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Portrait Tabea Zimmermann 3 - Kölner Philharmonie

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Und was sich schon in Hindemiths viertem Streichquartett angedeutet hatte,<br />

manifestierte sich im fünften: die Abkehr von Gefühlsüberschwang und üppiger<br />

Chromatik à la Wagner und Strauss sowie die Besinnung auf Klarheit, Objektivität<br />

im Ausdruck und eine gewisse Strenge, auf – so der Musikkritiker Paul Bekker – eine<br />

»antimetaphysische« Musik ohne Schnörkel, klanglich geschärft und von unmittelbarer<br />

Eingängigkeit. Mal ergreifend zart, mit in sich ruhenden Melodien und sachten,<br />

jeglicher Erdenschwere enthobenen Harmonien – wie im langsamen, zweiten<br />

Satz des Quartetts, der mit seiner Gleichzeitigkeit von geradem und ungeradem<br />

Takt ein typisches Merkmal des Hindemith’schen Komponierens jener Zeit aufweist.<br />

Mal von mitreißender Vitalität und Musizierfreude – wie im scherzohaft-kecken,<br />

monothematisch angelegten Kleinen Marsch, der aufgrund seiner Achteltriolen<br />

weniger zum Marschieren denn zum Hasten verführt, aus dem Pianissimo heraus<br />

stetig anschwillt, plötzlich in sich zusammenbricht und wieder ins Pianissimo<br />

zurücksinkt.<br />

Motiviert wurde Hindemiths Abkehr vom spätromantischen Ausdrucksgestus<br />

unter anderem durch die Beschäftigung mit Form- und Gestaltungsprinzipien des<br />

Barock. Kein Wunder, dass sich das fünfte Quartett überwiegend als lineares Gefüge<br />

präsentiert, das zwar an markanten Zäsuren sowie am Satzende durchweg den<br />

Einklang oder tonalen Zusammenklang sucht, durch seinen Dissonanzenreichtum<br />

der Tonalität jedoch allenthalben den gesicherten Boden entzieht. In fast allen<br />

Sätzen lässt sich Kontrapunktisches, lassen sich Imitationen und Kanonisches finden,<br />

am ausgeprägtesten in den Rahmensätzen. So verarbeitet Hindemith im Kopfsatz<br />

zwei Themen – ein rhythmisch profiliertes und ein »sehr zartes« und gesangliches,<br />

ja beinahe romantisch anmutendes – zunächst jeweils für sich als Fuge mit<br />

kunstvoller Engführung, Umkehrung und Verkürzung und amalgamiert sie gegen<br />

Ende zu einer grandiosen, im Ausdruck fast aggressiven und für die Interpreten<br />

technisch höchst anspruchsvollen Doppelfuge. Das umfangreiche Finale schlüpft<br />

dann in ein weiteres barockes Gewand: in eine gleichermaßen friedvolle wie<br />

expressive und beseelte Passacaglia mit 27 Variationen, bei der über dem prägnanten,<br />

als Basso ostinato mehrfach unverändert wiederholten, achttaktigen Thema<br />

des Cellos die übrigen Stimmen ihre eigenen Gedanken formulieren. Schließlich<br />

gipfeln die Variationen in einem dreistimmigen Fugato, in dem Hindemith außer<br />

dem variierten Ostinato vom Beginn des Satzes auch das rhythmisch betonte<br />

Thema des Kopfsatzes aufgreift. Der Kreis hat sich geschlossen.<br />

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