Berliner_Intell ... bungsdiagnostik_BIS_HB.pdf - KOPS - Universität ...
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<strong>Berliner</strong> <strong>Intell</strong>igenzstrukturtest für Jugendliche: Begabungs-<br />
und Hochbega<strong>bungsdiagnostik</strong> (<strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong>)<br />
von A. O. Jäger , H. Holling, F . Preckel, R. Schulze,<br />
M. Vock, H.-M. Süß und A. Beauducel (2006). [Göttingen:<br />
Hogrefe, Test komplett: € 528,00].<br />
Anne C. Frenzel und Ulrike Nett<br />
1. Testart<br />
<strong>Intell</strong>igenzstrukturtest für normal- und hochbegabte Jugendliche.<br />
2. Testmaterial<br />
Der Testkoffer mit der Grundausstattung beinhaltet eine<br />
Handanweisung, Aufgabenhefte und Instruktionshefte.<br />
Neben dem Begleitheft zur Auswertung wird eine Mappe<br />
mit Lösungsschablonen und Lösungsblättern mitgeliefert<br />
sowie Untersuchungsprotokolle, Leistungsprotokolle<br />
und Vordrucke für die Leistungsrückmeldung. Sämtliche<br />
Inhalte können einzeln nachbestellt werden. Während<br />
der Durchführung werden zusätzlich eine Stoppuhr und<br />
ein Stift benötigt.<br />
3. Testgliederung<br />
Neben einer Aufwärmaufgabe besteht der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> aus<br />
45 Aufgaben, die jeweils unterschiedlich viele Items<br />
enthalten. Die Aufgaben sind insgesamt drei Testheften<br />
zugeordnet, wobei die Aufgabenreihenfolge innerhalb<br />
der Testhefte so festgelegt ist, dass aufeinander folgende<br />
Aufgaben stets unterschiedliche Fähigkeiten abdecken.<br />
Die Durchführung ist für Probanden daher recht abwechslungsreich.<br />
4. Grundkonzept<br />
Der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> von Jäger et al. (2006) ist ein <strong>Intell</strong>igenzstrukturtest,<br />
der auf dem <strong>Berliner</strong> <strong>Intell</strong>igenzstrukturmodell<br />
(<strong>BIS</strong>) von Jäger (1982, 1984) aufbaut. Die zugrunde<br />
liegenden theoretischen Annahmen dieses Modells werden<br />
im Handbuch ausführlich beschrieben. Im <strong>BIS</strong>-Modell<br />
werden „operative“ von „inhaltlichen“ Fähigkeiten<br />
unterschieden. Zu den operativen Fähigkeiten zählen<br />
Bearbeitungsgeschwindigkeit B (z. B. Konzentration<br />
beim Lösen einfach strukturierter Aufgaben von geringem<br />
Schwierigkeitsniveau), Merkfähigkeit M (z. B.<br />
Einprägen und kurzfristiges Reproduzieren von Informationen),<br />
Einfallsreichtum E (z. B. Produktion von<br />
vielfältigen Ideen und Lösungen für eine vorgegebene<br />
Problemstellung) und Verarbeitungskapazität K (z. B.<br />
Lösen von Aufgaben, die formallogisch exaktes Denken<br />
und sachgerechtes Beurteilen von Informationen erfordern).<br />
Neben den operativen Fähigkeiten werden drei in-<br />
haltsgebundene Fähigkeiten unterschieden, die den Grad<br />
der Verfügbarkeit und Beherrschung der Symbolsysteme<br />
folgender Bereiche erfassen: Figural-bildhaftes Denken<br />
F, sprachgebundenes Denken V und zahlengebundenes<br />
Denken N. Die vier operativen und drei inhaltlichen Fähigkeiten<br />
lassen sich jeweils kombinieren. Die resultierenden<br />
12 Zellen werden typischerweise in Form einer<br />
Raute dargestellt (siehe Abb. 1). Als diesen übergeordnet<br />
wird im Modell die allgemeine <strong>Intell</strong>igenz (AI) angesehen,<br />
von der angenommen wird, dass sie allen intelligenten<br />
Leistungen zugrunde liegt. AI fl ießt in verschiedene<br />
Leistungsbereiche ein und ist nach dem <strong>BIS</strong>-Modell<br />
am besten durch eine möglichst breite Stichprobe aus der<br />
Vielfalt kognitiver Prozesse zu erfassen. Daher wird im<br />
<strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> jede dieser 12 Zellen durch drei bis fünf verschiedene<br />
Aufgaben repräsentiert (in der Terminologie<br />
der Testautoren sogenannte „Aufgabenbündel“). Prinzipiell<br />
wird angenommen, dass für die Lösung jeglicher<br />
Aufgaben <strong>Intell</strong>igenz im Sinne all dieser Fähigkeiten<br />
notwendig ist, jedoch zu unterschiedlichen Anteilen.<br />
Beispielsweise erfordert das Lösen von Kopfrechenaufgaben<br />
vor allem die Fähigkeiten K und N, obwohl auch<br />
die Fähigkeit M in einem geringen Ausmaß relevant ist,<br />
etwa wenn Zwischenergebnisse kurzzeitig gespeichert<br />
werden müssen.<br />
5. Durchführung<br />
Für die Teilnahme am <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> wird die sichere Beherrschung<br />
der deutschen Sprache vorausgesetzt. Er kann sowohl<br />
als Einzel- als auch als Gruppentest durchgeführt<br />
werden. Die Gruppengröße sollte jedoch 30 Testpersonen<br />
bei mindestens zwei Testleitern nicht überschreiten. Im<br />
Manual werden sehr exakte Hinweise für die optimalen<br />
Rahmenbedingungen und die Rollenverteilung für zwei<br />
Testleiter während einer Gruppenuntersuchung gegeben.<br />
Der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> besteht aus drei Testteilen, deren Durchführung<br />
jeweils zwischen 44 und 54 Minuten in Anspruch<br />
nimmt. Da dies von den Testpersonen ein hohes<br />
Maß an Ausdauer und Konzentration verlangt, sollte der<br />
Testleiter für eine angemessene Arbeitsatmosphäre sorgen<br />
und auf Pausen von zirka 15 Minuten zwischen den<br />
Testteilen besonderen Wert legen. Parallel zu den drei<br />
Aufgabenheften liegen dem Testleiter drei ausführliche<br />
Instruktionshefte vor. Die Instruktionshefte enthalten die<br />
vollständigen Aufgaben aus den Testheften und die entsprechenden<br />
Einführungen, die wörtlich vorzulesen sind,<br />
sowie zusätzliche Instruktionen und Informationen, wie<br />
z. B. Testzeiten und präzise Hinweise, wie auf Fragen zu<br />
reagieren ist. Im Handbuch wird empfohlen, dass jeder<br />
Testleiter den Test vor einer Erstanwendung mindestens<br />
einmal im Selbstversuch und mit einer Testperson beziehungsweise<br />
einer Gruppe von Testpersonen erprobt haben<br />
sollte. Uns scheint empfehlenswert, dass unerfahrene
222<br />
Bearbeitungs-<br />
Geschwindigkeit B<br />
Einfallsreichtum E<br />
Verarbeitungskapazität V<br />
Testleiter hierbei auch ihre eigenen Instruktionszeiten erfassen,<br />
da diese in den Angaben insbesondere für Gruppentests<br />
eher knapp bemessen sind.<br />
Neben der Standardform liegt eine Kurzform vor. Diese<br />
kann ohne Pause in einer knappen Stunde durchgeführt<br />
werden. Sie enthält für die drei Zellen des <strong>BIS</strong>-Modells,<br />
welche Verarbeitungskapazität abdecken, jeweils<br />
zwei, für die restlichen Zellen eine Aufgabe. Somit kann<br />
mit der Kurzform die allgemeine <strong>Intell</strong>igenz und Verarbeitungskapazität<br />
erfasst werden, eine Schätzung der<br />
weiteren Fähigkeiten des <strong>BIS</strong>-Modells ist nicht möglich.<br />
6. Auswertung<br />
Merkfähigkeit M<br />
AI – g<strong>BIS</strong> Allgemeine <strong>Intell</strong>igenz<br />
Inhalte<br />
Leistungen<br />
Operationen<br />
V Verbal<br />
N Numerisch<br />
F Figural-bildhaft<br />
Abbildung 1. Grafi sche Veranschaulichung des <strong>BIS</strong>-Modells<br />
(nach Jäger, 1982, 1984).<br />
Die Auswertung der B-, K-, und M-Aufgaben erfolgt<br />
über Schablonen. Die Anzahl der richtigen Lösungen einer<br />
Aufgabe wird als Rohwert in das Leistungsprotokoll<br />
eingetragen. Die E-Aufgaben können nach zwei unterschiedlichen<br />
Modi ausgewertet werden. Im sogenannten<br />
U-Modus („Ideenfl üssigkeit“) entspricht der Rohwert<br />
der Gesamtzahl der instruktionsgemäßen Lösungen.<br />
Im X-Modus („Ideenfl exibilität“) wird die Anzahl der<br />
unterschiedlichen Kategorien ermittelt, denen die instruktionsgemäßen<br />
Lösungen zuzuordnen sind. Es wird<br />
grundsätzlich nach dem U-Modus und fakultativ zusätzlich<br />
nach dem X-Modus ausgewertet. Zur Unterstützung<br />
bei der Auswertung der E-Aufgaben liegen Lösungsblätter<br />
vor, in denen die unterschiedlichen Kategorien exakt<br />
beschrieben werden. Trotz der sorgfältigen Beschreibung<br />
und den sehr genauen Vorschriften zur Auswertung von<br />
E-Aufgaben im Manual sollte hierbei auf eine unabhängige<br />
Zweitauswertung nicht verzichtet werden. Auch für<br />
die übrigen Aufgaben ist sie empfehlenswert.<br />
Die Rohwerte der einzelnen Aufgaben werden anhand<br />
von altersunspezifi schen Normen in Punktwerte umgewandelt.<br />
Diese werden zur Bildung der verschiedenen<br />
Fähigkeitsskalen jeweils aufsummiert. Für diese Punktsummen<br />
können dann altersdifferenzierte Normwerte<br />
bestimmt werden. Die Autoren empfehlen, zusätzlich<br />
die Konfi denzintervalle für die einzelnen Normwerte zu<br />
berechnen. Dies ist anhand der im Handbuch für jede Fähigkeitsskala<br />
angegebenen Standardmessfehler möglich.<br />
Zusätzlich zur Bestimmung der Altersnormwerte können<br />
die Punktsummen einer Testperson mit denen zweier<br />
verschiedener Gruppen ausgelesener Jugendlicher verglichen<br />
werden (von Hochbegabten-Schulen mit mathematisch-naturwissenschaftlichem<br />
Schwerpunkt bzw. von<br />
Schulen für allgemein Hochbegabte). Die im Handbuch<br />
beschriebene detaillierte Auswertung zum Vergleich mit<br />
den ausgelesenen Stichproben erfordert, die z-Werte mittels<br />
der gegebenen Standardabweichungen per Hand zu<br />
bestimmen. Dies lässt sich im Testalltag vermutlich nur<br />
selten realisieren. Für eine grobe Abschätzung sind im<br />
Handbuch jedoch auch die Punktsummen für eine Abweichung<br />
von +/– 1 SD in den jeweiligen Gruppen angegeben.<br />
Für die Rückmeldung der Ergebnisse besteht die<br />
Möglichkeit ein Fähigkeitsprofi l anzufertigen, in dem<br />
auch die Prozentränge dargestellt sind. In den von den<br />
Autoren bereitgestellten Vordrucken für diese normorientierte<br />
Rückmeldung wird die Interpretation der Ergebnisse<br />
auch für Laien gut verständlich erläutert. Zudem<br />
machen die Autoren den Vorschlag zu einer ipsativierten<br />
Rückmeldung. Hierbei wird der Testperson lediglich die<br />
individuelle Rangfolge der Leistungen in den verschiedenen<br />
Fähigkeitsbereichen mitgeteilt.<br />
Die für die Auswertung benötigte Zeit hängt stark<br />
von der Geübtheit und der Genauigkeit der auswertenden<br />
Person ab. Als Richtzeit wird 30 Minuten angegeben.<br />
Dies erscheint sehr knapp bemessen, die Testautoren<br />
gehen hierbei offensichtlich von umfassender Erfahrung<br />
der Auswerter aus. Zur Vermeidung von Unsicherheiten<br />
insbesondere für die Auswertung der E-Aufgaben wären<br />
konkrete Beispiele für die Auswertung wünschenswert.<br />
Die verfügbaren Hilfen, wie zum Beispiel das Protokoll<br />
für E-Aufgaben, erscheinen nur bedingt nützlich.<br />
7. Gütekriterien<br />
7.1 Normen. Der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> wurde an 1.328 Schülerinnen<br />
und Schülern an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien<br />
normiert. Davon stammen 444 Schülerinnen und<br />
Schüler aus Schulen für intellektuell Begabte bzw. wurden<br />
in Vereinen für intellektuell begabte Kinder rekrutiert.<br />
Es liegen Normwerte für 4 Altersgruppen zwischen<br />
12;6 und 16;5 Jahren vor (geeicht anhand von jeweils<br />
N > 300). Für jede Altersgruppe werden Normwerte für<br />
die Langskalen bei Auswertung jeweils nach dem U- und<br />
X-Modus, bzw. nur nach dem U-Modus, sowie für die
Kurzskalen aufgeführt. In Abweichung vom klassischen<br />
<strong>BIS</strong>-4 wurden die Normwerte entsprechend einer IQ-<br />
Skala bestimmt (M = 100, SD = 15).<br />
Für die Erstellung dieser Normen wurde von den<br />
Autoren zweischrittig vorgegangen. Zunächst wurden<br />
Punktwertzuordnungen für die Rohwerte auf Grundlage<br />
der unausgelesenen Stichprobe für das gesamte Leistungsspektrum<br />
durch Flächentransformation bestimmt. In<br />
einem zweiten Schritt wurden die Punktwertzuordnungen<br />
unter Hinzunahme der ausgelesenen Stichprobe nur für<br />
den oberen Bereich der Leistungsverteilung spezifi ziert<br />
(die Punktwertezuordnungen der anderen Leistungsbereiche<br />
blieben hiervon unberührt). Dies gewährleistet<br />
eine im Vergleich zu klassischen <strong>Intell</strong>igenztests breitere<br />
empirische Basis für die Ermittlung von Normwerten im<br />
oberen Leistungsbereich und dementsprechend auch höhere<br />
Tennschärfen in diesem Bereich (vgl. 8. Kritik).<br />
Ein kritischer Punkt im Zusammenhang mit der Normierung<br />
ist, dass die Schulformen Förderschule und<br />
Gesamtschule bzw. Schulen mit mehreren Bildungsgängen<br />
nicht berücksichtigt wurden. Somit sind Gymnasiasten<br />
mit einem Anteil von 50 % in der unausgelesenen<br />
Normstichprobe überrepräsentiert, da bei Berücksichtigung<br />
von Gesamt- und Förderschülern der Anteil von<br />
Gymnasiasten bundesweit bei nur ca. 37 % liegt (Angaben<br />
des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum<br />
der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> Normstichprobenerhebungen). Zudem ist<br />
der im Handbuch dargelegten Dokumentation der beruflichen<br />
Stellungen der Eltern der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> Normgruppe zu<br />
entnehmen, dass Akademiker-Kinder in zu großem, Arbeiter-Kinder<br />
in zu geringem Maße vertreten sind. Dies<br />
hat zur Folge, dass Probanden in ihren <strong>Intell</strong>igenzwerten<br />
durch die Normwerte des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> unterschätzt werden.<br />
Diese teilweise erhebliche Verzerrung wird durch die<br />
Autoren anhand eines Mittelwertvergleichs der IQ-Werte<br />
der Skala K des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> und des CFT-20 dokumentiert,<br />
jedoch nicht weiter kommentiert. Diese Diskrepanzen<br />
betragen insgesamt 10 IQ-Punkte; dabei am Gymnasium<br />
ca. 9, an der Realschule gut 13 und an der Hauptschule<br />
sogar mehr als 16 IQ-Punkte. Auch wenn man die relativ<br />
alten Normen und damit ggf. eine leichte Überschätzung<br />
der <strong>Intell</strong>igenz durch den CFT-20 in Rechnung stellt, sind<br />
diese Abweichungen insbesondere im mittleren und unteren<br />
Begabungsbereich als massiv zu bezeichnen.<br />
7.2 Objektivität . Die Instruktionshefte sind ausführlich<br />
und verständlich. Bei genauem Befolgen dieser standardisierten<br />
Test- und Auswertungsanweisungen kann von<br />
Durchführungs- und Auswertungsobjektivität ausgegangen<br />
werden. Mögliche durch Testleiter-Varianz erzeugte<br />
Fehlerquellen liegen in der zu großzügigen oder zu restriktiven<br />
Bewertung der Lösungen bei der Auswertung<br />
der E-Aufgaben, insbesondere bei der Auswertung nach<br />
dem X-Modus. Die Autoren empfehlen daher eine unabhängige<br />
Auswertung dieser Aufgaben durch zwei<br />
Personen unter exakter Verwendung der mitgelieferten<br />
Auswertungskategorien. Sie berichten von einer hohen<br />
Interraterübereinstimmung zwischen trainierten Auswertern<br />
bzw. Auswerterinnen (r = .95/.93 bei Auswertung<br />
der E-Aufgaben im U-/X-Modus). Durch die verschie-<br />
223<br />
denen Auswertungsmodi ergibt sich jedoch eine weitere<br />
mögliche Fehlerquelle, da je nach gewähltem Modus die<br />
richtigen Normen ausgewählt werden müssen (dies gilt<br />
nicht nur für die Operationen E, sondern setzt sich auch<br />
in den übergeordneten inhaltlichen Fähigkeitsbereichen<br />
fort).<br />
7.3 Validität. Für die Bestimmung der Konstruktvalidität<br />
wurden von den Autoren Strukturanalysen durchgeführt.<br />
Sowohl für die Annahme eines Generalfaktors und den<br />
drei inhaltlichen Fähigkeiten als Subfaktoren als auch für<br />
die Annahme eines Generalfaktors und den vier operativen<br />
Fähigkeiten als Subfaktoren ist die Modellanpassung<br />
gut (CFI � .98, AGFI � .93, RMSEA � .052).<br />
Bedeutsam sind hier zudem die von den Autoren vorgelegten<br />
Prüfungen der strukturellen Invarianz über die vier<br />
Altersgruppen sowie über die unausgelesene Normstichprobe<br />
und die ausgelesene Hochbegabten-Stichprobe.<br />
Die Autoren dokumentieren diese strukturelle Invarianz<br />
mittels absoluter Fit-Kennwerte für die auf Gruppeninvarianz<br />
restringierten Modelle, welche insgesamt als gut<br />
bis befriedigend zu bewerten sind (CFI � .96; AGFI �<br />
.93; RMSEA � .082). Damit erbringen die Autoren erste<br />
Belege dafür, dass die im <strong>BIS</strong>-Modell angenommene<br />
<strong>Intell</strong>igenzstruktur in allen Altersgruppen und auch bei<br />
jugendlichen Hochbegabten als gültig angenommen werden<br />
kann. Gemäß üblicher Vorgehensweisen bei Gruppenvergleichen<br />
hätte jedoch zusätzlich auch der relative<br />
Verlust an Modellfi t bei der Annahme gruppeninvarianter<br />
Parameter gegenüber frei variierenden Parametern durch<br />
die Autoren angegeben werden sollen.<br />
Auch die Kriteriumsvalidität des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> in Bezug<br />
auf Schulleistungen kann bei einer Korrelation des Gesamtnotenschnitts<br />
mit der allgemeinen <strong>Intell</strong>igenz von<br />
r = –.54 als gegeben angesehen werden (AI erfasst mit<br />
der Kurzversion r = –.53). Zudem hängen erwartungsgemäß<br />
die Noten in sprachlichen Fächern am engsten mit<br />
den verbalen Fähigkeiten zusammen, während die Noten<br />
in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern am<br />
engsten mit der Verarbeitungskapazität sowie den numerischen<br />
Fähigkeiten zusammenhängen.<br />
Die konvergente Validität des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> ist durch theoriekonforme<br />
Zusammenhänge mit anderen Fähigkeitstests<br />
dokumentiert: z. B. CFT-20 und Skala K: r = .74;<br />
CFT-20 und Skala F: r = .63; Skala AG des HAWIK-III<br />
und Skala B: r = .66. Geringer, aber immer noch zufriedenstellend,<br />
fallen folgende Zusammenhänge aus: CFT<br />
Wortschatz mit Skala V: r = .47; CFT Zahlenfolgen mit<br />
Skala N: r = .52; Verbaler Kreativitätstest von Schoppe<br />
(1975) und Skalen E bzw. V: r = .52 bzw. .50. Diese Werte<br />
wurden anhand von Teilstichproben der Normstichprobe<br />
ermittelt; hier ist kritisch zu bemerken, dass die Zusammensetzung<br />
dieser Teilstichproben von den Autoren<br />
nicht näher beschrieben wird.<br />
7.4 Reliabilität. Die interne Konsistenz des Gesamttests<br />
ist mit einem Cronbach’s α von .94 für allgemeine <strong>Intell</strong>igenz<br />
als sehr gut zu bezeichnen. Cronbach’s α der Subskalen<br />
liegt zwischen .81 (Skala E ausgewertet nach dem<br />
U- und X-Modus sowie Skala M) und .93 (Skala F aus-
224<br />
gewertet nach dem U-Modus und Skala K). In Ermangelung<br />
einer Parallelform geben die Autoren zudem korrigierte<br />
Split-Half-Reliabilitäten an, diese sind mit Werten<br />
zwischen .79 (Skala E ausgewertet nach dem U-Modus)<br />
und .90 (Skalen B und AI) ebenfalls als gut zu bezeichnen.<br />
Die Retest-Reliabilität liegt zwischen r = .71 (Skala<br />
E ausgewertet nach dem X-Modus) und r = .84 (Skalen<br />
B, K, AI) bei einer Testwiederholung nach 6 Monaten.<br />
Diese wurde jedoch nur anhand einer Substichprobe der<br />
ausgelesenen Stichprobe (n = 115 Gymnasiasten und<br />
Gymnasiastinnen einer Schule für naturwissenschaftlich<br />
Begabte) ermittelt. Da keine Parallelform vorliegt,<br />
ist bei einer wiederholten Messung mit Übungseffekten<br />
zu rechnen. Übungsgewinne werden durch die Autoren<br />
jedoch nicht beziffert.<br />
8. Kritik<br />
Der größte negative Kritikpunkt am <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> liegt, wie<br />
auch schon beim klassischen <strong>BIS</strong>-4, in seiner umfangreichen<br />
und zeitintensiven Durchführung und der recht<br />
komplexen und aufwändigen Auswertung. Der detaillierten<br />
und fundierten Konstruktion des Tests fällt dementsprechend<br />
die Testökonomie zum Opfer. Nach Angabe<br />
des Verlags soll es in naher Zukunft möglich sein, eine<br />
EDV-gestützte Auswertungssoftware zusätzlich zu erwerben.<br />
Kritisch zu betrachten und von Testanwendern unbedingt<br />
zu beachten ist auch die erhebliche Unterschätzung<br />
der durch den <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> ermittelten IQ-Werte aufgrund<br />
einer Überrepräsentierung von Gymnasiasten und Akademiker-Kindern<br />
in der Normstichprobe. Diese ist insbesondere<br />
im unteren Begabungsbereich massiv; der Test<br />
ist für diese Zielgruppe daher als ungeeignet zu bewerten.<br />
Aber auch im mittleren und höheren Begabungsbereich<br />
muss von einer nicht unerheblichen Unterschätzung<br />
ausgegangen werden.<br />
Aus der Sicht probabilistischer Testtheorie ist (ebenso<br />
wie für den klassischen <strong>BIS</strong>-4) einzuwenden, dass<br />
die Homogenität der Skalen nicht überprüft wurde. Die<br />
angewandte Punktaggregation setzt jedoch eine solche<br />
Homogenität implizit voraus. Die Übereinstimmung der<br />
Schwierigkeitsrangfolgen der Skalen, die von den Autoren<br />
für die vier Altersbereiche und die ausgelesene Stichprobe<br />
angegeben werden, lassen sich allerdings als einen<br />
ersten Indikator für Rasch-Homogenität verwenden.<br />
Auf weitere mögliche Kritikpunkte hinsichtlich der<br />
inhaltlichen Struktur des <strong>Berliner</strong> Ansatzes sei hier verzichtet.<br />
Vielmehr soll an dieser Stelle das Spezifi kum<br />
des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> näher in den Blick genommen werden: Die<br />
Erfassung von <strong>Intell</strong>igenz bei besonders Begabten. Insgesamt<br />
scheint der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> diesem Anspruch gerecht zu<br />
werden und ist in dieser Hinsicht sehr positiv zu bewerten.<br />
Für das Konstrukt der Hochbegabung konkurrieren<br />
unterschiedliche Modellvorstellungen. Eine überdurchschnittlich<br />
ausgeprägte <strong>Intell</strong>igenz scheint allen gemein<br />
zu sein; über das relative Gewicht allgemeiner <strong>Intell</strong>i-<br />
genz und eher spezifi schen Fähigkeiten herrscht dagegen<br />
Uneinigkeit (z. B. Holling, Preckel & Vock, 2004).<br />
Neben der Betonung spezifi scher verbaler, numerischer<br />
und analytischer Fähigkeiten zum konvergenten Denken<br />
nennen einige Hochbegabungs-Modelle insbesondere<br />
auch kreative Fähigkeiten und divergentes Denken (z. B.<br />
Gagné, 1993; Gardner, 1991). Durch die Komponente<br />
Einfallsreichtum wird dieser Aspekt beim <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> explizit<br />
berücksichtigt; die Möglichkeiten der Hochbega<strong>bungsdiagnostik</strong><br />
gehen in dieser Hinsicht über die anderer<br />
Verfahren hinaus.<br />
Unseres Erachtens liegt insgesamt eine große Stärke<br />
des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> darin, Begabung differenziert zu erfassen und<br />
es somit zu erlauben, Hochbegabung theoriegeleitet zu<br />
diagnostizieren, wobei verschiedenen Theorietraditionen<br />
gleichermaßen Rechnung getragen werden kann. Wird<br />
Hochbegabung als extrem hohe allgemeine <strong>Intell</strong>igenz<br />
defi niert, kann sie über die Dimension AI im <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong><br />
erfasst werden. Legt man hingegen auf die Mehrdimensionalität<br />
von Hochbegabung wert, können die anhand<br />
des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> separat ermittelten Fähigkeiten allein in<br />
numerischen, verbalen oder auch fi gural-bildhaften Bereichen<br />
betrachtet werden. Neuere Befunde legen nahe,<br />
dass bereichsspezifi sche Hochbegabung – z. B. extrem<br />
hohe Werte im numerischen, nicht jedoch im verbalen<br />
Bereich – weit verbreitet ist (Lohmann, 2005; Lubinski<br />
et al., 2001). Im Kontext von Selektions-Diagnostik für<br />
bereichsspezifi sche Förderklassen ist dies von besonderer<br />
Bedeutung; somit ist der Einsatz des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> hier gut<br />
geeignet.<br />
Das zentrale Desideratum bei der Diagnostik von<br />
Hochbegabung liegt in der Vermeidung von Deckeneffekten.<br />
<strong>Intell</strong>igenztests erbringen in der Regel die genauesten<br />
Messungen im mittleren Begabungsbereich, das<br />
heißt der Anteil an mittelschweren Aufgaben im Vergleich<br />
zu sehr einfachen oder sehr schwierigen Aufgaben<br />
ist typischerweise hoch. Im Bereich hoher Fähigkeit<br />
ist die Trennschärfe dementsprechend oft gering, da alle<br />
Aufgaben gelöst werden und zu wenige (oder gar keine)<br />
ausreichend schwierige Aufgaben enthalten sind, die<br />
noch zwischen hoher und extrem hoher Fähigkeitsausprägung<br />
zu unterscheiden vermögen. Bei der Konstruktion<br />
des <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> ist auf die Vermeidung von Deckeneffekten<br />
besonderen Wert gelegt worden. Durch die Integration<br />
einer hinreichend großen Zahl an ausgelesenen Probanden<br />
konnten zudem die Aufgabenschwierigkeiten auch<br />
im Hochbegabungsbereich zuverlässig ermittelt werden.<br />
Anhand der Mittelwerte, die im Manual separat für die<br />
ausgelesene Stichprobe und die vier Altersbereiche angegeben<br />
werden, dokumentieren die Autoren hinreichend,<br />
dass Deckeneffekte vermieden werden konnten und somit<br />
die Trennschärfe der Items auch im hohen Anforderungsbereich<br />
gegeben ist.<br />
Durch die umfangreiche Normstichprobe im hohen<br />
Begabungsbereich bietet der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> zudem die Möglichkeit,<br />
die Leistungen eines Probanden im Vergleich mit<br />
dieser Population zu bewerten. Somit lässt sich fundiert<br />
beurteilen, wie sich ein Schüler in einer Einrichtung für<br />
hochbegabte und hochleistende Schülerinnen und Schü-
ler hinsichtlich seiner intellektuellen Befähigung einordnen<br />
lässt. Solche Fragen werden vermehrt an Schulpsychologen<br />
in der Schullaufbahnberatung herangetragen.<br />
9. Empfehlung<br />
Mit dem <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> legen die Autoren einen empfehlenswerten<br />
Test vor, um <strong>Intell</strong>igenz auf der Basis eines theoretisch<br />
und empirisch ausgereiften <strong>Intell</strong>igenzmodells<br />
bei überdurchschnittlich bis weit überdurchschnittlich<br />
begabten Jugendlichen objektiv, reliabel und valide zu<br />
erfassen. Durch die Abdeckung eines breiten Fähigkeitsspektrums<br />
erlaubt der <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong> sowohl eine allgemeine<br />
als auch eine bereichsspezifi sche Begabungs- und Underachievementdiagnostik.<br />
Jedoch ist eine nicht unerhebliche<br />
Unterschätzung der IQ-Werte in Rechnung zu<br />
stellen.<br />
Eine Ausweitung der Normierung über den bisher<br />
schmalen Altersbereich von nur 12 bis 16 Jahren hinaus<br />
wäre wünschenswert. So besteht beispielsweise im Rahmen<br />
der Schullaufbahnberatung eine große Testnachfrage<br />
für die Diagnostik hoher Begabung in jüngeren Altersbereichen,<br />
bedingt durch die in Deutschland übliche frühe<br />
Selektion in die dreigliedrige Sekundarstufe. Zudem ist<br />
im Kontext der universitären Forschung, die häufi g auf<br />
studentische Stichproben zugreift, aber auch in der Personalauswahl,<br />
ein großer Bedarf an Testverfahren zu verzeichnen,<br />
die im oberen Begabungsbereich hinreichend<br />
trennscharf und valide sind.<br />
Literatur<br />
Gagné, F. (1993). Constructs and models pertaining to exceptional<br />
human abilities. In K. A. Heller, F. J. Mönks & A.<br />
H. Passow (Eds.), International handbook of research and<br />
development of giftedness and talent (pp. 69–87). Oxford:<br />
Pergamon.<br />
Gardner, H. (1991). Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der<br />
vielfachen <strong>Intell</strong>igenzen. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />
225<br />
Holling, H., Preckel, F. & Vock, M. (2004). <strong>Intell</strong>igenzdiagnostik.<br />
Göttingen: Hogrefe.<br />
Jäger, A. O. (1982). Mehrmodale Klassifi kation von <strong>Intell</strong>igenzleistungen.<br />
Experimentell kontrollierte Weiterentwicklung<br />
eines deskriptiven <strong>Intell</strong>igenzstrukturmodells. Diagnostica,<br />
28, 195–226.<br />
Jäger, A. O. (1984). <strong>Intell</strong>igenzstrukturforschung: Konkurrierende<br />
Modelle, neue Entwicklungen, Perspektiven. Psychologische<br />
Rundschau, 35, 21–35.<br />
Jäger, A. O., Holling, H., Preckel, F., Schulze, R., Vock, M.,<br />
Süß, H.-M. & Beauducel, A. (2006). <strong>BIS</strong>-<strong>HB</strong>: <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Intell</strong>igenzstrukturtest für Jugendliche: Begabungs- und<br />
Hochbega<strong>bungsdiagnostik</strong> – Manual. Göttingen: Hogrefe.<br />
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Hogrefe.<br />
Anne C. Frenzel<br />
<strong>Universität</strong> München<br />
Department Psychologie<br />
Leopoldstraße 13<br />
80802 München<br />
E-Mail: frenzel@lmu.de<br />
Ulrike Nett<br />
<strong>Universität</strong> Konstanz<br />
Geisteswissenschaftliche Sektion<br />
Erziehungswissenschaft und<br />
Empirische Bildungsforschung<br />
<strong>Universität</strong>straße 10<br />
Fach 45<br />
78457 Konstanz<br />
E-Mail: ulrike.nett@uni-konstanz.de