Vergessene DÄrfer im Ziegenhalser Grenzgebiet - Ortschronik Alt ...
Vergessene DÄrfer im Ziegenhalser Grenzgebiet - Ortschronik Alt ...
Vergessene DÄrfer im Ziegenhalser Grenzgebiet - Ortschronik Alt ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Paweł Szymkowicz<br />
138<br />
11. Anhang<br />
<strong>Vergessene</strong> <strong>DÄrfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Ziegenhalser</strong> <strong>Grenzgebiet</strong><br />
Man schÅtzt, daÇ <strong>im</strong> Mittelalter, als unser Gebiet kolonisiert wurde, <strong>im</strong> heutigen polnischtschechischen<br />
<strong>Grenzgebiet</strong> mehr DÉrfer und Siedlungen existierten als uns heute bekannt sind.<br />
Wenn man auf die Karte des polnisch-tschechischen <strong>Grenzgebiet</strong>es in der Gegend um Głuchołazy<br />
(Ziegenhals) schaut, erkennt man mit Leichtigkeit solche DÅrfer wie JarnołtÇwek (Arnoldsdorf), Podlesie<br />
(Schönwalde) sowie auf der anderen Seite des Baches Olešnice das tschechische Ondřejovice (Endersdorf)<br />
oder Sławniowice (Groß Kunzendorf), das - wenngleich inzwischen auch durch die Grenze geteilt - auf<br />
diese Weise ein Ganzes mit Velki Kunetice (Groß Kunzendorf) bildete. Wenn man dazu noch Gierałcice<br />
(Giersdorf), Burgrabice (Borkendorf) und Pokrzywna (Wildgrund) rechnet, so hÖtte man alle gegenwÖrtig<br />
existierenden Siedlungen an unserer Grenze erwÖhnt.<br />
Nicht jeder aber weiÄ,<br />
daÜ vor sechs oder fánf Jahrhunderten hier noch andere Siedlungen waren, die <strong>im</strong> Laufe der Zeit grÅÜeren<br />
DÅrfern angeschlossen wurden und so mit diesen heute ein nicht zu trennendes Ganze bilden. So war es<br />
zum Beispiel auch mit dem am Abhang der Bischofskoppe am Bach BołkÇwka gelegenen Dorf Bolkenthal,<br />
das <strong>im</strong> Laufe der Jahre in JarnołtÇwek (Arnoldsdorf ) ábergegangen ist. àhnlich war es mit den<br />
gegenwÖrtig auf tschechischer Seite - unweit von Gierałcice (Giersdorf) - gelegenen DÅrfern Terezin<br />
(Therezienfeld) und VysutÅ (Rennersfeld), die heute zu Kolnovic (Kohlsdorf) gehÅren.<br />
Es existierten aber auch solche DÅrfer, áber die es nur kurze ungenaue Aufzeichnungen in<br />
Dokumenten des Mittelalters gibt. Heute kÅnnen wir nur vermuten, wo sie existierten. Kánftig sind<br />
mÅglicherweise genauere Antworten von hier vielleicht forschenden ArchÖologen zu erwarten.<br />
Der nachstehende Artikel soll uns solche DÅrfer vorstellen, die bis zum XV. Jh. zum <strong>Ziegenhalser</strong><br />
Vogt gehÅrten bzw. auf Gebieten existierten, die diesem unterstellt waren. Man muÜ daran denken, daÜ<br />
damals die Grenzen, wenn man die heutige Terminologie der Gemeinde Głuchołazy (Ziegenhals)<br />
benutzt, viel weiter nach Sáden reichten als jetzt. In Anbetracht der inzwischen<br />
vergangenen Zeit kÅnnen wir leider nicht genauere<br />
Festlegungen treffen.<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung Schlesiens zu<br />
Beginn des XIII. Jh. war vor allem durch die in<br />
groÜem MaÜstabe durchgefáhrten<br />
Besiedlungsaktionen best<strong>im</strong>mt.<br />
Die Anzahl der hier siedelnden<br />
freien Bauern reichte jedoch nicht aus, um die<br />
weitere Entwicklung des<br />
Siedlungswesens <strong>im</strong> notwendigen<br />
AusmaÜe zu gewÖhrleisten. Daher wurde<br />
die Besiedlung durch AuslÖnder<br />
- hauptsÖchlich durch Deutsche und Flamen -<br />
notwendig. Fár fremde Ansiedler wurden neue Siedlungen<br />
angelegt. Seltener hingegen wurden diese in bereits<br />
bestehenden Siedlungen seÜhaft. Die Bedingungen, die <strong>im</strong> hiesigen<br />
<strong>Grenzgebiet</strong> nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages durch<br />
Bolesław Krzywousty (Schiefmund) <strong>im</strong> Jahre 1137 entstanden, der<br />
einen jahrhundertlangen polnisch-tschechischen Kampf beendete,<br />
begánstigten die schnelle Besiedlung und wirtschaftliche<br />
Entwicklung der Neisser Erde. Die Fortschritte auf diesem
Gebiet wurden noch deutlicher, als die Ottmachauer Kastellanei unter die Herrschaft des Breslauer<br />
Bischofs kam. Zum Ende des XIII. Jh. zÖhlte das Neisser Herzogtum bereits 218 DÅrfer sowie die 5 StÖdte<br />
Nysa (NeiÄe), OtmuchÇw (Ottmachau), Głuchołazy (Ziegenhals), Jesenik (Freiwaldau) und PaczkÇw<br />
(Patschkau). Zlatâ Hory (Zuckmantel) gelangte erst in der zweiten HÖlfte des XV. Jh. ins Herzogtum. Man<br />
schÖtzt die Anzahl der Einwohner in dieser Zeit auf etwa 25.000 Personen. Weiterhin wird eingeschÖtzt,<br />
daÜ <strong>im</strong> Kreis Nysa (Neisse) zu jener Zeit 67 DÅrfer bestanden, hingegen <strong>im</strong> Kreis GrotkÇw (Grotkau) 26<br />
DÅrfer, <strong>im</strong> Kreis Prudnik (Neustadt) und Kozle (Kozel) 8 DÅrfer sowie <strong>im</strong> Kreis RacibÇrz (Ratibor) 7<br />
DÅrfer.<br />
Die áberwiegende Anzahl der gegenwÖrtig bestehenden DÅrfer hat ihre AnfÖnge in jener Zeit. Jedoch<br />
fanden einige der damaligen Siedlungen aus verschiedenen, zumeist Åkonomischen Gránden recht schnell<br />
ihr Ende. Heute wÖre es schwer, ihre Spuren zu finden. Allerdings versuchen wir in diesem Artikel, áber<br />
einige von ihnen etwas mehr auszusagen.<br />
Lichtenberc<br />
Das meiste glauben wir áber das Dorf Lichtenberc zu wissen. Die erste ErwÖhnung dieses Dorfes<br />
stammt aus dem Jahre 1263. Es wird in einem Brief des Breslauer Bischofs Tomasz I. an die <strong>Ziegenhalser</strong><br />
Vogtei in Sachen eines Erbstreits nach dem Gránder der Stadt dem Vogt Vigeto erwÖhnt. Dies ist auch die<br />
erste schriftliche Quelle, in der – in Klammern - der Ortsname Ziegenhals (Głuchołazy) verzeichnet ist,<br />
und zwar in der Schreibweise “Cigenhals”. Das Original dieses Briefes befindet sich <strong>im</strong> Staatsarchiv in<br />
Opawa (Oppau).<br />
Eben dieser Brief best<strong>im</strong>mt das Dorf Lichtenberc in den Bergen, in Richtung Zlate Hory (Zuckmantel)<br />
und Bruntal (Freudenthal). Es soll der <strong>Ziegenhalser</strong> Vogtei angehört haben. Dies bestÖtigt auch ein um<br />
fánf Jahre jángeres Dokument, das eben die Orte Lichtenberc, Ondřejovice (Endersdorf), Mikulovice<br />
(Niklasdorf) und Kolnovice (Kohlsdorf) als zu den <strong>Ziegenhalser</strong> LÖndereien zugehÅrig erwÖhnt. Man muÜ<br />
auch daran denken, daÜ Zlate Hory (Zuckmantel) in dieser Zeit noch zum Opawskie (<strong>Alt</strong>vater) Herzogtum<br />
gehÅrte. In diesem jángeren Dokument ist bereits eine verÖnderte Schreibweise dieses Dorfes zu finden: -<br />
Leuchtenbergk.<br />
Wahrscheinlich wird das gleiche, aber bereits verlassene Dorf <strong>im</strong> Dokument<br />
Liber fundationis aus dem Anfang des XV. Jh. erwähnt,<br />
dort aber in der Schreibweise Lichtenbark bzw. Lytenbergk.<br />
Der Name des Dorfes entstand aus der Verbindung<br />
der deutschen Wörter licht (jasny) und Berg (góra).<br />
Im Register der Gáter von Zlate Hory (Zuckmantel)<br />
aus dem Jahre 1687 wird ein verlassenes SchloÜ<br />
Leuchtenstein erwÖhnt, das am Abhang der<br />
Bischofskoppe liegt. Seine Reste kann man noch<br />
heute sehen. Es ist sehr wahrscheinlich, daÜ sich<br />
unweit dieser mittelalterlichen kleinen Festung<br />
auch die erwÖhnte Siedlung befand, was<br />
auch aus der NamensÖhnlichkeit<br />
hervorzugehen scheint.<br />
In der Gegend der Bischofskoppe finden wir<br />
gleichzeitig Hinweise auf die Lage einer<br />
weiteren verlorenen Siedlung, die aber schon<br />
zu Jesinek (Freiwaldau) gehÅrte. Leider<br />
erwÖhnt das Dokument aus dem Jahre 1290<br />
lediglich den Namen Falkenhayn, ohne<br />
Angabe der Gegend. Dagegen verzeichnet<br />
ein 130 Jahre spÖter, nÖmlich <strong>im</strong> Jahre 1420<br />
verÅffentlichtes Verzeichnis von Gátern der<br />
Breslauer BischÅfe dieses Dorf als verlassen. Dessen Name stammt von den deutschen WÅrtern Falke<br />
(sokÇl) und Hain (wzgÇrze).<br />
((Hain = gaj, hier irrt der Verfasser, denn wzgórze bedeutet = Hügel, Anhöhe))<br />
139
Domasdorph<br />
Das nÖchste Dorf ist Domasdorph, das zwischen Kolnovice (Kohlsdorf) und Gierałcice (Giersdorf)<br />
liegt. ErwÖhnt wurde es bereits <strong>im</strong> Liber fundationis aus dem Jahre 1290. Danach war es 10 Flure, also<br />
áber 270 Hektar groÜ und gehÅrte dem Pfarrer Piotr aus Waltdorf, der sich am Hofe des Breslauer<br />
Bischofs aufhielt. Kolnovice (Kohlsdorf) wurde Ende des XIII. Jh. in keinem bischÅflichen Register<br />
erwÖhnt, und zwar aus dem einfachen Grunde, daÜ aus ihm keinerlei Gewinne gezogen wurden. Man muÜ<br />
daráber hinaus annehmen, daÜ das <strong>im</strong> Register erwÖhnte Domasdorf dessen Eigentum war.<br />
Den BischÅfen muÜte das Dorf Steuern zahlen, <strong>im</strong> Gegensatz zu Kolnovice (Kohlsdorf), das seit den<br />
siebziger Jahren des XV. Jh. <strong>im</strong> Besitz der <strong>Ziegenhalser</strong> Vogtei war. Heute müßte man die Spuren des<br />
Dorfes in der Gegend von Gieralcice (Giersdorf), bereits auf der polnischen Seite der Grenze suchen.<br />
Interessant ist auch, daÜ der Name „Dohmdorf“ noch bis ins XIX. Jh. unter den hiesigen Einwohnern in<br />
Gebrauch war.<br />
In einem der mittelalterlichen Register áber bischÅfliche Gáter wird ein Dorf mit Öhnlichem<br />
Namen – „Domansdorph“ - erwÖhnt. Es befand sich aber nÖher bei Vidnava (Weidenau) und<br />
hatte mit dem uns interessierenden Dorf nichts gemein.<br />
Waltersdorf<br />
Waltersdorf wird bereits in Dokumenten aus der 2. HÖlfte des XIV. Jh. erwÖhnt. Einige tschechische<br />
Historiker identifizieren es mit dem heutigen polnischen Podlesie (SchÉnwalde). Die meisten von ihnen<br />
aber meinen, man müsse den Ort <strong>im</strong> südlichen Teil des heutigen Mikulovice (Niklasdorf) suchen.<br />
Mehr Licht auf die Situierung des Dorfes kÅnnten, wie wir annehmen, die Neisser Grundbácher<br />
werfen. Der Name Waltersdorf wird darin als VermÅgen der Familie Musczin oder Mosch wiederholt<br />
erwÖhnt. Im Jahre 1351 soll Bernhard Mosch das Dorf Waltersdorf bei Czeginhals (Ziegenhals) seinem<br />
Bruder Cunczkov verkauft haben, der es bis 1375 beherrschte. Zu dieser Familie gehÅrte Waltersdorf seit<br />
1414, nachdem Hynek Mosch es wegen seiner prohussitischen åberzeugung abtreten musste. Der Ort lag ja<br />
bereits innerhalb des bischÅflichen Fárstentums und bot daher fár neue Religionen keinen Platz.<br />
Wustekirche<br />
Der Name Wustekirche bedeutet leere Kirche, auÜerdem hat <strong>im</strong> Mittelalter die hier ansessige<br />
slawische BevÅlkerung den Ort wahrscheinlich Pusta Cerkwia (leere Kirche) genannt. Die Bewohner waren<br />
vermutlich mit Goldwaschen beschÖftigt. Die erste ErwÖhnung dieses Dorfes stammt von 1373, als ein<br />
gewisser Wacław aus Wusterkirche den Posten des Gemeindevorstandes von<br />
Nowy SwiętÇw (Deutsch-Wette) erhielt. Dem gegenáber wird <strong>im</strong> Jahre 1416,<br />
Öhnlich wie am Beispiel Waltersdorf, vom Abtreten von Wustekirche durch<br />
Hynka Mosch gesprochen. Nach 1443 war das Dorf bereits verlassen, und<br />
sein Name erscheint nicht mehr in bischÅflichen Dokumenten. Nach áber<br />
hundert Jahren haben sich in dieser Gegend, die bereits mit dichten<br />
WÖldern bewachsen war, Menschen aus den in der NÖhe bestehenden<br />
Siedlungen Supikovice (Saubsdorf) und Velki Kunetice (GroÄ<br />
Kunzendorf) niedergelassen. AuÜerdem kamen sie aus dem auf der<br />
anderen Seite der Bischofskoppe gelegenen Janov (Johannesthal)<br />
und bildeten auf diese Weise den Anfang des heutigen Pisečnè<br />
(SandhÖbel) AuÜer den hier genannten DÅrfern erwÖhnt das<br />
Dokument Liber Fundationis aus dem Jahre 1290 noch<br />
solche, heute nicht mehr bestehenden DÅrfer wie Dytmari villa,<br />
Eckhardi villa, Sykystorph, Myroslai villa und Richardi villa.<br />
Leider kÅnnen wir áber sie nichts weiter aussagen, als daÜ sie<br />
<strong>im</strong> FluÜgebiet der Biała (Biele) - irgendwo zwischen Głuchołazy (Ziegenhals) und Jesenik (Freiwaldau)<br />
existierten. Die Benutzung der national neutralen lateinischen Namen wie in diesen FÖllen zeugt aber<br />
davon, daÜ es sich hier um DÅrfer mit gemischten nationalen BevÅlkerungen handelte. AuÜerdem weisen<br />
die Namen, die von MÖnnervornamen abstammen, auf deren Begránder, also die ersten Dorfschulzen<br />
(Gemeindevorsteher) hin, die in der Zeit der Kolonisierung die BevÅlkerung aus dem westlichen Europa<br />
hierher fáhrten. So war es noch bis 1945 mit JarnołtÇwek (Arnoldsdorf) und Charbelin (Ludwigsdorf ), die<br />
140
aus dem gleichen Grunde die Namen der Dorfbewohner Arnold und Ludwig - Arnoldsdorf und<br />
Ludwigsdorf in sich trugen.<br />
Wie man hieran sieht, wurde die Mehrheit der DÅrfer noch vor den Hussitenkriegen verlassen, noch<br />
vor dem KÖmpfen des Jerzy Podiebrad um Schlesien. Noch vor dem Chaos, das wÖhrend der<br />
Regentschaft des Maciej Korwin in dieser Gegend herrschte. Es wird geschÖtzt, daÜ von den gegenwÖrtig<br />
bekannten Siedlungen bis zum Anfang des XV. Jh. bis zu 35 % der DÅrfer bereits verlassen wurden.<br />
Ein Grund für das Verlassen der Siedlungen durch die hier wohnende Bevölkerung war deren<br />
ökonomische Anbindung an die hier bestehenden Eisenerzgruben und die gleichzeitige Verhüttung in<br />
funktionierenden pr<strong>im</strong>itiven Eisenerzhütten.<br />
Als die Erzlager erschöpft waren und damit keine Arbeit in den Erzhütten mehr vorhanden war, war<br />
die Grundlage für die Existenz der hier beschäftigten Bevölkerung nicht mehr gegeben, und die<br />
Menschen waren gezwungen, ihre Siedlungen zu wechseln.<br />
Literatur:<br />
1. Zuber: “ Osidleni jesenicka do XV. Stuleci”, Opawa 1972.<br />
2. Pod red. R. Zubera: “ Jesenicko v obdobi feudalismu do 1848”<br />
Zeichnung: Grzegorz WEIGT<br />
Aus der polnischen Tageszeitung “ Życie Głuchołaz” vom Dezember 1999, ábersetzt von<br />
Karl-Heinz Langer, Wall am Kiez 2/7, D-14467 Potsdam, Tel. 0331-2703900<br />
Redaktion: Dr. Siegfried Augustat, In den Gehren 20, D-14558 Bergholz-Rehbrácke.<br />
Anmerkung des åbersetzers: Nach EinschÖtzung von Kennern der Geschichte und Geographie<br />
Oberschlesiens bedárfen einige Angaben in diesem Zeitungsartikel einer kritischen Bewertung.<br />
141