Arno Neufeld - St. Clemens Kirche Amrum
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10 Jahre nach dieser Sendung vereinten sich verschiedene alternative Gruppierungen zu den »Grünen« für die Wahl zum Europäischen Parlament. Für das Listenbündnis<br />
kandidierte u. a. Joseph Beuys. Während dieser 10 Jahre bildeten sich in Europa zwei Kunstströmungen heraus, die nicht »galerie- und museumstauglich« waren: die LandArt und<br />
die Naturkunst, die dadurch, dass sie sich auch gegenseitig beeinflussten, in einen Topf geworfen wurden. LandArt muss man als eine Fortsetzung der Earthworks-Ursprünge<br />
betrachten. Naturkunst und »Environmental Art« orientieren sich deutlich an ökologischen Bestrebungen der 70er-Jahre und setzen sich somit klar ab von den eher gesellschaftsund<br />
kulturkritischen Ansätzen der amerikanischen Avantgarde. Naturkunst beinhaltet eher die philosophische Grundfrage des »Werden–Sein–Vergehen« und identifiziert sich<br />
mit der großen Bühne Natur. Die Natur ist der schöpferische Lehrmeister und der nimmt in der Regel Einfluss durch Witterung und natürliches Wachstum. Am Ende wird der<br />
ursprüngliche Zustand wiederhergestellt. So soll es auch sein – der Dialog ist erwünscht. Der Prozess und die Dynamik des Verlaufs sind Bestandteil der Arbeit, ebenso deren<br />
fotografische Dokumentation.<br />
LandArt und Naturkunst bleiben bewegt, finden nach wie vor selten in Galerien statt. LandArt, aber ganz besonders Naturkunst, ist immer noch ein Dorn im Auge der<br />
Das-Kann-Ich-Auch-Zuschauer.<br />
Margit Huch<br />
»In Memoriam« 64 Totholzäste 3– 4 m hoch mit rotem Ocker überzogen, 64 Sandaufhäufungen etwa 50 cm hoch<br />
auf einer quadratischen Sandfläche von 24 x 24 m<br />
Ockerrot gefärbte Äste sind die dominanten Elemente für die serielle Skulptur von Margit Huch. Was wir wahrnehmen, ohne die<br />
Intention der Künstlerin zu kennen, ist eine trostlos anmutende Ansammlung toter Äste. Je nach Lichtsituation sehen wir am Tag ihre rote,<br />
stumpf-pelzige Haut, die befremdlich wirkt und am Abend, wenn die Dunkelheit den Dingen die Farbe nimmt, sind es mehr oder weniger<br />
knorrige, figurale Formen. Es sind diese baumähnlichen Äste offenbar nach Unterschiedlichkeit, nicht aber Originalität ausgesucht. Das<br />
Ensemble ist in einem strengen, geometrischen Raster positioniert, der einzelne Ast aber ist nicht uniform – 64 Individuen. Die Anordnung<br />
verrät, dass es hier weniger um eine »kunstvolle« Komposition bizarrer Astgabelungen geht, also nicht vordergründig um Formales,<br />
sondern um einen klar definierten Inhalt. Das Ensemble erinnert uns an vertrocknete Bäume in Westernfilmen oder in der Salzwüste<br />
Namibias. Hier treffen sich Trostlosigkeit und natürliche Ästhetik. Nun sind wir auch schon dem Rätsel der Bedeutung auf der Spur:<br />
Kalligrafisch anmutende Zeichen, skulptural, individuell – Vertrocknetes, überzogen mit ockerroten Pigmenten, würdevolles und gleichberechtigtes<br />
Nebeneinander. Jeder Ast wird von einer kegelförmigen Sandanhäufung umgeben. Dies ist vielleicht der entscheidende Hinweis<br />
für eine Deutung dieser Arbeit. Hügel aus Erde gibt es einige auf <strong>Amrum</strong> – bronzezeitlich und wikingerzeitlich. Sie bergen Tote aus jener<br />
längst vergangenen Zeit. So zitieren Margit Huchs Sandkegel diese Grabhügel – Grabhügel für vom Aussterben bedrohte oder gar schon<br />
ausgestorbene Lebewesen. Die Nordsee ist Heimat dieser Lebewesen, die sich dort über viele tausende Jahre entwickelt haben. Hauptsächlich<br />
durch Überfischung, Kies- und Sandabbau im Meer wird der Lebensraum Nordsee zerstört.<br />
Wir erinnern uns an diesem Ort an die Havarie des Frachtschiffes »Pallas« im Oktober 1998 vor der Nordwestküste <strong>Amrum</strong>s. Es verlor<br />
etwa 90 Tonnen Öl, die in ein Vogelschutzgebiet verdrifteten. Insgesamt wurden etwa 12.000 Seevögel, vor allem Eiderenten, darüber<br />
hinaus Seehunde vom Öl betroffen. Es ist diese Arbeit von Margit Huch also auch eine politische Arbeit – ein umweltkritisches Kunstwerk,<br />
das zum Widerstand mahnt gegen kommerziell ausgerichtete oder gedankenlose Skrupellosigkeit. Es besteht möglicherweise die Vorstellung,<br />
dass diese Kunst, weil sie kritisch ist, nicht als lustvoll oder sogar schön erlebt werden darf und kann. Dem ist nicht so! Margit Huch<br />
lässt Raum, die 64 Skulpturen unter rein ästhetischen Aspekten zu betrachten.<br />
»In Memoriam« wird vergehen, aber der Kniepsand in seinen kreatürlichen Zusammenhängen soll bleiben. Bleibt dieser Kniepsand nicht,<br />
können wir auch nicht bleiben. Bewegen wir uns zwischen den Astskulpturen, so werden diese Totholzäste lebendig, bekommen etwas<br />
Wesenhaftes und beginnen sich mit uns zu bewegen – die Astarme erhoben oder Wege weisend.