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Arno Neufeld - St. Clemens Kirche Amrum

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Andrea <strong>St</strong>aroske<br />

»<strong>St</strong>randgrün« 5 x 5 m, Rollrasen<br />

Eine klar begrenzte, quadratische grüne Rasenfläche auf dem <strong>Amrum</strong>er Kniepsand löst Befremden aus. Ähnlich wie bei der Arbeit von<br />

<strong>Arno</strong> <strong>Neufeld</strong> wird hier etwas Vorhandenes verdeutlicht. Während <strong>Neufeld</strong> mit dem Vorgefundenen spielt, es filtert und poetisch »entrückt«,<br />

verdeutlicht <strong>St</strong>aroske durch das Konträre in der Farbigkeit, in Form und Materie. So liegt das fahle Braungelb des Sandes in allen<br />

Farbkreisen dicht neben dem Sattgrünen des Rasens und steigert dessen Intensität und Leuchtkraft. Auch die Grundform des Rasenquadrates<br />

bildet einen ungewöhnlichen Kontrast zu Amorphem und Geschwungenem oder den vielfältigen, rhythmischen <strong>St</strong>rukturen des<br />

Sandes. Sand, Kleinstteile des Granits, hartes Material also, trifft auf Weiches, trifft auf Organisches – auf Gras, bevorzugtes Nahrungsmittel,<br />

also Lebensgrundlage vieler Tiere.<br />

Nähern wir uns dem formalen Aspekt der Arbeit »<strong>St</strong>randgrün«, so stoßen wir auf Kasimir Malewitsch, einen der Hauptvertreter der Russischen<br />

Avantgarde und sein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grundfeld: »Das Quadrat = Empfindung und das weiße Feld = die Leere<br />

hinter dem Quadrat« (K. Malewitsch).<br />

2007 fand in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung »Das schwarze Quadrat – Hommage an Malewitsch« statt. Über Malewitsch<br />

hinaus zeigte die Ausstellung die Einflüsse dieser revolutionären Kunstbewegung in der westeuropäischen und amerikanischen Kunst von<br />

1945 bis heute auf. Und hier schließt sich der Kreis und schlägt eine Brücke zu Andrea <strong>St</strong>aroskes »<strong>St</strong>randgrün«. Die Hamburger Ausstellung<br />

zeigte nämlich auch die amerikanische Minimal Art der 60er-Jahre, die sich plastisch auf einfachste geometrische Mittel reduziert.<br />

Aus dieser Minimial Art heraus haben sich wiederum richtungsweisende LandArt-Künstler der ersten <strong>St</strong>unde entwickelt.<br />

In dieser asketischen Darbietung von Andrea <strong>St</strong>aroske ist der Betrachter auf seine Empfindung angewiesen – von der Überraschung über<br />

das Befremden löst es letztendlich ein glückliches Gefühl aus. Ist es das, was die Künstlerin will – überraschen, befremden und beglücken?<br />

Hier wünscht man sich vor Ort weniger Dialog. Der einsam vor oder auf dem Rasen <strong>St</strong>ehende mag an nichts denken – nur die Leere<br />

empfinden und dann irgendwann doch – der Gedanke an eine Oase.<br />

»Sonne, Mond und <strong>St</strong>erne« Größe variabel, Erbsen gelegt, Ebbe und Flut<br />

»Ohne Titel« Ø 150 cm, Erbsen und Linsen gelegt, Ebbe und Flut<br />

Vergänglichkeit ist nicht das, was wir Menschen wollen. Der Erhalt des Vergänglichen ist unser <strong>St</strong>reben und auch das der Museen und<br />

Bibliotheken. Unendliches Leben, Unsterblichkeit wäre das höchste Glück. Müssen wir uns schon damit abfinden, dass wir sterben müssen,<br />

so setzen wir auf die Kunst, wie uns der Ausspruch »Vita brevis, ars longa« – »Das Leben ist flüchtig, die Kunst dauerhaft« bekundet.<br />

LandArt und Naturkunst sind ganz und gar nicht dauerhaft und schon gar nicht das, was Andrea <strong>St</strong>aroske dort am Wassersaum tat.<br />

»Panta rhei«, alles fließt, könnte sie sagen, wenn sie hochkonzentriert Ornamentik aus verschiedenfarbigen Erbsen so dicht an der Nordsee<br />

auslegt, dass die Flut, wenn sie kommt, alles durcheinanderbringen und mitnehmen wird.<br />

Das Wechselspiel zwischen <strong>St</strong>atik und Bewegung, Ebbe und Flut, Ordnung und Unordnung, Festland und Meer ist Gedanke und Absicht<br />

dieser Arbeit. Die Künstlerin steht ebenfalls im Spannungsgegensatz zwischen zeitlich begrenztem, und von daher hochkonzentriertem<br />

Arbeiten und dem beglückten Entspanntsein nach dem schnellen Vergehen der Arbeit.<br />

Der klassische Prozess des »Werden – Sein – Vergehen« ist hier anmutig das Thema. Es ist auch ein <strong>St</strong>ück Kunstgeschichte – vom <strong>St</strong>reben<br />

nach akkuratem Realismus bis hin zur Auflösung der Form, der Fläche, beispielsweise in Punkte und in diffuse <strong>St</strong>rukturen und darüber<br />

hinaus zum Informellen. Das Urelement wird allerdings erhalten: die Kreisform, die Kugel der Erbse und – die Farbe. So bleibt nach diesem<br />

<strong>St</strong>reben um Vollkommenheit das wehmütige Gefühl von vergeblichem Bemühen, aber nicht ohne Heiterkeit, wenn die vielen kleinen<br />

Pünktchen farbenfroh durcheinanderkugeln, nur hier und da die alte disziplinierte Ordnung noch erkennen lassen. Geradezu symbolisch<br />

erscheint es, den Kreislauf der Verwertung beschreibend, wenn Möwen sich die im Wasser schwimmenden Erbsen als willkommene<br />

Abwechslung zur gewohnten Nahrung kunstvoll im Fluge aufpicken.

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