im LANde deR BiBeL - Berliner Missionswerk
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„Angelehnt an die Ringparabel (ephra<strong>im</strong> Lessings) erhalten<br />
die ‚Kinder Nathans‘ die Aufgabe, die frage nach<br />
nete Autorin formuliert dies in ihrem 2009 er-<br />
schienenen Roman „Nathan und seine Kinder“<br />
folgendermaßen: „Das höchste Ziel der Men-<br />
schen muss die Vernunft sein. Vernunft und<br />
die Liebe zu anderen Menschen.“ Damit greift<br />
sie eine der zentralen Max<strong>im</strong>en der deutschen<br />
Aufklärung und ihres Hauptvertreters Gotthold<br />
Ephra<strong>im</strong> Lessing auf, ergänzt sie jedoch um<br />
eine wichtige emotionale D<strong>im</strong>ension, die Liebe.<br />
Die Botschaft der literarischen Vorlage Nathan<br />
der Weise (1779) wird dadurch nicht in Frage<br />
gestellt, vielmehr wird eine Akzentuierung<br />
vorgenommen, die zu einem überaus lesens-<br />
werten jugendliterarischen Werk führt.<br />
ihrer religiösen identität individuell zu lösen.<br />
Nathan und seine Kinder erzählt die Geschichte<br />
des weisen Juden Nathan, dem der listige Sul-<br />
tan Saladin um das Jahr 1200 in Jerusalem die<br />
Frage nach der wahren Religion stellt. Pressler<br />
bewahrt die wesentlichen Handlungselemente,<br />
die Ringparabel und das Feuermotiv, der Vorla-<br />
ge; sie ergänzt, bearbeitet und reduziert jedoch,<br />
wenn es der Idee des Romans dient. Damit ge-<br />
lingt ihr ein Werk, das die Möglichkeiten und<br />
Grenzen interreligiöser Koexistenz überzeu-<br />
gend schildert. In 18 Kapiteln erhalten Figuren<br />
aus dem Umfeld Nathans eine St<strong>im</strong>me, mit<br />
der sie ihre eigene, oft berührende Lebensge-<br />
schichte und gleichsam als vielst<strong>im</strong>miger Chor<br />
auch die äußeren Ereignisse schildern. So ent-<br />
steht ein farbenfrohes Panorama des Orients<br />
zur Zeit der Kreuzzüge. Dass Nathan keine eige-<br />
ne St<strong>im</strong>me erhält, zeugt von der erzählerischen<br />
Klugheit Presslers, da er auf diese Weise <strong>im</strong>mer<br />
präsent und gleichzeitig unnahbar ist.<br />
Im Gegensatz zum opt<strong>im</strong>istischen Ende des<br />
Dramas bei Lessing wählt Pressler ein gewalt-<br />
sames. Nathan wird in einem Hinterhalt ermor-<br />
det, wobei offen bleibt, ob die Tat von christ-<br />
lichen oder musl<strong>im</strong>ischen Fanatikern ausgeübt<br />
wurde. Sein Tod verdeutlicht, dass Geschichte<br />
weitergehen muss. Angelehnt an die Ringpa-<br />
rabel erhalten die ‚Kinder Nathans‘ die Auf-<br />
gabe, die Frage nach ihrer religiösen Identität<br />
individuell zu lösen. Damit sind sie auch Kinder<br />
unserer Zeit. Heranwachsende werden nicht<br />
nur von einer Fülle religiöser Sinnangebote<br />
herausgefordert, sondern in der globalen Ge-<br />
sellschaft mit ihren weltweiten Wanderungs-<br />
bewegungen auch mit Fragen nach religiösen<br />
Wurzeln, Gottesglauben und Wertorientierung<br />
konfrontiert. Zu bewähren haben sich die Ant-<br />
worten <strong>im</strong> Umgang mit Menschen anderer<br />
Glaubensrichtungen.<br />
Marion Woloszyn, Lehrerin in Talitha Kumi<br />
rezenSionen | 33