Himmel Erde - Ev. Grunewald-Gemeinde
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Titel<br />
„Wachet, stehet im Glauben, seid männlich, seid stark!“<br />
Wachet, stehet im Glauben, seid<br />
männlich, seid stark!<br />
Das Wort aus dem 1. Korintherbrief<br />
Kapitel 16, Vers 13 steht auf dem Altar<br />
der Lindenkirche. Paulus beginnt<br />
mit dem Ruf zur Wachsamkeit. Wach<br />
sein bedeutet im Neuen Testament,<br />
gewiss sein, dass Jesus Christus<br />
wiederkommen wird, und er seine<br />
<strong>Gemeinde</strong> nicht verschlafen oder gar<br />
schlafend findet. So z.B. im Gleichnis<br />
von den jungen Frauen, die auf den<br />
Bräutigam warten (Mt. 25,1-13). Der<br />
Schlussvers des Gleichnisses steht<br />
übrigens in lateinischer Sprache über<br />
dem Eingang zur Feierhalle unseres<br />
Wilmersdorfer Friedhofs: „Wachet!<br />
Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“<br />
Oder aber auch in der Erzählung<br />
von den Jüngern, die statt zu wachen<br />
und zu beten im Garten Gethsemane<br />
einschlafen (Mt. 26,41).<br />
Das zweite ist das Bleiben, Stehen<br />
im Glauben, denn er ist das<br />
Fundament für die Gemeinschaft<br />
der <strong>Gemeinde</strong>. Über ihren Glauben<br />
sollen die Christinnen und Christen<br />
miteinander reden, sich darüber<br />
verständigen, sich gegenseitig ermutigen,<br />
sich freuen.<br />
In einer männlich bestimmten<br />
Gesellschaft schrieb man natürlich<br />
Von Harald Grün-Rath<br />
alle „guten“ und „wichtigen“ Eigenschaften<br />
diesem Geschlecht zu:<br />
Ritterlichkeit, Treue, Verlässlichkeit,<br />
Ehrbarkeit usw. Männer galten als<br />
besonders kraftvoll, durchsetzungsstark<br />
und schließlich führten sie die<br />
Kriege. „So seid nun stark und seid<br />
Männer, ihr Philister!“ (1. Sam4,9) Sicher<br />
ist dieser Altarspruch auch dem<br />
besonderen Männlichkeitswahn jener<br />
Jahre der Einweihung (1936) der Kirche<br />
geschuldet, der sich aber durch<br />
die Geschichte als völlig abseitig<br />
erwiesen hat. Gott hat dankenswerter<br />
Weise die angestrebten 1000 Jahre<br />
der männlichen Herrenrasse auf 12<br />
verkürzt.<br />
Wir wissen, dass das mit dem<br />
„starken Geschlecht“ so nicht stimmt.<br />
Deshalb heißt es in der Überarbeitung<br />
des Luthertextes, die heute gelesen<br />
wird, statt „männlich“ mutig. Dieses<br />
Wort trifft das Gemeinte wohl eher.<br />
Der Aufruf „seid stark“ gilt allen, wobei<br />
gerade bei Paulus daran gedacht<br />
werden muss, dass die „Starken“<br />
in einer besonderen Verantwortung<br />
gegenüber den „Schwachen“ stehen<br />
(1. Kor. 8), und das prinzipiell für<br />
die <strong>Gemeinde</strong>glieder gilt: „Gott ist<br />
unsere Zuversicht und Stärke.“ (Ps<br />
46, 2)<br />
Insgesamt aber dürfen wir als<br />
christliche <strong>Gemeinde</strong> die Fortsetzung<br />
bei Paulus nicht übersehen: „Alle<br />
eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“<br />
(1. Kor. 16,14)<br />
So gilt das Wort am Altar auch<br />
heute noch als apostolische Weisung<br />
der <strong>Gemeinde</strong>, die sich in der Lindenkirche<br />
sammelt. Gott schenke der <strong>Gemeinde</strong><br />
seinen Geist, der ihr die Kraft,<br />
den Mut und die Zuversicht gibt, dass<br />
sie in unserer Zeit zum Zeugen seiner<br />
befreienden und erfreuenden Botschaft<br />
werde, einladend, bereit zum<br />
Gespräch, Treffpunkt derer, die den<br />
Sinn des Lebens suchen, den Glauben<br />
stärkend, die Liebe bewährend und<br />
die Hoffnung hoch haltend.<br />
75 Jahre – im Blick auf die Geschichte<br />
der Christenheit wenig – aber ein<br />
ermutigender Beginn zu weiteren<br />
Schritten in der Nachfolge Jesu Christi.<br />
Gott geleite Sie alle auf diesem<br />
Weg.<br />
Harald Grün-Rath ist Superintendent<br />
des Kirchenkreises Wilmersdorf<br />
Der Altar in der Lindenkirche<br />
Mai 2011 3