Februar 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...
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Nr. 663 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />
Schwat/Adar 5770<br />
Erscheinungsort Wien<br />
Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />
e 2.-<br />
GZ 03Z034854 W<br />
DVR 0112305 € 2.-<br />
GEMEINDE<br />
oFFizielleS orgAN der iSrAelitiScheN KultuSgemeiNde wieN<br />
Die Die<br />
magazin
PURIM SAMEACH<br />
Purim im WIener Stadttempel 3<br />
IN EIGENER SACHE<br />
ALEXIA WEISS<br />
Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />
Teil 18: Das JBBZ 4<br />
POLITIK<br />
INLAND<br />
ALEXIA WEISS<br />
Ewiges Paradies für<br />
NS-Kriegsverbrecher 7<br />
„Bunte“ Nazi-T-Shirts 9<br />
ALEXIA WEISS<br />
Wie man sich wehren kann 10<br />
ALEXIA WEISS<br />
Die Ermittlungen laufen 11<br />
Neonazi-Umtriebe im Netz 12<br />
Kontakte FPÖ und Jobbik? 12<br />
ALEXIA WEISS<br />
Eskalation und<br />
Kriminalisierung 13<br />
Antisemtimus 17<br />
ISRAEL<br />
Der Friedensprozess<br />
mit den Palästinensern 18<br />
Jesus war palästinensischer<br />
Moslem 20<br />
Britische Steuergelder<br />
finanzieren anti-israel Hetze 21<br />
Goldstone - Kommentar<br />
von Alan Dershowitz 22<br />
Schlichte Tatsachen 24<br />
Dershowitz und die Bigotten 25<br />
WIRTSCHAFT<br />
REINHARD ENGEL<br />
High-tech, Immigranten<br />
und Netzwerke 26<br />
Ultraorthodoxe gestalten<br />
Website für Fußball-WM 27<br />
WISSENSCHAFT<br />
Innvationspreis für Israel 28<br />
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz<br />
(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons<br />
GEmEinDE<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Bezirkspartnerschaft<br />
Leopoldstadt-Brooklyn 29<br />
WILLY WEISZ<br />
Anisemitismus im<br />
sprachlichen Umgang 30<br />
Koschere Milch für China 31<br />
Panorama<br />
Ulrich W. SAHM<br />
32<br />
Gekoschertes Schwein 34<br />
E-mails im Altersheim<br />
Inline-Skater für Israels<br />
35<br />
Polizei 36<br />
KULTUR<br />
ALEXIA WEISS<br />
Verstreutes Wissen 37<br />
IDA LABUDOVIC<br />
And the Oscar goes to.... 38<br />
ALEXIA WEISS<br />
Im Gespräch mit<br />
Beate Klarsfeld 40<br />
Ehrung für Marko Feingold 41<br />
JACOB KLEIN<br />
Bitte diesen Artikel<br />
nicht lesen! 42<br />
ANITA POLLAK<br />
Ob man ihn glaubt<br />
oder nicht 43<br />
Ehrung für Dr. Hodik und<br />
Dr. Steiner 44<br />
PETER WEINBERGER<br />
Überall & Nirgendwo 45<br />
JUDENTUM<br />
RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />
Schailes & Tschuwos 46<br />
Titelbild: © Flash 90<br />
Mandelblüte in Israel<br />
(<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong>)<br />
PLENARSITZUNGEN <strong>2010</strong><br />
16. März • 15. April • 11. Mai • 8.<br />
Juni • 6. Juli • 10. Au gust • 7.<br />
September • 5. Ok to ber 11.<br />
November • 9. Dezember<br />
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong><br />
Wien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />
und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />
Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />
Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />
Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der<br />
Redak tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />
INHALT &<br />
20. September 1947:<br />
David Ben Gurion, Schüler von Dr. Moshé Feldenkrais<br />
„Ich muss auf meinem Kopf stehen, damit der<br />
Staat Israel auf seinen Füßen steht.“<br />
KENNENLERN-WORKSHOPS<br />
UND AUSBILDUNG<br />
www.feldenkraisinstitut.at<br />
Tel: 0699/11331043<br />
Sanatorium maimonideS Zentrum<br />
in 1020 Wien, Simon-Wiesenthal-Gasse 5,<br />
sucht ab sofort<br />
Pächter/Pächterin<br />
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Öffnungszeiten: montag bis Sonntag (täglich)<br />
von 10.00 – 17.00 uhr<br />
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Mag. Bernadette Nguyen<br />
Sanatorium Maimonides Zentrum GmbH<br />
Simon-Wiesenthal-Gasse 5, 1020 Wien<br />
Tel.: +43 1 725 75 - 6101<br />
email: b.nguyen@maimonides.at<br />
Wir trauern um<br />
Binyamin Lanciano<br />
eilat/israel<br />
20.10.1916-07.02.<strong>2010</strong><br />
in Liebe<br />
Familie Lanchiano<br />
Sohn nissim, Schwiegertochter Gabriele,<br />
enkelkinder Benjamin, iris & rona<br />
2 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />
Foto: Paul Goldman
Auch wenn Ihr schon gefeiert habt ...<br />
purimfeier im<br />
Stadttempel<br />
Am Samstagabend,<br />
27. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />
19.00 Uhr Megilat Ester<br />
PURIM PARTY<br />
Am 28.2.<strong>2010</strong><br />
von 15 bis 18 Uhr<br />
in der ZPC Schule<br />
Simon-Wiesenthal-Gasse 1,<br />
1020 Wien<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />
PURIM SAMEACH<br />
20.00 Uhr Klezmer-Konzert<br />
im Stadttempel,<br />
mit Lerner y Moguilevsky<br />
aus Argentinien<br />
für die Kleinen gibt es Programm<br />
im Gemeindezentrum und für alle<br />
haben wir Hamantaschen und Getränke!<br />
PURIM PURIM PARTY PARTY<br />
Wir laden euch, eure Familie und alle Freunde<br />
herzlich zur WIZO AVIV Purim-Party ein!<br />
Programm für Kinder zwischen 0 und 10 Jahren:<br />
Bastelstationen, Bewegungsspiele, Babyecke, Schattenspiel,<br />
Tanzen, Singen, Bu�et und vieles mehr... TOMBOLA MIT TOLLEN PREISEN!<br />
Alle Einnahmen dieser Feier kommen der WIZO<br />
Kindertagesstätte in Rechovot zugute.<br />
Anmeldung unter Tel: 4091000 oder sharon.nuni@turkof.com<br />
Eintritt: 7 €
„Best of Class sein“<br />
Mit guter Ausbildung besser integriert:<br />
aus dieser Idee ist 1998 das Jüdische<br />
Berufliche Bildungszentrum (JBBZ) entstanden.<br />
Das Konzept ging auf: bisher<br />
haben bereits über 3.200 Jugendliche und<br />
Erwachsene eine Lehre oder einen Lehr -<br />
gang am JBBZ absolviert. Geleitet wird<br />
das Zentrum von Ilan Knapp, der das<br />
Projekt auch gemeinsam mit dem inzwischen<br />
verstorbenen Psychiater Alexan -<br />
der Friedmann entwickelt hat.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Lehrlinge, Schüler, Lehrgangs teilnehmer:<br />
sie heißen hier Kunden und Kun -<br />
dinnen. Und alle müssen sie vor al lem<br />
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
SERIE<br />
Hinter den Kulissen –<br />
Die IKG Wien stellt sich vor<br />
Teil 18: Jüdisches Berufliches<br />
Bildungszentrum - JBBZ<br />
eines: ihr bestes geben. „Best of Class<br />
sein“ nennt es Knapp und meint da mit,<br />
dass sowohl die innere Ein stel lung<br />
stimmen muss, mit der man an eine<br />
Aus bildung herangeht, aber auch, dass<br />
man sich stets messen sollte, so wohl<br />
mit den mitlernenden im Haus, <strong>als</strong><br />
auch – im Fall der Lehrlinge – mit den<br />
anderen Jugendlichen an der Berufs -<br />
schu le.<br />
Festgeschrieben hat Knapp dieses<br />
Prin zip auch in dem zehn Punkte um -<br />
fassenden Leitbild des JBBZ. Dort<br />
heißt es unter Punkt eins: „Das JBBZ<br />
strebt ‚Best of Class‘ (nicht Mittelmäßig -<br />
keit) nach den Möglichkeiten jedes/jeder<br />
Einzelnen an.“ Punkt sechs weist den<br />
Lernenden zudem von Anfang an da -<br />
raufhin, dass es nur gemeinsam geht:<br />
SerVice<br />
erreichbarkeit des JBBz<br />
Das JBBZ erreichen Sie telefonisch<br />
unter 01-33 106 150 (Berufsorien -<br />
tierung und Anmeldung) und per<br />
mail unter info@jbbz.at.<br />
informationen über das Ausbil -<br />
dungs angebot sind auch unter<br />
www.jbbz.at abrufbar.<br />
Postanschrift: Adalbert-Stifter-<br />
Straße 18, 1200 Wien.<br />
„Wer nicht bereit ist, sich fachlich und<br />
sozial weiterzuentwickeln, bremst unser<br />
‚Best of Class‘-System im JBBZ und kann<br />
nicht mehr unser/e PartnerIn sein.“<br />
Dass Knapp dieses Streben nach<br />
Kompetenz, Eigenverantwortlichkeit,<br />
Pünktlichkeit und Verlässlichkeit solch<br />
ein Anliegen sind, hat seinen Grund.<br />
1988, da seien die vielen immigranten<br />
aus der Sowjetunion in der Seitenstet -<br />
tengasse gestanden, haben nach Ar beit<br />
gesucht, nach möglichkeiten, sich hier<br />
ein Leben aufzubauen. „Ich bin da da -<br />
m<strong>als</strong> hingegangen, zwischen zwei Ter mi -<br />
nen und wollte nur einmal eine halbe<br />
Stunde mit den Leuten reden, schauen,<br />
was man tun kann. Diese halbe Stunde<br />
dauert bis heute an.“<br />
Rasch war klar: diese Leute brauchen<br />
Deutschkurse. Und Berufsbildungs an -<br />
gebote. Aus dutzenden solcher Kurse<br />
hat sich schließlich das JBBZ entwickelt.<br />
Die Erfahrungen mit der ersten<br />
Generation an Auszubildenden hat ge -<br />
zeigt: nicht nur die Sprachkenntnisse<br />
sind wichtig (wer heute am JBBZ eine<br />
Ausbildung beginnen will, muss<br />
zuvor Deutsch zumindest auf dem Le -<br />
vel B2 beherrschen - mit diesem EU-<br />
Schema wird Sprachkompetenz beurteilt,<br />
es umfasst die Stufen A1 (Ver -<br />
ständnis einfacher Sätze), A2, B1, B2,<br />
C1, und C2 (Gesprochene Sprache<br />
kann problemlos verstanden werden,<br />
sowohl in der direkten Kommuni ka -<br />
tion mit anderen <strong>als</strong> auch in medien<br />
wie Fernsehen und Radio)).<br />
Lernen müssen die Zuwanderer auch,<br />
welche Regeln in der Arbeitswelt in<br />
Österreich gelten. Das reicht von<br />
Pünktlichkeit über das Einhalten von<br />
Ordnung bis zu Werten wie Verläss -<br />
lich keit. „Am Anfang hat eine Kundin<br />
ge meint, ihre Schwester heiratet in Israel<br />
und dann ist sie eben einen Monat nicht<br />
4 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
da. Das geht aber nicht. Lernen muss<br />
zweckorientiert sein. Und man kann auch<br />
nicht fehlen, nur weil einem die Nase<br />
rinnt. Das ist ein Lernprozess. Aber nur,<br />
wenn man diese Dinge befolgt, wird man<br />
Erfolg haben und sich im Berufsleben<br />
durchsetzen.“<br />
Heute kann man am JBBZ, das längst<br />
nicht mehr nur von Zuwanderern,<br />
sondern einfach grundsätzlich von in<br />
Österreich lebenden Juden frequentiert<br />
wird, das neunte Schuljahr ab -<br />
sol vieren, eine Lehre in den Bereichen<br />
iT-Technik, Orthopädietechnik, Bank -<br />
we sen, Büromanagement und Buch -<br />
han del machen oder sich Zusatzqua -<br />
li fi ka tionen aneignen. Zur Lehre kann<br />
pa rallel von jedem die Berufs rei fe prü -<br />
fung ablegen, die eine vollwertige<br />
ma tura ist. insofern findet es Knapp<br />
auch schade, dass viele jungen Leute<br />
erst nach einer schief gelaufenen Bildungs-Karriere<br />
den Weg ans JBBZ<br />
finden, leider oft auch unter dem Ein -<br />
fluss der Eltern, die für ihr Kind den<br />
Besuch einer höheren Schule dem Ab -<br />
solvieren einer Lehrausbildung vor-<br />
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
ziehen. Doch damit verlängert sich der<br />
Ausbildungsweg vielfach nur. Und<br />
wird gleichzeitig mit dem Lehrab -<br />
schluss auch die Berufsreifeprü fung<br />
abgelegt, kann der Jugendliche wie<br />
AHS-maturanten auch mit 18 ein Stu -<br />
dium beginnen – verfügt aber bereits<br />
über eine berufliche Ausbildung.<br />
Knapp untermauert sein Anliegen, ei -<br />
ne Lehrausbildung am JBBZ schon frü -<br />
her <strong>als</strong> möglichen Bildungsweg in Be -<br />
tracht zu ziehen, mit Zahlen: derzeit<br />
absolvieren 35 Jugendliche eine Leh re<br />
an seinem Haus – Plätze gäbe es 60.<br />
Für Erwachsene sind 20 Lehraus bildungsplätze<br />
vorgesehen. Doch derzeit<br />
absolvieren an die 50 Erwachsene ei ne<br />
Lehre, darunter auch viele Schul-Drop -<br />
outs. insgesamt verlängert sich so die<br />
Ausbildung um zwei bis drei Jahre.<br />
Offiziell gibt es am JBBZ 183 Ausbil -<br />
dungsplätze (neuntes Schuljahr, Lehr -<br />
stellen, Lehrgänge). Tatsächlich frequentieren<br />
meist rund 250 Kunden das<br />
JBBZ, in manchen Semestern so gar bis<br />
zu 280. Die Lehrlinge und die so ge -<br />
Das Ausbildungsangebot des JBBZ auf einen Blick<br />
❐ neuntes Pflichtschuljahr<br />
❐ Lehre für Jugendliche und Erwachsene in den Bereichen iT-Tech nik,<br />
Orthopädietechnik, Bankwesen, Büromanagement und Buch han del<br />
❐ Parallel zur Lehre Ablegen der Berufsreifeprüfung möglich (= vollwertige<br />
matura)<br />
❐ Vorbereitungslehrgänge (Berufsorientierungslehrgang, Deutsch<br />
und integration, EDV und Office – Basics, Technische Grundlagen)<br />
❐ Aufbaulehrgänge (FiT für matura + Veranstaltungsmanagement,<br />
FiT für matura + netzwerktechnik, FiT in Hebräisch für den Beruf,<br />
FiT für das Office, FiT für Wellness + Tourismus, FiT für netzwerk -<br />
tech nik (CCnA)/Systembetreuung, FiT für PC-Support, FiT für<br />
netz werktechnik (CiSCO) + matura<br />
❐ Zusatzqualifikationen (maturavorbereitungslehrgang, soziale<br />
Kompetenz, FiT in Fachsprechen Deutsch/Englisch/Französisch,<br />
Buchhaltung für Kleinunternehmer, Personalverrechnung für Ein -<br />
steiger, Computerführerschein, Erfolgreich in die Selbstständigkeit,<br />
PC-Kurse, Competence Lehrgang für Sicherheitspersonal, staatlich<br />
geprüfter Rettungssanitäter)<br />
❐ Bewerbungs- und Jobcoaching<br />
Verlassenschaften-Ankauf,<br />
Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,<br />
Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich<br />
Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at<br />
nannten FAis (erwachsene Lehr linge)<br />
machen dabei ein Drittel der Lernen -<br />
den aus, etwas über zehn Per sonen<br />
absolvieren das neunte Schul jahr. Einen<br />
wachsenden Anteil ma chen auch<br />
mütter kleiner Kinder aus, für die ein<br />
Ausbildungspaket (miT) an geboten<br />
wird, das durch seine Anwe sen heits -<br />
zei ten mit dem Betreuen von Kin der -<br />
garten- und Schulkindern kom patibel<br />
ist, sich dafür aber in der Gesamt lauf -<br />
zeit etwas verlängert. Knapp freut<br />
sich insgesamt über die hohe Anzahl<br />
an Frauen <strong>als</strong> Kundinnen des JBBZ.<br />
Bildung erhöht auch die Selbst stän -<br />
dig keit.<br />
Die Erfolgsquote ist hoch. Einerseits<br />
schließen überdurchschnittlich viele<br />
Kun den ihre Ausbildung mit ausgezeichnetem<br />
oder gutem Erfolg ab. An -<br />
dererseits sind die Absolventen von<br />
Unternehmensseite gefragt. Die meisten<br />
Lehrlinge kommen in jenen Be trie -<br />
ben unter, in denen bereits während<br />
der Ausbildung Praktika absolviert<br />
wurden. im Bereich Orthopädie tech -<br />
nik kooperiert das JBBZ bereits während<br />
der gesamten Ausbildung mit der<br />
Firma Bständig, wo auch die Absol -<br />
ven ten im Anschluss meist unterkommen.<br />
Hier gibt es <strong>als</strong>o quasi eine Job -<br />
garantie. Warum die JBBZ-Lehr lin ge<br />
so gefragt sind? Weil man hier eben<br />
nicht nur auf die fachliche, sondern<br />
auch auf die soziale Kompetenz<br />
schaue, betont Knapp. Umgangsformen<br />
werden ebenso vermittelt wie<br />
Grundbegriffe der Kommunikation,<br />
das richtige Auftreten.<br />
Freuen würde sich Knapp, wenn künf -<br />
tig noch mehr Jugendliche aus der Or -<br />
thodoxie <strong>als</strong> bisher den Weg ans JBBZ<br />
finden. „Ein Leben ohne Berufsaus bil -<br />
dung gibt es heute nicht mehr. Die Tho -<br />
raschule ist wunderbar, aber damit kann<br />
man kein Geld verdienen. Auch in Israel<br />
ist es heute so, dass es selbstverständlich ist,<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 5
einen Beruf zu erlernen. Und wenn die<br />
Existenz gesichert ist, dann kann man es<br />
sich auch leisten, die Thora zu studieren.“<br />
Und das JBBZ bietet ein Umfeld, in<br />
dem sowohl gelernt <strong>als</strong> auch nach dem<br />
jüdischen Jahreskreislauf gelebt werden<br />
kann. Eine möglichkeit, die es<br />
nicht immer gab: vor der Existenz des<br />
JBBZ scheiterten jene wenigen jü di -<br />
schen Jugendlichen, die ein Lehre be -<br />
gannen, schon nach kurzer Zeit. Die<br />
Lehre startete im August oder Sep -<br />
tember – und bald standen Rosch Ha -<br />
Schana, dann Jom Kippur, dann Suk -<br />
kot ins Haus. Kaum einer traute sich<br />
zu sagen, warum er dem Betrieb fernblieb,<br />
meinte nachher er sei krank ge -<br />
we sen. Das haben die Lehrbetriebe na -<br />
türlich nicht akzeptiert, erzählt<br />
Knapp. So war die Lehre spätestens zu<br />
Sukkot wieder beendet.<br />
Hochgehalten wird am JBBZ auch die<br />
Wichtigkeit des Teams. Jeder Kunde<br />
lernt: wenn ich in der Gruppe fehle,<br />
versäume ich nicht nur etwas, son-<br />
zur PerSoN<br />
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
dern fehle auch den anderen. Denn<br />
Ler nen heißt auch miteinander und<br />
von einander lernen. Knapp betont aber<br />
auch, dass es auch für die Lehrer und<br />
Trainer im JBBZ nicht ohne Rück halt<br />
des Teams ginge. Das JBBZ zählt rund<br />
60 mitarbeiter, etwas über 40 sind An -<br />
gestellte des Zentrums, die übrigen<br />
frei e Vortragende.<br />
Das Führungsteam besteht neben Ilan<br />
Knapp (Unternehmens- und Päda go gi -<br />
sche Leitung) aus Edgar Weiland (Aus -<br />
bildungsbereich Sprachen, inte gra tion,<br />
Soziale Kompetenz), Markus Meyer<br />
(Ausbildungsbereich Technik) und<br />
Sandra Menner (Ausbildungsbereich<br />
Büromanagement). Die Administra ti -<br />
on wird von Barbara Peichl und Ale -<br />
xan dra Sternitzky bestritten. Für die<br />
Buchhaltung sind Alexander Tolmacev<br />
und Martina Hafenscher verantwortlich.<br />
Die Haustechnik obliegt Konrad Au-te -<br />
rith und Robert Ausfelder und für den<br />
Bereich Berufsorientierung sind Eva<br />
Douet und Elena Dimitrova zu stän dig.<br />
mmag. dr. ilan Knapp, geb. 1944 in Tel Aviv, wuchs zunächst in is ra el auf,<br />
wo er seit seinem vierten Le bens jahr musikunterricht erhielt und ein englischsprachiges<br />
Gym nasium be suchte, 1960 Übersiedlung nach Wien. Pa ral -<br />
lel Externis ten matura der Re <strong>als</strong>chule sowie Kla vier- und musik pä da gogik-<br />
Studium an der Akademie für mu sik und darstellende Kunst. im An schluss<br />
drei Studien an der Wirt schaftsuniversität (WU) Wien: Be triebs wirt schafts -<br />
lehre sowie Wirt schafts pädagogik. 1973 schließlich Dok torat in Wirtschafts -<br />
psy cholo gie.<br />
Von 1971 bis 1991 Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter im Öster -<br />
reichi schen institut für Be rufs bil dungsforschung (ÖiBF), darüber hi naus in<br />
dieser Zeit parlamentarischer Berater für alle Parteien auf den Gebieten<br />
Arbeitsmarkt, Wirt schaft, Jugend, Soziales, Kul tur und Bildung sowie Lei -<br />
tung und Re fe rats tätigkeit in berufsbildenden Se minaren der Wirtschaftsund<br />
Er wachsenenbil dungs institutionen und managementtrainer für Groß -<br />
unternehmen aus den Be reichen in dustrie und Dienstleistungen. mit arbeit<br />
bei internationalen Pro jek ten im Rahmen der OECD. Seit 1980 außerordentliches<br />
mitglied der sta tisti schen Zentralkommission des Österreichischen<br />
Statistischen Zen tralamts (ÖSTAT).<br />
Seit 1976 auch Lehrbeauftragter an mehreren Uni versitäten. 1991 bis 1995 Lan -<br />
des geschäftsführer der SPÖ niderösterreich. Seit 1996 Ge schäfts führer der<br />
ecoplus nie der ös ter reichs Wirt schafts agentur GmbH. Seit 1998 Geschäfts -<br />
füh rer der nÖ Grenz land för de rungs ges mbH (nÖG). Seit 1998 schließ lich<br />
eh ren amt li che und pädagogische Lei tung des JBBZ.<br />
Zahlreiche Veröffent li chun gen in Zeit schriften sowie Buch publi ka ti o nen, da -<br />
run ter „Eine neue Heimat? Jü dische Emigrantinnen und Emi gran ten aus der<br />
Sowjet uni on“, ge mein sam herausgegeben mit Ale xander Fried mann und<br />
maria Hof stätter, 1993 im Verlag für Ge sell schafts kri tik er schie nen.<br />
ilan Knapp ist verheiratet, Vater von vier Kindern, Großvater zwei er En kel -<br />
kinder. in seiner Freizeit spielt er bis heute gerne Klavier, zählt aber auch<br />
„das Garteln“ zu seinen Hob bys.<br />
Ausschreibung zur Um ge stal tung<br />
des Lueger-Denk m<strong>als</strong> in ein Mahn -<br />
mal gegen Antisemi tis mus und<br />
Ras sis mus in Ös ter reich<br />
Plakat: Lilly Panholzer, Laurenz Feinig<br />
Skizze: Mona Liska<br />
Einsendeschluss<br />
1. März <strong>2010</strong><br />
Siemens-Rückzug aus Iran<br />
Der Siemens-Konzern hat auf seiner<br />
Hauptversammlung am 26. Ja -<br />
nuar <strong>2010</strong> nach massiver Kritik an<br />
seinen iran-Geschäften erklärt, ab<br />
mitte des Jahres keine neuen Auf -<br />
träge mehr aus dem iran anzunehmen.<br />
Einerseits ist zu hoffen, dass solch<br />
eine Entscheidung Signalwirkung<br />
für andere Unternehmen haben<br />
wird. Andererseits bleibt abzuwarten,<br />
inwiefern der Siemens-Kon -<br />
zern, der an bereits in die Wege<br />
geleiteten Geschäften festhalten<br />
möchte und alleine im Jahr 2008<br />
Waren im Wert von über 430 mio.<br />
Euro in den iran exportiert hat, auf<br />
die lukrativen iran-Geschäfte zu -<br />
künftig gänzlich verzichtet, oder<br />
lediglich versucht, sie über Dritt -<br />
länder oder durch formell unabhängige<br />
Tochterunternehmen ab -<br />
zu wickeln.<br />
http://de.stopthebomb.net/de/start/<br />
deutschland/siemens.html<br />
6 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Ewiges Paradies<br />
für NS-Kriegs -<br />
verbrecher<br />
Während der Fußballeuropamei s ter schaft<br />
2008 gingen Fotos und Filmauf nah men<br />
um die Welt, die den gesuchten kroatischen<br />
NS-Kriegsverbrecher Milivoj Asner<br />
rüstig durch die Fanzone in Kla gen furt<br />
stapfen zeigten. Er galt je doch <strong>als</strong> nicht<br />
vernehmungsfähig und wur de daher<br />
auch nicht nach Kroati en ausgeliefert.<br />
Zwei Jahre später ein ähnliches Bild. As -<br />
ner, der sich in Ös terreich Dr. Georg<br />
Aschner nennt, wird wohl weiter unbehelligt<br />
seinen Lebensabend in Kärn ten<br />
verbringen.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Anfang Januar ein Déjà-vu: in der<br />
„neu en Kärntner Tageszeitung“<br />
schildert Redakteur Horst Kakl, wie<br />
Asner im Klagenfurter Kaffeehaus<br />
„Kosta“ einen Verlängerten trinkt.<br />
Um schließlich aufzustehen, ohne<br />
Stüt ze zur Türe zu gehen und mit seiner<br />
Frau Edeltraud einen Spa zier gang<br />
zu unternehmen. Asner ist an der<br />
drit ten Stelle der Liste der zehn meist -<br />
gesuchten nazi-Kriegsverbre cher des<br />
Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusa -<br />
lem gereiht.<br />
Es war eine ähnliche Szene, die 2008<br />
international für Aufsehen sorgte.<br />
Asner galt bis dahin <strong>als</strong> nicht vernehmungsfähig.<br />
Einem Auslieferungs an -<br />
suchen durch Kroatien – er soll in der<br />
nS-Zeit <strong>als</strong> Polizeichef der Stadt Po -<br />
zega die Deportation von hunderten<br />
Serben, Juden und Roma in Kon zen -<br />
tra tionslager veranlasst haben – wur de<br />
daher nicht stattgegeben.<br />
Efraim Zuroff, Direktor des Wiesen thal-<br />
Centers, meinte dam<strong>als</strong>, „Österreich ist<br />
weiter ein Paradies für Kriegsverbrecher“<br />
und bezog sich mit dem „weiter“ auf<br />
den dam<strong>als</strong> zuvor erfolgten Wechsel<br />
zu Rot-Schwarz in der Bundesregie -<br />
rung. Asner hatte sich zu Ende des<br />
Krie ges von Kroatien nach Kärnten<br />
geflüchtet, hatte rasch die österreichische<br />
Staatsbürgerschaft erhalten und<br />
Jahrzehnte unbehelligt in Klagenfurt<br />
gelebt. Seine Auslieferung wurde 2005<br />
POLITIK • INLAND<br />
von Kroatien beantragt – ins Rollen<br />
gebracht durch die 2004 von Zuroff<br />
gestartete „Operation Last Chance“.<br />
inzwischen hatte Asner wieder in Kro -<br />
atien gelebt und war auch kroatischer<br />
Staatsbürger geworden – hatte sich<br />
aber sofort, nachdem Zuroff beim kroatischen<br />
Premier Stipe mesic vorgesprochen<br />
hatte, erneut nach Österreich<br />
begeben.<br />
Zuroffs bitterer Kommentar nach der<br />
Lektüre der aktuellen Schilderungen<br />
aus Klagenfurt zur „Gemeinde“: „Es<br />
macht mich wütend, wenn ich sehe, dass<br />
ein Mensch der <strong>als</strong> NS-Kriegsverbrecher<br />
hunderte und aberhunderte Menschen in<br />
den Tod geschickt hat, dass es diesem<br />
Menschen in Österreich möglich ist, im -<br />
mer und immer wieder den Fängen der<br />
Justiz zu entkommen und unbehelligt hier<br />
zu leben und sich seines Lebens zu erfreuen.<br />
Und es zeigt einmal mehr, dass Österreich<br />
ein Paradies für Kriegsverbrecher ist,<br />
was der Reputation Österreichs nicht förderlich<br />
ist.“<br />
im Justizministerium ist man einmal<br />
mehr bemüht, solch einen Eindruck<br />
nicht aufkommen zu lassen. Spre che -<br />
rin Katharina Swoboda auf Anfrage:<br />
„Von Seiten der österreichischen Justiz<br />
be steht höchstes Interesse Personen, die<br />
verdächtig sind, Kriegsverbrechen began-<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 7<br />
© Kakl/KTZ<br />
gen zu haben, zu verfolgen, die Täter zur<br />
Verantwortung zu ziehen und Kriegsver -<br />
bre chen aufzuklären. Die österreichischen<br />
Behörden haben jedoch bei all ihren Be mü -<br />
hungen stets nach der österreichischen<br />
Rechtsordnung zu handeln. Unabding ba re<br />
Voraussetzung ist die Verhandlungs fä hig -<br />
keit von Dr. Asner, die ihm bereits in diversen<br />
Gutachten abgesprochen wur de.“<br />
Dass Asner alias Aschner nicht vernehmungsfähig<br />
ist, zu diesem Schluss<br />
kamen die beiden Gutachter Reinhard<br />
Haller sowie Peter Hoffmann. Zuletzt<br />
bestätigte auch ein ausländischer Ex -<br />
perte diesen Umstand: Norbert Nedo pil,<br />
Leiter der Abteilung für Forensi sche<br />
Psychiatrie am Klinikum mün chen.<br />
Die ses Gutachten wurde im April<br />
2009 erstellt.<br />
Der Sprecher des für das Verfahren<br />
zu ständigen Landesgerichts Kla gen -<br />
furt, Bernd Lutschounig, zeigte sich in<br />
der ersten Reaktion auf die Anfrage<br />
der „Gemeinde“ erstaunt, dass Asner<br />
überhaupt noch lebt. Ein Blick in den<br />
Akt ergab dann: das Verfahren sei mit<br />
Hinblick auf die nicht-Verneh mungs-<br />
fähigkeit mit Juni 2009 abgebrochen<br />
worden. Eine neuerliche Prüfung des<br />
Gesundheitszustands Asners sei in<br />
zwei Jahren vorgesehen. im Übrigen<br />
liege die Verantwortung für diesen<br />
POLITIK
Fall nun bei der Staatsanwaltschaft<br />
Kla genfurt.<br />
Deren Sprecher Helmut Jamnig verwies<br />
ebenfalls auf die drei durchgeführten<br />
Gutachten. Wie aber der offenbar gu te<br />
Gesundheitszustand, der Asner, heute<br />
96 Jahre alt, rüstig durch Kla gen furt<br />
spazieren und gemütlich Kaf fee trinken<br />
lässt, hier dazu passe? Grund sätz -<br />
lich könnten menschen ihren Alltag<br />
be streiten und dennoch komplexere<br />
Zusammenhänge in einer Unterhal -<br />
tung nicht verstehen, so Jamnig. Vor -<br />
aus setzung für eine Auslieferung sei<br />
nun einmal, dass der Betroffene nachvollziehen<br />
könne, was ihm überhaupt<br />
zur Last gelegt werde. Und das sei bei<br />
Asner eben nicht der Fall.<br />
Kurz nachdem Asner beim Flanieren<br />
durch die Kärntner Landeshaupt -<br />
stadt beobachtet worden war, starb<br />
übrigens seine Frau Edeltraud 84-jährig<br />
auf der neurochirurgischen Abteilung<br />
des Landeskrankenhauses Kla -<br />
gen furt. Sie sei einem Herzschlag er -<br />
legen, hieß es. Die beiden hatten 1950<br />
in Krumpendorf geheiratet.<br />
Drei Tage vor Edeltraud Asners Tod<br />
soll es laut Bericht von Kakl in der<br />
„neuen Kärntner Tageszeitung“ zu<br />
einem Streit zwischen den Eheleuten<br />
im von der Caritas geführten „Haus<br />
martha“ gekommen sein, in dem die<br />
beiden seit einigen monaten lebten.<br />
Edeltraud Asner soll sich dabei den<br />
Kopf an einer Türe angeschlagen ha -<br />
ben. Worum es ging, sei nicht be -<br />
kannt: das Gespräch sei auf Kroatisch<br />
geführt worden.<br />
Kakl berichtete auch vom Begräbnis<br />
für Asners Ehefrau, dem nur eine<br />
Handvoll Personen beiwohnten.<br />
Warum er denn Fall Asner nicht aus<br />
den Augen lasse, wollte die „Ge mein -<br />
de“ von Kakl wissen. „Warum ich an<br />
der Story dran bleibe, ist leicht erklärt:<br />
Ich habe den Eindruck, dass man es sich<br />
in Kärnten im Umgang mit der Causa<br />
Asner allzu leicht gemacht hat. Während<br />
bei Otto Normalverbraucher (zumeist)<br />
kein Pardon gewährt wird, gab es meiner<br />
Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />
Hausverwalter<br />
dkfm. Viktor & dr. Peter maier<br />
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IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
Ansicht nach hierzulande nur geringe An -<br />
strengungen, Licht in die Frage zu brin -<br />
gen, ob die Vorwürfe gegen Milivoj Asner<br />
begründet sind oder nicht. Ich ha be eine<br />
Ahnung, von wem all das ausgegangen<br />
sein könnte, aber keine Beweise, daher<br />
äußere ich auch keine Verdachts momente,<br />
wie Sie verstehen werden. Das wäre nicht<br />
korrekt.“<br />
Kakl ergänzt: „Auffällig ist aber, wie<br />
nach sichtig man die Frage behandelte, ob<br />
Asner noch österreichischer Staatsbürger<br />
ist oder nicht. Man ließ die Angelegen heit<br />
auf sich beruhen, ohne je zu einem Er geb -<br />
nis zu gekommen zu sein. Üblicherweise<br />
sind die Kärntner Behörden im Umgang<br />
mit Menschen, bei denen es sich um<br />
‚Aus länder‘ handelt oder handeln könnte,<br />
bei weitem nicht so tolerant.“ Üblicherweise.<br />
Aber dieser Fall ist ja gänzlich<br />
anders gelagert. •<br />
Stenzel unterstützt<br />
israelisch-palästinensisches<br />
Kinder-Friedensprogramm<br />
israels ehemaliger Verteidi gungs mi -<br />
nister und stellvertretender minister -<br />
präsident Amir Peretz hielt sich in<br />
Wien auf, um für eine israelisch-pa läs -<br />
tinensische Friedensinitiative "Chil d -<br />
ren's Treasury for Peace" zu werben.<br />
Peretz, der seine Regierungsämter we -<br />
gen des Libanon-Krieges 2006 verloren<br />
hatte und durch Ehud Barak ab ge -<br />
löst worden war, traf mit der Bezirk -<br />
vorsteherin von Wien-innere Stadt<br />
und früheren Europaabgeord ne ten<br />
Ursula Stenzel (V) zusammen. „Um<br />
Frieden zu schaffen, bedarf es des Ver trau -<br />
ens. Dieses Vertrauen muss wach sen von<br />
klein auf“, erklärte Stenzel. „Es soll<br />
Kin der zusammenbringen, um das ge gen -<br />
seitige Feindbild abzubauen. Die Förde rung<br />
wird ihrer Ausbildung zugute kom men<br />
und soll gemeinsame palästinensisch-is -<br />
ra elische Friedensaktivitäten mit einem<br />
Stipendium belohnen."<br />
Bereits seit nahezu einem Jahrzehnt<br />
gibt es die „Peacecamp“-initiative<br />
der Wiener Psychologin und Psycho -<br />
the rapeutin Evelyn Böhmer-Laufer, die<br />
jeden Sommer junge menschen zwischen<br />
14 und 18 Jahren aus israel - is -<br />
ra elische und palästinensische -, Ös -<br />
terreich und Ungarn im Wald viertel<br />
zu sammenführt, um We ge der Ver -<br />
ständigung und Konflikt bewältigung<br />
zu suchen. Ein wichtiges Ziel ist es da -<br />
bei, „Strategien gegen Xenophobie und<br />
in terkulturelle Konflikte“ zu entwickeln.<br />
Österreichische<br />
Unschulds-Litanei<br />
Für Karl-Heinz Grasser<br />
gilt die Unschuldsvermutung.<br />
Für Alfons Mensdorff-Pouilly<br />
gilt die Unschuldsvermutung.<br />
Für Uwe Scheuch<br />
gilt die Unschuldsvermutung.<br />
Für Josef Dörfler<br />
gilt die Unschuldsvermutung.<br />
Für Walter Maischberger<br />
gilt die Unschuldsvermutung.<br />
Für Asylsuchende gilt die<br />
Unschuldsvermutung nicht.<br />
Sie werden sicherheitshalber<br />
zuerst einmal interniert.<br />
Auf der Saualpe (über die<br />
kaum noch wer spricht).<br />
Und bald auch anderswo.<br />
In einem Anhaltelager, genannt<br />
Erstaufnahmezentrum.<br />
Wann kommt die nächste<br />
Gruppe dran, über die man eine<br />
„Anwe sen heitsverpflichtung“<br />
verhängt?<br />
Sicherheitshalber.<br />
Und ohne so viel Aufregung<br />
wie derzeit noch.<br />
Wer sind die nächsten latent<br />
asozialen und potenziell<br />
gefährlichen Elemente in<br />
unserer Gesellschaft?<br />
„So genannte Künstler“<br />
vielleicht?<br />
Wie weit wird der Toleranzpegel<br />
für politische Ungeheuer -<br />
lichkeiten noch steigen?<br />
Dank der Hartnäckigkeit von<br />
Maria Fekter und ihrer politischen<br />
Einpeitscher.<br />
Aber auch für sie gilt auch die<br />
Unschuldsvermutung.<br />
Gerald Bast,<br />
Rektor der Universität für<br />
angewandte Kunst Wien<br />
8 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
„Bunte“<br />
Nazi-T-Shirts<br />
©www.welsgegenrechts.at<br />
nazi-Vorwürfe gegen die Welser Bür -<br />
gerliste „Die Bunten“ beschäftigen<br />
den Verfassungsgerichtshof (Vf GH).<br />
Die Gruppierung war von der Ge mein -<br />
deratswahl im vergangenen Herbst<br />
ausgeschlossen worden und hatte da -<br />
rauf hin gegen das Wahl er geb nis Ein -<br />
spruch erhoben. nun sind wie berichtet<br />
Fotos aufgetaucht, die Kan di daten<br />
der Liste mit einschlägigen T-Shirts<br />
oder gar beim Hitlergruß zeigen sollen.<br />
Die Stadt hat die Bilder laut ORF-<br />
Radio Oberösterreich nun an den<br />
VfGH übermittelt - zur Unter mau e -<br />
rung, dass der Wahlausschluss ge recht -<br />
fertigt gewesen sei, wie es heißt. Eine<br />
Entscheidung wird für märz er war tet.<br />
„Bunten“-Chef Ludwig Reinthaler distanzierte<br />
sich von den Botschaften auf<br />
den T-Shirts. Diverse Bilder, die of fen -<br />
bar aus Online-Plattformen stammen,<br />
kursierten zuletzt in Oberösterreich.<br />
neben Leuten, die auf Partys mit einschlägigen<br />
T-Shirts und Tattoos wie<br />
„Ostmark“ oder „Ruhm und Ehre der<br />
Deutschen Wehrmacht“ posierten, sind<br />
darauf auch männer mit Glatzen und<br />
Bomberjacken vor der Gaskammer im<br />
ehemaligen KZ mauthausen oder mit<br />
zum Hitlergruß erhobener Hand zu<br />
se hen.<br />
medienberichte brachten diese Bilder<br />
in Zusammenhang mit den „Bunten“.<br />
Laut „Österreich“ soll beispielsweise<br />
einer der männer mit erhobenem Arm<br />
aus den Reihen der Bürgerliste stammen.<br />
Der „Kurier“ nannte sogar mehrere<br />
Kandidaten, die auf den Bildern<br />
zu sehen sein sollen: Eine Kandidatin<br />
habe beispielsweise bei einem Besuch<br />
der KZ-Gedenkstätte ein T-Shirt mit<br />
der Aufschrift „Ich habe Bock auf Na -<br />
zis“ getragen, die Freundin eines an -<br />
POLITIK • INLAND<br />
deren „Bunten“ eines mit „Natio nale<br />
Sozialistin“. Die Reaktion eines der Be -<br />
troffenen im Zeitungsinterview: „Wir<br />
haben uns nichts dabei gedacht, solche<br />
Leiberln tragen wir immer.“ „Bunten“-<br />
Chef Ludwig Reinthaler distanzierte<br />
sich gegenüber dem „Kurier“ von den<br />
T-Shirt-Botschaften: „Davon habe ich<br />
nichts gewusst - und ich heiße so etwas<br />
auch nicht gut.“ Er habe Skinheads auf<br />
seiner Liste kandidieren lassen, weil<br />
er gehofft habe, sie „zu sozialisieren“.<br />
im ORF-Radio betonte er hingegen,<br />
man könne „nicht wegen einem Leib -<br />
chen eine ganze Bürgerliste verbieten“.<br />
Der vermeintliche Hitlergruß sei außer -<br />
dem nur eine „zufällige Handbe we -<br />
gung“ gewesen, sein Kandidat habe<br />
lediglich jemanden grüßen wollen.<br />
Das habe man auch dem VfGH so mit -<br />
geteilt. Robert Eiter, Sprecher des OÖ<br />
netzwerks gegen Rassismus und<br />
Rechtsextremismus, rechnet damit,<br />
dass der Gerichtshof eine klare Ent -<br />
scheidung fällen werde. Auf den Bil -<br />
dern „zeigen Kandidaten der Bunten ganz<br />
offen und provokant eine braune Gesin -<br />
nung“, sagte er im Radio-interview.<br />
„Ich meine, viel deutlicher geht es nicht<br />
mehr.“<br />
Auch der Vorsitzende des mauthau -<br />
sen Komitee Österreich, Willi Mernyi,<br />
ist empört: „Es ist eine unglaubliche Pro -<br />
vokation, dass rund ein Jahr nach der<br />
Schändung der KZ-Mauern bekannte<br />
Rechtsextremisten vor der Gaskammer<br />
auf marschieren.“ im innenministerium<br />
kann man sich den Zwischenfall nicht<br />
erklären: „Unsere Mitarbeiter sind sensibilisiert<br />
und es gibt eine Hausordnung,<br />
nach der niemand rein darf, der auch nur<br />
ansatzweise an das Verbotsgesetz an -<br />
schrammt“, hieß es gegenüber dem<br />
„Ku rier“. Einer der T-Shirt-Träger<br />
versicherte allerdings, dass die Lei berln<br />
sicher mehreren Angestellten auf -<br />
gefallen sein müssten. „Hätte man uns<br />
gesagt, dass wir die nicht tragen dürfen,<br />
wären wir nicht in die Gedenk stät te<br />
gegangen“, behauptete der „Bunte“-<br />
Kandidat.<br />
Wahlanfechtung könnte durchgehen<br />
Die Wahlanfechtung, die beim VfGH<br />
liegt, könnte durchgehen, vermutet<br />
der stellvertretende FPÖ-Landespar -<br />
tei chef Landesrat Manfred Haimbuch ner.<br />
Er sieht den Welser Bürgermeister<br />
Peter Koits (S) daher „momentan großen<br />
Problemen ausgesetzt“, wie er am<br />
Rande einer Pressekonferenz in Linz<br />
sagte. nach dem Auftauchen der Fo -<br />
tos habe sich die laufende Anfech tung<br />
der Welser Kommunalwahlen durch<br />
„Die Bunten“ von selbst qualifiziert,<br />
erklärten hingegen die Grüne men -<br />
schen rechtssprecherin Maria Buch mayr<br />
und die Welser Fraktions vor sitzende<br />
Andrea Bauer in einer Aussendung. Es<br />
zeige sich, dass die Bürgerliste völlig<br />
zu Recht ausgeschlossen worden sei,<br />
so Bauer. „Es kann nicht sein, dass sich<br />
der Rechtsstaat von grenzwertiger NS-<br />
Symbolik gängeln lassen muss“, betonte<br />
Buchmayr.<br />
Rechtsexperten warnen<br />
vor Verharmlosung<br />
Rechtsexperten haben vor Verharmlo -<br />
sung der Aktionen einzelner Kandi -<br />
da ten der Bürgerliste „Die Bunten“<br />
gewarnt.<br />
Laut dem Linzer Verwaltungsrechtler<br />
Andreas Janko könnten die T-Shirts<br />
auch nach dem EGVG (Einfüh rungs -<br />
gesetz zu den Verwaltungsverfah -<br />
rens gesetzen) strafbar sein: Demnach<br />
wäre das Tragen von Leibchen mit<br />
na zi-Sprüchen, auch wenn sie nicht<br />
unter das Verbotsgesetz fallen sollten,<br />
zumindest „grober Unfug“. Das gelte<br />
auch, wenn sich der Träger mit der<br />
zur Schau gestellten ideologie gar<br />
nicht identifiziere, erklärte Janko.<br />
Der ehemalige Senatspräsident des<br />
Oberlandesgerichtes Linz, Wolfgang<br />
Aistleitner, warnte in einem Gespräch<br />
mit der APA vor einer voreiligen Frei -<br />
stel lungs erklärung, wie es - aus seiner<br />
Sicht - Michael Tischlinger, der Leiter<br />
des oberösterreichischen Landesamts<br />
für Verfassungsschutz und Terroris -<br />
mus bekämpfung (LVT) machen wür -<br />
de. Ohne genaue Prüfung, sei es „ein<br />
entsetzliches Signal“, so Aistleitner, of -<br />
fen gezeigte Bekundungen wie „Ich<br />
habe Bock auf Nazis“ auf einem T-Shirt,<br />
getragen in der KZ-Gedenkstätte<br />
maut hausen, straflos zu erklären.<br />
Tischlinger hatte darauf verwiesen,<br />
dass nur einige bestimmte Symbole<br />
im Verbotsgesetz erfasst seien. Es ma -<br />
che zudem einen großen Unterschied,<br />
ob man in den eigenen vier Wänden<br />
eindeutig rechtsextreme Outfits trägt,<br />
oder aber in der Öffentlichkeit. Denn<br />
in letzterem Fall könne man davon<br />
ausgehen, so der Senatspräsident in<br />
Ruhe, dass man das auch bewusst<br />
nach außen zeigen wollte. APA/red<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 9
Wie man<br />
sich wehren<br />
kann<br />
Volker Frey arbeitet für den Klags ver band<br />
zur Durchsetzung der Rechte von Dis kri -<br />
minierungsopfern und ist für ZARA – Zi -<br />
vilcourage und Anti-Rassis mus-Arbeit <strong>als</strong><br />
Trainer tätig. Ein Trainer in Sachen Zivil -<br />
cou rage? Ja! Bei ZARA kann man in Work -<br />
shops und eben so genannten Trainings<br />
erfahren und üben, wie man sich selbst<br />
in unangenehmen Situationen wehren<br />
oder anderen zu Hilfe kommen kann. Im<br />
Gespräch mit der „Gemeinde“ skizzierte<br />
Frey einige Möglichkeiten, wie man in<br />
solch schwierigen Situationen zurecht<br />
kommt, ohne zu schweigen.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Kennen Sie diese Situationen, in de nen<br />
– plötzlich und unerwartet – von<br />
Fremden oder auch langjährigen Be -<br />
kannten eine antisemitische Bemer -<br />
kung fallen gelassen wird? Wo man<br />
sich, etwa anlässlich der aktuellen<br />
Asyldebatte, im Handumdrehen in<br />
ei ner rassistischen Gesprächssi tua ti on<br />
wiederfindet? Wie reagieren? Schwei -<br />
gen? Dagegenreden? Schreien? Weg -<br />
lau fen?<br />
Am Anfang steht hier vor allem das<br />
Sich-Bewusstmachen, das Sich-Ein ge -<br />
stehen, dass diese Situation ein Pro -<br />
blem darstellt, dass ich mich nicht<br />
wohl fühle – und zwar egal, ob ich oder<br />
jemand anders betroffen ist. „Hin -<br />
schau en, nicht wegschauen“, benennt es<br />
Frey. nächster Schritt: bewerten. ist<br />
das tatsächlich ein Übergriff? Geht<br />
mich das überhaupt etwas an? Habe<br />
ich hier ein Recht einzugreifen? Und<br />
schließlich drittens: welche Strategie<br />
wende ich an? Wende ich mich direkt<br />
an die Person, die etwas F<strong>als</strong>ches ge -<br />
sagt oder gemacht hat, äußere ich nur<br />
laut meinen Unmut, hole ich andere<br />
zu Hilfe?<br />
POLITIK • INLAND<br />
meistens erzählen die Workshopteil -<br />
neh mer von ein bis drei schwierigen<br />
Situationen, die sie immer wieder er -<br />
leben, erzählt Frey. Reagieren könne<br />
man mit ganz unterschiedlichen in -<br />
terventionen – gut sei es aber, sich für<br />
jede dieser Situation schon eine Stan -<br />
dard antwort, eine bestimmte Reak ti -<br />
on zurechtzulegen. Die hat man dann<br />
schon einmal in petto, wenn es wieder<br />
so weit ist. Und fällt einem dann<br />
etwas Besseres ein: gut. Wenn nicht,<br />
ist man dennoch nicht unvorbereitet.<br />
Was aber sind nun solche Situatio nen?<br />
Etwa jene, in der eine Frau gemeinsam<br />
mit ihrem schwarzen Partner in<br />
die Straßenbahn einsteigt und dann<br />
mit Stänkereien bedacht wird. Oder<br />
die muslimische Kopftuchträgerin, die<br />
beschimpft wird. Ja, das ist auch eine<br />
Form von Gewalt, macht Frey klar.<br />
Zivilcourage bedeutet hier, seinen Un -<br />
mut zu äußern, laut und deutlich zu<br />
sagen, dass man das nicht in Ord nung<br />
findet.<br />
Grundsätzlich aber gilt in allen Kom -<br />
mu nikationen, in denen ich durch die<br />
meinung eines anderen vor den Kopf<br />
gestoßen werde: „Es bringt meistens<br />
sehr wenig, auf einer inhaltlichen Ebene<br />
zu diskutieren“, so Frey. ich muss mir<br />
besser überlegen, was ich mit meiner<br />
Antwort erreichen will. Will ich den<br />
anderen von meiner meinung überzeugen?<br />
Oder wäre es nicht einfach<br />
schon gut, rundheraus zu sagen, dass<br />
ich mit dem von ihm Gesagten nicht<br />
einverstanden bin?<br />
Am schwierigsten zu meistern sind<br />
Situationen innerhalb der Familie, in<br />
denen man sich unwohl fühlt, sagt<br />
Frey. Wenn man den Spruch „Unterm<br />
Hitler hätt’s des net geben“ seit zehn, 20<br />
Jahren immer wieder von jemandem<br />
hört, den man eigentlich gern hat und<br />
schätzt. Und daher nichts sagt. „Das<br />
ist auch die Banalität des Bösen.“ Ein<br />
erster richtiger Schritt wäre hier eine<br />
Frage zu stellen. Was hätte es nicht ge -<br />
geben? Woher weißt du das? Doch ge -<br />
rade in der Familie sind die Ver hal -<br />
tens muster oft verfahren, sich daraus<br />
zu befreien ist schwer. Aufbrechen<br />
kann man sie etwa mit Rollenspielen.<br />
Ein Argumentations- oder Zivilcou -<br />
ra ge training sei dafür aber nicht der<br />
richtige Ort, betont Frey. „Da ist man<br />
in einem psychotherapeutischen Kontext<br />
besser aufgehoben.“<br />
Ergeben sich unliebsame Diskussio nen<br />
im Bekanntenkreis, kann das aus an -<br />
derem Grund schwierig sein: „Man<br />
braucht sich ja nur überlegen – meine bes -<br />
ten Freunde, wenn ich sie heute neu kennen<br />
lernen würde, wären sie dann wieder<br />
meine besten Freunde?“ Gerade men -<br />
schen, die man in jungen Jahren kennengelernt<br />
hat, entwickeln sich oft in<br />
verschiedene Richtungen. Will man<br />
in Kontakt bleiben, empfiehlt es sich,<br />
diplomatisch zu bleiben. Was aber<br />
nicht heißt, dass man mit seiner mei -<br />
nung hinterm Berg halten soll. „Man<br />
muss dann sehen, dass man einen geeigneten<br />
Umgang damit findet. Humor ist<br />
zum Beispiel ein Weg. Man kann jede Be -<br />
merkung, die einem nicht passt, mit<br />
Humor kontern.“<br />
Am Arbeitsplatz kann es zum Bei spiel<br />
der Kollege sein, mit dem man oft in<br />
einer größeren Runde mittagessen<br />
geht, und dem immer wieder unpassende<br />
Bemerkungen auskommen.<br />
Prädestinierte Themen: Asyl, migra ti -<br />
on, israel. Klar muss mir hier auch<br />
mein Ziel sein. Will ich seine Ein stel -<br />
lung ändern? Oder will ich schlicht,<br />
dass er gewisse Dinge im Arbeitsum -<br />
feld nicht mehr sagt?<br />
Hier schlägt Frey eine dreistufige Vor -<br />
gangsweise vor. Zunächst einmal das<br />
Thema mit einer Frage fixmachen à la<br />
„Du meinst wirklich, dass …?“. So kann<br />
der Angesprochene noch zu rück ru -<br />
dern, kann ohne sein Gesicht zu verlieren<br />
relativieren und merkt gleich -<br />
zeitig, dass seine Aussage nicht gut an -<br />
gekommen ist. Funktioniert dies nicht,<br />
muss man artikulieren, dass man das<br />
Gesagte <strong>als</strong> unangenehm empfindet.<br />
Und wird auch das nicht zur Kennt -<br />
nis genommen, empfiehlt Frey direkt<br />
zu sagen, „ich will das nicht hören“.<br />
Bei bestimmten Themen gibt es aber<br />
auch eine andere möglichkeit, damit<br />
umzugehen. Etwa wenn von Juden ge -<br />
sprochen wird, die alle reich seien.<br />
Eine Antwort wie „Was würdest du sa -<br />
gen, wenn jemand meint, alle Männer<br />
sind reich?“ würde den Betreffenden<br />
doch zum nachdenken bringen.<br />
Fühlt man sich übrigens am Arbeits -<br />
platz durch stetig wiederkehrende ras -<br />
sistische oder antisemitische Äußerungen<br />
eines Kollegen unangenehm<br />
be rührt, kann man sich an den Ar beit -<br />
ge ber wenden. Dieser hat eine Für -<br />
sor ge pflicht für jeden einzelnen mit -<br />
10 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
ar bei ter und hat dafür zu sorgen,<br />
dass solche Übergriffe gestoppt werden.<br />
in der Gruppe üben kann man solche<br />
und andere Strategien in den Trai nings<br />
von ZARA. An einem solchen meist<br />
eintägigen Training nehmen zehn bis<br />
20 Personen teil, die dabei von zwei<br />
Experten betreut werden. Trainings<br />
kann man unbürokratisch bei ZARA<br />
buchen, ein Training kostet für die<br />
ge samte Gruppe um 1.200 Euro.<br />
www.zara.or.at<br />
Offensive zur<br />
Zivilcourage auf<br />
Antrag der Grünen<br />
beschlossen<br />
Erfreut zeigt sich Birgit Hebein,<br />
Grüne Klubobfrau in Rudolfs heim-<br />
Fünf haus über den Beschluss der<br />
Bezirks ver tretungssitzung: Dem -<br />
nach wird der Verein ZARA - Zi vil -<br />
courage und Antirassis musar beit -<br />
Projekte zur Sen sibilisierung für die<br />
Themen Dis kriminierung, Zi vil cou -<br />
ra ge, Rassis mus und Gleich be hand -<br />
lung im 15. Bezirk anbieten. Ver -<br />
schie dene Work shops machen das<br />
Er kennen und An erkennen von<br />
Vielfalt, die Be schäfti gung mit Vor -<br />
urteilen und das Sicht bar ma chen<br />
von Diskriminie run gen und institutionellem<br />
Rassismus zum The ma.<br />
„Es ist im Interesse des Bezirks, das Zu -<br />
sammenleben zu fördern,“ meint He -<br />
bein. „Die bisherigen Erfahrungen ha -<br />
ben ge zeigt, dass gerade an Schulen so<br />
ein ge gen seitiger Respekt aufgebaut<br />
und ein rücksichtsvolleres Miteinan der<br />
ge fördert werden kann. Ebenso wirksam<br />
sind Projekte mit Berufs grup pen,<br />
die sich mit Jugend li chen beschäftigen.<br />
Die Workshops führen zu ei ner Sen si -<br />
bi lisierung gegenüber Vorur tei len,<br />
Fremd-/Anderssein und Diskrimi nie -<br />
rung. Dabei werden Vorurteile reflektiert<br />
und Strategien im Umgang mit<br />
Vielfalt erarbeitet.“<br />
im 15. Bezirk wird die So zial kom -<br />
mis sion über das konkrete Aus maß<br />
des Ange bots ent scheiden. „Dem<br />
Vor stoß unseres Be zirks könnten<br />
andere Bezirke folgen.“ so Hebein<br />
ab schließend.<br />
POLITIK • INLAND<br />
„Die Ermittlungen laufen“<br />
Seit rund einem Jahr ist die rechtsradikale<br />
Homepage www.alpen-donau.info nun<br />
online. Der oder die Betreiber sind offiziell<br />
noch im mer nicht ausgeforscht.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Eintrag vom 1. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong>: „Zu ei -<br />
nem bestimmten Detail der Geschichte ist<br />
nur die ‚Zeugenaussage‘, nicht aber der<br />
na turwissenschaftliche Beweis zugelassen.“<br />
Eintrag vom 28. Januar <strong>2010</strong>: „Einmal<br />
im Jahr kommt der Nikolaus, dreimal am<br />
Tag ist ‚Holocau$t‘. Alle Jahre wieder findet<br />
am 27. Jänner der Auschwitztag statt.“<br />
Eintrag vom 26. Januar <strong>2010</strong>: „Dass den<br />
Lizenzparteien das Wohlergehen der Ne -<br />
ger, Schwulen und Juden wichtiger ist,<br />
<strong>als</strong> die Bedürfnisse des Volkes, ist eigentlich<br />
schon lange bekannt. Gleiches und<br />
Gleiches gesellt sich gerne, womit wir na -<br />
türlich nicht behaupten wollen, dass jeder<br />
Politiker dieses Staates schwuler Jude ist.“<br />
Eintrag vom 21. Januar <strong>2010</strong>, bezug -<br />
neh mend auf einen Bericht in der De -<br />
zember-Ausgabe der „Gemeinde“<br />
über eine von ZARA veranstaltete Dis -<br />
kussion zum Thema „Rechts ex tre mis -<br />
mus im internet“: „Es freut uns übrigens<br />
mächtig, dass wir von Juden <strong>als</strong> Problem<br />
bezeichnet werden. Wir können den Druck<br />
noch steigern …“<br />
Die Liste ließe sich seitenweise fortsetzen.<br />
Wie lange solche und ähnliche<br />
Beiträge noch online zu lesen sein wer -<br />
den, steht in den Sternen. „Die Er mitt -<br />
lun gen laufen“, betont dazu Rudolf<br />
Gollia, Sprecher des innenministe ri -<br />
ums, Anfang <strong>Februar</strong> auf Anfrage der<br />
„Gemeinde“. nicht mehr bemüht wird<br />
nun der Hinweis, dass der Server dieser<br />
Seite in den USA liegt und man da -<br />
her nur schwer eine Handhabe habe.<br />
Ob die Seite gegen das Verbotsgesetz<br />
verstoße? Gollia: „Dem Ministerium<br />
steht hier keine Bewertung zu.“ Das sei<br />
allein Sache der Staatsanwaltschaft.<br />
„Und die Staatsanwaltschaft ist eingebunden.“<br />
Dass die Causa nun zur ministeriellen<br />
Chefsache erhoben und damit nur<br />
mehr vom Büro von ministerin maria<br />
Fekter (ÖVP) betreut wird, wie informell<br />
in den vergangenen Wochen im -<br />
mer wieder zu hören war, dementiert<br />
Gollia ganz klar. Es gebe Ermittlun -<br />
gen in mehreren Bundesländern, die<br />
vom Bundesamt für Verfassungs -<br />
schutz- und Terrorismusbekämpfung<br />
koordiniert würden.<br />
immer wieder wird zudem von Per -<br />
sonen, die die rechte Szene in Österreich<br />
beobachten, in off the record-<br />
Ge sprächen vermutet, dass die Al pen-<br />
Donau-Seite von einer oder mehreren<br />
Personen betrieben wird, die ein na -<br />
he verhältnis zum amtierenden Drit ten<br />
nationalratspräsidenten martin Graf<br />
(FPÖ) unterhalten oder aber unterhalten<br />
haben. Dazu Rudolf Gollia: Zu<br />
mög licherweise involvierten Perso nen<br />
könne er „nichts kommunizieren. Das<br />
unterliegt der Amtsverschwiegenheit“.<br />
Das sei auch im Sinn des Rechts staats.<br />
Es gilt <strong>als</strong>o die Unschuldsvermutung.<br />
Allerdings fällt auf, dass auf alpendo<br />
nau.info immer wieder interne Do -<br />
kumente aus dem FPÖ-Parla ments -<br />
klub veröffentlicht wurden, welche den<br />
Alpen-Donau-Betreibern nach ei ge -<br />
nem Bekunden „per netzpost“ zugespielt<br />
worden seien. Bis 30. Juni des<br />
vergangenen Jahres jedenfalls, zu diesem<br />
Zeitpunkt kam es im freiheitli chen<br />
Klub auch zu Personal verän de run gen.<br />
Seitdem gibt es einerseits keine solchen<br />
Dokumentveröffentlichungen<br />
mehr – andererseits wurde der Ton<br />
gegenüber der FPÖ teilweise rauer,<br />
wenngleich immer noch sowohl auf<br />
die Seite der FPÖ <strong>als</strong> auch auf unzensuriert.at<br />
verlinkt wird. Auf unzensuriert.at<br />
tun un ter anderen Martin Graf,<br />
Andreas Mölzer und Walter Rosenkranz<br />
ihre meinung kund.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 11
Protest gegen<br />
Kontakte der FPÖ<br />
mit ungarischer<br />
Jobbik-Partei<br />
Ansprache des FPÖ-<br />
Nationalratsabgeordneten<br />
Hübner bei Jobbik-Veranstaltung<br />
Kontakte der FPÖ mit der ungarischen<br />
rechtsextremen Partei Jobbik<br />
sorgen für Protest. Die israelitische<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong> (iKG) zeigte sich in<br />
einer Aussendung zum Holocaust-<br />
Ge denktag entsetzt darüber, dass es<br />
„ohne Aufschrei der demokratischen Par -<br />
teien“ Kontakte der „offen neofaschistischen<br />
ungarischen Jobbik-Partei“ mit<br />
der FPÖ geben könne.<br />
Vor einigen Wo chen hatten Jobbik-<br />
Vertreter den FPÖ-Klub in Wien be -<br />
sucht, bestätigte der außenpolitische<br />
Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner,<br />
auf Anfrage. mitte Januar habe dann<br />
er selbst auf deren Einladung hin bei<br />
einer Jobbik-Wahlkampf veranstal -<br />
tung in Budapest eine kurze Anspra -<br />
che ge halten.<br />
Es habe sich bei dem Besuch um ei -<br />
nen „ersten Kontakt gehandelt“, eine<br />
Kooperation gebe es aber nicht, sagte<br />
der nationalratsabgeordnete weiter.<br />
Hübner hatte beim Wahlkampfauf -<br />
takt der ungarischen Partei am 16. Ja -<br />
nuar nach einigen Worten auf Unga -<br />
risch zum Zusammenhalt und zur Zu -<br />
sammenarbeit zwischen den beiden<br />
Parteien aufgerufen, berichtete die<br />
internetseite einer zentralungarischen<br />
Lokalorganisation von Jobbik.<br />
im April finden in Ungarn Parla -<br />
mentswahlen statt, wobei der bisher<br />
nicht im Parlament vertretenen rechts -<br />
extremen Jobbik gute Chancen zugesprochen<br />
werden. Jobbik hatte im Ok -<br />
tober in Budapest einen EU-weiten<br />
Verband rechtsextremer Parteien ge -<br />
gründet, an dem auch die französische<br />
Front National (Fn) beteiligt ist.<br />
Parteivizechef Zoltan Balczo hatte da -<br />
m<strong>als</strong> bekanntgegeben, dass auch mit<br />
der FPÖ Verhandlungen geführt<br />
wür den. nach Angaben Hübners<br />
laufen derzeit jedoch keine Ge sprä -<br />
che zwischen den beiden Parteien<br />
und die FPÖ sei dem Verband auch<br />
nicht beigetreten.<br />
POLITIK • INLAND<br />
Neonazi-Umtriebe in sozialen Netzwerken<br />
und auf Online-Plattformen<br />
Soziale netzwerke und Partyfotos auf<br />
Online-Plattformen zeigen nicht im -<br />
mer nur feucht-fröhliche, sondern<br />
auch neonazistische Szenen. Die Pa -<br />
lette reicht von Gelagen, bei denen die<br />
Feiernden stolz mit ihren einschlägigen<br />
T-Shirts und Tattoos posieren, bis<br />
hin zum Gruppenbild mit Hitlergruß.<br />
Während sich rechte Gruppen online<br />
- auch international - gut vernetzen<br />
können, sind der Polizei aber oft die<br />
Hände gebunden. Eine Tätowierung<br />
mit dem Schriftzug „Ostmark“ oder<br />
„88“ (ein in neonazi-Kreisen verbreiteter<br />
Code für „Heil Hitler“, Anm.),<br />
T-Shirts, die den Träger <strong>als</strong> „White War -<br />
rior“ ausweisen oder „Ruhm und Eh re“<br />
für die Deutsche Wehrmacht fordern -<br />
das sind nur einige Beispie le, was es<br />
auf Partyfotos im internet zu sehen<br />
gibt. Die Wände zieren ein Son nen -<br />
rad, Wikinger-motive oder der Schrift -<br />
zug „Walhall“.<br />
Derartige Bilder bleiben auch dem<br />
Ver fassungsschutz nicht verborgen.<br />
Allerdings: Vieles kommt nicht zur<br />
An zeige, weil die meisten nazi-Co des<br />
nicht verboten sind. Das seien nur ei -<br />
nige wenige Zeichen wie beispielsweise<br />
das Hakenkreuz, erklärte Mi -<br />
cha el Tischlinger, Leiter des oberösterreichischen<br />
Landesamts für Ver fas -<br />
sungsschutz und Terrorismusbe kämp -<br />
fung (LVT). Hinzu komme, dass das<br />
Zeigen von nS-Symbolen nur im öf -<br />
fentlichen Raum strafbar sei, jedoch<br />
nicht im eigenen Partykeller.<br />
Aber nicht nur einschlägige Party-Pics<br />
kursieren im internet, auch Fotos von<br />
„Ausflügen“, die am Wochenende teil -<br />
weise von der Zeitung „Österreich“<br />
veröffentlicht wurden, sind dabei. Ein<br />
Gruppenbild zeigt etwa drei männer<br />
mit schwarzen Bomberjacken und<br />
Glatzen vor der Gaskammer im früheren<br />
KZ mauthausen. Einer hat ein<br />
Klein kind auf dem Arm. Für den<br />
Verfassungsschutz relevanter ist eine<br />
andere Aufnahme, auf der drei Her -<br />
ren beim Hitlergruß in einem Stollen<br />
zu sehen sind. Aber auch hier gebe es<br />
vorerst keine Anzeige, so Tischlinger.<br />
Es sei nämlich derzeit noch nicht be -<br />
kannt, wann und wo das Bild aufgenommen<br />
worden ist - „aber ziemlich<br />
sicher nicht in Mauthausen“. Der Hit -<br />
ler gruß sei ebenfalls nur strafrechtlich<br />
relevant, wenn man ihn in der Öffentlichkeit<br />
zeige. Das scheine hier nicht<br />
der Fall gewesen zu sein.<br />
Das führt zu einem weiteren juristischen<br />
Problem: Wer ein derartiges Foto<br />
ins internet stellt, macht sich streng<br />
genommen selbst strafbar - auch wenn<br />
er damit nur auf neonazis aufmerksam<br />
machen will. Der Abgebildete hin -<br />
gegen hat, sofern er nicht so in der<br />
Öf fentlichkeit in Erscheinung getreten<br />
ist, juristisch gesehen eine weiße Wes te:<br />
Er könne nichts dafür, über ein Foto im<br />
internet geoutet zu werden, erklärte<br />
Tischlinger sinngemäß die verzwickte<br />
Rechtslage.<br />
Dennoch schätzen die Fahnder die so -<br />
zialen netzwerke <strong>als</strong> Ermittlungs-<br />
Un terstützung. man könne die Web si -<br />
tes zwar nicht lückenlos überwachen,<br />
aber die Aktivitäten mancher Leute<br />
sei en daraus dennoch ersichtlich, so<br />
der Verfassungsschützer.<br />
Schuldspruch gegen Gerd Honsik wegen NS-Wiederbetätigung<br />
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits vor einigen Wochen in nichtöffentli -<br />
cher Sitzung den im vergangenen April vom Landesgericht Wien über Gerd Hon sik<br />
verhängten Schuld spruch wegen nation<strong>als</strong>ozialistischer Wie der betätigung bestätigt.<br />
Ob es bei den fünf Jahren Haft für die zahlreichen Ver stöße gegen §3g Ver botsge setz<br />
(VG) bleibt, entscheidet demnächst das Wie ner Oberlandesgericht (OLG). Die<br />
Berufungsverhandlung um die Strafhöhe findet am 1. März statt, gab OLG-Spre cher<br />
Raimund Wurzer bekannt.<br />
Honsik war be reits im Jahr 1992 auf Basis seines Buchs „Frei spruch für Hitler?“ von<br />
Wie ner Ge schworenen wegen Wie der betäti gung zu eineinhalb Jah ren un be ding ter<br />
Haft verurteilt worden. Wäh rend des offenen Rechtsmittelver fah rens setzte er sich<br />
nach Spanien ab, blieb dort 15 Jahre un be helligt und festigte weiter seinen Ruf <strong>als</strong><br />
führender Publizist der rechten Szene, indem er in seiner Zeit schrift „Halt“ wei ter<br />
nation<strong>als</strong>ozialistisches Gedankengut verbreitete. Im August 2007 wurde er auf Basis<br />
ei nes europäischen Haftbefehls bei Ma la ga festgenommen, ausgeliefert und - nach<br />
Ver büßung seiner offenen Stra fe - für sein „Wirken“ in Spanien neuerlich angeklagt,<br />
wobei der Tat zeit raum sich auf die Jahre 1987 bis 2003 erstreckte.<br />
12 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
© APA/Herbert P. Oczeret<br />
Die schlagenden Burschenschafter versammeln<br />
sich in der Hofburg und halten<br />
ihren alljährlichen „Ball des Wiener<br />
Korporationsrings“ (WKR) ab. Eine De -<br />
mon stration, bei der linke Fraktionen<br />
und Gruppierungen auf den rechtsextremen<br />
Hintergrund mancher Verbindun gen<br />
aufmerksam machen wollen, allen voran<br />
der Olympia, der auch der umstrittene<br />
Dritte Nationalratspräsident Martin Graf<br />
(FPÖ) angehört, wird im Vorfeld von der<br />
Polizei untersagt. Begründung: die öf -<br />
fent liche Ruhe, Ordnung und Sicherheit<br />
wären gefährdet. Die Kundgebung findet<br />
dennoch statt, die Polizei fährt harte<br />
Geschütze auf. Man gewinnt den Ein -<br />
druck, hier wurden linke Demonstrie ren -<br />
de bewusst kriminalisiert. Eine Zu sam -<br />
menschau.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Prolog: Am 26. Januar erscheint in der<br />
Tageszeitung „Die Presse“ ein inter -<br />
view mit dem neuen Leiter des Wie -<br />
ner Landesamts für Verfassungs schutz<br />
und Terrorismusbekämpfung, Erich<br />
Zwettler. Er wird darin zur Gefahr<br />
durch islamistische Kräfte, zur rechtsund<br />
linksextremen Szene be fragt.<br />
Rechtsextreme Umtriebe meh ren sich<br />
im Umfeld von Fuß ball spie len, gibt<br />
er dabei zu Protokoll. Und ab seits der<br />
Stadien? „Da tut sich relativ wenig, es<br />
POLITIK • INLAND<br />
Eskalation und<br />
Kriminalisierung<br />
gibt einen Handel mit Devo tio na lien. Es<br />
gibt die Szene, aber sie ist relativ wenig<br />
sichtbar.“<br />
Die Antwort auf die Frage „Gilt das<br />
auch für den linksextremistischen Be -<br />
reich?“ fällt wesentlich länger aus. „Die<br />
linke Szene ist sehr unterschiedlich in<br />
ihren Zielsetzungen. Es gibt verschiedene<br />
Interessenslagen, die man traditionell im<br />
linken Bereich sieht. Nehmen wir zum Bei -<br />
spiel die Studentenproteste. Die wurden<br />
medial dem linksextremen Bereich zugeordnet.<br />
Das ist aber nicht richtig. Es gab<br />
zwar Leute dort, die der linksextremen<br />
Szene angehören. Aber die Masse der Stu -<br />
denten hat nur studentische Anliegen<br />
ver treten. Das einende Element der verschiedensten<br />
linken Gruppierungen ist der<br />
gemeinsame Kampf gegen den Faschis -<br />
mus. Dagegen kämpfen die Leute mit den<br />
unterschiedlichen Ide o logien. Darunter<br />
gibt es welche, die gewaltbereit sind. Sie<br />
be ge hen Sach be schä digungen und fallen<br />
durch ag gressives Auf tre ten ge gen über<br />
der Polizei auf.“<br />
Einen Tag spä ter, am mitt woch, den<br />
27. Ja nuar, wird die De mon stration<br />
gegen den Ball der Bur schenschafter<br />
un tersagt. Wer dennoch demonstriert,<br />
ist damit Teil nehmer einer illegalen<br />
Kundgebung. Auch die iKG fordert,<br />
dass die De mon stra tion genehmigt<br />
wird.<br />
Freitag, 29. Januar <strong>2010</strong>, früher Abend.<br />
Die ersten Demonstranten versammeln<br />
sich am Christian-Broda-Platz.<br />
Zu einer Protestkundgebung hatte ne -<br />
ben den Grünen unter anderen auch<br />
die Gruppierung nowkr aufgerufen,<br />
laut Sprecherin Maxi Härter ein netz -<br />
werk anti-faschistischer und fe minis -<br />
ti scher initiativen ohne parteipolitische<br />
Zugehörigkeit, teils aus der Stu die ren -<br />
denszene. nowrk wies bis zu letzt auf<br />
seiner Homepage darauf hin, dass die<br />
Kundgebung unter allen Umständen<br />
stattfindet (http://nowkr.wordpress.com).<br />
Unter jenen, die dieser Aufforderung<br />
folgen, ist auch Christoph Baumgarten.<br />
Seine Eindrücke veröffentlicht er auf<br />
www.politwatch.at. Klar beschreibt er<br />
die Bildung des Schwarzen Blocks,<br />
wie dieser etwas später am Abend<br />
Schweizer Kracher in Richtung Poli -<br />
zisten wirft. Klar beschreibt er aber<br />
auch, dass seitens der Exekutive of -<br />
fenbar von Anfang an darauf gesetzt<br />
wird, die Kundgebungsteilnehmer zu<br />
kriminalisieren. Wer den Platz betreten<br />
will, muss einen Ausweis vorzeigen.<br />
Gegen 18.45 Uhr haben sich rund<br />
800 menschen versammelt, der Zug<br />
formiert sich, um in Richtung ma ria -<br />
hil ferstraße loszumarschieren. nach<br />
nicht einmal hundert meter ist Schluss.<br />
Polizisten mit Plastik schil den versperren<br />
den Weg. Es gibt kei ne Laut spre -<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 11
cher durchsage. nun werden die ers ten<br />
Kracher geworfen. Das Gros der De -<br />
mon strierenden ist verunsichert. Doch<br />
nun lässt die Polizei niemanden mehr<br />
heraus.<br />
Baumgarten schildert weiter: Dann<br />
doch eine Durchsage. „Hier spricht die<br />
Bundespolizei Wien. Diese Demon stra tion<br />
ist aufgelöst. Sie haben zehn Minu ten Zeit,<br />
den Platz zu verlassen.“ Ein Wasser -<br />
werfer fährt auf. Angeblich ist die<br />
Stum pergasse <strong>als</strong> Ausgang vorgesehen.<br />
Der Ort ist gesperrt. Ein paar Po -<br />
li zisten setzen Pfeffersprays ein. in<br />
der Folge werden immer nur wenige<br />
Leute hinausgelassen. Jeder muss seinen<br />
namen bekannt geben, jeder wird<br />
angezeigt, laut Polizeisprecher Ro man<br />
Hahslinger wegen einer Verwaltungs -<br />
über tretung nach dem Versamm lungs -<br />
gesetz. Auch Passanten, die in die<br />
Sperre gerieten. Auch Besucher von<br />
Lokalen im Umfeld, aus denen nun<br />
niemand mehr herauskann, ohne<br />
seine Personalien bekannt zu geben.<br />
Der Schwarze Block wirft Feuer werks -<br />
körper, die Polizei beginnt Leute festzunehmen,<br />
allerdings nicht immer<br />
mit glieder des Schwarzen Blocks,<br />
diese wehren sich. Baumgarten: „Bis<br />
zu drei Polizisten knien auf einem Fest ge -<br />
nommenen oder tragen ihn raus. Es ist<br />
nicht ganz nachvollziehbar, warum wer<br />
festgenommen wird.“<br />
14 Festnahmen, mehrere Verletzte,<br />
hun derte Anzeigen: so lautet die Bi lanz<br />
nach diesem Abend. Ein Poli zei auto<br />
und ein Geschäft wurden be schä digt.<br />
Am Tag danach spricht die FPÖ von<br />
„ei ner hemmungslosen Gewalt orgie der<br />
Ak tivisten, die nur mit ei nem massiven Po -<br />
li zeieinsatz unter An wen dung von Pfef fer -<br />
spray beendet werden konnte“ (FPÖ-na ti -<br />
onalrats-Abgeordneter Wer ner Her bert).<br />
Sein Grüner Abgeordneten-Kollege<br />
Karl Öllinger beurteilt die Vorfälle freilich<br />
anders. Gegenüber der „Ge mein -<br />
Foto © c. commns<br />
POLITIK • INLAND<br />
de“ schildert Öllinger, der sich selbst<br />
vor Ort ein Bild machte: „Schon das<br />
Verbot der ersten Demo war ein Indiz da -<br />
für, dass die Polizei keinen Protest gegen<br />
den Ball der Rechtsextremen will. Als<br />
dann unter fadenscheinigen Argumenten<br />
zwei Stunden vor Beginn auch die zweite<br />
De monstrationsanmeldung durch fünf<br />
grü ne Abgeordnete untersagt wurde, war<br />
– für mich – klar, dass die Polizei nicht an<br />
einer Deeskalation interessiert ist. Genau<br />
deshalb bin ich, auch in Verantwortung<br />
für die Teilnehmer, zum Versamm lungs ort,<br />
um dort einerseits über die Untersagung<br />
zu informieren, andererseits um mit dem<br />
Einsatzleiter über das weitere Vorgehen zu<br />
sprechen. Er gab mir zu erkennen, dass es<br />
diesmal überhaupt keinen Spielraum gä be:<br />
wenn sich die Versammelten in Bewe gung<br />
setzen, würden sie von der Polizei daran<br />
gehindert.“<br />
Dass jene, die dann bereit waren, den<br />
Platz zu verlassen, beim Ausgang<br />
Stum pergasse nur „stückweise“ ab -<br />
ge fertigt wurden, hat auch Öllinger be -<br />
obachtet, „sicher kein Beitrag zu Dees ka -<br />
lation“. Öllingers Fazit: „Wenn es das<br />
erklärte Ziel war, dass sich die Burschen -<br />
schaf ter ungestört treffen konnten, dann<br />
ist das gelungen. Wenn es ein Ziel war,<br />
dass möglichst wenig Gewalt und Reiberei<br />
en stattfinden, dann ist das gründlich<br />
misslungen. Vom Verfassungsauftrag,<br />
auch das Versammlungsrecht zu schützen,<br />
rede ich gar nicht – das ist ja nicht einmal<br />
angestrebt worden.“<br />
Und wer hat aus seiner Sicht mit der<br />
Eskalation begonnen? Öllinger: „Ich<br />
kann es schlicht nicht beurteilen, wer an -<br />
ge fangen hat. Wenn der Anfang das Ver -<br />
bot der Demonstration war, dann die Poli -<br />
zei. Wenn der Anfang war, dass ein Kes sel<br />
gebildet wurde und Wasserwerfer positi -<br />
oniert wurden, die mit den Scheinwerfern<br />
und der Spritzvorrichtung herumschwenkten,<br />
dann auch.“ Der Grüne be -<br />
tont allerdings: „Ich gebe auch ganz offen<br />
zu, dass ich mit Demonstranten, die<br />
prinzipiell Polizisten beschimpfen ein<br />
Problem habe.“ Er kenne aber eine Rei -<br />
he von Gedächtnisprotokollen, „aus<br />
denen ein ziemlich unvermittelter Ein satz<br />
von Gewaltausübung durch einzelne<br />
Polizisten spricht“.<br />
Öllinger betont: „Prinzipiell muss es<br />
mög lich sein, seinen Protest dort zu<br />
äußern, wo er hingehört, in diesem Fall<br />
je denfalls in die Nähe der Hofburg“. Eine<br />
Sperrzone sei vorstellbar. „Dass De -<br />
mon strationen gegen rechtsextreme Bur -<br />
schen schafter aber prinzipiell verboten<br />
werden, ist ein starkes Stück. Wir werden<br />
sicher dagegen rechtliche Mittel einlegen<br />
und uns auch dort, wo die Verhältnismäßig<br />
keit der Mittel nicht mehr gegeben<br />
war, etwas überlegen.“ Anfang <strong>Februar</strong><br />
kündigten die Grünen an, das Verbot<br />
der Demo gerichtlich zu bekämpfen.<br />
Eine parlamentarische Anfrage an in -<br />
nenministerin maria Fekter (ÖVP) zu<br />
dem Polizeieinsatz ist in Vorberei tung.<br />
massive Kritik kommt auch von<br />
Härter vom nowkr-Bündnis. in einer<br />
Aussendung meint sie am Samstag<br />
nach den Vorfällen: „Wer die Aussen -<br />
dun gen der Polizei liest, kann diese nur <strong>als</strong><br />
reinsten Zynismus deuten. Zuerst wurde<br />
uns das Recht auf De mon strati ons freiheit<br />
verwehrt und damit keine Möglichkeit<br />
ge lassen, unseren Protest in legalem Rah -<br />
men kundzutun. Dann konnte die Ver -<br />
samm lung nur verlassen, wer eine Per -<br />
lustrierung und Anzeige in Kauf nahm.<br />
Auch die Behauptung der Polizei, es gehe<br />
um die Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />
Sicherheit ist absurd, da weder zwischen<br />
PasantInnen, TouristInnen noch De -<br />
monstrantInnen unterschieden wur de.<br />
Schlichtweg alle am Platz wurden mit An -<br />
zeigen bedroht und Schikanen ausgesetzt.“<br />
Härter mutmaßt, dass die Exekutive<br />
an einem friedlichen Verlauf der<br />
Kundgebung gar nicht interessiert war.<br />
„Überhaupt scheint es gestern einfach den<br />
Befehl von ganz oben gegeben zu haben,<br />
dass die BeamtInnen sich wirklich alles<br />
Eingekesselt mit Wasserwerfern Foto © c. commns<br />
14 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />
© APA/Herbert P. Oczeret
erlauben können und einen Freibrief für<br />
Misshandlungen und ungerechtfertigtes<br />
Verhalten ausgestellt bekamen.“<br />
Und die andere Seite? Legt am Tag da -<br />
nach noch ein Schäuferl nach. in einer<br />
Aussendung meinte der Wiener<br />
FPÖ-Landesparteisekretär: „Die De -<br />
mon stra tions freiheit ist und bleibt selbstverständlich<br />
ein Grundrecht – allerdings<br />
müsse vor dem Hintergrund der gestrigen<br />
Gewalt aus brüche angeblich demokratischer<br />
De mon stranten die Frage gestattet<br />
sein, ob das der zeitige Strafausmaß für<br />
ei nen derart mas siven Missbrauch noch<br />
ausreichend sei.“<br />
Epilog: Am Samstag, den 30. Januar<br />
taucht auf Facebook bereits eine neue<br />
Gruppe im Gefolge der Ereignisse des<br />
Vorabends auf. Sie nennt sich „Volks -<br />
begehren gegen den WKR-Ball 2011<br />
in der Hofburg“. Der Gründer: Cle mens<br />
Binder, 18 Jahre, Student der Volks wirt -<br />
schaftslehre und Politikwis sen schaf -<br />
ten an der Uni Wien, keiner poli ti schen<br />
Fraktion zugehörig. nein, er war<br />
selbst nicht vor Ort, sagt er, auf sein<br />
Engagement von der „Ge meinde“ an -<br />
ge sprochen, „ich habe jedoch von Be -<br />
kann ten Schilderungen gehört, die mich<br />
zum Teil schockiert haben“.<br />
Und, so Binder weiter: „Dies war je -<br />
doch nicht der springende Punkt, der mich<br />
dazu veranlasst hat, derart aktiv zu werden.<br />
Meiner Ansicht nach tendiert Ös -<br />
terreich leider Gottes immer stärker zum<br />
Rechtsextremismus und extremem Na tio -<br />
na lismus, zum Teil verbunden mit stark<br />
rassistischen Zügen. Für mich war das<br />
Demonstrationsverbot der eigentlich ge -<br />
meldeten Demo ein Symbol für den Ver -<br />
fall der Meinungsfreiheit und Schutz des<br />
deutschnationalen Spektrums in unserem<br />
Land. Denn man merkt zunehmend eine<br />
Kriminalisierung all dessen, was von<br />
links der Mitte kommt.“<br />
Binder will nun „das Volk sprechen lassen,<br />
um zu zeigen, dass Österreich keinen<br />
Deutschnationalismus und Rechts ex tre -<br />
mis mus toleriert.“ Daher möchte er<br />
sich über Facebook bemühen, genügend<br />
Leute zu mobilisieren, die ein<br />
ent sprechendes Volksbegehren mittragen.<br />
8.000 Unterstützer braucht er,<br />
damit es überhaupt zu einem solchen<br />
Be geh ren kommt.<br />
Am Dienstag, den 2. Fe bru ar, um 10<br />
Uhr hatte seine Fa ce book-Gruppe be -<br />
reits 3.700 mit glie der.<br />
POLITIK • INLAND<br />
BETROFFENE BERICHTEN<br />
Die Grünen veröffentlichten am mittwoch nach den Ereignissen rund<br />
um den WKR-Ball in einer Pressekonferenz Berichte von Betroffenen,<br />
die er zählten, wie sie von der Polizei in einem kleinen Kammerl festgehalten<br />
wurden, in das sie sich vom Christian Broda-Platz aus ge -<br />
flüch tet hatten. Hier Auszüge aus diesen Gedächtnisprotokollen.<br />
„20.30 Uhr. Neben dem Cafe gibt’s eine Tür zu einem kleinen Spielautoma -<br />
ten kam merl. Schnell stellen sich um die 20 Leute in dieses Kammerl, um<br />
nicht von irgendwelchen Wurfgegenständen getroffen zu werden. Wir stehen<br />
nur ganz kurz drinnen, bis ein Polizist kurz die Tür aufreißt und meint, wir<br />
seien nun alle festgenommen und schließt daraufhin die Tür für über eine<br />
Stunde. Wir stehen <strong>als</strong>o nun ohne ge nauem Grund in dieser Kammer. Keiner<br />
versteht, was die nun mit uns vorhaben. Aufgrund der vielen Personen in<br />
dem Raum wird die Luft sehr verbraucht. Es ist auch kein Platz sich zu setzen,<br />
außer auf zwei Automatenstühlen. Immer wieder versuchen wir mit der<br />
Polizei, die nun vor der Türe steht und uns nicht mehr raus lässt, zu sprechen.<br />
Manche der Insassen klagen über Kreislaufprobleme aufgrund der schlechten<br />
Luft. Manche müssen ganz dringend aufs Klo. Die Lage in dem kleinen Raum<br />
wird angespannt. 22.00 Uhr: Ich und meine Freundin sind die letzten, welche<br />
nun aus dem Raum gelassen werden. Da jeder einzeln nach Personalien<br />
gefragt worden ist, dauerte es um einiges länger.“<br />
„Ca. 20.30 Uhr. Aber draußen herrschten immer noch apokalyptische<br />
Zustände (vor allem die Polizei attackiert wahllos Unschuldige und reißt sie<br />
zu Boden). Um dem zu entkommen flohen wir in die nächste offene Tür, wo<br />
schon ein paar De mon stranten Unterschlupf fanden (in einem Admiral Sport -<br />
wetten Kammerl). Andere Leute folgten uns, bis der Fünf-Quadrat me ter-<br />
Raum (Ausstattung: zwei Spielau tomaten und eine Überwachungskamera,<br />
sonst nichts) mit 25 Menschen randvoll war. Kurz daraufhin verriegelten<br />
WEGA-Beamte die Tür mit ihrem Schutzschild. Die Folge war, dass wir ca.<br />
eine Stunde lang in diesem Raum gefangen waren. Mit der Zeit wurde die<br />
Stimmung drinnen immer unruhiger … Leute (inklusive mir) mussten sehr<br />
dringend aufs Klo. Es gab keine Möglichkeit, auf diesen fünf Qua-drat metern<br />
sein Geschäft zu erledigen und wir wussten ja auch nicht, wie lange wir noch<br />
festgehalten wurden. Die Luft wurde immer dicker, Leute hatten Kreis -<br />
laufbeschwerden …“<br />
„So waren 20 Leute Stunden ohne Wasser, Toiletten und bei stickiger Luft in<br />
diesem kleinen Raum unter ständiger Überwachung der Kamera eingeschlossen.<br />
Unsere Hilferufe und Botschaften mittels Zetteln, die wir an die Glastür<br />
nach außen pressten, mit dem Wunsch nach Wasser, Luft und Toiletten wurden<br />
nur belächelt. Nur durch Telefongespräche blieben wir am Laufenden,<br />
was draußen ge schah. Es war eine sehr angespannte Situation, überhaupt für<br />
jene Leute, die zwei Stunden lang das dringende Bedürfnis nach einer Toilette<br />
verspürten, jedoch nicht hinausgelassen wurden. Die Luft in dem Raum verursachte<br />
bei mir beispielsweise sehr starke Kopfschmerzen und Übelkeit.“<br />
„In etwa 20 bis 25 Personen, unter denen ich mich auch befand, zogen sich<br />
in ein kleines Spielautomatencafé neben dem Billardcafé ‚Köö‘ zurück. Als die<br />
Polizei sich auf unserer Höhe befand wurde die Tür von zwei Beamten aufgerissen<br />
und uns wurde angedroht, dass jeder, der bei dieser Tür hinauskommt,<br />
festgenommen wird. Danach haben sie die Tür geschlossen und von außen<br />
mit ihren Schildern zugehalten. (…) Erst nachdem die auf einen Zettel ge -<br />
schrieben haben, dass die Luft bereits steht und wir auf die Toilette müssen und<br />
diesen Zettel mindestens 20 Minuten gegen die Scheibe gehalten und geklopft<br />
haben, wurde die Tür von außen geöffnet.“<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 15
Gedenktag in Dresden<br />
6.400 Neonazis angereist -<br />
5.700 Polizisten im Einsatz<br />
Die Polizei hat nach ihrem Einsatz<br />
zum Gedenktag an die Zerstörung der<br />
ostdeutschen Stadt Dresden im Zwei -<br />
ten Weltkrieg insgesamt 27 Verletzte<br />
registriert, darunter 15 Polizisten. Al ler -<br />
dings wurde keiner schwer verletzt.<br />
29 menschen kamen in polizeilichen<br />
Gewahrsam, gab die Polizeidirektion<br />
Dresden kurz vor mitternacht be -<br />
kannt.<br />
Die Betroffenen im Alter zwischen 16<br />
und 36 müssten sich unter anderem<br />
wegen gefährlicher Körper verlet zung,<br />
Landfriedensbruch, Sachbeschädi -<br />
gung, Widerstand gegen Voll stre -<br />
ckungs beamte und Verstößen gegen<br />
das Versammlungsgesetz sowie des<br />
Waffengesetzes verantworten. Dres den<br />
iPhone-Applikation "iMusso li ni"<br />
vom Markt abgezogen<br />
Das Programm "imussolini", mit<br />
dem man auf dem iPhone An spra -<br />
chen des faschistischen Diktators<br />
lesen, hören und sehen kann, ist<br />
aus dem Sortiment des Online-<br />
Shops des iPhone-Herstellers App le<br />
genommen worden. Dies kündigte<br />
"i-mussolini"-Programmierer Luigi<br />
marino an. Er habe sich zu diesem<br />
Schritt entschlossen, nachdem ihm<br />
Cinecitta Luce - die staatliche Ge -<br />
sellschaft, die die Archive und die<br />
Rechte für die historischen musso -<br />
li ni-Aufnahmen besitzt - mit einer<br />
Klage gedroht hatte.<br />
Die Applikation wurde in italien seit<br />
dem 21. Januar verkauft und hatte<br />
bisher großen Erfolg geerntet. Ci -<br />
necitta Luce drohte in einer Pres se -<br />
aussen dung mit einer Klage gegen<br />
all jene Personen, die die Aufnah -<br />
men verkaufen, da nur sie die Rech -<br />
te habe. Die Gesellschaft sprach<br />
von einem verwerflichen Ge brauch<br />
der Ansprachen mussolinis zu<br />
kommerziellen Zwecken.<br />
Eine Gruppe Holocaust-Überlebender<br />
in den USA hatte die zudem<br />
"imus solini" scharf kritisiert. Das<br />
Programm sei ein Affront und ein<br />
Angriff auf die Erinnerung aller<br />
Op fer des nation<strong>als</strong>ozialismus und<br />
des Faschismus.<br />
POLITIK • AUSLAND<br />
hatte an die Zerstörung der Stadt am<br />
Ende des Zweiten Weltkrieges erin -<br />
nert. Die rechte Szene ruft seit Jahren<br />
zu Gedenkmärschen für die Opfer der<br />
Bombardierung Dresdens in der nacht<br />
zum 14. <strong>Februar</strong> 1945 auf. Dam<strong>als</strong><br />
starben in der mit Flüchtlingen überfüllten<br />
Stadt bis zu 25.000 menschen<br />
im Bombenhagel alliierter Flugzeuge.<br />
mit dem Bombardement sollte eine<br />
rasche Aufgabe des faschistischen<br />
Deutschlands erreicht werden.<br />
„Fast alle Veranstaltungen und Ver samm -<br />
lungen in Dresden trugen dem Anlass des<br />
Tages gebührend Rechnung. Weit mehr<br />
<strong>als</strong> 10.000 Menschen gedachten in der<br />
Dresdner Innenstadt still der Toten.<br />
Allerdings blieb es nicht überall friedlich“,<br />
sagte Polizeipräsident Dieter Ha -<br />
nitsch laut einer mitteilung. „Immer<br />
wieder kam es vor allem auf der Neu städter<br />
Seite zu Auseinandersetzungen zwi schen<br />
Extremisten gekommen, Bar ri kaden wurden<br />
errichtet, Unbeteiligte aber auch Ein -<br />
Der ehemalige tschechische sozialdemokratische<br />
(CSSD) Regierungschef<br />
Milos Zeman, der kürzlich mit einer<br />
neuen Partei in die Politik zurückgekehrt<br />
ist, warnt vor dem islam <strong>als</strong> ei -<br />
ner „Religion des Hasses“ und einer<br />
islamisierung Europas, die eine „ernste<br />
Gefahr“ für den europäischen<br />
Kontinent sei.<br />
in einem Gespräch mit der tschechischen<br />
nachrichtena gen tur mediafax<br />
sagte er, der grundlegende Konflikt<br />
des 21. Jahrhunderts werde jener zwi-<br />
satzkräfte angegriffen, Sach scha den entstand.<br />
Die Lage war zum Teil sehr un über -<br />
sichtlich und hat uns viel Kraft gekostet.“<br />
Die Polizei bezifferte die Zahl der an -<br />
gereisten neonazis auf 6.400. Zuvor<br />
war von rund 5.000 die Rede. Sie wa -<br />
ren einem Aufruf der „Jungen Lands -<br />
mannschaft Ostdeutschland“ gefolgt.<br />
ihr geplanter marsch wurde von Ge -<br />
gendemonstranten verhindert, die<br />
rund um den neustädter Bahnhof<br />
Blockaden errichtet hatten. Laut Po li -<br />
zei war die Situation zeitweilig es ka -<br />
liert, <strong>als</strong> Rechtsextreme die Polizisten<br />
mit Feuerwerkskörpern und Flaschen<br />
attackierten. Dabei hätten sechs Be amte<br />
leichte Ver letzungen erlitten. Aber<br />
auch auf der Gegenseite sei es zu massiven<br />
Angriffen auf Polizisten gekommen.<br />
Die Polizei setzte Was ser werfer<br />
ein. Zu den Sachschäden ge hören auch<br />
kaputte Autos. insgesamt waren fast<br />
5.700 Polizisten aus ganz Deutsch land<br />
an dem Einsatz beteiligt. APA/red<br />
Tschechischer Ex-Premier Zeman<br />
warnt vor Islamisierung Europas<br />
schen der euro-amerikanischen und<br />
der islamischen Zivilisation sein.<br />
„Zwi schen der Religion der Liebe und<br />
der Reli gion des Hasses. Und wir werden<br />
uns zwischen der Zivilisation der Liebe<br />
und der Zivilisation des Hasses entscheiden<br />
müs sen. Die Gleichgültigkeit ist das<br />
Schlimmste, was uns passieren könnte“,<br />
betonte der Ex-Premier.<br />
in diesem Zusammenhang forderte er,<br />
dass sich die tschechische Armee voll -<br />
ständig an internationalen mis si o nen<br />
beteiligen und gegen den Ter ro ris mus<br />
kämpfen solle. „Unsere Nach barn be dro -<br />
hen uns nicht. Die Solda ten können entweder<br />
in den Kasernen sitzen oder für die<br />
Kartoffelernte eingesetzt werden. Da für<br />
haben wir doch unsere pro fes sio nel le Ar mee<br />
nicht“, meinte Ze man, der für ei nen<br />
nATO-Beitritt seines Landes ein tritt.<br />
Zeman, der 2007 aus der CSSD ausge -<br />
treten war, hatte kürzlich eine neue<br />
Par tei - Partei der Bürgerrechte (SPO) -<br />
gegründet und will mit ihr bei den<br />
Par lamentswahlen im mai <strong>2010</strong> kandidieren.<br />
Laut tschechischen medien ist es je -<br />
doch seine Hauptambition, Staats -<br />
präs0ident zu werden, der An fang<br />
2013 gewählt wird.<br />
16 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Antisemitismus auf höchstem<br />
Stand seit zehn Jahren<br />
Die Zahl antisemitischer Taten ist im<br />
vergangenen Jahr nach einem israelischen<br />
Bericht weltweit so hoch gewesen<br />
wie seit zehn Jahren nicht mehr.<br />
Allein in Frankreich, Großbritannien<br />
und den USA seien 2009 mehr <strong>als</strong> 500<br />
Fälle gezählt worden, heißt es in dem<br />
Bericht, der bei der Sitzung des israelischen<br />
Kabinetts in Jerusalem vorgestellt<br />
wurde. Eine der Ursachen für<br />
die Zunahme der Judenfeindlichkeit in<br />
aller Welt sei die israelische Offensive<br />
im Gazastreifen, stellt der Bericht fest.<br />
„Die extremistische Propaganda gegen Is -<br />
rael nach der Operation ‘Gegossenes Blei’<br />
hat den Zusammenschluss zwischen ra -<br />
di kalen Islamisten und klassischen Anti -<br />
se miten ermöglicht, der diese Welle des<br />
An tisemitismus in der Welt provoziert<br />
hat“, heißt es in dem Bericht des An ti -<br />
semitismus-Forschungszen trums der<br />
Universität von Tel Aviv, das seit An -<br />
fang der 90er Jahre antisemitische<br />
Taten in aller Welt zählt.<br />
israels ministerpräsident Benjamin<br />
netanyahu machte nach Angaben des<br />
militärrundfunks bei der Kabi netts sit -<br />
zung neben der Gaza-Offen si ve auch<br />
den Bericht der Un-Unter su chungs -<br />
kom mission über die israelische mili -<br />
täraktion, den sogenannten Gold sto ne-<br />
Bericht, für die Zunahme des An tise -<br />
mitismus verantwortlich.<br />
Die Un-Vollversammlung hatte den<br />
Goldstone-Bericht mit großer mehr -<br />
heit angenommen, in dem der israelischen<br />
Armee und bewaffneten Pa läs -<br />
ti nensergruppen Kriegsverbrechen<br />
und mögliche Verbrechen gegen die<br />
menschlichkeit vorgeworfen werden.<br />
Die Frist für israelis und Palästinen -<br />
ser, binnen drei monaten „glaubwürdige“<br />
Untersuchungen zu möglichen<br />
menschenrechtsverletzungen einzuleiten,<br />
lief Ende Januar ab.<br />
Serbien: Antisemitismus<br />
im Zunehmen<br />
Der Leiter des Bundes jüdischer Ge -<br />
meinden in Serbien, Aleksandar Necak,<br />
hat auf den zunehmenden Antise mi -<br />
tis mus aufmerksam gemacht. in Ser -<br />
bien komme er vor allem durch die<br />
antijüdische Literatur zum Ausdruck,<br />
die auf dem markt derzeit mit mehr<br />
<strong>als</strong> 100 Titeln vertreten sei, sagte necak<br />
gegenüber der Tageszeitung „Danas“.<br />
Dazu kämen antisemitische Graffiti<br />
POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />
und Zerstörung von Grab stei nen auf<br />
jüdischen Friedhöfen. An grif fe auf<br />
Einzelpersonen oder jüdische Orga -<br />
nisationen habe es bisher nicht gegeben,<br />
präzisierte er.<br />
Bei der antisemitischen Literatur geht<br />
es unter anderem um mehrere Aus ga -<br />
ben der „Protokolle der Weisen von<br />
Zion“, aber auch um Werke von Adolf<br />
Hitler. Der Bund der jüdischen Ge -<br />
mein den in Serbien erstattete in den<br />
letzten Jahren nach Angaben seines<br />
Leiters mehr <strong>als</strong> 20 Klagen und Straf -<br />
anzeigen gegen Verantwortliche für<br />
die Verbreitung von Antise mi tis mus.<br />
Bisher wurde kein einziges Gerichts -<br />
ver fahren geführt.<br />
Die jüdische Gemeinde in Serbien hat -<br />
te vor dem Zweiten Weltkrieg rund<br />
70.000 Angehörige. nur 14.000 von<br />
ih nen überlebten den Holocaust. Der -<br />
zeit wird die jüdische Gemeinschaft<br />
auf zwischen 1.300 und 1.400 Perso nen<br />
geschätzt.<br />
Studie: Jeder fünfte Ungar<br />
ist offen für Rechtsextremismus<br />
Zwanzig Prozent der 10 millionen Un -<br />
garn sind offen für rechtsextremistische<br />
ideen. Laut einer Studie des un -<br />
ga rischen institutes Political Capital<br />
belegt Ungarn mit diesem Verhältnis<br />
in Europa hinter der Ukraine und Bul -<br />
garien den 3. Platz, wie die Unga ri sche<br />
nachrichtenagentur mTi meldete.<br />
Laut Peter Kreko, dem Forschungs direktor<br />
des institutes, sind es demnach<br />
nahezu 21% der ungarischen Ge sell -<br />
schaft, die ihre Wertordnung nahe der<br />
radikalen Rechten sehen. Die nei -<br />
gung der Gesellschaft zum Extre mis -<br />
mus bedeutet laut Kreko nicht nur<br />
die gesteigerte Beliebtheit radikaler<br />
Parteien, sondern ebenso, dass die Ak -<br />
teure des politischen Zentrums „ra -<br />
dikalere Lösungen“ anwendeten.<br />
Hin sichtlich des Anteils der Extre mis -<br />
ten standen Ungarn und Polen 2003<br />
auf einer ähnlichen Stufe, wobei der<br />
ungarische index anstieg, während<br />
der polnische sank. 52% der ungarischen<br />
Gesellschaft waren 2009 von<br />
Vorurteilen belastet. Dabei sei das Ver -<br />
trauen der Ungarn in die Regie rung,<br />
die Demokratie, selbst in institutio nen<br />
der UnO gesunken. Die ungarische<br />
rechtsextreme Jobbik-Partei würde<br />
sich „auf diesen Trend stützend um An -<br />
hänger werben“, betobte Kreko.<br />
Das institut Political Capital untersucht<br />
seit acht Jahren in 32 Ländern<br />
den Hang zum Extremismus. Dabei<br />
hat sich laut Kreko gezeigt, dass die<br />
Offenheit dem Rechtsextremismus ge -<br />
genüber in Osteuropa anstieg. im<br />
übrigen Europa sei dieses Problem nur<br />
in den südlichen Regionen präsent.<br />
Das würde eine Art „neuen Ei ser nen<br />
Vorhang bedeuten, der nicht aus Draht<br />
besteht, sondern aus Ideologie“, kon sta -<br />
tierte Krtisztian Szabados, ge schäfts -<br />
führender Direktor von Politi cal Ca -<br />
pital, und erinnerte an das Ansteigen<br />
von Antisemitismus und Roma-Feind -<br />
lichkeit.<br />
Antisemitismus in Katalonien<br />
bestätigt<br />
Die Behauptung des in Barcelona an -<br />
sässigen Rabbiners David Libersohn,<br />
wonach Katalonien die höchste Rate<br />
an antisemitistischen Aktivitäten in ner -<br />
halb der EU aufweise, wurde in zwi -<br />
schen von mehreren institu tio nen be -<br />
stä tigt.<br />
Ein mitglied des Exe ku tiv ko mi tees der<br />
Partei Convergen cia De mo cratica de Ca ta -<br />
luyna bestätigte, dass er diese Ent wick -<br />
lung mit Sorge beobachte. Gerade<br />
hier gebe es eine steigende Anzahl von<br />
Buchläden, die neo nazi propaganda<br />
verkauften und den Ho lo caust leugneten.<br />
Er forderte, dass die se Leugnung<br />
des millionenfachen mor des an Juden<br />
durch die nazis auch hier unter Strafe<br />
gestellt werde. www.arena-info.com<br />
Hunde-Aktivisten ändern<br />
Kampagnen sujet<br />
nach der Empö -<br />
rung der iKG Wien<br />
über eine Volks be -<br />
fragungs-Flug blatt -<br />
kampagne des<br />
Hun dema ga zins<br />
„Wuff“, haben die<br />
initiatoren reagiert. Statt eines gelben,<br />
an den Judenstern des nation<strong>als</strong>o zia -<br />
lismus gemahnenden Sterns prangt bei<br />
der neuauflage des Flyers nun ein<br />
roter Kreis mit der Aufschrift „Böse“<br />
auf der Brust eines Pitbullwelpen. „Wir<br />
hoffen mit der Än de rung des Sujets zu ei -<br />
ner Beruhigung der Situation beizutragen“,<br />
so Wuff-Ver leger Gerald Pötz in<br />
einer Aussen dung.<br />
Der Zusam men hang mit der Ju den ver -<br />
folgung sei nicht beabsichtigt gewesen,<br />
man habe aber „um des guten Frie dens<br />
willen“ das Su jet geändert, so Pötz:<br />
„Wenn sich die IKG dadurch verletzt<br />
gefühlt hat, tut uns das Leid.“ APA/red<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 17
Das israelische Außenministerium hat einen<br />
aktuellen Katalog von 17 Fra gen und Antwor ten<br />
zum Frie densprozess mit den Palästinen sern<br />
zusammengestellt/Teil 2<br />
4. Wie hat sich die Machtübernah me<br />
der Hamas in Gaza auf die Chancen<br />
auf Frieden ausgewirkt?<br />
im Jahr 2005 zog sich israel in der<br />
Hoff nung, eine Gelegenheit für den<br />
Frieden zu schaffen, aus dem Gaza-<br />
Streifen und vier Siedlungen im nördlichen<br />
Samaria zurück. Es zog seine<br />
Streitkräfte ab, evakuierte 8.000 Sied -<br />
ler und räumte 25 Siedlungen, was<br />
milliarden kostete und ein schweres<br />
nationales Trauma verursachte. Statt<br />
einer Bewegung hin zum Frieden er -<br />
hielt israel dafür ein feindseliges Ter -<br />
ritorium an seiner Grenze.<br />
Die Hamas, eine vom iran unterstützte<br />
Terrororganisation, übernahm 2007<br />
die macht im Gaza-Streifen. Die An -<br />
griffe auf israelische Zivilisten, die be -<br />
reits seit 2000 im Gange waren, es ka -<br />
lierten dramatisch. israelische Städ te<br />
nahe dem Gaza-Streifen wurden zu<br />
Zielen von beinahe täglichem Be schuss<br />
mit Kassam-Raketen und mör sergra -<br />
naten; regelmäßig wurden grenzüberschreitende<br />
Terroran schlä ge versucht,<br />
und die terroristische infra struktur<br />
wuchs in alarmierendem Tempo an.<br />
israel hatte gehofft, die Abkoppelung<br />
des Gaza-Streifens würde zu einem<br />
Rückgang der Terroranschläge führen,<br />
wachsendem gegenseitigen Ver -<br />
trauen und letztlich einem Friedens -<br />
ab kommen mit den Palästinensern.<br />
Der Aufstieg der Hamas und die da -<br />
mit einhergehende Gewalt haben die<br />
israelische Öffentlichkeit daran zweifeln<br />
lassen, ob die Opfer für den Frie -<br />
den jem<strong>als</strong> vergolten werden. Da je des<br />
Friedensabkommen israel be trächt -<br />
liche und handfeste Opfer sowie er -<br />
hebliche Sicherheitsrisiken abverlangen<br />
wird, ist das Vertrauen der israelischen<br />
Bevölkerung eine wichtige<br />
Komponente des Friedens. Die an -<br />
dauernde Präsenz einer Terrororgani -<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Der Friedensprozess m<br />
sation in Gaza und ihre ständigen<br />
Versuche, die macht im Westjordan -<br />
land zu erlangen, unterminieren dieses<br />
Vertrauen ernsthaft.<br />
Die Hamas hat den Bürgern israels<br />
nichts <strong>als</strong> Gewalt gebracht und den<br />
Palästinensern nichts <strong>als</strong> Tragödien.<br />
Wie die Ereignisse in Gaza gezeigt ha -<br />
ben, haben die Terroristen die Rechte<br />
der Palästinenser, die sie zu fördern<br />
vor geben, lediglich untergraben. Seit<br />
israels Abzug und dem Putsch der Ha -<br />
mas herrscht Chaos in Gaza. Die Ha -<br />
mas hat einen vom iran gestützten<br />
mini-Terrorstaat an israels Südgrenze<br />
installiert. Sie hat der Bevölkerung Ga -<br />
zas ihre fundamentalistische Agenda<br />
aufgezwungen, indem sie die Rechts -<br />
prinzipien der Sharia zur Anwen dung<br />
bringt und dabei Frauen unterdrückt,<br />
individuelle Freiheiten miss achtet und<br />
ihre Gegner brutal verfolgt.<br />
Es versteht sich von selbst, dass der<br />
zukünftige palästinensische Staat kei -<br />
ne terroristische Einheit sein kann.<br />
Aus diesem Grunde besteht die internationale<br />
Gemeinschaft darauf, dass<br />
der Weg zu palästinensischer Staat -<br />
lich keit mit der Akzeptanz der Bedin -<br />
gungen einhergehen muss, die von<br />
dem internationalen nahostquartett<br />
(UnO, EU, USA und Russland) um -<br />
rissen wurden. Dazu gehört das Ab -<br />
schwören gegenüber dem Terror, die<br />
Akzeptanz früherer israelisch-palästinensischer<br />
Abkommen und die An er -<br />
kennung von israels Existenzrecht.<br />
Als eine Terrororganisation, die sich –<br />
laut ihrer Selbstbeschreibung – israels<br />
Zerstörung verpflichtet weiß, ist die<br />
Hamas völlig unfähig, irgendeines<br />
die ser Prinzipien anzuer kennen.<br />
niemand, der einen wahren Frieden<br />
wünscht oder eine bessere Zukunft<br />
für die Palästinenser, könnte auch nur<br />
daran denken, die Realität in Gaza –<br />
eine gewalttätige, fanatische Theo kra -<br />
tie – im Westjordanland zu kopieren.<br />
All jene, die einen weiteren israelischen<br />
Rückzug im Westjordanland<br />
vorschlagen, müssen die Lehren von<br />
Gaza beherzigen.<br />
5. Könnte eine Hamas-Fatah-Ein heitsre<br />
gierung ein Partner für den Frie den<br />
sein?<br />
Als die Hamas erstm<strong>als</strong> in Gaza an<br />
die Regierung kam, veranlassten ihre<br />
den Einsatz von Gewalt verfechtenden<br />
Stellungnahmen, ihre Gegner -<br />
schaft gegen eine Zwei-Staaten-Lö -<br />
sung und ihre Leugnung von israels<br />
Existenzrecht ebenso wie ihre direkte<br />
involvierung in den Terrorismus das<br />
nahostquartett (USA, EU, Russland<br />
und UnO) dazu, jeder palästinensischen<br />
Regierung drei Bedingungen zu<br />
stellen, um internationale Legitimität<br />
und Kooperation zu erlangen. Diese<br />
Grundbedingungen sind: die Aner -<br />
ken nung von israels Existenzrecht,<br />
das Abschwören gegenüber dem Ter -<br />
rorismus und der Gewalt sowie die<br />
Ak zeptanz der früheren Verein ba run -<br />
gen und Verpflichtungen.<br />
Die internationale Gemeinschaft fordert<br />
von jedweder palästinensischen<br />
Regierung, diesen drei Bedingungen<br />
zu entsprechen und „kein mitglied in<br />
ihren Reihen zu haben“, das sich<br />
ihnen nicht verpflichtet fühlt. Daher<br />
könnte eine Einheitsregierung, die die<br />
Extremisten der Hamas einschließt,<br />
kein Partner für den Frieden sein.<br />
Die Bedingungen, die das Quartett ge -<br />
stellt hat und die die Hamas weiterhin<br />
zurückweist, sind kein Hindernis<br />
für den Frieden, sondern vielmehr die<br />
Grundbedingung dafür, dass die in ter -<br />
nationale Gemeinschaft entscheiden<br />
kann, ob eine palästinensische Regie -<br />
rung in der Lage ist, eine Partei für<br />
Friedensverhandlungen darzustellen.<br />
Die extremistische ideologie der Ha -<br />
mas erlaubt keinerlei Kompromisse<br />
mit israel. ihre Charta erklärt, dass<br />
israel vom islam ausgelöscht werden<br />
wird, und die Hamas verkündet mit<br />
ihrem offiziellen Slogan, dass der Ji -<br />
had (heilige Krieg) ihr Weg sei und der<br />
Tod für Allah der vornehmste ihrer<br />
Wünsche. Die Hamas setzt sowohl ge -<br />
waltsame methoden, einschließlich<br />
des Terrorismus, <strong>als</strong> auch politische<br />
mit tel ein, um ihr primäres Ziel zu er -<br />
reichen: die Errichtung eines extremistisch-islamistischen<br />
palästinensischen<br />
18 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Staates anstelle israels.<br />
in Anbetracht ihrer dubiosen Ziele<br />
und ihres dogmatischen Ansatzes ist<br />
die Hamas unfähig, bezüglich ihrer<br />
Haltung gegenüber israel Zugeständ -<br />
nis se zu machen. Keine Ver hand lun -<br />
gen mit der Palästinensischen Auto -<br />
no miebe hörde werden zu einer Ver -<br />
besserung der Ambitionen und des<br />
Ver haltens der Hamas führen. Statt -<br />
dessen ist mit ihr lediglich eine un -<br />
versöhnlichere Palästinensische Au to -<br />
nomiebehörde zu erwarten.<br />
Einer palästinensischen Regierung<br />
internationale Legitimität zu verleihen,<br />
die die Grundbedingungen des Quar -<br />
tetts für den Frieden zu befolgen sich<br />
weigert, würde einen schweren Rück -<br />
schlag für die Aussichten auf Frieden<br />
darstellen und einen Verrat an denen,<br />
die eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützen<br />
und zur Wirklichkeit machen<br />
wollen.<br />
6. Wie schadet die palästinensische<br />
Hetze dem Frieden?<br />
So lange Generation für Generation<br />
von Palästinensern die niem<strong>als</strong> en den -<br />
de Kost anti-israelischer Hetze verabreicht<br />
bekommet, wird zwischen is ra -<br />
el und den Palästinensern nie Frie den<br />
herrschen können.<br />
Es gibt eine direkte Verbindung zwischen<br />
anti-israelischer Hetze und Ter -<br />
rorismus. Eine wahre Akzeptanz von<br />
israels Existenzrecht kann nicht allein<br />
durch Unterschriften auf einem Stück<br />
Papier erreicht werden. Sie muss auch<br />
im Herzen und in der Seele des palästinensischen<br />
Volkes existieren. So wie<br />
israel seine ganze Geschichte hindurch<br />
zum Frieden erzieht, müssen auch die<br />
Palästinenser mit diesem Prozess be -<br />
gin nen.<br />
Das palästinensische Erziehungs sys -<br />
tem, medien, Literatur, Liedgut, Thea -<br />
ter und Kino werden für extreme an tiisraelische<br />
indoktrinierung mobilisiert,<br />
die zeitweise in kruden Antisemitis -<br />
mus ausartet. Diese Aufstachelung zu<br />
Hass und Gewalt durchzieht die pa -<br />
lästinensische Gesellschaft, insbesondere<br />
im von der Hamas beherrschten<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
it den Palästinensern<br />
Gaza-Streifen. Sie existiert in Krippen<br />
und Kindergärten, Jugendbewe gun -<br />
gen, Schulen, Universitäten, moschee -<br />
predigten und Demonstrationszügen.<br />
Die Hetze gegen israel hat viele Ge -<br />
sichter. Sie beginnt bei der völligen<br />
Leugnung der Existenz des Staates is -<br />
ra el. Landkarten in Schulen und Uni -<br />
versitäten verzeichnen weder den<br />
na men israel noch eine große Anzahl<br />
seiner Städte und Ortschaften.<br />
Palästinensische Offizielle und Reli gi -<br />
onsoberhäupter leugnen regelmäßig<br />
die Jahrtausende lange Verbindung<br />
der Juden zum Land israel. mit der<br />
Zurückweisung der jüdischen Ge -<br />
schich te (ebenso wie des neuen Tes -<br />
ta ments) fördert die palästinensische<br />
Führung ein narrativ, das jegliche jü -<br />
dische Rechte auf das historische jü -<br />
di sche Heimatland abstreitet. Frieden<br />
kann nicht erlangt werden, so lange<br />
das Recht des jüdischen Volkes auf<br />
seinen eigenen nation<strong>als</strong>taat in seinem<br />
Heimatland geleugnet wird.<br />
Die Hetze ist auch durch die Hel den -<br />
verehrung von Terroristen charakterisiert.<br />
Hetzer preisen die Taten der<br />
Selbstmordattentäter, nennen Schu len<br />
und Fußballmannschaften nach ih nen<br />
und halten sie <strong>als</strong> Vorbilder in Ehren,<br />
denen nachzueifern sei.<br />
Aufrührerisches material unterscheidet<br />
nicht zwischen dem Staat israel<br />
und Juden und schließt oftm<strong>als</strong> antisemitische<br />
Karikaturen ein, die dieselben<br />
motive und Bilder verwenden, die<br />
während der nazizeit gegen die Ju den<br />
verwendet wurden.<br />
Dieses Phänomen verheißt nichts Gu -<br />
tes für die nächste Generation, die zur<br />
missachtung der Friedensstifter und<br />
Verehrung der Symbole von Tod und<br />
Zerstörung erzogen wird. Kin der, die<br />
wie die im von der Hamas beherrschten<br />
Gaza von frühester Kindheit an im<br />
Hassen, Töten und Zerstören unterwiesen<br />
werden, sind eine Tragödie<br />
für ihr eigenes Volk und eine potenti -<br />
elle Gefahr für andere.<br />
Es stellt sich die Frage, was für eine Art<br />
von Zukunft die industrie der Het ze<br />
der nächsten Generation bietet, die<br />
aufwächst im Erlernen von Hass. Wird<br />
diese junge Generation in der Lage<br />
sein, in den Begriffen von Frieden, gu -<br />
ter nachbarschaft, Toleranz und Kom -<br />
promiss zu denken? Kann die palästinensische<br />
Gesellschaft den neuen<br />
Geis teszustand schaffen, der für den<br />
Frieden notwendig ist, mehr noch <strong>als</strong><br />
die Unterzeichnung eines Frie dens -<br />
ver trags?<br />
man kann die intensität der Emotio -<br />
nen, die auf beiden Seiten des Kon -<br />
flikts im nahen Osten herrscht, nicht<br />
ignorieren. Leid und Gefühle tiefer<br />
Frustration existieren auch auf israelischer<br />
Seite. Aber es gibt einen gewaltigen<br />
Unterschied zwischen dem Ge -<br />
fühl von Zorn oder Frustration auf<br />
der persönlichen Ebene einerseits und<br />
der Förderung einer Kultur des Has ses<br />
auf der anderen Seite.<br />
Anders <strong>als</strong> ein großer Teil der palästinensischen<br />
Gesellschaft betrachtet die<br />
israelische Gesellschaft den Frieden<br />
<strong>als</strong> das höchste aller Ziele; das größte<br />
Verlangen sowohl auf individueller <strong>als</strong><br />
auch auf nationaler Ebene. Die Sehn -<br />
sucht nach Frieden und normalisie -<br />
rung des alltäglichen Lebens steht im<br />
Zentrum von israels Existenz und Kul -<br />
tur. Die vielen Tausende von Liedern,<br />
Büchern, Kunstwerken und Artikeln,<br />
die in israel seit seiner Gründung dem<br />
Frieden gewidmet worden sind, sind<br />
zu zahlreich, um genannt zu werden.<br />
Der Frieden ist ein Kernwert, der größ -<br />
te Traum jeder mutter und jedes Va -<br />
ters, die Verkörperung der zionistischen<br />
idee, die israel in Frieden und<br />
Kooperation mit all seien nachbarn<br />
leben sieht.<br />
Es gibt keinen legitimen Grund dafür,<br />
dass israelische Kinder in ihren Schu -<br />
len über Frieden und Koexistenz lernen,<br />
während gleichzeitig die palästinensischen<br />
Kinder darin unterrichtet<br />
werden, Selbstmordattentäter zu verehren<br />
und den märtyrertod im Jihad<br />
zu suchen. Die, die Frieden wünschen,<br />
sollten auch zum Frieden erziehen und<br />
nicht Hass und mord propagieren.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 19
Ein Jahr nach Wahl ist<br />
Likud noch populärer<br />
Ein Jahr nach den Parlamentswahlen<br />
in israel hat der national-konservative<br />
Likud von ministerpräsident Ben ja -<br />
min netanyahu in der Gunst der<br />
Wähler weiter zugelegt. im Fall von<br />
neuwahlen könnte sich der Likud im<br />
Vergleich zum Vorjahr von 27 auf 35<br />
Sitze in dem 120 Sitze zählenden Par -<br />
lament verbessern. Das geht aus<br />
einer in der Tageszeitung „Haaretz“<br />
veröffentlichten Umfrage hervor.<br />
Die Regierungskoalition aus rechten,<br />
ultra-rechten und stark religiösen Par -<br />
teien sowie der sozialdemokratischen<br />
Arbeitspartei würde von derzeit 74<br />
auf 76 Sitze wachsen. Die stärkste Op -<br />
positionspartei, die in der politischen<br />
mitte angesiedelte Kadima von Ex-<br />
Außenministerin Tzipi Livni, würde<br />
dagegen nur noch 26 statt bisher 28<br />
mandate erzielen.<br />
Kommentatoren erklären die Gewin ne<br />
für das rechte Lager mit der Desillu si -<br />
o nierung vieler israelis über den Frie -<br />
densprozess. Darüber hinaus glaubten<br />
viele Bürger, dass ein rechtes Par -<br />
teienbündnis besser mit der Bedro -<br />
hung durch den iran sowie militanter<br />
und radikaler Palästinensergruppen<br />
umgehen kann. Trotz des Zuwachses<br />
für den Likud sind mit 42% deutlich<br />
weniger israelis mit Regierungschef<br />
netanyahu zufrieden <strong>als</strong> noch vor drei<br />
monaten. Dam<strong>als</strong> stimmte die Hälfte<br />
der israelis der Amtsführung zu. Die<br />
Gründe dafür liegen nach Angaben<br />
der Zeitung vor allem in der Ent schei -<br />
dung netanyahus, den Wohnungs -<br />
bau im Westjordanland weitgehend<br />
zu stoppen. Dies habe vor allem<br />
Wäh ler des rechten Spektrums verärgert.<br />
Darüber hinaus hätten dem Re -<br />
gierungschef negative Berichte über<br />
Ehefrau Sara geschadet.<br />
53% der Befragten sind außerdem<br />
mit der Amtsführung von Außen mi -<br />
nis ter Avigdor Lieberman unzufrieden.<br />
Das sind drei Prozent mehr <strong>als</strong><br />
im november 2009.<br />
Wie in israel ge ne rell üblich wurden<br />
rund 500 Personen befragt. Die Feh -<br />
lerquote liegt den Angaben zufolge<br />
bei plus/minus 4,5 Prozentpunkten.<br />
APA<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Jesus war palästinensischer Moslem<br />
VON ULRICH W. SAHM<br />
„Es gab eine Kette von Propheten des Is -<br />
lam, von Adam bis Muhammad. Sie re -<br />
prä sentierten alle den Ruf nach dem Ei nen<br />
Gott und die Mission des Islam. Sie ge -<br />
hörten alle der gleichen Religion an, dem<br />
Islam. Jesus wurde in diesem Land, in<br />
Bethlehem geboren. Er lebte in Nazareth,<br />
zog um nach Jerusalem, <strong>als</strong>o war er ein<br />
Palästinenser.“<br />
Das hat der mufti von Jerusalem, Mu -<br />
hammad Hussein, im offiziellen palästinensischen<br />
Fernsehen am 21. April<br />
2009 verkündet. Das Zitat ist nur ei nes<br />
von vielen propagandistischen Ver -<br />
dre hungen palästinensischer me dien,<br />
die Itamar Marcus und Nan Jac ques Zil -<br />
berdik der israelischen Orga ni sation<br />
„Palestinian media Watch“ vor Ab ge -<br />
ordneten des italienischen Par la ments<br />
präsentierten. marcus war nach Rom<br />
eingeladen worden, während der italienische<br />
Regierungschef Berlusconi<br />
einen offiziellen Besuch in israel<br />
abstattete.<br />
Am 18. november 2005 erinnerte das<br />
offiziöse Blatt der Autonomiebe hör de,<br />
Al-Hayat Al-Jadid, daran: „Wir sollten<br />
nicht vergessen, dass der Messias (Jesus)<br />
ein Palästinenser war, Sohn der Maria,<br />
einer Palästinenserin“. marcus erklärte<br />
den römischen Parlamentariern, dass<br />
das nicht nur eine Geschichts klitte -<br />
rung, sondern noch dazu ein Ana chro -<br />
nismus sei. Denn erst im Jahr 136<br />
hät ten die Römer ihre Provinz Judäa<br />
in „Palästina“ umgenannt, um jede Er -<br />
innerung an die jüdischen Vorbesit zer<br />
zu tilgen. Zudem gehe es den Paläs -<br />
tinensern darum, Jesus in einen „Scha -<br />
hid“ zu verwandeln, einen mus l i mi -<br />
schen märtyrer, ähnlich wie die mo -<br />
dernen Selbstmordattentäter, die von<br />
der Autonomiebehörde auch <strong>als</strong> „mär -<br />
tyrer“ verehrt werden. Das sei eine<br />
neu e Entwicklung. nirgendwo im<br />
ganzen islam – so marcus - sei Jesus<br />
<strong>als</strong> „Schahid“ bezeichnet worden. Der<br />
palästinensische Abgeordnete Mus ta fa<br />
Bargouti, dessen Anhänger sich dieser<br />
Tage bemühen, ihn für den Friedens<br />
no belpreis nominieren zu lassen, hat -<br />
te gar behauptet, dass Jesus der erste<br />
Palästinenser gewesen sei, der in diesem<br />
Land „gefoltert“ worden sei.<br />
Bei anderer Gelegenheit behauptete<br />
die der Fatah-Partei des mahmoud<br />
Ab bas nahestehende Zeitung Al-Ha -<br />
yat Al-Jadida, dass das Leiden des<br />
ersten Palästinensers, des messias Je -<br />
sus, beim Letzten Abendmahl begonnen<br />
habe. im november 2005 be haup -<br />
tete die Zeitung, dass in der Bibel der<br />
Christen nur das Wort „Palästina“<br />
vorkomme (und nicht israel) und dass<br />
die Christen ganz korrekt allein die<br />
wahren arabischen namen der Ort -<br />
schaften und Städte verwendeten.<br />
mutmaßlich sagen <strong>als</strong>o Christen, wenn<br />
sie die Bibel lesen, „Al Kuds“ anstelle<br />
von Jerusalem und „nablus“ anstelle<br />
von Sichem...<br />
im palästinensischen Fernsehen stellte<br />
ein palästinensischer Künstler ein Ge -<br />
mälde vor, auf dem zu sehen war, wie<br />
Soldaten (in heutiger israelischer<br />
militäruniform) Jesus bei seiner An -<br />
kunft in Jerusalem durchsuchten. in<br />
seiner Tasche fanden sie einen Stein,<br />
ein Stück Brot und einen Fisch. Da -<br />
rauf hin wurde er verhaftet: „Das ist der<br />
Beginn des palästinensischen Kamp fes.“<br />
in einem zweiten Report führte<br />
marcus vor, wie die radikalislamische<br />
Hamas-Organisation beabsichtige,<br />
die christliche Welt dem islam zu un -<br />
ter werfen. „Alles wird in Rom beginnen“,<br />
heißt es in einem der Hamas-<br />
Texte. Ebenso beabsichtige Hamas<br />
einen Völkermord an den Juden.<br />
Regierung richtet Fonds für arabische Entwicklung ein<br />
Die israelische Regierung hat einen Fonds von 50 mio. Dollar für die arabische<br />
Entwicklung im Land eingerichtet. Das gab der israelische minister für min -<br />
derheiten, Avischai Braverman, bekannt. Ein Großteil des Geldes werde von<br />
jüdischen und arabischen Geschäfts-leuten eingezahlt. Den Rest werde die<br />
Regierung stellen, meldet die Tages zeitung ‘Jerusalem Post’.<br />
Laut Braverman sei das „wirtschaftliche Potential Israels innerhalb der arabischen<br />
Bevölkerung enorm“. Dschafar Farah vom „mossawa Center“, einer in ter es sens -<br />
vertretung für arabische israelis, begrüßte die investition. Er wies jedoch auf<br />
Unterschiede im arabischen Sektor beim Verkehrswesen, bei Schulen und<br />
Straßen hin. Das Engagement im privaten Bereich sei zwar wichtig, aber nicht<br />
genug. inn<br />
20 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
POLITIK • ISRAEL<br />
Britischer Steuerzahlerbund: Steuergelder<br />
finanzieren anti-israelische Hetze<br />
Der britische Steuerzahlerverbund hat<br />
vor anti-israelischer Hetze in Schulen und<br />
Me dien der Paläs tinensischen Auto no -<br />
mie behörde gewarnt. Diese Kampagnen<br />
hätten zum Ziel, Israel zu „dämonisieren“<br />
und würden auch durch europäische<br />
Steuergelder finanziert. Auf einer<br />
Pressekonferenz mit Israels stellvertretendem<br />
Außenminister Danny Ajalon in<br />
Jerusalem legten Vertreter des Verban -<br />
des entsprechende Berichte vor.<br />
in den Dokumenten „Palästinen sische<br />
Hass-Ausbildung seit Annapolis“ und<br />
„Fi nanzierung von Hass-Ausbildung“<br />
wird ausführlich beschrieben, wie antiisraelische<br />
Hass-Kampagnen durch<br />
eu ropäische Steuergelder gefördert<br />
werden. Matthew Sinclair, For schungs -<br />
leiter der „TaxPayers’ Alliance“, nannte<br />
mehrere Beispiele für Hetze innerhalb<br />
der PA. Unter anderem zitierte er ei -<br />
nen palästinensischen imam, der kürz -<br />
lich in ei ner Predigt dazu aufgerufen<br />
hatte, ge gen die Juden zu kämpfen<br />
und die se zu töten. Juden seien die<br />
„Feinde der Menschheit“. Die Predigt<br />
war von der offiziellen Rund funk an -<br />
stalt der paläs ti nensischen Regie rung<br />
ausgestrahlt worden.<br />
Dies sei ein Thema für britische und<br />
europäische Steuerzahler, da ihre Re -<br />
gierungen die PA jährlich mit mehreren<br />
millionen Euro unterstützten, be -<br />
tonte Sinclair. Rund 42% der Paläs ti -<br />
nenser seien jünger <strong>als</strong> 15 Jahre. Da -<br />
mit gebe es eine große junge Gene ra -<br />
tion, deren Ansichten die Situation<br />
für eine lange Zeit formen würden.<br />
Frie den liege in den Herzen und Ge -<br />
dan ken der menschen und es sei entscheidend,<br />
dass die richtigen Gesin -<br />
nun gen in den menschen ermutigt und<br />
die richtigen Bedingungen für Frie den<br />
geschaffen würden, sagte Sin clair.<br />
„Hilfsprogramme besser prüfen“<br />
Die „TaxPayers’ Alliance“ habe das<br />
The ma „Hetze gegen Israel“ aufgegriffen,<br />
da sie glaube, dass es eine bessere<br />
Prüfung der Hilfsprogramme für die<br />
PA geben müsse. Es müsse sichergestellt<br />
werden, dass Steuergelder aus<br />
Großbritannien und der EU nicht mehr<br />
Programme finanzieren, die dem Frie -<br />
densprozess und den nationalen in ter -<br />
essen der britischen und der europäischen<br />
Bürger schaden. Das berichtet<br />
die Tageszeitung ‘Jerusalem Post’.<br />
israels stellvertretender Außenminis -<br />
ter Ajalon bezeichnete die Hetze <strong>als</strong><br />
eines der größten Probleme innerhalb<br />
der Palästinensischen Autonomie be -<br />
hörde (PA). „Jeder spricht über die Ha -<br />
mas, die nahe liegt, aber die PA, die Fatah<br />
und (Präsident) Mahmud Abbas sind<br />
eben falls in Hetze verwickelt und haben<br />
eine ‘Kultur des Hasses’ geschaffen“, so<br />
Ajalon laut einer Erklärung des<br />
Außen ministeriums.<br />
„Fatah erkennt jüdischen Charakter<br />
Israels nicht an“<br />
Die Satzung der Fatah akzeptiere noch<br />
immer nicht den jüdischen Charakter<br />
israels. Dies sei sogar bei der letzten<br />
Fatah-Konferenz bestätigt worden.<br />
„Das ist ein großes Problem. Solange Is -<br />
rael nicht <strong>als</strong> legitimer und natürlicher<br />
Teil dieser Region akzeptiert wird, werden<br />
wir kein Verlangen nach Frieden sehen“,<br />
sagte Ajalon weiter.<br />
Damit der politische Prozess Erfolg<br />
ha be, sei es wichtig die Hetze zu stop -<br />
pen. „Wenn die Palästinenser einen neu -<br />
en Staat im Nahen Osten errichten wollen,<br />
dürfen wir nicht erlauben, dass dies ein<br />
weiterer gescheiterter Staat oder ein Ter -<br />
rorstaat wird. Hetze sollte beendet werden,<br />
bevor ein Palästinenserstaat existiert und<br />
nicht erst danach“, forderte der israelische<br />
Politiker.<br />
Israel soll im Sommer OECD-Mitglied werden - Israel soll bis zum Sommer Mit -<br />
glied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)<br />
werden. Dies kündigte OECD-Gener<strong>als</strong>ekretär Angel Gurria nach Gesprächen mit<br />
Is ra els politischer Führung in Jerusalem an. „Wir laden Israel dazu ein, ein vollwer -<br />
ti ges Mit glied zu werden“, sagte er dem israelischen Fernsehen. Der Aufnah me -<br />
prozess ver laufe bis her glatt. Gurria hatte zuvor mit dem israelischen Außen minis<br />
ter Avig dor Lie ber man ein Ab kommen unterzeichnet, das den Weg für die<br />
Aufnahme Israels in die 1961 in Pa ris ge gründete Organisation ebnen sollte.<br />
Dem Abkom men zufolge sollen OECD-Re prä sen tanten in Israel unter anderem di -<br />
plomatische Immunität genießen. Die Or ga ni sation, die sich für faire Markt wirt -<br />
schaft einsetzt, hat bisher 31 Mitgliedsstaaten.<br />
Arabische Demonstranten:<br />
Schalit und Häftlinge befreien<br />
mehr <strong>als</strong> 100 israelische Araber ha ben<br />
am Eres-Grenzübergang zum Gaza -<br />
strei fen demonstriert. Sie forderten,<br />
dass der entführte israelische Soldat<br />
Gilad Schalit und palästinensische<br />
Häftlinge freikämen.<br />
Die Organisation „Ner LeSchalom ve -<br />
Ahava“ (Kerze für Frieden und Liebe)<br />
hatte die Kundgebung angeregt. Sie<br />
will die Koexistenz zwischen Ara -<br />
bern und Juden in israel fördern. Auf<br />
der anderen Seite des Überganges im<br />
Gazastreifen wartete eine weitere<br />
Gruppe auf die Demonstranten. Sie<br />
telefonierten miteinander und ermutigten<br />
sich gegenseitig, wie die Ta -<br />
geszeitung ‘Jediot Aharonot’ meldet.<br />
Malik Faradsch leitet die Organisation.<br />
ihnen sei klar geworden, dass die Ver -<br />
handlungen über die Befreiung keine<br />
Fortschritte machten, sagte der israelische<br />
Araber. „Die Politiker tun einfach<br />
nichts in dieser Angelegenheit und haben<br />
das Thema Befreiung Gilad Schalits und<br />
der palästinensischen Häftlinge aufgegeben.<br />
Wir haben <strong>als</strong>o beschlossen, hinzugehen<br />
und zu demonstrieren ... Es ist unser<br />
Ziel, Druck auf die Entscheidungsträger<br />
und die Knesset-Abgeordenten auszuüben.“<br />
Diese seien mit unwichtigeren<br />
Din gen beschäftigt. „Wir haben viele<br />
positive Reaktionen auf diese Initiative<br />
erhalten, und wir hoffen, dass dies helfen<br />
wird, das Thema voranzubringen.“<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 21<br />
© Tsafrir Abayov/Flash90
GOLDSTONE<br />
noch bevor der Goldstone Report ver -<br />
öffentlicht wurde, wollte Richard<br />
Gold stone seine Glaubwürdigkeit<br />
durch die Beschwörung seines Juden -<br />
tums, seines Zionismus, den israelischen<br />
Wohnort seiner Tochter und<br />
sei ne Verbindungen mit der Hebräi -<br />
schen Universität unter Beweis stellen.<br />
Dies war der klassische Trugschluss,<br />
bekannt <strong>als</strong> Argument ad hominem,<br />
der folgendermaßen definiert wird:<br />
Ein substanzielles Argument sollte<br />
nicht einzig aufgrund desjenigen, der<br />
es vorgebracht hat, zurückgewiesen<br />
werden.<br />
Daraus folgt natürlich auch – ein Ar -<br />
gument sollte nicht nur aufgrund<br />
des jenigen, der es vorgebracht hat,<br />
ak zeptiert werden.<br />
Ein naher Verwandter des ad hominem<br />
Trugschlusses ist was ich „das<br />
Argument durch ethnische identität“<br />
nenne. Definition: Ein antiisraelisches<br />
Argument wiegt schwerer, wenn es<br />
von einem Juden vorgebracht wird.<br />
(„Siehst du, sogar ein Jude stimmt zu,<br />
dass...“)<br />
Das sind genau jene trügerischen<br />
Argumente, mit denen Richard Gold -<br />
stone und seine Unterstützer den Re -<br />
port verteidigen. Goldstone rief sogar<br />
seine Tochter zu Hilfe. Sie sagte dazu<br />
Folgendes: „Hätte Richard Goldstone<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Die zweifelhaften Argumente<br />
des Goldstone Reports<br />
Ein Posting von Alan M. Dershowitz<br />
nicht den Vorsitz der UN-Untersu chungs -<br />
kommission zum Gaza-Krieg inne ge habt,<br />
wären die Anschuldigungen gegen Israel<br />
noch härter gewesen.“ Weiter: „Mein<br />
Vater hat diese Aufgabe für den Frieden,<br />
für jedermann und auch für Israel übernommen.“<br />
Und zur Jerusalem Post<br />
meinte sie: „Mein Vater liebt Israel und<br />
es war nicht einfach für ihn, zu sehen und<br />
zu hören, was passiert ist. Ich denke, er hat<br />
Dinge gehört und gesehen, die er nicht<br />
erwartet hat...“<br />
Das Problem ist allerdings nicht, was<br />
Goldstone sah und hörte. Es ist vielmehr,<br />
was er sich freiwillig und vorsätzlich<br />
weigerte zu sehen und zu hö -<br />
ren. Er sah sich nicht jene, ganz einfach<br />
im internet zu findenden, Videos<br />
an, die zeigen, dass Hamasterroristen<br />
regelmäßig Raketen hinter menschlichen<br />
Schildern hervor feuerten. Er<br />
weigerte sich, Augenzeugenberichte<br />
anzuerkennen, die in angesehenen Zei -<br />
tungen veröffentlicht wurden, nicht<br />
einmal Bestätigungen durch Ha mas-<br />
Führer. Er verweigerte die Anhörung<br />
des Berichtes eines der welt weit führenden<br />
Experten für den ungleichen<br />
Kampf demokratischer militärs ge gen<br />
Terroristen, die sich hinter Zivilisten<br />
verschanzen.<br />
Dieser meinte: „Ich glaube nicht, dass es<br />
in der Geschichte der Kriegsführung je -<br />
m<strong>als</strong> eine Zeit gab, in der die Armee größere<br />
Bemühungen zur Vermeidung ziviler<br />
und unschuldiger Opfer anstrengte, <strong>als</strong><br />
die IDF es in Gaza tut.“<br />
Anstatt seinen Report gegen die vielen<br />
substanziellen Argumente, die dagegen<br />
sprechen, zu verteidigen, hat Ri -<br />
chard Goldstone wiederholt auf sein<br />
Judentum gepocht, um sich sowohl<br />
gegen seine Kritiker zur Wehr zu setzen<br />
<strong>als</strong> auch um weiterhin israelische<br />
Vorgehensweisen anzugreifen.<br />
Wäre Goldstone nicht der Verfasser<br />
des Un-Berichts gewesen, wäre er<br />
wohl gemeinsam mit anderen einseitigen,<br />
parteiischen Berichten jener vor -<br />
urteilsbehafteten Gruppierung, die<br />
ausschließlich israel der menschen -<br />
rechts vergehen bezichtigt, im müll ge -<br />
landet. Aber jene, die den zweifelhaften<br />
Bericht unentwegt verteidigen, ar -<br />
gumentieren immer wieder mit Gold -<br />
stones Urheberschaft und der aus seinem<br />
Judentum folgenden Glaub wür -<br />
dig keit („Siehst du, sogar ein Ju de ...“).<br />
in einem Kriminalverfahren ist es<br />
unzulässig den Charakter des Be schul -<br />
digten zu attackieren, außer er hat<br />
seinen Charakter bereits zur Sprache<br />
gebracht. Ebendies tat Goldstone mit<br />
seinem Judentum, um seinem verlogenen<br />
Bericht Glaubwürdigkeit zu<br />
verleihen.<br />
Die einzig richtige Antwort auf ein ad<br />
hominem positives Argument ist ein<br />
ad hominem negatives Argument.<br />
Deshalb habe ich, zusätzlich zu ei nem<br />
substanziellen 49-seitigen Ant wort -<br />
schreiben auf Argumente und metho -<br />
dologie des Goldstone Reports, auch<br />
die Frage von Goldstones motivation<br />
bei der Übernahme dieser gewichtigen<br />
Aufgabe und der Unter zeich nung<br />
eines so offensichtlich f<strong>als</strong>chen und<br />
einseitigen Papiers aufgeworfen.<br />
Angesichts der schlagenden Beweise,<br />
die für jedermann online und in den<br />
medien zugänglich sind, kann Gold -<br />
stone doch wohl kaum glauben, dass<br />
die Hamas keine menschlichen Schutz -<br />
schilder verwendet, ihre Kämpfer<br />
nicht absichtlich in Zivilkleidung ge -<br />
steckt und moscheen und Hospitäler<br />
<strong>als</strong> Waffenlager missbraucht hat.<br />
Videoaufnahmen beweisen all das<br />
und die Hamas gesteht es auch ein<br />
und prahlt sogar damit.<br />
Er kann doch nicht wirklich glauben,<br />
dass israel die tausenden Raketen, die<br />
die Hamas auf israelische Kinder ab -<br />
22 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
gefeuert hat, <strong>als</strong> Vorwand oder Ent -<br />
schuldigung für die Verfolgung seines<br />
„wahren Ziels“ verwendet – so viele<br />
palästinensische Zivilisten wie möglich<br />
zu töten.<br />
Auch kann Goldstone nicht wahrhaftig<br />
glauben, dass die israelische Re -<br />
gierung auf höchster Ebene die Ent -<br />
schei dung trifft, palästinensische Ba -<br />
bys, Kleinkinder, Frauen und Alte zu<br />
ermorden. Sämtliche Beweise führen<br />
diese Argumente ad absurdum. Und<br />
dennoch unterzeichnete Goldstone<br />
einen Bericht, der all diese unsinnigen<br />
Argumente für wahr erklärt. Schande<br />
über ihn. Und noch mehr Schande<br />
da für, dass er sein Judentum dafür<br />
miss braucht, anderen die Diffama tio -<br />
nen des jüdischen Staates <strong>als</strong> wahr zu<br />
verkaufen.<br />
Der Goldstone Report sollte in all sei-<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
nen Schwachpunkten zurückgewiesen<br />
werden. Und die Tatsache, dass er<br />
von einem Juden autorisiert wurde –<br />
und der eben aufgrund dessen, dass<br />
er ein Jude ist und von der internationalen<br />
Gemeinschaft anerkannt werden<br />
will, dafür ausgewählt wurde – sollte<br />
seine Glaubwürdigkeit eher herabsetzen<br />
<strong>als</strong> diese zu fördern.<br />
ich habe Goldstone dazu aufgefordert,<br />
über die grundlegenden Punkte<br />
seines Berichts zu diskutieren. ich<br />
verspreche, keine ad hominem Ar gu -<br />
mente dagegen zu verwenden, wenn<br />
auch er keine mehr benutzt. Oder wie<br />
Adlai Stevenson einem politischen<br />
Widersacher einst versprach: „Wenn<br />
Sie keine Lügen mehr über mich verbreiten,<br />
höre ich auf, die Wahrheit über Sie zu<br />
erzählen.“<br />
GOLDSTONE-BERATER:<br />
„Hamas feuerte nur zwei<br />
Raketen auf Israel“<br />
Desmond Travers, einer der Co-Au to -<br />
ren des sogenannten Goldstone-Be -<br />
richtes, hat in einem interview mit<br />
„middle East monitor“ Anfang Fe -<br />
bruar behauptet, die Hamas habe vor<br />
der israelischen Operation „Gegos -<br />
senes Blei“ lediglich zwei Raketen<br />
auf israel abgefeuert. Der ehemalige<br />
Oberst der irischen Armee machte<br />
zudem weitere Aussagen zu dem<br />
Thema, die seine neutralität in der<br />
Angelegenheit in Frage stellen.<br />
Travers gehörte der Un-Kommission<br />
an, die die Geschehnisse während des<br />
dreiwöchigen israelischen militärein -<br />
satzes im Gazastreifen untersuchen<br />
sollte. Da er der einzige ehemalige<br />
hoch rangige militärvertreter war, war<br />
er hauptverantwortlich für die militärische<br />
Analyse.<br />
nach diesem jüngsten interview hat<br />
das „Jerusalemer Zentrum für Öf -<br />
fent liche Angelegenheiten“ (JCPA)<br />
eine Zusammenstellung von Aus sa -<br />
gen erstellt, die beweisen soll, dass<br />
Travers „grundsätzliche Vorurteile ge -<br />
gen die israelische Armee“ habe.<br />
So führte Travers in dem interview<br />
un ter anderem aus, dass israelische<br />
Sol daten in der Vergangenheit im<br />
Süd libanon gezielt irische Un-Sol da -<br />
ten erschossen hätten. Bei der Ver neh -<br />
mung von Zeugen im Gazastreifen<br />
habe er außerdem palästinensische<br />
Psychologen gebeten, zu erklären, wie<br />
israelische Soldaten palästinensische<br />
Kinder vor den Augen ihrer Eltern<br />
töten konnten.<br />
Die Darstellung, dass israel mit seinem<br />
Einsatz im Rahmen der Selbst -<br />
ver teidigung reagiert habe, wies Tra -<br />
vers zurück. im monat vor dem Krieg<br />
habe es höchstens „so um die zwei Ra -<br />
keten“ gegeben, die in israel einschlugen.<br />
Laut israelischen Quellen gab es<br />
allein zwischen dem 16. und 18.<br />
Dezember 32 palästinensische Ra ke -<br />
tenangriffe.<br />
Israelische Beweisfotos gefälscht<br />
Der irische Oberst wies auch die isra -<br />
elischen Angaben zurück, nach de nen<br />
die Hamas Kampfmittel in mo scheen<br />
versteckt habe. Dafür habe seine<br />
Kommission keine Beweise gefun-<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 23
den, sagte Travers in einem im Ok -<br />
tober veröffentlichten interview mit<br />
dem US-amerikanischen maga zin<br />
„Harper’s“. Er bestätigte, dass seine<br />
Kommission nur zwei moscheen un -<br />
tersucht hatte. „Die Anschuldigungen<br />
spiegeln westliche Annahmen einiger<br />
Kreise wider, nach denen der Islam eine<br />
gewalttätige Religion ist“, so Travers.<br />
Entsprechende Beweisfotos der israelischen<br />
Armee, auf denen zu sehen<br />
ist, dass Kampfmittel in moscheen<br />
ver steckt wurden, halte er für ge -<br />
fälscht.<br />
Der britische Oberst Tim Collins hatte<br />
den Gazastreifen ein Jahr nach der<br />
Offensive für den Rundfunksender<br />
BBC besucht. Unter anderem hatte er<br />
eine moschee inspiziert, welche die<br />
Ar mee bombardiert hatte, da dort<br />
Kampfmittel versteckt gewesen sein<br />
sollen. Dabei habe Collins Beweise<br />
für zusätzliche Explosionen gefunden.<br />
Diese könnten nur von Waffen und<br />
Sprengstoff stammen, die im Keller<br />
gelagert waren.<br />
Jüdische Lobbyisten beeinflussen<br />
Großbritannien<br />
in seinem jüngsten interview wurde<br />
Travers auch auf die Angaben britischer<br />
Offiziere wie Collins hingewiesen,<br />
die israels Anschuldigungen ge -<br />
gen die Hamas bestätigten. Darauf<br />
antwortete der ire: „Es scheint, dass die<br />
außenpolitischen Interessen Großbri tan -<br />
niens im Nahen Osten stark von jüdischen<br />
Lobbyisten beeinflusst werden.“<br />
Für die Hamas fand Travers lobende<br />
Worte. Diese habe gut mit der Kom -<br />
mission zusammengearbeitet. Anga -<br />
ben, nach denen die Hamas die Be völ -<br />
kerung eingeschüchtert habe, wies er<br />
zurück. So etwas habe es nicht gegeben.<br />
Das JCPA weist jedoch darauf<br />
hin, dass es im Goldstone-Bericht<br />
selbst unter Paragraph 440 heißt, die<br />
Befragten hätten nur zögerlich An ga -<br />
ben zur Präsenz bewaffneter Gruppen<br />
gemacht, aus „Angst vor Ver gel -<br />
tung“. Travers wies auch die An schul -<br />
digungen zurück, dass die Ha mas ih re<br />
Kämpfer in Wohn gegenden platzierte.<br />
DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />
Gegen den Terror<br />
der Hamas<br />
Demokratie statt<br />
autoritärer Diktatur<br />
in Gaza<br />
Operation „Gegossenes Blei“<br />
������������������������ ��<br />
Im Januar 2009 erschien ein<br />
Dos sier der „Gemeinde“ über<br />
den Terror der Hamas: „Demo -<br />
kratie statt autoritärer Diktatur in<br />
Gaza - Operation ‘Gegossenes<br />
Blei’“<br />
Restexemplare bzw. PDF erhältlich<br />
unter redaktion@ikg-wien.at<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Die schlichten Tatsachen<br />
nach langem Aufschub habe ich<br />
kürzlich Alan Dershowitz’ Film „Plä -<br />
doyer für Israel“ gesehen. Der renommierte<br />
US-Anwalt eröffnet den Film<br />
mit der Erklärung, dass er sowohl<br />
pro-israelisch <strong>als</strong> auch pro-palästinensisch<br />
sei und er die Zwei-Staaten-<br />
Lösung unterstütze, aber…<br />
Dershowitz ist weder ein Philosoph<br />
noch ein Filmemacher. Er ist nicht<br />
einmal rechtsgerichtet. Wir haben uns<br />
daran gewöhnt, dass das Plädoyer für<br />
israel nur von mitgliedern des rechten<br />
Lagers gehalten wird. Dershowitz<br />
jedoch unterstützt uns, eben weil er<br />
ein linksgerichteter Juraprofessor an<br />
der Harvard University ist, der sich<br />
mit menschenrechten beschäftigt.<br />
Wie können sie sich trauen, israel <strong>als</strong><br />
Apartheidstaat zu bezeichnen? fragt<br />
er mit echter Verwunderung. Die arabische<br />
Gesellschaft zeigt Apartheid<br />
gegenüber Frauen, Apartheid gegenüber<br />
Homosexuellen und Apartheid<br />
gegenüber Christen, Juden und der<br />
Demokratie. in Saudi-Arabien werden<br />
Schwule gehängt, im Sudan geht<br />
ein Völkermord vonstatten, und in der<br />
gesamten arabischen Welt werden<br />
Frauen dafür ermordet, dass sie keinen<br />
Schleier tragen oder sich in den<br />
f<strong>als</strong>chen mann verlieben.<br />
Doch trotz all dem haben sich acht<br />
der letzten acht Un-Resolutionen, die<br />
den menschenrechten galten, mit is -<br />
rael beschäftigt – dem einzigen Staat<br />
in der Region, in dem minderheiten<br />
das Wahlrecht haben, einem Land,<br />
dessen Gesetzgebung die Araber vom<br />
ersten Tag an mit einbezogen hat.<br />
Sind der globalen Linken – und auch<br />
der israelischen Linken – das schreckliche<br />
Taliban-Regime, die fürchterliche<br />
Unterdrückung von Frauen in den<br />
Golf staaten und die massenerhän -<br />
gungs feiern im iran wirklich egal? ist<br />
ihnen nicht klar, dass alle Straßen -<br />
sperren im Westjordanland die zweifellos<br />
eine andauernde menschliche<br />
Tragödie verursachen, innerhalb von<br />
24 Stunden entfernt werden würden,<br />
wenn die Palästinenser nur freundlich<br />
genug wären, mit dem Töten von<br />
Juden aufzuhören?<br />
Und wie kommt es, dass sie immer<br />
VON YAIR LAPID<br />
nur von den 750.000 palästinensischen<br />
Flüchtlingen sprechen und dabei die<br />
800.000 jüdischen Flüchtlinge vergessen,<br />
die aus arabischen Staaten vertrieben<br />
wurden? Warum erinnert sich nie -<br />
mand daran, dass die Palästinenser<br />
bereits vier wirkliche Gelegenheiten<br />
hatten, ihren Staat zu gründen, es aber<br />
jedes mal vorzogen, zum Terro ris mus<br />
zurückzukehren?<br />
Und wer nimmt sich heraus, den Si -<br />
cherheitszaun <strong>als</strong> „Apartheidzaun“<br />
zu bezeichnen und dabei die Tatsache<br />
zu übersehen, dass er gemäß dem in -<br />
ter nationalen Recht erst errichtet<br />
wur de, nachdem mehr <strong>als</strong> 1.000 isra -<br />
elis in weniger <strong>als</strong> drei Jahren ermordet<br />
worden waren?<br />
ich schaute Dershowitz’ Film; doch an -<br />
statt mich zu freuen, kam ich mir ein<br />
bisschen dumm vor. Schließlich war<br />
ich mit all diesen Tatsachen schon<br />
vorher vertraut, so wie jeder andere<br />
israeli mit ihnen vertraut ist. Woher<br />
kommt es <strong>als</strong>o, dass wir immer de -<br />
fensiv sind, uns immer entschuldigen<br />
und immer die Schlacht um die globale<br />
öffentliche meinung verlieren?<br />
Freilich ist es wahr, dass millionen von<br />
Petro-Dollars für anti-israelische Pro -<br />
pa ganda ausgegeben werden (hoppla!<br />
Schon wieder kaufe ich ihnen ih re<br />
Geschichte ab – es ist keine anti-is ra e li -<br />
sche Propaganda, sondern schlicht und<br />
einfach Antisemitismus). Aber wie<br />
zum Teufel haben wir es ge schafft, in<br />
eine Situation zu kommen, in der die<br />
Wahrheit – die einfache, schlichte, Tat -<br />
sachen-basierte Wahrheit – aus der mo -<br />
de gekommen ist? Yedioth Ahronot, 01.02.10<br />
24 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Während die meisten objektiven Be -<br />
obachter in aller Welt israels Effizienz<br />
und Großzügigkeit bei der medizinischen<br />
Versorgung der Erdbebenopfer<br />
von Haiti bestaunen, insistieren manch<br />
bigotte menschen immer noch darauf,<br />
dies <strong>als</strong> Gelegenheit zur Kritik am<br />
jüdischen Staat zu nutzen. Sowohl<br />
die rechtsextremen neonazis <strong>als</strong> auch<br />
die neo-Stalinisten können nicht an -<br />
ders, <strong>als</strong> israel bei jeder Gelegen heit<br />
zu dämonisieren, egal was israel tut.<br />
Die neonazi-Website http://reporters<br />
notebook.com beinhaltet einen Blog mit<br />
dem Titel „Die Zionisierung der Katas -<br />
tro phenhilfe“, in dem israel be schul digt<br />
wird, „das Leid der armen, wehrlosen<br />
Ha i tianer für den israelischen Triumpha -<br />
lis mus auszunutzen“. So wür de israel<br />
le diglich deshalb medizinische Hilfe<br />
für Haiti zur Verfügung stellen, um<br />
die öffentliche Aufmerksamkeit von<br />
seinen Verbrechen gegen die Pa läs ti -<br />
nenser abzulenken, wird in dem Blog<br />
behauptet.<br />
Die Extreme Linke, sogar in israel, mo -<br />
kiert sich darüber, dass israel seine<br />
mediziner so weit weg schickt, an statt<br />
sie in Gaza tätig werden zu lassen.<br />
Auch die ‘new York Times’ erkennt,<br />
in einer ansonsten sehr überlegten<br />
Ana lyse der Kontroverse bezüglich<br />
der Hilfsleistungen für Haiti unter den<br />
israelis, den Unterschied zwischen der<br />
Entsendung der begrenzten Res sour -<br />
cen nach Haiti anstatt nach Gaza nicht.<br />
Haiti führt nicht Krieg gegen israel.<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Den Bigotten wird es Israel<br />
niem<strong>als</strong> recht machen können<br />
Posting von Alan M. Dershowitz, 26. Januar <strong>2010</strong><br />
Haiti hat sich nicht der Zerstörung is -<br />
raels verschrieben. Haiti hat nicht<br />
8.000 Raketen auf israelische Zivilisten<br />
abgefeuert. Gaza allerdings hat<br />
eine von seinen Bürgern gewählte<br />
Ver waltung, die all dies getan hat<br />
und auch weiterhin tun wird.<br />
Abgesehen davon kann man die zehntausenden<br />
Haitianer, die aufgrund<br />
einer naturkatastrophe gestorben sind,<br />
kaum mit den menschen in Ga za vergleichen,<br />
die - weit weniger <strong>als</strong> nun<br />
die Haitianer - unter einer Situation<br />
lei den, die im Wesentlichen selbst<br />
verschuldet ist.<br />
israels immerwährende Feinde vergleichen<br />
ja schließlich auch nicht lautstark<br />
das winzige, ressourcenarme is -<br />
ra el mit den riesigen und ressourcenreichen<br />
arabischen moslemischen na -<br />
tio nen. Denn während der jüdische<br />
Staat tief in die eigene Tasche greift,<br />
um medizinische Hilfe in das Katas -<br />
trophengebiet von Haiti zu schicken,<br />
hört man relativ wenig von den arabischen<br />
und moslemischen Staaten,<br />
wenn es um Hilfsleistungen geht. Das<br />
hat sich nicht nur im katholischen<br />
Haiti bewahrheitet, sondern auch bei<br />
den Tsunamis und anderen natur ka -<br />
tas trophen, die moslemische Staaten<br />
verwüstet haben.<br />
Für jene, die glauben, dass israel Ha iti<br />
lediglich aus eigennützigen Gründen<br />
heraus hilft, habe ich zwei Antworten<br />
parat.<br />
Als erstes die Antwort der Realpo li -<br />
tik: Alle nationen verfolgen interes sen;<br />
und alle handeln, zumindest teilweise,<br />
aus Eigennutz. Wenn die US-Bürger<br />
von ihrer Regierung eine Rechtfer ti -<br />
gung für milliardenschwere Hilfsleis<br />
tungen im Ausland verlangen, ist<br />
die Antwort stets, dass dies auch den<br />
interessen des eigenen Staates dient.<br />
Aber israel wird immer mit zweierlei<br />
maß gemessen. israel darf ausschließlich<br />
aus altruistischen motiven heraus<br />
agieren, obwohl alle anderen Staaten<br />
das Recht haben, Altruismus mit ei -<br />
ge nen interessen gleichzusetzen.<br />
Zweitens: israel tut in Haiti wesentlich<br />
mehr, <strong>als</strong> nötig wäre, um eigene inter -<br />
essen zu befriedigen. Es stellt umgerechnet<br />
mehr Hilfe pro Einwohner<br />
zur Verfügung, <strong>als</strong> irgendein anderes<br />
Land der Welt und zwar mit außerordentlicher<br />
Effizienz und Wirkung. ist<br />
es nicht zumindest möglich, dass die<br />
Jahrtausende alte jüdische Tradition<br />
der Tzadakah, der auf Gerechtigkeit<br />
basierenden Wohltätigkeit, Teil der Er -<br />
klärung für israels Großzügigkeit<br />
sein könnte?<br />
Die Tatsache, dass so viele israelis da -<br />
für sind, auch Gaza Hilfestellung zu<br />
leisten, spricht selbstverständlich für<br />
Letzteres. Hat denn irgendein anderes<br />
Land jem<strong>als</strong> jenes Volk, mit denen es<br />
sich im Krieg befand, mit Hilfsleis -<br />
tun gen versorgt? Ein Volk, das wei -<br />
ter hin Raketenangriffe und andere<br />
For men des Terrorismus gegen seine<br />
eigenen Zivilisten befürwortet?<br />
Wieder zweierlei maß.<br />
Die Realität wird sein, dass israel den<br />
menschen in Gaza gegenüber extrem<br />
großzügig sein wird, sobald sie aufhören,<br />
Angriffe auf israelische Zivilisten<br />
zu befürworten, aus ihren Selbst mord -<br />
attentätern keine märtyrer mehr ma -<br />
chen und ihre Kinder nicht mehr da zu<br />
anhalten, Bombenwesten anzulegen.<br />
Stellt man Gaza dem Westjordanland<br />
gegenüber, sieht man, dass letzteres<br />
heute eine sich erholende Wirtschaft,<br />
bessere Reisemöglichkeiten und eine<br />
der besten Gesundheitsversorgungen<br />
in arabischen und moslemischen Staa -<br />
ten aufweist. Die positiven Auswir -<br />
kun gen eines Frie dens mit israel auf<br />
die Paläs ti nen ser wären unermesslich.<br />
Also kritisieren Sie israel ruhig, wenn<br />
sein Verhalten den internationalen<br />
Standards nicht entspricht, aber würdigen<br />
Sie es auch, wenn es diese Stan -<br />
dards übertrifft und so unzählige Le -<br />
ben rettet. israel wird, ungeachtet al ler<br />
negativen Reaktionen, auch wei ter -<br />
hin Katastrophenhilfe zur Verfügung<br />
stellen, denn die israelis wissen, wie<br />
es ist, von einer Katastrophe betroffen<br />
zu sein. Allein schon der Fairness we -<br />
gen sollte man israel dafür nicht verurteilen<br />
und seine Hilfsleistungen für<br />
Haiti nicht <strong>als</strong> willkommene Gelegen -<br />
heit benutzen, israels Taten mit zweierlei<br />
maß zu messen.<br />
Anm.d.Red.: Die britische Abgeordnete Jenny Tonge,<br />
Spre che rin für Ge sund heitsfragen, wurde bereits<br />
we gen ihrer anti-israelischer Äußerungen und der<br />
Un ter stellungen gegen den humanitären Einsatz<br />
der Isra elis, <strong>als</strong> Parteisprecherin entlassen.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 25
WIRTSCHAFT<br />
High-tech,<br />
Immigranten und<br />
Netzwerke<br />
Das aktuelle Wirtschaftsbuch Start-up<br />
Nation analysiert das israelische ökonomische<br />
Erfolgsmodell – und mögliche<br />
Bedrohungen in der Zukunft.<br />
VON REINHARD ENGEL<br />
Es klingt wie ein charmanter jüdischer<br />
Witz-Klassiker, und doch ist die<br />
Geschichte passiert. Die Gründer der<br />
globalen internet-Suchmaschine Goog -<br />
le, Sergey Brin und Larry Page hatten<br />
bei ihrer israel-Reise neben dem Be -<br />
such des ministerpräsidenten noch<br />
ei nen einzigen weiteren Termin: Sie<br />
schauten für einen Vortrag bei der<br />
She vach-mofet-mittelschule vorbei.<br />
Deren Schüler – viele von ihnen russische<br />
Einwanderer-Kinder - hatten im<br />
israelischen mathematik-Wettbewerb<br />
sieben der zehn Spitzenplätze er reicht.<br />
Brin, selbst gebürtiger Russe, der mit<br />
seinem Vater, einem mathematiker, in<br />
die USA ausgewandert war, sprach<br />
die Kids im Auditorium auf Russisch<br />
an: Zuerst lobte er die Jugendlichen<br />
für ihre Leistungen. Doch dann folgte<br />
die Pointe – fast wie in den Ge schich -<br />
ten über die stets unzufriedene jüdische<br />
mame: „Und was ist mit den anderen<br />
drei Siegerplätzen?“<br />
Die kleine Andekdote findet sich im<br />
aktuellen Wirtschaftsbuch „Start-up<br />
nation. The Story of israel’s Eco no -<br />
mic miracle“ von Dan Senor und Saul<br />
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
Singer. Senor arbeitet <strong>als</strong> Spezialist für<br />
den nahen Osten im amerikanischen<br />
Think Tank Council on Foreign Rela -<br />
tions und hat unter anderem im ‘Wall<br />
Street Journal’, in der ‘new York Ti mes’<br />
und in der ‘Washington Post’ publiziert.<br />
Singer ist Journalist, war früher<br />
für die meinungsseite der ‘Jerusalem<br />
Post’ verantwortlich und hat mehrere<br />
Bücher geschrieben, darunter „Con -<br />
fron ting Jihad. israel’s Struggle and<br />
the World After 9/11“. Und mit dem<br />
Auftritt der Superstars der internet-<br />
Ökonomie, die sich nicht zu gut sind,<br />
ihre wertvolle Zeit vor jungen russischen<br />
israelis zu verbringen, be schrei -<br />
ben sie schon eines der Herzstücke<br />
der Erfolgsgeschichte der israelischen<br />
Wirtschaft: den bedingungslos positiven<br />
Umgang mit immigranten und<br />
der schnellen integration der men -<br />
schen und ihrer Fähigkeiten.<br />
Die Autoren stellen sich die schwierige<br />
Frage: Wie konnte israel, ein Land<br />
mit kaum mehr <strong>als</strong> sieben millionen<br />
Einwohnern innerhalb von bloß 60<br />
Jah ren seines Bestehens in die globale<br />
wirtschaftliche Oberliga vorstoßen?<br />
Und das „von einer einigermaßen provinziellen<br />
und isolierten Lage.“ Die<br />
Kennzahlen, die die Autoren schon in<br />
der Einleitung des Buches in einigen<br />
knappen Tabellen vorlegen, sprechen<br />
für sich: Bei der zivilen Forschungs -<br />
quote liegt israel mit 4,5 Prozent weltweit<br />
an der Spitze – vor Japan, den<br />
USA und Deutschland. mit 63 Unter -<br />
neh men an der Technologiebörse<br />
nasdaq hat das Land bereits Kanada<br />
überholt, das nach den USA zuletzt<br />
der wichtigste Entsender ausländischer<br />
Firmen gewesen war, alle übrigen<br />
Länder folgen unter ferner liefen.<br />
Und bei der Kennzahl Risikokapital<br />
pro Kopf der Bevölkerung liegt israel<br />
beinahe um das Dreifache vor den<br />
USA – die besten Europäer bleiben<br />
auch hier weit abgeschlagen.<br />
Das Buch gibt keine einfachen Ant -<br />
worten. Es erklärt handfest historische<br />
Entwicklungen, die die israelis zu<br />
schnellen, oft improvisierten Reaktio -<br />
nen zwangen, etwa auf das überraschende<br />
französische Waffenem bar go,<br />
nach dem dann eine eigene Rüstungs -<br />
industrie aus dem Boden gestampft<br />
wurde. Und es wagt sich in dünnere<br />
Sphären vor, wenn es Grund hal tun gen<br />
der israelischen Wirtschaftseliten be -<br />
schreibt: „Es ist nicht nur eine Ge schich te<br />
von Talent, sondern auch von Be harr lich -<br />
keit, von einem unstillbaren In frage stel len<br />
von Autoritäten, von überzeugter In for -<br />
ma lität, verbunden mit einer einzigartigen<br />
Haltung gegenüber dem Scheitern, von<br />
Teamarbeit, Mission, Risi ko und Krea ti vi -<br />
tät, die die Grenzen der Disziplinen überschreitet.“<br />
Das mag in so einem kompakten Zitat<br />
spekulativ und stark wertend klingen,<br />
aber Senor und Singer liefern sorgfältig<br />
mit Recherche unterfüttertes ma te -<br />
rial, um ihre Thesen abzustützen. Und<br />
es erstaunt bis am Ende der Ana ly se,<br />
wie viele – oft komplexe und gewagte<br />
- Einzelentscheidungen zu dieser er -<br />
folgreichen Entwicklung geführt ha -<br />
ben. Dazu gehört etwa die gewaltige<br />
Transformation einer sozialistisch ausgerichteten<br />
Gesellschaft – lange hatten<br />
etwa Abgeordnete, die aus Kibbuzim<br />
stammten, in der Knesseth einen über -<br />
proportionalen Einfluss – zu einem<br />
kapitalistischen Entwick lungs mo dell<br />
mit Risikokapital, High-tech-Grün der -<br />
zentren sowie ganzen Universitätsab -<br />
tei lungen zur unternehmerischen Um -<br />
setzung von Forschung in praktische<br />
Produkte. Und dabei wurde trotz<br />
Aus richtung am US-modell eine relativ<br />
strikte Bankenregulierung beibehalten,<br />
die israel auch in der laufenden<br />
Krise weitgehend vor giftigen<br />
Subprime-Papieren bewahrt hat.<br />
Senor und Singer beschreiben umfassend<br />
die Rolle, die die Armee in diesem<br />
Wirtschaftssystem spielt: nicht<br />
nur <strong>als</strong> Käufer hoch entwickelter tech -<br />
nischer Systeme, sondern <strong>als</strong> eigene<br />
Forschungs- und Entwicklungsstätte,<br />
für deren Labors alljährlich die Jahr -<br />
gangsbesten an den mittelschulen re -<br />
krutiert werden. Später können diese<br />
die dort erworbenen Fähigkeiten in<br />
der Privatwirtschaft einsetzen – und<br />
oft wurden auch in der Armee jene in -<br />
formellen Beziehungsnetzwerke ge -<br />
knüpft, die dann im Geschäftsleben zu<br />
schnellen Allianzen, Koopera tio nen<br />
und neugründungen führen.<br />
Da israel kaum über nennenswerte<br />
Roh stoffe verfügt, stehen zwei Kon -<br />
zep te für das Gelingen dieses auf in -<br />
novation ausgerichteten Projekts ganz<br />
oben: Erstens die optimale Einbin -<br />
dung der Zuwanderer oder Rück wan -<br />
derer. Das sind einmal die vielen russischen<br />
mathematiker oder Physiker,<br />
die in der israelischen Wirtschaft<br />
schon Jobs fanden, noch ehe sie ganz<br />
korrekt Hebräisch sprachen. Und das<br />
26 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
waren auch stets israelis, die es im<br />
Ausland, vor allem in den USA zu<br />
etwas gebracht hatten, und die dann<br />
dafür sorgten, dass globale Konzerne<br />
ganz wichtige Schlüsseltechnologien<br />
in israel ansiedelten oder dort entwickeln<br />
ließen: intel, Cisco, microsoft,<br />
Siemens. Schließlich spielt die Aus bil -<br />
dung in den Schulen und Univer si tä -<br />
ten eine ganz wichtige Rolle – sowohl<br />
was die Breite <strong>als</strong> auch die elitäre<br />
Tiefe dieser Schulen betrifft.<br />
Die Autoren warnen aber auch vor<br />
Ent wicklungen, die dieses Er folgs mo -<br />
dell schmälern, wenn nicht gar ge -<br />
fähr den könnten. Da ist einmal die<br />
ira nische Bedrohung – und sie meinen<br />
noch nicht einmal den worst case des<br />
Einsatzes einer Atomwaffe gegen is -<br />
ra el. Sie zitieren dabei minister präsi -<br />
dent Benjamin netanyahu: „Die erste<br />
Stufe des iranischen Ziels ist es, Israels ta -<br />
lentierteste Bürger so zu erschrecken, dass<br />
diese das Land verlassen.“ Da viele ma -<br />
nager oder Unternehmer in den USA<br />
oder in Europa über enge Beziehungen<br />
oder sogar Tochterfirmen verfügen,<br />
könnten sie überraschend mobil<br />
sein.<br />
Die zweite Gefährdung ist ein zunehmendes<br />
Auseinanderklaffen des er -<br />
folg reichen High-tech Sektors der<br />
Wirt schaft vom Rest des Landes. ins -<br />
besondere die niedrige Beschäfti -<br />
gungs quote im Land macht den Autoren<br />
Sorge: „Nur etwas mehr <strong>als</strong> die<br />
Hälf te der israelischen Bevölkerung nimmt<br />
produktiv an der Wirtschaft teil – im Ver -<br />
gleich zu einer Rate von 65 Prozent in<br />
den USA.“ Dafür verantwortlich sind<br />
vor allem zwei Gruppen: arabische is -<br />
raelis, deren Frauen seltener arbeiten,<br />
und die zunehmende Zahl der strikt<br />
Religiösen, der Haredim. Letztere die -<br />
nen weder in der Armee noch lernen<br />
sie jenseits der religiösen Schulen die<br />
Grundlagen für eine technologie-ori -<br />
entierte Wirtschaft. Senor und Singer<br />
schreiben von einem „Rennen gegen<br />
die demographische Uhr“, weil gerade<br />
Familien dieser Bevölkerungsgruppen<br />
die meisten Kinder bekommen,<br />
und daher das Segment derer, die der<br />
modernen Wirtschaft fern stehen,<br />
weiter wachsen dürfte.<br />
Dan Senor und Saul Singer<br />
„Start-up Nation.<br />
The Story of Israel’s Economic Miracle“<br />
A Concil of Foreign Relations Book.<br />
Twelve/Grand Central Publishing<br />
New York, Boston. November 2009.<br />
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
Die israelische Fir -<br />
ma Daronet hat von<br />
der FiFA den Zu -<br />
schlag erhalten, die<br />
offiziellen Web sei -<br />
ten für die Fußball-Weltmeisterschaft<br />
in Südafrika zu ge stalten und zu be -<br />
treiben. Wie der Spre cher von Da ro -<br />
net, Jehoshua Meiri, im Gespräch mit<br />
der internet in for ma ti onsseite www.<br />
israelnetz.com er klär te, wird die Kun -<br />
den betreuung für die Be nutzer der<br />
interaktiven Webseite der Fußball-<br />
Wm von ultraorthodoxen Frau en in<br />
der israelischen Ortschaft Elad nahe<br />
Tel Aviv abgewickelt werden.<br />
Daronet, mit Filialen in miami, Brüs -<br />
sel, Australien, neuseeland und seit<br />
Kur zem auch in Kapstadt in Süd afri -<br />
ka, wirbt mit seiner Toch terge sell schaft<br />
www.Nova4you.com für „inno va tion“<br />
<strong>als</strong> „medienspezialisten für den Wan -<br />
del“. Laut meiri habe das Pro jekt ei -<br />
nen Wert von 1,5 millionen Dollar.<br />
Weltweit bekannt wurde die Firma<br />
mitte Januar, <strong>als</strong> ihr Sprecher im is ra -<br />
elischen Rundfunk erzählte, dass Da -<br />
ronet für die Stadtverwaltung von Te -<br />
Wird israel in den nächsten Jahrzehn -<br />
ten zu einer neuen Top-Adresse im<br />
Golf-Tourismus? Wenn es nach dem<br />
na tionalen Tourismus-ministerium<br />
und der israel Land Administration*<br />
geht, lautet die Antwort darauf: Ja.<br />
Die genannten institutionen haben vor<br />
Kurzem entschieden, landesweit 16<br />
neu e Golfplätze zu errichten. Über 15<br />
Jahre soll sich das Großprojekt erstrecken.<br />
Die Gesamtkosten werden auf<br />
760 mio. israelische Schekel (etwa 140<br />
mio. Euro) geschätzt.<br />
israel will damit gegenüber anderen<br />
mittelmeer- und nahost-Staaten konkurrenzfähig<br />
werden, die sich <strong>als</strong> Golf-<br />
Destinationen bereits einen namen<br />
gemacht haben (Vereinigte Arabische<br />
Emirate, Tunesien, Türkei usw.). Die<br />
Bettenauslastung in israels Hotels<br />
Ultraorthodoxe Israelis gestalten<br />
WM-Webseiten in Südafrika<br />
VON ULRICH W. SAHM<br />
he ran elektronische Automatisie -<br />
rungs prozesse programmiere. iran<br />
habe schon 200.000 Dollar für die<br />
Übersetzung der Web-Oberflächen<br />
vor ab an einen europäischen mit tels -<br />
mann bezahlt. Doch infolge der Ver -<br />
öffentlichung dieses Geschäfts zwischen<br />
israel und dem iran auf der Ho -<br />
mepage des deutschen nach rich ten -<br />
senders n-tv habe sich die amerikanische<br />
Regierung an Daronet ge wandt<br />
und gefordert, das Projekt um ge hend<br />
einzustellen. inzwischen seien alle<br />
Filialen von Daronet informiert und<br />
aufgefordert worden, keine Kontakte<br />
mehr mit iran zu pflegen. Das Projekt<br />
mit der Stadtverwaltung von Teheran<br />
sei „geplatzt“. Auf Anfrage weshalb<br />
meiri selber das Projekt im israelischen<br />
Rundfunk publik gemacht ha -<br />
be, sagte er: „Es wäre ohnehin innerhalb<br />
kurzer Zeit publik geworden. Dem bin<br />
ich zuvorgekommen.“ meiri habe nicht<br />
damit gerechnet, dass deswegen das<br />
Projekt infolge amerikanischen Drucks<br />
eingestellt werden müsste. Doch bei<br />
einem Gesamt um satz von US$ 51<br />
mio. Dollar im Jahr, falle dieser Ver lust<br />
für Daronet „nicht so sehr ins Gewicht“.<br />
Golf-Tourismus soll<br />
neues Zugpferd werden<br />
soll mit dem Golf-Tourismus um 20%<br />
steigen. Darüber hinaus hofft man,<br />
dass sich durch gutbetuchte Golfur -<br />
lau ber die durchschnittliche Geld sum -<br />
me, die ein Tourist in israel ausgibt,<br />
von heute US$ 1.000 auf US$ 2.000<br />
verdoppeln lässt. Tourismus-minister<br />
Stas Misezhnikov erwartet zudem rund<br />
um die Golfanlagen private Folge-in -<br />
vestitionen aus dem in- und Ausland.<br />
in den kommenden monaten soll ge -<br />
nau er geprüft werden, welche Stand -<br />
orte für die neuen Golfplätze in Frage<br />
kommen. Erste Pläne sehen u. a. Elat<br />
und das Tote meer in Südisrael, Ti -<br />
berias und Hazor Haglilit im nord is -<br />
rael sowie Rischon LeZion im südlichen<br />
Großraum Tel Aviv vor.<br />
* Die israel Land Administration (is ra e li sche Lan -<br />
desverwaltung) verwaltet rund 93% des staatlichen<br />
Grund be sitzes. www.urlaub-im-web.de<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 27
WISSENSCHAFT<br />
Granatapfel-Entkerner aus Israel<br />
erhielt Innovationspreis<br />
Die internationale Fachwelt hat entschieden:<br />
Sieger des FRUiT LOGiSTi-<br />
CA innovation Award (FLiA) <strong>2010</strong> ist<br />
ein Granatapfel-Entkerner der Firma<br />
Mehadrin Tnuport Export aus israel.<br />
Verliehen wurde der begehrte inno -<br />
vationspreis für das Arils Removal Tool<br />
(ART). Das Gerät ermöglicht dem Ver -<br />
braucher das schnelle, saubere und<br />
einfache Entkernen von Gra natäpfeln<br />
und damit einen bequemen Genuss<br />
dieser äußerst vitaminreichen Frucht.<br />
Noa Ohad, Shoham Product Dev e lop -<br />
ment, nahm den Preis entgegen. Sie<br />
erwartet durch die Entwicklung des<br />
Arils Removal Tools auch einen steigenden<br />
Absatz der Granatäpfel.<br />
Granatäpfel erfreuen sich seit Jahren<br />
wachsender Beliebtheit. nur die Zu -<br />
be reitung und der Verzehr schienen<br />
Grenzen zu setzen. Hier eröffnet der<br />
Entkerner, der zu Hause, im Büro oder<br />
sogar unterwegs eingesetzt werden<br />
kann, ganz neue Perspektiven. Das<br />
neue Gerät ermöglicht dem Ver brau -<br />
cher das schnelle, saubere und einfache<br />
Entkernen der Granatäpfel und<br />
damit einen bequemen Genuss dieser<br />
extrem vitaminreichen Frucht. in Form<br />
und Größe erinnert es an eine einfache<br />
Citruspresse. Das Arils Remo val Tool<br />
besteht aus einer<br />
Schale zum Auf -<br />
fan gen der Ker -<br />
ne, einem groß -<br />
löchrigen Gitter<br />
und einer elas ti -<br />
schen Silikon-Haube. nach dem Ent -<br />
fernen des Stiels wird der Granatapfel<br />
mittig geteilt, auf das Gitter gelegt und<br />
mit der Hau be abgedeckt. mit einem<br />
Löffel oder ähnlichem instru ment wer -<br />
den dann die Kerne herausgeklopft.<br />
curasan AG kooperiert mit<br />
Ben-Gurion Universität<br />
Unter der Leitung von Dr. Hanna Ra -<br />
pa por von der Fakultät für Bio tech no -<br />
logie wurde eine neue Ei weiß ma trix<br />
entwickelt und patentiert, die den Kno -<br />
chenregenerationsprozess erheblich<br />
beschleunigen kann. in Koo peration<br />
mit curasan soll diese matrix mit ei -<br />
nem anorganischen Träger verbunden<br />
werden, um daraus später eine Reihe<br />
von Knochenregenerationsma te ri a li -<br />
en für den orthopädischen und zahnmedizinischen<br />
Einsatz herzustellen.<br />
WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />
„Die bewilligten Fördermittel versetzen<br />
uns in die Lage, eine neue Produktge ne ra -<br />
tion zu generieren, die den Knochenrege -<br />
ne rationsprozesserheblich verbessert und<br />
dabei die vorteilhaften Eigenschaften un -<br />
serer rein anorganischen resorbierbaren<br />
Ma terialien beibehält“, kommentierte<br />
Dr. Fabian Peters, Leiter der For schung<br />
und Entwicklung von Biomaterialien<br />
bei curasan.<br />
Dr. Rapaport bemerkte zur Vertrags -<br />
un terzeichnung: „Unsere Forschungs -<br />
ko o peration zielt darauf aus, die Eiweiße<br />
der BGU und die curasan-Produkte in<br />
Kombination zu einer Palette regenerativer<br />
Produkte zu entwickeln, die den na tür l i -<br />
chen Heilungsverlauf des Körpers un ter -<br />
stützen und die Knochenregene ra tion<br />
optimal fördern.“<br />
Universität Göttingen erhält<br />
über 600.000 Euro Fördergelder<br />
Forscher der Universität Göttingen<br />
untersuchen in einer auf drei Jahre an -<br />
gelegten Studie das Zusammen le ben<br />
der menschen in israel und den pa -<br />
lästinensischen Autonomiege bie ten.<br />
Der Schwerpunkt liegt auf den Be zie -<br />
hungen zwischen unterschiedlichen<br />
Gruppierungen.<br />
Dabei geht es neben religiösen Zuge -<br />
hö rigkeiten auch um andere merk -<br />
ma le – beispielsweise ob jemand zur<br />
Gruppe der Bewohner der palästinensischen<br />
Autonomiegebiete gehört oder<br />
zur Gruppe der israelischen Staats -<br />
bür ger. Die Wissenschaftler wollen un -<br />
tersuchen, welche Bedingungen und<br />
Faktoren einen Dialog zwischen den<br />
verschiedenen Gruppen begüns tigen<br />
oder erschweren.<br />
Geför dert wird die Studie „Außensei ter<br />
und Etablierte zugleich: Paläs tinenser und<br />
Israelis in unterschiedlichen Figura tio nen“<br />
von der Deutschen Forschungs ge -<br />
meinschaft mit mehr <strong>als</strong> 600.000 Eu ro.<br />
Federführend ist dabei das me tho -<br />
den zentrum Sozialwissenschaften der<br />
Universität Göttingen unter Leitung<br />
von Prof. Dr. Gabriele Rosenthal in Zu -<br />
sam menarbeit mit der Ben-Gurion<br />
University of negev (israel) und der<br />
Al-Quds University in Jerusalem.<br />
Vor ausgegangen ist dem Projekt eine<br />
Pi lotstudie, ebenfalls finanziert von<br />
der Deutschen Forschungsge mein -<br />
schaft. Die mitarbeiterinnen und mi t -<br />
arbeiter des Forschungsprojekts un ter -<br />
suchen insgesamt sieben Gemein den,<br />
die durch unterschiedliche Verhält nis -<br />
se von mehrheits- und minderheits -<br />
be völ kerung geprägt sind. mittels<br />
teilnehmender Beobachtung, Frage -<br />
bö gen und offener interviews wollen<br />
sie he rausfinden, welche Rolle die<br />
Selbst- und Fremdbilder der men schen<br />
im Alltag spielen. So findet beispielsweise<br />
an jedem größeren Ge bäude in<br />
israel, ob Bahnhof, Restau rant oder<br />
Supermarkt, eine Einlasskontrolle<br />
durch Sicherheitskräfte statt. Welche<br />
Personen werden aufgrund welcher<br />
merkmale verstärkt kontrolliert? Und<br />
welches Bild des Gegenübers steht<br />
hin ter diesen Kontrollen? Solche und<br />
andere Prozesse wollen die Wissen -<br />
schaft lerinnen und Wissenschaftler<br />
untersuchen. „Nur wenn wir verstehen,<br />
wie die Menschen zusammenleben, können<br />
wir auch verstehen, wo die Kon flikt -<br />
linien sind“, erklärt Dr. Nicole Witte vom<br />
methodenzentrum Sozial wissen schaf -<br />
ten. „Möglicherweise spielen dabei auch<br />
ganz andere Gründe <strong>als</strong> ethnische oder<br />
religiöse Zugehörigkeit eine große Rolle.“<br />
Dabei verstehen sich die Wissen schaft -<br />
lerinnen und Wissen schaft ler <strong>als</strong><br />
Grundlagenforscher. pug<br />
Malediven profitieren von<br />
israelischem Expertenwissen<br />
Ein Expertenteam des israelischen<br />
Außenministeriums hat 35 Vertreter<br />
der maledivischen Behörden für den<br />
Katastrophenfall und naturka tas trophen<br />
geschult. Der Tsunami, der 2004<br />
auch auf den malediven wütete, zeige<br />
die not wen digkeit für solch kritische<br />
Situationen und naturkatastrophen<br />
ge rüstet zu sein, heißt es auf der Web -<br />
seite des israelischen Außenminis te -<br />
riums. Die Gruppe befindet sich seit<br />
Ende Januar auf der insel im indi schen<br />
Ozean und wird geleitet von Josef<br />
Baratz. Die israelis trainieren die ma -<br />
lediver in Fragen der Katas trophen be -<br />
reit schaft und im Umgang mit verschiedenen<br />
notfallsituationen. Zu dem<br />
wird ein gemeinsamer notfall plan<br />
ausgearbeitet.<br />
Dies sei ein wichtiger Schritt in den<br />
Beziehungen zwischen israel und den<br />
malediven. Auch auf den Ge bie ten<br />
Ackerbau, notfallmedizin und Sied -<br />
lungsfragen sollen beide Staaten in<br />
Zukunft kooperieren. Abdulla Shahid,<br />
Staatsminister auf den male di ven und<br />
zuständig für Entwick lungsfragen,<br />
be kräftigte, dass der Workshop eine<br />
gute Gelegenheit sei, vom israelischen<br />
Fachwissen zu profitieren. inn<br />
28 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
© Stadt Wien/Menachem Kozlovsky<br />
Anlässlich ihres Aufenthalts rund um<br />
die Eröffnung des 55. Wiener Opern -<br />
balls in new York und im Rahmen der<br />
seit 2007 bestehenden Bezirks part -<br />
nerschaft zwischen der Leopoldstadt<br />
und Brooklyn setzte Vizebürger meis -<br />
terin mag. a Renate Brauner gegenüber<br />
der jüdischen Gemeinde in Brook lyn<br />
eine Geste der Wertschät zung.<br />
Die Vorschule "Bais Rochel School for<br />
Girls" der United Tal mudic Academy<br />
(UTA) - eine Ein richtung der Sat mar-<br />
Gemeinde - erhielt einen Beitrag für<br />
pä dagogisch wertvolles Spielzeug in<br />
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Brauner vertieft Bezirkspartnerschaft mit Brooklyn<br />
Hö he von US$ 5.300. Die UTA zählt<br />
ins gesamt 8.000 Schülerinnen und Stu -<br />
dent in nen, davon rund 750 im Vor -<br />
schul- und Kinder gar ten be reich.<br />
Die Satmar-Gemeinde in Brooklyn, die<br />
größte chassidische Gemein de welt -<br />
weit, hat das Zu stan dekommen der<br />
Be zirkspartner schaft Brooklyn-Leo -<br />
pold stadt maßgeblich un ter stützt.<br />
Für die Spende wur de eine kleine Ge -<br />
denk tafel in der Schule an gebracht.<br />
Die symbolische Über gabe der Spiel -<br />
sa chen in Form eines Schecks fand<br />
am 4. Fe bru ar im Bei sein der lo ka len<br />
Stadt Wien restauriert Jüdische Ehrengräber am Zentralfriedhof<br />
Symbolische Scheckübergabe von Vbgmin<br />
Renate Brauner an Fayga Tannenbaum, die<br />
Leiterin der „Bais Rochel School for Girls“<br />
der United Talmudic Academy (UTA), im<br />
Hintergrund Rabbi David Niederman.<br />
Gedenktafel an der Bais Rochel School for<br />
Girls der United Talmudic Academy (UTA) in<br />
New York City<br />
politischen Pro mi nenz, allen voran dem<br />
Prä si denten des nY-Be zirks Brook lyn,<br />
Mar ty Mar kowitz (Bo rough Pre si dent<br />
Brook lyn) und Ge mein de rä ten aus<br />
new York statt.<br />
Brooklyn ist mit circa 2,6 mio. Ein -<br />
woh nerinnen der größte new Yorker<br />
Stadt bezirk.<br />
Ein Ständchen <strong>als</strong> Dankeschön<br />
2007 wurde auf Initiative von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bedeutenden<br />
jüdischen Persönlichkeiten nachträglich ein Ehrengrab der Stadt Wien ge wid met. Ziel<br />
war es, historische Versäumnisse auszugleichen, denn jüdische Per sön lich kei ten,<br />
die sich um Wien verdient gemacht haben, wurden bei der Ver gabe von Ehren grä -<br />
bern bereits lange vor 1938 nicht berücksichtigt. Insgesamt er hiel ten 37 Ju den, die<br />
vor 1945 verstorben sind - darunter Otto Zuckerkandl oder Ar thur Schnitz ler - erstm<strong>als</strong><br />
in der Geschichte der Bundeshauptstadt diese post hu me Aus zeich nung. Nun<br />
nimmt die Stadt Wien in Zusammenarbeit mit der IKG Wien die dringend notwendigen<br />
Restaurierungs arbeiten an diesen besonders gewidmeten Grä bern der denkmalgeschützten<br />
Alten Isra eliti schen Abteilung des Wiener Zen tralfriedhofs (Tor I) in<br />
Angriff. Die Kosten des Vorhabens belaufen sich auf 340.200 Euro und werden vom<br />
Wie ner Altstadterhaltungsfonds getragen. Diese Grab stel len werden von der Kul tur -<br />
ab teilung betreut.<br />
Mittlerweile sind in der Alten <strong>Israelitische</strong>n Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs insgesamt 43 Grabstellen, von de nen einige mo nu -<br />
mentale Grabanlagen darstellen, ehrenhalber gewidmet und wurden von der Stadt Wien in die Obhut genommen. Für den Wiener<br />
Kulturstadtrat die Widmung und Erhaltung dieser Ehrengräber nicht nur einen symbolischen Akt, sondern auch eine Aus ein an der -<br />
setzung mit der Vergangenheit.<br />
Die Stadt Wien ehrt seit dem 19. Jahrhundert verstorbene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich um die Stadt besonders ver dient<br />
gemacht haben, indem sie ihre Grabstätten widmet und für deren Bestehen auf Friedhofsdauer sorgt. Im Falle einer so genannten<br />
„besonders gewidmeten Grabstelle in Obhut“ wird auch die gärtnerische und bauliche Pflege für die Grabstätte von der Stadt getragen.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 29<br />
JÜDISCHE WELT
Warum die Tätigkeit des Koordi nie -<br />
rungs ausschusses für christlich-jüdische<br />
Zusammenarbeit noch immer so<br />
notwendig ist wie zur Zeit seiner<br />
Grün dung vor 54 Jahren, hat uns Herr<br />
Hans Rauscher mit seiner Kolumne in<br />
DER STAnDARD vom 2.2.<strong>2010</strong> be -<br />
wiesen: Der Antisemitismus – hier in<br />
Form des alt-christlichen Antijudais -<br />
mus – feiert gerade in den letzten Jah -<br />
ren in den österreichischen medien,<br />
Zei tungen wie ORF, fröhliche Ur ständ.<br />
Selbstverständlich wird dabei das<br />
Wort Jude in all seinen syntaktischen<br />
Abwandlungen vermieden, es gibt ja<br />
etwas, das scheinbar unverfänglicher<br />
ist: das Wort alttestamentarisch oder<br />
alttestamentlich. Es wird von katholisch-konservativen<br />
Politikern verwendet,<br />
um Widersacher zu diffamieren,<br />
die sich nicht dieser politisch missbrauchten<br />
religiösen Strömung zu rech -<br />
nen und denen es an der angeblich<br />
christlichen nächstenliebe fehlt, und es<br />
wird von Journalisten und „fortschrittlichen“<br />
Politikern eingesetzt, um konservative<br />
katholische Geistliche <strong>als</strong><br />
„un belehrbar wie die Juden“ zu brand -<br />
marken. Dass dieses Wort zur Dele gi -<br />
timierung des Überlebenskampfes is -<br />
raels gegen seine zahlenmäßig weit<br />
überlegenen und in der Wahl ihrer<br />
Kampfmittel äußerst brutalen und hin -<br />
terhältigen Gegner laufend zitiert<br />
wird, bräuchte eigentlich gar nicht<br />
mehr erwähnt werden. Auch Juden,<br />
die sich gegen das Vergessen der Ver -<br />
bre chen der Schoah und für eine, wenn<br />
auch minimale und viel zu späte,<br />
„Wie dergutmachung“ einsetzen, wird<br />
dieses Wort allein oder zur Ver stärkung<br />
von abwertenden Eigenschaftsworten<br />
umgehängt.<br />
Diese auf den Wurzel der christlichen<br />
Anfangszeit basierende Verächtlich -<br />
ma chung des Tanach, des „Alten oder<br />
Ersten Testaments“, zum Zwecke der<br />
Diffamierung der jüdischen Religion,<br />
von der sich die Exponenten der christ -<br />
lichen Gemeinden distanzieren wollten,<br />
ist noch immer an der Tages ord -<br />
nung von links und rechts.<br />
Auch nach der Verbreitung des Chris -<br />
tentums durch die Kriegszüge christ-<br />
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Antisemitismus im sprachlichen Umgang<br />
Die ungebrochene Aktualität des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit<br />
licher Herr scher wurde der sogenannten<br />
„christlichen Nächstenliebe“<br />
die angebliche „jüdische, auf dem Alten<br />
Testament basierende Rachsucht“ gegenübergestellt.<br />
Diese in den Köpfen und Seelen vieler<br />
menschen noch heute fest gefressenen<br />
Vorurteile bestimmen sehr oft das alltägliche<br />
Gespräch. So kann es passieren,<br />
dass in einer Diskussion über die<br />
notwendigkeit der Einhaltung jüdischer<br />
Feiertage die katholisch fest ver -<br />
ankerte Gesprächspartnerin fast eine<br />
halbe Stunde lang nur die Floskeln<br />
„Ihrer Religion“ oder „Ihrer Religions ge -<br />
meinschaft“ über ihre Lippen bringt,<br />
um nur ja das (Pfui?-)Wort „Jude“ oder<br />
„jüdisch“, ja sogar „israelitisch“ nicht in<br />
den mund zu nehmen. Es kann auch<br />
vorkommen, dass ein junger mann mit<br />
etwas weniger Scheu, aber doch noch<br />
geprägt von seiner Erziehung, fragt,<br />
mit welchem Wort er mich bezeichnen<br />
kann, ohne mich zu beleidigen; dass<br />
das Wort „Jude“ keine negative<br />
Konnotation haben kann, war ihm<br />
sichtlich unklar.<br />
63 Jahre nach den „10 Thesen von See -<br />
lisberg“, 45 Jahre nach der Prokla ma -<br />
tion der Erklärung „Nostra Aetate“<br />
des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
und nach den Aussagen mehrerer<br />
Päp ste, dass die christliche Religion<br />
keine Antithese zur jüdischen ist, sondern<br />
dass sie sich nur aus ihr heraus<br />
verstehen lässt, ist es noch immer er -<br />
for derlich, laufend darauf hinzuweisen,<br />
dass jeglicher, insbesondere religiös<br />
begründeter Antisemitismus im<br />
Widerspruch zum christlichen Selbst -<br />
verständnis steht.<br />
Diese Aufgabe und die Verbreitung<br />
von Wissen über das Judentum, wie<br />
es wirklich ist, und über jüdische<br />
Themen stehen im mittelpunkt der<br />
na tionalen und internationalen Aktivitäten<br />
des Koordinierungsausschus -<br />
ses für christlich-jüdische Zusam men -<br />
ar beit, der von Professor Kurt Schubert<br />
initiiert und 1956 gegründet wurde.<br />
in ihm arbeiten Christen der unterschiedlichen<br />
Denominationen und<br />
Juden zusammen.<br />
Trotz einiger Rückschläge in den letzten<br />
monaten, z.B. Aussagen aus der<br />
obersten katholischen Hierarchie,<br />
Ver suche, den christlich-jüdischen<br />
Dialog zur missionierung von Juden<br />
zu nutzen, ist der eingeschlagene Weg<br />
sicher nicht rückgängig zu machen,<br />
aber das Ziel ist noch recht weit entfernt,<br />
und mitstreiter mit Fachwissen<br />
und guten ideen werden dringend ge -<br />
sucht und <strong>als</strong> mitglieder des Vereins<br />
herzlich willkommen geheißen.<br />
informationen über den Koordinie -<br />
rungs ausschuss findet man auf den<br />
Web-Seiten unter: http://www.christen<br />
undjuden.org, oder besuchen Sie unsere<br />
neuen Räumlichkeiten im 2. Wiener<br />
Bezirk, Tandelmarktgasse 5 (Gassen lo -<br />
kal), wo Sie eine gut bestückte Bi bli o -<br />
thek zu den Themen Judentum, Chris -<br />
ten und Juden sowie Antisemitismus<br />
und Schoah vorfinden und in alle bisherigen<br />
Ausgaben der – auch ohne mit -<br />
gliedschaft bestellbaren – Zeitschrift<br />
„Dialog – Du-Siach“ des Koordinie -<br />
rungsausschusses Einblick nehmen<br />
können.<br />
WiLLY WEiSZ<br />
Jüdischer Vizepräsident des<br />
Koordinierungsausschusses<br />
Siehe: http://www.christenundjuden.org/<br />
de/?item=608<br />
Siehe: http://www.vatican.va/archive/<br />
hist_councils/ii_vatican_council/documents/<br />
vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge.<br />
html<br />
Die internationale jüdische<br />
EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />
Weber José<br />
PF 180182<br />
D-60082 Frankfurt a.M.<br />
Telefon +49/69-597 34 57<br />
+49/17/267 14940<br />
Fax +49/69-55 75 95<br />
eMail: weber@simantov.de<br />
www.simantov.de<br />
30 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Bösendorfer - gegründet 1828 von Ignaz Bösen dor fer<br />
in der Musikstadt Wien - zählt zu den ältesten Pia no -<br />
manufakturen der Welt, reich an Tradition und welt -<br />
be kannt für den unverwechselbar berührenden Klang<br />
sowie die herausragende Qualität der Instrumente.<br />
Die Wahl von erstklassigen Materialien und vor al -<br />
lem die überaus sorgfältige Verarbeitung, die auch<br />
heute noch zum Großteil in Handarbeit gemacht<br />
wird, zeichnen jeden einzelnen Bösendorfer aus.<br />
Die Produktpalette der Klaviermanufaktur umfasst<br />
Flü gel in sieben verschiedenen Größen, von 170 bis<br />
290 cm Länge, ein Pianino „mit dem Klang eines<br />
Flügels“, sowie den Computerflügel CEUS, mit dem<br />
Klavierspiele aufgezeichnet und wie von Zauber hand<br />
wiedergegeben werden können.<br />
Doch es ist nicht Zauberei, die einen Bösendorfer so<br />
besonders macht. In jedem Bösendorfer Flügel steckt<br />
nicht nur die Arbeit eines ganzen Jahres, sondern<br />
auch das Knowhow, das seit der Firmengründung<br />
1828 von Generation zu Generation weitergegeben<br />
wird. So behandelt beispielsweise das Bösendorfer<br />
Resonanzkastenprinzip das gesamte Instrument <strong>als</strong><br />
Klangkörper und erreicht damit den einzigartigen<br />
Klangfarbenreichtum und das typische singende<br />
Timb re - eine von vielen Besonderheiten, die nur ein<br />
Bösendorfer Flügel aufweist.<br />
Für viele Menschen ist der Erwerb eines Bösen dor -<br />
fer-Flügels ein Lebenstraum. Für sie bauen die Klang -<br />
spezialisten etwas ganz Besonderes: den „Bösen -<br />
dorfer unter den Flügel“.<br />
www.boesendorfer.com<br />
Neue Synagoge in Osnabrück<br />
Die neue Synagoge der jüdischen Ge -<br />
meinde in Osnabrück ist am 3. Febrar<br />
eröffnet worden. Die Präsidentin des<br />
Zentralrats der Juden in Deutsch land,<br />
erinnerte da bei an den Holocaust: Von<br />
den knapp 500 Juden, die 1933 in Os -<br />
nabrück lebten, überlebten nur fünf<br />
die nazi-Zeit.<br />
Die Errich tung des neuen Gottes hau -<br />
ses mit angeschlossenem Gemeinde -<br />
zen trum war nötig ge wor den, weil<br />
der 1969 eingeweihte Altbau zu klein<br />
geworden war. Die Jüdische Ge mein -<br />
de ist seit Ende der 80er Jahre von rund<br />
70 auf mehr <strong>als</strong> 1.000 mit glie der an -<br />
ge wachsen. Der Osnabrücker Rabbiner<br />
Shimon Groß berg und Mi cha el Fürst,<br />
Vor sit zender des Landesverbandes der<br />
Jü dischen Ge meinden von nieder -<br />
sach sen, brachten die Tho ra-Rollen ein.<br />
Es war ein überkonfessionelles Fest, an<br />
dem sich ranghohe Vertreter der jüdischen,<br />
katholischen und evan geli -<br />
schen Kirche sowie der muslime be -<br />
teiligten.<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Deutsche Zentral -<br />
rats präsi dentin<br />
verzichtet auf<br />
weitere Amtszeit<br />
Die Präsidentin des<br />
Zentralrats der Juden<br />
in Deutschland, Charlotte Knobloch<br />
(77), tritt nicht für eine zweite Amts -<br />
zeit an. Damit endet ihre Lei tung des<br />
Zen tral rats im november. Dies wur de<br />
nach einer Sitzung des Di rekto ri ums<br />
in Frankfurt mitgeteilt. Das Direk to -<br />
rium und das Präsidium des Zentral -<br />
rats sprachen Knobloch das vol le und<br />
uneingeschränkte Vertrau en aus.<br />
„Mit Respekt und Anerkennung“ hätten<br />
die beiden Gremien zur Kenntnis ge -<br />
nommen, dass die Präsidentin be wusst<br />
einen Generationswechsel herbeiführen<br />
wolle, den sie aktiv unterstützen<br />
und begleiten werde. in einer Presse -<br />
er klärung hieß es weiter, es herrsche<br />
Übereinstimmung, dass die Präsi den -<br />
tin ihr Amt bis zum Ende der Wahl -<br />
pe riode ausüben werde.<br />
Koschere Milch<br />
für China<br />
Eine Pekinger molkerei hat<br />
mit dem Ver trieb koscherer<br />
milch in ganz Chi na begonnen. Die<br />
erste Tonne milch, die biologisch produziert<br />
wird und „Chalaw israel“ – ei -<br />
ner strengen Ko schervorschrift ultraorthodoxer<br />
Ju den – entspricht, ist laut<br />
einer meldung von cha bad.org auf den<br />
markt ge kommen.<br />
Gemäß der meldung der Webseite<br />
wird die milch unter der Aufsicht von<br />
Chabad Lubowitsch hergestellt und<br />
entspricht den europäischen und<br />
ame rikanischen Gesund heitsstan -<br />
dards.<br />
Die neue koschere milch, die auch un -<br />
ter Aufsicht von Rabbiner Padwa von<br />
Bejt Din London steht, wird mo nat lich<br />
produziert. Sie wird in acht Re gio nen,<br />
in denen die meisten von Chinas<br />
10.000 Juden leben, inklusive Schang -<br />
hai und Hongkong, zu kaufen sein.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 31
Panorama<br />
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />
Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.<br />
Antisemitismus 2009 dramatisch<br />
angestiegen<br />
Der jährliche Bericht des Koordina ti -<br />
ons forums zur Antisemitismusbe -<br />
kämp fung ergab, dass 2009 auf der<br />
gan zen Welt, aber vor allem in West -<br />
europa der Antisemitismus dramatisch<br />
zunahm. Daraufhin beauftragte<br />
die israelische Regierung ein Exper -<br />
ten team mit der Erstellung von Lö -<br />
sungsvorschlägen.<br />
Laut dem Bericht wurden in den ers ten<br />
drei monaten des Jahres 2009 aufgrund<br />
des Gazakrieges mehr antisemitische<br />
Zwischenfälle verzeichnet, <strong>als</strong><br />
im gesamten Jahr 2008: Am schlimmsten<br />
war es mit 631 Antisemitis mus -<br />
fällen in der ersten Jahreshälfte 2009 in<br />
Frankreich (832 gesamt, im Vergleich<br />
zu 474 im Jahr 2008). Darunter waren<br />
antisemitische Schmierereien, tätliche<br />
Angriffe auf Personen, Be schimpfun -<br />
gen, Drohungen, Vandalismus, etc.<br />
Hunderte Übergriffe wurden <strong>als</strong> ex -<br />
trem gewalttätig eingestuft, acht<br />
morde wurden mit Antisemitismus in<br />
Verbindung gebracht.<br />
rekordzahl antisemitischer<br />
handlungen in großbritannien<br />
Während und nach israels Gazakrieg<br />
im Winter 2008/09 nahm die Zahl an -<br />
tisemitischer Übergriffe in Großbri tan -<br />
nien Rekordausmaße an, vor allem im<br />
Januar und <strong>Februar</strong>. Ein Plus von 55%<br />
auf 924 Zwischenfälle war die Folge,<br />
berichtet der britische Community<br />
Se curity Trust.<br />
„Antisemitismus gehört zu den ältesten<br />
Formen von Hass“, äußerte sich der bri -<br />
tische Premierminister Gordon Brown<br />
dazu. „Und dennoch taucht er auch in<br />
modernen Zeiten immer wieder auf. Das<br />
erfordert von uns, die wir stets für Tole ranz<br />
und Wahrheit kämpfen, noch größere<br />
Wach samkeit. Weder online, noch am<br />
Cam pus oder auf den Straßen, Rassismus<br />
und Diskriminierung dürfen hier keinen<br />
Platz haben.“<br />
olympia: Video mir riefenstahlmaterial<br />
zurückgezogen<br />
Die Organisatoren der Olympischen<br />
Win terspiele im kanadischen Vancou -<br />
ver haben nach Protesten des Kana di -<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
schen Jüdischen Kongresses ein Vi deo<br />
zurückgezogen, in dem material aus<br />
Leni Riefenstahls Propagandafilm<br />
über die Olympischen Spiele in Berlin<br />
1936 verwendet wird. Das vierminütige<br />
Video „Lights Will Guide You Ho me“<br />
war schon seit monaten u. a. im in ter -<br />
net in Umlauf. Auf YouTube hatte man<br />
längst angemerkt, dass das material<br />
aus „Olympia“ von Leni Riefenstahl<br />
stammt und bearbeitet worden war.<br />
So seien zum Beispiel naziflaggen und<br />
Hitlergrüße entfernt worden.<br />
Jim Richards, der Programmdirektor<br />
des Fackellaufs, verteidigt die Ver wen -<br />
dung des Filmmateri<strong>als</strong> von 1936. Die<br />
Produzenten hätten die Wahl gehabt,<br />
es entweder nicht, verändert oder im<br />
Original zu verwenden. „Wir haben den<br />
Mittelweg gewählt, aus Respekt vor der<br />
Geschichte des Fackellaufs und um die<br />
politische Situation dieser Zeit nicht herauszustreichen.<br />
Wir haben diese Ent schei -<br />
dung gründlich überdacht und nachdem<br />
der Ausschnitt von den Spielen in Berlin<br />
1936 nur wenige Sekunden dauert, wollten<br />
wir einfach das Richtige tun, um die<br />
Geschichte des Laufs zu dokumentieren.“<br />
enkel von holocaustüberlebendem<br />
kauft mengele-tagebuch<br />
Der Enkel eines Holocaustüber le ben -<br />
den hat das 180 Seiten umfassende<br />
Tagebuch des „Todesengels“ von Au -<br />
schwitz Josef mengele erworben. Wie<br />
viel der an der US-Ostküste lebende<br />
Philantrop dafür bezahlt, ist unbekannt;<br />
er möchte anonym bleiben.<br />
Bill Panagopulos vom Auktionshaus<br />
„Alexander Autographs“, wo das Ta ge -<br />
buch versteigert worden war, berich -<br />
tete in einer Email, dass der Großva ter<br />
des Käufers mengele in Auschwitz<br />
persönlich getroffen hätte und das<br />
ma nuskript einem Holocaust mu se um<br />
übergeben werden soll.<br />
Der Verkäufer des Tagebuchs soll der<br />
mengele-Familie nahe stehen und die<br />
Aufzeichnungen, die mit mai 1960<br />
be ginnen, nach dem Tod mengeles<br />
1979 in Brasilien erworben haben.<br />
Sarkozys enkel beschnitten<br />
Der Enkelsohn Solal des französischen<br />
Staatspräsidenten nicolas Sarkozy<br />
wurde nach jüdischer Tradition be -<br />
schnitten. Der Sohn von Jean Sarkozy<br />
und Jessica Sebaoun, einer sehr gläubigen<br />
sephardischen Jüdin, kam am<br />
13. Januar zur Welt. Der Präsident<br />
konnte aus beruflichen Gründen nicht<br />
bei der Brit anwesend sein.<br />
Sarkozy stammt aus einer katholischen<br />
Familie, hat allerdings einen jüdischen<br />
Großvater.<br />
gasvorkommen vor israelischer<br />
Küste gefunden<br />
Vor der israelischen Küste wurde ein<br />
Erdgasvorkommen von etwa 6 Billio -<br />
nen Kubikfuß gefunden. Beim derzeitigen<br />
Gaspreis entspräche das einem<br />
Wert von US$ 7,54 mrd. Das von der<br />
Canadian Bontan Oil and Gas Company<br />
lokalisierte Vorkommen liegt in den<br />
beiden Gasfeldern Mira und Sarah im<br />
mittelmeer nahe Haifa. Erst im letzten<br />
Jahr waren die Gasfelder Tamar und<br />
Dalit entdeckt worden.<br />
orthodoxe Jüdin wird „rabbah“<br />
Die jüdisch-othodoxe Geistliche Sara<br />
Hurwitz aus new York City, die seit<br />
Jahren am liberalen Hebräischen in sti -<br />
tut von Riverdale Rabbinatsaufga ben<br />
übernimmt, wird von nun an den Ti tel<br />
„Rabbah“ tragen, die weibliche Ver si -<br />
on von „Rabbiner“. Bisher war sie mit<br />
dem Akronym „maharat“ bezeichnet<br />
worden, das so viel bedeutet wie „Füh -<br />
rer in rechtlichen, geistlichen und<br />
Torah-Angelegenheiten“. Der neue Ti -<br />
tel solle klarstellen, dass sie ein voll -<br />
wertiges mitglied des Rabbinats sei,<br />
so Rabbi Avi Weiss, geistliches Ober -<br />
haupt des Hebräischen instituts und<br />
Hurwitzs mentor.<br />
experte warnt israel vor<br />
haiti-ähnlichem erdbeben<br />
Der Vorsitzende von israels natio na -<br />
lem Erdbebenvorwarn-Komitees, Avi<br />
Shapira, warnt davor, dass ein ebenso<br />
schweres Erdbeben, wie jenes, das<br />
Haiti verwüstete, auch in israel auftreten<br />
wird. Die meisten Gebäude,<br />
die vor 1980 gebaut wurden, würden<br />
solch einem Erdbeben nicht standhalten<br />
können, außerdem seien 20% der<br />
Pri vathäuser nicht nach Erdbeben -<br />
32 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
stan dards errichtet.<br />
in den vergangenen Jahren wurde is -<br />
rael von mehreren leichten Erschüt te -<br />
rungen getroffen. Das letzte schwere<br />
Erdbeben mit Stärke 6 gab es 1927.<br />
Da m<strong>als</strong> waren 500 menschen getötet<br />
worden. Das Haiti-Erdbeben hatte<br />
Stärke 7.<br />
israelische eiskunstläufer und<br />
Schifahrer bei olympia<br />
Die Geschwister Roman und Alexandra<br />
Zaretsky, bekannte israelische Eis -<br />
kunstläufer, sowie der Schifahrer mi -<br />
kail Renzhin vertreten israel bei den<br />
Olympischen Spielen von Vancouver.<br />
Die Zaretskys führen ihre Kür zu<br />
„Ha va nagila“ und der musik aus<br />
„Schindlers Liste“ auf.<br />
Renzhin nimmt an Slalom und<br />
Riesenslalom teil. Alle drei sind schon<br />
zum zweiten mal bei Olympischen<br />
Spielen dabei.<br />
elektroauto-rekordinvestition<br />
Das kalifornische Elektroauto-Un ter -<br />
nehmen Better Place mit Standort is -<br />
rael, unter seinem israelisch-amerikanischen<br />
Vorsitzenden Shai Agassi, wird<br />
von privaten ivestoren mit der Re -<br />
kord summe von US$ 350 mio. un ter -<br />
sützt, darunter so bekannte na men<br />
wie HSBC, morgan Stanley und<br />
Lazard.<br />
Das Projekt Better Place, das ein landesweites<br />
netz an Elektroauto-Ladeund<br />
Batteriewechselstationen vorsieht,<br />
soll 2011 in israel und Däne mark starten.<br />
mit einer Batterieladung wird man<br />
etwa 150 km weit fahren können.<br />
Buch über holocaust für russische<br />
teenager<br />
Etwa 12 mio. russische Jugendliche<br />
werden in diesem Jahr das Buch „Ro -<br />
man eines Schicks<strong>als</strong>losen“ des ungarischen<br />
nobelpreisgewinners imre<br />
Kertesz gemeinsam mit ihrem Pass er -<br />
halten. Der Roman ist Teil einer mul -<br />
timedia-Bildungs-CD des russischen<br />
mi nisteriums für Sport, Tourismus und<br />
Jugend und erzählt die Geschichte ei -<br />
n es jüdischen Jungen, der Auschwitz<br />
überlebt. Zum ersten mal wird hier<br />
ein Buch, das den Holocaust zum<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
The ma hat, ins staatliche Literatur -<br />
programm aufgenommen.<br />
„Roman eines Schicks<strong>als</strong>losen“ wur -<br />
de erstm<strong>als</strong> 2007 in russischer Übersetzung<br />
veröffentlicht, im Zuge der<br />
Buchserie „Die Prosa des jüdischen<br />
Lebens“, die seit 2005 mehr <strong>als</strong> 50 Wer -<br />
ke zu jüdischen Themen auf Russisch<br />
publizierte.<br />
Neues zentrum für jiddische<br />
Studien in israel<br />
An der Ben-Gurion Universität in<br />
Beersheba wird ein neues Zentrum<br />
für jiddische Studien unter dem Vor -<br />
sitzenden David Roskies eröffnet.<br />
Work shops und Kolloquien sollen dort<br />
abgehalten und vergessene jiddische<br />
Werke publiziert werden. Auch die<br />
Zusammenarbeit mit Forschungs zen -<br />
tren in Tel Aviv, Paris und den USA ist<br />
vorgesehen.<br />
Netanyahu-Sohn gewinnt<br />
Bibel-Quiz<br />
Der jüngste Sohn von israels Premier<br />
Benjamin netanyahu, Avner, 15, wird<br />
Jerusalem beim nationalen Bibelquiz<br />
<strong>2010</strong> vertreten. Er hatte sich mit 98 von<br />
100 Punkten gegen 50 Konkur ren ten<br />
durchgesetzt. Der Vater von Avners<br />
mutter Sara ist Bibelexperte, ihre drei<br />
älteren Brüder waren alle einst Sieger<br />
beim Bibelquiz in israel.<br />
weniger Scheidungen in israel<br />
im Vergleich zum Jahr davor gab es in<br />
is rael 2009 um 2,3% weniger Schei -<br />
dungen, berichtet das israelische Rab -<br />
bi natsgericht. Ein Grund dafür, so<br />
des sen Generaldirektor, Rabbi Eli Ben-<br />
Dahan, könnten die hohen Kosten sein,<br />
die eine Scheidung mit sich bringe.<br />
nur Jerusalem folgt nicht dem allgemeinen<br />
Trend – während in Tel Aviv,<br />
Haifa und Rishon Lezion die Schei -<br />
dungs raten um 3 bis 7% zurückgingen,<br />
stieg sie in israel um 4,2 %. insgesamt<br />
wurden 2009 exakt 9.986 Paare ge -<br />
schie den. Darunter waren 162 Fälle, in<br />
denen religiöse männer ihren Frauen<br />
das für die Scheidung nötige Papier<br />
verweigert hatten. Diese konnten<br />
2009 geschlossen werden. Weitere 180<br />
Fälle blieben jedoch weiterhin offen.<br />
Andere Scheidungsfälle konnten nicht<br />
abgeschlossen werden, weil die Frau -<br />
en sich wiederum weigerten, das<br />
Schei dungspapier von ihren män nern<br />
anzunehmen.<br />
israel rockt – meistens<br />
namhafte Künstler wie Altrocker Rod<br />
Stewart, Elton John, Metallica, Rihanna<br />
oder Bob Dylan haben für diesen Som -<br />
mer Konzerte in israel angekündigt.<br />
nur Sänger und Gitarist Carlos San ta na<br />
sagte seinen Auftritt in Jaffa im Juni<br />
dieses Jahres ab, obwohl die Tickets<br />
dafür sich so gut verkauft hatten, dass<br />
schon ein zweites Konzert in Erwä -<br />
gung gezogen worden war. Santanas<br />
Agent gab Ynet gegenüber an, dass<br />
der volle Terminkalender des Künst -<br />
lers das Konzert unmöglich machen<br />
würde, doch eine anonyme Quelle aus<br />
der israelischen, für den Auftritt en -<br />
gagierten Produktionsfirma enthüllte,<br />
dass das Konzert aufgrund der inter -<br />
ven tionen von Anti-israel-Aktivis ten<br />
abgesagt worden sei.<br />
gratis-upgrades für<br />
Knesset-Abgeordnete<br />
Ein Beschluss der Knesset, das israelische<br />
Abgeordnete bei Auslands flü -<br />
gen automatisch Gratis-Upgrades für<br />
die Business-Class erhalten würden,<br />
wurde, nachdem Kritik daran laut<br />
geworden war, wieder eingefroren und<br />
wird nun geprüft.<br />
Bisher waren solche Upgrades nur<br />
auf Flügen, die länger <strong>als</strong> sechs Stun -<br />
den dauern, und ausschließlich auf<br />
vor hergehende Anfrage möglich, denn<br />
die israelischen Steuerzahler werden<br />
dafür zur Kasse gebeten.<br />
Von den Abgeordneten selbst gab es<br />
so wohl Reaktionen dafür <strong>als</strong> auch<br />
gegen die neue Regelung. Tatsächlich<br />
wären allerdings nur ganz wenige<br />
Ab geordnete im letzten Jahr Econo my<br />
Class geflogen, wurde aus dem Büro<br />
von Knesset-Sprecher Reuven Rivlin<br />
verlautet. Die Knesset-mitglieder<br />
müssten oft sofort nach der Landung<br />
an wichtigen Gesprächen teilnehmen,<br />
die all ihre Aufmerksamkeit erforderten,<br />
deshalb sei ein Upgrade auch<br />
gerechtfertigt.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 33
JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />
Gekoschertes Schwein und<br />
deutsche Speisegesetze<br />
Eli Landau, Kardiologe und bekannter<br />
Koch, hat erstm<strong>als</strong> ein hebräisches<br />
Koch buch veröffentlicht, das allein<br />
dem Schwein gewidmet ist. Eigent lich<br />
– so könnte man meinen – ist das eine<br />
ziemliche Schweinerei. Denn das<br />
Bors tentier ist frommen Juden sowie<br />
moslems eine Abscheu. Genauso kä -<br />
me ein Germane kaum auf die idee,<br />
auf der Speisekarte eines deutschen<br />
Restaurants ein Rossfilet zu suchen.<br />
„Pferdefleisch ist in Deutschland verpönt,<br />
von Ulrich W. Sahm<br />
weil es <strong>als</strong> Arme-Leute-Essen galt“, sagt<br />
Frau Dohrmann, inhaberin einer Pfer -<br />
de metzgerei in Bremen und Autorin<br />
von „Gut Kochen mit Rossfleisch!“,<br />
1999 erschienen. Ein Jahr später veröffentlichte<br />
der Pferdemetzger Beer -<br />
wardt aus Waiblingen „Kulinarisches<br />
vom Pferd und Fohlen“. Beerwardt sagt:<br />
„Mein Großvater erzählte mir, dass Pfer -<br />
de fleisch so verpönt war, dass die Kunden<br />
darum baten, es in Tüten ohne den Na -<br />
men unserer Metzgerei zu verpacken.“<br />
Weder Dohrmann noch Beerwardt<br />
wuss ten freilich, dass die alten Ger -<br />
manen glaubten, durch Pferdefleisch<br />
in den Genuss der Kräfte der Gottheit<br />
gelangen, der das Pferdeopfer galt. in<br />
der frühchristlichen Kirche galt Pfer -<br />
defleisch <strong>als</strong> Zeichen des Verharrens<br />
im Heidentum. Bonifatius fragte im<br />
Jahr 732 bei Papst Gregor iii an, ob<br />
Christen Pferdefleisch essen dürften.<br />
Der Papst verbot es, da die Kirche Res -<br />
te heidnischer Opferkulte ausrotten<br />
wollte. Das Verbot geht auf Karl den<br />
Großen zurück. Das Wort “Pferde -<br />
fres ser” war ein christliches Schimpf -<br />
wort für heidnische Volksgenossen.<br />
He xen wurde nachgesagt, Pfer de -<br />
fleisch zu essen und zu verehren.<br />
Anders <strong>als</strong> in Frankreich oder italien<br />
entwickelte sich unter deutschen<br />
Chris ten eine religiös motivierte Aver -<br />
sion gegen Pferdefleisch. Anton Freit -<br />
hofnig aus dem österreichischen moos -<br />
burg, Autor von „Kochen mit Pferdefleisch“<br />
hat die Kulturgeschichte er -<br />
forscht. Einerseits sei das Pferd ein<br />
„hei liges Tier“ gewesen und andererseits<br />
entstand eine Abscheu gegen den<br />
Verzehr seines Fleisches infolge der<br />
Krie ge, <strong>als</strong> hungernde menschen ge -<br />
zwungen war, Pferdefleisch zu essen.<br />
Christen in mitteleuropa pflegen <strong>als</strong>o<br />
aus religiösen und ethischen Grün -<br />
den gedankenlos bis heute ähnliche<br />
„Speisegesetze“ wie moslems oder<br />
Ju den. Unter den 613 Geboten und Ver -<br />
boten in der Tora (5 Bücher moses),<br />
wird das Schwein <strong>als</strong> „unkoscher“<br />
bezeichnet. Wer „gottesfürchtig“ ist,<br />
rührt es nicht an. „Weißes Fleisch“ ist<br />
jedoch in israel beliebter, <strong>als</strong> manche<br />
vielleicht denken. in Tel Aviv muss<br />
man suchen, wenn man koscher es -<br />
sen will. Denn die meisten Juden halten<br />
sich nicht an die biblischen Ge -<br />
setze, wie etwa das Verbot, am Schab -<br />
bat kein „Feuer“ zu machen und deshalb<br />
kein Auto zu fahren. neben<br />
Schweine fleisch verbieten die Ko -<br />
scher-Gesetze auch ein Vermischen<br />
von Fleisch und milch oder den Ge -<br />
nuss von mee res ge -<br />
tier, außer Fi schen<br />
mit Schup pen.<br />
Eli Landau sagt, mit<br />
seinem Koch buch<br />
„Das Weiß buch“<br />
zum ersten mal in<br />
der Ge schich te is -<br />
raels ein Buch „von<br />
Deckel zu Deckel nur<br />
34 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
mit Schwein“ ge füllt zu haben. Der<br />
weiße Deckel ist schmuck los, oh ne<br />
pro vozierendes Bild. Landau sagt, „al -<br />
lein typische Rezepte für das Land Israel“<br />
entwickelt und keine Vorlagen aus Ost -<br />
europa oder Asien kopiert zu haben.<br />
Den eigentli chen „Ta bu bruch“, jü di -<br />
schen israelis Schwein aufzutischen,<br />
vollbrachte schon in den siebziger<br />
Jah ren der Schrift steller Amos Kei nan<br />
mit seinem „Buch der Ge lüs te“.<br />
Der aus Buchara<br />
stammende und in<br />
Taiwan ausgebildete<br />
Chefkoch Isra el<br />
Aharoni institutionalisierte<br />
den Ta bu -<br />
bruch mit „Chi ne -<br />
sische Küche“. Un -<br />
ter dem Tit el stand<br />
selbstverständlich „koscher“. Doch<br />
dazu gab es einen se paraten Band, wo -<br />
rin er Rezepte zu Spa reribs (Schwei -<br />
nerippchen), Kala ma ri und Shrimps<br />
lieferte. Aharoni revolutionierte isra els<br />
Küche. Seit dem wa gen auch andere<br />
Autoren, ihre Koch bü cher in zwei<br />
Aus gaben zu veröffentlichen.<br />
So wurde Madhur Jaff reys „indische<br />
Küche“ in einer koscheren Ausgabe<br />
mit vegetarischem milcher satz für<br />
„flei schige“ Speisen veröffentlicht.<br />
Gleich zeitig gab es eine nicht-ko -<br />
schere Ausgabe mit Originalrezepten,<br />
die kein Rabbi durchgehen lassen<br />
würde.<br />
Christen im Heiligen Land haben im -<br />
mer schon Schweine gezüchtet und ihr<br />
Fleisch verkauft. in Bethlehem und<br />
Je rusalem wurden allerdings Schwei -<br />
ne-Fleisch-Läden des Hana Seniora<br />
schon während der ersten intifada ab<br />
1987 unter dem Druck von islamisten<br />
geschlossen. in israel produziert seit<br />
1959 Kibbuz Mizraa Schweinefleisch<br />
und vermarktet es landesweit in un ko -<br />
scheren Supermärkten. Mosche Tajar<br />
von Kibbuz Lahav, wo ebenfalls Schwei -<br />
ne gezüchtet werden, erklärte: „Wir<br />
betreiben ein offizielles Forschungs insti tut<br />
zum Testen von Medikamenten. Per Ge -<br />
richtsurteil dürfen wir für die Tests ungeeignete<br />
Schweine zu Wurst verarbeiten.“<br />
Denn laut israelischem Gesetz dürfen<br />
ansonsten Schweine nur in „christli -<br />
chen Gegenden“ gezüchtet werden.<br />
Seit der masseneinwanderung sow je -<br />
tischer Juden 1990 sind russische Su -<br />
per märkte mit unkoscheren Fleisch -<br />
JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />
pro dukten nicht mehr wegzudenken.<br />
Sogar Blutwurst vom Schwein findet<br />
man dort: für fromme Juden wohl die<br />
abscheulichste aller Kombinationen.<br />
Umgekehrt gibt es auch „politisch<br />
kor rekte“ Kochbücher. Nawal Abu<br />
Gosch aus Abu Gosch nahe Jerusalem<br />
war der erste Araber, der dem jüdischen<br />
Publikum die „Arabische Küche<br />
im Lande israel“ vorstellte, koscher<br />
und auf Hebräisch. Hätte er sein Koc h -<br />
buch „Palästinensische Kü che in Pa läs -<br />
tina“ genannt, wäre es zu einen La den -<br />
hüter geworden. Vor allem vegetarische<br />
Gerichte und süße nachspeisen,<br />
virtuose Spezialitäten der arabischen<br />
Küche, sind unproblematisch und so<br />
koscher, dass man kei nen Rabbi be -<br />
fra gen muss. Aber es gibt ein uraltes,<br />
aus biblischer Zeit stammendes Fest -<br />
mahl, das Palästinenser bis heute bei<br />
Hochzeiten bereiten. Einst war es ei -<br />
ne Götterspeise: Zicklein in der milch<br />
seiner mutter. Der Bibelvers dazu ist<br />
die Ursache für das strikte Verbot für<br />
Juden, milch und Fleisch zu vermengen.<br />
Das Rezept für „mansaf“, wie es<br />
heute heißt, fällt in koscheren arabischen<br />
Kochbüchern unter den Tisch.<br />
Eine Weltsensation<br />
ist ein großformatiges<br />
Kochbuch<br />
des kleinsten Vol -<br />
kes der Welt mit<br />
650 Seelen. Sa ma -<br />
ri taner leben nur<br />
noch in Holon südlich<br />
von Tel Aviv<br />
und im palästinensischen nab lus,<br />
dem biblischen Sichem.<br />
„Die Küche des gu ten Samariters“<br />
nennt Pnina Zedaka ihr Kochbuch. Sie<br />
sammelte Bilder und Erzählungen zu<br />
fast so vielen Re zepten, wie es mit -<br />
glie der des einstigen millio nenvo l kes<br />
der Zeit Jesu gibt.<br />
Die Samariter be trachten sich <strong>als</strong> Ur -<br />
juden und ver wen den noch die alt-he -<br />
bräische Schrift wie in der Zeit Davids<br />
und Salomons. Sie verwerfen die Pro -<br />
pheten der Bibel und alle späteren jü -<br />
di schen Schriften. Juden verachteten<br />
die Samaritaner <strong>als</strong> Feinde, ähnlich<br />
wie heute die Paläs ti nenser. Jesu Be -<br />
geg nungen mit Sama ri tanern sind nur<br />
auf diesem Hinter grund zu verstehen.<br />
Seine Kontakte mit dem schlimmsten<br />
Feind waren ei ne Rebel lion gegen die<br />
Ansichten des damaligen jüdischen<br />
Establish ments<br />
Email im Altersheim<br />
israels Greise sind moderner <strong>als</strong> vermutet.<br />
76 Prozent der alten menschen<br />
verfügen über Email und 15 Prozent<br />
haben sich bei Facebook eingetragen.<br />
Das ergab eine Umfrage zu den Frei -<br />
zeitgewohnheiten unter 340 israelis<br />
im „goldenen Alter“ aus Anlass eines<br />
gerontologischen Kongresses „Altern<br />
im 21. Jahrhundert“.<br />
Während sich 60 Prozent der Alten un -<br />
ter siebzig täglich vor den Computer<br />
setzen, zum Beispiel um Karten zu<br />
spielen, nimmt das interesse mit fortgesetztem<br />
Alter ab. nur noch 28 Pro -<br />
zent der Siebzigjährigen setzen sich<br />
täg lich vor den Bildschirm. Fernsehen<br />
ist wohl der beliebteste Zeitvertreib<br />
der israelischen Greise: 95 Prozent<br />
schauen täglich in die Röhre, wobei 55<br />
Prozent am liebsten nachrichten und<br />
andere aktuelle Programme schauen.<br />
Acht Prozent, überwiegend Frauen,<br />
ge nießen Reality-Shows wie den<br />
„Großen Bruder“. 11 Prozent sehen<br />
sich Filme an, während acht Prozent<br />
eine Vorliebe für Fernsehserien aus<br />
dem Ausland haben. Je höher der Bil -<br />
dungsstand der alten Leute, desto ge -<br />
ringer ist das interesse an den Sen -<br />
dun gen der privaten Fernsehanstalten,<br />
Kanal 10 und 22.<br />
Die Umfrage kümmerte sich auch um<br />
die Liebe. 61 Prozent der Alten gaben<br />
an, eine Beziehung zu haben und <strong>als</strong><br />
Paar zusammenzuleben. Vier Prozent<br />
wären daran interessiert, haben aber<br />
keinen Partner. 24 Prozent der Be frag -<br />
ten meinten, alleine zu leben und<br />
nicht an einer Beziehung interessiert<br />
zu sein.<br />
240 Mio. neue Bäume<br />
Die Aufforstungsaktivitäten des Jü di -<br />
schen national-fonds (JnF) in israel<br />
er freuen sich nach wie vor großen Zu -<br />
laufs. Wie eine aktuelle Umfrage er ge -<br />
ben hat, planen 80% al ler israelis, ei -<br />
nen Baum zu pflanzen; 71% haben dies<br />
bereits mindestens einmal ge tan.<br />
israel ist das einzige Land auf der Welt,<br />
das heute einen größeren Baum be -<br />
stand aufweist <strong>als</strong> noch vor 100 Jah ren.<br />
im kommenden Jahrzehnt plant der<br />
JnF die Pflan zung von weiteren sieben<br />
mio. Bäumen, um Kohlen dioxid<br />
zu absorbieren und den Kampf gegen<br />
die globale Erwärmung zu unterstützen.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 35
Tel Aviver Polizei setzt<br />
Inline-Skater ein<br />
Zur Verbrechens bekämp -<br />
fung in Tel Aviv hat israels<br />
Polizei freiwillige in line-Skater rekrutiert.<br />
Etwa 30 der bes ten Fahrer des is -<br />
raelischen Skater clubs wurden in spe -<br />
ziellen Kursen ein Jahr lang ausgebildet<br />
und sind seit Kurzem im Ein satz.<br />
Einer der initiatoren des Projektes ist<br />
Schimi Zinir. Er lobte laut der Tages -<br />
zeitung ‘Jerusalem Post’ die Vorteile<br />
der Polizisten auf Rollen. „Sie haben<br />
eine höhere Beweglichkeit und Ge schwin -<br />
dig keit <strong>als</strong> die Polizei zu Fuß oder auf dem<br />
Fahrrad und sie können Orte erreichen,<br />
an die andere Polizisten nicht gelangen.<br />
Außerdem sind sie auf den Skates größer,<br />
<strong>als</strong> der durchschnittliche Streifenpolizist,<br />
deshalb wirken sie eindrucksvoller und<br />
abschreckender“, so Zinir.<br />
Die idee für die spezielle Patrouille<br />
habe er sich von der Polizei in Paris ab -<br />
geschaut. 1998 hatte diese Polizisten<br />
auf inline-Skates während der Fuß -<br />
ball weltmeisterschaft eingesetzt.<br />
Weitere 30 Elite-Skater absolvieren<br />
der zeit noch ihr Training. Sie sollen<br />
Ende märz in Tel Aviv zum Einsatz<br />
kommen. Die Polizei veröffentlichte<br />
auf der internetplattform „YouTube“<br />
ein Video vom Training der Patrouille<br />
auf Rollen. Dort ist unter anderem zu<br />
sehen, wie zwei skatende Polizisten<br />
einen Taschendieb verfolgen und<br />
überwältigen. inn<br />
Israelische Soldaten<br />
bekommen nicht-stinkende<br />
Socken<br />
israels Soldaten werden künftig<br />
mit nicht-stinkenden Socken ausgerüstet.<br />
Diese können laut einem<br />
Be richt der Tages zei tung ‘maariv’ bis<br />
zu zwei Wo chen ge tragen werden,<br />
ohne un an ge nehmen Geruch zu entwickeln<br />
oder unhygienisch zu werden.<br />
Verant wortlich für die besonderen<br />
Ei gen schaf ten der Socken sei eine<br />
me tal lische Kompo nente im Stoff.<br />
Die neuen Socken sollen ab märz an<br />
die Armee geliefert werden, zunächst<br />
an Kampftruppen. Die Socken wurden<br />
den Angaben zufolge bereits er folg -<br />
reich von Soldaten getestet. An schlies -<br />
send sei auch die Zahl der not wen di -<br />
gen medizinischen Fußbe hand lun gen<br />
gesunken. APA<br />
36<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />
JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />
Christlich-jüdische Organisation<br />
zahlt Heizkosten für ältere Bedürftige<br />
Die christlich-jüdische Organisation<br />
„International Fellowship of Christians<br />
and Jews“ (IFCJ) hat eine Spende von<br />
rund fünf millionen Dollar zur Verfü -<br />
gung gestellt, um die Heizkostenab -<br />
rech nungen von älteren bedürftigen<br />
israelis zu bezahlen. Damit will sie<br />
sicherstellen, dass diese den kalten<br />
Winter gut überstehen.<br />
Die Aktion „Warmer Winter für die Äl -<br />
te ren“ wird bereits zum vierten mal in<br />
Folge durchgeführt. Die Zusam men -<br />
arbeit erfolgt mit dem staatlichen<br />
Energieversorger „israel Electric Cor -<br />
po ration“ sowie den ministerien für<br />
infrastruktur und Soziales. Von der<br />
ini tiative profitieren rund 134.000<br />
menschen und damit alle älteren is ra -<br />
elis, die laut dem nationalen Ver si -<br />
cherungsinstitut <strong>als</strong> bedürftig gelten.<br />
Zwar übernehme der Staat israel in<br />
den Wintermonaten einen Teil der<br />
Rechnung von diesen Bedürftigen, die<br />
mehrheit könne jedoch das verbleibende<br />
Geld nicht aufbringen. Damit<br />
jedoch auch diese menschen gut<br />
Polygamist mit<br />
32 Frauen in Israel<br />
vor Gericht<br />
durch die kalten monate <strong>Februar</strong> und<br />
märz kommen, werden die Älteren<br />
mit rund 40 Dollar durch die iFCJ<br />
unterstützt.<br />
Das Geld wird erstm<strong>als</strong> direkt an den<br />
Energieversorger überwiesen. Dieser<br />
zieht dann die Spende von der Rech -<br />
nung ab. Dieser Weg wurde gewählt,<br />
damit die Spenden schnell ihre Em p -<br />
fän ger erreichen und so effektiv wie<br />
möglich sind, meldet die Tageszei tung<br />
‘Jediot Aharonot’.<br />
Die „international Fellowship of<br />
Chris tians and Jews“ („internationale<br />
Bruderschaft von Christen und Ju -<br />
den“) gibt es seit dem Jahr 1983. ihren<br />
Sitz hat die Organisation in Chicago<br />
und Jerusalem. nach der israelischen<br />
Regierung ist sie der größte Geldge -<br />
ber für Sozialleistungen im jüdischen<br />
Staat. Sie wurde von Rabbi Eckstein<br />
gegründet, um Verständnis und Koo -<br />
pe ra tion von Juden und Christen zu<br />
fördern und um israel und das jüdische<br />
Volk zu unterstützen. inn•<br />
Ein israelischer Polygamist, der mit bis<br />
zu 32 Frauen zusammengelebt ha ben<br />
soll, steht wegen Vergewaltigung, Ver -<br />
sklavung und Betrugs vor Gericht. Vor<br />
dem Bezirksgericht in Tel Aviv wurde<br />
die Anklageschrift gegen den 60 Jahre<br />
al ten mann eingereicht, der mit den<br />
Frau en Dutzende von Kindern ge zeugt<br />
Goel Ratzon, der Mann mit 32 Frauen<br />
hat.<br />
Der Guru mit langen weißen Haaren und weißem Bart habe sich innerhalb seiner<br />
Großfamilie einen „Status der Allmacht“ verschafft, hieß es darin nach<br />
medienberichten. Er habe die an d eren Familienmitglieder gefügig gemacht,<br />
mit Hilfe seines „magischen Einflusses“ sowie drakonischer Ver hal tensregeln<br />
und Geldstrafen. Viele seiner Frauen, von denen in der An kla geschrift 21<br />
erwähnt werden, sei en schwer traumatisiert.<br />
Der 60-Jährige, der vor einem monat festgenommen worden war, wird auch<br />
wegen sexuellen missbrauchs min der jähriger angeklagt. Er selbst beteuert sei ne<br />
Unschuld und erklärte, die Frauen hätten aus freien Stücken mit ihm zu sam -<br />
men gelebt. APA<br />
© REUTERS/Chen Galili
Verstreutes<br />
Wissen<br />
Bis Jahresende sollen alle Quel len zum<br />
Nation<strong>als</strong>ozialis mus, die sich mit<br />
Vermögensentzug, Rück stellung und<br />
Entschädigung be fas sen, auf einer<br />
Homepage zu sammengeführt werden.<br />
Das Pro jekt www.ns-quellen.at will<br />
damit vor allem Laien ansprechen und<br />
daher einen niederschwelligen Zu gang<br />
zu den Originaldo ku men ten bieten.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
2003 legte die im Herbst 1998 von der<br />
damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung eingesetzte<br />
Historikerkommission ihren<br />
Schlussbericht zum Thema Vermö -<br />
gens entzug auf dem Gebiet des heutigen<br />
Österreich in der nS-Zeit vor, der<br />
auch die nach 1945 erfolgten Rückstel -<br />
lungen und Entschädigungen durch<br />
das offizielle Österreich be leuch tete.<br />
im Jahr <strong>2010</strong> trudeln bei der ehemaligen<br />
Forschungskoordinatorin der<br />
Kommission, Eva Blimlinger, immer<br />
noch Woche für Woche Anfragen ein.<br />
„Ich bin sozusagen die Nachlassverwal te -<br />
rin“, erzählt sie im Gespräch mit der<br />
„Gemeinde“. Die Anfragen ähneln<br />
ein ander: „Wie kann ich herausfinden,<br />
ob meine Wohnung ‚arisiert‘ wurde?“<br />
Oder: „Meine Eltern haben das und das<br />
besessen. Wie finde ich heraus, ob es diese<br />
Dinge noch gibt?“<br />
insgesamt ortet Blimlinger wachsendes<br />
interesse verschiedenster Perso -<br />
nen gruppen an einer historischen<br />
Auseinandersetzung mit der Zeit zwi -<br />
schen 1938 und 1945 und ihren Fol -<br />
gen. Und zwar im wissenschaftlichen<br />
Bereich ebenso wie im privaten, an<br />
Schu len, in Familien, auf regionaler bis<br />
hin zur lokalen Ebene. Dem stünde<br />
eine unüberschaubare masse an Quel -<br />
len gegenüber, zu Tage gefördert und<br />
bearbeitet von der Historiker kom mis -<br />
sion der Republik Österreich, anderen<br />
wissenschaftlichen Kommissionen<br />
und im Rahmen von Einzelfor -<br />
schungs vorhaben.<br />
KULTUR • INLAND<br />
„Immer wieder tauchten historische Do ku -<br />
mente in in- und ausländischen Ar chi ven,<br />
in Dienststellen des Bun des und der Län -<br />
der, in Kammern und Interessensge mein -<br />
schaf ten sowie Unternehmen auf. In Kel -<br />
lern und auf Dachböden, in Hinterzim -<br />
mern und Heizräumen fanden Historiker<br />
und Historikerinnen hunderttausende<br />
Akten. Bereits bekannte Bestände wurden<br />
erstm<strong>als</strong> gesichtet und bearbeitet.“<br />
All dieses Wissen, das bisher kaum<br />
zugänglich, vor allem aber stark verstreut<br />
ist, soll nun im Rahmen des<br />
Projekts www.ns-quellen.at auf einer<br />
Homepage versammelt werden. Ei ni -<br />
ge materialien, wie etwa alle Gesetze<br />
in diesem Zusammenhang (von den<br />
in der nS-Zeit erlassenen Gesetzen<br />
bis hin zum Opferfürsorgegesetz mit<br />
all seinen dutzenden novellen) werden<br />
tatsächlich im Wortlaut abrufbar<br />
sein. Bei vielen Dokumenten wird auf<br />
der Seite zu lesen sein, in welchem<br />
Archiv, welcher Einrichtung sie sich<br />
befinden und wie man sie einsehen<br />
kann.<br />
„Ziel ist es, die Dokumente so zu erfassen<br />
beziehungsweise auf sie zu verweisen, dass<br />
unterschiedlichste Interessenten - von<br />
Wissenschaftern bis zu interessierten<br />
Laien – einen jeweils adäquaten Überblick<br />
darüber gewinnen, welche Materialien ei ne<br />
Annäherung an ihre Fragen erlauben, was<br />
diese Materialien enthalten, wo sie aufbewahrt<br />
werden und wie sie zugänglich<br />
sind.“ Wichtig ist Blimlinger, die dieses<br />
Projekt vor rund drei Jahren ge -<br />
meinsam mit Verena Pawlowsky und<br />
Harald Wendelin ins Leben gerufen hat,<br />
ein möglichst niederschwelliger Zu -<br />
gang. Ähnlich dem FAQ-Prinzip (Fre -<br />
quently Asked Questions) soll beispielsweise<br />
eine Anleitung abrufbar<br />
sein, wohin man sich wenden kann,<br />
wenn man nachschauen will, ob die<br />
eigene Wohnung einst ‚arisiert‘ worden<br />
war oder <strong>als</strong> Sammelquartier für<br />
Juden vor der Deportation in ein<br />
Konzentrationslager fungiert hatte.<br />
„Man muss sehr genau aufpassen, dass<br />
die Seite nicht so hypertroph wird, dass<br />
der normale User von Information er -<br />
chlagen wird,“, so Blimlinger. Aber, be -<br />
tont sie weiter: der Zugang zur in for -<br />
mation soll vereinfacht werden, je -<br />
doch „nicht die Information selbst“.<br />
Verlinken wollen Blimlinger, Paw -<br />
low s ky und Wendelin (sie gehören<br />
dem Team des „forschungsbüro. Ver -<br />
ein für wissenschaftliche und kulturelle<br />
Dienstleistungen“ an) zudem zu<br />
allen heimischen initiativen, die sich in<br />
den vergangenen Jahren mit dem<br />
Thema nS-Vergangenheit auseinan -<br />
dergesetzt haben. Als Beispiele nennt<br />
Blimlinger die Projekte Servitengasse<br />
und Herklotzgasse, aber auch schulische<br />
initiativen. So wird in Kürze die<br />
Wiener AHS Kandlgasse eine Pu bli -<br />
kation präsentieren, die unter dem Ti -<br />
tel „Weggewiesen 1938“ das Schicksal<br />
jüdischer Schüler in der nS-Zeit an<br />
diesem Schulstandort nachzeichnet.<br />
Eine Gedenktafel dazu wurde bereits<br />
im Juni vergangenen Jahres enthüllt.<br />
„Reizvoll“ fände es Blimlinger auch,<br />
„hier viele Datenbanken und Verzeichnis se<br />
hereinzubekommen“. Ganz sicher Ein -<br />
gang finden wird beispielsweise ein<br />
Kraftfahrzeugsverzeichnis, an Hand<br />
dessen man nachvollziehen kann,<br />
wem Autos in Österreich vor 1938 ge -<br />
hört haben.<br />
Den ersten Schwung Gesetze wollen<br />
die Projektverantwortlichen in diesem<br />
Frühjahr online stellen, bis Jah res en -<br />
de soll die Homepage dann gänzlich<br />
gefüllt sein. Wobei Blimlinger betont,<br />
dass die Seite so programmiert wird,<br />
dass sie permanent adaptiert beziehungsweise<br />
ergänzt und erweitert<br />
wer den kann. Finanziell unterstützt<br />
wurde und wird dieses Projekt von<br />
der Republik Österreich, den Ländern<br />
Wien, Burgenland, Oberösterreich,<br />
Salzburg, der Steiermark, Tirol und<br />
Vorarlberg sowie dem Zukunfts- und<br />
dem nationalfonds. Kooperiert wird<br />
zudem mit dem Wiener Wiesenthal<br />
institut für Holocaust-Studien (VWi).<br />
Von diesem soll – so der Wunsch des<br />
forschungsbüros – die Homepage<br />
auch langfristig betreut werden.<br />
www.historikerkommission.gv.at<br />
www.ns-quellen.at (noch nicht im Vollbetrieb)<br />
www.forschungsbuero.at<br />
www.vwi.ac.at<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 37<br />
KULTUR
© Österreichisches Filmmuseum<br />
„Ich war froh diesen Medienhype, den es<br />
plötzlich nach der Oscar-Verleihung gab,<br />
sinnvoll kanalisieren zu können“, sagte<br />
Stefan Ruzowitzky über sein Engage -<br />
ment für die Restaurierung des jüdischen<br />
Friedhofes Klosterneuburg. Das<br />
Gespräch für die „Gemeinde“ wurde<br />
in seinem Haus geführt. Er saß im<br />
Jogging-Out fit vor dem Laptop und<br />
bereitete zukünftige Projekte vor.<br />
Wie sehen sie heute Ihren Erfolg, was hat<br />
sich in Ihrem privaten und öffentlichen<br />
Leben geändert seitdem Sie den Oscar<br />
gewonnen haben?<br />
Zu allererst: das ist die größte Aus -<br />
zeich nung, die es in meiner Branche<br />
und im ganzen Entertainment-Be reich<br />
gibt. Das ist ein Traum, den man hat,<br />
wenn man da arbeitet, und das ist et -<br />
was, was mir nie jemand wegnehmen<br />
kann. Alles Andere sind angenehme<br />
Begleiterscheinungen. Durch so einen<br />
Erfolg zieht man Aufmerksamkeit auf<br />
sich und man bekommt die mög lichkeit,<br />
zu größeren internationalen Pro -<br />
jek ten zu kommen. Hier in Österreich<br />
gab es zu meinem Erstaunen eine un -<br />
wahrscheinlich starke Reaktion, was<br />
ich echt nicht so erwartet hätte. Das<br />
war etwas sehr Patriotisches: Das<br />
KULTUR • INLAND<br />
And the Oscar goes to… Klosterneuburg<br />
VON IDA LABUDOVIC<br />
ganze Land hat gewonnen, das ganze<br />
Land hat sich gefreut und man hat mir<br />
durch Liebe und Aufmerksamkeit ge -<br />
dankt. Das ist alles sehr spannend,<br />
eine gute persönliche Erfahrung und<br />
man versucht diesem Ruhm ein bisschen<br />
Sinn zu geben. Es gab eine gut<br />
ge lungene Ausstellung im Stift Klos -<br />
ter neuburg über den Antisemitismus<br />
und Holocaust. Das waren keine spek -<br />
takulären neuen wissenschaftli chen<br />
Erkenntnisse, sondern Fotos und Be -<br />
gleit material die einfach zeigten, dass<br />
es jüdische Familien gab, die in Klos -<br />
ter neuburg gelebt haben und dass es<br />
hier nazis gab. meinen Oscar habe ich<br />
für diese Ausstellung <strong>als</strong> Attraktion<br />
verliehen.<br />
Sind Sie mit dem Ko mi tee zur Erhaltung<br />
des jüdischen Fried hofs Klosterneuburg in<br />
Kontakt geblieben?<br />
ich habe von dieser initiative gewusst<br />
und war sehr froh, meinen plötzli -<br />
chen Ruhm für irgendwas einsetzen<br />
zu können. Das Ganze hat keinen<br />
großen ideologischen Überbau, sondern<br />
es geht darum, dass ein alter<br />
Friedhof bewahrt werden muss. mit<br />
dem Verein bin ich weiter in Kontakt,<br />
es wurde jetzt die Friedhofsmauer<br />
fer tiggestellt. Da geht es ja nicht nur<br />
um Schönheit und Schutz, sondern<br />
das hat eine kultische Bedeutung. Es<br />
geht dabei nicht um Schuld gut zu<br />
machen. Der Friedhof ist ein Teil der<br />
Geschichte der Gemeinde und das ist<br />
ein kulturelles monument, das man<br />
selbstverständlich bewahren soll und<br />
Schaden davon fern halten.<br />
Was war Ihr Bewegungsgrund für den<br />
Film „Die Fälscher“?<br />
ich habe versucht, keine „typischen<br />
Ju den“ in dem Film zu zeigen. ich<br />
kann mich erinnern, dass ich nach der<br />
allerersten Drehbuchfassung das Ge -<br />
fühl hatte, ich bin da in die Falle ge -<br />
laufen, weil alle meine Juden besonderes<br />
kultivierte, intelligente und hu -<br />
manistische Personen waren. Wenn<br />
man sich das Buch von Adolf Burger<br />
noch einmal durchliest, dann kommt<br />
man drauf, dass das Großteils ganz<br />
normale Arbeiter und Handwerker<br />
wa ren. Dass man sagt, die Juden sind<br />
weiser und besser ist wieder der erste<br />
Schritt dahin, dass man sagt, die Ju -<br />
den sind genetisch anders <strong>als</strong> wir.<br />
Auch wenn das ursprünglich positiv<br />
gemeint ist. Deswegen war das Be -<br />
mühen bei dem Film, die Leute in kein<br />
typisch jüdisches, auch nicht positives<br />
Klischee zu bringen. Es geht mehr<br />
darum, ganz normale Leute zu zeigen,<br />
die eingesperrt, gequält und er mor det<br />
werden, weil sie zufällig jüdische<br />
Vorfahren haben. Egal, ob sie jetzt in<br />
eine jüdische Kultur oder jüdische<br />
Religion eingebunden sind. Deswe gen<br />
hat für mich eine Figur wie der Sally<br />
<strong>als</strong> Hauptfigur sehr viel Sinn ge macht.<br />
Einer, der vorgestellt wird <strong>als</strong> jemand,<br />
der sogar explizit sagt: „Ich will damit<br />
gar nichts zu tun haben!“ Anhänger<br />
unterschiedlicher Religionen oder<br />
ide ologien werden sich wohl immer<br />
bekämpfen und womöglich umbringen.<br />
Die Essenz bei diesem Rassen -<br />
wahn ist aber, dass man die Leute um -<br />
bringt, nicht deswegen, was sie mei nen<br />
und vertreten oder was sie gemacht<br />
haben, sondern nur auf Grund ihrer<br />
Verwandtschaft. Dass deswegen dann<br />
etwa auch Kinder und Babys umgebracht<br />
werden.<br />
Was ist Ihre Beziehung zum Holocaust<br />
und dem ewigen Thema: Opfer - Mörder?<br />
Es gab lange Zeit ein Tabu, dass man<br />
gesagt hat, ein KZ-Häftling hatte<br />
nicht die möglichkeit, Ent schei -<br />
38 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
dungen, auch nicht moralische Ent -<br />
schei dungen, zu treffen. Und alles,<br />
was er oder sie gemacht hat, darf nicht<br />
mit normalen moralischen maß stä ben<br />
gemessen werden. Das hat sehr viel<br />
Sinn gemacht, um die Opfer zu schützen.<br />
in der letzten Zeit ist das etwas<br />
aufgeweicht worden, ich glaube, weil<br />
einfach die Opfer zu einem großen Teil<br />
nicht mehr leben. Dieser Gedanke des<br />
Opferschutzes ist nicht mehr so groß<br />
wie noch vor einigen Jahren. in meinem<br />
Film zeige ich KZ-Häftlinge, die<br />
die möglichkeit haben, eine moralische<br />
Entscheidung zu treffen. Damit<br />
bre che ich dieses Tabu. Von vielen di -<br />
rekt Betroffenen habe ich gehört, dass<br />
sie das geschätzt haben, dass ich KZ-<br />
Gefangene nicht wie Opfertiere zeigen<br />
wollte, die nur darauf warten, abgeschlachtet<br />
zu werden. ich habe sie<br />
mehr zu menschen gemacht, mit denen<br />
ich mitfühlen kann, indem ich sie<br />
<strong>als</strong> individuen mit Fehlern, mit Schwä -<br />
chen, mit einer unterschiedlichen Ge -<br />
schichte, die moralische Entschei dun -<br />
gen treffen, zeige, mit welchen wir<br />
übereinstimmen oder weniger übereinstimmen,<br />
die manchmal richtig<br />
oder manchmal f<strong>als</strong>ch sind.<br />
Viele Familien in Österreich und Deutsch -<br />
land sind Nachkommen von Nazis oder<br />
Opfern. Ist das noch immer ein Ta bu the ma<br />
und wie kann man mit Tabus umgehen?<br />
ich hab das Gefühl, dass es leichter<br />
wird, wenn - so wie es bei mir ist - die<br />
Großeltern-Generation und nicht die<br />
El tern nazis waren. Das ist ein größerer<br />
Abstand und es fällt nicht so<br />
schwer, darüber zu sprechen. Aber es<br />
scheint für viele Leute noch ein großes<br />
Thema zu sein und ich glaube, es wird<br />
einfacher durch die historische Dis -<br />
tanz. ich persönlich weiß, dass ein<br />
Groß vater nSDAP-mitglied der ers -<br />
ten Stunde und <strong>als</strong> Wehrmachts-Sol -<br />
dat an der Ostfront war. Was mache<br />
ich damit? ist diese Schuld meine und<br />
wie gehe ich mit dieser Verantwor tung<br />
um? ich kann jetzt sagen, ok, ich habe<br />
diesen Film gemacht, aber das kann<br />
nicht jeder. Einer der wenigen märk -<br />
te, wo der Film nicht funktioniert hat,<br />
war Deutschland. Die Ursache war<br />
mei ner meinung nach, dass viele men -<br />
schen meiner Generation dieses The -<br />
ma verweigern, weil sie wis sen „Ich<br />
kann damit nicht umgehen“. nicht, weil<br />
alle neonazis sind oder wegschauen<br />
KULTUR • INLAND<br />
wollen, sondern einfach weil sie nicht<br />
wissen, was sie mit der Verantwortung<br />
machen sollen. Und das ist auch<br />
sehr, sehr schwierig.<br />
Wie ist Österreich mit seiner NS-Ver gan -<br />
gen heit zurecht gekommen?<br />
Allein durch den Umstand, dass im<br />
Staatsvertrag, der Grundlage unseres<br />
Landes ist, steht, dass Österreich das<br />
erste Opfer war – damit basiert unser<br />
ganzes Land auf einer Halbwahrheit.<br />
Das ist keine gute Voraussetzung, um<br />
offen und ehrlich mit diesen Dingen<br />
umzugehen. ich habe trotzdem das<br />
Gefühl, das sich viel geändert hat und<br />
Filme wie „Die Fälscher“ hätten noch<br />
vor zehn oder zwanzig Jahren sicher<br />
viel mehr Protest im Land hervorgerufen.<br />
man hätte mich <strong>als</strong> der Va -<br />
terlandsverräter und jemand, der die<br />
Vorfahren schändet, bezeichnet. Das<br />
denken sich immer noch ein paar<br />
Leu te, aber das traut sich niemand<br />
mehr laut zu sagen. Das ist schon ein<br />
Fortschritt. •<br />
Geschichte eines israelischen<br />
Spions wird verfilmt<br />
Die amerikanische Produktionsfirma<br />
„L+E Pictures“ will Schmuel Segevs Buch<br />
„Alone in Damascus“ (Allein in Damas -<br />
kus) verfilmen. Es erzählt die Ge schichte<br />
des israelischen Spions Eli Cohen. In dem<br />
Buch werden die An wer bung Co hens,<br />
seine versteckten Missio nen und die Er -<br />
greifung durch die Syrier thematisiert.<br />
Cohen arbeitete bis zu seiner öffentlichen<br />
Hin richtung 1965 fünf Jahren lang <strong>als</strong><br />
Mossad-Agent. In dieser Zeit knüpf te er<br />
enge Verbindungen zu hochrangigen<br />
Poli ti kern bis hin zu Syriens Vertei di -<br />
gungs minister. Dabei versorgte er Israel<br />
mit vielen wichtigen Hinter grund infor -<br />
ma tionen der syrischen Politik.<br />
Das Drehbuch für den Film hat Lior Geller<br />
geschrieben, der auch schon beim er -<br />
folgreichen israelischen Kurz film "Roads"<br />
Regie geführt hatte. Auch sein zweiter<br />
Film "Heart of Jenin" gewann beim Du -<br />
bai Film Festival einen Preis. Die Firma<br />
"L+E Pictures" wurde vor vier Jahren vom<br />
Sohn des ehemaligen Disney-Chefs<br />
Michael Eisner gegründet. inn<br />
Donnerstag, 4. März, 18.30 Uhr<br />
Jüdisches Gemeindezentrum, Wien 1, Seitenstettengasse 2<br />
Den Juden alles schuldig geblieben ...<br />
Versöhnung mit den Juden – die vordringlichste<br />
spirituelle Aufgabe des Christentums<br />
PROF. DR. MAXIMILIAN GOTTSCHLICH<br />
im Gespräch mit dem Präsidium des Koordinierungsausschusses für<br />
christlich-jüdische Zusammenarbeit: Pastor Prof. Helmut Nausner,<br />
Prof. Dr. Martin Jäggle, Dr. Willy Weisz<br />
Moderation: Mag. Ruth Schelander-Glaser<br />
Christentum ist nicht ohne Judentum. Dieser Umstand wird von vielen Christen weit hin<br />
tabuisiert und ignoriert. Immer noch trifft zu, was der evangelische The o loge Karl Barth<br />
ein mal so formulierte: „Die Kirche ist den Juden, denen sie alles schuldet, bis zum heutigen Tag<br />
alles schuldig geblieben.“<br />
Es bedarf einer längst fälligen Neukonzeption des christlichen Selbstver ständ nis ses, das<br />
die jüdischen Wurzeln und die jüdischen Inhalte christlichen Glaubens so wie das Jude-<br />
Sein Jesu nicht mehr weiter verdrängt, sondern in das Credo der Kirchen inte griert.<br />
Es gibt nur eine Antwort auf die „unvergänglicher Schande Auschwitz“ (Martin Wal ser),<br />
die auch eine unvergängliche Schande für das europäische Christentum ist: das unablässige,<br />
ehrliche Bemühen der Christen um Versöhnung mit den Ju den. Das ist die vordring -<br />
lichs te ökumenische und spirituelle Aufgabe des Christen tums für die Zukunft. Christ li -<br />
che Spiritualität „nach Auschwitz“ kann nur eine Spir i tu a lität der Versöhnung mit den Ju den<br />
sein – oder sie wird nicht sein...<br />
Unter welchen Voraussetzungen dies gelingen kann, damit setzt sich der Wiener Kom mu -<br />
ni kationswissenschafter Maximilian Gottschlich – selbst katholischer Christ mit jüdischen<br />
Wur zeln – in seinem jüngst erschienenen Buch „Versöhnung. Spi ri tu alität im Zeichen von<br />
Thora und Kreuz. Spurensuche eines Grenzgängers“ (Böh lau 2008) auseinander.<br />
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich.<br />
Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit T: 01/ 4797376<br />
E: info@christenundjuden.org<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 39
© D. Werderitsch<br />
Beate Klarsfeld besuchte anlässlich der<br />
Eröffnung der Ausstellung „Die Kinder<br />
von Maison d’Izieu“ am Campus Län gen -<br />
feld Wien. Mit der „Gemeinde“ sprach die<br />
Nazi-Jägerin über ihre Motivation, ehemalige<br />
NS-Verbrecher aufzuspüren, das<br />
Inkaufnehmen von Verhaftungen und ihr<br />
Verhältnis zu Israel.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Am 7. november 1968 stieg Beate<br />
Klars feld während eines CDU-Par tei -<br />
tags in Berlin auf das Podium, ohrfeigte<br />
den amtierenden deutschen<br />
Bun deskanzler Kurt Georg Kiesinger<br />
und rief „Nazi, Nazi“. Schon zuvor<br />
KULTUR • INLAND<br />
„Nicht aus Rache,<br />
sondern für Gerechtigkeit“<br />
hat te sie während Vorträgen und öf -<br />
fentlichen Aktionen auf die frühere<br />
nSDAP-mitgliedschaft Kiesingers<br />
hin gewiesen. An diesem Tag wurde<br />
sie sofort verhaftet und in einem<br />
Schnellverfahren zu einem Jahr Ge -<br />
fängnis verurteilt. Diese Strafe wurde<br />
1969 zu vier monaten auf Bewährung<br />
umgewandelt.<br />
Die möglichkeit einer Verhaftung<br />
und einer Gefängnisstrafe sei sowohl<br />
ihr <strong>als</strong> auch ihrem mann Serge Klars -<br />
feld im Vorfeld dieser Aktion durchaus<br />
bewusst gewesen, erzählt sie heu -<br />
te. Eine Aktion übrigens, die sie nicht<br />
nur geplant, sondern vor Studenten<br />
im Rah men eines Vortrags an einer<br />
Uni, angekündigt hatte. Warum aber<br />
dieser Aktionismus, warum das in -<br />
kauf neh men einer Verhaftung?<br />
Klarsfeld, 1939 <strong>als</strong> Beate Künzel in<br />
Ber lin geboren, ging 1960 <strong>als</strong> Au-pairmädchen<br />
nach Paris. 1963 heiratete sie<br />
Serge Klarsfeld, der Jude und dessen<br />
Vater in Auschwitz ermordet worden<br />
war. „Ich habe ihm in seinem Kampf ge -<br />
hol fen. Wir haben gemeinsam Dokumen -<br />
ta tionen verfasst, hatten viel Kenntnis,<br />
wir haben Broschüren veröffentlicht, Vor -<br />
träge gehalten, Dokumente aufgespürt.<br />
Wir haben aber gemerkt, dass das nichts<br />
bringt. Also stand die Entscheidung an:<br />
entweder wir hören auf – oder wir ändern<br />
die Mittel.“<br />
Sie entschieden sich für letzteres. „Wir<br />
haben gewusst, die Presse berichtet, wenn<br />
es einen Skandal gibt. Und dann ist sie<br />
auch verpflichtet, etwas über die Hin ter -<br />
gründe zu schreiben.“ mit der Ohr fei ge<br />
für Kiesinger kam Klarsfeld in die<br />
Schlagzeilen. Gleichzeitig wur de über<br />
die frühere nSDAP-Zuge hö rig keit<br />
des Bundeskanzlers berichtet. Das<br />
Ehe paar Klarsfeld hatte sein Ziel er -<br />
reicht.<br />
Wie schrecklich es im Gefängnis ge we -<br />
sen ist: das bekommt man von Klars -<br />
feld nicht zu hören. „Man weiß, warum<br />
man hineingeht. Man weiß, dass man das<br />
riskiert. Man ist stolz, wenn man da durch<br />
etwas erreicht.“´<br />
1968: da war allerdings auch schon ihr<br />
Sohn Arno auf der Welt (geb. 1965).<br />
ihre Tochter Lida-myriam wurde 1973<br />
geboren. Wie geht das zusammen,<br />
trotz der Verantwortung für ein kleines<br />
Kind, eine Haftstrafe zu riskieren?<br />
„Ich hatte eine wunderbare Schwieger -<br />
mut ter“, erzählt Klarsfeld. „Sie hat<br />
ihren Mann im KZ verloren. Sie hat uns<br />
sehr geholfen, hat sich um die Kinder ge -<br />
kümmert. Sie war eine große Stütze.“<br />
Die Kinder seien in das Engagement<br />
der Eltern aber schon sehr früh involviert<br />
worden. Arno war bei Wahl -<br />
kämp fen dabei, später hat er sich<br />
selbst in Frankreich gegen den rechts -<br />
ex tremen Politiker Jean-maria Le Pen<br />
gestellt. Als er bei einem Auftritt des<br />
Rechtspopulisten eine T-Shirt mit der<br />
Aufschrift „Le Pen est nazi“ trug, wur -<br />
de er vom Leibwächter geschlagen,<br />
berichtet die mutter nicht ohne Stolz.<br />
Heute ist der Sohn Berater von Frank -<br />
reichs Premierminister François Fil lon.<br />
40 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Als dieses interview geführt wurde,<br />
Ende Januar, befand er sich gerade im<br />
Erdbeben-geschüttelten Haiti.<br />
Beate und Serge Klarsfeld haben durch<br />
ihre Beharrlichkeit einige nS-Ver bre -<br />
cher aufgespürt, darunter auch Klaus<br />
Barbie. 1972 hatten sie seinen Aufent -<br />
haltsort in Bolivien aufgedeckt. Barbie<br />
war für die Deportationen von Kin -<br />
dern aus dem maison d’izieu verantwortlich.<br />
Klarsfelds Engagement ist<br />
auch die Gründung der dortigen Ge -<br />
d enkstätte zu verdanken. „Ich habe<br />
Mütter kennen gelernt, die ihre Kinder in<br />
Izieu verloren haben. Ich habe viel Zeit<br />
mit diesen Müttern in Hotels ver bracht,<br />
gesehen, wie gezeichnet sie wa ren. Das<br />
haben sie nicht verdient.“<br />
Klarsfeld betont dabei, dass sie niem<strong>als</strong><br />
aus Rache gehandelt hat. „Es ist<br />
mehr ein Gefühl, dass es Gerechtigkeit<br />
geben muss.“<br />
in ihrer Arbeit hätten sie und ihr mann<br />
sich stets ergänzt, sagt sie, „er <strong>als</strong> französischer<br />
Jude, dessen Vater in Au schwitz<br />
gestorben ist, ich <strong>als</strong> Deutsche“. Eine<br />
große infrastruktur habe es nie gegeben.<br />
Dafür eine große Liebe zu israel.<br />
mit den Kindern, <strong>als</strong> sie noch klein wa -<br />
ren, hat sie stets einen monat im Jahr<br />
in einem Kibbuz in israel verbracht,<br />
ein mal auch einen Ulpan (Sprach kurs)<br />
absolviert, sie sind durch das Land<br />
gereist. Kennengelernt hat sie dabei<br />
auch die maßgeblichen Poli ti ker des<br />
Landes, allen voran Golda meir.<br />
Ein Übertritt zum Judentum ist für sie<br />
dennoch nie zur Diskussion ge stan -<br />
den. „Nein, ein Übertritt war für mich<br />
nie ein Thema. Das wollten die Is ra elis<br />
auch nicht, denn meine Arbeit wä re wertlos<br />
geworden, <strong>als</strong> Jüdin.“ Der Sohn, ob -<br />
gleich halachisch nicht jüdisch, fei er te<br />
aber in israel seine Bar mitzwa. Er ist<br />
auch israelischer Staatsbürger und war<br />
vor einigen Jahren „bei der israelischen<br />
border police“. Serge Klarsfeld hat die<br />
französische, die is ra elische und die<br />
rumänische Staats bürgerschaft.<br />
Das Kämpfen hat Klarsfeld über all<br />
die Jahre nicht verlernt. Zuletzt setzte<br />
sie sich gegen den Chef der Deut schen<br />
Bahn, Hartmut Mehdorn durch. in<br />
Frank reich war drei Jahre lang auf 18<br />
Bahnhöfen eine Wanderausstel lung zu<br />
sehen gewesen, die Bilder von zwischen<br />
1942 und 1944 deportierten jü -<br />
dischen Kindern zeigte. Sie fußte auf<br />
KULTUR • INLAND<br />
dem vom Ehepaar Klarsfeld herausgegebenen<br />
Gedenkbuch, in dem die<br />
namen von über 80.000 Opfern der<br />
Verfolgung von Juden in Frank reich<br />
während der nS-Zeit verzeichnet sind.<br />
Penibel machten sie sich hier auch auf<br />
die Suche nach Fotos von den deportierten<br />
Kindern. mehdorn lehnte eine<br />
ähnliche Schau in Deutschland ab, ar -<br />
gumentierte, das Thema sei zu ernst,<br />
<strong>als</strong> dass man sich „Brötchen kauend“<br />
am Bahnsteig da mit beschäftigen<br />
dür fe. „Mehdorn musste schließlich klein<br />
beigeben“, sagt Klarsfeld ganz nüchtern.<br />
„Nun ist die Ausstellung seit zwei<br />
Jahren zu sehen.“<br />
Kritik musste Klarsfeld aber auch von<br />
unerwarteter Seite einstecken: so fand<br />
es Simon Wiesenthal, selbst hinter nS-<br />
Kriegsverbrechern hinterher, „nicht<br />
wür dig, dass man einen Mann wie Kie -<br />
sin ger ohrfeigt“. „Er hatte einfach eine<br />
an de re Methode. Er hätte eine Pres se kon -<br />
fe renz einberufen.“ Wiesenthal habe<br />
grund sätz lich „anders gearbeitet <strong>als</strong><br />
wir“. „Wir sind dorthin gefahren, wo die -<br />
se Kriegs ver brecher waren. Er hat sich<br />
nicht vor Ort begeben.“<br />
Klarsfeld reiste etwa nach Chile und<br />
Pa raguay, um auf die dort vermuteten<br />
nS-Kriegsverbrecher Walter Rauff<br />
und Josef Mengele aufmerksam zu ma -<br />
chen. Den in Syrien lebenden Alois<br />
Brunner konnte sich nicht ausforschen,<br />
er wurde aber immerhin 2001<br />
in Abwesenheit zu lebenslanger Haft<br />
verurteilt. ihm wird die Ermordung<br />
von 130.000 Juden angelastet.<br />
Am Fall Brunner sehe man auch, „dass<br />
Österreich im Vergleich zu Deutschland<br />
sehr wenig getan hat“, so Klarsfeld. „Der<br />
Druck war hier einfach nicht stark ge -<br />
nug.“ Zu lange habe es geheißen, „wir<br />
waren nicht verantwortlich, wir wurden<br />
dazu gezwungen“. Doch auch in diese<br />
Wunde hat die Familie Klarsfeld ihre<br />
Finger gelegt: <strong>als</strong> es anlässlich des<br />
Papstbesuchs in den achtziger Jahren<br />
zu einem Zusammentreffen des<br />
Oberhaupts der katholischen Kirche<br />
mit dem damaligen Bundespräsident<br />
Kurt Waldheim kam, mieteten sie ein<br />
Hotelzimmer gegenüber des Ste phans -<br />
doms. Sohn Arno trug eine Uniform,<br />
die jener Waldheims im Zweiten<br />
Weltkrieg entsprach, jemand anders<br />
war <strong>als</strong> Papst verkleidet. Die Exe -<br />
kutive zeigte sich nicht amüsiert. Wie<br />
die Sache ausging? mit einer Verhaf -<br />
tung.<br />
Marko Feingold mit<br />
„Kurt-Schubert-Gedächt nis preis“<br />
ausgezeichnet<br />
Österreichs Kir che hat ei nen besonderen<br />
Auftrag zum Auf tre ten gegen An -<br />
tisemitismus und für den christlichjüdischen<br />
Dialog. Das war der Tenor<br />
bei der Verleihung des ersten „Kurt<br />
Schubert Gedächtnis prei ses für interreligiöse<br />
Verstän di gung“ an Hofrat<br />
Marko Feingold, den Präsident der is -<br />
ra elitischen Kultusge meinde Salz -<br />
burg, in Wien.<br />
Feingold, der heuer 97 Jahre alt wird,<br />
war Häftling in den Konzen tra ti ons -<br />
la gern Auschwitz, neuengamme, Da -<br />
chau und Buchenwald. nach Kriegs -<br />
ende engagierte er sich in der Hilfe für<br />
Kriegsflüchtlinge und beim Wieder -<br />
auf bau der jüdischen Gemeinde in<br />
Salzburg, wobei er sich besonders um<br />
die integration von Flüchtlingen aus<br />
Osteuropa bemühte. Als Zeitzeuge hat<br />
er vor unzähligen Schülern und Er -<br />
wachsenen gesprochen.<br />
Schon in den 1960er-Jahren begann<br />
sich Feingold für den christlich-jüdischen<br />
Dialog zu engagieren, wobei<br />
zuerst der Salzburger Stadtpfarrer<br />
Prä lat Franz Wesenauer sein katholischer<br />
Partner war. Seit 1977 ist er Prä -<br />
si dent der iKG-Salzburg.<br />
Der „Kurt Schubert Gedächtnispreis“<br />
wurde Feingold von der Vizepräsi den -<br />
tin der Österreichischen Aka de mie<br />
der Wissenschaften (ÖAW), Prof. Sig rid<br />
Jalkotzy-Deger, überreicht. An der Preis -<br />
verleihung nahmen auch Bi schof Egon<br />
Kapellari, der evangelische Altbischof<br />
Herwig Sturm, der Präsi dent des Ökumenischen<br />
Rats der Kir chen, Bi schofs -<br />
vikar Nicola Dura, der Präsi dent der<br />
islamischen Glau bens ge mein schaft<br />
Ös terreichs, Prof. Anas Schak feh, und<br />
der Gener<strong>als</strong>ekretär der israelitischen<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong>n, Rai mund Fasten -<br />
bau er, teil.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 41
Humor ist eine sehr ernste Sache: viele gescheite men -<br />
schen haben sich mit dem Humor höchst wissenschaftlich<br />
und sehr ernsthaft beschäftigt – was sicher auch gut ist.<br />
ich glaube aber, dass es völlig egal ist, ob man ein theoretisches<br />
Wissen zu diesem Thema hat oder nicht – wichtig<br />
ist die Einstellung! Und zwar die Einstellung zu den mit -<br />
menschen und die Einstellung zum eigenen Leben <strong>als</strong> so -<br />
zi alem Wesen.<br />
Humor haben heißt: ein kleines Augenzwinkern weil, ein<br />
Sich-nicht-Ernst-nehmen dort, ein liebevolles necken, ein<br />
Auf-den-Kopf-Stellen von bisherigen Realitäten.<br />
Humor heißt weiters: einschätzen zu lernen, wann man<br />
was wem sagen kann und wann man es besser sein lässt.<br />
Und das Wichtigste – wann und wie man loslassen soll.<br />
Das Lachen hat nur einen Nachteil<br />
– es kann einem die ganze schlechte Laune verderben!<br />
Witz <strong>als</strong> Konflikten Schmieröl:<br />
Manchmal kann man ziemlich „komplizierte“ Botschaf ten mit<br />
Humor ein bisschen mildern.<br />
Ein Vater muss eine komplizierte Operation machen lassen und<br />
er lässt diese von seinem Sohn, einem be kannten Chi rurgen,<br />
durchführen. Als man ihm schon die Narkose ver ab reicht, winkt<br />
er seinen Sohn näher heran und flüstert ihm zu: „Wenn mir während<br />
diese Ope ration etwas passiert, zieht die Mama zu dir um“...<br />
Humor ist jedoch die Gabe, niCHT bei jeder Gelegenheit<br />
einen Witz zu machen, sondern sich dem Gegenüber<br />
freundlich, wertschätzend, liebevoll zu verhalten und in<br />
die ses Verhalten „schräge“ Sichtweisen, überraschende<br />
Gedankengänge und liebevolles necken einzubauen.<br />
Die meisten, die sich an mich wenden (Beratung, Coa -<br />
ching, Seminare), kommen mit einer Bitte: Sie möchten<br />
mehr Lebensfreude finden. Der Wunsch nach ein bisschen<br />
mehr Energie, mehr Enthusiasmus, Glanz in den Au gen ...<br />
Und was tun viele von uns? Jammern und Klagen („Wie<br />
geht’s?“ - „Danke, ich kann nicht genug klagen!“)<br />
Wenn wir in die Opferrolle rutschen – hilft es? Wann ha ben<br />
wir zum letzten mal gelacht, von ganzem Herzen, ohne<br />
da ran zu denken, was die Leute sagen werden? Wann<br />
haben wir zuletzt das innere Kind in uns gefühlt?<br />
Ja, Humor ist nicht nur ein Gewürz, es ist ein Lebenselixier.<br />
KULTUR • INLAND<br />
Bitte diesen Artikel nicht lesen!<br />
Sie werden sicher verstehen, dass ich nun ziemlich enttäuscht von ihnen bin.<br />
Da Sie diese einfache Aufforderung offensichtlich nicht verstanden haben, wie<br />
soll ich dann erwarten, dass Sie meinen komplizierten Ausführungen zum<br />
Thema „Humor“ folgen können?<br />
Zunächst möchte ich mich aber vorstellen:<br />
mein name ist Jacob Klein, ich lebe abwechselnd<br />
in israel und in Österreich.<br />
ich bin ein international bekannter und erfahrener<br />
Jammerträner und gerichtlich beeideter Sachver -<br />
stän diger für Jammerlappen und beschäftige mich<br />
sehr viel mit dem Thema Humor – wie Sie ja an die -<br />
sem netten freundlichen Foto gleich sehen können!<br />
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Ob man an ihn<br />
glaubt oder nicht<br />
Mira Magéns Familienroman<br />
„Die Zeit wird es zeigen“<br />
VON ANITA POLLAK<br />
© Nati Shohat/Flash90<br />
Ein endloser Sommer am Strand von<br />
Tel Aviv. Eine imbissbude. Espresso,<br />
Drinks, Eis am Stiel. Omeletts werden<br />
gebraten, Salat wird geschnitten. Wer<br />
je dort war, kann den Schauplatz ab ru -<br />
fen. Vorn das meer, hinten die Stadt,<br />
dazwischen der Strand. men schen,<br />
normale und verrückte, normal Verrück<br />
te.<br />
Genau hier, im grellen Sonnenlicht,<br />
lässt mira magén das Schicksal zu -<br />
schlagen. nein, das Wort Schicksal<br />
kommt gar nicht vor auf den 400 Sei -<br />
ten ihres Familienromans. immer ist<br />
es Gott und sein Walten, ob man an<br />
ihn glaubt oder nicht. Und ob man an<br />
ihn glaubt oder nicht, das ist hier im -<br />
mer wieder die Frage, die sie einander<br />
stellen, die Geschlagenen.<br />
Die dreizehnjährige Anna zum Bei -<br />
spiel. Eine Sekunde Sauerstoff hat ih -<br />
rem Gehirn gefehlt bei der Geburt.<br />
Un schuldig trägt sie an den Folgen,<br />
kann ihre Bewegungen nicht wirklich<br />
koordinieren, ihre Beine nicht ganz be -<br />
herrschen. Unschuldig wird sie selbst<br />
schuldig. Sie fährt Fahrrad, was sie ihr<br />
verboten ist, und ihr kleiner Bruder<br />
KULTUR • LITERATUR<br />
Tom fällt ihr in rasender Fahrt vom<br />
Ge päckträger. Eine schwere Schädel -<br />
verletzung, an deren Folgen er wiederum<br />
zu tragen haben wird. Und Anna<br />
an ihrem Geheimnis, an ihrer Schuld,<br />
die sie noch unsicherer, noch scheuer<br />
werden lässt. Die ganze Familie wird<br />
damit aus der Bahn geworfen, ihr<br />
ohnehin nicht leichtes Leben noch um<br />
einiges schwerer.<br />
Den Sommer über kommen Cheli und<br />
mike alljährlich aus ihrer Wohnung<br />
bei Jerusalem an den Strand, bewirtschaften<br />
da die kleine imbissbude und<br />
schlafen gleich neben der Küche in ei -<br />
ner Baracke mit ihren Kindern Anna<br />
und Tom. Tochter naomi, eine zwölfjährige<br />
Lolita, haben sie zur Tante in<br />
eine fromme Siedlung geschickt. ihre<br />
Schönheit scheint den Eltern zu ge -<br />
fähr lich an diesem Strand. Doch die<br />
Gefahren lauern eben anderswo.<br />
Die Tragödie einer kleinen Familie<br />
wird für mira magén Anlass für große<br />
Fragen. Fragen, die verschiedentlich<br />
die israelische Gesellschaft von heute<br />
be wegen und spalten. Und diese Grä -<br />
ben gehen quer durch die Familien.<br />
Cheli und mike sind ein lebenslustiges,<br />
leidenschaftliches, lieben des Paar.<br />
ihrer sehr offenen Ehen können gelegentliche<br />
Seitensprünge nichts anhaben.<br />
Und eine mehr oder minder la -<br />
ten te Erotik schwingt da in fast allen<br />
menschlichen Beziehungen mit. Anna,<br />
deren Körper dünn und unentwickelt<br />
ist, fühlt sich von Edisso, dem fünfzehnjährigen<br />
äthiopischen Helfer in<br />
der imbissbude, angezogen, mike darf<br />
der Versuchung in den drallen For -<br />
men einer Strandschönheit erliegen,<br />
dafür liegt Cheli gelegentlich in den<br />
tä towierten Armen eines Fischers. ih re<br />
Schwester Sara dagegen lebt ein religiöses<br />
Siedlerleben - für ihre sieben<br />
Kinder, ihren betenden mann, für Gott,<br />
Erez israel und die besetzten Gebiete.<br />
ihre achte Schwangerschaft betrachtet<br />
sie auch <strong>als</strong> eine militärische Ver pflich -<br />
tung der Gebärmutter. mit drei Kin -<br />
dern, wie sie Cheli hat, könne die Zu -<br />
kunft der nation nicht gesichert werden.<br />
Aber sogar Sara erreicht der Sex<br />
Appeal ihres Schwagers, der sich<br />
über die Frömmigkeit empört.<br />
„Wie seid ihr doch alle zu Gottes Ro bo -<br />
tern geworden, mit Gottes Hilfe, wenn<br />
Gott will, und alles Schlechte hat auch ein<br />
Gutes (…) all diese zweihundert Sprü -<br />
che. Ich bin Mike Chajat, ein einfacher<br />
Mensch, und ich frage dich. Sara, meine<br />
liebe Schwägerin, ist dir die Welt nicht<br />
manchmal zu eng? Willst du nicht manch -<br />
mal einfach schreien?“<br />
Und dann ist da quasi noch ein Ras -<br />
senproblem in Form des schwarzen<br />
Edisso, der den Laden zuweilen alleine<br />
schupft, während die Eltern sich<br />
am Spit<strong>als</strong>bett des bewusstlosen Tom<br />
ablösen. Edisso, den Gott geschickt<br />
hat, wie sogar der ungläubige mike<br />
zu geben muss, versorgt daheim auch<br />
noch seine eigenen kleinen Ge schwister,<br />
der Vater sitzt im Gefängnis. Eine<br />
äthiopische Familie im sozialen Abseits,<br />
die Underdogs der israelischen<br />
Gesellschaft.<br />
Es ist die Kunst mira magéns alle die -<br />
se Probleme anzuleuchten, die ganz<br />
verschiedenen milieus auszuleuchten,<br />
vom hellen Strandleben bis in die<br />
dunklen Gänge einer Reha-Klinik,<br />
alle diese menschen genauestens zu<br />
beobachten und liebevoll zu zeichnen,<br />
ohne zu richten. Ein biblisches Zitat<br />
aus Jeremia, der mit der Gerechtigkeit<br />
des Herrn rechtet, hat sie ihrem Ro -<br />
man <strong>als</strong> motto vorangestellt. Und wie<br />
bei Hiob steht diese Frage hinter und<br />
zwischen allen seinen Zeilen. „Die<br />
Zeit wird es zeigen“. Damit besteht<br />
noch Hoffnung. Und das ist mehr <strong>als</strong><br />
uns israelische Autoren in der letzten<br />
Zeit gönnten.<br />
Mira Magén<br />
„Die Zeit wird es zeigen“<br />
Aus dem Hebräischen<br />
von Mirjam Pressler.<br />
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ZUR AUTORin<br />
Mira Magén wurde Anfang der<br />
50er Jahre in ein orthodoxes milieu<br />
in Kfar Saba geboren. Sie studierte<br />
Psychologie, heiratete, bekam Kin -<br />
der und ergriff verschiedene Beru fe,<br />
u. a. Lehrerin und Kranken schwes -<br />
ter, bis sie Schriftstellerin wurde.<br />
Bereits ihr erster Roman „Klopf<br />
nicht an diese Wand“, war in israel,<br />
wo magén höchste Anerkennung<br />
genießt, ein Bestseller.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 43
©media wien PID<br />
Courage, Respekt und Toleranz: Als<br />
Historiker, die Anfang der 90er Jahre<br />
die Grundlagen vieler weiterer Res ti -<br />
tutionsverhandlungen schufen bzw.<br />
be förderten, hätten sich beide Wis sen -<br />
schaftler, so Kulturstadtrat Andreas<br />
mailath-Pokorny im Rathaus, „große<br />
Verdienste für Wien, aber auch für die<br />
Gesellschaft erworben.“<br />
HR Dr. Avshalom Hodik, langjähriger<br />
Ge ner<strong>als</strong>ekretär der israelitischen Kul -<br />
tusgemeinde, wurde für seine Ver -<br />
dien ste mit der Ehrenmedaille der<br />
Bun des hauptstadt Wien in Silber, HR<br />
Dr. Hu bert Steiner vom Österreichischen<br />
Staats archiv mit dem Silbernen Eh ren -<br />
zeichen für Verdienste um das Land<br />
Wien in Anwesenheit vieler Fest gäste<br />
geehrt.<br />
Hodik wie auch Steiner spielten An -<br />
fang der 90er Jahre, <strong>als</strong> die Aufarbei -<br />
tung der Akten der ehemaligen nS-<br />
Ver mögensverkehrsstelle von Steiner<br />
und seinem Team durchgeführt worden<br />
war (1993), eine wichtige Rolle für<br />
die Einleitung nachfolgender Restitu -<br />
tionsverfahren, wie auch dabei, die<br />
„lange Zeit übertünchter Brüche und Ver -<br />
werfungen“ (Pokorny) in Sachen Ös ter -<br />
reichs Stellung in der nS-Zeit offenzulegen.<br />
KULTUR • INLAND<br />
Hohe Ehrungen für Historiker<br />
Avshalom Hodik und Hubert Steiner<br />
„Es war keine leichte Zeit, auch nicht für<br />
die eigene Familie“, erinnerte sich Stei -<br />
ner in seiner Dankesrede, in der er mit<br />
einer Schweige mi nu te an die Be frei -<br />
ung des KZ Au schwitz durch die Rote<br />
Armee am 27. Januar 1945 er in nerte.<br />
nach der Waldheim-Af färe mit te der<br />
80er Jahre war es die Re gie rung Vra -<br />
nitzky -Pokorny arbeitete dam<strong>als</strong> im<br />
Kabinett des Bun des kanz lers-, wel che<br />
die „Opferrolle“ Österreichs hin ter -<br />
fragte und mit der Rück gabe ge raub ten<br />
jüdischen Pri vat ver mö gens, etwa je -<br />
ner Güter, die in der Kartause mau -<br />
erbach aufbewahrt wur den, be gann.<br />
Auch die Stadt Wien ha be, so Pokor -<br />
ny weiter, in den darauf folgenden<br />
Jah ren ihre historischen Bestände ge -<br />
sichtet: Von den rund 60.000 Ob jekten<br />
wurden bislang etwa 5.000 Objek te an<br />
Erben zurück gegeben. Einen Schluss -<br />
strich setzen wol le er nicht, so Po kor -<br />
ny, „die For schung müsse weiter gehen.“<br />
in Rich tung Hodik hob der Stadtrat<br />
hervor, dass dieser maßgeblich an der<br />
Wiederbelegung eines lebendigen,<br />
selbstbewussten jüdischen Lebens in<br />
Wien mitgewirkt habe. Ähnlich äußer -<br />
te sich auch Lorenz Mikoletzky, Leiter<br />
des Österreichischen Staatsarchives,<br />
der die Laudatio für Hodik hielt. „Vie -<br />
les sei hinter dem Vorhang geschehen“,<br />
erinnerte mikoletzky, der auch an das<br />
reiche wissenschaftliche Schaffen des<br />
Geehrten erinnerte, „welches sicherlich<br />
noch weitergehen werde.“<br />
Für „jenen kleinen Mann mit Schnurr -<br />
bart“ - diese Beschreibung über Hu -<br />
bert Steiner stammt von Ari Rath, der<br />
durch eine Verletzung die Laudatio<br />
nicht halten konnte - übernahm der<br />
Regisseur Herbert Gantschacher die<br />
Laudatio. in engagierten Worten, die<br />
an das Fortleben von Antisemitismus<br />
in der Gegenwart erinnerten, betonte<br />
Gantschacher das große Engagement<br />
des Historikers im Staatsarchiv, der<br />
„sachlich und präzise“ die Raubzüge<br />
an zehntausenden verfolgten jüdischen<br />
mitbürgern aufgearbeitet, und<br />
das Ergebnis 1993 unter dem Titel<br />
„Recht <strong>als</strong> Unrecht“ publiziert habe.<br />
Avshalom Hodik - Geboren <strong>als</strong> Fritz<br />
Peter Hodik am 2. April 1944 in Wien,<br />
studierte Hodik an der Universität Wien<br />
Geschichte und Judaistik, unter anderem<br />
auch bei Kurt Schubert. Das Studium<br />
schloss er 1972 mit einer Dissertation über<br />
die Geschichte der Mattersburger Ju den -<br />
ge meinde ab. Im Jahr 1982 wurde Hodik<br />
General se kre tär der <strong>Israelitische</strong>n Kultus -<br />
gemeinde (IKG). Eine enge Freundschaft<br />
zu Si mon Wiesenthal und sein Engage -<br />
ment für dessen „Bund jüdischer Ver folg -<br />
ter des Naziregimes“ führten dazu, dass<br />
sich Hodik für den Nachlass Wie sen th<strong>als</strong><br />
für die Forschung einsetzte bzw. für die<br />
Schaffung des „Wiener Wie sen thal In sti -<br />
tut für Holocaust-Stu dien“ eintrat. Im<br />
Früh jahr 2006 ging Hodik <strong>als</strong> General se -<br />
kretär der Kul tus gemeinde in Pension.<br />
Hubert Steiner - Steiner wurde am 28.<br />
Sep tember 1957 in Klagenfurt ge boren. In<br />
Graz studierte er Ge schich te, Alte Ge -<br />
schich te und Altertums kun de. Das Stu di -<br />
um beendete er mit einer Dis sertation über<br />
Klagenfurt im Ers ten Weltkrieg. Im Jahr<br />
1987 trat Stei ner in das Österreichische<br />
Staats ar chiv ein, wo er den Bestand „Fi -<br />
nanzen“ im Archiv der Republik betreut.<br />
Neben seiner Aufarbeitung der Akten der<br />
NS-Vermögensverkehrsstelle arbeitete<br />
Stei ner in den Jahren 1998 bis 2003 auch<br />
bei der Österreichischen Historiker kom -<br />
mis sion mit. Steiner ist Träger der Fried -<br />
rich-Torberg-Medaille der Israeliti schen<br />
Kul tusgemeinde (1999), wie auch des Gol -<br />
denen Ehrenzeichens für Verdienste um<br />
die Republik Österreich (2002).<br />
44 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
Überall & Nirgendwo<br />
P. Weinberger<br />
Zur Zeit sind die medien voll mit Berichten über 10 Jahre<br />
Schwarz-Orange-Blau (s.o.b. 1 ). Bilder werden gezeigt:<br />
vom Exkanzler Schüssel mit der Königskobra, pardon,<br />
Vizekanzlerin Riess-Passer; am Opernball tanzend, im<br />
Tiergarten Schönbrunn Kamele taufend. Vergessen sind<br />
die Donnerstagsdemonstrationen, die EU-Sanktionen, die<br />
im Grunde nur eine gewaltige „mir san mir“ Reaktion<br />
im inland hervorgerufen haben und im Ausland das Bild<br />
vom hässlichen Österreicher massiv verstärkten. Zur Er -<br />
innerung: zwischendurch hat es noch eine von der sich<br />
tragend fühlenden Partei durch vorzeitige Wahlen er -<br />
zwun gene Umschichtung der parlamentarischen mehr -<br />
heiten gegeben, s.o.b. stand plötzlich nur mehr für<br />
„schwarz ohne blau“. Allerdings mit Orange und mit<br />
freundlichen Grüßen von der Ersten Republik.<br />
Vielleicht, schon alleine, weil sich zurzeit so manche Tra -<br />
gende wieder zu Blau hingezogen fühlen, ist es in der Tat<br />
angebracht, an die großen Errungenschaften des s.o.b.<br />
Jahrzehnts zu erinnern, schließlich sind die Folgen im -<br />
mer noch spürbar. Die Universitäten wurden zum Bei spiel<br />
ausgegliedert und die nunmehr fälligen mieten an die<br />
BiG 2 <strong>als</strong> Erhöhung der Forschungsquote ausgegeben.<br />
Über dies wurde ihnen eine neoliberale „Leistungsbi lanz“<br />
aufgezwungen, die vor allem ein überdurchschnittliches<br />
Anwachsen an Verwaltungspersonal hervorgerufen hat,<br />
und <strong>als</strong> Leistungsbilanz kaum internationalen maß stä -<br />
ben gerecht wird. im Gegenteil, die letzte von der Times 3<br />
noch unter den besten 200 angeführte österreichische Uni -<br />
ver sität, nämlich die Universität Wien, (2009: Rang 132,<br />
2008: Rang 115) rutscht Jahr für Jahr weiter nach hinten,<br />
spätestens 2012 dürfte sie geschafft haben, nicht mehr un -<br />
ter den ersten 200 erwähnt zu werden. Aber dafür wurde<br />
der lang gehegte Wunsch nach Studiengebühren verwirklicht,<br />
die wiederum letztlich bloß zum Budgetlöcher Stop -<br />
fen verwendet wurden. Eine iT-geschniegelte, mit dem<br />
Geist von vor 1968 versehene mentalität beherrscht nun<br />
die Universitäten: aus der ehemaligen Ordinarienuni ver -<br />
sität ist über Umwege eine (neoliberale) Rektoren uni ver -<br />
si tät geworden.<br />
insbesondere Ausgliedern und Absiedeln stellte sich <strong>als</strong><br />
me dial gut verkaufbare masche dar. Staatliche insti tu ti -<br />
onen wurden in Privatbüros verfrachtet und die ur sprüng -<br />
lichen immobilien, vor allem im Ersten Bezirk, verkauft.<br />
nachträglich zeichnet sich ab, dass so mancher in den<br />
Transaktionen dazu ein Braunbär war, der nunmehr mit<br />
von Honig verschmierten Tatzen dasteht und geduldig<br />
auf eine Hausdurchsuchung warten muss. Die „Reform<br />
der Exekutive“ diente insbesondere einer österreichwei-<br />
KULTUR • INLAND<br />
s. o. b.<br />
ten Umfärbeaktion, genauso wie die „Reform“ der ÖBB,<br />
des Hauptverbandes der österreichischen Sozialver si -<br />
che rungsträger, die „Entpolitisie rung“ der ÖiAG, deren<br />
wirtschaftliches Verständnis am besten mit den glänzenden<br />
wirt schaft lichen Erfolgen der AUA dokumentierbar<br />
ist. Selbst in den kleinsten institutionen herrschte das<br />
Prinzip „Enrichez Vous“. in Seibersdorf zum Beispiel<br />
wurden ganze Abteilun gen mit couleurgerechten Leuten<br />
besetzt und großzügige Vorstandsverträge vergeben.<br />
Die vielleicht entscheidendste (leider vermutlich lang an -<br />
haltende) Veränderung hat sich im ontologischen Be reich<br />
des Landes, in der „österreichischen Seele“, ergeben. Eine<br />
gigantische, bis in die letzten Tage von s.o.b. kräftig ge -<br />
för derte („Eliteuniversität“) Verprovinziali sie rung hat das<br />
Land erfasst, dessen Sprache, Symbolik und Gestik nunmehr<br />
ungerührt an nazidiktion anstreifen4 , in dessen Par -<br />
lament einer der Präsidenten mehr <strong>als</strong> rechtes Gedan ken -<br />
gut amtlich pflegt, und in dem, wie das Beispiel Kärnten<br />
zeigt, das politische Prinzip von „mit voller Hose ist gut<br />
stinken“ fröhliche Urstände feiert. Soweit orange blau<br />
(s.o.b.).<br />
Und Positives hat es nicht gegeben? Zum Beispiel die Ent -<br />
schädigung von nS-Zwangsar bei tern? Die Restitutions -<br />
ver handlungen? Aber ja, denn zum Glück war der internationale<br />
Druck schon so groß geworden, dass ein „ich<br />
bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen“ nicht mehr<br />
toleriert wurde. Und <strong>als</strong> eine nach außen hin gerichtete<br />
Ablenkung waren längst fällige „Zugeständnisse“ allemal<br />
noch gut. Dass dahinter nicht nur Gutmenschen<br />
stan den und das Prinzip „aussitzen“ plötzlich nicht über<br />
Bord geworfen war, lässt das Beispiel der nach new York<br />
ausgewanderten Klimtschen goldenen Adele vermuten.<br />
Ohne latent hervorgekehrte provinzielle Bamstigkeit<br />
hät ten wahrscheinlich offene, freundschaftliche Ge sprä -<br />
che, zum rich tigen Zeitpunkt geführt, autochtone Schä -<br />
big keit von der Österreichischen Galerie im Belvedere<br />
ab gewendet. Sie, die Adele, hänge vermutlich immer noch<br />
dort. Als Zeitzeugin ehem<strong>als</strong> großbürgerlich jüdischer<br />
Werte. Stattdessen beherrscht in den lauten medien eine<br />
unerträglich gewordene Seitenblickegesellschaft mit<br />
seichten oder banalen (s.o.b.) Wortspen den die Öffentlichkeit.<br />
Eine allumfassende Fionisierung ist offenbar das<br />
bedeutendste Erbe nach Schwarz-Orange-Blau geworden.<br />
Unverschüsselt!<br />
1 Copyright: G. Traxler, Der Standard<br />
2 Bundesimmobiliengesellschaft<br />
3 Times Higher Education-QS World University Rankings 2009,<br />
TOP 200 WORLD UniVERSiTiES, 7. Oktober 2009<br />
4 Beispiel gewünscht? Hund mit Judenstern mit der Aufschrift<br />
„Böse“ <strong>als</strong> Protest gegen „Rassismus bei Hunden“, siehe<br />
Heute, 4. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 45
JUDENTUM<br />
Adar 5770<br />
(15. <strong>Februar</strong> - 15. März <strong>2010</strong>)<br />
Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />
Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />
Der Monat Adar, der letzte Monat des religiösen Jahres, hat immer 29 Tage. In einem Schaltjahr wird<br />
ein zusätzlicher Monat Adar („Adar Rischon“) dem eigentlichen Monat Adar, der dann „Adar Scheni“ ge -<br />
nannt wird, vorgeschoben. Nächstes Jahr wird dies wieder der Fall sein. Der Schaltmonat wird „vorge -<br />
schoben“, das bedeutet, dass, wie wir in der Mischna lernen, alle Ereignisse, die sich normalerweise im<br />
Monat Adar jähren, in einem Schaltjahr erst im „Adar Scheni“ stattfinden (Mischna Megilla 1:4).<br />
1. Adar (15. <strong>Februar</strong>)<br />
• An diesem Tag vor 3323 Jahren, sechs Wochen<br />
vor dem Auszug der Kinder Jisraels aus Ägypten,<br />
brach die neunte der berühmten „Zehn Plagen“<br />
über Ägypten herein: Undurchdringliche Dunkel -<br />
heit.<br />
• Jahrzeit des bis heute massgebenden Hala -<br />
chis ten Rabbiner Schabsai HaKohen Katz, be kannt<br />
nach dem Akronym seines Werkes Sifsei Kohen<br />
- „SchaCh“, der vor ungefähr 347 Jahren starb.<br />
• Jahrzeit des berühmten Torah Kommentators<br />
Rabbi Awraham Ibn Esra (ca. 1089-1164)<br />
3. Adar (17. <strong>Februar</strong>)<br />
• Einweihung des Zweiten Jerusalemer Tempels<br />
(Beit HaMikdasch) vor 2525 Jahren, der unter der<br />
Aufsicht von Esra nach der Rückkehr aus dem<br />
Babylonischen Exil nach vier jähriger Bauzeit<br />
fertiggestellt worden war.<br />
4. Adar (18. <strong>Februar</strong>)<br />
• 14 Jahre nach seinem Tod, wurden die sterbli -<br />
chen Überreste, des in Geiselhaft in Wasser burg<br />
bei München bereits 1393 verstorbenen Rabbi Meir<br />
ben Boruch Rothenburg (Maharam von Ro then -<br />
burg) von dem Frankfurter Geschäftsmann Ale xan -<br />
der ben Schlomo Susskind Wimpen freigekauft<br />
und auf den jüdischen Friedhof von Worms überführt.<br />
König Rudolf I. hatte Rabbi Meir festnehmen<br />
lassen und viele Jahre auf der Festung En -<br />
sis heim im Elsass inhaftiert, um eine von ihm an -<br />
geführte drohende Auswanderungswelle der deut -<br />
schen Juden zu verhindern. Zu Lebzeiten hatte<br />
sich der berühmte deutsche Rabbiner vehement<br />
ge weigert den mehrfach angebotenen Lösegeld -<br />
zah lungen durch seine Schüler zuzustimmen, um<br />
zu verhindern, dass dadurch ein Präzedenzfall<br />
ent sehe und die häufigere Geiselnahme von Rab -<br />
binern mit anschliessenden Lösegeldforde run -<br />
gen folgen würden. Alexander Wimpen starb noch<br />
im selben Jahr und wurde direkt neben Rabbi Meir<br />
begraben; beide Gräber sind bis heute erhalten.<br />
7. Adar (21. <strong>Februar</strong>)<br />
• Geburt von Mosche Rabbenu vor 3403 Jahren,<br />
und ebenfalls sein Todestag 120 Jahre später<br />
11. Adar (25. <strong>Februar</strong>)<br />
• Ta‘anis Esther - der Fasttag von Esther, der normalerweise<br />
am 13. Adar begangen wird. Wenn der<br />
13. Adar jedoch wie dieses Jahr auf Schabbat fällt,<br />
an dem wir nicht fasten dürfen, wird er auf den<br />
vor hergehenden Donnerstag vorverlegt. Auf welchen<br />
Tag auch immer dieser Fasttag fällt, um die<br />
Bedürftigen zu unterstützen, gibt man an vor Pu -<br />
rim ausserdem noch spezielle Zedakka (Spen -<br />
den), die in jeder Synagoge gesammelt werden:<br />
Spenden für die Armen der eigenen Stadt sowie<br />
Spenden für Bedürftige in Jerusalem.<br />
13. Adar (27. <strong>Februar</strong>)<br />
• Sieg über Haman‘s 10 Söhne und deren Mit -<br />
ver schwörer vor 2532 Jahren und dem glückli chen<br />
Scheitern des von ihm selbst geplanten Holo caust.<br />
Von diesen 11 Monate dauernden, dramatischen<br />
Ereignissen erzählt uns die Megillat Esther - das<br />
Buch Esther - deren öffentliche Vorlesung in un -<br />
se ren Synagogen wir jedes Jahr an Purim zweimal<br />
anhören: dieses Jahr am Abend des 27.02. nach<br />
dem Abendgebet und am 28.o2. nach dem Mor -<br />
gen gebet.<br />
• Jahrzeit des berühmten Rabbiners Mosche Fein -<br />
stein vor 24 Jahren.<br />
14. Adar (28. <strong>Februar</strong>)<br />
• Purim. Der ganze Tag von Purim ist dem ausgelassenen<br />
Feiern des Scheiterns der Ver schwö -<br />
rung von Haman gewidmet, der geplant hatte das<br />
Jüdische Volk zu vernichten. Nach der am Mor gen<br />
stattfindenden zweiten Lesung der Me gillat Est her,<br />
beschenken wir uns mit kleinen „Es senspaketen“<br />
den sogenannten Mischloach Ma not. Es war die<br />
Solidarität und der Zusammen halt unserer Vor -<br />
fahren, der Hamans Verschwörung scheitern liess<br />
und den Fortbestand des Jüdi schen Volkes sicherte.<br />
Dies nicht zu vergessen, und die leider nicht<br />
immer eindeutig zu erkennende jüdi sche Ein -<br />
tracht und Verbundenheit in unser Be wuss tsein<br />
zu rufen und aufzufrischen, etablierten Morde chai<br />
und Esther, mit der expressiven Zu stim mung un -<br />
serer Weisen, diesen Brauch des gegenseitigen<br />
Be schenkens. Jeder Jude ist seither verpflichtet,<br />
seinen jeweiligen finanziellen Mög lichkeiten entsprechend,<br />
mindestens einem an deren Juden ein<br />
Essenspaket zu schicken, das zwei verschiedene,<br />
gekochte, essfertige Speisen enthält (oder eine<br />
Speise und ein Getränk), die bei der am Nach mit -<br />
tag folgenden Purim Seuda (Fest mahl zeit) ge -<br />
ges sen werden können. Sowohl Männer <strong>als</strong> auch<br />
Frauen sollen diese Mitzwa er fül len. Selbst wenn<br />
man, wie es sich - zur Freude der kleinen und<br />
großen Kinder - mittlerweile eingebürgert hat,<br />
eine Vielzahl von Päckchen verschenkt, die vor<br />
allem Süssigkeiten enthalten, sollte doch jeder<br />
da rauf achten zusätzlich mindestens ein „richtiges“<br />
Mischloach Manot zu verschenken: (1) es<br />
muss am Purimtag selbst zu ge stellt werden (entweder<br />
direkt oder durch ei nen Dritten), (2) es muss<br />
ausreichend Speisen oder Getränke enthalten, die<br />
für die Purim Seu da (Fest mahlzeit) geeignet sind,<br />
(3) der Empfänger muss ein erwachsener Jude<br />
sein (d. h. mindestens Bar- oder Bat-Mitzwa).<br />
15. Adar (01. März)<br />
• An diesem Tag, einen Tag später <strong>als</strong> in allen an -<br />
deren Städten, wurde der glückliche Ausgang der<br />
Purimgeschichte in der persischen Haupt stadt<br />
Schuschan gefeiert. Bis heute wird daher in jeder<br />
alten Stadt, die bereits zu jener Zeit eine Stadt -<br />
mau er hatte, so in Jerusalem, Purim erst am 15.<br />
Adar, dem sogenannten Schuschan Purim gefei ert.<br />
23. Adar (9. März)<br />
• Jahrzeit von Rabbiner Jitzchok Meir Alter, dem Au -<br />
tor von Chiduschei HaRim, dem 1. Gerer Rebbe,<br />
dem Großvater des „Sfas Emmes“, vor 144 Jahren.<br />
Schailos &Tschuwos<br />
ausgewählte halachische<br />
Fragen, beantwortet<br />
von Gemeinderabbiner<br />
Schlomo Hofmeister<br />
AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />
Die besten Fragen ... zu Purim<br />
FRAGE:<br />
Wenn es technisch möglich wird, mit<br />
Hilfe von Molekularmaschinen Schwei ne -<br />
fleisch synthetisch, Atom für Atom, nach -<br />
zubauen, und es gäbe zwischen solchem<br />
künstlichen und dem echten Schweine -<br />
fleisch keinen Unterschied mit der Aus -<br />
nahme dass das von den Molekular ma -<br />
schinen aufgebaute Fleischstück nie Kon -<br />
takt mit einem echten Schwein hatte, wäre<br />
so ein Stück Schweinefleisch, das wie de -<br />
rum doch kein Schweinefleisch ist, ko scher?<br />
AnTWORT:<br />
Sehr geehrter Herr XXXXXX,<br />
bezüglich ihrer Anfrage, mit dem<br />
Vorbehalt jedoch, dass ich die näheren<br />
technischen Details einer derartigen<br />
„Fleischproduktion“ nicht kenne,<br />
würde ich das Folgende sagen: Wenn<br />
das so synthetisch hergestellte Fleisch<br />
tatsächlich kein Schweinefleisch enthält,<br />
und auch keinerlei Schweine -<br />
fleisch <strong>als</strong> Ausgangsprodukt (nicht<br />
einmal in Form einer einzigen Zelle)<br />
verwendet wurde, wäre ein solches<br />
„Fleisch“ koscher, da es sich halachisch<br />
gesehen nicht um Fleisch handelt,<br />
sondern um ein synthetisches<br />
material und somit koscher parwe<br />
(we der fleischig noch milchig) wäre;<br />
ähnlich, wenn auch anders, dass aus<br />
Chemikalien hergestellte milcher -<br />
satz produkte, selbst wenn sie aussehen<br />
und schmecken wie milch, in der<br />
Halachah nicht den Status von milch<br />
haben.<br />
FRAGE:<br />
Ich hätte folgende Fragen bezüglich<br />
Moshiach:<br />
1) Rambam schreibt, dass Moshiach ein<br />
Abkömmling der Davidlinie sein wird.<br />
Aber ist es nicht möglich, dass diese Ver -<br />
wandschaft nur symbolisch gemeint ist<br />
und Moshiach nur ein Nachfolger Da -<br />
46 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770
vids ist, weil er ähnliche Taten vollbringen<br />
wird? Wie etwa ein Kampf gegen Go -<br />
liath.<br />
2) Gibt es irgendwelche Quellen, die<br />
be sagen, dass er aus Österreich kommt?<br />
Antwort:<br />
Sehr geehrter Herr XXXXXXXX,<br />
Wenngleich uns heute mehrere zeitgenössische<br />
Familien bekannt sind,<br />
die in direkter Linie von König David<br />
abstammen, kann es durchaus sein,<br />
dass moschiach aus einer anderen<br />
Familie stammt, deren Genealogie<br />
uns nicht bekannt war. in jedem Fall<br />
wird moschiach ein direkter, patrilinearer<br />
nachkomme von König David<br />
sein.<br />
Das Jüdische Volk befindet sich seit<br />
beinahe 2000 Jahren im Exil, verstreut<br />
auf der ganzen Welt, und auch die<br />
nachkommen von König David sind<br />
unter uns. moschiach könnte <strong>als</strong>o<br />
theoretisch aus jedem Land dieser<br />
Welt stammen, Österreich eingeschlossen,<br />
es gibt aber in unseren<br />
Quellen keine genauen Hinweise<br />
darüber woher er letztendlich kommen<br />
wird - alles ist möglich.<br />
JUDENTUM<br />
Ein Amerikanisches Ehepaar, auf ihrer Reise durch israel, besuchen ein<br />
Konzert der israelischen Phil harmoniker im mann Auditorium in Tel Aviv.<br />
Beeindruckt von der besonderen, einzigartigen Archi tek tur fragen sie den<br />
Platzanweiser:<br />
„ist diese Halle nach Thomas mann, dem weltberühmten deutschen<br />
Schrift steller benannt?“<br />
„nein, das Auditorium ist benannt nach Fredrick mann aus Phila del phia.“<br />
„Wirklich? ich habe noch nie von ihm gehört, er muss ein sehr be schei -<br />
dener mensch sein. Was hat er geschrieben?“<br />
„Einen Cheque.“<br />
J<br />
IKG-Spendenkonto -<br />
„Hilfe für Haiti“<br />
BAWAG, BLZ 14000 -<br />
Konto Nummer 0<strong>2010</strong> 724000<br />
IBAN AT 7714000 0<strong>2010</strong> 724000 - BIC BAWAATWW<br />
Die IKG-Spenden ergehen über „Nachbar in Not - Erdbeben Haiti“<br />
für direkte Hilfeleistungen ins Krisengebiet .<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 47
Spenden & Schenken<br />
<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />
Mischloach-Manot-Markt<br />
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von „alef-alef“ für €10.- Euro in unserem<br />
PuriM-café<br />
Bis 23. februar sind auch Bestellungen für fertige Geschenkpackerln<br />
zu €15.-,€25.-, oder € 40.- möglich:<br />
per fax +43 1/53104-279 oder unter fundraising@ikg-wien.at<br />
telefonische anfragen: 0676/844 512 601<br />
EinZahlunG:ktonr. 0<strong>2010</strong>724000 - BlZ 14000 • kennwort „Mischloach Manot“<br />
Der reinerlös dient der unterstützung bedürftiger familien mit kindern