wolke, füllte die<br />
Gasse aus und brodelte, als hielte<br />
sie unzählige Seelen in ihrem<br />
unwirklichen Leib gefangen. Ein<br />
Wort entschwand den Lippen der<br />
Weberin, das Fläschchen leerte<br />
sich in die Dichte des Nebels. »Das<br />
Alte zu neuem Leben gewoben.«<br />
Tiefes Grollen wehte durch die<br />
leeren Strassen. Wie ein Neugeborenes<br />
gierig die Muttermilch<br />
aufsog, inhalierte das Nebelgebilde<br />
den befreiten Drachenatem.<br />
Formen schälten sich aus der<br />
kurzgeschichte<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
Gasse, zuckten, zerfielen und<br />
flossen neu ineinander. Ein gigantischer<br />
Kopf schien sich zu manifestieren,<br />
Nebelbänder bildeten<br />
mal geschwungene Hörner, mal<br />
pendelten sie tastend, wie ein<br />
Knäuel bizarrer Zungen durch die<br />
kalte Nachtluft. Von dem Anblick<br />
der entstehenden und sterbenden<br />
Auswüchse wie gebannt, starrten<br />
Leyla und Enkata regungslos auf<br />
das finstere Schauspiel vor ihnen<br />
und registrierten die Bewegung<br />
der Weberin nicht. Diese hat sich<br />
hinter die jungen Frauen geschlichen,<br />
als es hervorbrach. Ein<br />
Drache, bleich und dunkel wie der<br />
Tod. Innerhalb eines Atemzuges<br />
verdichtete sich die Nebelbank zu<br />
einer mächtigen Echse, deren<br />
Schwingen kratzend an den Häuserwänden<br />
schabten. Auf vier<br />
gebeugten Beinen, deren Krallenpranken<br />
knirschend in den Asphalt<br />
drückten, baute sich das Bollwerk,<br />
von einem Geschöpf jenseits rationaler<br />
Vorstellungskraft, auf. Von<br />
feinem Niesel umweht schwankte<br />
der meterlange Körper, bevor das<br />
Drachenmaul seinen Schlund aufbrach<br />
und gierig den beiden<br />
Frauen entgegenstürzte. Schwarz<br />
glühende Augen, in einem kantigen<br />
Schädel, flogen Richtung<br />
Boden, zogen, Sternenschuppen<br />
gleich, einen Nebelschleier hinter<br />
sich her und starrten hasserfüllt<br />
auf die Beute. Leyla reagierte.<br />
Reflexartig trat sie der Inderin in<br />
die Seite und nutze diese um sich<br />
selber in die entgegen gesetzte<br />
Richtung abzustoßen. Rauschend
fuhr der Drachenkopf mit irrsinnigem<br />
Schwung zwischen die fallenden<br />
Frauen, streifte sie mit<br />
dröhnendem Gebrüll und lange<br />
nebelstarre Zähnen bissen knirschend<br />
zu. Wie eine elektrische<br />
Entladung begannen rote Blitze<br />
zuckend in dem dunklen Nebeldrachen<br />
zu wütend, durchstießen<br />
dessen Hülle und warfen blutigen<br />
Schimmer in die Nacht.<br />
Die Weberin war gegangen. Mit<br />
dem Nebel des verlorenen alten<br />
Wesens vereint, verlor Glasaugen<br />
Smitty eine langjährige, treue<br />
Kundin. Unter seinen Geschäftspartnern<br />
machten verschiedene<br />
Gerüchte über ihren Tod die<br />
Runde. Sie soll sich selbst dem<br />
großen Londoner Drachen geopfert<br />
haben, um ihn zurück in die<br />
Welt der Sterblichen zu holen.<br />
Andere flüsterten von einem Hinterhalt<br />
oder murmelten Versionen<br />
unglücklicher Unfälle. Wie auch<br />
immer die alte Dame in die kalten<br />
Schlieren über der Themse gelangt<br />
war, Smitty musste sich um seine<br />
kurzgeschichte<br />
© Mustafa Gölbasi<br />
Dunkle Drachen<br />
von Torsten Exter<br />
Kunden kümmern. Pfeifend<br />
schlendere der alte Seefahrer vor<br />
dem Tower von London auf und<br />
ab, bald sollten die neuen Käufer<br />
auftauchen. Behutsam tätschelnd<br />
fuhren vernarbte Finger über ein<br />
kleines Fläschchen Drachenatem<br />
und lächelnd grüsste Glassaugen<br />
Smitty die zwei Interessentinnen.<br />
Eine zierliche Inderin und eine<br />
schlanke Engländerin kamen ihm<br />
entgegen.<br />
ENDE
Heute:<br />
Melancholia - so hätte bereits der<br />
erste Roman von Jean-Paul Startre<br />
heißen sollen. Allerdings befand<br />
der Verleger damals (Anm.: im Jahre<br />
1938) , dass La nausée besser passt.<br />
Also „Die Übelkeit“ oder, wie das<br />
Buch bei uns in Deutschland im<br />
Handel heißt: „Der Ekel“. Am 06.<br />
Oktober 2011 kommt nun Lars von<br />
Trier an und will ebenfalls ein<br />
Werk mit diesem Namen veröffentlichen.<br />
Zu überlegen wäre nun,<br />
ob nicht auch hier „Der Ekel“<br />
besser gepasst hätte …<br />
"Ein schöner Film über das Ende<br />
der Welt" (Anm.:<br />
http://www.kino.de/kinofilm/melancholi<br />
a/131146.html), so fasst der<br />
dänische Regisseur den Inhalt<br />
seiner MELANCHOLIA kurz und<br />
knapp zusammen. So ganz im<br />
Reinen mit sich selbst scheint der<br />
Gute gerade nicht zu sein (Anm.:<br />
aber war er das jemals?). Aber fangen<br />
wir einfach mal ganz von vorne an:<br />
Da wäre die zierliche Blondine<br />
Justine, gespielt von Kirsten Dunst,<br />
dem ehemaligen Spiderman-Liebchen.<br />
Diese junge Dame ist gerade<br />
im Begriff, den Bund des Lebens zu<br />
beschließen. Unglücklicherweise<br />
steht ihre Liebe unter keinem<br />
guten Stern. Und das ist bei<br />
Weitem nicht bloß metaphorisch<br />
gemeint. Denn ein Planet nähert<br />
sich unaufhaltsam der guten<br />
Mutter Erde – Kurs auf Kollision.<br />
Was also Asterix und Obelix schon<br />
immer befürchtet haben, scheint<br />
nun wahr zu werden: Der Himmel<br />
Krankes Kino: Diagnosen & Prognosen<br />
fällt uns auf den Kopf. Und als<br />
wäre das noch nicht genug, hat<br />
Justine auch noch massive Probleme<br />
mit ihrer Schwester Claire<br />
(Charlotte Gainsbourg), wobei es<br />
um die Missgeschicke der Tugend<br />
gehen könnte. Ach, ja … und Kiefer<br />
„24“ Sutherland ist auch noch mit<br />
dabei – kernig wie immer. -> Zugegeben,<br />
das klingt jetzt alles ein<br />
wenig verworren, aber so etwas<br />
sind wir ja mittlerweile schon<br />
gewohnt, wenn Lars von Trier<br />
einen Film macht – denken wir<br />
doch an dieser Stelle nur an BREA-<br />
KING THE WAVES, DANCER IN THE<br />
DARK, DOGVILLE, oder den ANTI-<br />
CHRISTen.<br />
NUN DIE GROBEN FAKTEN:<br />
Was die Erwartungshaltung nun<br />
empfindlich stört, oder zumindest<br />
auf irritierende Art beeinflusst, ist<br />
die vor einiger Zeit geäußerte<br />
Aussage des exzentrischen Filmemachers,<br />
dass er nie wieder Happy<br />
Ends in seinen Filmen plane (Anm.:<br />
http://www.moviepilot.de/news/kirstendunst-wird-fuer-lars-von-trier-melancholisch-106132).<br />
Gab es denn so was<br />
bislang schon bei ihm? (Vielleicht<br />
aus der Sicht von Masochisten …)<br />
Darüber hinaus ließ der dänische<br />
Meister verlauten, dass sein jüngster<br />
Film optisch nicht so stilisiert<br />
ausfallen werde wie sein letzter,<br />
dieser Antichrist, der immerhin<br />
„meistgehasste Film 2009“ (Anm.:<br />
Stefan Volk: Skandalfilme. Cineastische<br />
Aufreger gestern und heute. Marburg<br />
2011, S. 271) . Denn rückblickend soll<br />
kolumne<br />
von Trier dieses skandalöse Psycho-Horror-Drama<br />
rein ästhetisch<br />
gleich gar nicht (mehr) in den Kram<br />
gepasst haben. Deswegen nun<br />
eine radikale Kehrtwendung, was<br />
die formale Gestaltung angeht:<br />
MELANCHOLIA soll „sogar eine<br />
beabsichtigte Hässlichkeit verpasst<br />
bekommen“ (Anm.:<br />
http://www.moviepilot.de/news/lars-vontrier-verraet-details-ueber-melancholia-<br />
107502). Hierzu ein weiterer O-Ton<br />
des Regisseurs: "Scheiße. Ich hoffe<br />
zumindest, dass er etwas beschissener<br />
aussieht als der, den ich<br />
zuvor gemacht habe" (Anm.:<br />
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,151<br />
8,709708,00.html). Derartige Aussagen<br />
stimmen freilich nachdenklich.<br />
Waren doch, bei eingehender<br />
Betrachtung, Überlegung und<br />
Reflexion die stilisierten Aufnahmen<br />
von Kameramann Anthony<br />
Dod Mantle mitunter noch das<br />
Beste am Machwerk „Antichrist“ -<br />
gelangen hier doch mit einer hochauflösenden<br />
Digitalkamera u. a.<br />
äußerst beeindruckende Bilder in<br />
‚Super Slow Motion’ (Von Gainsbourg<br />
und Defoe beim tête-à-tête<br />
unter der Dusche). Aber damit will<br />
Lars von Trier nun nichts mehr zu<br />
tun haben. Er bedauert sogar mittlerweile,<br />
dass er beim ANTICHRIS-<br />
Ten die Aufnahmen nicht besser<br />
kontrollieren, oder am besten<br />
gleich ganz selbst machen konnte<br />
(Anm.: So geschehen bei DOGVILLE).<br />
(Angeblich aufgrund von Depressionen,<br />
die ihn damals plagten und<br />
weswegen er zu sehr gezittert
Heute:<br />
haben soll (Anm.: Bei BREAKING THE<br />
WAVES und DOGVILLE hat ihn aber sein<br />
unruhiges Händchen auch nicht gestört).<br />
Aber nun ist er offenbar nicht<br />
mehr depressiv, sondern ‚nur<br />
noch’ melancholisch … )<br />
SPIEL MIT DEN ERWARTUNGEN:<br />
Der Schatten des ANTICHRISTen<br />
fällt also auf diesen Film, größer<br />
und länger als der jenes Planeten<br />
namens Melancholia auf die Erde.<br />
Es grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit<br />
die Erwartungen nicht mit<br />
den letzten Film des Regisseurs zu<br />
verbinden. Assoziationen, die<br />
zudem äußerst intensiv durch die<br />
erneute Verpflichtung von Charlotte<br />
Gainsbourg forciert werden.<br />
Immerhin hat die – nicht nur, aber<br />
auch – für ihre ekstatische Masturbation<br />
in den finsteren Wäldern<br />
Nordrhein-Westfalens den Großen<br />
Preis von Cannes bekommen.<br />
Hinzu kommen noch Aussagen des<br />
Regisseurs, dass er ein Nazi ist,<br />
Verständnis für Hitler hat und<br />
Albert Speer wertschätzt (Anm.:<br />
Näheres hierzu unter:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Internation<br />
ale_Filmfestspiele_von_Cannes_2011#Ek<br />
lat_um_Lars_von_TrierProvokation).<br />
Nebenwirkungen von zuviel Anti-<br />
Depressiva? Oder Polarisation<br />
durch Provokation? Egal, Kontroversen<br />
versprechen gemeinhin<br />
einen interessanten Film … Was<br />
gibt es sonst noch zu erwähnen?<br />
Kirsten Dunst hat komplett blank<br />
gezogen und sich vom Kameramann<br />
Manuel Alberto Claro idyl-<br />
Krankes Kino: Diagnosen & Prognosen<br />
lisch im Sinne einer schwarzen<br />
Romantik im schönen Schein des<br />
silbernen Mondlichts drapieren<br />
lassen – Lord Byron wäre begeistert<br />
gewesen. Und es gibt ein paar<br />
surreale Bilder zu bestaunen, in<br />
denen sich u. a. Rauchfäden aus<br />
Fingern winden.<br />
PROGNOSE:<br />
Wer Filme wie ANTICHRIST, DAS<br />
FEST, oder IT´S ALL ABOUT LOVE<br />
(wofür Lars von Triers Busenfreund<br />
und Bruder im Geiste<br />
Thomas Vinterberg verantwortlich<br />
ist) mochte, wird MELANCHOLIA<br />
lieben! Der „psychologische Katastrophenfilm<br />
im Science-<br />
Fiction-Gewand“ (Anm.:<br />
http://www.moviepilot.de/n<br />
ews/lars-von-trier-verraet-details-ueber-melancholia-<br />
107502) verspricht,<br />
schwer verdauliches<br />
Kopfkino zu werden.<br />
Darum auch das Prädikat:<br />
Existentialistisch<br />
besonders wertvoll.<br />
Bleibt zu hoffen, dass<br />
dem Film nicht dasselbe<br />
Schicksal blüht, wie<br />
Sartres Roman. Dass er<br />
nämlich mit „Ekel“<br />
weitaus besser<br />
beschrieben werden<br />
kann, als mit „Melancholia“.<br />
Denn die<br />
Chancen stehen gut,<br />
dass es wieder die ein<br />
oder andere Scheußlichkeit<br />
zu sehen gibt. Bei<br />
kolumne<br />
Lars „Okay, ich bin ein Nazi!“ (Anm.:<br />
http://www.rollingstone.de/news/meldu<br />
ngen/article97441/Okay-ich-bin-ein-Nazi-<br />
Lars-von-Trier-wird-in-Cannes-vom-Festival-ausgeschlossen.html)<br />
von Trier<br />
sind wir ja so etwas mittlerweile<br />
schon so gewöhnt (Anm.: Siehe: Die<br />
Do-it-yourself-Beschneidung von Charlotte<br />
Gainsbourg, das Reh mit der Totgeburt,<br />
sich selbst verspeisende Fuchs oder<br />
der blutspritzende Penis in ANTICHRIST).<br />
Wer meiner spekulativen Prognose<br />
nicht glaubt, sollte einen<br />
Blick auf den Trailer werfen:<br />
http://www.youtube.com/watc<br />
h?v=wzD0U841LRM
Im Mutterschiff<br />
Wir erreichten die Zentrale und<br />
sahen Max am großen Navigationsbildschirm<br />
sitzen. Er winkte<br />
uns heran und forderte uns auf,<br />
Platz zu nehmen.<br />
»Ich hatte eine Unterredung mit<br />
Anu-Esh-Varu«, begann er ohne<br />
Umschweife. »Es war nicht einfach,<br />
den alten Mann davon zu<br />
überzeugen, euch an Bord zu<br />
lassen. Ihr könnt euch bei Antu-Er-<br />
Marush bedanken, die sich für<br />
euch einsetzte und mich unterstützte.<br />
Nachdem wir auf dem<br />
Mutterschiff angekommen sind,<br />
werdet ihr euch der Dekontaminationsprozedur<br />
unterziehen<br />
müssen. Eure Bekleidung wird ausgetauscht<br />
werden und ihr werdet<br />
die Bordbekleidung tragen<br />
müssen. Die medizinische Abteilung<br />
wird euch einen Cocktail<br />
zusammenstellen, der euer<br />
Immunsystem stärken wird, damit<br />
ihr euch bei uns aufhalten könnt.<br />
Es werden nur leichte Nebenerscheinungen<br />
auftreten, die aber<br />
schnell vergehen werden. Ihr fühlt<br />
euch danach wie neugeboren. Da<br />
Kevin noch nicht wieder voll hergestellt<br />
ist, werden wir die verbleibende<br />
Zeit nutzen und euch in<br />
unsere Sprache und Kultur einführen.<br />
Lasst uns aufbrechen.«<br />
Ich sah Peter überrascht an und<br />
er begegnete meinen Blick mit<br />
ausgesprochener Neugier.<br />
»Jetzt hast du ja erreicht, was du<br />
wolltest«, sagte er lächelnd.<br />
»Ja, aber ich hatte noch nicht<br />
damit gerechnet«.<br />
»Hast du jetzt etwa Bedenken?«<br />
»Nein. Es kommt nur etwas überraschend.<br />
Sonst nichts. Ich hatte<br />
mehr Widerstand erwartet«.<br />
Max erhob sich und wir begaben<br />
uns in den Transferraum. Er nahm<br />
einige Einstellungen vor und<br />
Momente später waren wir auf<br />
seinem Schiff. Er stellte uns Esra-<br />
El-Ront vor, der uns nach terrestrischer<br />
Sitte die rechte Hand zum<br />
Gruß entgegenstreckte.<br />
»Wir sind jetzt auf deinem Schiff,<br />
warum brauchen wir nicht dekontaminiert<br />
werden?« fragte ich ihn.<br />
»Die Besatzung dieses Schiffes<br />
ist immun gegen terrestrische Bakterien<br />
und Viren. Nach Ende<br />
unseres Auftrages wird das Schiff<br />
so oder so gründlich gereinigt werden«.<br />
Max gab Esra-El-Ront noch ein<br />
paar Anweisungen, bevor wir<br />
wieder in den Transferraum<br />
gingen. Dieses Mal war das Prickeln<br />
in der Nackengegend etwas<br />
stärker, als wir zum Mutterschiff<br />
abgestrahlt wurden. Wir durften<br />
den Empfangsraum auf dem Mutterschiff<br />
nicht selbständig verlassen<br />
und wurden aufgefordert, uns<br />
zu gedulden. Max blieb bei uns. Er<br />
erklärte, dass er ebenfalls dekontaminiert<br />
werden würde, außerdem<br />
würde er als Dolmetscher<br />
fungieren. Nach etwa vier Minuten<br />
betraten drei Besatzungsmitglieder<br />
den Empfangsraum. Sie<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
trugen Schutzanzüge und geleiteten<br />
uns in einen weiteren Raum,<br />
der für etwa zehn Personen ausgelegt<br />
war. Es gab in diesem Raum<br />
kein Mobiliar und er machte einen<br />
sterilen und kalten Eindruck. Eines<br />
der drei Besatzungsmitglieder forderte<br />
uns auf, die Bekleidung abzulegen<br />
und sie in einen<br />
Aufnahmeschacht zu deponieren.<br />
Uns wurde versichert, dass wir<br />
unsere persönlichen Sachen, mit<br />
Ausnahme der Bekleidung, zurückerhalten<br />
würden. Wir taten wie<br />
uns aufgetragen wurde und<br />
standen danach gemeinsam splitterfasernackt<br />
im Raum herum.<br />
Peter sah mich erwartungsvoll an.<br />
Wir sprachen kein Wort. Der<br />
einzige feststellbare Unterschied<br />
zwischen Max und uns war seine<br />
ausgesprochen muskulöse Statur.<br />
Die Genitalien schienen auf dem<br />
ersten Blick den unseren zu gleichen.<br />
Jedoch stellte ich fest, dass<br />
Max beschnitten war!<br />
Plötzlich leuchtete ein violettes<br />
Licht auf. Max forderte uns auf,<br />
alles nachzuahmen, was er uns<br />
vormachen würde. Er legte den<br />
Kopf leicht in den Nacken und<br />
spreizte seine Nasenlöcher. Er hob<br />
seine Arme und ließ das Licht auf<br />
seine Achselhöhlen fallen. Er<br />
bewegte seinen Kopf so, dass<br />
seine Ohren direkt dem Licht ausgesetzt<br />
waren. Die Augenlieder<br />
zog er nach oben und unten und<br />
legte den vorderen Teil der Augen,<br />
frei. Danach trat er auf eine leuchtende<br />
Platte, die den Körper von<br />
unten her mit dem violetten Licht
estrahlte. Er stellte seine Füße<br />
auf die Zehen und badete sie im<br />
Licht, damit die Fußnägel ebenfalls<br />
mit einbezogen werden konnten.<br />
Er hob dann seine Hoden an, damit<br />
sie nicht mehr an den Oberschenkeln<br />
anlagen und vom Licht umflutet<br />
werden konnten. Da Peter und<br />
ich nicht beschnitten waren, forderte<br />
er uns auf, die Vorhaut<br />
zurückzuziehen, um diesen Genitalbereich<br />
ebenfalls der Behandlung<br />
auszusetzen. Zum Abschluss<br />
spreizte er die Pobacken zur<br />
Behandlung der Analregion und<br />
wedelte danach seine Hände<br />
durch das Licht. Er fragte uns, ob<br />
wir Kontaktlinsen tragen würden,<br />
da diese herausgenommen<br />
werden müssten. Da wir jedoch<br />
keine Kontaktlinsen verwendeten,<br />
wurde uns diese Prozedur erspart.<br />
Abschließend reichte er uns einen<br />
Trinkbehälter und forderte uns<br />
auf, mit der Flüssigkeit den Mund<br />
auszuspülen. Einen Teil der Flüssigkeit<br />
spieen wir dann in ein Becken,<br />
der Rest wurde durch die Nase<br />
ausgeschnäuzt. Eines der Besatzungsmitglieder<br />
reichte jedem von<br />
uns ein wohlriechendes Tuch, mit<br />
dem wir uns die Nase abwischen<br />
konnten. Das Licht erlosch und wir<br />
begaben uns zum Ausgang des<br />
Raumes. Wir befanden uns in einer<br />
Schleuse und wurden dort von<br />
einem warmen Wind umblasen.<br />
Gleichzeitig wurde die warme Luft<br />
abgesogen. Es knackte leicht in<br />
den Ohren. Als wir die Schleuse<br />
verließen, wurde uns die Bordbekleidung<br />
überreicht. Sie passte wie<br />
angegossen und fühlte sich angenehm<br />
an. Vorher hatten uns die<br />
Besatzungsmitglieder in den<br />
Schutzanzügen durch eine Seitentür<br />
verlassen.<br />
Peter und ich wurden durch eine<br />
unbekannte Stimme aufgefordert,<br />
auf den an der linken Wand befindlichen<br />
Sitzen Platz zu nehmen.<br />
Kurze Zeit später erschienen zwei<br />
weibliche Besatzungsmitglieder<br />
und forderten uns durch Max auf,<br />
die von ihnen mitgebrachten<br />
amphorenähnlichen Behälter auszutrinken.<br />
Die Behälter fassten<br />
etwa einen Viertelliter. In diesem<br />
Moment mussten wir Max und<br />
seinen Leuten volles Vertrauen<br />
entgegenbringen. Peter zögerte<br />
zuerst, aber als er sah, dass ich die<br />
Amphore leerte, tat er es ebenfalls.<br />
Die Flüssigkeit hatte einen<br />
Geschmack nach Mango und<br />
schmeckte überraschend gut. Ich<br />
fühlte mich nach ein paar Minuten<br />
eigentümlich heiß. Ich sah Peter an<br />
und konnte erkennen, dass er sich<br />
ebenfalls so fühlte.<br />
»Mir wird heiß. Geht es dir<br />
ebenso?«, fragte er mich.<br />
»Ja, aber ich schwitze nicht.<br />
Mein Mund wird trocken.«<br />
Ein leichtes Schwindelgefühl<br />
überkam mich und ich hatte Probleme,<br />
meinen Magen unter Kontrolle<br />
zu halten. Ich kämpfte gegen<br />
den Brechreiz an. Nach etwa fünf<br />
Minuten klangen die Nebenerscheinungen<br />
ab.<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Max, ich muss auf die Toilette!«,<br />
bemerkte ich schnell,<br />
wobei Peter zustimmend nickte.<br />
Er lächelte nur und zeigte uns<br />
den Weg dorthin.<br />
»Das ist vollkommen normal. Der<br />
Cocktail zwingt euren Metabolismus<br />
dazu, alle Schadstoffe und<br />
Stoffwechselprodukte auszuscheiden.<br />
Ihr werdet für eine Weile in<br />
der Toilette herumsitzen.«<br />
Er lächelte spitzbübisch, als er es<br />
uns offenbarte.<br />
»Danach werdet ihr sehr durstig<br />
sein. Lasst mich sofort wissen, ob<br />
ihr Blasen- oder Nierenschmerzen<br />
habt. Es kann sein, dass ihr Blasenoder<br />
Nierensteine absondert. Ihr<br />
werdet dann von der medizinischen<br />
Abteilung unverzüglich<br />
versorgt werden«.<br />
Ich kannte die Schmerzen nur zu<br />
genau, die in direktem Zusammenhang<br />
mit Nierensteinen standen.<br />
Es gab für mich nichts Schlimmeres,<br />
sogar Zahnschmerzen<br />
waren nichts dagegen.<br />
Nachdem ich meine erste Notdurft<br />
verrichtet hatte, war es dann<br />
auch soweit. Ich krümmte mich<br />
unter dem Ansturm der<br />
Schmerzwellen, die von meiner<br />
linken Niere ausgingen. Es war<br />
zum Wände hochkriechen. Mir<br />
stand der kalte Schweiß auf der<br />
Stirn. Helles Blut rieselte in das<br />
Toilettenbecken.<br />
»Ich… glaube… ach!… Ich<br />
scheide… eine ganzes… Nierens
teingebirge aus«, ächzte ich stöhnend<br />
und flach atmend. Peter<br />
raffte sich sofort auf, als er mein<br />
aschfahles Gesicht und meine<br />
Krämpfe sah und holte Hilfe.<br />
Tränen rannen wie Bäche über<br />
meine Wangen. Ich versuchte,<br />
mich in alle möglichen Positionen<br />
zu drehen und hielt mich krampfhaft<br />
an der Toilette fest… nichts<br />
half.<br />
Augenblicke später, die mir wie<br />
eine Ewigkeit vorgekommen<br />
waren, erschien er wieder mit<br />
einem weiblichen Besatzungsmitglied.<br />
Sie hatte eine zweiteilige<br />
handliche Apparatur bei sich, die<br />
sie mir um den Leib legte und den<br />
Bereich der Nieren abdeckte. Das<br />
Gerät summte kaum hörbar und<br />
ich fühlte augenblicklich, wie der<br />
pulsierende, drückende Schmerz<br />
nachließ. Aus meinem Penis floss<br />
ein kleiner Schwall Blut, gefolgt<br />
von einer zähflüssigen, gallertartigen<br />
Masse, die sie in einer Schale<br />
auffing. Sie erklärte durch Max,<br />
der ebenfalls hereingestürzt war,<br />
dass sie diese Masse ins Labor<br />
bringen würde, um sie analysieren<br />
zu können. Sie erklärte, dass ich<br />
wohl einen großen Stein oder<br />
mehrere kleine Steine abgesondert<br />
hätte. Trotz der Schmerzen,<br />
die ich ertragen hatte, war ich von<br />
der medizinischen Technologie<br />
fasziniert.<br />
»Wenn das so weiter geht, dann<br />
kack’ ich mir noch das Hirn aus«,<br />
bemerkte Peter sarkastisch.<br />
»Keine Panik. Die haben<br />
bestimmt Wege, dein Hirn wieder<br />
dahin zu bringen, wo es hingehört.<br />
Ich hätte nie gedacht, dass wir<br />
einmal um die Wette stinken würden«,<br />
bemerkte ich scherzhaft.<br />
Es war beklemmend, in der Toilette<br />
herumzusitzen und Thronreden<br />
zu schwingen. Nachdem wir<br />
mit unserem Abscheidungsritual<br />
fertig waren, kam es mir vor, als<br />
wenn die Besatzungsmitglieder,<br />
mit denen wir in Kontakt kamen,<br />
scherzhaft ihre Augenbrauen<br />
hochzogen. Das konnte aber<br />
ebenso Einbildung gewesen sein.<br />
Zweieinhalb Stunden später<br />
konnten wir den Quarantänebereich<br />
verlassen. Max brachte uns<br />
in einen Speisesaal, in dem wir<br />
etwas zu trinken bekamen. Das<br />
Getränk hatte einen honigartigen<br />
Nachgeschmack. Es war aber<br />
durstlöschend.<br />
»Wir werden in Kürze in den<br />
Manipulationsraum gehen, in dem<br />
ihr die ersten Stufen unserer<br />
Sprache erlernen werdet. Wir<br />
werden euch in einen Schlafzustand<br />
versetzen, aus dem ihr ausgeruht<br />
und sprachangepasst<br />
erwachen werdet«, klärte uns Max<br />
auf.<br />
»Inwieweit werdet ihr unsere<br />
Hirnrinde sondieren?«, fragte<br />
Peter.<br />
»Das kann ich nicht beantworten.<br />
Ich glaube jedoch, dass man<br />
euer Wissen kopieren wird, weil<br />
davon der weitere Ablauf der Wis-<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
senserweiterung abhängt. Ihr<br />
werdet davon allerdings nichts<br />
spüren. Eure Mentalstruktur wird<br />
davon nicht belastet werden.«<br />
»Wie lange wird die Behandlung<br />
dauern?«, fragte ich.<br />
»Nicht länger als zwei Stunden,<br />
denke ich.«<br />
Er führte uns nach draußen. Die<br />
Gänge, die wir bisher durchschritten<br />
hatten, waren etwa drei Meter<br />
breit und drei Meter hoch. Sie<br />
waren schlicht und im gleichen<br />
indirekten Licht gehalten, wie auf<br />
dem Schiff, das wir auf der Erde<br />
betreten hatten. Besatzungsmitglieder<br />
grüßten uns im Vorbeigehen<br />
und warfen uns verhaltene<br />
Blicke zu. Ich konnte jede Wette<br />
eingehen, dass sie sich nach uns<br />
umdrehten, da wir eine Neuigkeit<br />
auf ihrem Schiff darstellten. Wir<br />
konnten deutlich die Neugierde<br />
spüren. Wir gingen durch mehrere<br />
Gänge und betraten dann einen<br />
Raum, der mit sieben Kontursesseln<br />
ausgestattet war. Neben den<br />
Sesseln befanden sich links und<br />
rechts Konsolen. Die Kontursessel<br />
besaßen am oberen Ende ein paar<br />
chromartige Bügel, die mich entfernt<br />
an Hasenohren erinnerten.<br />
Max begab sich an einen Bildschirmterminal<br />
und unterhielt sich<br />
mit jemandem.<br />
»Ihr könnt euch bereits in die<br />
Sessel setzen«, forderte er uns auf,<br />
nachdem er sein Gespräch<br />
beendet hatte.
Wir setzten uns in die bequemen<br />
Sessel und warteten gemeinsam.<br />
Als das Schott sich öffnete, betrat<br />
eine alte Bekannte den Raum.<br />
Antu-Er-Marush kam direkt auf<br />
uns zu und begrüßte uns mit<br />
einem reizenden Lächeln. Ich war<br />
Hals über Kopf in sie verliebt und<br />
folgte jeder ihrer Bewegungen…<br />
sog sie förmlich in mich auf.<br />
»Du hast schon wieder Stielaugen«,<br />
bemerkte Peter auf Deutsch.<br />
»Sie ist aber auch einsame<br />
Klasse, Mensch«.<br />
»Du solltest dich aber lieber ein<br />
wenig am Riemen reißen«.<br />
»Leichter gesagt, als getan. Ich<br />
werde daran denken«.<br />
»Speziell, wenn sie später so<br />
oder so an deinem Gedankengut<br />
feststellt, dass du in sie verknallt<br />
bist«.<br />
»Mensch Meier, dass hätte ich<br />
fast vergessen«.<br />
Max verabschiedete sich von uns<br />
mit der Versicherung, bei unserem<br />
Erwachen wieder anwesend zu<br />
sein. Antu-Er-Marush zog sich eine<br />
Sitzgelegenheit heran und setzte<br />
sich uns gegenüber. Sie hatte die<br />
Beine übergeschlagen und brachte<br />
sich in Positur. Speziell ihr Becken<br />
und wohlproportionierter Oberkörper<br />
kamen dadurch wirkungsvoll<br />
zur Geltung.<br />
»Ihr werdet in einen sanften<br />
Schlaf versetzt werden…«<br />
»Ich hätte lieber einen Tiefschlaf«,<br />
unterbrach Peter sie<br />
schnell, »damit ich Mikes Schnarchen<br />
nicht höre«.<br />
Durch ihr spontanes, helles Auflachen<br />
zeigte sie uns, dass sie<br />
Humor besaß und die Unterbrechung<br />
durch Peter nicht übel<br />
nahm.<br />
»Nach dem Erwachen seid ihr in<br />
der Lage, unsere Sprache zu verstehen.<br />
Glaubt jedoch nicht, dass<br />
ihr sofort in der Lage sein werdet,<br />
sie fehlerfrei zu sprechen. Es wird<br />
etwas Übung notwendig sein«.<br />
Sie stand auf und justierte einige<br />
Einstellungen an der rechten<br />
Konsole neben Peters Sessel. Die<br />
chromartigen Bügel senkten sich<br />
langsam und sanft auf seinen Kopf<br />
und ich konnte sehen, wie Peter<br />
augenblicklich einschlief. Danach<br />
kam sie zu der Konsole, die neben<br />
meinem Sessel stand. Die Bügel<br />
senkten sich und als sie meine<br />
Kopfhaut berührten, kam ein<br />
dunkler Nebel über mich.<br />
Ein Sandsturm<br />
Ich verabschiedete mich von Peter<br />
und Mike, da Anu-Er-Marush<br />
jetzt am Zuge war und meine Anwesenheit<br />
nur stören konnte. Ich<br />
hatte jedoch vor, mich gelegentlich<br />
von den Fortschritten der<br />
Schulung zu überzeugen. Es war<br />
kein kompliziertes Verfahren und<br />
ich rechnete nicht mit Überraschungen.<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Esra-El-Ront nahm mit mir Verbindung<br />
auf und teilte mir mit,<br />
dass sich einige Leute in der Umgebung<br />
von Peters und Mikes Lager<br />
herumtrieben. Sie waren kurz nach<br />
unserem Transfer mit Geländefahrzeugen<br />
aufgetaucht. Ich<br />
ordnete sofort an, ein Illusionsfeld<br />
um das Lager zu legen. Das Illusionsfeld<br />
war eine passive Maßnahme,<br />
die das Lager für einen<br />
Betrachter unsichtbar machte und<br />
optisch eine Geländestruktur vorspiegelte,<br />
die der natürlichen<br />
Umgebung täuschend ähnlich sah.<br />
Wir wussten nicht, wer die Leute<br />
waren. Ihre Fahrzeuge hatten<br />
jedoch einen zivilen Charakter und<br />
wir nahmen erst einmal an, dass<br />
es sich um Jäger handelte, die<br />
zufällig in die Nähe der Grotte<br />
gelangt waren. Esra-El-Ront hatte<br />
eine direkte Bildverbindung<br />
geschaltet und ich war Zeuge ihres<br />
Verhaltens. Ich revidierte meine<br />
Ansicht, Jäger vor mir zu haben. Ihr<br />
Verhalten war Jägern nicht würdig.<br />
Sie fuhren wie die Verrückten in<br />
der Gegend herum und verursachten<br />
so viel Staub, dass unsere normalen<br />
Optiken nicht in der Lage<br />
waren diesen Staub zu durchdringen.<br />
Wir mussten auf Infra-Rot<br />
umschalten, um bestimmen zu<br />
können, wo sich die Fahrzeuge<br />
befanden. Ihr Verhalten machte<br />
mich ärgerlich. Besonders als ich<br />
mit ansehen musste, wie sie mit<br />
großkalibrigen Gewehren und<br />
Revolvern auf alles schossen, was<br />
sich in der Wüste bewegte. Sie<br />
suchten nach Schlangen, auf die
sie dann einschlugen, bis nur noch<br />
eine unkenntliche Masse von<br />
ihnen übrig blieb. Ihre mitgebrachten<br />
Bierdosen warfen sie<br />
achtlos in der Gegend herum. Es<br />
war offensichtlich, dass diese<br />
Leute einen minderen Charakter<br />
aufwiesen und keinem Vergleich<br />
zu Peter, Mike und Kevin standhalten<br />
konnten. Esra-El-Ront sollte<br />
deshalb eine Bannzone von<br />
200 Metern um das Lager legen.<br />
Er hatte dafür zu sorgen, dass<br />
sobald diese Zone überschritten<br />
würde, ein Sandsturm entfacht<br />
werden sollte, um diese Individuen<br />
vertreiben zu können. Sollte das<br />
nicht ausreichen, so sollte das<br />
Fahrzeug in mein Schiff transferiert<br />
werden, um zu vermeiden,<br />
dass sie sich an dem Fahrzeug<br />
vergehen konnten. Ich spielte mit<br />
dem Gedanken, sie für ihre Freveltaten<br />
zu bestrafen. Zum ersten<br />
Mal in meinem Leben bemerkte<br />
ich, wie ein Gefühl von Hass in mir<br />
aufkeimen wollte und ich musste<br />
mich zwingen, nicht davon mitgerissen<br />
zu werden. Da unsere Anwesenheit<br />
jedoch unbemerkt bleiben<br />
sollte, musste ich darauf verzichten,<br />
sie zu maßregeln, außerdem<br />
nahm ich an, dass diese Leute<br />
sofort auf uns schießen würden,<br />
sobald sie uns erblickten. Meine<br />
Besatzungsmitglieder waren zu<br />
wertvoll, um bei einer Belehrungsaktion<br />
geopfert zu werden.<br />
Unsere Vorsichtsmaßnahmen<br />
waren richtig getroffen worden.<br />
Drei dieser Leute überschritten die<br />
Bannzone und Esra-El-Ront begeg-<br />
nete dies, indem er ein Energiefeld<br />
erzeugte, welches den Sand aufwirbelte.<br />
Sie waren davon allerdings<br />
nicht sichtlich beeindruckt<br />
und gingen weiter. In wenigen<br />
Metern würden sie in der Lage<br />
sein, das grüne Fahrzeug auszumachen.<br />
Ront erhöhte die Intensität<br />
und entfachte einen Sturm, der<br />
seinesgleichen suchte. Er erzeugte<br />
einige statische Entladungen, die<br />
als Blitze zu Erde niederschlugen.<br />
Gleichzeitig entfernte er das Fahrzeug<br />
und beseitigte das Illusionsfeld.<br />
Der künstlich entfachte<br />
Sandsturm würde die Spuren verwischen.<br />
Die Verwirrung, die er<br />
verursachte, war ausreichend. Die<br />
Leute verließen fluchtartig den<br />
Berg und rannten zu ihren Fahrzeugen.<br />
Befriedigt stellte ich fest,<br />
dass sie diese Gegend unverzüglich<br />
verließen. Ich hoffte nur, dass sie<br />
nicht wiederkommen würden. Als<br />
letzte Maßnahme ordnete ich an,<br />
den Zugang zur Grotte zu zerstören<br />
und den Weg zur Tunnelöffnung<br />
unpassierbar zu machen.<br />
Gleichzeitig sollte Ront die Besatzung<br />
des erdgebundenen Schiffes<br />
darüber informieren.<br />
Es war mehr als eine Stunde<br />
vergangen und ich begab mich<br />
wieder zum Manipulationsraum.<br />
Antu-Er-Marush wachte über ihre<br />
Instrumente. Sie hob den linken<br />
Arm und gab mir zu verstehen,<br />
dass ich näher kommen sollte.<br />
»Was machen meine Schützlinge?«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Es gibt keine Probleme. Das<br />
Programm läuft planmäßig ab.«<br />
»Neuigkeiten von Kevin?«<br />
»Sein Zustand bessert sich<br />
zunehmend. Ich denke, es ist<br />
möglich ihn in zwei bis drei<br />
Stunden zu wecken. Seine Knochenbrüche<br />
sind gut verheilt. Es<br />
bleibt nur noch zu sehen, wie er<br />
auf seine neue Umgebung reagieren<br />
wird.«<br />
»Die erste Phase der Sprachschulung<br />
sollte bis dahin abgeschlossen<br />
sein.«<br />
»Natürlich. Sie wird noch etwa<br />
eine Stunde andauern. Wir sollten<br />
uns auf einige interessante Diskussionen<br />
vorbereiten. Wie ich aus<br />
der Mentalkopie entnehmen kann,<br />
haben die drei in etwa die gleiche<br />
Kapazität. Wir hatten bei Kevin, als<br />
er bei uns eingeliefert wurde,<br />
bereits eine Kopie angefertigt. Er<br />
weiß mehr, als er bereit ist sich<br />
selbst zuzugestehen. Er befindet<br />
sich allerdings in einem Umbruch<br />
und hat bisher noch keinen Weg<br />
gefunden, sich von seinem traditionellen<br />
Ballast zu befreien. Es<br />
hindert ihn daran, rationell zu<br />
denken, weil er denkt, sich im<br />
Konflikt mit seinen traditionellen<br />
Wertvorstellungen zu befinden. Er<br />
wird mir noch meinen Schlaf<br />
rauben. Peter hat einen ausgeglichenen<br />
und vorsichtigen Charakter<br />
und ist in der Lage, sich schnell und<br />
verantwortungsbewusst auf neue<br />
Situationen einzustellen. Er besitzt<br />
ein ausgeprägtes Wissen, welches
er allerdings nicht so leicht preis<br />
gibt. Er wartet auf passende Gelegenheiten.<br />
Mike hingegen zeigt<br />
Anzeichen von spontaner und<br />
überraschender Aktionsbereitschaft,<br />
vor der wir uns vorsehen<br />
müssen. Sein überaus tiefgreifendes<br />
Wissen über unsere Machenschaften<br />
auf ihrem Planeten<br />
ermöglicht es ihm, uns im engeren<br />
Sinne zu beurteilen und einzuschätzen.<br />
Er könnte uns in Verlegenheit<br />
bringen.«<br />
»Deiner Ansicht nach wäre es<br />
also nicht ratsam, sie über die<br />
gesamte Geschichte aufzuklären?«<br />
»Ich habe mich bereits mit dieser<br />
Frage beschäftigt und neige dazu,<br />
es nicht in vollem Umfang zuzulassen.<br />
Wir könnten es anders<br />
bewerkstelligen. Durch Frage- und<br />
Antwortspiel behalten wir die<br />
Oberhand und geben nur die Informationen<br />
frei, die wir als notwendig<br />
betrachten. Gleichzeitig lernt<br />
Kevin in kleinen Schritten, was sich<br />
zugetragen hat. Für Peter ist das<br />
nur eine Wissensergänzung. Es<br />
liegt an Mike, inwieweit er sich<br />
sensibel genug zeigt, uns nicht zu<br />
konfrontieren, sondern mit uns<br />
zusammen zu arbeiten. Ich habe<br />
bei ihm noch andere Dinge festgestellt,<br />
über die ich allerdings zu<br />
diesem Zeitpunkt nicht sprechen<br />
möchte«.<br />
Genehmigung einholen<br />
»Der Sprachschulung würde ich<br />
eine technische Unterweisung<br />
und Schulung folgen lassen, damit<br />
sie sich zurechtfinden können und<br />
nicht mehr auf meine Hilfe angewiesen<br />
sind, Marush«, schlug ich<br />
vor.<br />
»Das kann ebenfalls gemacht<br />
werden. Ich möchte ihnen nur eine<br />
Pause von mehreren Stunden<br />
gönnen. In der Zwischenzeit werde<br />
ich die mobile Manipulationsapparatur<br />
bei Kevin einsetzen, damit er<br />
sich auf demselben Sprachwissensstand<br />
befindet. Abschließend<br />
werde ich sie so konditionieren,<br />
dass sie ihr Sprachwissen nur dann<br />
einsetzen und zur Verfügung<br />
haben, wenn sie entweder mit uns<br />
zusammen oder unter sich sind.<br />
Sie sind somit nicht in der Lage, ihr<br />
Sprachwissen anderen mitzuteilen.<br />
Es wird ihnen jedoch möglich<br />
sein, unsere Schrift zu lesen und<br />
sie zu interpretieren.«<br />
»Ich stimme dir zu, Marush.<br />
Bleibt nur noch zu klären, wie<br />
lange wir uns noch mit dem Mutterschiff<br />
in diesem System aufhalten<br />
werden. Ich bin geneigt, mich<br />
mit meiner Besatzung noch länger<br />
in diesem System aufzuhalten.«<br />
»Da hast du ebenfalls einen<br />
wunden Punkt bei mir berührt. Ich<br />
spiele nämlich mit demselben<br />
Gedanken. Die medizinische Abteilung<br />
kann auch ohne mich für eine<br />
Weile auskommen.«<br />
»Was hältst du davon, wenn ich<br />
unser Anliegen bei Anu-Esh-Varu<br />
vortragen würde?«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Gute Idee. Er wird sich allerdings<br />
nicht sehr darüber freuen,<br />
obwohl wir befugt sind, in besonderen<br />
Situationen von unserem<br />
Recht zur Forschung auf anderen<br />
Planeten Gebrauch zu machen.<br />
Wir würden nur den Schutz des<br />
Mutterschiffes aufgeben.«<br />
»Es wird nicht einfach sein, da er<br />
uns bestimmt die wissenschaftliche<br />
Forschung am Objekt nicht<br />
abnehmen wird. Er vermutet<br />
schon seit geraumer Zeit, dass wir<br />
uns ein neues Lieblingsfach ausgesucht<br />
haben.«<br />
»Versuche es trotzdem.«<br />
»Ich kann natürlich meine Besatzung<br />
nicht dazu zwingen, bei<br />
diesem Unternehmen teilzunehmen.<br />
Ich werde sie fragen, ob sie<br />
dazu bereit sind. Bis später,<br />
Marush.«<br />
Über die Direktverbindung,<br />
setzte ich mich mit meiner Besatzung<br />
auseinander. Von den acht<br />
Besatzungsmitgliedern sonderte<br />
sich nur der Navigationsoffizier ab<br />
und wollte nicht an der geplanten<br />
Mission teilnehmen. Ich hatte<br />
Nama-Es-Runsches Wunsch zu entsprechen<br />
und ordnete an, dass er<br />
mit sofortiger Wirkung auf das<br />
Mutterschiff zurück versetzt<br />
werden sollte. Die Navigationsarbeiten<br />
konnte ich selbst übernehmen<br />
und er war somit<br />
abkömmlich. Er bat mich um Entschuldigung,<br />
aber er wollte unbedingt<br />
bei der Initialisierung seines<br />
Sohnes in den Mannesstand dabei
sein. Diese Zeremonien wurden<br />
nach alter Tradition nur auf Nibiru<br />
durchgeführt. Aus diesen Gründen<br />
war es für ihn wichtiger, auf Nibiru<br />
dabei zu sein, als an einer Mission<br />
auf einem rückständigen Planeten<br />
teilzunehmen. Ich machte deshalb<br />
auch keine Anstalten, ihn umzustimmen.<br />
Er wusste jedoch, dass<br />
durch diese Entscheidung seine<br />
Tage in der Einsatzflotte gezählt<br />
sein würden. Es wurde nicht gerne<br />
gesehen, wenn jemand eine<br />
Stammbesatzung aus persönlichen<br />
Gründen verließ. Er konnte dafür<br />
zwar nicht bestraft werden, jedoch<br />
wurde er durch seine Wahl in<br />
gewissem Sinne gezeichnet. Er<br />
würde es nie wieder schaffen, in<br />
einen Einsatzverband aufgenommen<br />
zu werden. Dieser Ehrenkodex<br />
kam somit einer indirekten<br />
Bestrafung gleich. Man würde<br />
allerdings dafür sorgen, ihm einen<br />
Posten auf Nibiru zuweisen zu<br />
lassen.<br />
Ich war jetzt bestens für unser<br />
Vorhaben gewappnet, um mich<br />
mit Anu-Esh-Varu unterhalten zu<br />
können. Durch seinen Vorzimmeroffizier<br />
ließ ich mich wieder einmal<br />
anmelden.<br />
»Was gibt es Neues?«, fragte er<br />
mich mit polternder Stimme.<br />
Ich erklärte ihm unsere Fortschritte<br />
mit Peter, Mike und Kevin.<br />
Er sah zufrieden aus und lud mich<br />
ein, Platz zu nehmen.<br />
»Antu-Er-Marush und ich sind zu<br />
der Überzeugung gelangt, noch<br />
etwas in diesem System zu verweilen,<br />
um unsere Forschungen<br />
weiter betreiben zu können. Wir<br />
wollen dich über unseren<br />
Beschluss informieren und deine<br />
Zustimmung einholen.«<br />
»Ihr wollt also unter dem<br />
Vorwand der wissenschaftlichen<br />
Forschung zurückbleiben, um<br />
eurem Steckenpferd huldigen zu<br />
können? Es ist also schon abgemachte<br />
Sache und du kommst nur<br />
noch eben vorbei, um die Genehmigung,<br />
die ich euch so oder so<br />
nicht verweigern kann, einzuholen.<br />
Ich finde das sehr nett von<br />
euch. Wie steht denn deine Besatzung<br />
zu deinem Entschluss?«<br />
»Meine Besatzung steht hinter<br />
mir, mit Ausnahme von Nama-Es-<br />
Rausch. Er möchte nach Nibiru<br />
zurück, um bei der Initialisierung<br />
seines Sohnes dabei sein zu können.«<br />
»Ich hoffe, dass er weiß, was er<br />
da macht? Sobald er euch den<br />
Rücken kehrt ist es mit seiner Laufbahn<br />
in der Flotte zu Ende.«<br />
»Er weiß es!«<br />
»Nun gut, meinetwegen. Euer<br />
Schiff hat eine Reichweite von<br />
20.000 Lichtjahren und es sollte<br />
kein Problem sein, nach Nibiru<br />
zurück zu kehren. Ich werde veranlassen,<br />
euch Beistand durch<br />
andere Flottenteile zukommen zu<br />
lassen, wenn es nötig sein sollte.<br />
Euren Urlaub werde ich erst<br />
einmal auf ein terrestrisches Jahr<br />
festlegen. Ich erwarte jedoch, dass<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
ihr mir über die vorgeschriebenen<br />
Zwischenstationen einen monatlichen<br />
Bericht liefert. Lass deine<br />
Vorräte ergänzen sowie die technische<br />
und medizinische Ausrüstung<br />
erweitern. Seid besonders<br />
vorsichtig! Die Bewohner dieses<br />
Planeten sind in der Lage, euch zu<br />
vernichten. Sie besitzen chemische<br />
und biologische Waffen, gegen die<br />
sogar wir keine Mittel besitzen.<br />
Lasst euch nicht erwischen. Es<br />
bleiben dir für deine Vorbereitungen<br />
noch etwa 72 Stunden. Wir<br />
werden danach mit dem Mutterschiff<br />
von hier verschwinden. Ihr<br />
seid dann auf euch allein gestellt.<br />
Nehmt Verbindung mit der Infiltrationsgruppe<br />
auf. Sie können<br />
euch helfen, da sie die planetarischen<br />
Gegebenheiten bestens<br />
kennen.«<br />
»Ich danke dir für deine Unterstützung,<br />
Großonkel!«, sagte ich<br />
schnell, wobei er mit der Stirn<br />
runzelte und sich leicht schüttelte.<br />
»Mir bleibt ja gar nichts anderes<br />
übrig. Ihr habt ein Recht darauf,<br />
persönliche Forschung zu betreiben.<br />
Bevor ihr aufbrecht, möchte<br />
ich die drei Terrestrier noch<br />
genauer in Augenschein nehmen.<br />
Erwähne also nichts von eurem<br />
Vorhaben, das möchte ich übernehmen.«<br />
»Verstanden.«<br />
Er sah mir noch einen Moment<br />
tief in die Augen und begleitete<br />
mich dann zum Ausgang. Frohgestimmt<br />
begab ich mich wieder zu
Antu-Er-Marush. Sie sprang auf,<br />
umarmte mich und küsste mich<br />
auf die Stirn, als ich ihr die gute<br />
Nachricht übermittelte. Ihre<br />
Augen strahlten wie Sterne. Ich<br />
hatte sie noch nie so erlebt und<br />
hätte nun wirklich gerne gewusst,<br />
was sie sich von unserer Mission<br />
versprach. Eine Ahnung sagte mir,<br />
dass es etwas mit Mike zu tun<br />
haben musste. Bevor wir die drei<br />
getroffen hatten, war sie nicht<br />
sonderlich an diesem dritten Planeten<br />
interessiert gewesen. Sogar<br />
als Kevin nach seinem Unfall von<br />
ihr versorgt worden war, hatte sie<br />
nur sachliches Interesse gezeigt.<br />
Erst nach der Mentalkopie der drei<br />
hatte sie ihr Verhalten geändert.<br />
Sie zeigte ein gesteigertes Interesse<br />
an Mike, was weit über den<br />
wissenschaftlichen Rahmen hinausging.<br />
»Wir sind am Ende der Sprachschulung<br />
angelangt. Ich werde<br />
Peter und Mike jetzt wecken«,<br />
stellte sie nach einer Weile fest.<br />
Es hat geklappt<br />
So wie der Nebel über mich gekommen<br />
war, so verschwand er<br />
auch wieder. Ich fühlte keine<br />
Schmerzen und empfand eine beruhigende<br />
Ausgeglichenheit.<br />
Nachdem ich die Augen geöffnet<br />
hatte, musterte ich meine Umgebung.<br />
Max sah mich erwartungsvoll<br />
an. Antu-Er-Marush<br />
beschäftigte sich noch mit Peter.<br />
Die Beschriftung an der Wand in<br />
der Nähe des Ausganges konnte<br />
ich mühelos entziffern und lesen.<br />
Also hatte die Sprachschulung Erfolg<br />
gehabt!<br />
»Wie fühlst du dich?«, fragte<br />
mich Max in seiner Sprache.<br />
Ich nickte mit dem Kopf, um ihm<br />
zu verstehen zu geben, dass alles<br />
in Ordnung sei mit mir. Er forderte<br />
mich jedoch durch Gesten dazu<br />
auf, mich mit ihm zu unterhalten.<br />
Zu meinem Erstaunen hörten sich<br />
die Worte relativ gut an für mein<br />
Verständnis. Vor Freude darüber<br />
klatschte er sich mit der rechten<br />
Hand auf sein Knie. Er musste also<br />
wirklich verstanden haben, was ich<br />
ihm gesagt hatte.<br />
»Mit etwas Übung wird es schon<br />
gehen«, sagte Antu-Er-Marush. Sie<br />
strahlte übers ganze Gesicht. Sie<br />
machte keinen Hehl aus ihrer<br />
Freude. Sie kam zu mir und legte<br />
ihre Hand auf meine Stirn. Ich<br />
fühlte ihre Wärme und nahm den<br />
Duft ihres Parfums in mir auf.<br />
Die Anwesenheit von Max und<br />
ihr gaben mir die Sicherheit<br />
zurück. Ich fragte sie langsam:<br />
»Wie geht es Peter?«<br />
»Er ist bereits erwacht und versteht,<br />
was wir sagen.«<br />
Ich drehte mich zu ihm herum.<br />
»Verstehst du was wir sagen?«<br />
»Ja…«, kam es krächzend, aber<br />
kurz und bündig zurück.<br />
»Was steht auf dem Schild<br />
neben dem Eingang?«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Das Füttern der Tiere ist verboten!«,<br />
sagte er trocken.<br />
Das überzeugte mich. Wir<br />
lachten gemeinsam über seinen<br />
Scherz. Max rannen dabei die<br />
Tränen über die Wangen.<br />
»Ich werde morgen die technische<br />
Unterweisung vornehmen.<br />
Vorerst werden wir Kevin der<br />
Sprachschulung unterwerfen,<br />
bevor wir ihn aufwecken können«,<br />
erklärte Antu-Er-Marush.<br />
»In der Zwischenzeit werde ich<br />
euch das Schiff zeigen. Ich habe<br />
euch nebenbei noch etwas zu<br />
berichten. Lasst uns gehen und<br />
erst einmal etwas essen«, forderte<br />
uns Max auf.<br />
Sein Vorschlag traf bei uns nicht<br />
auf taube Ohren. Wir kehrten in<br />
den gleichen Speisesaal zurück.<br />
»Dieses ist euer Speisesaal, in<br />
dem ihr eure Mahlzeiten zu euch<br />
nehmen könnt. Da euer Metabolismus<br />
schneller arbeitet, wurde<br />
von mir bereits veranlasst, dass<br />
eure Menüs abgeändert werden,<br />
um diesen Umständen zu entsprechen.«<br />
Er erklärte uns, wie wir die Ausgabeautomatik<br />
zu bedienen<br />
hatten, ließ uns aber selbst über<br />
die Zusammensetzung entscheiden.<br />
Wir hatten eine Identifizierungsmarke<br />
erhalten, die wir nur<br />
bei der Ausgabe einscannen<br />
brauchten, um unsere angeglichene<br />
Mahlzeit empfangen zu<br />
können. Es gab ausreichend zu<br />
trinken und die künstlich herge
stellten Speisen schmeckten nicht<br />
schlecht. Die Ausgabeautomatik<br />
traf einige Entscheidungen über<br />
die Zusammensetzung der Speisen<br />
und war uns behilflich, einen ausgewogenen<br />
Speisezettel zu entwerfen.<br />
»Diese Art der Ernährung mag ja<br />
ganz gut sein, aber das menschliche<br />
Auge isst mit. Es wird einige<br />
Zeit dauern, bis wir uns daran<br />
gewöhnt haben«, nörgelte Peter<br />
respektlos.<br />
»Ich weiß. Ihr nehmt noch tierische<br />
Nahrung zu euch, die aber<br />
einige Risiken aufweist. Sie kann<br />
zu Unverträglichkeiten führen und<br />
den Gelenkverschleiß beschleunigen<br />
sowie andere medizinische<br />
Probleme mit sich führen.«<br />
»Wissen wir alles, aber es<br />
schmeckt einfach besser. Der<br />
Geruch von gebratenem Fleisch<br />
lässt einem das Wasser im Mund<br />
zusammenlaufen«, ergänzte ich.<br />
»Ist ja auch fürs Erste egal.<br />
Jedenfalls werden wir hier auf dem<br />
Schiff nicht verhungern oder verdursten«,<br />
beschwichtigte Peter.<br />
»Ihr werdet euch noch wundern.<br />
Auf den Beibooten ist die Verpflegung<br />
noch dürftiger und ganz und<br />
gar nach den Mindestanforderungen<br />
ausgelegt.«<br />
»Danke für die Vorwarnung. Es<br />
geht doch nichts über EPA!«, erwiderte<br />
Peter in Anlehnung an die<br />
Bundeswehr Einsatzverpflegung,<br />
wobei Max nichtverstehend die<br />
Augenbrauen anhob.<br />
»Ich werde euch zur Kommandozentrale<br />
führen. Sie ist in etwa<br />
gleich ausgelegt wie auf den<br />
kleineren Schiffen. Mehrere Sektionen<br />
sind dort zusammengefasst,<br />
um eine schnelle und effektive<br />
Kommandostruktur zu erlauben.<br />
Trotz des hohen Grades an Automatisierung<br />
ist es immer noch<br />
notwendig, eine gewisse Anzahl<br />
von Personen zu beschäftigen, die<br />
sich um besondere Angelegenheiten<br />
kümmern müssen. Die individuelle<br />
Entschlusskraft ist jeder<br />
Maschine überlegen. Ich erwarte<br />
nicht, dass ihr auf Anhieb alles<br />
sofort verstehen werdet. Die<br />
Sprachausbildung war erst der<br />
Anfang. Sie wird aber bereits von<br />
Nutzen sein. Nach der technischen<br />
Unterweisung werdet ihr besser<br />
verstehen, wie die Sektionen<br />
untereinander funktionieren«, ließ<br />
er so nebenbei die Katze aus dem<br />
Sack.<br />
Peter und ich sahen uns überrascht<br />
an und zuckten mit einem<br />
Grinsen die Schultern.<br />
Er hatte Recht. Wir waren in der<br />
Lage, die Beschriftungen zu lesen.<br />
Das hieß allerdings noch längst<br />
nicht, dass sie damit ebenfalls<br />
einen Sinn erhielten. Ich konnte<br />
mir allerdings denken, dass Max<br />
uns nicht das gesamte Schiff<br />
zeigen würde. Es gab bestimmt<br />
Sektionen, von denen wir nichts<br />
wissen sollten.<br />
Durch ein Labyrinth von Gängen<br />
und Schächten gelangten wir zur<br />
Zentrale. Sie war kreisförmig aus-<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
gelegt und wies eine große Anzahl<br />
von Steuerpulte und Konsolen auf.<br />
Die Atmosphäre war ruhig und<br />
entspannt. Die ruhigen Bewegungen<br />
der Besatzungsmitglieder<br />
taten auch auf uns ihre Wirkung.<br />
Als ich mich einer der Konsolen<br />
näherte, wurde ich freundlich<br />
begrüßt. Die Unterhaltungen in<br />
der Zentrale wurden in<br />
gedämpftem Ton geführt. Ein gelegentliches<br />
Zirpen war neben dem<br />
Raunen der Belüftung und den<br />
Betriebsgeräuschen der Apparaturen<br />
vernehmbar. Von der gegenüberliegenden<br />
Seite der Zentrale<br />
näherte sich uns eine Person mit<br />
schnellen Schritten. Sein Gesicht<br />
zeigte eine arrogante Note,<br />
geprägt von energischen Zügen.<br />
Sein Blick war stechend und schien<br />
alles durchbohren zu wollen. Er<br />
blieb vor Peter und mir stehen und<br />
musterte uns abfällig von oben bis<br />
unten. Max unterhielt sich gerade<br />
mit einem anderen Besatzungsmitglied<br />
und hatte den Rücken zu uns<br />
gekehrt. In Anwesenheit dieser<br />
hochnäsigen Person bekam ich ein<br />
unangenehmes Gefühl in der<br />
Magengegend, als ich ihn so vor<br />
mir stehen sah.<br />
»Mir ist nicht bekannt, dass sich<br />
gemeines Personal in der Zentrale<br />
aufhalten darf!«, zischte er uns in<br />
seiner Sprache an. Seine Stimme<br />
hatte einen schneidenden Unterton,<br />
was mich sofort in Alarmstimmung<br />
versetzte. Er hob seine<br />
rechte Hand und winkte zwei<br />
Besatzungsmitglieder heran, die
neben dem Eingang der Zentrale<br />
gestanden hatten.<br />
»Stellt die Identität dieser Niederen<br />
fest und entfernt sie aus der<br />
Zentrale. Ich werde später das<br />
Maß ihrer Bestrafung festlegen«,<br />
befahl er den Posten.<br />
Er drehte sich abrupt herum und<br />
begab sich wieder in den hinteren<br />
Teil der Zentrale zurück.<br />
»Max!«, rief ich mit einer ausweichenden<br />
Bewegung, als die<br />
beiden Posten sich anschickten<br />
uns abzuführen. Er kam sofort zu<br />
uns herüber und unterhielt sich<br />
kurz und leise mit den Posten. Als<br />
er mit ihnen fertig war, kehrten<br />
diese wieder zum Eingang der Zentrale<br />
zurück, um dort wieder ihre<br />
Wache aufzunehmen. Wir gingen<br />
langsam durch die Zentrale, wobei<br />
uns Max einige Konsolen und Bildschirme<br />
erklärte.<br />
»Es gibt bestimmt gleich Ärger«,<br />
flüsterte Peter zu mir.<br />
Ich nickte zustimmend.<br />
»Da kannst du dich drauf verlassen.<br />
Das spüre ich im Urin«, antwortet<br />
ich ihm leise. »Der Heini<br />
wird bestimmt gleich wiederkommen<br />
und uns zusammenscheißen,<br />
dass die Zentrale wackelt. Ich<br />
kenn’ das noch vom Bund.«<br />
Ich hatte es noch gar nicht ganz<br />
ausgesprochen, da kam er auch<br />
schon mit Volldampf und sichtlich<br />
erregt auf uns zugeprescht.<br />
»Hatte ich nicht befohlen diese…<br />
diese NIEDEREN aus der Zentrale<br />
zu entfernen!«, schrie er außer<br />
sich.<br />
Die Posten am Eingang der Zentrale<br />
zuckten zusammen, taten<br />
jedoch so, als ob sie sein Wortgetöse<br />
nicht gehört hatten.<br />
Max der sich wieder einmal mit<br />
jemanden unterhalten und sich<br />
dabei über eine Konsole gebeugt<br />
hatte, um etwas auf einem Bildschirm<br />
auszudeuten, richtete sich<br />
nun zur vollen Größe auf und sagte<br />
nur: »Na, und wenn schon?«<br />
Sein goldenes Brustabzeichen<br />
reflektierte das Licht der Zentrale<br />
in magischer Weise. Als der Schreihals<br />
sein Emblem bemerkte und<br />
erkannte, wen er vor sich hatte,<br />
wurde er plötzlich sichtlich nervös.<br />
»Alalu-Trona- Esh…«, sagte Max<br />
mit fester und autoritärer Stimme.<br />
»Es sollte Ihrem scharfen Auge<br />
sicherlich nicht entgangen sein,<br />
dass meine Begleiter überhaupt<br />
nicht zu unserer Besatzung gehören.<br />
Sie befinden sich als Gäste von<br />
Anu-Esh-Varu, Antu-Er-Marush<br />
und mir auf diesem Schiff. Mein<br />
Name ist Anu-Antu-Et-Laru, wenn<br />
Ihnen das entfallen sein sollte.<br />
Diese zwei Männer stammen<br />
zusammen mit einem dritten<br />
Fremden, der sich zurzeit in der<br />
medizinischen Abteilung befindet,<br />
vom dritten Planeten dieses Sonnensystems.<br />
Das sollte sich doch<br />
bereits herumgesprochen haben.«<br />
»Ich verbitte mir eine solche<br />
Belehrung und werde Ihre Unver-<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
frorenheit sofort an Anu-Esh-Varu<br />
melden«, entgegnete er entrüstet.<br />
»Ha! Das können Sie gerne<br />
machen«, lachte ihn Max lautstark<br />
an, wobei er sich leicht vorbeugte.<br />
»Augenblick!«, fuhr ich dazwischen.<br />
Ich fühlte, dass ein Kompetenzgerangel<br />
sich nur negativ für<br />
alle Beteiligten auswirken würde.<br />
»Wir haben bereits von Ihnen<br />
gehört, Alalu-Trona- Esh. Sie<br />
wurden uns als umsichtiger und<br />
pflichtbewusster Kommandant<br />
geschildert«, geradebrechte ich in<br />
der für mich neuen Sprache.<br />
»Mein Name ist Mike und mein<br />
Partner nennt sich Peter. Wir verstehen<br />
recht gut, dass sie nicht<br />
zulassen können, dass sich unbefugtes<br />
Personal in der Zentrale<br />
aufhält. Sie sind ein vielbeschäftigter<br />
Mann und es kann gut<br />
möglich sein, dass Ihnen unsere<br />
Anwesenheit auf diesem Schiff<br />
nicht rechtzeitig gemeldet wurde.<br />
Sie wären sonst sicherlich vorbeigekommen,<br />
um uns vor der Dekontaminierungsschleuse<br />
zu<br />
begrüßen.«<br />
Bei dem letzten Satz lächelte ich<br />
ihn an und zwinkerte mit dem<br />
rechten Auge. Ihm blieb fast die<br />
Luft weg, als er meine noch ungefügen<br />
Sätze vernahm. Er hatte<br />
jedoch sofort begriffen, auf was<br />
ich hinaus wollte. Seine Gesichtszüge<br />
wurden daraufhin etwas<br />
freundlicher.<br />
»Ich werde von einer Meldung<br />
absehen. Anu-Antu-Et-Laru,
sorgen sie dafür, dass die beiden<br />
hier nichts anfassen.«<br />
Max entgegnete nichts und richtete<br />
seinen Blick nur kurz zur<br />
Decke, als wenn er dort etwas<br />
suchte.<br />
Als Alalu-Esh-Trona sich wieder<br />
entfernte, gab er mir einen Stoß in<br />
die Rippen.<br />
»Das machst du nicht noch ‘mal.<br />
Ich kann mit ihm allein fertig<br />
werden. Meine Macht reicht aus,<br />
sogar ihn verstummen zu lassen«,<br />
flüsterte er mir zu.<br />
»Ich wollte deine Autorität nicht<br />
antasten, wenn du aber deine<br />
Stellung unbeherrscht zur Geltung<br />
bringst, dann kann es für Peter und<br />
mich und besonders für Kevin auf<br />
diesem Schiff gefährlich werden.<br />
Wir können uns in dieser Umgebung<br />
keine Feinde leisten. Als ich<br />
Alalu-Esh-Trona zum ersten Mal<br />
sah, überkam mich ein seltsam<br />
ungutes Gefühl. Er ist sehr ehrgeizig.<br />
Du solltest Anu-Esh-Varu vor<br />
ihm warnen. Es wird noch viel<br />
Ärger mit ihm geben. Halte deine<br />
Augen und Ohren offen. Er ist noch<br />
längst nicht mit uns fertig. Ich kann<br />
Leute nicht vertragen, die nervös<br />
mit den Augenwinkeln zucken.«<br />
»Ich mag ihn ebenfalls nicht,<br />
obwohl ich ihn verstehen kann«,<br />
bemerkte Peter. »Sein Karma ist<br />
negativ. Er ist gefährlich!«<br />
»Danke für die Warnung, aber<br />
ich werde schon mit ihm fertig<br />
werden«, nickte Max.<br />
In diesem Moment ertönte ein<br />
leises Piepen von Max‘s Armband.<br />
Er hob den Arm, besah sich sein<br />
uhrenähnliches Gerät und begab<br />
sich zu einer kleinen Apparatur an<br />
der Wand in der Nähe des Zentralschotts.<br />
Als er zurück kam sagte er:<br />
»Wir können jetzt zu Kevin gehen.<br />
Antu-Er-Marush wird ihn jetzt aufwecken.«<br />
Wir machten uns auf den Weg in<br />
die medizinische Abteilung. Der<br />
Genesungstank befand sich in<br />
einer hermetisch abgeschlossenen<br />
Sektion, die wir nur durch Schleusen<br />
betreten konnten. Eine Anzahl<br />
von Schläuchen, durch die eine<br />
hellgrüne Flüssigkeit gepumpt<br />
wurde, waren an Kevins Tank<br />
angeschlossen. Er schwebte in<br />
dieser Flüssigkeit und war von ihr<br />
vollkommen eingeschlossen. Was<br />
mir besonders dabei auffiel, war<br />
der Umstand, dass der Tank vertikal<br />
installiert war. Ich hatte mir<br />
vorgestellt, eine Art Badewanne<br />
vorzufinden. Antu-Er-Marush forderte<br />
uns durch Gesten dazu auf,<br />
näher zu kommen.<br />
»Wir werden jetzt den Tank in<br />
die Horizontale verlagern und die<br />
Flüssigkeit entfernen. Gleichzeitig<br />
werden seine Lungen wieder an<br />
gasförmigen Sauerstoff umgewöhnt.<br />
Er wird von der Transformierung<br />
nichts spüren«, erklärte<br />
sie uns. Ich konnte keine Narben<br />
an Kevins Körper entdecken. Er<br />
war wieder wie neu. Mittels einer<br />
Transportvorrichtung wurde er aus<br />
dem Tank gehoben und in ein<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
bereitgestelltes Bett gelegt. Es sah<br />
dabei so aus, als wenn er auf<br />
einem Luftkissen schweben würde.<br />
»Seine Körperfunktionen arbeiten<br />
normal, seine Mentalströme<br />
sind vorerst stabil«, ergänzte sie.<br />
Kurze Zeit später öffnete er die<br />
Augen. Er sah sich um drehte den<br />
Kopf. Sein verwirrter Gesichtsausdruck<br />
zeigte mir, dass er sich nicht<br />
in seiner neuen Umgebung<br />
zurechtfand. Als sich sein Blick auf<br />
Max und Antu-Er-Marush richtete,<br />
begann er stoßweise zu atmen. Er<br />
schien sich einer Panikstimmung<br />
zu nähern.<br />
»Ruhig bleiben, Kevin«, sagte ich<br />
zu ihm mit gemäßigter Stimme.<br />
Er drehte seinen Kopf in meine<br />
Richtung und ich konnte förmlich<br />
sehen, wie eine große Last von ihm<br />
wich. Er wurde jetzt wieder<br />
ruhiger.<br />
»Mike, wo bin ich?«, fragte er<br />
leise.<br />
»Du bist in der medizinischen<br />
Abteilung des Mutterschiffes von<br />
Max. Die bezaubernde Dame<br />
neben dir heißt: Antu-Er-Marush<br />
und ist dafür verantwortlich, dass<br />
du noch unter uns weilst.«<br />
Kevin sah sie lange und eindringlich<br />
an. Plötzlich rannen dicke<br />
Tränen über seine Wangen. Er<br />
weinte in einer Weise, wie ich es<br />
bisher nur bei Menschen, die unter<br />
sehr starken Depressionen litten,<br />
gesehen hatte. Er fing an zu zittern<br />
und bewegte sich unkontrolliert.
Ich legte ihm meine Hand auf die<br />
Stirn und forderte ihn auf, sich auf<br />
meine warme Handfläche zu konzentrieren.<br />
»Gib mir bitte etwas Wasser,<br />
Max«, bat ich.<br />
Max reichte mir einen kleinen<br />
Behälter mit Wasser. Ich tupfte<br />
meinen rechten Zeigefinger in die<br />
Flüssigkeit und ließ ein paar<br />
Tropfen auf Kevins Stirn fallen,<br />
gerade oberhalb der Nasenwurzel.<br />
»Konzentriere dich auf die Wassertropfen.<br />
Schließe deine Augen<br />
und fühle wie das kalte Wasser<br />
langsam warm wird. Wenn das<br />
Wasser unerträglich heiß wird,<br />
dann darfst du es abwischen«,<br />
forderte ich ihn auf.<br />
Nach etwa zwei Minuten wischte<br />
er sich das Wasser von der Stirn.<br />
In der Zwischenzeit war sein<br />
Zittern abgeebbt und sein Atem<br />
ging wieder normal. Antu-Er-Marush<br />
sah mich erstaunt an, sagte<br />
aber nichts. Peter hatte Kevins<br />
Hand ergriffen und seine Augen<br />
geschlossen. Er tat das seinige<br />
dazu.<br />
»Du kannst jetzt aufstehen und<br />
dich anziehen«, forderte Marush<br />
ihn in ihrer Sprache auf.<br />
»Was sagt sie?«, fragte er mich.<br />
»Du kannst jetzt aufstehen und<br />
dich anziehen«, übersetzte ich für<br />
ihn ins Englische, wobei mir<br />
hierbei einfiel, dass er es doch<br />
hätte verstehen müssen.<br />
Als er sich erhob, um die bereitgestellten<br />
Kleidungsstücke anzulegen<br />
fragte ich Marush: »Hat er<br />
bereits eine Sprachschulung erhalten?«<br />
»Natürlich! Er hätte verstehen<br />
müssen, was ich ihm sagte«, entgegnete<br />
sie verblüfft.<br />
»Mentalblock!«, meinte Peter<br />
spontan.<br />
»Das glaube ich auch«, stimmte<br />
ich ihm zu.<br />
»Was meinst du damit, Peter?«,<br />
fragte sie.<br />
»Ganz einfach. Kevin will sich mit<br />
der neuen Situation nicht abfinden<br />
und verdrängt, was er gelernt hat.<br />
Er hat dich wohl verstanden, aber<br />
er erlaubt sich nicht, das Gelernte<br />
anzuwenden. Er bildet sich ein,<br />
dass diese neue Realität für ihn<br />
nicht existiert, obwohl er sich<br />
mitten in ihr befindet und darin<br />
funktioniert.«<br />
»Etwas Ähnliches hatte ich<br />
bereits befürchtet, deswegen<br />
hatte ich darauf bestanden, bei<br />
seinem Aufwecken dabei sein zu<br />
können«, fügte ich schnell hinzu.<br />
»Ich… beginne zu verstehen«,<br />
sagte Max gedehnt.<br />
»Gegen Sturheit ist selbst im<br />
Universum kein Mittel zu erhalten.<br />
Wir können es nur durch Überzeugung<br />
abstellen«, meinte Marush.<br />
»Trotzdem werden wir mit der<br />
technischen Unterweisung in ca.<br />
einer Stunde beginnen. Ich sehe<br />
euch im Labor wieder.«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Kevin wollte sich aus Gewohnheit<br />
seine Brille aufsetzen, konnte<br />
sie aber nicht finden.<br />
»Wo ist meine Brille?«, fragte er<br />
laut auf Englisch.<br />
Marush hatte es noch vernommen<br />
bevor sie den Raum verlassen<br />
hatte. Sie drehte sich um und<br />
sagte nur kurz: »Die brauchst du<br />
nicht mehr. Wir haben deine<br />
Augen repariert!«<br />
»Eh… könnt ihr das auch bei mir<br />
machen?«, fragte ich nur mal so<br />
nach.<br />
»Das brauchen wir in deinem Fall<br />
nicht, weil der Amphorensaft das<br />
bei dir macht. Es dauert etwa zwei<br />
Tage, dann brauchst du deine<br />
Brille auch nicht mehr.<br />
»Irgendwie kommt es mir so vor,<br />
als ob ich der Gelackmeierte bin«,<br />
nötigte sich Peter zu bemerken.<br />
»Bei mir wurde nichts repariert.«<br />
Marush kam näher.<br />
»Hmm… ich wollte es dir eigentlich<br />
nicht sagen, aber du warst in<br />
einer weit schlechteren Verfassung<br />
als dir vielleicht bekannt war,<br />
bevor du den Cocktail getrunken<br />
hattest«, eröffnete sie ihm ernst.<br />
»Ich bin kerngesund!«, protestierte<br />
Peter, ergänzte dann aber<br />
zögerlich, »…oder… doch nicht?«<br />
»Hast du in den letzten Monaten<br />
bemerkt, dass du ab und zu übermäßig<br />
müde warst? Hattest du<br />
manchmal Konzentrationsschwächen<br />
oder Kopfschmerzen?
Hattest du gelegentlich Schüttelfrost?«,<br />
forschte sie.<br />
»Ja… ah«, bestätigte er langsam,<br />
die Stimme hebend. »Als wir in das<br />
Schiff eindrangen, fühlte ich mich<br />
nicht wohl. Ich hab das aber nicht<br />
weiter beachtet, wegen der<br />
Anspannung.«<br />
»Als wir dich sondierten, haben<br />
wir eine Verstrahlung deiner Leber<br />
und deines Blutes festgestellt.<br />
Hast du eine lange Zeit mit Hochfrequenzenergie<br />
zu tun gehabt?«,<br />
forschte sie weiter.<br />
Peter nickte.<br />
»Ich hatte mit Radargeräten zu<br />
tun.«<br />
»Das erklärt das Frühstadium der<br />
vorgefundenen Leukämie!«<br />
Peters Augen weiteten sich<br />
erschrocken.<br />
»Sei zuversichtlich, der Cocktail<br />
wird es in ein paar Tagen kurieren!«,<br />
beruhigte ihn Marush.<br />
»Danke!«, nickte Peter<br />
erleichtert.<br />
»Du hattest Glück, uns zu treffen«,<br />
bemerkte sie noch mit einem<br />
Augenzwinkern, bevor sie endgültig<br />
die Station verließ.<br />
Ich schlug Peter nickend auf die<br />
Schulter und rüttelte ihn sanft.<br />
»Schwein gehabt, Mann…!«<br />
Kurz vor Ablauf der Frist fanden<br />
wir uns im Manipulationsraum ein.<br />
Wir setzten uns wieder in die<br />
Sessel und ließen das Programm<br />
ablaufen. Als die technische Unterweisung<br />
beendet war und wir<br />
wieder klar sehen konnten, sah<br />
uns Max aus hohlen Augen und<br />
blassem Gesicht an. Ich fühlte,<br />
dass etwas in der Zwischenzeit<br />
etwas passiert sein musste.<br />
»Ist etwas nicht in Ordnung mit<br />
Peter und Kevin?«, fragte ich ihn.<br />
»Viel schlimmer!«, antwortete<br />
er stockend. Er hatte Mühe seine<br />
Emotionen zurückzuhalten.<br />
Nach einer kurzen Pause fuhr er<br />
fort: »Anu-Esh-Varu ist tot!«<br />
»Wie bitte?«, entfuhr es mir<br />
lauter als ich gewollt hatte, »ich<br />
kannte ihn zwar nicht persönlich,<br />
ich wusste jedoch, dass er hier der<br />
Boss war.«<br />
»Er kam bei einem Unfall ums<br />
Leben«, erklärte Max betroffen.<br />
»Hast du das mit bekommen?«,<br />
fragte ich Peter betroffen.<br />
»Ich wünschte, es wäre eine<br />
bessere Nachricht gewesen«,<br />
sagte dieser stockend.<br />
»Wie ist es passiert?«, versuchte<br />
ich nun herauszufinden.<br />
»Er benutzte einen Gravitationsschacht,<br />
der plötzlich aussetzte.<br />
Den Aufprall hat er nicht überlebt.<br />
Gleichzeitig war der Gravitationskonverter<br />
explodiert und hat<br />
seinen Körper so sehr strahlengeschädigt,<br />
dass seine Gene schlagartig<br />
mutierten. Wir sind somit<br />
nicht in der Lage, ihn aus den<br />
kümmerlichen Resten mit unseren<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
technischen Mitteln wiederherzustellen.«<br />
»Es tut mir leid um deinen<br />
Onkel«, sagte ich zu Max tröstend,<br />
»aber etwas reimt sich da nicht so<br />
ganz.«<br />
»Was meinst du damit?«, fragte<br />
Max.<br />
»So wie ich es verstehe, sollte<br />
bei einer Fehlfunktion des Gravitationsschachtes<br />
eine Vorwarnung<br />
vom Rechner erteilt worden sein,<br />
um den jeweiligen Benutzer genügend<br />
Zeit zu geben, an die Notleitern<br />
zu gelangen. Ist das so<br />
richtig?«, flüsterte ich.<br />
»Das ist korrekt… aber es<br />
geschah zu plötzlich.«<br />
»Und gerade das… macht mich<br />
stutzig! Eure Sicherheits- und Fehlschaltungsüberwachung<br />
ist so weit<br />
fortgeschritten, dass ein solches<br />
plötzliches Versagen absolut ausgeschlossen<br />
ist. Ich denke da mehr<br />
an Sabotage, um durch einen vorgetäuschten<br />
Unfall Anu-Esh-Varu<br />
loszuwerden. Ich gehe noch viel<br />
weiter und behaupte, dass uns<br />
auch jemand ans Leder will. Dabei<br />
meine ich nicht nur Peter, Kevin<br />
und mich, sondern ich schließe<br />
euch zwei ebenfalls mit ein. Wir<br />
sollten schnellstens aus dem Mutterschiff<br />
verschwinden und die<br />
Kurve kratzen. Der Transporter<br />
scheidet als Fluchtweg für uns aus,<br />
da eine bewusste Fehlschaltung<br />
dafür sorgen würde, dass wir als<br />
aufgelöste Moleküle durch die
Dimensionen preschen würden.<br />
Was uns nicht viel nützen könnte.«<br />
»Du meinst also allen Ernstes,<br />
dass Sabotage im Spiel ist?«, fragte<br />
mich Marush ebenso leise.<br />
»Glaubt es mir oder nicht, aber<br />
ich kann euch auch sagen, wer<br />
eventuell dafür verantwortlich ist,<br />
obwohl ich es nicht beweisen<br />
kann.«<br />
»An Sabotage kann ich einfach<br />
nicht glauben«, erwiderte Max.<br />
»Anu-Esh-Varu war sehr beliebt<br />
und hatte keine Feinde an Bord.«<br />
»Das heißt nichts. Er hätte<br />
ebenso auf Nibiru Feinde haben<br />
können, von denen du nichts<br />
weißt.«<br />
»Gibt es hier einen Ort, an dem<br />
wir uns ungestört und abhörsicher<br />
unterhalten können?«, fragte<br />
Kevin jetzt plötzlich Max, in seiner<br />
Sprache und dabei sehr leise.<br />
»Ja, nur auf dem wissenschaftlichen<br />
Shem, den ich bereits startklar<br />
gemacht habe, weil wir als<br />
nächstes vor hatten, zur Erde aufzubrechen,<br />
um unsere Forschungen<br />
dort weiter zu treiben«,<br />
sagte Max jetzt ebenfalls sehr<br />
leise, wobei Marush im Hintergrund<br />
mit einigen Sezierungsinstrumenten<br />
klimperte, während wir<br />
uns unterhielten. Sie hatte sehr<br />
schnell begriffen, dass unsere<br />
Sicherheit an Bord des Mutterschiffes<br />
keinen extra-terrestrischen<br />
Pfifferling mehr wert war.<br />
»Wer außer euch weiß noch von<br />
dem startbereiten Shem?«, fragte<br />
ich nun ebenso leise.<br />
»Nur Max, Anu-Esh-Varu, meine<br />
Besatzung und ich, wobei ich persönlich<br />
die Ausrüstung erweitert<br />
und ergänzt habe. Meine Besatzung<br />
ist absolut zuverlässig«,<br />
nuschelte Marush mir zu.<br />
»Gut so!«<br />
»OK. Wir tun so, als wenn wir<br />
nichts vermuten«, schlug Peter<br />
vor. »Wie weit ist es von hier bis<br />
zum Shem?«<br />
»Etwa hundert Meter von hier,<br />
wenn wir durch die wissenschaftliche<br />
Abteilung gehen«, antwortete<br />
Marush.<br />
»Da wir nicht genau wissen, ob<br />
wir beobachtet werden, schlage<br />
ich vor, dass ihr so tut, als wenn ihr<br />
uns die wissenschaftliche Abteilung<br />
erklärt, währenddessen wir<br />
uns langsam und unauffällig dem<br />
Shem nähern. Ich werde euch dazu<br />
auffordern, uns das Schiff von<br />
innen zu zeigen. Das sollte nicht<br />
weiter auffallen, da man ja<br />
annimmt, dass wir uns noch in der<br />
Orientierungsphase befinden«,<br />
schlug ich auf Englisch vor. »Antu-<br />
Er-Marush, auf wie viele deiner<br />
Wissenschaftler kannst du dich<br />
blindlings verlassen?«<br />
»Das ist eine Frage, die sich mir<br />
noch nie gestellt hat. Ich kann<br />
deine Frage nicht befriedigend<br />
beantworten.«<br />
»Also auf niemanden!«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Ich werde jetzt besonders aufpassen<br />
müssen«, antwortete sie in<br />
einem leichten Anflug von Nervosität.<br />
»Die hundert Meter werden uns<br />
wie eine Ewigkeit vorkommen«,<br />
orakelte Peter grinsend.<br />
Fast wie ein Spießrutenlauf<br />
Kevin stand der kalte Schweiß<br />
auf der Stirn. Er riss sich jedoch<br />
zusammen. Mein Adrenalin war<br />
auch bereits auf einem erhöhten<br />
Pegel. Ich konnte mir vorstellen,<br />
dass es Peter nicht anders ging.<br />
Max und Marush führten uns<br />
durch die Sektionen der wissenschaftlichen<br />
Abteilung und erklärten<br />
uns die verschiedenen Labore<br />
und Einrichtungen. Wir stellten<br />
überflüssige und dämliche Fragen,<br />
um etwaige Beobachter zu täuschen.<br />
Wir wollten damit erreichen,<br />
dass man uns<br />
unterschätzte. Ohne behindert zu<br />
werden, gelangten wie zum Shem.<br />
Hier fragten wir wieder der Kuh<br />
das Kalb ab, wobei Max unauffällig<br />
die Integrität des Schiffes untersuchte.<br />
Obwohl er keine<br />
Änderungen feststellen konnte,<br />
gab er uns trotzdem durch sein<br />
Mienenspiel zu verstehen, bei jeder<br />
Äußerung vorsichtig zu sein.<br />
»Wollt ihr einen Ausflug machen<br />
und euch einmal den großen Planeten<br />
außerhalb des Mutterschiffes<br />
von der Nähe<br />
betrachten?«, fragte Max laut und<br />
schauspielerisch.
»Wirklich? Können wir das? Das<br />
wäre eine tolle Idee!«, antwortete<br />
ich spontan und warf die Arme<br />
jauchzend vor Freude in die Höhe.<br />
Peter und Kevin stimmten zu und<br />
nickten dabei begeistert wie ein<br />
paar Verrückte. Er erklärte sein<br />
Vorhaben der Hangarkontrolle<br />
und konnte erreichen, dass wir das<br />
Mutterschiff verlassen konnten.<br />
Man hatte also noch keinen Verdacht<br />
geschöpft. Die Luft wurde<br />
aus dem Hangar gepumpt und<br />
nachdem Max auf manuelle Steuerung<br />
umgestellt hatte, manövrierte<br />
er den Shem sicher in die<br />
Kälte des Weltraums. Er zog eine<br />
Schleife um den Planeten, den ich<br />
als Jupiter erkannte, und begab<br />
sich dann langsam auf den Weg zu<br />
Erde.<br />
Es dauerte keine zwei Minuten,<br />
da meldete sich die Ortungsabteilung<br />
des Mutterschiffes.<br />
»Sie haben den vorangemeldeten<br />
Flugweg verlassen, Anu-Antu-Et-Laru!<br />
Haben Sie dafür eine<br />
Erklärung?«, fragte eine Person<br />
vom Bildschirm der Funknische.<br />
»Unsere Begleiter wollten sich<br />
ihren Heimatplaneten einmal aus<br />
der Nähe betrachten. Ist das etwa<br />
verboten?«, antwortet Max<br />
schnippisch.<br />
»Nein, das nicht, aber der Shem<br />
untersteht der wissenschaftlichen<br />
Abteilung und sie benötigen für<br />
ihre Extratour die Genehmigung<br />
von Antu-Er-Marush.«<br />
Marush drängte Max sachte zur<br />
Seite, sodass sie sich in dem Aufnahmebereich<br />
der Kamera befand.<br />
»Ich bin Antu-Er-Marush. Der<br />
Umweg wurde von mir genehmigt<br />
und merken sie sich für die<br />
Zukunft, uns nicht weiter mit Lappalien<br />
zu belästigen.«<br />
»Ich folge nur den Vorschriften,<br />
Antu-Er-Marush. Ich muss Sie<br />
jedoch noch darauf aufmerksam<br />
machen, dass Alalu-Esh-Trona eine<br />
Versammlung des Führungskaders<br />
angeordnet hat.«<br />
»Wann soll das sein?«, fragte sie<br />
ungehalten.<br />
»In einer Stunde. Sie haben also<br />
nicht viel Zeit für einen ausgedehnten<br />
Ausflug.«<br />
»Das lassen Sie mal ruhig meine<br />
Sorge sein. Ende!«<br />
Sie brach die Verbindung ab und<br />
machte eine obszöne Handbewegung<br />
in Richtung des Bildschirmes.<br />
Das hätte ich ihr nun wirklich<br />
nicht zugetraut, aber Anunnakis<br />
sind wohl auch nur Menschen. Sie<br />
wurde uns durch ihren kleinen<br />
Ausrutscher nur noch sympathischer.<br />
Peter und Kevin grinsten<br />
über das ganze Gesicht.<br />
»…hab ich ja noch nie geseh’n!«,<br />
meinte Peter langgezogen.<br />
»Zeig’ ihm, was ‘ne Harke ist!«,<br />
sagte ich ergänzend.<br />
»Wie bitte?«, fragte sie nichtverstehend<br />
zurück.<br />
»Ah. Nichts für ungut.«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Max stellte eine verschlüsselte<br />
Verbindung mit seinem alten<br />
Schiff her. Als Ront sich meldete,<br />
gab er ihm durch Handzeichen und<br />
Gesten zu verstehen, was er von<br />
ihm wollte. Die nebenbei geführte<br />
Unterhaltung war ziemlich belanglos.<br />
Ront ratterte seinen Rapport<br />
herunter und gab mit keiner<br />
Miene preis, ob er Max verstanden<br />
hätte.<br />
Marush erhob sich und öffnete<br />
ein Fach an dem uns gegenüberliegenden<br />
Tisch. Sie entnahm ihm<br />
einen fünfzehn Zentimeter langen<br />
silbernen Stab und begab sich<br />
damit in den Transferraum. Keine<br />
fünf Minuten später kehrte sie in<br />
Begleitung von Ront und einer<br />
anderen Person in die Zentrale<br />
zurück. Max übergab Ront eine<br />
Folie, auf der er alles Wissenswerte<br />
niedergeschrieben hatte. Es<br />
wurden dabei Begrüßungsfloskeln<br />
ausgetauscht. Nachdem Ront die<br />
Folie gelesen hatte, reichte er sie<br />
an die anderen Neuankömmlinge<br />
weiter. Er entfernte sich für kurze<br />
Zeit aus der Zentrale und als er<br />
wieder eintrat, nickte er kurz.<br />
»Alles in Ordnung!«, berichtete<br />
er. »Es befinden sich keine unregistrierten<br />
Gegenstände im Schiff<br />
und der Rechner versicherte mir,<br />
dass keine Abhörvorrichtungen<br />
installiert sind. Wir befinden uns<br />
jedoch noch in der Ortungsüberwachung<br />
vom Mutterschiff. Man<br />
scheint dort wohl der Meinung zu<br />
sein, uns – ganz gegen die normalen<br />
Gepflogenheiten – überprüfen
zu müssen. Wir können aber frei<br />
sprechen.«<br />
Max stellte uns nun den uns<br />
noch unbekannten Begleiter vor.<br />
Sein Name war Lesra-Gum. Er war<br />
der Waffentechniker auf Max‘s<br />
Schiff. Er hatte sich an eine<br />
Konsole gesetzt und war damit<br />
beschäftigt, sie zu überprüfen. Als<br />
er fertig war, strahlte er übers<br />
ganze Gesicht und spreizte alle<br />
fünf Finger seiner rechten Hand.<br />
»Mike deutete an«, begann Max,<br />
»dass der Unfall von Anu-Esh-Varu<br />
wahrscheinlich auf Sabotage<br />
zurückzuführen ist. Er begründete<br />
seine Vermutung damit, dass eine<br />
Warnung vom Rechner hätte<br />
erfolgt sein müssen, als der Gravitationsschacht<br />
aussetzte. Da dies<br />
nicht der Fall war und weil außerdem<br />
der Konverter in die Luft<br />
geflogen war, habe ich keine<br />
andere Wahl, als für den Augenblick<br />
anzunehmen, dass Mike<br />
Recht hat. Hinzu kommt noch, dass<br />
das genetische Material von Anu-<br />
Esh-Varu durch die freigesetzte<br />
Strahlung unbrauchbar wurde. Er<br />
erwähnte ebenfalls, dass er eine<br />
Ahnung hat, wer dafür verantwortlich<br />
ist.«<br />
Die Augen der Anwesenden richteten<br />
sich auf mich, als Zeichen<br />
dafür, meinen Verdacht zu konkretisieren.<br />
»Nun…«, begann ich, »die<br />
Gründe für meine Annahme beziehen<br />
sich hauptsächlich auf meine<br />
Beobachtungen auf dem Schiff,<br />
sowie aus der Summierung der<br />
Geschichte der Anunnaki. Bevor<br />
ich jedoch beginne, möchte ich<br />
noch einige Fragen beantwortet<br />
haben, die allerdings nur indirekt<br />
mit diesem Fall zu haben. Sie sind<br />
aber unerlässlich, weil ihr dadurch<br />
besser versteht, wie ich zu<br />
meinem Ergebnis kam.«<br />
»Frag’ nur drauf los. Wir sitzen<br />
ja im gleichen Boot«, forderte Max<br />
mich grinsend auf.<br />
»Hast du das gehört: Im gleichen<br />
Boot? Ha, ha!«, lachte Kevin in<br />
Peters Richtung.<br />
»I bin ja net deppert, du Hirsch«,<br />
antwortete er ihm, allerdings in<br />
bayrischem Dialekt, womit Kevin<br />
nichts anzufangen wusste und daraufhin<br />
Peter nur komisch ansah.<br />
»Besteht in eurer Sozialstruktur<br />
noch die Rangordnung von eins bis<br />
sechzig?«, schoss ich meine erste<br />
Frage an Max ab.<br />
»Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
was unsere Sozialstruktur mit<br />
dieser Sache zu tun haben sollte?<br />
Wieso kommst du gerade auf die<br />
Eins- bis Sechzigerfolge? Wir<br />
hatten euch noch nichts darüber<br />
erzählt. Diese Information ist nicht<br />
Teil der allgemeinen Unterweisung,<br />
soweit mir bekannt ist.«<br />
Als er dies sagte, lehnte er sich<br />
abrupt und erstaunt in seinen<br />
Sessel zurück. Die Anderen zeigten<br />
ebenfalls leichte Zeichen der Verwunderung.<br />
»Die Rangfolge von<br />
eins bis sechzig besteht noch, um<br />
deine Frage zu beantworten«,<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
ergänzte er nach einer kurzen<br />
Pause.<br />
»Das hatte ich im Geheimen<br />
gehofft. Gibt es immer noch den<br />
Rat der Zwölf? Ich meine die<br />
Gruppe, die bei euch die Entscheidungen<br />
fällt? Nebenbei nehme ich<br />
an, dass der heutige Dynastieherrscher<br />
ein Enkel von Anu und Antu<br />
sein dürfte?«<br />
Max beugte sich jetzt wieder vor<br />
und zeigte mir sein volles Interesse.<br />
Er erwiderte: »Der Rat der<br />
Zwölf besteht ebenfalls noch. Du<br />
liegt aber nur teilweise richtig,<br />
wenn du meinst, dass ein Enkel<br />
von Anu und Antu der heutige<br />
Herrscher ist. Es ist ein Nachfahre<br />
aus der Linie von Anu. Ich werde<br />
dir seinen Namen zu gegebener<br />
Zeit nennen.«<br />
»Ach ja, ich vergaß, dass eure<br />
Ahnenfolge ähnlich der ist, die wir<br />
aus unserem Alten Testament<br />
kennen und von euch damals eingeführt<br />
worden war. Sie regelte<br />
die Patriarchenfolge im jüdischen<br />
Glaubenssystem. Der Name des<br />
Herrschers ist im Augenblick auch<br />
nicht so wichtig. Ich könnte das<br />
vielleicht selbst herausfinden,<br />
natürlich im sumerischen Sinne.«<br />
»Kannst du das etwas näher<br />
erklären?«, fragte jetzt Kevin.<br />
»Das kannst du selbst herausfinden,<br />
wenn du im Alten Testament<br />
zwischen den Zeilen liest. Es ist<br />
eine ziemlich verzwickte Angelegenheit,<br />
die bereits an Blutschande<br />
grenzt!«
»Jetzt legst du aber ziemlich dick<br />
auf! Dir ist auch nichts heilig!«,<br />
entgegnete Kevin entrüstet.<br />
»Das hat mit Heiligkeit überhaupt<br />
nichts zu tun. Religiöses<br />
Wunschdenken ist hier jetzt fehl<br />
am Platz. Wir wollen uns jetzt nicht<br />
darüber streiten«, gab ich Kevin<br />
eine Abfuhr. »Eure Sozialstruktur<br />
ist für uns heutzutage ziemlich<br />
bedeutungslos«, wendete ich mich<br />
an Max. »Es gibt noch einige Reste<br />
davon in einigen Gesellschaftsformen,<br />
die sich aber meistens nur<br />
in religiösen Bereichen und bei der<br />
Rechtsprechung einiger Nationen<br />
auswirken.«<br />
»Meinst du etwa die zwölf<br />
Jünger Jesu?«, fragte Kevin wieder.<br />
»Das wäre ein Beispiel von mehreren.«<br />
»Sag mir, was weißt du noch<br />
alles über uns?«, fragte mich jetzt<br />
Ront.<br />
»Die beste Antwort könnte dir<br />
Marush darauf geben, da sie mein<br />
Gedächtnis sondiert hat.«<br />
Die Augen der Anwesenden richteten<br />
sich jetzt auf Antu-Er-Marush.<br />
Sie wurde jedoch nicht<br />
verlegen, sondern antwortete:<br />
»Die Dinge überstürzten sich, so<br />
dass ich noch keine Gelegenheit<br />
hatte, mich mit Max darüber zu<br />
unterhalten.«<br />
Max winkte nur ab.<br />
»Später ist Zeit genug dafür.«<br />
»Da dein Name Anu-Antu-Et-<br />
Laru ist, folgere ich, dass du sehr<br />
nahe an die Führungsspitze von<br />
Nibiru heranreichst, Max. Du hast<br />
jedoch keinen Anspruch auf den<br />
Herrschertitel, weil du der<br />
direkten Linie von Anu und Antu<br />
entsprungen bist. Ich erkenne<br />
jetzt, dass das Symbol auf deiner<br />
Brust eine stilisierte 53 darstellt.<br />
Demzufolge bist du ein Mitglied<br />
des Zwölferrates. Ebenso verhält<br />
es sich mit Marush. Sie trägt das<br />
Symbol 51. Ich habe also bereits<br />
zwei Mitglieder eures Ehrwürdigen<br />
Rates vor mir. Ist das richtig?«<br />
»Stimmt!«, bestätigte Max kurz<br />
und bündig.<br />
»Anu-Esh-Varu entstammte der<br />
Ahnenlinie von Anu und Esh,<br />
welche zur Zeit die Herrscherfolge<br />
bestimmt. Vermute ich da ebenfalls<br />
richtig?«<br />
Max nickte zustimmend.<br />
»Welche Stellung hatte er im<br />
Zwölferrat?«<br />
»Er trug das 57er Symbol.«<br />
»Er wäre also irgendwann zum<br />
neuen Herrscher ernannt worden?«<br />
»Sehr wahrscheinlich, wenn<br />
nicht sogar mit Bestimmtheit.«<br />
»Mensch Meier!«, entfuhr es<br />
Peter, dem jetzt ein Licht aufging.<br />
»Letzte Frage. Wie viele Besatzungsmitglieder<br />
auf dem Mutterschiff<br />
haben eine Rangordnung<br />
über 48, euch ausgenommen?«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Noch zwei weitere, nämlich 49<br />
und 50. Wieso?«, fragte mich Max<br />
erstaunt.<br />
»Weil diese zwei Personen in<br />
höchster Lebensgefahr schweben.<br />
Mein Verdacht erhärtet sich von<br />
Minute zu Minute.«<br />
»Ich sehe da noch keine klaren<br />
Zusammenhänge«, fügte Ront ein.<br />
»Ich werde euch jetzt meinen<br />
Verdacht darlegen und versuchen,<br />
ihn zu begründen. Ihr werdet<br />
jedoch über das Ergebnis nicht<br />
erfreut sein.«<br />
»Mach dir darüber jetzt noch<br />
keine Gedanken«, antwortete<br />
Marush ernst.<br />
»Du sagtest, dass Anu-Esh-Varu<br />
keine Feinde hatte, Max. Das ist<br />
von deinem Standpunkt her<br />
gesehen gut möglich. Sollte er<br />
aber einer derjenigen sein, die als<br />
neuer Herrscher in Frage kommen,<br />
so kann ich mir gut vorstellen, dass<br />
er sich bereits ein paar Feinde<br />
geschaffen hatte, ohne es gewusst<br />
zu haben und die erst jetzt zum<br />
Vorschein kommen. Wie ich aus<br />
eurer Geschichte erkennen kann,<br />
wurde der damalige Herrscher mit<br />
dem Namen Alalu von Antu durch<br />
einen Komplott gestürzt. Er floh<br />
zur Erde und entdeckte dabei Gold<br />
im Meereswasser. Aufgrund dieser<br />
Entdeckung wurde ihm das Leben<br />
geschenkt, weil das Gold für die<br />
Lebenserhaltungsmechanismen<br />
auf Nibiru von größter Wichtigkeit<br />
war. Sein Klan hatte aber niemals<br />
den Traum aufgegeben, wieder an
die Macht zu kommen. Ein Enkel<br />
von Alalu hatte mit Enki auf der<br />
Erde um angestammte Rechte<br />
gefochten. Ihr ward sehr erstaunt<br />
darüber, dass ich eure Sozialstruktur<br />
in Zusammenhang mit dem<br />
Unfall von Anu-Esh-Varu verknüpfte,<br />
aber gerade hier sehe ich<br />
ein kausales Zusammentreffen von<br />
traditionellen Umständen. Da eure<br />
Struktur den Zwölferrat innerhalb<br />
der Rangfolge von eins bis sechzig<br />
glorifiziert, benehmen sich die Mitglieder<br />
dieses Rates wie Ersatzherrscher<br />
und verfügen in<br />
arroganter Weise über die Mitglieder<br />
der unteren Schichten. Ich<br />
bemerkte diesen Umstand auf<br />
dem Mutterschiff. Als wir bei<br />
unseren Rundgängen von den<br />
Besatzungsmitgliedern begrüßt<br />
wurden, konnte ich erkennen, dass<br />
die Begrüßungen uns zwar<br />
respektvoll, jedoch mit einem Ton<br />
der Unterwürfigkeit, wie es nur<br />
einem Despoten zukommen<br />
würde, entgegengebracht wurden.<br />
Dann passierte der Zwischenfall<br />
mit Alalu-Esh-Trona in der Zentrale.<br />
Obwohl er als Kapitän dein<br />
Vorgesetzter ist, hast du deine<br />
soziale Position gegen ihn ausgespielt<br />
und damit schwer erniedrigt.<br />
Das gibt immer Probleme! Du<br />
standst da bereits auf seiner persönlichen<br />
Abschussliste!«<br />
Ich machte hier eine kurze<br />
Pause, um Max Gelegenheit zum<br />
Antworten zu geben. Er schluckte<br />
zwar, verzichtete jedoch darauf<br />
und forderte mich auf, fortzufahren.<br />
»Alalu-Esh-Trona entstammt den<br />
Klans von Alalu und Esh. Es liegt an<br />
euch, einmal festzustellen, ob<br />
bereits einige Versuche zur Machtübernahme<br />
stattgefunden haben.<br />
Das Einzige, was Alalu-Esh-Trona<br />
mit Anu-Esh-Varu verbindet, sind<br />
die weiblichen Bindeglieder der<br />
Klans. Beide Klans benutzten die<br />
weiblichen Angehörigen der Esh-<br />
Sippe zur Kopulation, um die Herrscherfolge<br />
intakt zu halten. Diese<br />
Esh-Verbindung scheint jedoch für<br />
Alalu-Esh-Trona nicht viel zu<br />
bedeuten.«<br />
»Er kam erst vor etwa zwei<br />
Monaten an Bord und hatte bisher<br />
gute Arbeit geleistet«, antwortete<br />
mir Max schnell.<br />
»Danke für den Hinweis. Das<br />
bestätigt meine Annahme, dass<br />
Alalu-Esh-Trona auf eurem Schiff<br />
eingeschleust wurde, um Anu-Esh-<br />
Varu zu beseitigen. Uns ist nur<br />
nicht bekannt, wie viele Komplizen<br />
dabei mitgewirkt haben und wann<br />
diese auf dem Mutterschiff eintrafen.<br />
Das passierte bestimmt nicht<br />
zum gleichen Zeitpunkt. Die Anzahl<br />
der potentiellen Attentäter und<br />
Mitläufer ist uns auch nicht<br />
bekannt. Wichtig ist, dass fünf<br />
Mitglieder des Zwölferrates als<br />
Besatzungsmitglieder gelten!<br />
Durch die Eliminierung von Anu-<br />
Esh-Varu und konsequenterweise<br />
dem Rest der anwesenden Ratsmitglieder<br />
auf dem Mutterschiff<br />
müssen fünf neue Positionen im<br />
Zwölferrat besetzt werden. Es entzieht<br />
sich meiner Kenntnis, ob sich<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
auf anderen Schiffen ebenfalls<br />
Mitglieder des Zwölferrates aufhalten<br />
und wie viele von ihnen<br />
bereits beseitigt wurden. Hypothetisch<br />
betrachtet, bleibt dann vom<br />
alten Zwölferrat nicht viel übrig. Es<br />
ist auch bestimmt für Alalu-Esh-<br />
Varus Hintermänner nicht erforderlich,<br />
alle Ratsmitglieder zu<br />
beseitigen, da es bestimmt einige<br />
Sympathisanten gibt.«<br />
Max war blass geworden, als er<br />
meine letzten Worte vernommen<br />
hatte. Marush knirschte mit den<br />
Zähnen und hatte ein zorniges<br />
Funkeln in den ausdrucksvollen<br />
Augen. Ront starrte ausdruckslos<br />
die Decke der Zentrale an und<br />
Gum spielte nervös mit seinen<br />
Fingern auf seiner Konsole. Peter<br />
und Kevin verhielten sich ruhig<br />
und sahen gespannt in meine Richtung.<br />
»Das sind ja wahnsinnige<br />
Anschuldigungen!«, sagte Max<br />
gedehnt.<br />
»Ja, aber je mehr ich darüber<br />
nachdenke, desto leichter fällt es<br />
mir, ihm zu glauben«, meinte jetzt<br />
Marush zu meiner Verteidigung.<br />
»Wir behandeln unsere Untergebenen<br />
genauso, wie Mike es sagte.<br />
Wir fordern von ihnen absoluten<br />
Gehorsam und dulden keinen<br />
Widerspruch. Wir drohen ihnen<br />
immer mit Strafen und Konsequenzen.«<br />
»So schlimm ist es nun auch<br />
wieder nicht«, versuchte Ront die<br />
Situation zu entschärfen.
»Mit euch ist das etwas anderes.<br />
Wir sind uns durch die gefährlichen<br />
Einsätze über Jahre hinweg<br />
näher gekommen und haben die<br />
protokollarischen Mauern eingerissen.<br />
Das ist aber ein Ausnahmezustand,<br />
wie du weißt, Ront. Auf<br />
Nibiru musst du dich deshalb<br />
besonders vorsehen, damit du<br />
nicht auffällst.«<br />
»Du hast Recht, Marush«,<br />
bekannte Max. »Wenn jetzt der<br />
Alalu-Klan, die freiwerdenden<br />
Plätze des Rates durch eigene<br />
Leute besetzt, dann ist es nur eine<br />
Frage der Zeit, wann der derzeitige<br />
Herrscher abgelöst wird. Sei es<br />
durch eine Revolte oder durch den<br />
Beschluss des neuen Rates, der<br />
dann unter Kontrolle des alten<br />
Alalu-Klans wäre.«<br />
»Gut, dann hast du also kapiert,<br />
dass die Lawine durch einen vorgetäuschten<br />
Unfall von Anu-Esh-<br />
Varu ins Rollen gekommen ist«,<br />
sagte ich.<br />
»Das leuchtet mir ein. Es scheint<br />
alles einen Sinn zu ergeben.«<br />
»Ich hoffe nur, dass Lesra-Gum,<br />
der beste Waffentechniker des<br />
Universums ist. Ich erwarte<br />
Schwierigkeiten.«<br />
»Darauf kannst du dich verlassen!<br />
Er ist der Beste!«, bestätigte<br />
Ront verweisend.<br />
»Entschuldige bitte, Ront. Ich<br />
hatte es nicht abwertend<br />
gemeint.«<br />
»Versteh’ schon.«<br />
»Der Umstand, dass Peter, Kevin<br />
und ich auf dem Mutterschiff<br />
waren, kam dem Kommandanten<br />
dabei sehr zustatten. Der Anschiss,<br />
den er uns in der Zentrale verpasste,<br />
war reine Schauspielerei.<br />
Er wusste zu dem Zeitpunkt ganz<br />
genau, wer wir sind. Er wird wahrscheinlich<br />
versuchen, uns abzuschießen<br />
und die<br />
Space-War-Verteidigung der Amerikaner<br />
dafür verantwortlich<br />
machen. Er hat uns damit vom<br />
Hals und kann uns als undankbare<br />
Verräter hinstellen, die es aber<br />
beim Anflug auf die Erde erwischt<br />
hat. Da nun dabei zwei Mitglieder<br />
des alten Zwölferrates umgekommen<br />
sind, hat er einen triftigen<br />
Grund, den neuen Rat dazu zu<br />
bewegen, eine Strafexpedition<br />
auszuschicken, um gleichzeitig<br />
einen Rohstoffplaneten zu besetzen.«<br />
»Die Erde ist für eine Neubesiedlung<br />
durch Anunnaki tabu!«,<br />
belehrte mich Max.<br />
»Das mag schon sein, aber wenn<br />
sein Klan an der Macht ist, kann er<br />
bestimmt seine Verwandten dazu<br />
überreden, die Gesetze zu ändern.<br />
Er bräuchte nicht einmal einen<br />
Schuss abzugeben. Er braucht nur<br />
zu landen und sich als den einzigen<br />
und omnipotenten Gott auszugeben.<br />
Ihm stehen genügend Machtmittel<br />
zur Verfügung, um ein<br />
dramatisches Schauspiel ablaufen<br />
zu lassen. Unsere gemeinsame<br />
Geschichte, die sich in unseren<br />
Religionen widerspiegelt, käme<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
ihm dabei sehr gelegen. Die Christen<br />
und Juden warten auf einen<br />
Messias, der mit Feuer, Schwefel<br />
und Schwert das Jüngste Gericht<br />
einläutet, um sie danach ins Paradies<br />
oder ins ewige Königreich zu<br />
geleiten. Wenn er nun auch noch<br />
über die apokalyptischen Visionen<br />
informiert ist, dann besitzt er eine<br />
Regieanweisung, wie er sie sich<br />
besser nicht wünschen könnte. Es<br />
wird danach aber zu einem<br />
Problem kommen. Die Erdbevölkerung<br />
wird nach einiger Zeit herausfinden,<br />
dass das alles Lug und Trug<br />
war und wird dann dazu übergehen,<br />
die Alulukies, wie ich sie<br />
einmal nennen möchte, zu<br />
bekämpfen. Sie werden sich in den<br />
Besitz eurer Technologie bringen<br />
und dann auf die Suche nach<br />
Nibiru machen. Den Rest könnt ihr<br />
euch denken. Nibiru wird danach<br />
als ein Haufen Trümmer der galaktischen<br />
Gravitation folgen. Eure<br />
Zivilisation ist dann Geschichte!«<br />
»Jetzt baust du aber apokalyptische<br />
Visionen auf, Mike«, entrüstete<br />
sich Kevin.<br />
»Wenn ich Unrecht haben sollte,<br />
waren meine Ausführungen nur<br />
eine Ausgeburt meiner Phantasie.<br />
Sollte ich aber Recht behalten,<br />
dann vermerke es im galaktischen<br />
Kalender! Alles Weitere überlasse<br />
ich jetzt Max und Marush.«<br />
»Du bringst uns in eine verzwickte<br />
Lage«, sagte Max. »Wenn<br />
du Recht hast, dann müssen wir<br />
etwas unternehmen. Hast du aber<br />
Unrecht, dann haben Marush und
ich uns vor dem Rat für unsere<br />
Maßnahmen zu verantworten.«<br />
»Jetzt braucht man Mut zur<br />
Lücke«, streute Peter ein.<br />
Mehr als eine Stunde war vergangen,<br />
seitdem wir zum letzten<br />
Male mit dem Mutterschiff<br />
Kontakt gehabt hatten.<br />
»Was meinst du, Max?«, fragte<br />
Marush. »Sollen wir zum Mutterschiff<br />
zurückkehren?«<br />
Er wurde einer Antwort enthoben,<br />
denn plötzlich schlugen die<br />
Ortungsanlagen an. Ein wahres<br />
Getöse von Glocken und zirpenden<br />
Tönen erfüllte die Zentrale. Lesra-<br />
Gum las die Daten von den Bildschirmen<br />
ab und sagte, nachdem<br />
er die akustischen Alarme abgestellt<br />
hatte: »Es nähert sich uns ein<br />
Shem vom Mutterschiff, mit hoher<br />
Geschwindigkeit! Wir befinden<br />
uns bereits in der Ortung ihrer<br />
Waffensysteme. Hier, ganz klar zu<br />
erkennen!« Er deutete dabei auf<br />
eine pulsierende Bildschirmdarstellung.<br />
»Die Schlächter sind auf dem<br />
Weg!«, orakelte ich. »Das sollte<br />
deine Gewissensbisse beseitigen.«<br />
Max nickte kurz.<br />
»Langsam Fahrt aufnehmen,<br />
Ront. Fürs Erste außerhalb der<br />
Waffenreichweite des anderen<br />
Shem bleiben!«, befahl Max.<br />
Ront flitzte zur Steuerkonsole<br />
des Shems und erhöhte die<br />
Geschwindigkeit.<br />
Peter, Kevin und ich starrten<br />
gebannt auf die Bildschirme. Der<br />
andere Shem war eindeutig<br />
erkennbar.<br />
»VORSCHLAG!«, sprach ich Max<br />
laut an.<br />
Da er mir den Rücken zukehrte,<br />
winkte er mir mit einer Hand auffordernd<br />
zu.<br />
»Versuche, den anderen Shem<br />
zur erdabgewandten Seite unseres<br />
Mondes zu locken, dann den Shem<br />
vernichten und gerade bevor du<br />
über den oberen Pol des Mondes<br />
fliegst, erzeugst du eine Scheinexplosion<br />
auf der Mondoberfläche.<br />
Danach müssen wir sofort landen<br />
und alle Systeme abschalten, die<br />
nichts mit der Lebenserhaltung zu<br />
tun haben.«<br />
»Ich hatte so etwas Ähnliches<br />
vor. Danke für deinen Vorschlag.<br />
Es behagt mir jedoch nicht, meine<br />
eigenen Leute zu vernichten.«<br />
»Daran zweifele ich nicht. Die<br />
Leute, die sich in dem angreifenden<br />
Shem befinden, scheinen<br />
jedoch in dieser Beziehung keine<br />
Skrupel zu kennen. Sie befolgen<br />
Befehle! Es ist wichtig, dass die<br />
Scheinexplosion auf der Rückseite<br />
des Mondes erfolgt, damit sie von<br />
der Erde nicht angemessen<br />
werden kann. Es entsteht außerdem<br />
auf dem Mutterschiff der<br />
Eindruck, dass wir erledigt<br />
wurden. Sie werden sich nicht die<br />
Mühe machen, nach uns zu<br />
suchen, da sie an Überlebenden<br />
nicht interessiert sind. Die Kälte<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
und lebensfeindlichen Bedingungen<br />
des Weltraumes würden<br />
uns so oder so den Rest geben. Die<br />
Vernichtung des verfolgenden<br />
Schiffes wurde dabei von Alalu-<br />
Esh-Trona mit ins Kalkül gezogen<br />
und er ist damit ein paar Zeugen<br />
los, um die er sich sonst zu einem<br />
späteren Zeitpunkt würde<br />
kümmern müssen.«<br />
Marush rannte plötzlich in den<br />
Transporterraum. Als sie zurückkehrte,<br />
grinste sie teuflisch hübsch<br />
mit einem schelmischen Ausdruck<br />
in den Augen.<br />
»Ich habe den Transporter vorläufig<br />
lahm gelegt, damit wir keine<br />
ungebetenen Gäste erhalten und<br />
unsere Streufrequenzen nicht<br />
mehr angemessen werden können.«<br />
»Gut gemacht, Marush«, sagte<br />
Max, »aber etwas zu früh. Schalte<br />
ihn wieder ein und erst dann aus,<br />
wenn wir theoretisch erledigt sein<br />
sollen. Bleibe im Transporterraum,<br />
um ungebetene Gäste gebührend<br />
zu empfangen! Sie können auf<br />
dem Mutterschiff darauf aufmerksam<br />
werden, wenn unsere Synchronfrequenz<br />
zu früh<br />
verschwindet. Ich gehe mit dir jede<br />
Wette ein, dass sie uns sehr genau<br />
beobachten. Mach schnell!«<br />
Sie rannte wieder zurück und<br />
schaltete den Transmitter wieder<br />
ein.<br />
»VERFOLGER-Shem HOLT AUF!<br />
Die haben einen besseren Antrieb<br />
als wir!«, rief Ront.
»Es ist nicht mehr weit bis zum<br />
Mond. Ruhe bewahren!«<br />
»Defensivschirme werden auf<br />
dem anderen Schiff aufgebaut. Die<br />
meinen es ernst!«, meldete jetzt<br />
Lesra-Gum leicht erregt.<br />
»Unsere Schirme hochschalten!<br />
Sind die Waffen einsatzbereit,<br />
Gum?«<br />
»Natürlich.«<br />
»Die Defensiv- und Offensivwaffen<br />
sind auf beiden Shems in etwa<br />
gleich stark«, erläuterte Max. »Wir<br />
haben jedoch einen kleinen Vorteil.<br />
Wenn sie auf uns schießen,<br />
müssen sie auf ein Ziel schießen,<br />
das sich von ihnen entfernt, das<br />
wiederum verringert ihre Waffenwirkung.<br />
Wir hingegen schießen<br />
auf ein kommendes Ziel und die<br />
Aufprallenergie ist fast doppelt so<br />
hoch wie bei einem stationären<br />
Ziel. Sie stoßen direkt mit unserer<br />
Waffenwirkung zusammen. Die<br />
auftretende kinetische Energie<br />
sollte ausreichen, ihre Schirme zu<br />
knacken. Wir müssen nur dafür<br />
sorgen, dass wir in gerader Linie<br />
vor ihnen herfliegen, um ihnen<br />
keine Chance für ein Sperrfeuer zu<br />
geben. Ront, pass’ also auf, damit<br />
du ihnen keine brauchbaren Zielvektoren<br />
lieferst.«<br />
Wir kamen dem Mond nun nahe<br />
genug, um unseren Plan in die Tat<br />
umzusetzen. Ront verzögerte nur<br />
kurz und ließ den anderen Shem in<br />
unsere Waffenreichweite gelangen.<br />
Das Feuer wurde auch sofort<br />
auf uns eröffnet. Als ihre Energie<br />
in unsere vollbelasteten Schirme<br />
krachte, hörten wir das Knistern<br />
der elektrischen Entladungen. Der<br />
Tod griff in dramatischer Weise<br />
nach uns. Ront stöhnte unterdrückt<br />
und Kevin sandte ein Stoßgebet<br />
zur Decke der Zentrale. Er<br />
war kalkweiß im Gesicht. Zuvor<br />
hatte Ront einige Aggregate abgeschaltet,<br />
um mehr Energie für die<br />
Schirme zur Verfügung zu haben.<br />
Das war wohl auch unser Glück!<br />
Gum erwiderte das Feuer mit<br />
einem Salventakt von drei Doppelschüssen.<br />
Wie erwartet, durchdrang<br />
die erste Schussserie die<br />
Schirme des anderen Shems, die<br />
zwei weiteren Serien brachten es<br />
zur Explosion. Es war ein schauerlich<br />
faszinierender Anblick, wie<br />
sich hinter uns geräuschlos ein<br />
Feuerball aufblähte, um fünf<br />
Sekunden später wieder zu verblassen.<br />
Wie abgesprochen schoss<br />
Gum eine Ladung auf die Mondoberfläche<br />
ab und erzeugte einen<br />
zwei Kilometer durchmessenden<br />
Magmakrater.<br />
»TRANSMITTER AUS!«, rief Max<br />
scharf, währenddessen Gum wie<br />
ein Wahnsinniger über den oberen<br />
Mondpol flog und das Schiff herunterdrückte,<br />
um zu landen. Er<br />
landete in einem der vielen Mondkrater.<br />
»ENERGIEVERSORGUNG AUF<br />
CHEMISCHE BASIS UMSCHALTEN,<br />
BEEILUNG! Nur Lebenserhaltungssysteme<br />
und Notbeleuchtung,<br />
dazu die passive Ortung einschalten,<br />
aufpassen!«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Nun fing das Warten an. Marush<br />
war in die Zentrale gekommen. Sie<br />
setzte sich vornübergebeugt in<br />
einen Sessel und hatte ihre Hände<br />
zwischen ihre Knie geklemmt. Sie<br />
zitterte leicht. Wir anderen sahen<br />
uns aus schweißüberströmten<br />
Gesichtern gedankenverloren an.<br />
»Schwein muss der Mensch<br />
haben«, bemerkte Peter nach<br />
einer Weile, tief einatmend.<br />
»Sie suchen uns. Ich empfange<br />
ihre Ortungsstreustrahlungen, die<br />
aber an Intensität schwächer werden«,<br />
meldete Gum leise.<br />
»Gutes Zeichen. Wir setzen eine<br />
optische Sonde aus, deren Antrieb<br />
auf chemischer Basis arbeitet. Sie<br />
soll passiv von der Mondnachtseite<br />
orten.«<br />
Das geschah dann auch. Die<br />
optische Aufklärung war so hervorragend,<br />
dass wir das Mutterschiff<br />
über diese riesige Entfernung, als<br />
winzigen Punkt ausmachen konnten.<br />
Das große Schiff hatte sich aus<br />
der Jupiterumlaufbahn gelöst und<br />
bewegte sich in Richtung der Plutobahn<br />
aus dem Sonnensystem<br />
heraus.<br />
»Sie verschwinden und werden<br />
sich auf den Rückweg nach Nibiru<br />
machen. In der Zwischenzeit legen<br />
sie sich eine glaubwürdige, jedoch<br />
verlogene Geschichte zurecht«,<br />
bemerkte Max betrübt.<br />
»Das brauchen sie gar nicht«,<br />
korrigierte ich ihn. »Wenn unser<br />
vermeintliches Ableben mit ihrem<br />
Umsturzplan zusammenhängt,
sind die Proklamationen bereits<br />
vorbereitet. Sie müssen bei der<br />
Besatzung des Mutterschiffes<br />
durch geschickte Propaganda<br />
dafür sorgen, dass wir Terrestrier<br />
an eurem Ableben die Schuld<br />
tragen. So einfach.«<br />
»Ja, so einfach. Einfach, zu einfach«,<br />
ergänzte Peter bedrückt.<br />
»Jupp!«<br />
»Wir wollen nur hoffen, dass die<br />
Energieausbrüche, die hinter dem<br />
Mond stattgefunden haben, nicht<br />
auf der Erde angemessen worden<br />
sind«, bemerkte jetzt Kevin.<br />
»Das hätte keine sofortigen Konsequenzen,<br />
da man auf der Erde<br />
nicht in der Lage ist, eine sofortige<br />
Untersuchung vor Ort einzuleiten.<br />
Es würde Monate dauern, bis ein<br />
irdisches Raumschiff startklar ist«,<br />
erwiderte Peter.<br />
»Unterschätze die Amis und die<br />
Russen nicht! Die können eins und<br />
eins zusammenzählen und dann<br />
wird es auf Cape Caneveral und in<br />
Baikanur verdammt hektisch werden«,<br />
antwortete ich.<br />
»Abwarten und Tee trinken«,<br />
bemerkte Kevin.<br />
»Apropos Tee trinken. Ich verspüre<br />
Hunger. Wir sollten etwas<br />
essen oder so«, meinte Peter und<br />
deutete mit seinem rechten Zeigefinger<br />
auf seinen Magen und<br />
Mund.<br />
»Gute Idee, ich könnte einen<br />
Shalag zubereiten. Hat jemand<br />
Interesse?«, fragte uns Marush.<br />
Begeistert stimmten wir zu.<br />
Kevin nickte wie ein Irrer, was uns<br />
zu einem Heiterkeitsausbruch veranlasste.<br />
Max brach die Konzentratsnahrungsmittel<br />
auf und<br />
verteilte sie an die Anwesenden.<br />
Er hatte recht gehabt. Der<br />
Geschmack der Verpflegung war<br />
mit der Kost auf dem Mutterschiff<br />
wirklich nicht vergleichbar.<br />
»Es wird Zeit, dass wir wieder zur<br />
Erde gelangen, damit wir etwas<br />
Vernünftiges zu mampfen bekommen«,<br />
stichelte ich wieder.<br />
Kevin und Peter nickten kauend<br />
und zustimmend in meine Richtung.<br />
Unsere Anunnakifreunde<br />
trugen es mit Gelassenheit. Max<br />
meinte nur: »Du hast immer etwas<br />
am Essen auszusetzen. Stimmt’s?«<br />
»Wenn der Soldat nicht übers<br />
Essen meckert, dann ist er krank.<br />
Meckern stärkt die Kampfmoral<br />
und dient als Stressventil.«<br />
»Essen und Trinken hält Leib und<br />
Seele zusammen«, gab Peter mit<br />
erhobenem Zeigefinger und intelligenter<br />
Miene ebenfalls seinen<br />
Senf dazu.<br />
Nachdem wir mit unserem<br />
‚Gelage’ fertig waren, ging Max zur<br />
Kommunikationsnische und nahm<br />
Verbindung mit seinem Shem auf.<br />
Er benutzte einen Nahbereichssender,<br />
der nur eine Reichweite<br />
von wenigen hunderttausend Kilometern<br />
hatte. Er kündigte an, dass<br />
wir in ein Beiboot umsteigen und<br />
uns im Tiefflug nähern würden, um<br />
dann übernommen zu werden. Er<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
wollte den Transporter noch nicht<br />
einsetzen, da der Abstrahlimpuls<br />
vom Mutterschiff bemerkt worden<br />
wäre. Man hätte sofort an der<br />
spezifischen Identifizierungssymbolik<br />
erkannt, dass der zerstört<br />
geglaubte Transmitter wieder<br />
arbeitete. Das wissenschaftliche<br />
Shem wurde so abgesichert, dass<br />
nur Leute mit unserem genetischen<br />
Code das Schiff betreten<br />
konnten, ansonsten würde es sich<br />
selbst zerstören. Im Konturflug<br />
rasten wir über die Mondoberfläche<br />
dem Shem von Max entgegen.<br />
Ront steuerte das Boot in manueller<br />
Steuerung. Kleine Schweißperlen<br />
standen ihm dabei auf der<br />
Stirn. Er steuerte das Boot jedoch<br />
ruhig und konzentriert. Draußen<br />
herrschte eine gleißende Helligkeit,<br />
von der wir im Inneren des<br />
Bootes aber nichts verspürten,<br />
weil starke Lichtfilter vor die Aufnahmeobjektive<br />
und Fenster vorgeschaltet<br />
waren. Die Schattenund<br />
Lichteindrücke waren überwältigend,<br />
da keine Atmosphäre<br />
den Blick trüben konnte. Die Lichtund<br />
Schattengrenzen waren wie<br />
mit einem feinen Messer geschnitten.<br />
Nach etwa einer Dreiviertelstunde<br />
erreichten wir seinen<br />
Shem. Wir wurden ohne Verzögerung<br />
aufgenommen. Ein Frachtraum<br />
musste als Erstes als Hangar<br />
genügen. Das Boot wurde verzurrt<br />
und verkeilt. Wie ich bemerken<br />
konnte, war dieser Shem ebenfalls<br />
auf chemische Energieversorgung<br />
umgestellt worden. Man hatte hier<br />
also mitgedacht!
Wir wurden mit Hallo von der<br />
Besatzung empfangen. Marush<br />
und mir fiel sofort auf, dass Max<br />
von Nana-Es-Runsh besonders<br />
herzlich begrüßt wurde. Sie<br />
umarmte ihn und gab im einen<br />
Kuss auf die linke und rechte<br />
Wange. Leichte Spuren von ihrem<br />
Lippenstift blieben dabei auf<br />
seinen Wangen zurück. Marush<br />
sah, dass ich den Lippenstiftabdruck<br />
ebenfalls bemerkt hatte. Sie<br />
sah mich lächelnd mit ihren durchdringenden<br />
Augen an und zuckte<br />
nur leicht mit den Schultern. Sie<br />
musste diese Bewegung von uns<br />
abgeguckt haben, weil die Anunnakies<br />
diese Geste nicht kannten.<br />
Max erwiderte die Umarmung von<br />
Nana-Es-Runsh, obwohl er dabei<br />
etwas Linkisch wirkte. Jedem von<br />
uns war klar, dass er sehr froh war,<br />
sie wiederzusehen.<br />
»¡Hay el amor!«, meinte ich<br />
zynisch auf Spanisch.<br />
»Yo creo que van hacer una<br />
buena pareja«, entgegnete mir<br />
Peter in typischem mexikanischen<br />
Dialekt. Er grinste dabei breit,<br />
wobei uns die anderen verwundert<br />
ansahen, weil sie kein Wort<br />
verstanden hatten und über<br />
unsere Fröhlichkeit erstaunt<br />
waren. Es würde aber wohl nicht<br />
lange dauern, bis der Rechner eine<br />
Übersetzung bereit hatte.<br />
»Was habt ihr da schon wieder<br />
zu bemerken?«, fragte Max.<br />
»Vergiss es, war nicht so wichtig«,<br />
erwiderte ich lächelnd. »Erin-<br />
nere mich nur bitte daran, dass ich<br />
ein paar kussechte Lippenstifte für<br />
eure bezaubernden weiblichen<br />
Besatzungsmitglieder besorge,<br />
sobald wir wieder auf der Erde<br />
sind.«<br />
Max errötete leicht und wir<br />
brachen in ein tosendes Gelächter<br />
aus. Er war jedoch nicht beleidigt<br />
und lachte mit uns. Wir setzten<br />
uns und Max berichtete über das<br />
Vorgefallene. Er versuchte klar zu<br />
machen, wie wir zu dem Schluss<br />
gekommen waren, dass Alalu-Esh-<br />
Trona ein Attentat auf Anu-Esh-<br />
Varu verübt hatte. Seine Erläuterungen<br />
wurden mit Bestürzung<br />
aufgenommen.<br />
»Wie wollen wir weiter vorgehen?«,<br />
fragte ich Max.<br />
»Ich würde vorschlagen, dass wir<br />
euch erst einmal zur Erde zurückbringen.<br />
Wir werden dann den<br />
Shem aus der Grotte nehmen und<br />
nach Nibiru zurückfliegen. Wir<br />
werden dort versuchen, den<br />
Zwölferrat oder was von ihm übrig<br />
geblieben ist zu warnen und über<br />
die Umstände aufklären. Dabei<br />
müssen wir sehr vorsichtig vorgehen,<br />
um keinen Verdacht zu erregen.<br />
Das ist auch der Grund,<br />
warum wir den Shem von der<br />
Grotte verwenden werden. Das<br />
Erkennungssymbol dieses Schiffes<br />
kann nicht mit uns in Zusammenhang<br />
gebracht werden. Ich muss<br />
jedoch den Kommandanten dieses<br />
Shems davon überzeugen, uns auf<br />
unserer Mission zu begleiten«,<br />
erklärte er.<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Das ist eine gute Idee, obwohl<br />
ich gerne mitgekommen wäre.«<br />
»Diese Angelegenheit geht euch<br />
nichts an, obwohl ihr beinahe euer<br />
Leben eingebüßt hättet. Wir<br />
müssen diese Sache selbst regeln.«<br />
»OK.«<br />
Peter und Kevin stimmten ebenfalls<br />
zu.<br />
»Behalten wir die Kommunikatoren?«,<br />
fragte Kevin.<br />
»Natürlich, wenn alles geregelt<br />
ist, werden wir wieder Verbindung<br />
mit euch aufnehmen«, warf<br />
Marush schnell ein. Max nickte nur.<br />
»Ich habe da noch eine Bitte,<br />
Max«, warf ich schnell ein. »Wir<br />
haben auf euren Schiffen einige<br />
fotografische Aufnahmen<br />
gemacht, die wir eigentlich als<br />
Andenken behalten wollten. Es ist<br />
aber im allgemeinen Interesse<br />
besser, wenn wir diese Aufnahmen<br />
bei euch zurücklassen. Da<br />
diese Bilder in einem Labor entwickelt<br />
werden müssen, besteht die<br />
Gefahr, dass einige Bilder extra<br />
angefertigt werden, von denen wir<br />
nichts wissen. Aufgrund der ‚Ufomanie’<br />
könnten indiskrete Leute<br />
mit diesen Bildern eine Menge<br />
Geld verdienen, dabei aber einen<br />
großen Schaden anrichten. Es<br />
würde nicht lange dauern, bis das<br />
FBI der USA und die CSIS von<br />
Kanada davon erfahren würde.<br />
Das könnte unser Leben gefährden,<br />
außerdem wäre es dann mit<br />
eurer Anonymität vorbei und man<br />
würde weltweit Jagd auf euch
machen. Was wir in unserem<br />
Gedächtnis haben, kann uns keiner<br />
nehmen. Wir müssen fast ebenso<br />
vorsichtig sein, wie ihr auf Nibiru,<br />
außerdem wissen wir nicht, ob<br />
Joe-Kojote den Mund gehalten<br />
hat. Wenn man kein Fotomaterial<br />
bei uns findet, dann muss man uns<br />
erst einmal laufen lassen. Ich<br />
rechne aber damit, beschattet zu<br />
werden. Das heißt auch, dass wir<br />
unser Fahrzeug dekontaminieren<br />
müssen, damit keine Rückschlüsse<br />
über die Gegend, in der wir uns<br />
befanden, gemacht werden<br />
können. Wir müssen also den Bully<br />
picobello sauber machen und Erdklumpen<br />
sowie tote Insekten entfernen,<br />
die unseren Aufenthaltsort<br />
verraten könnten.«<br />
»Jetzt geht aber der Gaul mit dir<br />
durch«, zweifelte Kevin an<br />
meinem Verstand.<br />
»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«,<br />
bestätigte Peter.<br />
Plötzlich stand Peter auf, öffnete<br />
die Kameras und nahm die Filme<br />
heraus. Er kramte sein Taschenmesser<br />
hervor und machte sich<br />
daran, die Filmbehälter zu öffnen.<br />
Dann zog er langsam die Filme aus<br />
den Behältern und legte sie unter<br />
eine helle Beleuchtungsleiste. Er<br />
verfuhr ebenso mit den bereits<br />
belichteten Filmen.<br />
»So! Da die Filme lichtempfindlich<br />
sind, brauchen Max und wir<br />
uns keine Gedanken mehr über<br />
den Inhalt der Filmrollen machen.<br />
Die Filme sind jetzt im Arsch!« Er<br />
sagte es mit stoischer Ruhe und<br />
hochgezogenen Augenbrauen.<br />
Danach setzte er sich wieder und<br />
tat so, als wenn nichts geschehen<br />
wäre.<br />
»Ganz schön frech, aber die<br />
beste Lösung für uns alle«, spielte<br />
ich den Beleidigten.<br />
Marush zuckte leicht mit den<br />
Schultern. Die anderen verloren<br />
kein Wort über Peters Maßnahme.<br />
»Wir werden euch dann wieder<br />
zur Erde zurück bringen. Danach<br />
werden wir uns um Alahu-Esh-<br />
Trona kümmern müssen«, nahm<br />
Max die Besprechung wieder auf.<br />
»Ich schlage vor, wieder das<br />
kleine Beiboot zu benutzen, um<br />
unseren Transporter nicht in<br />
Anspruch nehmen zu müssen. Es<br />
könnte Verdacht erregen, wenn<br />
unser Schiff plötzlich aktiv wird«,<br />
sagte Ront.<br />
»Daran habe ich auch gedacht.<br />
Wir können ohne Mühe die Raumüberwachung<br />
der Erde täuschen<br />
und hätten von dieser Seite her<br />
nichts zu befürchten. Wir können<br />
dann den Transporter des auf der<br />
Erde befindlichen Shems benutzen.<br />
Das ist unauffällig. Ich muss<br />
so oder so mit dem Kommandanten<br />
der Expedition, die sich auf<br />
der Erde befindet, Kontakt aufnehmen,<br />
um ihn über die Verhältnisse<br />
aufzuklären. Sie werden bestimmt<br />
bemerkt haben, dass sich etwas<br />
Außergewöhnliches im Sonnensystem<br />
zugetragen hat.«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Also, wann soll es losgehen?«,<br />
fragte Kevin, der es kaum noch<br />
erwarten konnte, wieder nach<br />
‚unten’ zu gelangen.<br />
»Wir können sofort aufbrechen,<br />
nachdem ich mit dem Kommandanten<br />
der Expeditionsgruppe<br />
gesprochen habe. Marush und<br />
Ront kommen ebenfalls mit.«<br />
Max entfernte sich und wir bereiteten<br />
uns auf den Rückflug vor.<br />
Wir stiegen also in das Beiboot um<br />
und rasten zur Erde. Ront steuerte<br />
souverän das Fahrzeug, wobei er<br />
es unterließ, mit hoher Fahrt in die<br />
Atmosphäre einzutauchen. Er<br />
wollte vermeiden, einen Kometenschweif<br />
zu erzeugen, den man<br />
weithin hätte sehen können. Das<br />
Übrige taten die Prallfelder, die<br />
sich automatisch so einstellten,<br />
dass sie mit den Luftmolekülen<br />
keine extreme Reibung hervorriefen.<br />
Gleichzeitig beseitigten sie die<br />
Effekte der Photonenemission, die<br />
man sonst als Lichtenergie erkennen<br />
konnte. Über Kondensstreifen<br />
brauchten wir uns ebenfalls keine<br />
Gedanken machen, weil wir keine<br />
heißen Gase ausschieden, die sich<br />
dann als Frost in den oberen<br />
Schichten der Atmosphäre<br />
bemerkbar machen würden. Max<br />
hatte uns mitgeteilt, dass unser<br />
Bully bereits dekontaminiert<br />
worden war. Das erklärte auch<br />
sein Lächeln, als ich das Problem<br />
der Dekontamination angesprochen<br />
hatte. Die Shem-Besatzung<br />
hatte es jedoch aus anderen<br />
Gründen getan. Sie wollten ver
meiden, dass sich Mikroorganismen<br />
auf ihrem Schiff breit<br />
machten und dort verrückt<br />
spielten, also eine reine Selbstschutzmaßnahme.<br />
Dieses kam uns<br />
natürlich jetzt sehr gelegen. Wir<br />
schwebten nur eine kurze Zeit<br />
über unserem alten Lagerplatz und<br />
nahmen die Kühltaschen und hinterlassenen<br />
Sachen mit. Der Platz<br />
wurde dann gesäubert und alle<br />
Spuren unserer Anwesenheit verwischt.<br />
In der Nähe von Albuquerque<br />
wurden wir dann abgesetzt.<br />
Der vorläufige Abschied war kurz<br />
aber herzlich. Wir schüttelten uns<br />
nach terrestrischer Art die Hände<br />
und Marush gab mir einen unerwarteten<br />
Kuss auf dem Mund.<br />
»Oh, lá, lá! Die intergalaktischen<br />
Beziehungen tragen bereits reiche<br />
Früchte«, spöttelte Peter.<br />
Kevin grinste über beide Ohren,<br />
wobei mir die Schamröte ins<br />
Gesicht schoss. Marush hatte mich<br />
lieb gewonnen, daran bestand<br />
kein Zweifel. Ich hätte gelogen,<br />
wenn ich von mir etwas anderes<br />
behauptet hätte. So ist nun einmal<br />
das Leben. Ich konnte nur hoffen,<br />
dass meine Maria nichts von<br />
diesem intergalaktischen Kuss<br />
erfuhr. Mexikanerinnen können da<br />
mitunter recht seltsam reagieren.<br />
»Nachdem wir alles geregelt<br />
haben, werden wir uns dann in<br />
Kanada wiedersehen«, sagte Max.<br />
»Ich überlasse es euch, ob ihr mit<br />
anderen Menschen über eure<br />
Erlebnisse sprechen wollt. Ich<br />
würde euch allerdings davon abraten,<br />
da man die Reaktionen darauf<br />
immer schlecht einschätzen kann.«<br />
Als er das sagte, fiel mir sofort<br />
die Namen Erich von Däniken und<br />
Reinhard Habeck ein. Ich verwarf<br />
den Gedanken jedoch wieder. Es<br />
war jetzt noch nicht der richtige<br />
Zeitpunkt dazu.<br />
»Zu eurer Beruhigung«, fuhr Max<br />
fort, »werden wir noch in El Moro<br />
bei Joe-Kojote vorbeisehen. Es<br />
wäre für uns alle nützlich herauszufinden,<br />
ob er vielleicht bereits<br />
geredet hat. In jeder Hinsicht<br />
werden wir dafür sorgen, dass die<br />
Erinnerung an euch und an die<br />
Grotte bei ihm gelöscht wird. Er<br />
wird davon nichts merken, weil es<br />
im Schlaf geschehen wird.«<br />
»Ich halte das für überflüssig«,<br />
erwiderte ich spontan. »Joe-Kojote<br />
ist ein alter Medizinmann, der<br />
mit den Geistern orakelt. Er würde<br />
bereits wissen, was ihr mit ihm<br />
vorhabt. Demzufolge wird er sich<br />
davor hüten, sein Wissen preiszugeben.<br />
Gebt ihm eine Chance. Er<br />
wird nichts sagen. Wir Terrestrier<br />
lieben es nicht besonders, wenn<br />
sich jemand in dieser Weise um<br />
uns kümmert. Sollte er dennoch<br />
reden, so wird es als Spinnerei<br />
eines alten Schamanen abgetan<br />
werden. Ich kann euch jedoch<br />
nicht davon abhalten. Ich wünsche<br />
euch viel Glück bei eurem Vorhaben<br />
auf Nibiru. Peter wird in Texas<br />
bleiben und Kevin und ich kehren<br />
in ein paar Wochen nach Kanada<br />
zurück. Mit den Kommunikatoren<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
können wir in steter Verbindung<br />
bleiben. Eine letzte Frage habe ich<br />
jedoch noch: Können wir auf die<br />
Unterstützung der Expeditionsgruppe<br />
rechnen, wenn wir in<br />
Schwierigkeiten geraten sollten?«<br />
»Ja. Der stellvertretende Kommandant,<br />
der den Namen ‚Rama-<br />
El-Natr’ trägt, wird eure Kommunikatoren<br />
überwachen. Er wird sich<br />
sofort mit euch in Verbindung<br />
setzen, sobald ihr ihm ein Notsignal<br />
sendet.«<br />
Sie begaben sich in ihr Boot und<br />
winkten noch kurz. Marush drehte<br />
sich noch einmal kurz um, bevor<br />
sie in der offenen Schleuse verschwand.<br />
Danach waren wir wieder<br />
allein. Es war bereits dunkel<br />
geworden und vor uns gleißten die<br />
Lichter von Albuquerque in der<br />
Ferne.<br />
Zurück nach El Paso<br />
»Lasst uns nach Hause fahren. In<br />
zweieinhalb Stunden sind wir dann<br />
wieder daheim«, schlug Peter vor.<br />
Wir begaben uns zum Bully, der<br />
an der Seite der Schotterstraße in<br />
Richtung nach Albuquerque abgestellt<br />
worden war.<br />
Bei der zweieinhalbstündigen<br />
Rückfahrt wurde kaum ein Wort<br />
gewechselt. Jeder hing seinen<br />
eigenen Gedanken nach. Es kam<br />
nun für uns der Moment der geistigen<br />
Verdauung. Wir hatten<br />
jedoch einen riesigen Trumpf in<br />
der Hand. Unsere Unterhaltungen
konnten wir später in Max’s<br />
Sprache führen und hatten dabei<br />
die Gewissheit, dass kein anderer<br />
Mensch auf der Erde uns verstehen<br />
würde. Als wir in El Paso ankamen,<br />
wurden wir von Lupe herzlich<br />
begrüßt.<br />
»Maria ist bereits nach Juarez<br />
weiter gefahren, Miguelito«,<br />
berichtete sie mir.<br />
Ich hatte nichts dagegen. Sie war<br />
bei ihrer Familie in Mexiko gut<br />
aufgehoben und konnte sich so<br />
ungestört dem ‚Dorfklatsch’<br />
widmen. Lupe wollte nun wissen,<br />
was wir so getrieben hatten. Peter<br />
erzählte ihr über Winnetou und<br />
Joe-Kojote. Er erwähnte jedoch<br />
nichts über unsere Begegnung mit<br />
Max. Sie gab sich mit seinen Erklärungen<br />
zufrieden und stellte keine<br />
weiteren Fragen.<br />
Tequila!<br />
»Pedrito, ich muss heute noch<br />
mit Josefina den Modekatalog<br />
besprechen. Ich bin in etwa einer<br />
Stunde wieder zurück«, sagte Lupe<br />
im Weggehen zu Peter.<br />
»Jetzt noch? Es ist schon 21<br />
Uhr!«, entgegnete Peter etwas<br />
überrascht.<br />
»Si, mi amor, wir müssen den<br />
Katalog zum Drucker bringen… tu<br />
sabes… wegen der Modemesse in<br />
Albuquerque in 2 Wochen.«<br />
Peter hatte es total vergessen.<br />
Manchmal ging es ihm auf den<br />
Geist, dass Lupe nebenbei ein Klei-<br />
dergeschäft für exotische Frauenbekleidung<br />
führte und daher des<br />
Öfteren außer Haus war. Da er so<br />
oder so nichts dagegen machen<br />
konnte, nickte er dann auch nur<br />
kurz und bemerkte: »Okay, aber<br />
bleib nicht zu lange weg, du musst<br />
morgen früh raus.«<br />
Nachdem Lupe das Haus verlassen<br />
hatte, lud Peter uns ein, in sein<br />
Studierzimmer zu gehen. Vorher<br />
holte er sich noch eine Flasche<br />
Tequila aus dem Kühlschrank und<br />
brachte ebenfalls ein paar kleingeschnittene<br />
Limonen und einen<br />
Salzstreuer mit. Kleine Schnapsgläser<br />
befanden sich auf einem Regal<br />
im Studierzimmer, die er nur kurz<br />
ausblies.<br />
»Staub muss ‘raus, den Rest desinfiziert<br />
der Tequila!«, bemerkte<br />
er trocken, als Kevin ihn verdutzt<br />
anstarrte.<br />
»Aha, Tequila Añejo, der geht<br />
glatt runter… wie geschmiert!«,<br />
bemerkte ich und setzte mich in<br />
einen der drei Korbsessel. In<br />
Gedanken schüttelte ich mich<br />
bereits.<br />
Kevin setzte sich ebenfalls und<br />
Peter schenkte ein. Zum Glück<br />
brauchten wir Kevin nicht auch<br />
noch zu erklären, wie man Tequila<br />
trinken musste, das hatte er schon<br />
bei mir zu Hause in Kanada gelernt.<br />
»¡Salud, dinero y amor!«, prostete<br />
er uns zu. »Was haltet ihr<br />
davon, wenn wir etwas Ana’kh<br />
üben? Da Lupe jetzt nicht da ist,<br />
passt das doch ganz gut oder?«<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
»Hab nix dagegen«, antwortete<br />
ich kurz in Max’s Sprache, was<br />
auch Kevin dazu nötigte, sich zu<br />
beteiligen. Für ihn war es etwas<br />
schwieriger als für Peter und mich,<br />
da die englische Sprache keinen<br />
‚ch’-Laut kannte.<br />
»Bevor wir weitermachen,<br />
kannst du mir noch einmal zeigen,<br />
wie man das ‚h’ am Ende besser<br />
ausspricht?«, fragte er mich.<br />
»Kein Problem, reine Konzentrationsübung«,<br />
ich überlegte einen<br />
Moment bevor ich fortfuhr, »du<br />
kennst aus dem amerikanischen<br />
Englisch einen ähnlichen Laut.<br />
Jedes Mal, wenn die Amis when,<br />
who, where und so weiter sagen,<br />
fügen sie immer einen ch-Laut an<br />
den Anfang des Wortes. Irgendwie<br />
hört sich das dann an wie chwenn,<br />
ch-hu und chwär, aber ganz<br />
dezent.«<br />
»Stimmt, fällt mir jetzt auch auf,<br />
da du es ansprichst«, bestätigte<br />
Kevin.<br />
»Wenn du immer daran denkst,<br />
dann fällt es dir leichter, Ana’kh zu<br />
sprechen. Also… es klingt nicht<br />
hart wie Anack, sondern mehr wie<br />
Ana’kch oder Aana’kchr, versuch<br />
mal«, forderte ich ihn auf.<br />
Kevin versuchte es einige Male<br />
und war kurze Zeit später in der<br />
Lage, auch andere Wörter relativ<br />
gut auszusprechen.<br />
»Das mit Anu-Esh-Varu ist so<br />
eine Sache«, begann ich nach<br />
seinen Sprachübungen die eigentliche<br />
Unterhaltung. »Wenn er jetzt
wirklich der Folgeherrscher<br />
gewesen ist, dann können wir nur<br />
hoffen, dass Max den Laden<br />
wieder in den Griff bekommt. Es<br />
wird schwer werden.«<br />
»Ja«, nickte Peter zustimmend,<br />
»hoffentlich schaffen sie es, die<br />
Ratsmitglieder zu warnen und den<br />
Umsturz zu verhindern.«<br />
»Irgendwie ist das alles Mist.<br />
Schon hat man neue, wichtige<br />
Freunde gewonnen, da fliegen sie<br />
auch schon wieder weg, um sich<br />
um interne Querelen zu kümmern«,<br />
fügte Kevin hinzu, der sich<br />
immer besser in dieser neuen Situation<br />
zurechtfand. »Für mich wäre<br />
es besser gewesen, mehr herauszufinden.<br />
Ich tappe immer noch<br />
etwas im Dunklen. Ihr versteht<br />
schon…«<br />
»Naja, wir können mit unseren<br />
Kommunikatoren auch Verbindung<br />
mit der Infiltrationsgruppe<br />
aufnehmen«, schlug ich vor. »Ob<br />
die sich allerdings so freizügig<br />
geben, ist fraglich.«<br />
»Keine gute Idee, finde ich«,<br />
entgegnete Peter. »Lasst uns erst<br />
einmal die ganze Sache verdauen.<br />
Wir brauchen selbst Zeit, nichts<br />
überstürzen oder schlafende<br />
Hunde wecken.«<br />
Wir wussten alle genau, wen er<br />
mit den Hunden meinte. Wir<br />
wären ein gefundenes Fressen für<br />
das FBI, CSIS, BND, MOSSAD, KGB<br />
und was es da sonst noch alles an<br />
Verdachtschöpfern gab. Ich<br />
konnte mir sogar eine Inquisition<br />
des Vatikans vorstellen – besonders<br />
von der Seite!<br />
Peter wechselte das Thema, er<br />
sah müde aus. Die Tequilaflasche<br />
war auch schon halb leer, aber das<br />
ging schnell bei drei Personen. Die<br />
ersten zwei Gläser waren so oder<br />
so nur zur Geschmacksgewöhnung<br />
gedacht. Ich musste bei Tequila<br />
immer vorsichtig sein, da mich das<br />
Gesöff meistens falsch erwischte<br />
und ich immer einen riesigen Kater<br />
am nächsten Tag hatte.<br />
»Es war sehr interessant, wie sie<br />
den Shem aus der Grotte geschippert<br />
haben«, wunderte sich Peter<br />
anscheinend immer noch.<br />
Er hatte Recht! Max hatte dem<br />
eigentlichen Kommandanten des<br />
Shems die Kontrolle über sein<br />
Schiff wieder übergeben und wir<br />
konnten sehen, wie der Shem<br />
langsam und behäbig die Grotte<br />
nach oben verließ. Der Kommandant,<br />
Akwar-El-Zont, löste vorher<br />
das Deckengewölbe auf, indem er<br />
ein Energiefeld deaktivierte,<br />
welches für lange Zeit das Schiff<br />
verborgen gehalten hatte, indem<br />
es die Umgebung künstlich aber<br />
naturgetreu reproduziert hatte.<br />
Das Abheben des Schiffes wurde<br />
von niemand beobachtet, weil es<br />
bereits dunkel war. Nachdem der<br />
Kommandant das Team dann kurz<br />
vor Albuquerque abgesetzt hatte,<br />
flogen sie unter Sichttarnung<br />
weiter. Ich vermutete, dass Max es<br />
nicht unterlassen hatte, trotzdem<br />
in El Moro vorbeizusehen.<br />
kurzgeschichte<br />
Begegnungen - Teil 5<br />
von Michael Köckritz<br />
Vorerst hatten wir den Kontakt<br />
zu Max, Marush und der restlichen<br />
Shem-Crew verloren.<br />
»Man wird sich über den riesigen<br />
Krater wundern!«, spekulierte<br />
Kevin mit einem Zwinkern.<br />
»Nebenbei: wann fahren wir rüber<br />
nach Mexiko?«<br />
»Wir werden erst einmal ausschlafen<br />
und dann sehen wir weiter«,<br />
bestimmte Peter und stand<br />
auf. Er brachte die Gläser und die<br />
jetzt nur noch viertelvolle Flasche<br />
in die Küche zurück. »Einkaufen<br />
müssen wir auch! Mir sind schon<br />
ein paar Mäuse mit ’ner weißen<br />
Fahne entgegen gekommen. Die<br />
wollten sich ergeben, weil‘s nichts<br />
mehr zu mampfen gibt.«<br />
»Die mexikanischen Weiber<br />
laufen dir nicht so schnell weg«,<br />
stimmte ich zu und erntete einen<br />
säuerlichen Blick von Kevin.<br />
›Keine Hektik, Kev’ … du wirst dir<br />
noch früh genug die Pfeife verbrennen<br />
…‹, dachte ich amüsiert.<br />
Ende<br />
Es ist eine weitere Episode geplant,<br />
die direkt ans erste Buch<br />
anknüpft.
14.07.11 - 17.07.11<br />
Tolkien Thing 2011<br />
Das dreizehnte Thing der Deutschen Tolkien Gesellschaft<br />
findet vom 14.-17. Juli in der Jugendherberge<br />
auf Burg Breuberg statt, die siebte "Heimat" für die<br />
traditionsreichste Großveranstaltung zu Tolkiens<br />
Werk und Leben in Deutschland.<br />
Auf dem Thing findet die Jahreshauptversammlung<br />
der DTG statt, aber damit sich die Anreise aus ganz<br />
Deutschland lohnt, verbringen unsere Mitglieder und<br />
jeder andere herzlich willkommene Tolkien-Begeisterte<br />
vier Tage mit prall gefülltem Programm. Es gibt<br />
Vorträge, Workshops, Rollenspielrunden uvm. rund<br />
um die Werke des britischen Autors. Details zum<br />
Programm folgen auf diesen Seiten.<br />
Infos unter:<br />
http://thing.tolkiengesellschaft.de/information.h<br />
tml<br />
30.07.11 - 31.07.11<br />
FeenCon 2011<br />
Stadthalle Bonn-Bad Godesberg, Koblenzer Straße 80,<br />
53177 Bonn-Bad Godesberg<br />
Neben zuletzt über 300 Spielrunden gibt es wieder<br />
Lesungen, Workshops und diverse Turniere. Verlage,<br />
Händler, Vereine, Autoren, Zeichner uvm. sind mit<br />
ihren Ständen vertreten. Im Außenbereich gibt es<br />
wieder den Mittelalterambientebereich zum spielen<br />
und entspannen. Übernachten kann man kostenlos<br />
ab 22:00 Uhr im unteren Foyer, bitte nur Schlafsack,<br />
Isomatte usw. nicht vergessen.<br />
Infos unter: http://feencon.de/<br />
veranstaltungen<br />
17.09.11 - 18.09.11<br />
DreieichCon<br />
21. Dreieicher Rollenspieltreffen im Bürgerhaus Dreieich-Sprendlingen,<br />
Fichtestr. 50, 63303 Dreieich<br />
Zeit: Samstag 10:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr<br />
NONSTOP<br />
Eintritt: Samstag 8 €, Sonntag 5 €, beide Tage 10 €<br />
GFRler zahlen eine Pauschale von 5 €<br />
Vorangemeldete Spielleiter(innen) haben freien Eintritt<br />
(die Anmeldefrist für Spielleiter(innen) endet am<br />
31.10.2011)<br />
Infos unter: http://www.dreieichcon.de/<br />
30.09.11 - 02.10.11<br />
PERRY RHODAN-WeltCon 2011<br />
Mannheim Congress Center Rosengarten<br />
Gäste: Oliver Scholl (Production-Designer), Bruno<br />
Eyron (Schauspieler und Produzent), Dr. Rainer<br />
Stache (Journalist und PERRY RHODAN-Experte),<br />
Robert Vogel (Journalist), ...<br />
Während es am 19. Juni 2011 genau 40 Jahre her war,<br />
seit ein gewisser Risikopilot in einem bestens<br />
bekannten Paralleluniversum zu seiner Reise auf den<br />
Mond gestartet ist, kommt es am 21. Juni 2011 um<br />
18 Uhr zu einem anderen, nicht minder wichtigen<br />
Zeitpunkt: Der PERRY RHODAN-WeltCon 2011 steht<br />
dann exakt 100 Tage vor seinem ersten Programmpunkt.<br />
Bis die Türen in Mannheim endlich zur großen<br />
Jubiläumsveranstaltung geöffnet werden, zählt ein<br />
Counter auf unserer WeltCon-Website die letzten 100<br />
Tage rückwärts.<br />
Einen zusätzlichen Tag muss man jedoch noch hinzu<br />
addieren, bis zwei der wahrscheinlich buntesten und<br />
überraschendsten Programmpunkte des WeltCons<br />
2011 beginnen: Die Spezialvorführung des Dokumentarfilms<br />
»PERRY RHODAN – Unser Mann im All« und<br />
natürlich die große »Nacht auf Lepso«.<br />
Infos unter: http://www.weltcon2011.de/
30.09.11 - 02.10.11<br />
FilkCONtinental 2011<br />
Ein spezieller Con für alle Barden der Zukunft, der<br />
Vergangenheit und natürlich auch der Gegenwart.<br />
Ein Con für musikbegeisterte SF und Fantasy- und<br />
Mittelalter-Fans, die folkige Klänge, handgemachte<br />
Musik aber auch Parodien oder fetzigen Rock<br />
mögen.<br />
Ein Con für Musiker, die auch dem Fantastischen<br />
und Schrägen nicht abgeneigt sind.<br />
Ein Con zum Mitmachen oder einfach Zuhören und<br />
Spaß haben.<br />
Infos unter: http://www.filkcontinental.de/2011/<br />
14.10.11 - 16.10.11<br />
RingCon 2011<br />
in Bonn im Maritim Hotel<br />
ein wundervolles Wochenende mit Stars, Panels,<br />
Autogrammen, Fotosessions, Vorträgen,<br />
Diskussionen, Parties, Freunden und viel Spaß<br />
Gäste: Hudson Leick, Renée O'Connor, Ted Raimi,<br />
Charisma Carpenter, Tom Felton, Mark Ferguson,<br />
weitere werden bekannt gegeben…<br />
Infos unter: http://www.ringcon.de<br />
14.10.11 - 16.10.11<br />
Buchmesse Con 2011<br />
Der Buchmesse Convent (kurz: der BuCon) ist seit<br />
mittlerweile 26 Jahren das unabhängige, zentrale<br />
Treffen der deutschsprachigen, literarischen<br />
Phantastik-Szene am Buchmesse-Wochenende im<br />
Rhein-Main-Gebiet und gleichzeitig die führende<br />
Convention für phantastische Literatur in<br />
Deutschland. Eingeladen sind alle Freunde von<br />
Science Fiction, Fantasy & gepflegtem Horror, egal<br />
ob in Film, TV, Literatur oder Kunst.<br />
Infos unter: http://www.buchmessecon.info/<br />
veranstaltungen<br />
04.11.11 - 06.11.11<br />
9. WEEKEND OF HORRORS<br />
in Bottrop Saalbau<br />
Das Weekend of Horrors ist das ultimative<br />
Fantreffen für Fans des fantastischen Films in<br />
Europa !<br />
Düstere Dekoration sorgt dabei für die richtige<br />
Stimmung. Alle Fenster werden schwarz abgeklebt,<br />
düsteres Licht, scary Sounds, und eine gruselige<br />
Deko werden dafür sorgen das ihr Horror Feeling<br />
pur erleben werdet!<br />
Infos unter: http://www.weekendofhorrors.com/<br />
06.11.2011<br />
MucCon<br />
in München Oberangertheater, Oberanger 38,<br />
80331 München<br />
Programm: Lesungen und Buchpräsentationen von<br />
Autoren des fantastischen Genres<br />
Rund 30 Autoren- und Autorengruppen haben<br />
bislang Interesse daran bekundet, auf dem mucCON<br />
aus ihren fantastischen Werken zu lesen. Hinzu<br />
kommen drei Verleger. Wir freuen uns riesig über<br />
diese Resonanz! Gern nehmen wir weitere<br />
Bewerbungen um die begehrten Leseplätze<br />
entgegen. Bewerben können sich Autoren,<br />
Autorengruppen/-vereine und Verleger noch bis<br />
zum 3. August 2011. Im Anschluss setzt sich unser<br />
Planungsteam zusammen, um aus allen<br />
eingegangenen Bewerbungen eine Auswahl zu<br />
treffen. Die ausgewählten Autoren,<br />
Autorengruppen/-vereine und Verleger werden<br />
umgehend informiert und auf unserer<br />
Programmseite bekannt gegeben. Weitere<br />
Einzelheiten findet ihr auf unserer Seite.<br />
Infos unter: http://www.muc-con.de/
Anhut, Simon<br />
Webseite:<br />
Seite 89: Kurzgeschichte "Der Preis der Macht"<br />
Bernhard, Boris<br />
Webseite: http://www.kupferwerk.org/<br />
Bionda, Alisha<br />
Webseite: http://www.alisha-bionda.net/<br />
Seite 63: Uschi Zietsch - Autorin und Verlegerin<br />
Chihiro<br />
Webseite: http://forum.schnugis.net/<br />
Seite 40: Kleines Tuto zum Steampunklook<br />
Dimtsos, Wassilios<br />
Webseite: http://www.media-mania.de/<br />
Seite 06: Rezension "Hack/Slash 5"<br />
Seite 31: Rezension "Wonderland 3"<br />
Seite 61: Rezension "The New Dead"<br />
Seite 94: Rezension "Teufelszeug"<br />
Exter, Torsten<br />
Webseite:<br />
Seite 96: Kurzgeschichte "Dunkle Drachen"<br />
Das Copyright all dieser Bilder und Artikel liegt bei den jeweiligen Künstlern!<br />
künstlerübersicht<br />
Gerrit, Dan<br />
Webseite: http://dan-gerrit.blogspot.com/<br />
Seite 08: Kurzgeschichte "Erinnerung"<br />
Gölbasi, Mustafa<br />
Webseite: http://4visio.designnation.de/<br />
Seite 101: Bild "Watch - Orc Ahead"<br />
Holzhauer, Stefan<br />
Webseite: http://steampunk-chroniken.de/<br />
Seite 46: Was ist eigentlich Steampunk?<br />
Seite 49: Die Steampunk Chroniken<br />
Kickers, Carola<br />
Webseite: http://www.carola-kickers.de/<br />
Seite 04: Kurzgeschichte "Sarkophag"<br />
Seite 16: Interview mit Dan Gerrit<br />
Köckritz, Michael<br />
Webseite:<br />
Seite 104: Kurzgeschichte "Begegnungen Teil 5"<br />
Koshka<br />
Webseite: http://koshka-june2014.deviantart.com/<br />
Seite 15: Bild "Steampunk"
Krzyzelewski, Kai<br />
Webseite: http://www.fynsterheld.de<br />
Seite 19: Kais Bücherdimension<br />
Kügle, Markus<br />
Webseite:<br />
Seite 59: Musik für Millionen<br />
Seite 102: Krankes Kino<br />
Muhic, Dino<br />
Webseite: http://www.dinomuhic.com<br />
Seite 05: Bild "The Silence In Me"<br />
Seite 95: Bild "Pyromaniac"<br />
Nyala<br />
Webseite: http://www.fantasy3dart.de<br />
Seite 56: Bild "What should we repair first"<br />
Seite 32: Bild "Sweet lullaby"<br />
Seite 18: Bild "Steampunk for marforno"<br />
OnehandsLady<br />
Webseite: http://ohnehandslady.deviantart.com/<br />
Seite 1: Titelbild "Steampunk"<br />
Seite 53: Bild "Steampunk"<br />
Das Copyright all dieser Bilder und Artikel liegt bei den jeweiligen Künstlern!<br />
künstlerübersicht<br />
Rauchfuß, Marcus a.k.a Traveler<br />
Webseite: http://www.sarkomand.de<br />
Seite 34: Steampunk, eine Einführung<br />
Seite 43: Steampunk, Blog-Streiflichter<br />
Seite 57: Steampunk, ein Aufruf<br />
Schüler, Markus<br />
Webseite: http://www.the-art-of-markus.de/<br />
Seite 07: Bild "Blood Princess"<br />
Seite 31: Bild "Wolf"<br />
Tumana<br />
Webseite: http://www.schnugis.net/<br />
Seite 54: Drahtklammern für Steampunklook
Chefredaktion:<br />
Rainer Schwippl<br />
Redaktion:<br />
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Mitarbeiter dieser<br />
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Mustafa; Holzhauer, Stefan;<br />
Kickers, Carola; Köckritz, Michael;<br />
Koshka; Krzyzelewski, Kai; Kügle,<br />
Markus; Muhic, Dino; Nyala;<br />
OnehandsLady; Rauchfuß,<br />
Marcus a.k.a Traveler; Schüler,<br />
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