Portrait Tabea Zimmermann 3 - Kölner Philharmonie
Portrait Tabea Zimmermann 3 - Kölner Philharmonie
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<strong>Portrait</strong><br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> 3 | 4<br />
8. und 10. Februar 2007
Inhalt<br />
Donnerstag 8. Februar 2007 20:00<br />
<strong>Portrait</strong> <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> 3<br />
Viola verklärt<br />
Samstag 10. Februar 2007 20:00<br />
<strong>Portrait</strong> <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> 4<br />
Elegie<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong><br />
Ein <strong>Portrait</strong> von Johannes Hirschler<br />
Biografien<br />
Impressum<br />
2<br />
14<br />
23<br />
28<br />
32<br />
1
2<br />
Donnerstag 8. Februar 2007 20:00<br />
<strong>Portrait</strong> <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> 3<br />
Viola verklärt<br />
Arcanto Quartett<br />
Antje Weithaas Violine<br />
Daniel Sepec Violine<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> Viola<br />
Jean-Guihen Queyras Violoncello<br />
Antoine Tamestit Viola<br />
Danjulo Ishizaka Violoncello<br />
Paul Hindemith 1895–1963<br />
Streichquartett Nr. 5 op. 32 (1923)<br />
Lebhafte Halbe<br />
Sehr langsam, aber immer fließend<br />
Kleiner Marsch<br />
Passacaglia<br />
Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791<br />
Streichquartett D-Dur KV 575 (1789)<br />
Allegretto<br />
Andante<br />
Menuetto. Allegretto – Trio<br />
Allegretto<br />
Pause<br />
George Benjamin *1960<br />
Viola, Viola (1997)<br />
für zwei Violen<br />
Arnold Schönberg 1874–1951<br />
Verklärte Nacht op. 4 (1899)<br />
Sextett für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli<br />
Sehr langsam – Breiter – Schwer betont –<br />
Sehr breit und langsam – Sehr ruhig
Viola verklärt<br />
Paul Hindemith: Streichquartett Nr. 5 op. 32<br />
Ob im Duo, im Quartett oder in anderen Partnerschaften, ob melancholisch-sehnsuchtsvoll<br />
oder angriffslustig und schroff, leidenschaftlich oder geheimnisvoll: Die<br />
Bratsche, häufig gegängeltes und belächeltes Schattengewächs der Streicherfamilie,<br />
vermag sich mit ihrer charakterstarken Ausdruckskraft in vielen Posen in<br />
Szene zu setzen und dabei eine gute Figur zu machen.<br />
Zu jenen Musikern, die – nebst Geige, Klavier und einer Handvoll Blasinstrumenten<br />
– das Spiel auf der Bratsche auf das Virtuoseste beherrschten, gehörte Paul<br />
Hindemith. Und auch als Musikschöpfer hat er das Alt-Instrument nie aus den Augen<br />
verloren, vielmehr mit wunderbaren Kompositionen bedacht. Der Wermutstropfen:<br />
Seine Werke sind – der Kölner Konzertzyklus mit <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> einmal ausgenommen<br />
– leider nur selten zu hören. Eine Erklärung fällt schwer. Vermutlich hat die<br />
polemische Sicht der Zeitgenossen auf den in der Nähe von Frankfurt am Main<br />
geborenen Komponisten dazu beigetragen. Als expressionistischen Rebellen, der<br />
mit Foxtrott, motorischem Drive und Dissonanzen die Musik der 1920er-Jahre auf-<br />
Paul Hindemith, Foto um 1930<br />
3
4<br />
mischte, sahen ihn die Konservativen. Jene dagegen, die sich als Avantgardisten einstuften,<br />
taten ihn schon bald als Ewig-Gestrigen ab, als einen, dessen Werken der<br />
Ruch handwerklicher Trockenheit und Lehrmeisterhaftigkeit anhaftete. Doch während<br />
derlei Dispute häufig dazu führen, das Andenken an einen Künstler wachzuhalten,<br />
sind Hindemith und sein kompositorisches Schaffen aus dem musikalischen<br />
Bewusstsein der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden, der Vergessenheit<br />
anheimgefallen.<br />
Wie das Gros seiner Werke resultierten auch die insgesamt sieben Streichquartette<br />
aus Hindemiths intensiver Musizierpraxis als Geiger und Bratscher in verschiedenen<br />
Kammermusikformationen. Das fünfte Streichquartett op. 32 verfasste er<br />
im Herbst 1923 – in zeitlicher Nähe zu seinen skandalträchtigen Operneinaktern<br />
Mörder, Hoffnung der Frauen und Das Nusch-Nuschi sowie der Suite 1922 für Klavier –<br />
für das im Vorjahr gegründete Amar Quartett, dem Hindemith selbst als Bratscher<br />
angehörte und das außer dem klassischen Repertoire auch Werke von Schönberg<br />
und Bartók aufführte.<br />
Die Mitglieder des Amar Quartetts:<br />
Mauritz Frank (Cello),<br />
Walter Caspar (Violine),<br />
Paul Hindemith (Viola) und<br />
Liceo Amar (Violine).<br />
Zeichnung von Rudolf W. Heinisch
Und was sich schon in Hindemiths viertem Streichquartett angedeutet hatte,<br />
manifestierte sich im fünften: die Abkehr von Gefühlsüberschwang und üppiger<br />
Chromatik à la Wagner und Strauss sowie die Besinnung auf Klarheit, Objektivität<br />
im Ausdruck und eine gewisse Strenge, auf – so der Musikkritiker Paul Bekker – eine<br />
»antimetaphysische« Musik ohne Schnörkel, klanglich geschärft und von unmittelbarer<br />
Eingängigkeit. Mal ergreifend zart, mit in sich ruhenden Melodien und sachten,<br />
jeglicher Erdenschwere enthobenen Harmonien – wie im langsamen, zweiten<br />
Satz des Quartetts, der mit seiner Gleichzeitigkeit von geradem und ungeradem<br />
Takt ein typisches Merkmal des Hindemith’schen Komponierens jener Zeit aufweist.<br />
Mal von mitreißender Vitalität und Musizierfreude – wie im scherzohaft-kecken,<br />
monothematisch angelegten Kleinen Marsch, der aufgrund seiner Achteltriolen<br />
weniger zum Marschieren denn zum Hasten verführt, aus dem Pianissimo heraus<br />
stetig anschwillt, plötzlich in sich zusammenbricht und wieder ins Pianissimo<br />
zurücksinkt.<br />
Motiviert wurde Hindemiths Abkehr vom spätromantischen Ausdrucksgestus<br />
unter anderem durch die Beschäftigung mit Form- und Gestaltungsprinzipien des<br />
Barock. Kein Wunder, dass sich das fünfte Quartett überwiegend als lineares Gefüge<br />
präsentiert, das zwar an markanten Zäsuren sowie am Satzende durchweg den<br />
Einklang oder tonalen Zusammenklang sucht, durch seinen Dissonanzenreichtum<br />
der Tonalität jedoch allenthalben den gesicherten Boden entzieht. In fast allen<br />
Sätzen lässt sich Kontrapunktisches, lassen sich Imitationen und Kanonisches finden,<br />
am ausgeprägtesten in den Rahmensätzen. So verarbeitet Hindemith im Kopfsatz<br />
zwei Themen – ein rhythmisch profiliertes und ein »sehr zartes« und gesangliches,<br />
ja beinahe romantisch anmutendes – zunächst jeweils für sich als Fuge mit<br />
kunstvoller Engführung, Umkehrung und Verkürzung und amalgamiert sie gegen<br />
Ende zu einer grandiosen, im Ausdruck fast aggressiven und für die Interpreten<br />
technisch höchst anspruchsvollen Doppelfuge. Das umfangreiche Finale schlüpft<br />
dann in ein weiteres barockes Gewand: in eine gleichermaßen friedvolle wie<br />
expressive und beseelte Passacaglia mit 27 Variationen, bei der über dem prägnanten,<br />
als Basso ostinato mehrfach unverändert wiederholten, achttaktigen Thema<br />
des Cellos die übrigen Stimmen ihre eigenen Gedanken formulieren. Schließlich<br />
gipfeln die Variationen in einem dreistimmigen Fugato, in dem Hindemith außer<br />
dem variierten Ostinato vom Beginn des Satzes auch das rhythmisch betonte<br />
Thema des Kopfsatzes aufgreift. Der Kreis hat sich geschlossen.<br />
5
6<br />
Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett D-Dur KV 575<br />
Widmungen sind eine schöne Sache. Eine charmante Art, auf sich aufmerksam zu<br />
machen, sich in Erinnerung zu rufen. Nicht selten vermögen sie Ehre, Ruhm und<br />
Ansehen zu mehren. Und mit viel Glück gibt es dafür als Gegenleistung das eine<br />
oder andere Geschenk. Auf finanziellen Lohn aber – prosaisch ausgedrückt: Geld –<br />
hofft der Widmende meist vergeblich.<br />
Gerade daran aber mangelte es Wolfgang Amadeus Mozart, der seit seiner selbst<br />
provozierten Entlassung aus dem Salzburger Hofdienst sein Brot als freischaffender<br />
Musiker in Wien verdienen musste. Denn ob aufgrund der Türkenkriege, die das<br />
Publikum zum Sparen zwangen, oder aus anderen Gründen: Seine Kompositionen<br />
verkauften sich immer schlechter, Konzertverpflichtungen wurden immer rarer,<br />
und auch finanzkräftige Klavierschüler waren Mangelware. Die Ersparnisse aus den<br />
goldenen Anfangsjahren seiner Wiener Zeit waren, da Mozart gerne gut lebte und<br />
zudem überaus großzügig war, längst aufgebraucht. In den späten 1780ern, also<br />
nur wenige Jahre vor seinem frühen Tod, hatte sich Mozarts finanzielle Lage derart<br />
zugespitzt, dass er seinem Logenbruder, dem Textilhändler Michael Puchberg, verzweifelt<br />
schrieb: »Meine Laage ist so, dass ich unumgänglich genöthigt bin, Geld<br />
aufzunehmen – aber Gott, wem soll ich mich vertrauen? Niemandem als ihnen,<br />
mein Bester! [...] Wenn Sie werthester Br: mir in dieser meiner Laage nicht helfen, so<br />
verliere ich meine Ehre und Credit.« Und es sollte beileibe nicht bei diesem einen<br />
Brief bleiben.<br />
So besehen verwundert es nicht, dass Mozart sein Vorhaben, dem Cello spielenden<br />
Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. eine Serie von sechs Streichquartetten zu<br />
widmen, kurzerhand kippte. Denn was nutzten ihm etwaige Sympathiebezeugungen<br />
und ein bisschen mehr Ruhm, wenn sein Magen knurrte und er keinen<br />
Gulden in der Tasche hatte. Ihm ging es vielmehr darum, »Geld in die Hände zu<br />
bekommen«. Und so verkaufte er – »um ein Spottgeld«, wie er Puchberg klagte –<br />
die bereits zu Ende geführten ersten drei Quartette, darunter auch das 1789 entstandene<br />
Streichquartett KV 575, dem Wiener Musikverlag Artaria.<br />
»Die mühsame Arbeit«, von der im Brief an Puchberg die Rede ist, und die Sorgen,<br />
die Mozart zu jener Zeit bedrückten, merkt man dem ersten »Preußischen<br />
Quartett« allerdings mitnichten an: Trotz der – vor allem im vierten Satz – kontrapunktischen<br />
Durchgestaltung verströmt es einen duftigen Charme und ist, besonders<br />
in den Mittelsätzen, von einem lyrisch-melodischen Schmelz, dem sich anders<br />
als bei den zuvor entstandenen und Mozarts väterlichem Freund Haydn gewidmeten<br />
Quartetten auch die motivisch-thematische Arbeit unterordnet. Und noch<br />
eines ist auffällig: die demokratische Behandlung der einzelnen Instrumente. Allen<br />
voran die Aufwertung der Bratsche, deren Part Mozart häufig selbst übernahm, und<br />
des Cellos, Lieblingsinstrument von Friedrich Wilhelm II., die in diesem Quartett<br />
anders als zu jener Zeit üblich als gleichberechtigte Partner im Viererteam melodisch<br />
exponiert zu Wort kommen.
George Benjamin: Viola, Viola<br />
Es bedarf keineswegs vieler Instrumente, um große musikalische Wirkung, ja mehr<br />
noch, Konzerthallen füllendes Klangvolumen zu erzielen. Selbst mit einer noch<br />
bescheideneren, dazu höchst ungewöhnlichen Besetzung, dem Bratschen-Duo, ist<br />
derlei zu erreichen. Just darin bestand der Reiz des Auftrags, den der japanische<br />
Komponist Tōru Takemitsu kurz vor seinem Tod seinem Kollegen George Benjamin<br />
erteilte. Der 1960 in London geborene Musiker erhielt seine Ausbildung unter<br />
anderem bei Olivier Messiaen sowie bei Pierre Boulez am IRCAM in Paris. Mit seinem<br />
bei den Londoner Proms aufgeführten Orchesterwerk Ringed by the Flat<br />
Horizon war er 1980 über Nacht bekannt geworden. Aus Takemitsus Anregung ging<br />
das zehnminütige Bravourstück Viola, Viola hervor, das im September 1997 von Yuri<br />
Bashmet und Nobuko Imai bei den Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Tokyo<br />
Opera City Concert Hall uraufgeführt wurde.<br />
»Ich wollte den Eindruck von fast orchestraler Tiefe und klanglicher Vielfalt heraufbeschwören«,<br />
so George Benjamin. »Zuerst sind die beiden Viola-Stimmen virtuell<br />
ineinander verflochten – zahlreiche Elemente springen so schnell hin und her, dass<br />
das Ohr Schwierigkeiten hat zu erkennen, wer gerade spielt. Dadurch wird ein größeres<br />
Aufgebot an Instrumenten suggeriert, jedes davon definiert durch Motivik,<br />
Tempo, Dynamik und vor allem Register. Erst bei der Annäherung an das kantable<br />
Zentrum des Werks beginnen unabhängige Linien zu erblühen. Die enthaltenen<br />
Harmonien sollten so klangvoll wie möglich sein, während das musikalische Gefüge<br />
in vier oder mehr Stimmen über längere Zeiträume aufrechterhalten wird.«<br />
7
8<br />
George Benjamin in der<br />
Kölner <strong>Philharmonie</strong>, 2002<br />
Das Stück bringt eine erhitzte Konversation zwischen zwei Gleichgesinnten in<br />
Gang, gespickt mit technischen Schwierigkeiten und raffinierten Spieltechniken,<br />
keiner strikten Form verpflichtet, bisweilen frei fließend und aneinanderreihend,<br />
dann wieder im strengen Kanon geordnet. Ein bis in seine feinsten Verästelungen<br />
linear wie horizontal sorgsam ausgearbeitetes Klanggewebe von unglaublicher<br />
Energie und Klangfülle, das Benjamin – von der Kontrapunktik über Chromatisch-<br />
Spätromantisches bis zur Spektral-Musik jeglichen Stilen offen, aber wie Hindemith<br />
serielle Techniken meidend – mit teils duftigen, teils emphatisch leidenschaftlichen<br />
Melodielinien versehen hat und in dem Stille und mystisches Irrlichtern ebenso<br />
ihren Platz haben wie schroffe Dissonanzen oder vehementes Sichereifern und<br />
Aufbegehren. Gegen Ende der Komposition folgen die Spannungspausen immer<br />
dichter aufeinander, täuschen den Schluss vor, den Benjamin aber lustvoll und<br />
genüsslich hinausschiebt.
Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4<br />
Ihre Kindheit war nicht nur heiterer Sonnenschein. Und das ist beileibe nicht die<br />
einzige Parallele, die sich zwischen Hindemith und dem gut zwanzig Jahre älteren,<br />
gebürtigen Wiener Arnold Schönberg ziehen lässt. Im nationalsozialistischen<br />
Deutschland war die Aufführung ihrer Kompositionen verboten, beide emigrierten<br />
während des Zweiten Weltkriegs in die USA, und im Alter litten sie darunter, dass<br />
ihre Werke nur marginal Beachtung und Anerkennung fanden. Auch ihre musikalische<br />
Entwicklung weist Gemeinsames auf. Beide Komponisten waren auf der Suche<br />
nach zeitgemäßen, prägnanten musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten und entwickelten<br />
eigene, wenngleich in Opposition zueinander stehende Tonsysteme:<br />
Hindemith sein auf einem hierarchisch geordneten Verwandtschaftsgrad der zwölf<br />
Töne basierendes, unter dem Titel Unterweisung im Tonsatz publiziertes Modell und<br />
Schönberg seine die freie Atonalität systematisierende Methode mit zwölf gleichwertigen,<br />
»nur aufeinander bezogenen Tönen«. Und noch eine Gemeinsamkeit gilt<br />
es festzuhalten: Beider Frühwerke wurzeln in der von Mahler, Wagner und Strauss<br />
beeinflussten Spätromantik.<br />
Die bedeutendste Komposition aus Schönbergs früher Phase und das erste<br />
Instrumentalwerk, das der Komponist mit einer Opuszahl versah, ist das anno 1899<br />
auf ein Gedicht von Richard Dehmel entstandene Streichsextett Verklärte Nacht<br />
op. 4. Schon die Kritik der Uraufführung attestierte dem Stück für zwei Violinen,<br />
zwei Bratschen und zwei Violoncelli »manches Ergreifende, Rührende, manches, das<br />
den Hörer mit unwiderstehlicher Gewalt bezwingt, sich ihm in Herz und Sinne<br />
drängt«. Freilich soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Vorbehalte gab.<br />
Nicht ohne Grund kam die Komposition erst drei Jahre nach ihrer Fertigstellung<br />
erstmals zu einer Aufführung. Stein des Anstoßes war zum einen das Sujet des Gedichts,<br />
das – in der Literatur schon bald en vogue – Tabu-Themen wie sexuelle<br />
Selbstbestimmung und gegen die Konvention verstoßenden Eros in den Fokus<br />
rückte. Aber auch die Tatsache, dass Schönberg – angeregt durch Bedrˇich Smetanas<br />
zweites Streichquartett – hier die Programmmusik und die Gestaltungsprinzipien<br />
der zu jener Zeit äußerst populären sinfonischen Dichtung – allen voran die Einsätzigkeit<br />
– auf die Kammermusik übertrug, erhitzte die Gemüter.<br />
Diesem Bruch mit der Tradition entspricht die progressive formale, stilistische<br />
und harmonische Gestaltung der schwelgerischen, mal leidenschaftlich aufblühenden,<br />
mal zärtlich verhaltenen, dann wieder mystisch oder unheilvoll irrlichternden<br />
Komposition. Formal folgt Schönberg in der Verklärten Nacht, deren Partitur gespickt<br />
ist mit stetig wechselnden Tempo-Angaben, dynamischen Abstufungen und<br />
Hinweisen auf spieltechnische Raffinessen wie das Spiel am Griffbrett oder mit<br />
Dämpfer, den fünf Strophen der literarischen Vorlage: Der erste, dritte und fünfte<br />
Abschnitt der Komposition schildern den Spaziergang zweier Liebender durch die<br />
Natur und die Stille der vom Mondlicht beschienenen Nacht. Aus dem jeweils zu<br />
Beginn dieser Abschnitte ruhig abwärts schreitenden, in eine orgelpunktartige<br />
Begleitung von halben Noten eingebetteten Hauptmotiv, das häufig in mehreren<br />
Stimmen gleichzeitig erklingt, spinnt Schönberg nach Brahms’ »Technik der entwickelnden<br />
Variation« in dichter motivischer Arbeit weitreichende Zusammenhänge.<br />
Im zweiten Abschnitt zeichnen vier teils miteinander verwandte Themen in<br />
immer neu sich aufbauender Steigerung und mehrfach kontrapunktischer<br />
9
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Verarbeitung das Geständnis der Frau nach, die dem von ihr geliebten Mann eröffnet,<br />
dass sie das Kind eines anderen erwartet. Die Antwort des Mannes, der sich<br />
bedingungslos zu ihr bekennt und ihr verspricht, das Kind als sein eigenes anzunehmen,<br />
ist dem vierten Abschnitt vorbehalten. Eine wunderbare Cellokantilene,<br />
gedämpfte Flageolettklänge, die laut Schönberg die »Schönheit des Mondlichts«<br />
unterm schimmernden Weltall versinnbildlichen, und ein aufwärts strebender<br />
Kanon der ersten Violine und des ersten Cellos entkrampfen die zuvor dramatisch<br />
zugespitzte, aufs Äußerste gespannte Situation. Und obwohl als einsätziges Werk<br />
konzipiert, sind die fünf Abschnitte nicht nur charakterlich, sondern auch durch<br />
Pausen, dynamische und agogische Kontraste sowie durch ungewöhnliche, die Tonalität<br />
verschleiernde Akkorde voneinander getrennt.<br />
Womit wir bei einem weiteren Aspekt des Werkes angelangt sind: der Harmonik.<br />
Die Musik ist durchtränkt von schillernder Chromatik. Stufenweise Rückungen und<br />
das Hinauszögern, ja Ausbleiben der gewohnten Kadenzformeln treiben die emotionale<br />
Spannung bis an die Grenze des Möglichen, rauben dem Hörer schier den<br />
Atem. Tonale Zentren sind aufgelöst, die Tonalität aus den Angeln gehoben. Fast<br />
allen Themen ist ein prägnanter Beginn und oft ein offenes Ende gemein, und<br />
zudem unterscheidet sich die Tonalität der Melodie häufig von dem sie umgebenden<br />
Stimmengeflecht. Der erste Abschnitt der Verklärten Nacht verbleibt im Wesentlichen<br />
in der Haupttonart d-Moll. Die Themen des Monologs der Frau dagegen<br />
entfernen sich peu à peu davon, werden zunehmend chromatischer. Die harmonische<br />
und rhythmische Instabilität gewinnt immer mehr Raum. Auch im dritten<br />
Abschnitt tragen die chromatischen Fortschreitungen den Sieg davon. Erst der<br />
Monolog des Mannes drängt auf Ruhe, auf größere harmonische Beständigkeit und<br />
bevorzugt D-Dur, wenn auch mit Ausweichungen. Im letzten Abschnitt der Komposition,<br />
in dem das Material der vorigen Abschnitte wie in einer Art Coda in reicher<br />
Textur noch einmal zusammengefasst und miteinander verzahnt ist, kehrt die Ruhe<br />
des Anfangs zurück, jedoch ohne die dort lastende Schwere. Wie die ersten zwölf<br />
Takte des Sextetts enthalten auch die letzten fünf keine harmoniefremden Töne.<br />
Zart und im vierfachen Piano setzt sich helles D-Dur durch. »Die Nacht«, so<br />
Schönberg, ist »in eine verklärte Nacht verwandelt.«<br />
Ulrike Heckenmüller
Arnold Schönberg um 1900<br />
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Richard Dehmel 1863 – 1920<br />
Verklärte Nacht<br />
Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;<br />
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.<br />
Der Mond läuft über hohe Eichen;<br />
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,<br />
in das die schwarzen Zacken reichen.<br />
Die Stimme eines Weibes spricht:<br />
Ich trag ein Kind, und nit von Dir,<br />
ich geh in Sünde neben Dir.<br />
Ich hab mich schwer an mir vergangen.<br />
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück<br />
und hatte doch ein schwer Verlangen<br />
nach Lebensinhalt, nach Mutterglück<br />
und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,<br />
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht<br />
von einem fremden Mann umfangen,<br />
und hab mich noch dafür gesegnet.<br />
Nun hat das Leben sich gerächt:<br />
nun bin ich Dir, o Dir, begegnet.<br />
Sie geht mit ungelenkem Schritt.<br />
Sie schaut empor; der Mond läuft mit.<br />
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.<br />
Die Stimme eines Mannes spricht:<br />
Das Kind, das Du empfangen hast,<br />
sei Deiner Seele keine Last,<br />
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!<br />
Es ist ein Glanz um alles her;<br />
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,<br />
doch eine eigne Wärme flimmert<br />
von Dir in mich, von mir in Dich.<br />
Die wird das fremde Kind verklären,<br />
Du wirst es mir, von mir gebären;<br />
Du hast den Glanz in mich gebracht,<br />
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.<br />
Er fasst sie um die starken Hüften.<br />
Ihr Atem küsst sich in den Lüften.<br />
Zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.<br />
Aus: »Weib und Welt« (1896)<br />
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14<br />
Samstag 10. Februar 2007 20:00<br />
<strong>Portrait</strong> <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> 4<br />
Elegie<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> Viola<br />
Kirill Gerstein Klavier<br />
Igor Strawinsky 1882–1971<br />
Elégie (1944)<br />
für Viola solo<br />
Dmitrij Schostakowitsch 1906–1975<br />
Sonate für Viola und Klavier op. 147 (1975)<br />
Moderato<br />
Allegretto<br />
Adagio<br />
Pause<br />
György Ligeti 1923–2006<br />
Sonate für Viola solo (1991–94)<br />
Hora Lungǎ. Lento rubato (ma ritmico)<br />
Loop. Molto vivace, ritmico – with swing<br />
Facsar. Andante cantabile ed espressivo, with swing<br />
Presto con sordino. So schnell wie möglich<br />
Lamento. Tempo giusto, intenso e barbaro<br />
Chaconne chromatique. Vivace appassionato<br />
(molto ritmico e feroce)<br />
Ferruccio Busoni 1866–1924<br />
Aus: Elegien für Klavier (1907)<br />
Nach der Wendung<br />
Erscheinung<br />
Berceuse<br />
Paul Hindemith 1895–1963<br />
Sonate für Viola und Klavier op. 25, 4 (1922)<br />
Sehr lebhaft. Markiert und kraftvoll<br />
Sehr langsame Viertel<br />
Finale. Lebhafte Viertel
Elegie<br />
»Die Bratschen, man sieht sie nicht, man hört sie nicht, aber der himmlische Vater<br />
ernährt sie doch« – nun, hier und da kursieren zwar noch Bratschenwitze, sie<br />
muten jedoch reichlich anachronistisch an und können Solistinnen wie <strong>Tabea</strong><br />
<strong>Zimmermann</strong> allenfalls ein müdes Lächeln abringen; denn mittlerweile hat sich die<br />
Viola gegenüber ihrer kleinen Schwester, der Violine, nachdrücklich emanzipiert –<br />
was aber nicht heißt, dass sie der Geige in klanglicher Hinsicht nacheifern würde.<br />
Vielmehr ist es gerade das Dunkle, Warme und Elegische einerseits und das Spröde<br />
und latent Kratzbürstige andererseits, das im Zuge der Moderne und der mit ihr<br />
einhergehenden starken Fokussierung existenzieller Dimensionen einen völlig<br />
neuen Stellenwert erhielt. Da verwundert es nicht, dass das heutige Konzert ausschließlich<br />
Werke des 20. Jahrhunderts vereint. Und wenn Paul Hindemith die diesbezügliche<br />
Bedeutung der Viola in seiner Vortragsanweisung »Tonschönheit ist<br />
Nebensache« (im vierten Satz der Sonate op. 25, 1) auch pointiert zuspitzte, so steht<br />
dahinter eben ein Wandel des Klangideals und mithin des Schönheitsbegriffs, der<br />
den charakteristischen Klangqualitäten der Viola entgegenkam.<br />
Igor Strawinsky: Elégie<br />
»Tonschönheit« war auch in Igor Strawinskys 1944 komponierter Elégie eher<br />
nebensächlich, sollte das Werk – ein Auftrag des Bratschers Germain Prévost – doch<br />
an Alphonse Onnou, den 1940 verstorbenen Gründer des Pro Arte Quartetts,<br />
erinnern. Die Form ist dreiteilig: Dem einleitenden Trauergesang folgt eine langsame<br />
Fuge, die wiederum in eine Variation des Trauergesangs einmündet – wobei die<br />
Igor Strawinsky, 1954 in Rom<br />
15
16<br />
solcherart »gedämpfte« Stimmung noch dadurch unterstrichen wird, dass die Viola<br />
das ganze Stück hindurch mit Dämpfer zu spielen ist. Indes, auf struktureller Ebene<br />
begegnete Strawinsky dem semantischen Feld der »Klage« mit kühler, beinahe kristalliner<br />
Konstruktivität. So lässt die durchweg zweistimmige Disposition der Elégie<br />
zwar auch an die Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach denken, die<br />
Polyphonie zumal des Mittelteils geriet freilich derart komplex, dass Strawinsky sie<br />
in einem seiner Entwürfe auf zwei Systeme notierte – vermutlich, um das Verhältnis<br />
der beiden Stimmen zueinander optisch zu verdeutlichen. Für zwei Instrumente<br />
war das Werk jedenfalls keineswegs vorgesehen; fernab herkömmlicher Virtuosität<br />
fordert es die ganze Konzentration und Ausdruckskraft der Solistin.<br />
Dmitrij Schostakowitsch: Sonate für Viola und Klavier op. 147<br />
Auch in der Duo-Sonate, der wohl intimsten Gattung der Kammermusik, stand die<br />
Viola lange im Schatten der Violine – wo sich aber, statt vertraulichem Zwiegespräch<br />
der Instrumente, Konflikte und (existenzielle) Krisen in den Vordergrund<br />
drängen, schlägt ihre Stunde. Ob der russische Komponist Dmitrij Schostakowitsch<br />
es ahnte, dass die Sonate op. 147 sein letztes Werk werden sollte, sei dahingestellt,<br />
wohl aber setzte er sich in ihr, wie in seinem späten Schaffen überhaupt, unmissverständlich<br />
mit dem Tod auseinander. »Ich befinde mich jetzt im Krankenhaus. Ich<br />
habe Ärger mit meinem Herzen und mit den Lungen. Meine rechte Hand schreibt<br />
nur mit großer Mühe. Obgleich es sehr schwierig war, habe ich die Sonate für Viola<br />
und Klavier doch zu Ende bringen können«, bemerkte er vier Wochen vor seinem<br />
Tod (9. August 1975). Uraufgeführt wurde die Sonate dann in Gedenken an<br />
Schostakowitsch am 1. Oktober 1975 von Fjodor Druschinin, dem Bratscher des<br />
Beethoven-Quartetts, und dem Pianisten Swjatoslaw Richter.<br />
Begonnen hatte Schostakowitschs langer Leidensweg bereits knapp zehn Jahre<br />
vorher: Im Mai 1966 erlitt er einen schweren Herzinfarkt, dessen Folgen sich auch in<br />
seinem Schaffen widerspiegelten. Zwar verspürte er Anfang 1967 wieder kreative<br />
Impulse, stilistisch leitete er aber einen tiefgreifenden Wandel zu Reduktion und<br />
Mstislav Rostropowitsch<br />
und Dmitrij Schostakowitsch<br />
beim Partiturstudium
Konzentration der musikalischen Mittel ein – was sich klanglich in fahler Leuchtkraft<br />
und strukturell im wachsenden Einfluss der (allerdings nicht streng gehandhabten)<br />
Zwölftontechnik niederschlug. Während der Ruhm Schostakowitschs, der<br />
wie kaum ein anderer Komponist dem politischen Klima seiner Zeit (vor allem<br />
unter Stalin) unterworfen war, in den 1960er und 70er Jahren stetig wuchs, wandte<br />
er sich im Gegenzug zwangsläufig mehr und mehr von der Welt ab. Am stärksten<br />
zum Ausdruck kam dies womöglich in dem 1974 entstandenen 15. Streichquartett,<br />
das er – als Zeichen von Abschied, Trauer und Resignation – lediglich aus ineinander<br />
fließenden Adagios formierte. Aber auch in der Sonate op. 147 sind Satzstrukturen<br />
und thematisches Material extrem karg gehalten und deuten mithin auf<br />
Rückzug und Selbstauflösung.<br />
Ganz aus gespannter Ruhe entfaltet sich der Kopfsatz (Moderato), der sich rhapsodisch<br />
zu leidenschaftlichem und dramatischem Aufbegehren steigert. Vor allem<br />
der äußerst zarte, zerbrechliche Anfang gemahnt an Alban Bergs Violinkonzert Dem<br />
Andenken eines Engels. Und will man Fjodor Druschinin, der mit Schostakowitsch bis<br />
zuletzt in engem Kontakt stand, glauben, dann bezeichnete dieser das Moderato gar<br />
als »Novelle«. Zudem seien die Schmerzen seiner rechten Hand gleichsam in die<br />
Texturen des Satzes eingewoben. Dagegen mutet der kontrastierende Mittelsatz<br />
eher tänzerisch und phasenweise geradezu folkloristisch an. In dieses scherzoartige<br />
Allegretto sind im Sinne eines Rückblicks Passagen aus der Oper Der Spieler (nach<br />
Gogol) eingegangen, deren Komposition Schostakowitsch 1942 abgebrochen<br />
hatte. Noch weit markanter ist indes die assoziative Anlehnung, die das finale<br />
Adagio prägt, scheint doch das Thema des ersten Satzes aus Beethovens »Mondscheinsonate«<br />
durch. Das Adagio sei »zur Erinnerung an Beethoven« geschrieben, so<br />
Schostakowitsch, Druschinin solle sich aber nicht befangen fühlen, »die Musik ist<br />
hell, hell und klar«. Dieser Einschätzung des Komponisten zum Trotz überwiegt in<br />
den weit gespannten, sich bogenförmig immer mehr in sich selbst zurückziehenden<br />
Linien der Viola die Düsternis, ja, im Verein mit dem schattenhaften Anklang an<br />
die »Mondscheinsonate« drängt sich der Eindruck einer halluzinatorischen Reise<br />
auf, die schließlich ersterbend ausläuft – ein in seiner Intensität ergreifendes<br />
Lebewohl, das freilich gänzlich ohne Pathos auskommt.<br />
17
18<br />
György Ligeti: Sonate für Viola solo<br />
György Ligeti, 1989<br />
Pathos war auch dem kürzlich verstorbenen ungarischen Komponisten György<br />
Ligeti fremd, der zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten der Zeit nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg zählt. Für seine zwischen 1991 und 1994 in Etappen entstandene<br />
Sonate für Viola solo wurde er von der Solistin des heutigen Konzerts<br />
inspiriert: »Ich hörte vor Jahren <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>s Spiel auf der C-Saite und war<br />
davon begeistert; dieser Klang führte mich später zur Konzeption der Sonate.«<br />
Ganz der »wunderbar und herb klingenden C-Saite« des Instruments ist denn auch<br />
der erste Satz (Hora Lungǎ) gewidmet, der auf eine Gattung rumänischer Volkslieder<br />
aus dem Maramures-Gebiet im Norden des Karpatenbogens bezogen ist.<br />
Solcherart verweist Ligeti auf seine musikalischen Wurzeln, trat er doch, bevor er<br />
1956 nach Deutschland übersiedelte, zunächst – nach dem Studium an der<br />
Budapester Musikhochschule – als Volksmusikforscher in die Fußstapfen seines<br />
Landsmanns (und Vorbilds) Béla Bartók. Indes, lediglich imitiert werden die<br />
Volkslieder gerade nicht. Vielmehr griff Ligeti die für sie charakteristische<br />
Aneinanderreihung »stereotyper melodischer Wendungen und Figuren« sowie<br />
eine »zwischen lydisch und mixolydisch schillernde« Obertonreihe auf. Wie stark<br />
sich darüber hinaus volksmusikalische Einflüsse und künstlerische Überhöhung in<br />
Ligetis Sonate durchdringen, lässt sich an seiner folgenden Erläuterung ermessen:<br />
»Nun wären Obertöne auf der C-Saite kinderleicht auszuführen (und sie kommen<br />
auch vor, doch nur als ›Fußnoten‹). Indessen habe ich mir vorgestellt, die Bratsche<br />
hätte eine um eine Quinte tiefere, real nicht vorhandene F-Saite, und deren fünfter,<br />
siebter und elfter Oberton wären dann die im temperierten System ›falsch‹ klingenden<br />
Naturtöne. Da die F-Saite imaginär ist, bitte ich den Bratschenspieler, die<br />
Intonationsabweichungen bewusst zu greifen. Das klingende Ergebnis ist dann<br />
eigenartig fremd.«<br />
Insgesamt besteht die Sonate aus sechs Sätzen, die, »oberflächlich betrachtet«,<br />
eine Serie von »Charakterstücken« konstituieren und »trotz ihrer Virtuosität formal<br />
recht einfach sind«. Einen Sinn, so Ligeti weiter, erhalte diese Art von Musik aber nur<br />
auf einer abstrakteren, übertragenen Ebene – wobei er damit auf die komplexe,
punktuell durchaus auch humorvoll gemeinte Überblendung heterogener Assoziationsfelder<br />
anspielt. Dieser Ansatz, mit dem er weite geistige Räume bis hin zu<br />
Kindheitserinnerungen erschließt und spitzfindig miteinander verknüpft, ist für<br />
sein musikalisches Denken überhaupt kennzeichnend und kommt zumal in seinen<br />
späteren Werken, so eben auch in der Sonate für Viola solo, zum Tragen: »Für mich<br />
als zehn- bis elfjährigen Buben bedeutete die ungarische Übertragung von ›Alice in<br />
Wonderland‹ ein Grunderlebnis. Lewis Carroll ist aber nur eine der vielen Konnotationsschichten.<br />
Unmittelbar streichertechnisch (insbesondere hinsichtlich der<br />
komplexen Mehrfachgriffe) bilden die drei Solosonaten für Violine von Bach nicht<br />
nur die Grundlage der instrumentalen Konzeption, sondern – vor allem die C-Dur-<br />
Sonate – das nie erreichbare Ideal.«<br />
Ferruccio Busoni: Elegien für Klavier<br />
Stand Busoni als Komponist eher im Schatten des gefeierten Klaviervirtuosen und<br />
(mitunter scharfzüngigen) Musiktheoretikers, so hat das Interesse an seinen Kompositionen<br />
in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen – was sich nicht zuletzt<br />
in Neuinszenierungen seiner Opern Die Brautwahl und Doktor Faustus niederschlug.<br />
Dass der Komponist nicht vom Virtuosen und Theoretiker zu trennen ist,<br />
zeigt sich zumal im umfangreichen Schaffen Busonis für »sein« Instrument, das<br />
Klavier. Auf ihm experimentierte er mit neuen Techniken und Klängen, die in andere<br />
Gattungen, wenn überhaupt, erst viel später eingingen. Bereits in seiner Kindheit<br />
schrieb er fast 80 Klavierstücke, von denen die meisten allerdings ungedruckt blieben.<br />
Und der Kreis schließt sich mit den Sieben kurzen Stücken zur Pflege des polyphonen<br />
Spiels und den Prélude et Etude en Arpèges von 1923. Diese Titel deuten<br />
bereits an, dass Busoni mit dem Klavierspiel auch pädagogische Zwecke verfolgte:<br />
So notierte er 1898 dezidierte Übungsregeln für Klavierspieler, worunter sich<br />
neben konkreten technischen Anleitungen auch der folgende visionäre Hinweis<br />
findet: »Nimm von vornherein an, dass auf dem Klavier alles möglich ist, selbst wo<br />
es dir unmöglich scheint, oder wirklich ist.«<br />
Ferruccio Busoni am Klavier
20<br />
Paul Hindemith (Viola),<br />
Alice Ehlers (Klavier) und<br />
Rudolf Hindemith (Cello) bei<br />
einem Konzert in der Hochschule<br />
für Musik, Berlin 1927<br />
Dies korrespondiert wiederum eng mit Busonis musiktheoretischen Einlassungen,<br />
deren berühmteste und umstrittenste der 1906 verfasste Entwurf einer neuen<br />
Ästhetik der Tonkunst ist: »Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre<br />
Bestimmung«, lautet das Credo dieser Schrift, auf die der konservativ eingestellte<br />
Komponist Hans Pfitzner mit dem polemischen und nationalistisch eingefärbten<br />
Pamphlet Futuristengefahr – bei Gelegenheit von Busoni’s Ästhetik reagierte.<br />
Janusköpfig zwischen Vergangenheit und Zukunft stehen die ein Jahr nach dem<br />
Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst komponierten Elegien für Klavier, in denen<br />
das Fundament der funktionalen Harmonik zumindest partiell stark gelockert erscheint.<br />
Ursprünglich enthielt der Elegien-Band fünf Stücke, denen Busoni zunächst<br />
noch ein – geradezu programmatisch Nach der Wendung überschriebenes –<br />
Präludium voranstellte. Später fügte er noch die Klavierfassung seiner Berceuse von<br />
1909 als siebtes Stück hinzu. Wie eng die Elegien mit anderen Werken Busonis verbunden<br />
sind, kann allein daraus geschlossen werden, dass Nach der Wendung als einziges<br />
Stück nicht als Bearbeitung einer früheren oder als Vorstufe einer späteren<br />
Komposition zu erkennen ist. So kehrt die dritte Elegie (das Choralvorspiel Meine<br />
Seele bangt und hofft zu Dir) in der Fantasia Contrappuntistica wieder, während die<br />
vierte (Turandots Frauengemach. Intermezzo) eine Bearbeitung des fünften Satzes der<br />
Orchester-Suite aus der Musik zu Gozzis Turandot darstellt. Busoni selbst sah in der<br />
sechsten Elegie (Erscheinung. Notturno) »wohl das merkwürdigste« Stück der Sammlung.<br />
In der Tat fällt es durch harmonische und tonale Extravaganzen auf, die freilich<br />
in die Form eines Lisztschen Virtuosenstücks gekleidet sind – worin sich Busonis<br />
Zwitterstellung zwischen »romantischem« Virtuosentum und seinem auch theoretisch<br />
verfochtenen Aufbruch in die Moderne offenbart.
Paul Hindemith: Sonate für Viola und Klavier op. 25, 4<br />
Busoni war einerseits selbst Anfeindungen ausgesetzt, konnte andererseits aber<br />
auch kräftig austeilen – wie nicht nur seiner Erwiderung auf Pfitzners Futuristengefahr,<br />
sondern auch Äußerungen über andere Tonkünstler, so über Paul<br />
Hindemith, zu entnehmen ist: »der komponiert mit derselben Selbstverständlichkeit,<br />
wie ein Hund bellt und ein Hahn kräht […], was ich bedaure ist das Wesen, das<br />
man von dem komponierenden Bratschisten macht und das ihn in dem Glauben an<br />
seine erreichte Meisterschaft bekräftigt: womit ich eigentlich es besser mit ihm<br />
meine als seine Anstauner.« Nun, Busoni wollte die Bezeichnung »komponierender<br />
Bratschist« gewiss abschätzig verstanden wissen, für sich genommen verkörperte<br />
Hindemith dies jedoch in bestem Sinne: Zum einen spielte er die Viola im 1921<br />
gegründeten Amar Quartett, das sich gezielt der zeitgenössischen Musik widmete<br />
und bei den (im gleichen Jahr ins Leben gerufenen) Donaueschinger Musiktagen<br />
mitwirkte; und zum anderen schrieb er Herausragendes für Bratsche alleine und<br />
Bratsche mit Klavier sowie Konzerte – was zumal <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> motiviert,<br />
sich gerade für Paul Hindemith und sein Schaffen immer wieder einzusetzen.<br />
Zu den Werken mit Klavierbegleitung gehört die Sonate op. 25 Nr. 4, die 1922 entstand<br />
– zu einer Zeit, als Hindemiths vormals expressionistischer Ansatz, realisiert<br />
etwa in seiner Oper Mörder, Hoffnung der Frauen (1919), allmählich in einer linearen,<br />
gleichsam »versachlichten« Schreibweise aufging. Dies betraf freilich nicht<br />
Hindemith allein, sondern war Ausdruck eines neuen – unter dem Schlagwort »Neue<br />
Sachlichkeit« subsumierten – Lebensgefühls im Zeichen von Kino, Jazz, Sport,<br />
21
22<br />
Zerstreuungen jeglicher Art, Faszination für Maschinen und vor allem hektischer<br />
Betriebsamkeit. So schilderte Hindemith 1922 in einem Brief stichpunktartig seine<br />
Geschäftigkeit: »Viel Orchester, sehr viele Konzerte, sehr viele Reisen. Und furchtbar<br />
viel komponiert […] chronischer Arbeitsfimmel.« Auf Hindemiths legendäres Komponiertempo<br />
mochte Busoni im Übrigen mit seiner oben zitierten Bemerkung<br />
ebenfalls angespielt haben.<br />
Nun spiegelt sich das Phänomen der Schnelllebigkeit in Vortragsanweisungen<br />
wie Rasendes Zeitmaß (Sonate op. 25, 1) oder Prestissimo (Streichquartett op. 16)<br />
wider, dennoch sind Hindemiths Werke keineswegs nur Momentaufnahmen oder<br />
Blitzlichter des Zeitgeistes. Sie sind zwar – wie jede Musik – Ausdruck ihrer Zeit, im<br />
Gegenzug aber ebenso, aufgrund ihrer kompositorischen Meisterschaft, von zeitloser<br />
Gültigkeit. Uneingeschränkt steht dafür auch die Sonate op. 25 Nr. 4: mit der von<br />
gleißender Emphase flankierten Balance zwischen stoischem Fortschreiten und<br />
scheinbar ziellosem Kreisen im Kopfsatz, mit dem fast träumerisch-introvertierten<br />
Innehalten im langsamen Mittelsatz und dem jähen Erwachen im Finale, in dessen<br />
nervösem, sprunghaftem Gestus das (alles überrollende) Räderwerk der »Moderne«<br />
eindringlich aufscheint.<br />
Egbert Hiller
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong><br />
Ein <strong>Portrait</strong> von Johannes Hirschler<br />
Gerne deutet man bei bedeutenden Malern, Schriftstellern und Musikern jeden<br />
Lebensmoment als unausweichlichen Schritt auf dem langen Weg zur Entfaltung<br />
des Genies – und übersieht dabei, wie viele glückliche Umstände zusammenkommen<br />
müssen, damit eine außergewöhnliche Begabung auch genährt wird und sich<br />
entfalten kann.<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> beginnt mit drei Jahren Bratsche zu spielen. Ein<br />
ungewöhnlicher Einstieg. Viele Bratschistinnen und Bratscher spielen zunächst<br />
Geige und steigen irgendwann um auf das Alt-Instrument der Streicherfamilie.<br />
Nicht so <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>, die 1966 als viertes Kind in eine musisch veranlagte<br />
Familie im badischen Lahr geboren wird. Die älteren Geschwister spielen jedes ein<br />
Instrument. Klavier, Geige und Cello sind schon vergeben, aber die Dreijährige will<br />
auch mitspielen. »Meine älteren Geschwister mussten jeden Tag üben. Da habe ich<br />
mir eben auch ein Notenpult genommen, zwei Kochlöffel aus der Küche geholt und<br />
eine Viertelstunde mitgeübt«. Das hält sie, starrköpfig wie sie ist, ein halbes Jahr<br />
durch, bis die Eltern den Geigenlehrer der älteren Schwester ansprechen, Dieter<br />
Mantel an der Musikschule Lahr. »Er hatte die Vision, dass auch Kinder mit Bratsche<br />
beginnen könnten«, erinnert sich <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>. »Ich bekam eine Achtelgeige<br />
mit Bratschensaiten, das muss jämmerlich gequietscht haben«. Jetzt kann sie<br />
mitspielen im Geschwisterverbund, vor allem Streichtrio mit den Schwestern. Sie<br />
hat ihre Nische, in der sie sich in Ruhe entwickeln kann: »Als jüngeres Geschwisterkind<br />
bekommt man eine Menge mit, ohne aktiv daran zu arbeiten. Man will es<br />
den älteren zeigen und fühlt sich angespornt. Ich hatte wahnsinniges Glück, bei der<br />
Bratsche zu landen. Junge Bratscher gab es gar nicht, und wo immer ich hinkam,<br />
war ich die süße Kleine.«<br />
23
24<br />
Zehn Jahre bleibt <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> bei Dieter Mantel: »Noch heute ist er für<br />
mich mein wichtigster Lehrer. Er hat uns Kindern die Lebendigkeit und das Spontane<br />
an der Musik mitgegeben, und auch das Verständnis für Kammermusik.« Mit<br />
dreizehn geht sie an die Freiburger Musikhochschule, das Gymnasium wird sie<br />
nicht beenden. Bei Ulrich Koch an der Hochschule erwirbt sie sich Repertoire, eine<br />
stabile Technik und die Fähigkeiten zum Auftreten. In ihrer Freiburger Zeit spielt sie<br />
auch zum ersten und bislang einzigen Mal die Viola d’amore, für eine Aufführung<br />
der Johannes-Passion. »Das hat mein Verständnis von Bratschentechnik völlig umgekrempelt.<br />
Ich hatte bis dahin immer mit Schulterstütze gespielt, und das geht auf<br />
der Viola d’amore nicht. Da musste ich ohne auskommen und merkte mit einem<br />
Mal, was mir das auf der Bratsche für Möglichkeiten bot.«<br />
Von Freiburg geht sie für ein kurzes und intensives Aufbaustudium ans Salzburger<br />
Mozarteum zu Sándor Végh, sie nimmt an Wettbewerben teil und konzertiert.<br />
»Mit sechzehn, siebzehn Jahren war ich plötzlich Berufsmusikerin, ohne Gelegenheit<br />
gehabt zu haben, zu überlegen, was ich eigentlich werden will.« Das war<br />
nicht immer leicht für sie: »Auf meinen Konzertreisen kam ich überall zum ersten<br />
Mal hin und kannte niemanden, und ich wusste auch nicht, wie man Kontakte<br />
knüpft. Manchmal habe ich nach drei oder vier Tagen das erste Mal wieder gesprochen,<br />
wenn ich etwas eingekauft habe. Dann habe ich sogar ein bisschen gestottert.«<br />
Heute sind ihr die Konzertsäle der Welt vertraut, und sie trifft häufig auf alte<br />
Bekannte. Besonders glücklich ist sie auf den Konzertreisen des Arcanto Quartetts,<br />
das sie 2002 gemeinsam mit den befreundeten Musikern Antje Weithaas, Daniel<br />
Sepec und Jean-Guihen Queyras gegründet hat. »Das Tourneeleben ist mir außerordentlich<br />
suspekt. Aber mit dem Quartett ist es herrlich, die gemeinsamen Konzerte,<br />
die Zugfahrten, man ist immer in Gesellschaft.«<br />
1982 gewinnt <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> den internationalen Concours in Genf, 1984<br />
den Wettbewerb in Budapest. Ein Jahr zuvor entscheidet sie den Wettbewerb<br />
»Maurice Vieux« in Paris für sich. Der erste Preis ist eine flammend rot-orange<br />
Bratsche des zeitgenössischen Geigenbauers Etienne Vatelot. <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong><br />
reagiert mit badischem Understatement: »Ich dachte zunächst, was will ich mit<br />
einer neuen Bratsche. Sie schien mir damals viel zu groß. Aber sie war von Anfang<br />
an gut, und wir haben uns sehr miteinander angefreundet und entwickeln uns<br />
gemeinsam weiter.« Anders als italienische Meisterinstrumente aus dem 17. und<br />
18. Jahrhundert, etwa von Guarneri und Stradivari mit ihrem brillanten, aber schmalen<br />
Klang, ermöglicht ihr das Instrument ihren charakteristisch großen, strahlenden<br />
Ton und die profunde Kraft, die sie auf der tiefsten Saite, der C-Saite, entwickelt. Die<br />
regt sogar György Ligeti zu einer ihr gewidmeten Komposition an: »Er hatte mich in<br />
Köln bei der Uraufführung eines Bratschenkonzertes gehört, das mit einem traurigen<br />
jüdischen Thema auf der C-Saite beginnt. In der Pause kam er zu mir und sagte,<br />
›wenn Sie so weiterspielen, bekommen Sie noch ein Stück von mir‹. Der erste Satz<br />
seiner Sonate wird ausschließlich auf der C-Saite gespielt und ist technisch absolut<br />
grenzwertig.« Auch andere Komponisten schreiben für sie, darunter Größen wie<br />
Wolfgang Rihm, Sally Beamish und Heinz Holliger. Neue Musik ist ein wesentlicher<br />
Bestandteil ihres Repertoires, inzwischen hat sie mehr als dreißig Uraufführungen<br />
gespielt. Das große Solorepertoire wie die Bratschenkonzerte von Paul Hindemith,<br />
Béla Bartók und Alfred Schnittke spielte sie mit Dirigenten wie Kurt Masur,<br />
Christoph Eschenbach, Nikolaus Harnoncourt, James Conlon und David Shallon.
Es ist ihre besondere Fähigkeit, einerseits mühelos solistisch ein ganzes Orchester<br />
zu überstrahlen, andererseits ganz selbstverständlich in der Kammermusik einen<br />
dienenden Part einzunehmen. Sie ist viel gefragt in den unterschiedlichsten Besetzungen<br />
und musiziert mit Partnern wie Heinz Holliger, Frank Peter <strong>Zimmermann</strong>,<br />
Silke Avenhaus, Pierre-Laurent Aimard, Alfred Brendel, Gidon Kremer und Steven<br />
Isserlis. Ein Kritiker der Frankfurter Rundschau bringt auf den Punkt, warum sie weltweit<br />
ihr Publikum wie ihre Kollegen zu faszinieren vermag: »Wenn <strong>Tabea</strong><br />
<strong>Zimmermann</strong> als Bratscherin in einem Kammerensemble musiziert, beginnen die<br />
Stücke von innen heraus zu leuchten«. Mit Hartmut Höll, dem langjährigen Begleiter<br />
von Dietrich Fischer-Dieskau, hat sie eine enge künstlerische Zusammenarbeit<br />
entwickelt, die auch auf etlichen ihrer inzwischen rund 30 Einspielungen dokumentiert<br />
ist.<br />
1987 lernt <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> ihren ersten Mann, den Dirigenten David Shallon<br />
kennen. Mit ihm hat sie die beiden Söhne Yuval und Jonathan, die sie auch auf ihre<br />
Tourneen mitnimmt, wann immer es geht. »Die Schwangerschaften haben mich<br />
sehr verändert, alles wurde viel existenzieller dadurch. Vielleicht tritt die Bratsche<br />
manchmal in den Hintergrund, aber wenn ich Musik mache, dann hundertprozentig.<br />
Durch die Kinder habe ich heute ein viel reicheres Gefühlsleben, inner- und<br />
außerhalb der Musik.« Mit ihrem Mann konzertiert sie viel gemeinsam, bis zu seinem<br />
plötzlichen Tod im Jahr 2000. Ein Jahr später lädt sie die Freunde Antje<br />
Weithaas und Jean-Guihen Queyras dazu ein, am Todestag ihres Mannes mit ihr<br />
gemeinsam zu musizieren. Daraus entwickelt sich 2002 das Arcanto Quartett. »Ich<br />
habe lang gezögert, obwohl ich viel Kammermusik gespielt habe. Für mich muss<br />
25
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>,<br />
2004 in der Kölner <strong>Philharmonie</strong><br />
26<br />
Kammermusik aus dem inneren Bedürfnis entstehen, sich mit Menschen so zu verschränken,<br />
dass jeder seine Seele öffnet und man gemeinsam ausdrückt, was in den<br />
Noten steht.« Und mit diesem Anspruch, der keine Hierarchien und angemaßte<br />
Autorität akzeptiert, bestreitet sie auch ihre Solokonzerte: »Wenn ich irgendwo<br />
gastiere und ein Stück zum fünfundzwanzigsten Mal spiele, dann habe ich mir viele<br />
Gedanken darüber gemacht. Gelegentlich treffe ich auf Dirigenten, die das Stück<br />
nicht kennen oder vielleicht auch nicht mögen. Dann gehe ich offensiv auf das<br />
Orchester zu und teile ihm meine musikalischen Ideen mit«. Zum Selberdirigieren<br />
wäre der Schritt nicht weit, aber auch da geht sie ihre eigenen Wege: »Mit den<br />
Bochumer Symphonikern habe ich die Streicherserenade von Brahms gespielt, als<br />
eine Art 2. Konzertmeisterin vom ersten Pult der Bratschen aus, die ich den 1. Geigen<br />
gegenüber platziert habe. Es ist klanglich ein enormer Unterschied, ob ein<br />
Tempowechsel auf Anweisung kommt oder aus einem gemeinsamen Atem, auch<br />
wenn man dafür acht Proben braucht«. Ein ähnliches Projekt hat sie auch mit dem<br />
Chamber Orchestra of Europe gespielt.<br />
Seit 2003 ist <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> mit Steven Sloane, dem Chefdirigenten der<br />
Bochumer Symphoniker, verheiratet. Auch diese Beziehung hat eine starke musikalische<br />
Seite. Zuletzt gingen sie gemeinsam mit dem Bundesjugendorchester, dem<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> einst selbst angehörte, und dem Bratschenkonzert On Opened<br />
Ground von Mark-Anthony Turnage auf Tournee. Im Herbst 2005 waren sie gemeinsam<br />
in China beim Musikfestival in Peking. Mit dabei: die 2003 geborene gemeinsame<br />
Tochter Maya und ihre Brüder: »So oft es geht, nehmen wir sie mit. Wir alle profitieren<br />
sehr viel von diesen Reisen, und versuchen, das intensiv nachzubereiten.«
Neu – oder vielmehr wieder neu – ist für sie das Spiel auf Darm- statt auf Stahlsaiten.Vor<br />
vier Jahren konzertierte sie im Bonner Beethoven-Haus auf der Bratsche,<br />
mit der der Komponist in der Hofkapelle seinen Dienst versah; das Instrument war<br />
wie zu seiner Zeit mit Darmsaiten bespannt. »Kürzlich habe ich auch meine eigene<br />
Bratsche mit Darmsaiten bespannt, um Bachfugen zu spielen und jetzt mit<br />
Christopher Hogwood und dem Basler Kammerorchester eine Transkription von<br />
Mozarts Klarinettenkonzert. Das war das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass ich wieder<br />
auf Darmsaiten gespielt habe. Ich hatte völlig vergessen, was für einen Preis ich<br />
für die Stahlsaiten bezahle in punkto Klangproduktion, Klangschattierungen und<br />
Ausdrucksmöglichkeiten.«<br />
Auch ihre Studenten werden sich wohl in den kommenden Semestern mit<br />
der Frage »Stahl- oder Darmsaiten?« auseinandersetzen. 1987 wurde <strong>Tabea</strong><br />
<strong>Zimmermann</strong> Professorin an der Musikhochschule Saarbrücken. 1994 erhielt sie<br />
einen Ruf nach Frankfurt, und seit 2002 unterrichtet sie an der Hochschule für<br />
Musik »Hanns Eisler« in Berlin. So, wie sie für ihr Musikmachen einmal fixierte Interpretationen<br />
ablehnt, betreibt sie auch bei ihren Studierenden produktive Verunsicherung:<br />
»Die sind zunächst völlig orientierungslos, weil ihnen niemand mehr<br />
sagt, Aufstrich, Abstrich, 2. Lage, 4. Lage, sondern weil ich ihnen lauter Fragen stelle.<br />
Es hat mit einem Kunststudium nichts zu tun, wenn man genaue Spielanweisungen<br />
gibt. Man muss bewusst Entscheidungen treffen und begründen können, nur dann<br />
kann man von Interpretation sprechen«. Aber genauso wie sie sie fordert, ist sie<br />
auch da für ihre Studenten: »Manche kommen auch zu mir nach Hause, und manchmal<br />
kann man auch mit einer ausführlichen Beratung am Telefon die Seele wieder<br />
so ins Gleichgewicht bringen, dass man wieder den richtigen Lagenwechsel machen<br />
kann.« – Nur üben als Selbstzweck, das hat bei ihr keinen Platz: »Es geht<br />
immer darum, etwas zu lernen, um damit eine musikalische Idee auszudrücken.«<br />
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28<br />
Biografien<br />
Arcanto Quartett<br />
Nach mehrjährigem gemeinsamen Kammermusikspiel in wechselnden<br />
Formationen, im Sommer 2002 erstmalig als Streichquartett, haben<br />
Antje Weithaas, Daniel Sepec, <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> und Jean-Guihen<br />
Queyras im selben Jahr das Arcanto Quartett gegründet. Im Juni 2004<br />
gab das Arcanto Quartett in Stuttgart erfolgreich sein Debütkonzert. In<br />
den darauf folgenden Spielzeiten war das Quartett u.a. im Beethoven-<br />
Haus Bonn, im Vredenburg Utrecht, im Théâtre du Châtelet Paris, im<br />
Conservatoire royal de Bruxelles, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen,<br />
bei Leif Ove Andsnes’ Kammermusik-Festival in Risør sowie in der<br />
Wigmore Hall London, in der Alten Oper Frankfurt, im Concertgebouw<br />
Amsterdam und in Mailand zu hören. Höhepunkte der laufenden Saison<br />
sind die Debüts des Arcanto Quartetts bei den Festivals in Helsinki,<br />
Edinburgh und Montreux, im Konzerthaus Wien, im Megaron Athen und<br />
im Auditorio Nacional de Música in Madrid. Im November 2006 ging das<br />
Arcanto Quartett außerdem erstmals auf eine Japan-Tournee. In der<br />
Kölner <strong>Philharmonie</strong> spielt das Arcanto Quartett nun zum ersten Mal.<br />
Kirill Gerstein<br />
Seine musikalische Ausbildung erhielt Kirill Gerstein zunächst im russischen<br />
Voronezh, wo er eine Musikschule für besonders begabte Kinder<br />
besuchte. 1993 wurde er dann mit 14 Jahren der jüngste Student in der<br />
Geschichte des Berklee College of Music in Boston, nachdem er auf einem<br />
Jazzfestival in Polen entdeckt worden war. Nach seinem zweiten Besuch<br />
der Sommerkurse in Tanglewood wechselte er an die Manhattan School<br />
of Music und studierte bei Solomon Mikowsky. 2000 debütierte Kirill<br />
Gerstein mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter David Zinman in<br />
Europa, 2002 beim Ravinia Festival mit dem Chicago Symphony Orchestra<br />
Arcanto Quartett<br />
Kirill Gerstein
Danjulo Ishizaka<br />
unter Christoph Eschenbach. In der aktuellen Saison tritt Kirill Gerstein<br />
mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra, dem City of Birmingham<br />
Symphony Orchestra, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem Hong<br />
Kong Philharmonic Orchestra, dem Detroit Symphony Orchestra, dem<br />
Indianapolis Symphony Orchestra sowie dem Zürcher Kammerorchester<br />
und auf einer großen Tournee durch Deutschland mit den Moskauer<br />
Philharmonikern auf. Mit Soloabenden gastiert er im Konzerthaus Wien,<br />
in Madrid, Las Palmas und Badenweiler. Verschiedene Kammermusikprojekte<br />
mit Steven Isserlis, Kolja Blacher, Clemens Hagen und <strong>Tabea</strong><br />
<strong>Zimmermann</strong> führen ihn durch ganz Europa. 2006 erschien in Zusammenarbeit<br />
mit dem Klavier-Festival Ruhr und der Zeitschrift FonoForum<br />
eine Live-CD von Kirill Gerstein. Bei uns ist er regelmäßig zu Gast, zuletzt<br />
im November 2006 im Rahmen der Reihe »Weltbürger Strawinsky«.<br />
Danjulo Ishizaka<br />
Danjulo Ishizaka, geboren 1979, studierte bei Hans-Christian Schweiker in<br />
Köln, an der Indiana University und an der Hochschule für Musik »Hanns<br />
Eisler« in Berlin – von 1998 bis 2004 bei Boris Pergamenschikow, anschließend<br />
bei Antje Weithaas und <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>. Er gewann u. a.<br />
2001 den Ersten Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD<br />
München sowie 2002 den Grand Prix Emanuel Feuermann der Kronberg<br />
Academy und der Universität der Künste Berlin. Danjulo Ishizaka gastiert<br />
regelmäßig bei bedeutenden Festivals wie dem Kronberg Cello-Festival,<br />
dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival,<br />
dem Jerusalem Chamber Music Festival, beim Kissinger Sommer und bei<br />
den Osterfestspielen Salzburg. Tourneen führen ihn durch Europa, in die<br />
USA, nach China, Russland und Japan. Im März 2006 debütierte er in der<br />
New Yorker Carnegie Hall. Er konzertiert mit Künstlern wie Gidon Kremer<br />
oder Lars Vogt und renommierten Orchestern wie dem Symphonieorchester<br />
des Bayerischen Rundfunks, dem Baltimore Symphony Orchestra, dem<br />
NHK Symphony Orchestra und den Wiener Symphonikern unter Dirigenten<br />
wie Christoph Poppen, Mstislav Rostropovich und Krzysztof Penderecki. In<br />
dieser Saison gibt er auf Europa-Tourneen seine Debüts mit dem Gewandhausorchester<br />
Leipzig, dem Bruckner Orchester Linz unter Gerd Albrecht<br />
und dem Royal Philharmonic Orchestra. Die BBC wählte ihn für das renommierte<br />
»New Generation Artists«-Programm aus. Seine Debüt-CD, die er<br />
mit dem Pianisten Martin Helmchen eingespielt hat, wurde 2006 mit dem<br />
ECHO Klassik (Nachwuchskünstler des Jahres) ausgezeichnet. Danjulo<br />
Ishizaka spielt das von Wolfgang Schnabl erbaute Violoncello der<br />
Kronberg Academy, das zuvor von Boris Pergamenschikow benutzt wurde,<br />
sowie das Stradivari-Cello »Lord Aylesford« (1696) der Nippon Music<br />
Foundation. Bei uns ist er zum ersten Mal zu Gast.<br />
29
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Antoine Tamestit<br />
Antoine Tamestit war Schüler von <strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>, Jesse Levine und<br />
Jean Sulem und gewann mehrere Erste Preise, u.a. bei den Wettbewerben<br />
»Maurice Vieux« (Paris 2000) und »William Primrose« (Chicago 2001), bei<br />
den Young Concert Artists International Auditions (New York 2003) und<br />
beim Musikwettbewerb der ARD (2004). Seit Februar 2006 ist er Stipendiat<br />
des Borletti-Buitoni Trust. Gemeinsam mit Markus Hadulla spielte er<br />
u.a. im Concertgebouw Amsterdam, im Megaron Athen, im Festspielhaus<br />
Baden-Baden, im Palais des Beaux-Arts Brüssel, in der Wigmore Hall<br />
London, in der New Yorker Carnegie Hall und im Musikverein Wien. Zu<br />
weiteren Kammermusikpartnern gehören das Quatuor Ébène, Isabelle<br />
Faust, Gidon Kremer, Christian Poltéra, Emmanuel Pahud, Daniel Hope, Jan<br />
Vogler, Renaud und Gautier Capuçon, Janine Jansen und Mirijam Contzen.<br />
Als Solist arbeitete er u. a. mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des<br />
SWR, dem Beethoven Orchester Bonn, der Dresdner <strong>Philharmonie</strong>, dem<br />
Saarländischen Staatsorchester, dem Deutschen Symphonie-Orchester<br />
Berlin, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem Orchestre Philharmonique<br />
de Radio France, dem BBC Philharmonic und dem Orchestre<br />
Philharmonique de Liège. In der Saison 2006/07 debütiert er beim<br />
Gewandhausorchester Leipzig und beim Radio-Symphonieorchester<br />
Wien und ist »Artist in Residence« des Theaters der Stadt Duisburg.<br />
Regelmäßig konzertiert er bei internationalen Festivals wie dem<br />
Rheingau Musik Festival, dem Festival der Kronberg Academy, dem<br />
Kissinger Sommer, dem Kammermusikfestival Lockenhaus, dem Moritzburg<br />
Festival, der Schubertiade Schwarzenberg, dem Festival d’Aix-en-<br />
Provence, dem Jerusalem Chamber Music Festival und dem Festival de<br />
Divonne. Antoine Tamestit spielt auf einer Viola von Etienne Vatelot. Auf<br />
dem Podium der Kölner <strong>Philharmonie</strong> gab er im Januar 2006 sein Debüt<br />
im Rahmen der Reihe »Rising Stars«.<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong><br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> erhielt im Alter von drei Jahren ihren ersten<br />
Bratschenunterricht, zwei Jahre später begann sie mit dem Klavierspiel.<br />
An ihre Ausbildung bei Ulrich Koch an der Musikhochschule Freiburg<br />
schloss sich ein kurzes, intensives Studium bei Sándor Végh am Mozarteum<br />
in Salzburg an. Eine Reihe von Wettbewerbserfolgen krönte ihre<br />
Ausbildung, darunter Erste Preise bei den internationalen Wettbewerben<br />
in Genf (1982) und Budapest (1984) sowie beim Wettbewerb »Maurice<br />
Vieux« in Paris (1983). Dort erhielt sie als Preis eine Bratsche des zeitgenössischen<br />
Geigenbauers Etienne Vatelot, auf der sie seitdem konzertiert.<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> zählt seit vielen Jahren zu den renommiertesten<br />
Musikern unserer Zeit. Als Solistin ist sie regelmäßig zu Gast bei den<br />
großen internationalen Orchestern wie den Berliner Philharmonikern<br />
oder dem London Symphony Orchestra. In der vergangenen Saison<br />
Antoine Tamestit
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong><br />
gastierte sie im Rahmen zweier Residencies in der Alten Oper Frankfurt<br />
und im Concertgebouw Amsterdam. Zu den weiteren Höhepunkten der<br />
Saison zählten Konzerte mit dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem<br />
Orchestre Philharmonique de Radio France und den Berliner Philharmonikern<br />
unter Sir Simon Rattle bei den Salzburger Festspielen, daneben<br />
kammermusikalische Auftritte mit Hartmut Höll in Boswil, Stuttgart und<br />
Zürich, mit Antje Weithaas in Antwerpen und Ludwigshafen, mit Silke<br />
Avenhaus in der Wigmore Hall London sowie mit Christian Tetzlaff, Alban<br />
Gerhardt und Lars Vogt beim Edinburgh Festival und der Schubertiade<br />
Schwarzenberg. Im Jahr 2002 gründete sie mit den Geigern Antje<br />
Weithaas und Daniel Sepec sowie dem Cellisten Jean-Guihen Queyras das<br />
Arcanto Quartett. Das Debütkonzert des Quartetts fand mit großem<br />
Erfolg im Juni 2004 in Stuttgart statt. Anschließend gastierte das<br />
Quartett u. a. im Beethoven-Haus Bonn, in der Alten Oper Frankfurt, im<br />
Concertgebouw Amsterdam, im Musikzentrum Vredenburg in Utrecht, im<br />
Théâtre du Châtelet in Paris sowie im Conservatoire Royal in Brüssel.<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong> hat das Interesse vieler zeitgenössischer Komponisten<br />
für die Bratsche geweckt und zahlreiche neue Werke in das Konzert-<br />
und Kammermusikrepertoire eingeführt. 1994 spielte sie mit<br />
großem Erfolg die Uraufführung der eigens für sie komponierten Sonate<br />
für Viola solo von György Ligeti. Auch die Erstaufführungen dieses Werks<br />
in London, Paris, Jerusalem, Amsterdam und Japan fanden euphorischen<br />
Anklang bei Publikum und Presse. Des Weiteren spielte sie in den vergangenen<br />
Saisons die Uraufführungen von Heinz Holligers Recicanto für Viola<br />
und Orchester mit dem WDR Sinfonieorchester Köln, das Bratschenkonzert<br />
Nr. 2 von Sally Beamish mit dem Scottish Chamber Orchestra<br />
sowie das 2. Bratschenkonzert »Über die Linie« IV von Wolfgang Rihm mit<br />
der Jungen Deutschen <strong>Philharmonie</strong>. Zahlreiche CDs dokumentieren<br />
<strong>Tabea</strong> <strong>Zimmermann</strong>s musikalische Bandbreite, unter anderem mit<br />
Werken von Bartók, Brahms, Bruch, Britten, Hindemith, Schostakowitsch<br />
und Strawinsky. Ihre jüngste Veröffentlichung ist eine Live-Einspielung<br />
von Berlioz’ Harold en Italie mit dem London Symphony Orchestra unter<br />
der Leitung von Sir Colin Davis. Für ihr künstlerisches Wirken ist <strong>Tabea</strong><br />
<strong>Zimmermann</strong> mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem<br />
Frankfurter Musikpreis, dem Hessischen Kulturpreis und dem Internationalen<br />
Preis der Accademia Musicale Chigiana in Siena. Im Januar<br />
2006 erhielt sie den Paul-Hindemith-Preis der Stadt Hanau für ihre<br />
besonderen Verdienste in der Auseinandersetzung mit dem Werk Paul<br />
Hindemiths. Seit Oktober 2002 ist sie Professorin an der Hochschule für<br />
Musik »Hanns Eisler« in Berlin. Zuvor unterrichtete sie bereits von 1987<br />
bis 1989 an der Musikhochschule Saarbrücken sowie von 1994 bis 2002<br />
an der Frankfurter Hochschule für Musik. Auf dem Podium der Kölner<br />
<strong>Philharmonie</strong> war sie zuletzt im September vergangenen Jahres in den<br />
beiden ersten <strong>Portrait</strong>-Konzerten zu erleben.<br />
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Impressum<br />
Herausgeber:<br />
KölnMusik GmbH<br />
Louwrens Langevoort<br />
Intendant der Kölner <strong>Philharmonie</strong><br />
und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH<br />
Postfach 102163, 50461 Köln<br />
www.koelner-philharmonie.de<br />
Redaktion:<br />
Andreas Günther<br />
Redaktionelle Mitarbeit:<br />
Dr. Tilman Fischer, Heidi Rogge<br />
Fotorecherche:<br />
Eva Schütz<br />
Bildnachweis:<br />
akg-images S. 3, 20/21<br />
Arnold Schönberg Center Wien S. 11<br />
Susesch Bayat S.30/31<br />
Christoph Fein S. 28 oben<br />
Jürgen Hasenkopf S. 29<br />
Keystone Pressedienst / Conti Press S. 15<br />
Lebrecht Music & Arts S. 4, 16/17, 19<br />
mauritius images / Edmund Nägele S. 12<br />
Klaus Rudolph Cover, S. 23, 25, 26, 28 unten, 30<br />
Schott-Archiv / Kropp S. 18<br />
Hyou Vielz S. 7, 8<br />
Textnachweis:<br />
Die Texte von Ulrike Heckenmüller, Dr. Egbert Hiller und<br />
Johannes Hirschler sind Originalbeiträge für die KölnMusik.<br />
Gestaltung:<br />
ROT Designteam, Düsseldorf<br />
Produktion:<br />
adHOC Printproduktion GmbH, Köln<br />
Bitte beachten Sie noch folgende Hinweise:<br />
Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys bei sich haben:<br />
Bitte schalten Sie diese in der Kölner <strong>Philharmonie</strong> zur Vermeidung<br />
akustischer Störungen aus. Danke!<br />
Wir bitten Sie um Verständnis dafür, dass Bild- und Tonaufnahmen<br />
in der Kölner <strong>Philharmonie</strong> aus urheberrechtlichen Gründen nicht<br />
gestattet sind.