Jahresbericht 2008 (PDF) - Silea
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Nigg Ruedin<br />
Bereich Wohnen und Tagesstruktur<br />
Selbstbestimmung: Herausforderung für alle!<br />
ein Bewohner, nennen wir ihn S., steht vor der<br />
grossen Frage: «Heute abend bin ich eigentlich<br />
müde und möchte gerne in meinem Zimmer Musik<br />
hören, aber am Donnerstag gehe ich jeweils ins<br />
Papillon, wo sich einige Mitbewohner und meine<br />
Freundin zu einem gemütlichen Stelldichein treffen,<br />
Kaffee trinken, einen Schwatz halten und das<br />
Neueste austauschen.» Hin- und hergerissen tigert<br />
er durch die Wohngruppe und weiss selber nicht<br />
was er will. Der Mitarbeiter der Wohngruppe spricht<br />
ihn beim abräumen des Nachtessens an und bespricht<br />
die Situation mit ihm. S. will seine Freundin<br />
treffen, sonst verliebt sie sich in einen anderen.<br />
Seine Verlustängste sind gross.<br />
Jetzt ist einfühlendes Verstehen, die Gefühle des<br />
Gegenübers möglichst genau und sensibel zu erfassen<br />
nötig. ebenso Wertschätzung und echtheit<br />
dem anderen Menschen als Person zu begegnen.<br />
aber wie können wir Menschen mit einer Beeinträchtigung<br />
Raum und Zeit geben um selber heraus<br />
zu finden wer sie sind und was sie wollen?<br />
in einer internen Weiterbildung mit Marlies Pörtner<br />
mit dem ganzen Personal des Wohnbereiches haben<br />
wir intensiv darüber nachgedacht dieser Herausforderung<br />
zu begegnen, wie wir den Denkweisen,<br />
den Gefühlswelten und dem Verhalten von<br />
Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung gerecht<br />
werden können. es gilt ihr Selbstkonzept zu<br />
stärken und ihnen zu ermöglichen eigene erfahrungen<br />
zu sammeln.<br />
im Betreuungskonzept Wohnen der <strong>Silea</strong> steht<br />
folgende aussage:<br />
«Wir geben den Betreuten die Möglichkeit ihre<br />
Würde, ihr Selbstbestimmungsrecht und ihre sexuelle<br />
integrität zu entwickeln und zu verwirklichen.<br />
Wir achten unsere Betreuten als erwachsene Menschen<br />
und pflegen eine Beziehung in partnerschaftlicher<br />
art.»<br />
aber: Selbstbestimmung sorgt auch bei eltern und<br />
gesetzlichen Vertretern von Menschen mit geistigen<br />
Beeinträchtigungen für eine gewisse Verunsicherung.<br />
Darf S. mit seiner Freundin in ihrem<br />
Zimmer auf der Wohngruppe ihre Zweisamkeit geniessen<br />
und auch ihre eigenen Wünsche ausleben?<br />
Hier gilt es sorgfältig und gemeinsam mit allen Betroffenen,<br />
insbesondere Familienangehörigen und<br />
gesetzlichen Vertretern, eine lösung zu suchen.<br />
Klar wollen wir versuchen die Betroffenen vor Frustrationen<br />
und negativen erfahrungen zu schützen,<br />
aber deswegen sollen sie nicht vom leben ausgeschlossen<br />
sein. einen Rahmen zu finden, wo Bewohner<br />
und Bewohnerinnen selber entscheiden<br />
können ist oft schwierig und braucht gute gegenseitige<br />
absprache und information. Wir sind aber<br />
der Meinung, dass sich dieser aufwand lohnt.<br />
es geht darum wie wir den unterschiedlichen Beeinträchtigungen<br />
Rechnung tragen können und<br />
Raum geschaffen werden kann für die eigenen<br />
Ressourcen. ebenso gilt es Wege zu finden ihre Fähigkeiten<br />
zur Bewältigung der Realität zu nutzen<br />
und zu unterstützen. Das gemeinsame Gespräch mit<br />
S. hat einer möglichen lösung den Weg geebnet:<br />
in absprache mit der anderen Wohngruppe treffen<br />
sich die beiden auf der Wohngruppe von S. und<br />
hören sich gemeinsam Musik an. Der Mitarbeiter<br />
der Wohngruppe sucht auch das Gespräch mit der<br />
Mentorin der anderen Wohngruppe um gemeinsame<br />
abmachungen zu treffen. So gelingt es dass<br />
S. seine Ruhe zusammen mit der Freundin findet,<br />
seine Verlustängste eingrenzen kann und für sich<br />
selber eine gute lösung findet.<br />
«Erfahrungen sind die essbaren Früchte<br />
aus dem Dschungel der Erinnerungen.»<br />
Peter Horton<br />
es braucht vom ganzen Umfeld Flexibilität, Offenheit<br />
und Gesprächsbereitschaft um tragfähige lösungen<br />
zu finden. Selbstbestimmung zu erleben<br />
und eigene erfahrungen machen zu können ist kein<br />
leichter Weg, manchmal auch ein schmerzhafter,<br />
der oft über mehrere Gesprächsrunden führt. ich<br />
möchte allen danken, die sich auf diesen Weg begeben!<br />
• Nigg Ruedin,<br />
Bereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung<br />
<strong>Silea</strong> · <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2008</strong> 3