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Portrait Tabea Zimmermann 3 - Kölner Philharmonie

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Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4<br />

Ihre Kindheit war nicht nur heiterer Sonnenschein. Und das ist beileibe nicht die<br />

einzige Parallele, die sich zwischen Hindemith und dem gut zwanzig Jahre älteren,<br />

gebürtigen Wiener Arnold Schönberg ziehen lässt. Im nationalsozialistischen<br />

Deutschland war die Aufführung ihrer Kompositionen verboten, beide emigrierten<br />

während des Zweiten Weltkriegs in die USA, und im Alter litten sie darunter, dass<br />

ihre Werke nur marginal Beachtung und Anerkennung fanden. Auch ihre musikalische<br />

Entwicklung weist Gemeinsames auf. Beide Komponisten waren auf der Suche<br />

nach zeitgemäßen, prägnanten musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten und entwickelten<br />

eigene, wenngleich in Opposition zueinander stehende Tonsysteme:<br />

Hindemith sein auf einem hierarchisch geordneten Verwandtschaftsgrad der zwölf<br />

Töne basierendes, unter dem Titel Unterweisung im Tonsatz publiziertes Modell und<br />

Schönberg seine die freie Atonalität systematisierende Methode mit zwölf gleichwertigen,<br />

»nur aufeinander bezogenen Tönen«. Und noch eine Gemeinsamkeit gilt<br />

es festzuhalten: Beider Frühwerke wurzeln in der von Mahler, Wagner und Strauss<br />

beeinflussten Spätromantik.<br />

Die bedeutendste Komposition aus Schönbergs früher Phase und das erste<br />

Instrumentalwerk, das der Komponist mit einer Opuszahl versah, ist das anno 1899<br />

auf ein Gedicht von Richard Dehmel entstandene Streichsextett Verklärte Nacht<br />

op. 4. Schon die Kritik der Uraufführung attestierte dem Stück für zwei Violinen,<br />

zwei Bratschen und zwei Violoncelli »manches Ergreifende, Rührende, manches, das<br />

den Hörer mit unwiderstehlicher Gewalt bezwingt, sich ihm in Herz und Sinne<br />

drängt«. Freilich soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Vorbehalte gab.<br />

Nicht ohne Grund kam die Komposition erst drei Jahre nach ihrer Fertigstellung<br />

erstmals zu einer Aufführung. Stein des Anstoßes war zum einen das Sujet des Gedichts,<br />

das – in der Literatur schon bald en vogue – Tabu-Themen wie sexuelle<br />

Selbstbestimmung und gegen die Konvention verstoßenden Eros in den Fokus<br />

rückte. Aber auch die Tatsache, dass Schönberg – angeregt durch Bedrˇich Smetanas<br />

zweites Streichquartett – hier die Programmmusik und die Gestaltungsprinzipien<br />

der zu jener Zeit äußerst populären sinfonischen Dichtung – allen voran die Einsätzigkeit<br />

– auf die Kammermusik übertrug, erhitzte die Gemüter.<br />

Diesem Bruch mit der Tradition entspricht die progressive formale, stilistische<br />

und harmonische Gestaltung der schwelgerischen, mal leidenschaftlich aufblühenden,<br />

mal zärtlich verhaltenen, dann wieder mystisch oder unheilvoll irrlichternden<br />

Komposition. Formal folgt Schönberg in der Verklärten Nacht, deren Partitur gespickt<br />

ist mit stetig wechselnden Tempo-Angaben, dynamischen Abstufungen und<br />

Hinweisen auf spieltechnische Raffinessen wie das Spiel am Griffbrett oder mit<br />

Dämpfer, den fünf Strophen der literarischen Vorlage: Der erste, dritte und fünfte<br />

Abschnitt der Komposition schildern den Spaziergang zweier Liebender durch die<br />

Natur und die Stille der vom Mondlicht beschienenen Nacht. Aus dem jeweils zu<br />

Beginn dieser Abschnitte ruhig abwärts schreitenden, in eine orgelpunktartige<br />

Begleitung von halben Noten eingebetteten Hauptmotiv, das häufig in mehreren<br />

Stimmen gleichzeitig erklingt, spinnt Schönberg nach Brahms’ »Technik der entwickelnden<br />

Variation« in dichter motivischer Arbeit weitreichende Zusammenhänge.<br />

Im zweiten Abschnitt zeichnen vier teils miteinander verwandte Themen in<br />

immer neu sich aufbauender Steigerung und mehrfach kontrapunktischer<br />

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