BÜCHSENPROJEKTILE, TEIL I Glücksspiel Geschosswahl? WILD UND HUND 24/2009 49 048_053_Geschosse_I.indd 49 02.12.2009 8:11:32 Uhr
<strong>AUSRÜSTUNG</strong> Ich schieß eine ganz Dicke“, sagte der Pechvogel und hielt eine Teilmantelrundkopf im Kaliber 8x57 IRS in die Höhe. Am Anschuss war nur wenig Schweiß, in der Fährte überhaupt nichts zu finden. Die Nachsuche auf den starken Überläufer hatte es in sich. Zwei Stunden Riemenarbeit und 300 Meter Hetze waren bis zum erlösenden Fangschuss nötig. Die dicke Pille hatte die Sau waidwund gefasst. Kein Ausschuss, das einfache Teilmantelprojektil hatte sich zerlegt. „Bisher war ich mit der Patrone immer zufrieden“, meinte der Jäger kopfschüttelnd. Der ältere Herr hatte fast ausschließlich auf Rehwild gejagt. Da im Revier des Erlegers der Schwarzwildbestand massiv zunimmt, schlugen wir einen Geschosswechsel vor. Er entschied sich für ein schnell ansprechendes Deformationsprojektil, bei dem der Mantel mit dem Kern verschweißt ist (RWS Evolution). Sowohl auf Sauen, als auch auf Rehe ist er damit sehr zufrieden. Vor allem Tiefenwirkung und sicherer Ausschuss haben ihn beeindruckt. Ein weiteres Beispiel: Mit schöner Regelmäßigkeit wurden wir von einem Jungjäger zu einfachen, kurzen Todsuchen gerufen. Daran ist im Prinzip nichts auszusetzen. Gelegentlich tut eine kurze Totsuche Hund und Führer gut. Trotzdem: 30 Kilometer Fahrt, zwei Stunden Fehlzeit am Arbeitsplatz und das alles für 100 Meter Riemenarbeit auf einen Frischling mit Kammerschuss? Das von ihm verwendete, nur wenig aufpilzende Deformationsgeschoss (bleifrei) bannte die überwiegend schwachen Stücke (Kitze, Frischlinge) nur selten an den Platz. Energieabgabe und Stoppwirkung des auf Hochwild ausgelegten Projektils waren zu gering. Zudem lieferte der kleine Ausschuss zu wenig Pirschzeichen. Der Schütze wechselte zu einem Teilzerlegungsgeschoss (Brenneke TAG/ Torpedo Alternativ Geschoss). Die Stücke bleiben jetzt in aller Regel am Platz. Beide Beispiele zeigen, wie wichtig die individuelle Anpassung des Geschosses an persönliche Jagdverhältnisse ist. Kein Baujäger schafft sich einen Deutsch- Drahthaar an, nur um später festzustellen, dass er für die Fuchsröhre zu groß ist. Sollen Deckel und Topf zusammen- 50 WILD UND HUND 24/2009 Beispiel Deformationsgeschoss (Monobloc) Barnes XLC, 8x57 IS: Ausschuss etwa 3 Zentimeter Beispiel Teilzerlegungsgeschoss RWS Bionic Yellow, .30-06: Ausschuss etwa 4 Zentimeter passen, sind bei der Geschosswahl zwei Punkte zu berücksichtigen: Zum Einen gilt es, die eigene jagdliche Situation zu analysieren. In diesem Zusammenhang sind vor allem die zu bejagenden Wildarten, das Kaliber, Schussentfernungen, Jagdmethoden, Wildvermarktung und die Verfügbarkeit von Nachsuchenhunden zu beachten. Zweiter Schritt ist die Auswahl des optimalen Projektils für das erstellte Profil. Die folgende Skizzierung der wichtigsten Geschossgruppen soll dabei hilfreich sein. Die Gruppenzuordnung der Projektile erfolgt hier nach dem Funktions- und Wirkprinzip und weicht zu den in der Literatur verwendeten Einteilungen zum Teil ab. Außenballistische Parameter, Form und Zusatzausstattungen, wie zum Beispiel Scharfrand, bleiben unberücksichtigt. Mit den angegliederten Tabellen decken wir eine kleine, populäre Auswahl des umfangreichen Geschossangebots ab. Bei der Geschossbewertung fließen Herstellerangaben, Literaturhinweise und die umfangreichen praktischen Er- fahrungen mehrerer Berufsjäger, Förster und Schweißhundführer mit ein, die uns bei Ausrüstungstests unterstützen. Die Angaben sind als Trend zu verstehen und als Tipp für eine Vorauswahl gedacht. Sie ersetzen keinesfalls die praktische Erprobung der tatsächlichen Waffen-Kaliber-Geschoss-Kombination. Hier sind unter Umständen abweichende Ergebnisse möglich. Basis der Tabellenbewertung sind klassische Universalkaliber (7x64, 7x65 R, .308 Win., .30-06, 8x57 IS und 8x57 IRS). Liegt das Leistungsspektrum der eigenen Patrone darüber (zum Beispiel 9,3x62), oder darunter (zum Beispiel 6,5x57 R) ist die Wildwirkung entsprechend anzupassen. Die Aussagen beziehen sich ausschließlich auf heimisches Schalenwild (Gewicht aufgebrochen: bis 20 kg = schwach, 21–50 kg = mittelstark, > 50 kg = stark). Moderne Jagdgeschosse Mantelgeschosse: Als Mantelmaterial dienen meist Tombak, Gilding oder Flussstahl. Der ein- oder mehrteilige Kern kann aus Blei, Bleilegierungen oder Zinn bestehen. Man unterscheidet Vollmantel- (Mantelöffnung am Geschossboden) und Teilmantelgeschosse (Mantelöffnung am Kopf/Spitze), die wir in Deformations-, Teilzerlegungs- und variabel reagierende Geschosse unterteilen. Vorteile: hohes spezifisches Gewicht (Blei), gute außenballistische Werte. Nachteile: unter Umständen Bleisplitter im Wildbret, teilweise Neigung zur Mantel-Kern- Separation. Monoblocgeschosse: Auch Massivgeschosse genannt. Der einteilige Geschosskörper besteht in der Regel aus Kupfer oder bleifreien Kupferlegierungen. Es gibt Deformationsgeschosse und solche, die zur Splitterbildung neigen sowie Konstruktionen, die formund massestabil sind. Die Herstellung erfolgt im Dreh- oder Pressverfahren. Zur Reibungs- und Gasdruckreduktion können die Projektile beschichtet oder mit Entlastungsrillen/Führungsbändern ausgestattet sein. Vorteile: stabiler Geschossaufbau, bleifrei, einfache Herstellung. Nachteil: geringes spezifisches Materialgewicht. 048_053_Geschosse_I.indd 50 02.12.2009 8:11:40 Uhr