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Februar 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...

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Nr. 663 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />

Schwat/Adar 5770<br />

Erscheinungsort Wien<br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

GEMEINDE<br />

oFFizielleS orgAN der iSrAelitiScheN KultuSgemeiNde wieN<br />

Die Die<br />

magazin


PURIM SAMEACH<br />

Purim im WIener Stadttempel 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 18: Das JBBZ 4<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

ALEXIA WEISS<br />

Ewiges Paradies für<br />

NS-Kriegsverbrecher 7<br />

„Bunte“ Nazi-T-Shirts 9<br />

ALEXIA WEISS<br />

Wie man sich wehren kann 10<br />

ALEXIA WEISS<br />

Die Ermittlungen laufen 11<br />

Neonazi-Umtriebe im Netz 12<br />

Kontakte FPÖ und Jobbik? 12<br />

ALEXIA WEISS<br />

Eskalation und<br />

Kriminalisierung 13<br />

Antisemtimus 17<br />

ISRAEL<br />

Der Friedensprozess<br />

mit den Palästinensern 18<br />

Jesus war palästinensischer<br />

Moslem 20<br />

Britische Steuergelder<br />

finanzieren anti-israel Hetze 21<br />

Goldstone - Kommentar<br />

von Alan Dershowitz 22<br />

Schlichte Tatsachen 24<br />

Dershowitz und die Bigotten 25<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

High-tech, Immigranten<br />

und Netzwerke 26<br />

Ultraorthodoxe gestalten<br />

Website für Fußball-WM 27<br />

WISSENSCHAFT<br />

Innvationspreis für Israel 28<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz<br />

(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons<br />

GEmEinDE<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Bezirkspartnerschaft<br />

Leopoldstadt-Brooklyn 29<br />

WILLY WEISZ<br />

Anisemitismus im<br />

sprachlichen Umgang 30<br />

Koschere Milch für China 31<br />

Panorama<br />

Ulrich W. SAHM<br />

32<br />

Gekoschertes Schwein 34<br />

E-mails im Altersheim<br />

Inline-Skater für Israels<br />

35<br />

Polizei 36<br />

KULTUR<br />

ALEXIA WEISS<br />

Verstreutes Wissen 37<br />

IDA LABUDOVIC<br />

And the Oscar goes to.... 38<br />

ALEXIA WEISS<br />

Im Gespräch mit<br />

Beate Klarsfeld 40<br />

Ehrung für Marko Feingold 41<br />

JACOB KLEIN<br />

Bitte diesen Artikel<br />

nicht lesen! 42<br />

ANITA POLLAK<br />

Ob man ihn glaubt<br />

oder nicht 43<br />

Ehrung für Dr. Hodik und<br />

Dr. Steiner 44<br />

PETER WEINBERGER<br />

Überall & Nirgendwo 45<br />

JUDENTUM<br />

RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />

Schailes & Tschuwos 46<br />

Titelbild: © Flash 90<br />

Mandelblüte in Israel<br />

(<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong>)<br />

PLENARSITZUNGEN <strong>2010</strong><br />

16. März • 15. April • 11. Mai • 8.<br />

Juni • 6. Juli • 10. Au gust • 7.<br />

September • 5. Ok to ber 11.<br />

November • 9. Dezember<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong><br />

Wien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der<br />

Redak tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

INHALT &<br />

20. September 1947:<br />

David Ben Gurion, Schüler von Dr. Moshé Feldenkrais<br />

„Ich muss auf meinem Kopf stehen, damit der<br />

Staat Israel auf seinen Füßen steht.“<br />

KENNENLERN-WORKSHOPS<br />

UND AUSBILDUNG<br />

www.feldenkraisinstitut.at<br />

Tel: 0699/11331043<br />

Sanatorium maimonideS Zentrum<br />

in 1020 Wien, Simon-Wiesenthal-Gasse 5,<br />

sucht ab sofort<br />

Pächter/Pächterin<br />

für das hauseigene Kaffeehaus mit Kiosk<br />

Öffnungszeiten: montag bis Sonntag (täglich)<br />

von 10.00 – 17.00 uhr<br />

Nähere Informationen bei:<br />

Mag. Bernadette Nguyen<br />

Sanatorium Maimonides Zentrum GmbH<br />

Simon-Wiesenthal-Gasse 5, 1020 Wien<br />

Tel.: +43 1 725 75 - 6101<br />

email: b.nguyen@maimonides.at<br />

Wir trauern um<br />

Binyamin Lanciano<br />

eilat/israel<br />

20.10.1916-07.02.<strong>2010</strong><br />

in Liebe<br />

Familie Lanchiano<br />

Sohn nissim, Schwiegertochter Gabriele,<br />

enkelkinder Benjamin, iris & rona<br />

2 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />

Foto: Paul Goldman


Auch wenn Ihr schon gefeiert habt ...<br />

purimfeier im<br />

Stadttempel<br />

Am Samstagabend,<br />

27. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />

19.00 Uhr Megilat Ester<br />

PURIM PARTY<br />

Am 28.2.<strong>2010</strong><br />

von 15 bis 18 Uhr<br />

in der ZPC Schule<br />

Simon-Wiesenthal-Gasse 1,<br />

1020 Wien<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />

PURIM SAMEACH<br />

20.00 Uhr Klezmer-Konzert<br />

im Stadttempel,<br />

mit Lerner y Moguilevsky<br />

aus Argentinien<br />

für die Kleinen gibt es Programm<br />

im Gemeindezentrum und für alle<br />

haben wir Hamantaschen und Getränke!<br />

PURIM PURIM PARTY PARTY<br />

Wir laden euch, eure Familie und alle Freunde<br />

herzlich zur WIZO AVIV Purim-Party ein!<br />

Programm für Kinder zwischen 0 und 10 Jahren:<br />

Bastelstationen, Bewegungsspiele, Babyecke, Schattenspiel,<br />

Tanzen, Singen, Bu�et und vieles mehr... TOMBOLA MIT TOLLEN PREISEN!<br />

Alle Einnahmen dieser Feier kommen der WIZO<br />

Kindertagesstätte in Rechovot zugute.<br />

Anmeldung unter Tel: 4091000 oder sharon.nuni@turkof.com<br />

Eintritt: 7 €


„Best of Class sein“<br />

Mit guter Ausbildung besser integriert:<br />

aus dieser Idee ist 1998 das Jüdische<br />

Berufliche Bildungszentrum (JBBZ) entstanden.<br />

Das Konzept ging auf: bisher<br />

haben bereits über 3.200 Jugendliche und<br />

Erwachsene eine Lehre oder einen Lehr -<br />

gang am JBBZ absolviert. Geleitet wird<br />

das Zentrum von Ilan Knapp, der das<br />

Projekt auch gemeinsam mit dem inzwischen<br />

verstorbenen Psychiater Alexan -<br />

der Friedmann entwickelt hat.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Lehrlinge, Schüler, Lehrgangs teilnehmer:<br />

sie heißen hier Kunden und Kun -<br />

dinnen. Und alle müssen sie vor al lem<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 18: Jüdisches Berufliches<br />

Bildungszentrum - JBBZ<br />

eines: ihr bestes geben. „Best of Class<br />

sein“ nennt es Knapp und meint da mit,<br />

dass sowohl die innere Ein stel lung<br />

stimmen muss, mit der man an eine<br />

Aus bildung herangeht, aber auch, dass<br />

man sich stets messen sollte, so wohl<br />

mit den mitlernenden im Haus, <strong>als</strong><br />

auch – im Fall der Lehrlinge – mit den<br />

anderen Jugendlichen an der Berufs -<br />

schu le.<br />

Festgeschrieben hat Knapp dieses<br />

Prin zip auch in dem zehn Punkte um -<br />

fassenden Leitbild des JBBZ. Dort<br />

heißt es unter Punkt eins: „Das JBBZ<br />

strebt ‚Best of Class‘ (nicht Mittelmäßig -<br />

keit) nach den Möglichkeiten jedes/jeder<br />

Einzelnen an.“ Punkt sechs weist den<br />

Lernenden zudem von Anfang an da -<br />

raufhin, dass es nur gemeinsam geht:<br />

SerVice<br />

erreichbarkeit des JBBz<br />

Das JBBZ erreichen Sie telefonisch<br />

unter 01-33 106 150 (Berufsorien -<br />

tierung und Anmeldung) und per<br />

mail unter info@jbbz.at.<br />

informationen über das Ausbil -<br />

dungs angebot sind auch unter<br />

www.jbbz.at abrufbar.<br />

Postanschrift: Adalbert-Stifter-<br />

Straße 18, 1200 Wien.<br />

„Wer nicht bereit ist, sich fachlich und<br />

sozial weiterzuentwickeln, bremst unser<br />

‚Best of Class‘-System im JBBZ und kann<br />

nicht mehr unser/e PartnerIn sein.“<br />

Dass Knapp dieses Streben nach<br />

Kompetenz, Eigenverantwortlichkeit,<br />

Pünktlichkeit und Verlässlichkeit solch<br />

ein Anliegen sind, hat seinen Grund.<br />

1988, da seien die vielen immigranten<br />

aus der Sowjetunion in der Seitenstet -<br />

tengasse gestanden, haben nach Ar beit<br />

gesucht, nach möglichkeiten, sich hier<br />

ein Leben aufzubauen. „Ich bin da da -<br />

m<strong>als</strong> hingegangen, zwischen zwei Ter mi -<br />

nen und wollte nur einmal eine halbe<br />

Stunde mit den Leuten reden, schauen,<br />

was man tun kann. Diese halbe Stunde<br />

dauert bis heute an.“<br />

Rasch war klar: diese Leute brauchen<br />

Deutschkurse. Und Berufsbildungs an -<br />

gebote. Aus dutzenden solcher Kurse<br />

hat sich schließlich das JBBZ entwickelt.<br />

Die Erfahrungen mit der ersten<br />

Generation an Auszubildenden hat ge -<br />

zeigt: nicht nur die Sprachkenntnisse<br />

sind wichtig (wer heute am JBBZ eine<br />

Ausbildung beginnen will, muss<br />

zuvor Deutsch zumindest auf dem Le -<br />

vel B2 beherrschen - mit diesem EU-<br />

Schema wird Sprachkompetenz beurteilt,<br />

es umfasst die Stufen A1 (Ver -<br />

ständnis einfacher Sätze), A2, B1, B2,<br />

C1, und C2 (Gesprochene Sprache<br />

kann problemlos verstanden werden,<br />

sowohl in der direkten Kommuni ka -<br />

tion mit anderen <strong>als</strong> auch in medien<br />

wie Fernsehen und Radio)).<br />

Lernen müssen die Zuwanderer auch,<br />

welche Regeln in der Arbeitswelt in<br />

Österreich gelten. Das reicht von<br />

Pünktlichkeit über das Einhalten von<br />

Ordnung bis zu Werten wie Verläss -<br />

lich keit. „Am Anfang hat eine Kundin<br />

ge meint, ihre Schwester heiratet in Israel<br />

und dann ist sie eben einen Monat nicht<br />

4 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


da. Das geht aber nicht. Lernen muss<br />

zweckorientiert sein. Und man kann auch<br />

nicht fehlen, nur weil einem die Nase<br />

rinnt. Das ist ein Lernprozess. Aber nur,<br />

wenn man diese Dinge befolgt, wird man<br />

Erfolg haben und sich im Berufsleben<br />

durchsetzen.“<br />

Heute kann man am JBBZ, das längst<br />

nicht mehr nur von Zuwanderern,<br />

sondern einfach grundsätzlich von in<br />

Österreich lebenden Juden frequentiert<br />

wird, das neunte Schuljahr ab -<br />

sol vieren, eine Lehre in den Bereichen<br />

iT-Technik, Orthopädietechnik, Bank -<br />

we sen, Büromanagement und Buch -<br />

han del machen oder sich Zusatzqua -<br />

li fi ka tionen aneignen. Zur Lehre kann<br />

pa rallel von jedem die Berufs rei fe prü -<br />

fung ablegen, die eine vollwertige<br />

ma tura ist. insofern findet es Knapp<br />

auch schade, dass viele jungen Leute<br />

erst nach einer schief gelaufenen Bildungs-Karriere<br />

den Weg ans JBBZ<br />

finden, leider oft auch unter dem Ein -<br />

fluss der Eltern, die für ihr Kind den<br />

Besuch einer höheren Schule dem Ab -<br />

solvieren einer Lehrausbildung vor-<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

ziehen. Doch damit verlängert sich der<br />

Ausbildungsweg vielfach nur. Und<br />

wird gleichzeitig mit dem Lehrab -<br />

schluss auch die Berufsreifeprü fung<br />

abgelegt, kann der Jugendliche wie<br />

AHS-maturanten auch mit 18 ein Stu -<br />

dium beginnen – verfügt aber bereits<br />

über eine berufliche Ausbildung.<br />

Knapp untermauert sein Anliegen, ei -<br />

ne Lehrausbildung am JBBZ schon frü -<br />

her <strong>als</strong> möglichen Bildungsweg in Be -<br />

tracht zu ziehen, mit Zahlen: derzeit<br />

absolvieren 35 Jugendliche eine Leh re<br />

an seinem Haus – Plätze gäbe es 60.<br />

Für Erwachsene sind 20 Lehraus bildungsplätze<br />

vorgesehen. Doch derzeit<br />

absolvieren an die 50 Erwachsene ei ne<br />

Lehre, darunter auch viele Schul-Drop -<br />

outs. insgesamt verlängert sich so die<br />

Ausbildung um zwei bis drei Jahre.<br />

Offiziell gibt es am JBBZ 183 Ausbil -<br />

dungsplätze (neuntes Schuljahr, Lehr -<br />

stellen, Lehrgänge). Tatsächlich frequentieren<br />

meist rund 250 Kunden das<br />

JBBZ, in manchen Semestern so gar bis<br />

zu 280. Die Lehrlinge und die so ge -<br />

Das Ausbildungsangebot des JBBZ auf einen Blick<br />

❐ neuntes Pflichtschuljahr<br />

❐ Lehre für Jugendliche und Erwachsene in den Bereichen iT-Tech nik,<br />

Orthopädietechnik, Bankwesen, Büromanagement und Buch han del<br />

❐ Parallel zur Lehre Ablegen der Berufsreifeprüfung möglich (= vollwertige<br />

matura)<br />

❐ Vorbereitungslehrgänge (Berufsorientierungslehrgang, Deutsch<br />

und integration, EDV und Office – Basics, Technische Grundlagen)<br />

❐ Aufbaulehrgänge (FiT für matura + Veranstaltungsmanagement,<br />

FiT für matura + netzwerktechnik, FiT in Hebräisch für den Beruf,<br />

FiT für das Office, FiT für Wellness + Tourismus, FiT für netzwerk -<br />

tech nik (CCnA)/Systembetreuung, FiT für PC-Support, FiT für<br />

netz werktechnik (CiSCO) + matura<br />

❐ Zusatzqualifikationen (maturavorbereitungslehrgang, soziale<br />

Kompetenz, FiT in Fachsprechen Deutsch/Englisch/Französisch,<br />

Buchhaltung für Kleinunternehmer, Personalverrechnung für Ein -<br />

steiger, Computerführerschein, Erfolgreich in die Selbstständigkeit,<br />

PC-Kurse, Competence Lehrgang für Sicherheitspersonal, staatlich<br />

geprüfter Rettungssanitäter)<br />

❐ Bewerbungs- und Jobcoaching<br />

Verlassenschaften-Ankauf,<br />

Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,<br />

Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich<br />

Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at<br />

nannten FAis (erwachsene Lehr linge)<br />

machen dabei ein Drittel der Lernen -<br />

den aus, etwas über zehn Per sonen<br />

absolvieren das neunte Schul jahr. Einen<br />

wachsenden Anteil ma chen auch<br />

mütter kleiner Kinder aus, für die ein<br />

Ausbildungspaket (miT) an geboten<br />

wird, das durch seine Anwe sen heits -<br />

zei ten mit dem Betreuen von Kin der -<br />

garten- und Schulkindern kom patibel<br />

ist, sich dafür aber in der Gesamt lauf -<br />

zeit etwas verlängert. Knapp freut<br />

sich insgesamt über die hohe Anzahl<br />

an Frauen <strong>als</strong> Kundinnen des JBBZ.<br />

Bildung erhöht auch die Selbst stän -<br />

dig keit.<br />

Die Erfolgsquote ist hoch. Einerseits<br />

schließen überdurchschnittlich viele<br />

Kun den ihre Ausbildung mit ausgezeichnetem<br />

oder gutem Erfolg ab. An -<br />

dererseits sind die Absolventen von<br />

Unternehmensseite gefragt. Die meisten<br />

Lehrlinge kommen in jenen Be trie -<br />

ben unter, in denen bereits während<br />

der Ausbildung Praktika absolviert<br />

wurden. im Bereich Orthopädie tech -<br />

nik kooperiert das JBBZ bereits während<br />

der gesamten Ausbildung mit der<br />

Firma Bständig, wo auch die Absol -<br />

ven ten im Anschluss meist unterkommen.<br />

Hier gibt es <strong>als</strong>o quasi eine Job -<br />

garantie. Warum die JBBZ-Lehr lin ge<br />

so gefragt sind? Weil man hier eben<br />

nicht nur auf die fachliche, sondern<br />

auch auf die soziale Kompetenz<br />

schaue, betont Knapp. Umgangsformen<br />

werden ebenso vermittelt wie<br />

Grundbegriffe der Kommunikation,<br />

das richtige Auftreten.<br />

Freuen würde sich Knapp, wenn künf -<br />

tig noch mehr Jugendliche aus der Or -<br />

thodoxie <strong>als</strong> bisher den Weg ans JBBZ<br />

finden. „Ein Leben ohne Berufsaus bil -<br />

dung gibt es heute nicht mehr. Die Tho -<br />

raschule ist wunderbar, aber damit kann<br />

man kein Geld verdienen. Auch in Israel<br />

ist es heute so, dass es selbstverständlich ist,<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 5


einen Beruf zu erlernen. Und wenn die<br />

Existenz gesichert ist, dann kann man es<br />

sich auch leisten, die Thora zu studieren.“<br />

Und das JBBZ bietet ein Umfeld, in<br />

dem sowohl gelernt <strong>als</strong> auch nach dem<br />

jüdischen Jahreskreislauf gelebt werden<br />

kann. Eine möglichkeit, die es<br />

nicht immer gab: vor der Existenz des<br />

JBBZ scheiterten jene wenigen jü di -<br />

schen Jugendlichen, die ein Lehre be -<br />

gannen, schon nach kurzer Zeit. Die<br />

Lehre startete im August oder Sep -<br />

tember – und bald standen Rosch Ha -<br />

Schana, dann Jom Kippur, dann Suk -<br />

kot ins Haus. Kaum einer traute sich<br />

zu sagen, warum er dem Betrieb fernblieb,<br />

meinte nachher er sei krank ge -<br />

we sen. Das haben die Lehrbetriebe na -<br />

türlich nicht akzeptiert, erzählt<br />

Knapp. So war die Lehre spätestens zu<br />

Sukkot wieder beendet.<br />

Hochgehalten wird am JBBZ auch die<br />

Wichtigkeit des Teams. Jeder Kunde<br />

lernt: wenn ich in der Gruppe fehle,<br />

versäume ich nicht nur etwas, son-<br />

zur PerSoN<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

dern fehle auch den anderen. Denn<br />

Ler nen heißt auch miteinander und<br />

von einander lernen. Knapp betont aber<br />

auch, dass es auch für die Lehrer und<br />

Trainer im JBBZ nicht ohne Rück halt<br />

des Teams ginge. Das JBBZ zählt rund<br />

60 mitarbeiter, etwas über 40 sind An -<br />

gestellte des Zentrums, die übrigen<br />

frei e Vortragende.<br />

Das Führungsteam besteht neben Ilan<br />

Knapp (Unternehmens- und Päda go gi -<br />

sche Leitung) aus Edgar Weiland (Aus -<br />

bildungsbereich Sprachen, inte gra tion,<br />

Soziale Kompetenz), Markus Meyer<br />

(Ausbildungsbereich Technik) und<br />

Sandra Menner (Ausbildungsbereich<br />

Büromanagement). Die Administra ti -<br />

on wird von Barbara Peichl und Ale -<br />

xan dra Sternitzky bestritten. Für die<br />

Buchhaltung sind Alexander Tolmacev<br />

und Martina Hafenscher verantwortlich.<br />

Die Haustechnik obliegt Konrad Au-te -<br />

rith und Robert Ausfelder und für den<br />

Bereich Berufsorientierung sind Eva<br />

Douet und Elena Dimitrova zu stän dig.<br />

mmag. dr. ilan Knapp, geb. 1944 in Tel Aviv, wuchs zunächst in is ra el auf,<br />

wo er seit seinem vierten Le bens jahr musikunterricht erhielt und ein englischsprachiges<br />

Gym nasium be suchte, 1960 Übersiedlung nach Wien. Pa ral -<br />

lel Externis ten matura der Re <strong>als</strong>chule sowie Kla vier- und musik pä da gogik-<br />

Studium an der Akademie für mu sik und darstellende Kunst. im An schluss<br />

drei Studien an der Wirt schaftsuniversität (WU) Wien: Be triebs wirt schafts -<br />

lehre sowie Wirt schafts pädagogik. 1973 schließlich Dok torat in Wirtschafts -<br />

psy cholo gie.<br />

Von 1971 bis 1991 Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter im Öster -<br />

reichi schen institut für Be rufs bil dungsforschung (ÖiBF), darüber hi naus in<br />

dieser Zeit parlamentarischer Berater für alle Parteien auf den Gebieten<br />

Arbeitsmarkt, Wirt schaft, Jugend, Soziales, Kul tur und Bildung sowie Lei -<br />

tung und Re fe rats tätigkeit in berufsbildenden Se minaren der Wirtschaftsund<br />

Er wachsenenbil dungs institutionen und managementtrainer für Groß -<br />

unternehmen aus den Be reichen in dustrie und Dienstleistungen. mit arbeit<br />

bei internationalen Pro jek ten im Rahmen der OECD. Seit 1980 außerordentliches<br />

mitglied der sta tisti schen Zentralkommission des Österreichischen<br />

Statistischen Zen tralamts (ÖSTAT).<br />

Seit 1976 auch Lehrbeauftragter an mehreren Uni versitäten. 1991 bis 1995 Lan -<br />

des geschäftsführer der SPÖ niderösterreich. Seit 1996 Ge schäfts führer der<br />

ecoplus nie der ös ter reichs Wirt schafts agentur GmbH. Seit 1998 Geschäfts -<br />

füh rer der nÖ Grenz land för de rungs ges mbH (nÖG). Seit 1998 schließ lich<br />

eh ren amt li che und pädagogische Lei tung des JBBZ.<br />

Zahlreiche Veröffent li chun gen in Zeit schriften sowie Buch publi ka ti o nen, da -<br />

run ter „Eine neue Heimat? Jü dische Emigrantinnen und Emi gran ten aus der<br />

Sowjet uni on“, ge mein sam herausgegeben mit Ale xander Fried mann und<br />

maria Hof stätter, 1993 im Verlag für Ge sell schafts kri tik er schie nen.<br />

ilan Knapp ist verheiratet, Vater von vier Kindern, Großvater zwei er En kel -<br />

kinder. in seiner Freizeit spielt er bis heute gerne Klavier, zählt aber auch<br />

„das Garteln“ zu seinen Hob bys.<br />

Ausschreibung zur Um ge stal tung<br />

des Lueger-Denk m<strong>als</strong> in ein Mahn -<br />

mal gegen Antisemi tis mus und<br />

Ras sis mus in Ös ter reich<br />

Plakat: Lilly Panholzer, Laurenz Feinig<br />

Skizze: Mona Liska<br />

Einsendeschluss<br />

1. März <strong>2010</strong><br />

Siemens-Rückzug aus Iran<br />

Der Siemens-Konzern hat auf seiner<br />

Hauptversammlung am 26. Ja -<br />

nuar <strong>2010</strong> nach massiver Kritik an<br />

seinen iran-Geschäften erklärt, ab<br />

mitte des Jahres keine neuen Auf -<br />

träge mehr aus dem iran anzunehmen.<br />

Einerseits ist zu hoffen, dass solch<br />

eine Entscheidung Signalwirkung<br />

für andere Unternehmen haben<br />

wird. Andererseits bleibt abzuwarten,<br />

inwiefern der Siemens-Kon -<br />

zern, der an bereits in die Wege<br />

geleiteten Geschäften festhalten<br />

möchte und alleine im Jahr 2008<br />

Waren im Wert von über 430 mio.<br />

Euro in den iran exportiert hat, auf<br />

die lukrativen iran-Geschäfte zu -<br />

künftig gänzlich verzichtet, oder<br />

lediglich versucht, sie über Dritt -<br />

länder oder durch formell unabhängige<br />

Tochterunternehmen ab -<br />

zu wickeln.<br />

http://de.stopthebomb.net/de/start/<br />

deutschland/siemens.html<br />

6 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Ewiges Paradies<br />

für NS-Kriegs -<br />

verbrecher<br />

Während der Fußballeuropamei s ter schaft<br />

2008 gingen Fotos und Filmauf nah men<br />

um die Welt, die den gesuchten kroatischen<br />

NS-Kriegsverbrecher Milivoj Asner<br />

rüstig durch die Fanzone in Kla gen furt<br />

stapfen zeigten. Er galt je doch <strong>als</strong> nicht<br />

vernehmungsfähig und wur de daher<br />

auch nicht nach Kroati en ausgeliefert.<br />

Zwei Jahre später ein ähnliches Bild. As -<br />

ner, der sich in Ös terreich Dr. Georg<br />

Aschner nennt, wird wohl weiter unbehelligt<br />

seinen Lebensabend in Kärn ten<br />

verbringen.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Anfang Januar ein Déjà-vu: in der<br />

„neu en Kärntner Tageszeitung“<br />

schildert Redakteur Horst Kakl, wie<br />

Asner im Klagenfurter Kaffeehaus<br />

„Kosta“ einen Verlängerten trinkt.<br />

Um schließlich aufzustehen, ohne<br />

Stüt ze zur Türe zu gehen und mit seiner<br />

Frau Edeltraud einen Spa zier gang<br />

zu unternehmen. Asner ist an der<br />

drit ten Stelle der Liste der zehn meist -<br />

gesuchten nazi-Kriegsverbre cher des<br />

Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusa -<br />

lem gereiht.<br />

Es war eine ähnliche Szene, die 2008<br />

international für Aufsehen sorgte.<br />

Asner galt bis dahin <strong>als</strong> nicht vernehmungsfähig.<br />

Einem Auslieferungs an -<br />

suchen durch Kroatien – er soll in der<br />

nS-Zeit <strong>als</strong> Polizeichef der Stadt Po -<br />

zega die Deportation von hunderten<br />

Serben, Juden und Roma in Kon zen -<br />

tra tionslager veranlasst haben – wur de<br />

daher nicht stattgegeben.<br />

Efraim Zuroff, Direktor des Wiesen thal-<br />

Centers, meinte dam<strong>als</strong>, „Österreich ist<br />

weiter ein Paradies für Kriegsverbrecher“<br />

und bezog sich mit dem „weiter“ auf<br />

den dam<strong>als</strong> zuvor erfolgten Wechsel<br />

zu Rot-Schwarz in der Bundesregie -<br />

rung. Asner hatte sich zu Ende des<br />

Krie ges von Kroatien nach Kärnten<br />

geflüchtet, hatte rasch die österreichische<br />

Staatsbürgerschaft erhalten und<br />

Jahrzehnte unbehelligt in Klagenfurt<br />

gelebt. Seine Auslieferung wurde 2005<br />

POLITIK • INLAND<br />

von Kroatien beantragt – ins Rollen<br />

gebracht durch die 2004 von Zuroff<br />

gestartete „Operation Last Chance“.<br />

inzwischen hatte Asner wieder in Kro -<br />

atien gelebt und war auch kroatischer<br />

Staatsbürger geworden – hatte sich<br />

aber sofort, nachdem Zuroff beim kroatischen<br />

Premier Stipe mesic vorgesprochen<br />

hatte, erneut nach Österreich<br />

begeben.<br />

Zuroffs bitterer Kommentar nach der<br />

Lektüre der aktuellen Schilderungen<br />

aus Klagenfurt zur „Gemeinde“: „Es<br />

macht mich wütend, wenn ich sehe, dass<br />

ein Mensch der <strong>als</strong> NS-Kriegsverbrecher<br />

hunderte und aberhunderte Menschen in<br />

den Tod geschickt hat, dass es diesem<br />

Menschen in Österreich möglich ist, im -<br />

mer und immer wieder den Fängen der<br />

Justiz zu entkommen und unbehelligt hier<br />

zu leben und sich seines Lebens zu erfreuen.<br />

Und es zeigt einmal mehr, dass Österreich<br />

ein Paradies für Kriegsverbrecher ist,<br />

was der Reputation Österreichs nicht förderlich<br />

ist.“<br />

im Justizministerium ist man einmal<br />

mehr bemüht, solch einen Eindruck<br />

nicht aufkommen zu lassen. Spre che -<br />

rin Katharina Swoboda auf Anfrage:<br />

„Von Seiten der österreichischen Justiz<br />

be steht höchstes Interesse Personen, die<br />

verdächtig sind, Kriegsverbrechen began-<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 7<br />

© Kakl/KTZ<br />

gen zu haben, zu verfolgen, die Täter zur<br />

Verantwortung zu ziehen und Kriegsver -<br />

bre chen aufzuklären. Die österreichischen<br />

Behörden haben jedoch bei all ihren Be mü -<br />

hungen stets nach der österreichischen<br />

Rechtsordnung zu handeln. Unabding ba re<br />

Voraussetzung ist die Verhandlungs fä hig -<br />

keit von Dr. Asner, die ihm bereits in diversen<br />

Gutachten abgesprochen wur de.“<br />

Dass Asner alias Aschner nicht vernehmungsfähig<br />

ist, zu diesem Schluss<br />

kamen die beiden Gutachter Reinhard<br />

Haller sowie Peter Hoffmann. Zuletzt<br />

bestätigte auch ein ausländischer Ex -<br />

perte diesen Umstand: Norbert Nedo pil,<br />

Leiter der Abteilung für Forensi sche<br />

Psychiatrie am Klinikum mün chen.<br />

Die ses Gutachten wurde im April<br />

2009 erstellt.<br />

Der Sprecher des für das Verfahren<br />

zu ständigen Landesgerichts Kla gen -<br />

furt, Bernd Lutschounig, zeigte sich in<br />

der ersten Reaktion auf die Anfrage<br />

der „Gemeinde“ erstaunt, dass Asner<br />

überhaupt noch lebt. Ein Blick in den<br />

Akt ergab dann: das Verfahren sei mit<br />

Hinblick auf die nicht-Verneh mungs-<br />

fähigkeit mit Juni 2009 abgebrochen<br />

worden. Eine neuerliche Prüfung des<br />

Gesundheitszustands Asners sei in<br />

zwei Jahren vorgesehen. im Übrigen<br />

liege die Verantwortung für diesen<br />

POLITIK


Fall nun bei der Staatsanwaltschaft<br />

Kla genfurt.<br />

Deren Sprecher Helmut Jamnig verwies<br />

ebenfalls auf die drei durchgeführten<br />

Gutachten. Wie aber der offenbar gu te<br />

Gesundheitszustand, der Asner, heute<br />

96 Jahre alt, rüstig durch Kla gen furt<br />

spazieren und gemütlich Kaf fee trinken<br />

lässt, hier dazu passe? Grund sätz -<br />

lich könnten menschen ihren Alltag<br />

be streiten und dennoch komplexere<br />

Zusammenhänge in einer Unterhal -<br />

tung nicht verstehen, so Jamnig. Vor -<br />

aus setzung für eine Auslieferung sei<br />

nun einmal, dass der Betroffene nachvollziehen<br />

könne, was ihm überhaupt<br />

zur Last gelegt werde. Und das sei bei<br />

Asner eben nicht der Fall.<br />

Kurz nachdem Asner beim Flanieren<br />

durch die Kärntner Landeshaupt -<br />

stadt beobachtet worden war, starb<br />

übrigens seine Frau Edeltraud 84-jährig<br />

auf der neurochirurgischen Abteilung<br />

des Landeskrankenhauses Kla -<br />

gen furt. Sie sei einem Herzschlag er -<br />

legen, hieß es. Die beiden hatten 1950<br />

in Krumpendorf geheiratet.<br />

Drei Tage vor Edeltraud Asners Tod<br />

soll es laut Bericht von Kakl in der<br />

„neuen Kärntner Tageszeitung“ zu<br />

einem Streit zwischen den Eheleuten<br />

im von der Caritas geführten „Haus<br />

martha“ gekommen sein, in dem die<br />

beiden seit einigen monaten lebten.<br />

Edeltraud Asner soll sich dabei den<br />

Kopf an einer Türe angeschlagen ha -<br />

ben. Worum es ging, sei nicht be -<br />

kannt: das Gespräch sei auf Kroatisch<br />

geführt worden.<br />

Kakl berichtete auch vom Begräbnis<br />

für Asners Ehefrau, dem nur eine<br />

Handvoll Personen beiwohnten.<br />

Warum er denn Fall Asner nicht aus<br />

den Augen lasse, wollte die „Ge mein -<br />

de“ von Kakl wissen. „Warum ich an<br />

der Story dran bleibe, ist leicht erklärt:<br />

Ich habe den Eindruck, dass man es sich<br />

in Kärnten im Umgang mit der Causa<br />

Asner allzu leicht gemacht hat. Während<br />

bei Otto Normalverbraucher (zumeist)<br />

kein Pardon gewährt wird, gab es meiner<br />

Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />

Hausverwalter<br />

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IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Ansicht nach hierzulande nur geringe An -<br />

strengungen, Licht in die Frage zu brin -<br />

gen, ob die Vorwürfe gegen Milivoj Asner<br />

begründet sind oder nicht. Ich ha be eine<br />

Ahnung, von wem all das ausgegangen<br />

sein könnte, aber keine Beweise, daher<br />

äußere ich auch keine Verdachts momente,<br />

wie Sie verstehen werden. Das wäre nicht<br />

korrekt.“<br />

Kakl ergänzt: „Auffällig ist aber, wie<br />

nach sichtig man die Frage behandelte, ob<br />

Asner noch österreichischer Staatsbürger<br />

ist oder nicht. Man ließ die Angelegen heit<br />

auf sich beruhen, ohne je zu einem Er geb -<br />

nis zu gekommen zu sein. Üblicherweise<br />

sind die Kärntner Behörden im Umgang<br />

mit Menschen, bei denen es sich um<br />

‚Aus länder‘ handelt oder handeln könnte,<br />

bei weitem nicht so tolerant.“ Üblicherweise.<br />

Aber dieser Fall ist ja gänzlich<br />

anders gelagert. •<br />

Stenzel unterstützt<br />

israelisch-palästinensisches<br />

Kinder-Friedensprogramm<br />

israels ehemaliger Verteidi gungs mi -<br />

nister und stellvertretender minister -<br />

präsident Amir Peretz hielt sich in<br />

Wien auf, um für eine israelisch-pa läs -<br />

tinensische Friedensinitiative "Chil d -<br />

ren's Treasury for Peace" zu werben.<br />

Peretz, der seine Regierungsämter we -<br />

gen des Libanon-Krieges 2006 verloren<br />

hatte und durch Ehud Barak ab ge -<br />

löst worden war, traf mit der Bezirk -<br />

vorsteherin von Wien-innere Stadt<br />

und früheren Europaabgeord ne ten<br />

Ursula Stenzel (V) zusammen. „Um<br />

Frieden zu schaffen, bedarf es des Ver trau -<br />

ens. Dieses Vertrauen muss wach sen von<br />

klein auf“, erklärte Stenzel. „Es soll<br />

Kin der zusammenbringen, um das ge gen -<br />

seitige Feindbild abzubauen. Die Förde rung<br />

wird ihrer Ausbildung zugute kom men<br />

und soll gemeinsame palästinensisch-is -<br />

ra elische Friedensaktivitäten mit einem<br />

Stipendium belohnen."<br />

Bereits seit nahezu einem Jahrzehnt<br />

gibt es die „Peacecamp“-initiative<br />

der Wiener Psychologin und Psycho -<br />

the rapeutin Evelyn Böhmer-Laufer, die<br />

jeden Sommer junge menschen zwischen<br />

14 und 18 Jahren aus israel - is -<br />

ra elische und palästinensische -, Ös -<br />

terreich und Ungarn im Wald viertel<br />

zu sammenführt, um We ge der Ver -<br />

ständigung und Konflikt bewältigung<br />

zu suchen. Ein wichtiges Ziel ist es da -<br />

bei, „Strategien gegen Xenophobie und<br />

in terkulturelle Konflikte“ zu entwickeln.<br />

Österreichische<br />

Unschulds-Litanei<br />

Für Karl-Heinz Grasser<br />

gilt die Unschuldsvermutung.<br />

Für Alfons Mensdorff-Pouilly<br />

gilt die Unschuldsvermutung.<br />

Für Uwe Scheuch<br />

gilt die Unschuldsvermutung.<br />

Für Josef Dörfler<br />

gilt die Unschuldsvermutung.<br />

Für Walter Maischberger<br />

gilt die Unschuldsvermutung.<br />

Für Asylsuchende gilt die<br />

Unschuldsvermutung nicht.<br />

Sie werden sicherheitshalber<br />

zuerst einmal interniert.<br />

Auf der Saualpe (über die<br />

kaum noch wer spricht).<br />

Und bald auch anderswo.<br />

In einem Anhaltelager, genannt<br />

Erstaufnahmezentrum.<br />

Wann kommt die nächste<br />

Gruppe dran, über die man eine<br />

„Anwe sen heitsverpflichtung“<br />

verhängt?<br />

Sicherheitshalber.<br />

Und ohne so viel Aufregung<br />

wie derzeit noch.<br />

Wer sind die nächsten latent<br />

asozialen und potenziell<br />

gefährlichen Elemente in<br />

unserer Gesellschaft?<br />

„So genannte Künstler“<br />

vielleicht?<br />

Wie weit wird der Toleranzpegel<br />

für politische Ungeheuer -<br />

lichkeiten noch steigen?<br />

Dank der Hartnäckigkeit von<br />

Maria Fekter und ihrer politischen<br />

Einpeitscher.<br />

Aber auch für sie gilt auch die<br />

Unschuldsvermutung.<br />

Gerald Bast,<br />

Rektor der Universität für<br />

angewandte Kunst Wien<br />

8 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


„Bunte“<br />

Nazi-T-Shirts<br />

©www.welsgegenrechts.at<br />

nazi-Vorwürfe gegen die Welser Bür -<br />

gerliste „Die Bunten“ beschäftigen<br />

den Verfassungsgerichtshof (Vf GH).<br />

Die Gruppierung war von der Ge mein -<br />

deratswahl im vergangenen Herbst<br />

ausgeschlossen worden und hatte da -<br />

rauf hin gegen das Wahl er geb nis Ein -<br />

spruch erhoben. nun sind wie berichtet<br />

Fotos aufgetaucht, die Kan di daten<br />

der Liste mit einschlägigen T-Shirts<br />

oder gar beim Hitlergruß zeigen sollen.<br />

Die Stadt hat die Bilder laut ORF-<br />

Radio Oberösterreich nun an den<br />

VfGH übermittelt - zur Unter mau e -<br />

rung, dass der Wahlausschluss ge recht -<br />

fertigt gewesen sei, wie es heißt. Eine<br />

Entscheidung wird für märz er war tet.<br />

„Bunten“-Chef Ludwig Reinthaler distanzierte<br />

sich von den Botschaften auf<br />

den T-Shirts. Diverse Bilder, die of fen -<br />

bar aus Online-Plattformen stammen,<br />

kursierten zuletzt in Oberösterreich.<br />

neben Leuten, die auf Partys mit einschlägigen<br />

T-Shirts und Tattoos wie<br />

„Ostmark“ oder „Ruhm und Ehre der<br />

Deutschen Wehrmacht“ posierten, sind<br />

darauf auch männer mit Glatzen und<br />

Bomberjacken vor der Gaskammer im<br />

ehemaligen KZ mauthausen oder mit<br />

zum Hitlergruß erhobener Hand zu<br />

se hen.<br />

medienberichte brachten diese Bilder<br />

in Zusammenhang mit den „Bunten“.<br />

Laut „Österreich“ soll beispielsweise<br />

einer der männer mit erhobenem Arm<br />

aus den Reihen der Bürgerliste stammen.<br />

Der „Kurier“ nannte sogar mehrere<br />

Kandidaten, die auf den Bildern<br />

zu sehen sein sollen: Eine Kandidatin<br />

habe beispielsweise bei einem Besuch<br />

der KZ-Gedenkstätte ein T-Shirt mit<br />

der Aufschrift „Ich habe Bock auf Na -<br />

zis“ getragen, die Freundin eines an -<br />

POLITIK • INLAND<br />

deren „Bunten“ eines mit „Natio nale<br />

Sozialistin“. Die Reaktion eines der Be -<br />

troffenen im Zeitungsinterview: „Wir<br />

haben uns nichts dabei gedacht, solche<br />

Leiberln tragen wir immer.“ „Bunten“-<br />

Chef Ludwig Reinthaler distanzierte<br />

sich gegenüber dem „Kurier“ von den<br />

T-Shirt-Botschaften: „Davon habe ich<br />

nichts gewusst - und ich heiße so etwas<br />

auch nicht gut.“ Er habe Skinheads auf<br />

seiner Liste kandidieren lassen, weil<br />

er gehofft habe, sie „zu sozialisieren“.<br />

im ORF-Radio betonte er hingegen,<br />

man könne „nicht wegen einem Leib -<br />

chen eine ganze Bürgerliste verbieten“.<br />

Der vermeintliche Hitlergruß sei außer -<br />

dem nur eine „zufällige Handbe we -<br />

gung“ gewesen, sein Kandidat habe<br />

lediglich jemanden grüßen wollen.<br />

Das habe man auch dem VfGH so mit -<br />

geteilt. Robert Eiter, Sprecher des OÖ<br />

netzwerks gegen Rassismus und<br />

Rechtsextremismus, rechnet damit,<br />

dass der Gerichtshof eine klare Ent -<br />

scheidung fällen werde. Auf den Bil -<br />

dern „zeigen Kandidaten der Bunten ganz<br />

offen und provokant eine braune Gesin -<br />

nung“, sagte er im Radio-interview.<br />

„Ich meine, viel deutlicher geht es nicht<br />

mehr.“<br />

Auch der Vorsitzende des mauthau -<br />

sen Komitee Österreich, Willi Mernyi,<br />

ist empört: „Es ist eine unglaubliche Pro -<br />

vokation, dass rund ein Jahr nach der<br />

Schändung der KZ-Mauern bekannte<br />

Rechtsextremisten vor der Gaskammer<br />

auf marschieren.“ im innenministerium<br />

kann man sich den Zwischenfall nicht<br />

erklären: „Unsere Mitarbeiter sind sensibilisiert<br />

und es gibt eine Hausordnung,<br />

nach der niemand rein darf, der auch nur<br />

ansatzweise an das Verbotsgesetz an -<br />

schrammt“, hieß es gegenüber dem<br />

„Ku rier“. Einer der T-Shirt-Träger<br />

versicherte allerdings, dass die Lei berln<br />

sicher mehreren Angestellten auf -<br />

gefallen sein müssten. „Hätte man uns<br />

gesagt, dass wir die nicht tragen dürfen,<br />

wären wir nicht in die Gedenk stät te<br />

gegangen“, behauptete der „Bunte“-<br />

Kandidat.<br />

Wahlanfechtung könnte durchgehen<br />

Die Wahlanfechtung, die beim VfGH<br />

liegt, könnte durchgehen, vermutet<br />

der stellvertretende FPÖ-Landespar -<br />

tei chef Landesrat Manfred Haimbuch ner.<br />

Er sieht den Welser Bürgermeister<br />

Peter Koits (S) daher „momentan großen<br />

Problemen ausgesetzt“, wie er am<br />

Rande einer Pressekonferenz in Linz<br />

sagte. nach dem Auftauchen der Fo -<br />

tos habe sich die laufende Anfech tung<br />

der Welser Kommunalwahlen durch<br />

„Die Bunten“ von selbst qualifiziert,<br />

erklärten hingegen die Grüne men -<br />

schen rechtssprecherin Maria Buch mayr<br />

und die Welser Fraktions vor sitzende<br />

Andrea Bauer in einer Aussendung. Es<br />

zeige sich, dass die Bürgerliste völlig<br />

zu Recht ausgeschlossen worden sei,<br />

so Bauer. „Es kann nicht sein, dass sich<br />

der Rechtsstaat von grenzwertiger NS-<br />

Symbolik gängeln lassen muss“, betonte<br />

Buchmayr.<br />

Rechtsexperten warnen<br />

vor Verharmlosung<br />

Rechtsexperten haben vor Verharmlo -<br />

sung der Aktionen einzelner Kandi -<br />

da ten der Bürgerliste „Die Bunten“<br />

gewarnt.<br />

Laut dem Linzer Verwaltungsrechtler<br />

Andreas Janko könnten die T-Shirts<br />

auch nach dem EGVG (Einfüh rungs -<br />

gesetz zu den Verwaltungsverfah -<br />

rens gesetzen) strafbar sein: Demnach<br />

wäre das Tragen von Leibchen mit<br />

na zi-Sprüchen, auch wenn sie nicht<br />

unter das Verbotsgesetz fallen sollten,<br />

zumindest „grober Unfug“. Das gelte<br />

auch, wenn sich der Träger mit der<br />

zur Schau gestellten ideologie gar<br />

nicht identifiziere, erklärte Janko.<br />

Der ehemalige Senatspräsident des<br />

Oberlandesgerichtes Linz, Wolfgang<br />

Aistleitner, warnte in einem Gespräch<br />

mit der APA vor einer voreiligen Frei -<br />

stel lungs erklärung, wie es - aus seiner<br />

Sicht - Michael Tischlinger, der Leiter<br />

des oberösterreichischen Landesamts<br />

für Verfassungsschutz und Terroris -<br />

mus bekämpfung (LVT) machen wür -<br />

de. Ohne genaue Prüfung, sei es „ein<br />

entsetzliches Signal“, so Aistleitner, of -<br />

fen gezeigte Bekundungen wie „Ich<br />

habe Bock auf Nazis“ auf einem T-Shirt,<br />

getragen in der KZ-Gedenkstätte<br />

maut hausen, straflos zu erklären.<br />

Tischlinger hatte darauf verwiesen,<br />

dass nur einige bestimmte Symbole<br />

im Verbotsgesetz erfasst seien. Es ma -<br />

che zudem einen großen Unterschied,<br />

ob man in den eigenen vier Wänden<br />

eindeutig rechtsextreme Outfits trägt,<br />

oder aber in der Öffentlichkeit. Denn<br />

in letzterem Fall könne man davon<br />

ausgehen, so der Senatspräsident in<br />

Ruhe, dass man das auch bewusst<br />

nach außen zeigen wollte. APA/red<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 9


Wie man<br />

sich wehren<br />

kann<br />

Volker Frey arbeitet für den Klags ver band<br />

zur Durchsetzung der Rechte von Dis kri -<br />

minierungsopfern und ist für ZARA – Zi -<br />

vilcourage und Anti-Rassis mus-Arbeit <strong>als</strong><br />

Trainer tätig. Ein Trainer in Sachen Zivil -<br />

cou rage? Ja! Bei ZARA kann man in Work -<br />

shops und eben so genannten Trainings<br />

erfahren und üben, wie man sich selbst<br />

in unangenehmen Situationen wehren<br />

oder anderen zu Hilfe kommen kann. Im<br />

Gespräch mit der „Gemeinde“ skizzierte<br />

Frey einige Möglichkeiten, wie man in<br />

solch schwierigen Situationen zurecht<br />

kommt, ohne zu schweigen.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Kennen Sie diese Situationen, in de nen<br />

– plötzlich und unerwartet – von<br />

Fremden oder auch langjährigen Be -<br />

kannten eine antisemitische Bemer -<br />

kung fallen gelassen wird? Wo man<br />

sich, etwa anlässlich der aktuellen<br />

Asyldebatte, im Handumdrehen in<br />

ei ner rassistischen Gesprächssi tua ti on<br />

wiederfindet? Wie reagieren? Schwei -<br />

gen? Dagegenreden? Schreien? Weg -<br />

lau fen?<br />

Am Anfang steht hier vor allem das<br />

Sich-Bewusstmachen, das Sich-Ein ge -<br />

stehen, dass diese Situation ein Pro -<br />

blem darstellt, dass ich mich nicht<br />

wohl fühle – und zwar egal, ob ich oder<br />

jemand anders betroffen ist. „Hin -<br />

schau en, nicht wegschauen“, benennt es<br />

Frey. nächster Schritt: bewerten. ist<br />

das tatsächlich ein Übergriff? Geht<br />

mich das überhaupt etwas an? Habe<br />

ich hier ein Recht einzugreifen? Und<br />

schließlich drittens: welche Strategie<br />

wende ich an? Wende ich mich direkt<br />

an die Person, die etwas F<strong>als</strong>ches ge -<br />

sagt oder gemacht hat, äußere ich nur<br />

laut meinen Unmut, hole ich andere<br />

zu Hilfe?<br />

POLITIK • INLAND<br />

meistens erzählen die Workshopteil -<br />

neh mer von ein bis drei schwierigen<br />

Situationen, die sie immer wieder er -<br />

leben, erzählt Frey. Reagieren könne<br />

man mit ganz unterschiedlichen in -<br />

terventionen – gut sei es aber, sich für<br />

jede dieser Situation schon eine Stan -<br />

dard antwort, eine bestimmte Reak ti -<br />

on zurechtzulegen. Die hat man dann<br />

schon einmal in petto, wenn es wieder<br />

so weit ist. Und fällt einem dann<br />

etwas Besseres ein: gut. Wenn nicht,<br />

ist man dennoch nicht unvorbereitet.<br />

Was aber sind nun solche Situatio nen?<br />

Etwa jene, in der eine Frau gemeinsam<br />

mit ihrem schwarzen Partner in<br />

die Straßenbahn einsteigt und dann<br />

mit Stänkereien bedacht wird. Oder<br />

die muslimische Kopftuchträgerin, die<br />

beschimpft wird. Ja, das ist auch eine<br />

Form von Gewalt, macht Frey klar.<br />

Zivilcourage bedeutet hier, seinen Un -<br />

mut zu äußern, laut und deutlich zu<br />

sagen, dass man das nicht in Ord nung<br />

findet.<br />

Grundsätzlich aber gilt in allen Kom -<br />

mu nikationen, in denen ich durch die<br />

meinung eines anderen vor den Kopf<br />

gestoßen werde: „Es bringt meistens<br />

sehr wenig, auf einer inhaltlichen Ebene<br />

zu diskutieren“, so Frey. ich muss mir<br />

besser überlegen, was ich mit meiner<br />

Antwort erreichen will. Will ich den<br />

anderen von meiner meinung überzeugen?<br />

Oder wäre es nicht einfach<br />

schon gut, rundheraus zu sagen, dass<br />

ich mit dem von ihm Gesagten nicht<br />

einverstanden bin?<br />

Am schwierigsten zu meistern sind<br />

Situationen innerhalb der Familie, in<br />

denen man sich unwohl fühlt, sagt<br />

Frey. Wenn man den Spruch „Unterm<br />

Hitler hätt’s des net geben“ seit zehn, 20<br />

Jahren immer wieder von jemandem<br />

hört, den man eigentlich gern hat und<br />

schätzt. Und daher nichts sagt. „Das<br />

ist auch die Banalität des Bösen.“ Ein<br />

erster richtiger Schritt wäre hier eine<br />

Frage zu stellen. Was hätte es nicht ge -<br />

geben? Woher weißt du das? Doch ge -<br />

rade in der Familie sind die Ver hal -<br />

tens muster oft verfahren, sich daraus<br />

zu befreien ist schwer. Aufbrechen<br />

kann man sie etwa mit Rollenspielen.<br />

Ein Argumentations- oder Zivilcou -<br />

ra ge training sei dafür aber nicht der<br />

richtige Ort, betont Frey. „Da ist man<br />

in einem psychotherapeutischen Kontext<br />

besser aufgehoben.“<br />

Ergeben sich unliebsame Diskussio nen<br />

im Bekanntenkreis, kann das aus an -<br />

derem Grund schwierig sein: „Man<br />

braucht sich ja nur überlegen – meine bes -<br />

ten Freunde, wenn ich sie heute neu kennen<br />

lernen würde, wären sie dann wieder<br />

meine besten Freunde?“ Gerade men -<br />

schen, die man in jungen Jahren kennengelernt<br />

hat, entwickeln sich oft in<br />

verschiedene Richtungen. Will man<br />

in Kontakt bleiben, empfiehlt es sich,<br />

diplomatisch zu bleiben. Was aber<br />

nicht heißt, dass man mit seiner mei -<br />

nung hinterm Berg halten soll. „Man<br />

muss dann sehen, dass man einen geeigneten<br />

Umgang damit findet. Humor ist<br />

zum Beispiel ein Weg. Man kann jede Be -<br />

merkung, die einem nicht passt, mit<br />

Humor kontern.“<br />

Am Arbeitsplatz kann es zum Bei spiel<br />

der Kollege sein, mit dem man oft in<br />

einer größeren Runde mittagessen<br />

geht, und dem immer wieder unpassende<br />

Bemerkungen auskommen.<br />

Prädestinierte Themen: Asyl, migra ti -<br />

on, israel. Klar muss mir hier auch<br />

mein Ziel sein. Will ich seine Ein stel -<br />

lung ändern? Oder will ich schlicht,<br />

dass er gewisse Dinge im Arbeitsum -<br />

feld nicht mehr sagt?<br />

Hier schlägt Frey eine dreistufige Vor -<br />

gangsweise vor. Zunächst einmal das<br />

Thema mit einer Frage fixmachen à la<br />

„Du meinst wirklich, dass …?“. So kann<br />

der Angesprochene noch zu rück ru -<br />

dern, kann ohne sein Gesicht zu verlieren<br />

relativieren und merkt gleich -<br />

zeitig, dass seine Aussage nicht gut an -<br />

gekommen ist. Funktioniert dies nicht,<br />

muss man artikulieren, dass man das<br />

Gesagte <strong>als</strong> unangenehm empfindet.<br />

Und wird auch das nicht zur Kennt -<br />

nis genommen, empfiehlt Frey direkt<br />

zu sagen, „ich will das nicht hören“.<br />

Bei bestimmten Themen gibt es aber<br />

auch eine andere möglichkeit, damit<br />

umzugehen. Etwa wenn von Juden ge -<br />

sprochen wird, die alle reich seien.<br />

Eine Antwort wie „Was würdest du sa -<br />

gen, wenn jemand meint, alle Männer<br />

sind reich?“ würde den Betreffenden<br />

doch zum nachdenken bringen.<br />

Fühlt man sich übrigens am Arbeits -<br />

platz durch stetig wiederkehrende ras -<br />

sistische oder antisemitische Äußerungen<br />

eines Kollegen unangenehm<br />

be rührt, kann man sich an den Ar beit -<br />

ge ber wenden. Dieser hat eine Für -<br />

sor ge pflicht für jeden einzelnen mit -<br />

10 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


ar bei ter und hat dafür zu sorgen,<br />

dass solche Übergriffe gestoppt werden.<br />

in der Gruppe üben kann man solche<br />

und andere Strategien in den Trai nings<br />

von ZARA. An einem solchen meist<br />

eintägigen Training nehmen zehn bis<br />

20 Personen teil, die dabei von zwei<br />

Experten betreut werden. Trainings<br />

kann man unbürokratisch bei ZARA<br />

buchen, ein Training kostet für die<br />

ge samte Gruppe um 1.200 Euro.<br />

www.zara.or.at<br />

Offensive zur<br />

Zivilcourage auf<br />

Antrag der Grünen<br />

beschlossen<br />

Erfreut zeigt sich Birgit Hebein,<br />

Grüne Klubobfrau in Rudolfs heim-<br />

Fünf haus über den Beschluss der<br />

Bezirks ver tretungssitzung: Dem -<br />

nach wird der Verein ZARA - Zi vil -<br />

courage und Antirassis musar beit -<br />

Projekte zur Sen sibilisierung für die<br />

Themen Dis kriminierung, Zi vil cou -<br />

ra ge, Rassis mus und Gleich be hand -<br />

lung im 15. Bezirk anbieten. Ver -<br />

schie dene Work shops machen das<br />

Er kennen und An erkennen von<br />

Vielfalt, die Be schäfti gung mit Vor -<br />

urteilen und das Sicht bar ma chen<br />

von Diskriminie run gen und institutionellem<br />

Rassismus zum The ma.<br />

„Es ist im Interesse des Bezirks, das Zu -<br />

sammenleben zu fördern,“ meint He -<br />

bein. „Die bisherigen Erfahrungen ha -<br />

ben ge zeigt, dass gerade an Schulen so<br />

ein ge gen seitiger Respekt aufgebaut<br />

und ein rücksichtsvolleres Miteinan der<br />

ge fördert werden kann. Ebenso wirksam<br />

sind Projekte mit Berufs grup pen,<br />

die sich mit Jugend li chen beschäftigen.<br />

Die Workshops führen zu ei ner Sen si -<br />

bi lisierung gegenüber Vorur tei len,<br />

Fremd-/Anderssein und Diskrimi nie -<br />

rung. Dabei werden Vorurteile reflektiert<br />

und Strategien im Umgang mit<br />

Vielfalt erarbeitet.“<br />

im 15. Bezirk wird die So zial kom -<br />

mis sion über das konkrete Aus maß<br />

des Ange bots ent scheiden. „Dem<br />

Vor stoß unseres Be zirks könnten<br />

andere Bezirke folgen.“ so Hebein<br />

ab schließend.<br />

POLITIK • INLAND<br />

„Die Ermittlungen laufen“<br />

Seit rund einem Jahr ist die rechtsradikale<br />

Homepage www.alpen-donau.info nun<br />

online. Der oder die Betreiber sind offiziell<br />

noch im mer nicht ausgeforscht.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Eintrag vom 1. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong>: „Zu ei -<br />

nem bestimmten Detail der Geschichte ist<br />

nur die ‚Zeugenaussage‘, nicht aber der<br />

na turwissenschaftliche Beweis zugelassen.“<br />

Eintrag vom 28. Januar <strong>2010</strong>: „Einmal<br />

im Jahr kommt der Nikolaus, dreimal am<br />

Tag ist ‚Holocau$t‘. Alle Jahre wieder findet<br />

am 27. Jänner der Auschwitztag statt.“<br />

Eintrag vom 26. Januar <strong>2010</strong>: „Dass den<br />

Lizenzparteien das Wohlergehen der Ne -<br />

ger, Schwulen und Juden wichtiger ist,<br />

<strong>als</strong> die Bedürfnisse des Volkes, ist eigentlich<br />

schon lange bekannt. Gleiches und<br />

Gleiches gesellt sich gerne, womit wir na -<br />

türlich nicht behaupten wollen, dass jeder<br />

Politiker dieses Staates schwuler Jude ist.“<br />

Eintrag vom 21. Januar <strong>2010</strong>, bezug -<br />

neh mend auf einen Bericht in der De -<br />

zember-Ausgabe der „Gemeinde“<br />

über eine von ZARA veranstaltete Dis -<br />

kussion zum Thema „Rechts ex tre mis -<br />

mus im internet“: „Es freut uns übrigens<br />

mächtig, dass wir von Juden <strong>als</strong> Problem<br />

bezeichnet werden. Wir können den Druck<br />

noch steigern …“<br />

Die Liste ließe sich seitenweise fortsetzen.<br />

Wie lange solche und ähnliche<br />

Beiträge noch online zu lesen sein wer -<br />

den, steht in den Sternen. „Die Er mitt -<br />

lun gen laufen“, betont dazu Rudolf<br />

Gollia, Sprecher des innenministe ri -<br />

ums, Anfang <strong>Februar</strong> auf Anfrage der<br />

„Gemeinde“. nicht mehr bemüht wird<br />

nun der Hinweis, dass der Server dieser<br />

Seite in den USA liegt und man da -<br />

her nur schwer eine Handhabe habe.<br />

Ob die Seite gegen das Verbotsgesetz<br />

verstoße? Gollia: „Dem Ministerium<br />

steht hier keine Bewertung zu.“ Das sei<br />

allein Sache der Staatsanwaltschaft.<br />

„Und die Staatsanwaltschaft ist eingebunden.“<br />

Dass die Causa nun zur ministeriellen<br />

Chefsache erhoben und damit nur<br />

mehr vom Büro von ministerin maria<br />

Fekter (ÖVP) betreut wird, wie informell<br />

in den vergangenen Wochen im -<br />

mer wieder zu hören war, dementiert<br />

Gollia ganz klar. Es gebe Ermittlun -<br />

gen in mehreren Bundesländern, die<br />

vom Bundesamt für Verfassungs -<br />

schutz- und Terrorismusbekämpfung<br />

koordiniert würden.<br />

immer wieder wird zudem von Per -<br />

sonen, die die rechte Szene in Österreich<br />

beobachten, in off the record-<br />

Ge sprächen vermutet, dass die Al pen-<br />

Donau-Seite von einer oder mehreren<br />

Personen betrieben wird, die ein na -<br />

he verhältnis zum amtierenden Drit ten<br />

nationalratspräsidenten martin Graf<br />

(FPÖ) unterhalten oder aber unterhalten<br />

haben. Dazu Rudolf Gollia: Zu<br />

mög licherweise involvierten Perso nen<br />

könne er „nichts kommunizieren. Das<br />

unterliegt der Amtsverschwiegenheit“.<br />

Das sei auch im Sinn des Rechts staats.<br />

Es gilt <strong>als</strong>o die Unschuldsvermutung.<br />

Allerdings fällt auf, dass auf alpendo<br />

nau.info immer wieder interne Do -<br />

kumente aus dem FPÖ-Parla ments -<br />

klub veröffentlicht wurden, welche den<br />

Alpen-Donau-Betreibern nach ei ge -<br />

nem Bekunden „per netzpost“ zugespielt<br />

worden seien. Bis 30. Juni des<br />

vergangenen Jahres jedenfalls, zu diesem<br />

Zeitpunkt kam es im freiheitli chen<br />

Klub auch zu Personal verän de run gen.<br />

Seitdem gibt es einerseits keine solchen<br />

Dokumentveröffentlichungen<br />

mehr – andererseits wurde der Ton<br />

gegenüber der FPÖ teilweise rauer,<br />

wenngleich immer noch sowohl auf<br />

die Seite der FPÖ <strong>als</strong> auch auf unzensuriert.at<br />

verlinkt wird. Auf unzensuriert.at<br />

tun un ter anderen Martin Graf,<br />

Andreas Mölzer und Walter Rosenkranz<br />

ihre meinung kund.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 11


Protest gegen<br />

Kontakte der FPÖ<br />

mit ungarischer<br />

Jobbik-Partei<br />

Ansprache des FPÖ-<br />

Nationalratsabgeordneten<br />

Hübner bei Jobbik-Veranstaltung<br />

Kontakte der FPÖ mit der ungarischen<br />

rechtsextremen Partei Jobbik<br />

sorgen für Protest. Die israelitische<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong> (iKG) zeigte sich in<br />

einer Aussendung zum Holocaust-<br />

Ge denktag entsetzt darüber, dass es<br />

„ohne Aufschrei der demokratischen Par -<br />

teien“ Kontakte der „offen neofaschistischen<br />

ungarischen Jobbik-Partei“ mit<br />

der FPÖ geben könne.<br />

Vor einigen Wo chen hatten Jobbik-<br />

Vertreter den FPÖ-Klub in Wien be -<br />

sucht, bestätigte der außenpolitische<br />

Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner,<br />

auf Anfrage. mitte Januar habe dann<br />

er selbst auf deren Einladung hin bei<br />

einer Jobbik-Wahlkampf veranstal -<br />

tung in Budapest eine kurze Anspra -<br />

che ge halten.<br />

Es habe sich bei dem Besuch um ei -<br />

nen „ersten Kontakt gehandelt“, eine<br />

Kooperation gebe es aber nicht, sagte<br />

der nationalratsabgeordnete weiter.<br />

Hübner hatte beim Wahlkampfauf -<br />

takt der ungarischen Partei am 16. Ja -<br />

nuar nach einigen Worten auf Unga -<br />

risch zum Zusammenhalt und zur Zu -<br />

sammenarbeit zwischen den beiden<br />

Parteien aufgerufen, berichtete die<br />

internetseite einer zentralungarischen<br />

Lokalorganisation von Jobbik.<br />

im April finden in Ungarn Parla -<br />

mentswahlen statt, wobei der bisher<br />

nicht im Parlament vertretenen rechts -<br />

extremen Jobbik gute Chancen zugesprochen<br />

werden. Jobbik hatte im Ok -<br />

tober in Budapest einen EU-weiten<br />

Verband rechtsextremer Parteien ge -<br />

gründet, an dem auch die französische<br />

Front National (Fn) beteiligt ist.<br />

Parteivizechef Zoltan Balczo hatte da -<br />

m<strong>als</strong> bekanntgegeben, dass auch mit<br />

der FPÖ Verhandlungen geführt<br />

wür den. nach Angaben Hübners<br />

laufen derzeit jedoch keine Ge sprä -<br />

che zwischen den beiden Parteien<br />

und die FPÖ sei dem Verband auch<br />

nicht beigetreten.<br />

POLITIK • INLAND<br />

Neonazi-Umtriebe in sozialen Netzwerken<br />

und auf Online-Plattformen<br />

Soziale netzwerke und Partyfotos auf<br />

Online-Plattformen zeigen nicht im -<br />

mer nur feucht-fröhliche, sondern<br />

auch neonazistische Szenen. Die Pa -<br />

lette reicht von Gelagen, bei denen die<br />

Feiernden stolz mit ihren einschlägigen<br />

T-Shirts und Tattoos posieren, bis<br />

hin zum Gruppenbild mit Hitlergruß.<br />

Während sich rechte Gruppen online<br />

- auch international - gut vernetzen<br />

können, sind der Polizei aber oft die<br />

Hände gebunden. Eine Tätowierung<br />

mit dem Schriftzug „Ostmark“ oder<br />

„88“ (ein in neonazi-Kreisen verbreiteter<br />

Code für „Heil Hitler“, Anm.),<br />

T-Shirts, die den Träger <strong>als</strong> „White War -<br />

rior“ ausweisen oder „Ruhm und Eh re“<br />

für die Deutsche Wehrmacht fordern -<br />

das sind nur einige Beispie le, was es<br />

auf Partyfotos im internet zu sehen<br />

gibt. Die Wände zieren ein Son nen -<br />

rad, Wikinger-motive oder der Schrift -<br />

zug „Walhall“.<br />

Derartige Bilder bleiben auch dem<br />

Ver fassungsschutz nicht verborgen.<br />

Allerdings: Vieles kommt nicht zur<br />

An zeige, weil die meisten nazi-Co des<br />

nicht verboten sind. Das seien nur ei -<br />

nige wenige Zeichen wie beispielsweise<br />

das Hakenkreuz, erklärte Mi -<br />

cha el Tischlinger, Leiter des oberösterreichischen<br />

Landesamts für Ver fas -<br />

sungsschutz und Terrorismusbe kämp -<br />

fung (LVT). Hinzu komme, dass das<br />

Zeigen von nS-Symbolen nur im öf -<br />

fentlichen Raum strafbar sei, jedoch<br />

nicht im eigenen Partykeller.<br />

Aber nicht nur einschlägige Party-Pics<br />

kursieren im internet, auch Fotos von<br />

„Ausflügen“, die am Wochenende teil -<br />

weise von der Zeitung „Österreich“<br />

veröffentlicht wurden, sind dabei. Ein<br />

Gruppenbild zeigt etwa drei männer<br />

mit schwarzen Bomberjacken und<br />

Glatzen vor der Gaskammer im früheren<br />

KZ mauthausen. Einer hat ein<br />

Klein kind auf dem Arm. Für den<br />

Verfassungsschutz relevanter ist eine<br />

andere Aufnahme, auf der drei Her -<br />

ren beim Hitlergruß in einem Stollen<br />

zu sehen sind. Aber auch hier gebe es<br />

vorerst keine Anzeige, so Tischlinger.<br />

Es sei nämlich derzeit noch nicht be -<br />

kannt, wann und wo das Bild aufgenommen<br />

worden ist - „aber ziemlich<br />

sicher nicht in Mauthausen“. Der Hit -<br />

ler gruß sei ebenfalls nur strafrechtlich<br />

relevant, wenn man ihn in der Öffentlichkeit<br />

zeige. Das scheine hier nicht<br />

der Fall gewesen zu sein.<br />

Das führt zu einem weiteren juristischen<br />

Problem: Wer ein derartiges Foto<br />

ins internet stellt, macht sich streng<br />

genommen selbst strafbar - auch wenn<br />

er damit nur auf neonazis aufmerksam<br />

machen will. Der Abgebildete hin -<br />

gegen hat, sofern er nicht so in der<br />

Öf fentlichkeit in Erscheinung getreten<br />

ist, juristisch gesehen eine weiße Wes te:<br />

Er könne nichts dafür, über ein Foto im<br />

internet geoutet zu werden, erklärte<br />

Tischlinger sinngemäß die verzwickte<br />

Rechtslage.<br />

Dennoch schätzen die Fahnder die so -<br />

zialen netzwerke <strong>als</strong> Ermittlungs-<br />

Un terstützung. man könne die Web si -<br />

tes zwar nicht lückenlos überwachen,<br />

aber die Aktivitäten mancher Leute<br />

sei en daraus dennoch ersichtlich, so<br />

der Verfassungsschützer.<br />

Schuldspruch gegen Gerd Honsik wegen NS-Wiederbetätigung<br />

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits vor einigen Wochen in nichtöffentli -<br />

cher Sitzung den im vergangenen April vom Landesgericht Wien über Gerd Hon sik<br />

verhängten Schuld spruch wegen nation<strong>als</strong>ozialistischer Wie der betätigung bestätigt.<br />

Ob es bei den fünf Jahren Haft für die zahlreichen Ver stöße gegen §3g Ver botsge setz<br />

(VG) bleibt, entscheidet demnächst das Wie ner Oberlandesgericht (OLG). Die<br />

Berufungsverhandlung um die Strafhöhe findet am 1. März statt, gab OLG-Spre cher<br />

Raimund Wurzer bekannt.<br />

Honsik war be reits im Jahr 1992 auf Basis seines Buchs „Frei spruch für Hitler?“ von<br />

Wie ner Ge schworenen wegen Wie der betäti gung zu eineinhalb Jah ren un be ding ter<br />

Haft verurteilt worden. Wäh rend des offenen Rechtsmittelver fah rens setzte er sich<br />

nach Spanien ab, blieb dort 15 Jahre un be helligt und festigte weiter seinen Ruf <strong>als</strong><br />

führender Publizist der rechten Szene, indem er in seiner Zeit schrift „Halt“ wei ter<br />

nation<strong>als</strong>ozialistisches Gedankengut verbreitete. Im August 2007 wurde er auf Basis<br />

ei nes europäischen Haftbefehls bei Ma la ga festgenommen, ausgeliefert und - nach<br />

Ver büßung seiner offenen Stra fe - für sein „Wirken“ in Spanien neuerlich angeklagt,<br />

wobei der Tat zeit raum sich auf die Jahre 1987 bis 2003 erstreckte.<br />

12 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


© APA/Herbert P. Oczeret<br />

Die schlagenden Burschenschafter versammeln<br />

sich in der Hofburg und halten<br />

ihren alljährlichen „Ball des Wiener<br />

Korporationsrings“ (WKR) ab. Eine De -<br />

mon stration, bei der linke Fraktionen<br />

und Gruppierungen auf den rechtsextremen<br />

Hintergrund mancher Verbindun gen<br />

aufmerksam machen wollen, allen voran<br />

der Olympia, der auch der umstrittene<br />

Dritte Nationalratspräsident Martin Graf<br />

(FPÖ) angehört, wird im Vorfeld von der<br />

Polizei untersagt. Begründung: die öf -<br />

fent liche Ruhe, Ordnung und Sicherheit<br />

wären gefährdet. Die Kundgebung findet<br />

dennoch statt, die Polizei fährt harte<br />

Geschütze auf. Man gewinnt den Ein -<br />

druck, hier wurden linke Demonstrie ren -<br />

de bewusst kriminalisiert. Eine Zu sam -<br />

menschau.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Prolog: Am 26. Januar erscheint in der<br />

Tageszeitung „Die Presse“ ein inter -<br />

view mit dem neuen Leiter des Wie -<br />

ner Landesamts für Verfassungs schutz<br />

und Terrorismusbekämpfung, Erich<br />

Zwettler. Er wird darin zur Gefahr<br />

durch islamistische Kräfte, zur rechtsund<br />

linksextremen Szene be fragt.<br />

Rechtsextreme Umtriebe meh ren sich<br />

im Umfeld von Fuß ball spie len, gibt<br />

er dabei zu Protokoll. Und ab seits der<br />

Stadien? „Da tut sich relativ wenig, es<br />

POLITIK • INLAND<br />

Eskalation und<br />

Kriminalisierung<br />

gibt einen Handel mit Devo tio na lien. Es<br />

gibt die Szene, aber sie ist relativ wenig<br />

sichtbar.“<br />

Die Antwort auf die Frage „Gilt das<br />

auch für den linksextremistischen Be -<br />

reich?“ fällt wesentlich länger aus. „Die<br />

linke Szene ist sehr unterschiedlich in<br />

ihren Zielsetzungen. Es gibt verschiedene<br />

Interessenslagen, die man traditionell im<br />

linken Bereich sieht. Nehmen wir zum Bei -<br />

spiel die Studentenproteste. Die wurden<br />

medial dem linksextremen Bereich zugeordnet.<br />

Das ist aber nicht richtig. Es gab<br />

zwar Leute dort, die der linksextremen<br />

Szene angehören. Aber die Masse der Stu -<br />

denten hat nur studentische Anliegen<br />

ver treten. Das einende Element der verschiedensten<br />

linken Gruppierungen ist der<br />

gemeinsame Kampf gegen den Faschis -<br />

mus. Dagegen kämpfen die Leute mit den<br />

unterschiedlichen Ide o logien. Darunter<br />

gibt es welche, die gewaltbereit sind. Sie<br />

be ge hen Sach be schä digungen und fallen<br />

durch ag gressives Auf tre ten ge gen über<br />

der Polizei auf.“<br />

Einen Tag spä ter, am mitt woch, den<br />

27. Ja nuar, wird die De mon stration<br />

gegen den Ball der Bur schenschafter<br />

un tersagt. Wer dennoch demonstriert,<br />

ist damit Teil nehmer einer illegalen<br />

Kundgebung. Auch die iKG fordert,<br />

dass die De mon stra tion genehmigt<br />

wird.<br />

Freitag, 29. Januar <strong>2010</strong>, früher Abend.<br />

Die ersten Demonstranten versammeln<br />

sich am Christian-Broda-Platz.<br />

Zu einer Protestkundgebung hatte ne -<br />

ben den Grünen unter anderen auch<br />

die Gruppierung nowkr aufgerufen,<br />

laut Sprecherin Maxi Härter ein netz -<br />

werk anti-faschistischer und fe minis -<br />

ti scher initiativen ohne parteipolitische<br />

Zugehörigkeit, teils aus der Stu die ren -<br />

denszene. nowrk wies bis zu letzt auf<br />

seiner Homepage darauf hin, dass die<br />

Kundgebung unter allen Umständen<br />

stattfindet (http://nowkr.wordpress.com).<br />

Unter jenen, die dieser Aufforderung<br />

folgen, ist auch Christoph Baumgarten.<br />

Seine Eindrücke veröffentlicht er auf<br />

www.politwatch.at. Klar beschreibt er<br />

die Bildung des Schwarzen Blocks,<br />

wie dieser etwas später am Abend<br />

Schweizer Kracher in Richtung Poli -<br />

zisten wirft. Klar beschreibt er aber<br />

auch, dass seitens der Exekutive of -<br />

fenbar von Anfang an darauf gesetzt<br />

wird, die Kundgebungsteilnehmer zu<br />

kriminalisieren. Wer den Platz betreten<br />

will, muss einen Ausweis vorzeigen.<br />

Gegen 18.45 Uhr haben sich rund<br />

800 menschen versammelt, der Zug<br />

formiert sich, um in Richtung ma ria -<br />

hil ferstraße loszumarschieren. nach<br />

nicht einmal hundert meter ist Schluss.<br />

Polizisten mit Plastik schil den versperren<br />

den Weg. Es gibt kei ne Laut spre -<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 11


cher durchsage. nun werden die ers ten<br />

Kracher geworfen. Das Gros der De -<br />

mon strierenden ist verunsichert. Doch<br />

nun lässt die Polizei niemanden mehr<br />

heraus.<br />

Baumgarten schildert weiter: Dann<br />

doch eine Durchsage. „Hier spricht die<br />

Bundespolizei Wien. Diese Demon stra tion<br />

ist aufgelöst. Sie haben zehn Minu ten Zeit,<br />

den Platz zu verlassen.“ Ein Wasser -<br />

werfer fährt auf. Angeblich ist die<br />

Stum pergasse <strong>als</strong> Ausgang vorgesehen.<br />

Der Ort ist gesperrt. Ein paar Po -<br />

li zisten setzen Pfeffersprays ein. in<br />

der Folge werden immer nur wenige<br />

Leute hinausgelassen. Jeder muss seinen<br />

namen bekannt geben, jeder wird<br />

angezeigt, laut Polizeisprecher Ro man<br />

Hahslinger wegen einer Verwaltungs -<br />

über tretung nach dem Versamm lungs -<br />

gesetz. Auch Passanten, die in die<br />

Sperre gerieten. Auch Besucher von<br />

Lokalen im Umfeld, aus denen nun<br />

niemand mehr herauskann, ohne<br />

seine Personalien bekannt zu geben.<br />

Der Schwarze Block wirft Feuer werks -<br />

körper, die Polizei beginnt Leute festzunehmen,<br />

allerdings nicht immer<br />

mit glieder des Schwarzen Blocks,<br />

diese wehren sich. Baumgarten: „Bis<br />

zu drei Polizisten knien auf einem Fest ge -<br />

nommenen oder tragen ihn raus. Es ist<br />

nicht ganz nachvollziehbar, warum wer<br />

festgenommen wird.“<br />

14 Festnahmen, mehrere Verletzte,<br />

hun derte Anzeigen: so lautet die Bi lanz<br />

nach diesem Abend. Ein Poli zei auto<br />

und ein Geschäft wurden be schä digt.<br />

Am Tag danach spricht die FPÖ von<br />

„ei ner hemmungslosen Gewalt orgie der<br />

Ak tivisten, die nur mit ei nem massiven Po -<br />

li zeieinsatz unter An wen dung von Pfef fer -<br />

spray beendet werden konnte“ (FPÖ-na ti -<br />

onalrats-Abgeordneter Wer ner Her bert).<br />

Sein Grüner Abgeordneten-Kollege<br />

Karl Öllinger beurteilt die Vorfälle freilich<br />

anders. Gegenüber der „Ge mein -<br />

Foto © c. commns<br />

POLITIK • INLAND<br />

de“ schildert Öllinger, der sich selbst<br />

vor Ort ein Bild machte: „Schon das<br />

Verbot der ersten Demo war ein Indiz da -<br />

für, dass die Polizei keinen Protest gegen<br />

den Ball der Rechtsextremen will. Als<br />

dann unter fadenscheinigen Argumenten<br />

zwei Stunden vor Beginn auch die zweite<br />

De monstrationsanmeldung durch fünf<br />

grü ne Abgeordnete untersagt wurde, war<br />

– für mich – klar, dass die Polizei nicht an<br />

einer Deeskalation interessiert ist. Genau<br />

deshalb bin ich, auch in Verantwortung<br />

für die Teilnehmer, zum Versamm lungs ort,<br />

um dort einerseits über die Untersagung<br />

zu informieren, andererseits um mit dem<br />

Einsatzleiter über das weitere Vorgehen zu<br />

sprechen. Er gab mir zu erkennen, dass es<br />

diesmal überhaupt keinen Spielraum gä be:<br />

wenn sich die Versammelten in Bewe gung<br />

setzen, würden sie von der Polizei daran<br />

gehindert.“<br />

Dass jene, die dann bereit waren, den<br />

Platz zu verlassen, beim Ausgang<br />

Stum pergasse nur „stückweise“ ab -<br />

ge fertigt wurden, hat auch Öllinger be -<br />

obachtet, „sicher kein Beitrag zu Dees ka -<br />

lation“. Öllingers Fazit: „Wenn es das<br />

erklärte Ziel war, dass sich die Burschen -<br />

schaf ter ungestört treffen konnten, dann<br />

ist das gelungen. Wenn es ein Ziel war,<br />

dass möglichst wenig Gewalt und Reiberei<br />

en stattfinden, dann ist das gründlich<br />

misslungen. Vom Verfassungsauftrag,<br />

auch das Versammlungsrecht zu schützen,<br />

rede ich gar nicht – das ist ja nicht einmal<br />

angestrebt worden.“<br />

Und wer hat aus seiner Sicht mit der<br />

Eskalation begonnen? Öllinger: „Ich<br />

kann es schlicht nicht beurteilen, wer an -<br />

ge fangen hat. Wenn der Anfang das Ver -<br />

bot der Demonstration war, dann die Poli -<br />

zei. Wenn der Anfang war, dass ein Kes sel<br />

gebildet wurde und Wasserwerfer positi -<br />

oniert wurden, die mit den Scheinwerfern<br />

und der Spritzvorrichtung herumschwenkten,<br />

dann auch.“ Der Grüne be -<br />

tont allerdings: „Ich gebe auch ganz offen<br />

zu, dass ich mit Demonstranten, die<br />

prinzipiell Polizisten beschimpfen ein<br />

Problem habe.“ Er kenne aber eine Rei -<br />

he von Gedächtnisprotokollen, „aus<br />

denen ein ziemlich unvermittelter Ein satz<br />

von Gewaltausübung durch einzelne<br />

Polizisten spricht“.<br />

Öllinger betont: „Prinzipiell muss es<br />

mög lich sein, seinen Protest dort zu<br />

äußern, wo er hingehört, in diesem Fall<br />

je denfalls in die Nähe der Hofburg“. Eine<br />

Sperrzone sei vorstellbar. „Dass De -<br />

mon strationen gegen rechtsextreme Bur -<br />

schen schafter aber prinzipiell verboten<br />

werden, ist ein starkes Stück. Wir werden<br />

sicher dagegen rechtliche Mittel einlegen<br />

und uns auch dort, wo die Verhältnismäßig<br />

keit der Mittel nicht mehr gegeben<br />

war, etwas überlegen.“ Anfang <strong>Februar</strong><br />

kündigten die Grünen an, das Verbot<br />

der Demo gerichtlich zu bekämpfen.<br />

Eine parlamentarische Anfrage an in -<br />

nenministerin maria Fekter (ÖVP) zu<br />

dem Polizeieinsatz ist in Vorberei tung.<br />

massive Kritik kommt auch von<br />

Härter vom nowkr-Bündnis. in einer<br />

Aussendung meint sie am Samstag<br />

nach den Vorfällen: „Wer die Aussen -<br />

dun gen der Polizei liest, kann diese nur <strong>als</strong><br />

reinsten Zynismus deuten. Zuerst wurde<br />

uns das Recht auf De mon strati ons freiheit<br />

verwehrt und damit keine Möglichkeit<br />

ge lassen, unseren Protest in legalem Rah -<br />

men kundzutun. Dann konnte die Ver -<br />

samm lung nur verlassen, wer eine Per -<br />

lustrierung und Anzeige in Kauf nahm.<br />

Auch die Behauptung der Polizei, es gehe<br />

um die Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Sicherheit ist absurd, da weder zwischen<br />

PasantInnen, TouristInnen noch De -<br />

monstrantInnen unterschieden wur de.<br />

Schlichtweg alle am Platz wurden mit An -<br />

zeigen bedroht und Schikanen ausgesetzt.“<br />

Härter mutmaßt, dass die Exekutive<br />

an einem friedlichen Verlauf der<br />

Kundgebung gar nicht interessiert war.<br />

„Überhaupt scheint es gestern einfach den<br />

Befehl von ganz oben gegeben zu haben,<br />

dass die BeamtInnen sich wirklich alles<br />

Eingekesselt mit Wasserwerfern Foto © c. commns<br />

14 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />

© APA/Herbert P. Oczeret


erlauben können und einen Freibrief für<br />

Misshandlungen und ungerechtfertigtes<br />

Verhalten ausgestellt bekamen.“<br />

Und die andere Seite? Legt am Tag da -<br />

nach noch ein Schäuferl nach. in einer<br />

Aussendung meinte der Wiener<br />

FPÖ-Landesparteisekretär: „Die De -<br />

mon stra tions freiheit ist und bleibt selbstverständlich<br />

ein Grundrecht – allerdings<br />

müsse vor dem Hintergrund der gestrigen<br />

Gewalt aus brüche angeblich demokratischer<br />

De mon stranten die Frage gestattet<br />

sein, ob das der zeitige Strafausmaß für<br />

ei nen derart mas siven Missbrauch noch<br />

ausreichend sei.“<br />

Epilog: Am Samstag, den 30. Januar<br />

taucht auf Facebook bereits eine neue<br />

Gruppe im Gefolge der Ereignisse des<br />

Vorabends auf. Sie nennt sich „Volks -<br />

begehren gegen den WKR-Ball 2011<br />

in der Hofburg“. Der Gründer: Cle mens<br />

Binder, 18 Jahre, Student der Volks wirt -<br />

schaftslehre und Politikwis sen schaf -<br />

ten an der Uni Wien, keiner poli ti schen<br />

Fraktion zugehörig. nein, er war<br />

selbst nicht vor Ort, sagt er, auf sein<br />

Engagement von der „Ge meinde“ an -<br />

ge sprochen, „ich habe jedoch von Be -<br />

kann ten Schilderungen gehört, die mich<br />

zum Teil schockiert haben“.<br />

Und, so Binder weiter: „Dies war je -<br />

doch nicht der springende Punkt, der mich<br />

dazu veranlasst hat, derart aktiv zu werden.<br />

Meiner Ansicht nach tendiert Ös -<br />

terreich leider Gottes immer stärker zum<br />

Rechtsextremismus und extremem Na tio -<br />

na lismus, zum Teil verbunden mit stark<br />

rassistischen Zügen. Für mich war das<br />

Demonstrationsverbot der eigentlich ge -<br />

meldeten Demo ein Symbol für den Ver -<br />

fall der Meinungsfreiheit und Schutz des<br />

deutschnationalen Spektrums in unserem<br />

Land. Denn man merkt zunehmend eine<br />

Kriminalisierung all dessen, was von<br />

links der Mitte kommt.“<br />

Binder will nun „das Volk sprechen lassen,<br />

um zu zeigen, dass Österreich keinen<br />

Deutschnationalismus und Rechts ex tre -<br />

mis mus toleriert.“ Daher möchte er<br />

sich über Facebook bemühen, genügend<br />

Leute zu mobilisieren, die ein<br />

ent sprechendes Volksbegehren mittragen.<br />

8.000 Unterstützer braucht er,<br />

damit es überhaupt zu einem solchen<br />

Be geh ren kommt.<br />

Am Dienstag, den 2. Fe bru ar, um 10<br />

Uhr hatte seine Fa ce book-Gruppe be -<br />

reits 3.700 mit glie der.<br />

POLITIK • INLAND<br />

BETROFFENE BERICHTEN<br />

Die Grünen veröffentlichten am mittwoch nach den Ereignissen rund<br />

um den WKR-Ball in einer Pressekonferenz Berichte von Betroffenen,<br />

die er zählten, wie sie von der Polizei in einem kleinen Kammerl festgehalten<br />

wurden, in das sie sich vom Christian Broda-Platz aus ge -<br />

flüch tet hatten. Hier Auszüge aus diesen Gedächtnisprotokollen.<br />

„20.30 Uhr. Neben dem Cafe gibt’s eine Tür zu einem kleinen Spielautoma -<br />

ten kam merl. Schnell stellen sich um die 20 Leute in dieses Kammerl, um<br />

nicht von irgendwelchen Wurfgegenständen getroffen zu werden. Wir stehen<br />

nur ganz kurz drinnen, bis ein Polizist kurz die Tür aufreißt und meint, wir<br />

seien nun alle festgenommen und schließt daraufhin die Tür für über eine<br />

Stunde. Wir stehen <strong>als</strong>o nun ohne ge nauem Grund in dieser Kammer. Keiner<br />

versteht, was die nun mit uns vorhaben. Aufgrund der vielen Personen in<br />

dem Raum wird die Luft sehr verbraucht. Es ist auch kein Platz sich zu setzen,<br />

außer auf zwei Automatenstühlen. Immer wieder versuchen wir mit der<br />

Polizei, die nun vor der Türe steht und uns nicht mehr raus lässt, zu sprechen.<br />

Manche der Insassen klagen über Kreislaufprobleme aufgrund der schlechten<br />

Luft. Manche müssen ganz dringend aufs Klo. Die Lage in dem kleinen Raum<br />

wird angespannt. 22.00 Uhr: Ich und meine Freundin sind die letzten, welche<br />

nun aus dem Raum gelassen werden. Da jeder einzeln nach Personalien<br />

gefragt worden ist, dauerte es um einiges länger.“<br />

„Ca. 20.30 Uhr. Aber draußen herrschten immer noch apokalyptische<br />

Zustände (vor allem die Polizei attackiert wahllos Unschuldige und reißt sie<br />

zu Boden). Um dem zu entkommen flohen wir in die nächste offene Tür, wo<br />

schon ein paar De mon stranten Unterschlupf fanden (in einem Admiral Sport -<br />

wetten Kammerl). Andere Leute folgten uns, bis der Fünf-Quadrat me ter-<br />

Raum (Ausstattung: zwei Spielau tomaten und eine Überwachungskamera,<br />

sonst nichts) mit 25 Menschen randvoll war. Kurz daraufhin verriegelten<br />

WEGA-Beamte die Tür mit ihrem Schutzschild. Die Folge war, dass wir ca.<br />

eine Stunde lang in diesem Raum gefangen waren. Mit der Zeit wurde die<br />

Stimmung drinnen immer unruhiger … Leute (inklusive mir) mussten sehr<br />

dringend aufs Klo. Es gab keine Möglichkeit, auf diesen fünf Qua-drat metern<br />

sein Geschäft zu erledigen und wir wussten ja auch nicht, wie lange wir noch<br />

festgehalten wurden. Die Luft wurde immer dicker, Leute hatten Kreis -<br />

laufbeschwerden …“<br />

„So waren 20 Leute Stunden ohne Wasser, Toiletten und bei stickiger Luft in<br />

diesem kleinen Raum unter ständiger Überwachung der Kamera eingeschlossen.<br />

Unsere Hilferufe und Botschaften mittels Zetteln, die wir an die Glastür<br />

nach außen pressten, mit dem Wunsch nach Wasser, Luft und Toiletten wurden<br />

nur belächelt. Nur durch Telefongespräche blieben wir am Laufenden,<br />

was draußen ge schah. Es war eine sehr angespannte Situation, überhaupt für<br />

jene Leute, die zwei Stunden lang das dringende Bedürfnis nach einer Toilette<br />

verspürten, jedoch nicht hinausgelassen wurden. Die Luft in dem Raum verursachte<br />

bei mir beispielsweise sehr starke Kopfschmerzen und Übelkeit.“<br />

„In etwa 20 bis 25 Personen, unter denen ich mich auch befand, zogen sich<br />

in ein kleines Spielautomatencafé neben dem Billardcafé ‚Köö‘ zurück. Als die<br />

Polizei sich auf unserer Höhe befand wurde die Tür von zwei Beamten aufgerissen<br />

und uns wurde angedroht, dass jeder, der bei dieser Tür hinauskommt,<br />

festgenommen wird. Danach haben sie die Tür geschlossen und von außen<br />

mit ihren Schildern zugehalten. (…) Erst nachdem die auf einen Zettel ge -<br />

schrieben haben, dass die Luft bereits steht und wir auf die Toilette müssen und<br />

diesen Zettel mindestens 20 Minuten gegen die Scheibe gehalten und geklopft<br />

haben, wurde die Tür von außen geöffnet.“<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 15


Gedenktag in Dresden<br />

6.400 Neonazis angereist -<br />

5.700 Polizisten im Einsatz<br />

Die Polizei hat nach ihrem Einsatz<br />

zum Gedenktag an die Zerstörung der<br />

ostdeutschen Stadt Dresden im Zwei -<br />

ten Weltkrieg insgesamt 27 Verletzte<br />

registriert, darunter 15 Polizisten. Al ler -<br />

dings wurde keiner schwer verletzt.<br />

29 menschen kamen in polizeilichen<br />

Gewahrsam, gab die Polizeidirektion<br />

Dresden kurz vor mitternacht be -<br />

kannt.<br />

Die Betroffenen im Alter zwischen 16<br />

und 36 müssten sich unter anderem<br />

wegen gefährlicher Körper verlet zung,<br />

Landfriedensbruch, Sachbeschädi -<br />

gung, Widerstand gegen Voll stre -<br />

ckungs beamte und Verstößen gegen<br />

das Versammlungsgesetz sowie des<br />

Waffengesetzes verantworten. Dres den<br />

iPhone-Applikation "iMusso li ni"<br />

vom Markt abgezogen<br />

Das Programm "imussolini", mit<br />

dem man auf dem iPhone An spra -<br />

chen des faschistischen Diktators<br />

lesen, hören und sehen kann, ist<br />

aus dem Sortiment des Online-<br />

Shops des iPhone-Herstellers App le<br />

genommen worden. Dies kündigte<br />

"i-mussolini"-Programmierer Luigi<br />

marino an. Er habe sich zu diesem<br />

Schritt entschlossen, nachdem ihm<br />

Cinecitta Luce - die staatliche Ge -<br />

sellschaft, die die Archive und die<br />

Rechte für die historischen musso -<br />

li ni-Aufnahmen besitzt - mit einer<br />

Klage gedroht hatte.<br />

Die Applikation wurde in italien seit<br />

dem 21. Januar verkauft und hatte<br />

bisher großen Erfolg geerntet. Ci -<br />

necitta Luce drohte in einer Pres se -<br />

aussen dung mit einer Klage gegen<br />

all jene Personen, die die Aufnah -<br />

men verkaufen, da nur sie die Rech -<br />

te habe. Die Gesellschaft sprach<br />

von einem verwerflichen Ge brauch<br />

der Ansprachen mussolinis zu<br />

kommerziellen Zwecken.<br />

Eine Gruppe Holocaust-Überlebender<br />

in den USA hatte die zudem<br />

"imus solini" scharf kritisiert. Das<br />

Programm sei ein Affront und ein<br />

Angriff auf die Erinnerung aller<br />

Op fer des nation<strong>als</strong>ozialismus und<br />

des Faschismus.<br />

POLITIK • AUSLAND<br />

hatte an die Zerstörung der Stadt am<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges erin -<br />

nert. Die rechte Szene ruft seit Jahren<br />

zu Gedenkmärschen für die Opfer der<br />

Bombardierung Dresdens in der nacht<br />

zum 14. <strong>Februar</strong> 1945 auf. Dam<strong>als</strong><br />

starben in der mit Flüchtlingen überfüllten<br />

Stadt bis zu 25.000 menschen<br />

im Bombenhagel alliierter Flugzeuge.<br />

mit dem Bombardement sollte eine<br />

rasche Aufgabe des faschistischen<br />

Deutschlands erreicht werden.<br />

„Fast alle Veranstaltungen und Ver samm -<br />

lungen in Dresden trugen dem Anlass des<br />

Tages gebührend Rechnung. Weit mehr<br />

<strong>als</strong> 10.000 Menschen gedachten in der<br />

Dresdner Innenstadt still der Toten.<br />

Allerdings blieb es nicht überall friedlich“,<br />

sagte Polizeipräsident Dieter Ha -<br />

nitsch laut einer mitteilung. „Immer<br />

wieder kam es vor allem auf der Neu städter<br />

Seite zu Auseinandersetzungen zwi schen<br />

Extremisten gekommen, Bar ri kaden wurden<br />

errichtet, Unbeteiligte aber auch Ein -<br />

Der ehemalige tschechische sozialdemokratische<br />

(CSSD) Regierungschef<br />

Milos Zeman, der kürzlich mit einer<br />

neuen Partei in die Politik zurückgekehrt<br />

ist, warnt vor dem islam <strong>als</strong> ei -<br />

ner „Religion des Hasses“ und einer<br />

islamisierung Europas, die eine „ernste<br />

Gefahr“ für den europäischen<br />

Kontinent sei.<br />

in einem Gespräch mit der tschechischen<br />

nachrichtena gen tur mediafax<br />

sagte er, der grundlegende Konflikt<br />

des 21. Jahrhunderts werde jener zwi-<br />

satzkräfte angegriffen, Sach scha den entstand.<br />

Die Lage war zum Teil sehr un über -<br />

sichtlich und hat uns viel Kraft gekostet.“<br />

Die Polizei bezifferte die Zahl der an -<br />

gereisten neonazis auf 6.400. Zuvor<br />

war von rund 5.000 die Rede. Sie wa -<br />

ren einem Aufruf der „Jungen Lands -<br />

mannschaft Ostdeutschland“ gefolgt.<br />

ihr geplanter marsch wurde von Ge -<br />

gendemonstranten verhindert, die<br />

rund um den neustädter Bahnhof<br />

Blockaden errichtet hatten. Laut Po li -<br />

zei war die Situation zeitweilig es ka -<br />

liert, <strong>als</strong> Rechtsextreme die Polizisten<br />

mit Feuerwerkskörpern und Flaschen<br />

attackierten. Dabei hätten sechs Be amte<br />

leichte Ver letzungen erlitten. Aber<br />

auch auf der Gegenseite sei es zu massiven<br />

Angriffen auf Polizisten gekommen.<br />

Die Polizei setzte Was ser werfer<br />

ein. Zu den Sachschäden ge hören auch<br />

kaputte Autos. insgesamt waren fast<br />

5.700 Polizisten aus ganz Deutsch land<br />

an dem Einsatz beteiligt. APA/red<br />

Tschechischer Ex-Premier Zeman<br />

warnt vor Islamisierung Europas<br />

schen der euro-amerikanischen und<br />

der islamischen Zivilisation sein.<br />

„Zwi schen der Religion der Liebe und<br />

der Reli gion des Hasses. Und wir werden<br />

uns zwischen der Zivilisation der Liebe<br />

und der Zivilisation des Hasses entscheiden<br />

müs sen. Die Gleichgültigkeit ist das<br />

Schlimmste, was uns passieren könnte“,<br />

betonte der Ex-Premier.<br />

in diesem Zusammenhang forderte er,<br />

dass sich die tschechische Armee voll -<br />

ständig an internationalen mis si o nen<br />

beteiligen und gegen den Ter ro ris mus<br />

kämpfen solle. „Unsere Nach barn be dro -<br />

hen uns nicht. Die Solda ten können entweder<br />

in den Kasernen sitzen oder für die<br />

Kartoffelernte eingesetzt werden. Da für<br />

haben wir doch unsere pro fes sio nel le Ar mee<br />

nicht“, meinte Ze man, der für ei nen<br />

nATO-Beitritt seines Landes ein tritt.<br />

Zeman, der 2007 aus der CSSD ausge -<br />

treten war, hatte kürzlich eine neue<br />

Par tei - Partei der Bürgerrechte (SPO) -<br />

gegründet und will mit ihr bei den<br />

Par lamentswahlen im mai <strong>2010</strong> kandidieren.<br />

Laut tschechischen medien ist es je -<br />

doch seine Hauptambition, Staats -<br />

präs0ident zu werden, der An fang<br />

2013 gewählt wird.<br />

16 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Antisemitismus auf höchstem<br />

Stand seit zehn Jahren<br />

Die Zahl antisemitischer Taten ist im<br />

vergangenen Jahr nach einem israelischen<br />

Bericht weltweit so hoch gewesen<br />

wie seit zehn Jahren nicht mehr.<br />

Allein in Frankreich, Großbritannien<br />

und den USA seien 2009 mehr <strong>als</strong> 500<br />

Fälle gezählt worden, heißt es in dem<br />

Bericht, der bei der Sitzung des israelischen<br />

Kabinetts in Jerusalem vorgestellt<br />

wurde. Eine der Ursachen für<br />

die Zunahme der Judenfeindlichkeit in<br />

aller Welt sei die israelische Offensive<br />

im Gazastreifen, stellt der Bericht fest.<br />

„Die extremistische Propaganda gegen Is -<br />

rael nach der Operation ‘Gegossenes Blei’<br />

hat den Zusammenschluss zwischen ra -<br />

di kalen Islamisten und klassischen Anti -<br />

se miten ermöglicht, der diese Welle des<br />

An tisemitismus in der Welt provoziert<br />

hat“, heißt es in dem Bericht des An ti -<br />

semitismus-Forschungszen trums der<br />

Universität von Tel Aviv, das seit An -<br />

fang der 90er Jahre antisemitische<br />

Taten in aller Welt zählt.<br />

israels ministerpräsident Benjamin<br />

netanyahu machte nach Angaben des<br />

militärrundfunks bei der Kabi netts sit -<br />

zung neben der Gaza-Offen si ve auch<br />

den Bericht der Un-Unter su chungs -<br />

kom mission über die israelische mili -<br />

täraktion, den sogenannten Gold sto ne-<br />

Bericht, für die Zunahme des An tise -<br />

mitismus verantwortlich.<br />

Die Un-Vollversammlung hatte den<br />

Goldstone-Bericht mit großer mehr -<br />

heit angenommen, in dem der israelischen<br />

Armee und bewaffneten Pa läs -<br />

ti nensergruppen Kriegsverbrechen<br />

und mögliche Verbrechen gegen die<br />

menschlichkeit vorgeworfen werden.<br />

Die Frist für israelis und Palästinen -<br />

ser, binnen drei monaten „glaubwürdige“<br />

Untersuchungen zu möglichen<br />

menschenrechtsverletzungen einzuleiten,<br />

lief Ende Januar ab.<br />

Serbien: Antisemitismus<br />

im Zunehmen<br />

Der Leiter des Bundes jüdischer Ge -<br />

meinden in Serbien, Aleksandar Necak,<br />

hat auf den zunehmenden Antise mi -<br />

tis mus aufmerksam gemacht. in Ser -<br />

bien komme er vor allem durch die<br />

antijüdische Literatur zum Ausdruck,<br />

die auf dem markt derzeit mit mehr<br />

<strong>als</strong> 100 Titeln vertreten sei, sagte necak<br />

gegenüber der Tageszeitung „Danas“.<br />

Dazu kämen antisemitische Graffiti<br />

POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

und Zerstörung von Grab stei nen auf<br />

jüdischen Friedhöfen. An grif fe auf<br />

Einzelpersonen oder jüdische Orga -<br />

nisationen habe es bisher nicht gegeben,<br />

präzisierte er.<br />

Bei der antisemitischen Literatur geht<br />

es unter anderem um mehrere Aus ga -<br />

ben der „Protokolle der Weisen von<br />

Zion“, aber auch um Werke von Adolf<br />

Hitler. Der Bund der jüdischen Ge -<br />

mein den in Serbien erstattete in den<br />

letzten Jahren nach Angaben seines<br />

Leiters mehr <strong>als</strong> 20 Klagen und Straf -<br />

anzeigen gegen Verantwortliche für<br />

die Verbreitung von Antise mi tis mus.<br />

Bisher wurde kein einziges Gerichts -<br />

ver fahren geführt.<br />

Die jüdische Gemeinde in Serbien hat -<br />

te vor dem Zweiten Weltkrieg rund<br />

70.000 Angehörige. nur 14.000 von<br />

ih nen überlebten den Holocaust. Der -<br />

zeit wird die jüdische Gemeinschaft<br />

auf zwischen 1.300 und 1.400 Perso nen<br />

geschätzt.<br />

Studie: Jeder fünfte Ungar<br />

ist offen für Rechtsextremismus<br />

Zwanzig Prozent der 10 millionen Un -<br />

garn sind offen für rechtsextremistische<br />

ideen. Laut einer Studie des un -<br />

ga rischen institutes Political Capital<br />

belegt Ungarn mit diesem Verhältnis<br />

in Europa hinter der Ukraine und Bul -<br />

garien den 3. Platz, wie die Unga ri sche<br />

nachrichtenagentur mTi meldete.<br />

Laut Peter Kreko, dem Forschungs direktor<br />

des institutes, sind es demnach<br />

nahezu 21% der ungarischen Ge sell -<br />

schaft, die ihre Wertordnung nahe der<br />

radikalen Rechten sehen. Die nei -<br />

gung der Gesellschaft zum Extre mis -<br />

mus bedeutet laut Kreko nicht nur<br />

die gesteigerte Beliebtheit radikaler<br />

Parteien, sondern ebenso, dass die Ak -<br />

teure des politischen Zentrums „ra -<br />

dikalere Lösungen“ anwendeten.<br />

Hin sichtlich des Anteils der Extre mis -<br />

ten standen Ungarn und Polen 2003<br />

auf einer ähnlichen Stufe, wobei der<br />

ungarische index anstieg, während<br />

der polnische sank. 52% der ungarischen<br />

Gesellschaft waren 2009 von<br />

Vorurteilen belastet. Dabei sei das Ver -<br />

trauen der Ungarn in die Regie rung,<br />

die Demokratie, selbst in institutio nen<br />

der UnO gesunken. Die ungarische<br />

rechtsextreme Jobbik-Partei würde<br />

sich „auf diesen Trend stützend um An -<br />

hänger werben“, betobte Kreko.<br />

Das institut Political Capital untersucht<br />

seit acht Jahren in 32 Ländern<br />

den Hang zum Extremismus. Dabei<br />

hat sich laut Kreko gezeigt, dass die<br />

Offenheit dem Rechtsextremismus ge -<br />

genüber in Osteuropa anstieg. im<br />

übrigen Europa sei dieses Problem nur<br />

in den südlichen Regionen präsent.<br />

Das würde eine Art „neuen Ei ser nen<br />

Vorhang bedeuten, der nicht aus Draht<br />

besteht, sondern aus Ideologie“, kon sta -<br />

tierte Krtisztian Szabados, ge schäfts -<br />

führender Direktor von Politi cal Ca -<br />

pital, und erinnerte an das Ansteigen<br />

von Antisemitismus und Roma-Feind -<br />

lichkeit.<br />

Antisemitismus in Katalonien<br />

bestätigt<br />

Die Behauptung des in Barcelona an -<br />

sässigen Rabbiners David Libersohn,<br />

wonach Katalonien die höchste Rate<br />

an antisemitistischen Aktivitäten in ner -<br />

halb der EU aufweise, wurde in zwi -<br />

schen von mehreren institu tio nen be -<br />

stä tigt.<br />

Ein mitglied des Exe ku tiv ko mi tees der<br />

Partei Convergen cia De mo cratica de Ca ta -<br />

luyna bestätigte, dass er diese Ent wick -<br />

lung mit Sorge beobachte. Gerade<br />

hier gebe es eine steigende Anzahl von<br />

Buchläden, die neo nazi propaganda<br />

verkauften und den Ho lo caust leugneten.<br />

Er forderte, dass die se Leugnung<br />

des millionenfachen mor des an Juden<br />

durch die nazis auch hier unter Strafe<br />

gestellt werde. www.arena-info.com<br />

Hunde-Aktivisten ändern<br />

Kampagnen sujet<br />

nach der Empö -<br />

rung der iKG Wien<br />

über eine Volks be -<br />

fragungs-Flug blatt -<br />

kampagne des<br />

Hun dema ga zins<br />

„Wuff“, haben die<br />

initiatoren reagiert. Statt eines gelben,<br />

an den Judenstern des nation<strong>als</strong>o zia -<br />

lismus gemahnenden Sterns prangt bei<br />

der neuauflage des Flyers nun ein<br />

roter Kreis mit der Aufschrift „Böse“<br />

auf der Brust eines Pitbullwelpen. „Wir<br />

hoffen mit der Än de rung des Sujets zu ei -<br />

ner Beruhigung der Situation beizutragen“,<br />

so Wuff-Ver leger Gerald Pötz in<br />

einer Aussen dung.<br />

Der Zusam men hang mit der Ju den ver -<br />

folgung sei nicht beabsichtigt gewesen,<br />

man habe aber „um des guten Frie dens<br />

willen“ das Su jet geändert, so Pötz:<br />

„Wenn sich die IKG dadurch verletzt<br />

gefühlt hat, tut uns das Leid.“ APA/red<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 17


Das israelische Außenministerium hat einen<br />

aktuellen Katalog von 17 Fra gen und Antwor ten<br />

zum Frie densprozess mit den Palästinen sern<br />

zusammengestellt/Teil 2<br />

4. Wie hat sich die Machtübernah me<br />

der Hamas in Gaza auf die Chancen<br />

auf Frieden ausgewirkt?<br />

im Jahr 2005 zog sich israel in der<br />

Hoff nung, eine Gelegenheit für den<br />

Frieden zu schaffen, aus dem Gaza-<br />

Streifen und vier Siedlungen im nördlichen<br />

Samaria zurück. Es zog seine<br />

Streitkräfte ab, evakuierte 8.000 Sied -<br />

ler und räumte 25 Siedlungen, was<br />

milliarden kostete und ein schweres<br />

nationales Trauma verursachte. Statt<br />

einer Bewegung hin zum Frieden er -<br />

hielt israel dafür ein feindseliges Ter -<br />

ritorium an seiner Grenze.<br />

Die Hamas, eine vom iran unterstützte<br />

Terrororganisation, übernahm 2007<br />

die macht im Gaza-Streifen. Die An -<br />

griffe auf israelische Zivilisten, die be -<br />

reits seit 2000 im Gange waren, es ka -<br />

lierten dramatisch. israelische Städ te<br />

nahe dem Gaza-Streifen wurden zu<br />

Zielen von beinahe täglichem Be schuss<br />

mit Kassam-Raketen und mör sergra -<br />

naten; regelmäßig wurden grenzüberschreitende<br />

Terroran schlä ge versucht,<br />

und die terroristische infra struktur<br />

wuchs in alarmierendem Tempo an.<br />

israel hatte gehofft, die Abkoppelung<br />

des Gaza-Streifens würde zu einem<br />

Rückgang der Terroranschläge führen,<br />

wachsendem gegenseitigen Ver -<br />

trauen und letztlich einem Friedens -<br />

ab kommen mit den Palästinensern.<br />

Der Aufstieg der Hamas und die da -<br />

mit einhergehende Gewalt haben die<br />

israelische Öffentlichkeit daran zweifeln<br />

lassen, ob die Opfer für den Frie -<br />

den jem<strong>als</strong> vergolten werden. Da je des<br />

Friedensabkommen israel be trächt -<br />

liche und handfeste Opfer sowie er -<br />

hebliche Sicherheitsrisiken abverlangen<br />

wird, ist das Vertrauen der israelischen<br />

Bevölkerung eine wichtige<br />

Komponente des Friedens. Die an -<br />

dauernde Präsenz einer Terrororgani -<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Der Friedensprozess m<br />

sation in Gaza und ihre ständigen<br />

Versuche, die macht im Westjordan -<br />

land zu erlangen, unterminieren dieses<br />

Vertrauen ernsthaft.<br />

Die Hamas hat den Bürgern israels<br />

nichts <strong>als</strong> Gewalt gebracht und den<br />

Palästinensern nichts <strong>als</strong> Tragödien.<br />

Wie die Ereignisse in Gaza gezeigt ha -<br />

ben, haben die Terroristen die Rechte<br />

der Palästinenser, die sie zu fördern<br />

vor geben, lediglich untergraben. Seit<br />

israels Abzug und dem Putsch der Ha -<br />

mas herrscht Chaos in Gaza. Die Ha -<br />

mas hat einen vom iran gestützten<br />

mini-Terrorstaat an israels Südgrenze<br />

installiert. Sie hat der Bevölkerung Ga -<br />

zas ihre fundamentalistische Agenda<br />

aufgezwungen, indem sie die Rechts -<br />

prinzipien der Sharia zur Anwen dung<br />

bringt und dabei Frauen unterdrückt,<br />

individuelle Freiheiten miss achtet und<br />

ihre Gegner brutal verfolgt.<br />

Es versteht sich von selbst, dass der<br />

zukünftige palästinensische Staat kei -<br />

ne terroristische Einheit sein kann.<br />

Aus diesem Grunde besteht die internationale<br />

Gemeinschaft darauf, dass<br />

der Weg zu palästinensischer Staat -<br />

lich keit mit der Akzeptanz der Bedin -<br />

gungen einhergehen muss, die von<br />

dem internationalen nahostquartett<br />

(UnO, EU, USA und Russland) um -<br />

rissen wurden. Dazu gehört das Ab -<br />

schwören gegenüber dem Terror, die<br />

Akzeptanz früherer israelisch-palästinensischer<br />

Abkommen und die An er -<br />

kennung von israels Existenzrecht.<br />

Als eine Terrororganisation, die sich –<br />

laut ihrer Selbstbeschreibung – israels<br />

Zerstörung verpflichtet weiß, ist die<br />

Hamas völlig unfähig, irgendeines<br />

die ser Prinzipien anzuer kennen.<br />

niemand, der einen wahren Frieden<br />

wünscht oder eine bessere Zukunft<br />

für die Palästinenser, könnte auch nur<br />

daran denken, die Realität in Gaza –<br />

eine gewalttätige, fanatische Theo kra -<br />

tie – im Westjordanland zu kopieren.<br />

All jene, die einen weiteren israelischen<br />

Rückzug im Westjordanland<br />

vorschlagen, müssen die Lehren von<br />

Gaza beherzigen.<br />

5. Könnte eine Hamas-Fatah-Ein heitsre<br />

gierung ein Partner für den Frie den<br />

sein?<br />

Als die Hamas erstm<strong>als</strong> in Gaza an<br />

die Regierung kam, veranlassten ihre<br />

den Einsatz von Gewalt verfechtenden<br />

Stellungnahmen, ihre Gegner -<br />

schaft gegen eine Zwei-Staaten-Lö -<br />

sung und ihre Leugnung von israels<br />

Existenzrecht ebenso wie ihre direkte<br />

involvierung in den Terrorismus das<br />

nahostquartett (USA, EU, Russland<br />

und UnO) dazu, jeder palästinensischen<br />

Regierung drei Bedingungen zu<br />

stellen, um internationale Legitimität<br />

und Kooperation zu erlangen. Diese<br />

Grundbedingungen sind: die Aner -<br />

ken nung von israels Existenzrecht,<br />

das Abschwören gegenüber dem Ter -<br />

rorismus und der Gewalt sowie die<br />

Ak zeptanz der früheren Verein ba run -<br />

gen und Verpflichtungen.<br />

Die internationale Gemeinschaft fordert<br />

von jedweder palästinensischen<br />

Regierung, diesen drei Bedingungen<br />

zu entsprechen und „kein mitglied in<br />

ihren Reihen zu haben“, das sich<br />

ihnen nicht verpflichtet fühlt. Daher<br />

könnte eine Einheitsregierung, die die<br />

Extremisten der Hamas einschließt,<br />

kein Partner für den Frieden sein.<br />

Die Bedingungen, die das Quartett ge -<br />

stellt hat und die die Hamas weiterhin<br />

zurückweist, sind kein Hindernis<br />

für den Frieden, sondern vielmehr die<br />

Grundbedingung dafür, dass die in ter -<br />

nationale Gemeinschaft entscheiden<br />

kann, ob eine palästinensische Regie -<br />

rung in der Lage ist, eine Partei für<br />

Friedensverhandlungen darzustellen.<br />

Die extremistische ideologie der Ha -<br />

mas erlaubt keinerlei Kompromisse<br />

mit israel. ihre Charta erklärt, dass<br />

israel vom islam ausgelöscht werden<br />

wird, und die Hamas verkündet mit<br />

ihrem offiziellen Slogan, dass der Ji -<br />

had (heilige Krieg) ihr Weg sei und der<br />

Tod für Allah der vornehmste ihrer<br />

Wünsche. Die Hamas setzt sowohl ge -<br />

waltsame methoden, einschließlich<br />

des Terrorismus, <strong>als</strong> auch politische<br />

mit tel ein, um ihr primäres Ziel zu er -<br />

reichen: die Errichtung eines extremistisch-islamistischen<br />

palästinensischen<br />

18 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Staates anstelle israels.<br />

in Anbetracht ihrer dubiosen Ziele<br />

und ihres dogmatischen Ansatzes ist<br />

die Hamas unfähig, bezüglich ihrer<br />

Haltung gegenüber israel Zugeständ -<br />

nis se zu machen. Keine Ver hand lun -<br />

gen mit der Palästinensischen Auto -<br />

no miebe hörde werden zu einer Ver -<br />

besserung der Ambitionen und des<br />

Ver haltens der Hamas führen. Statt -<br />

dessen ist mit ihr lediglich eine un -<br />

versöhnlichere Palästinensische Au to -<br />

nomiebehörde zu erwarten.<br />

Einer palästinensischen Regierung<br />

internationale Legitimität zu verleihen,<br />

die die Grundbedingungen des Quar -<br />

tetts für den Frieden zu befolgen sich<br />

weigert, würde einen schweren Rück -<br />

schlag für die Aussichten auf Frieden<br />

darstellen und einen Verrat an denen,<br />

die eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützen<br />

und zur Wirklichkeit machen<br />

wollen.<br />

6. Wie schadet die palästinensische<br />

Hetze dem Frieden?<br />

So lange Generation für Generation<br />

von Palästinensern die niem<strong>als</strong> en den -<br />

de Kost anti-israelischer Hetze verabreicht<br />

bekommet, wird zwischen is ra -<br />

el und den Palästinensern nie Frie den<br />

herrschen können.<br />

Es gibt eine direkte Verbindung zwischen<br />

anti-israelischer Hetze und Ter -<br />

rorismus. Eine wahre Akzeptanz von<br />

israels Existenzrecht kann nicht allein<br />

durch Unterschriften auf einem Stück<br />

Papier erreicht werden. Sie muss auch<br />

im Herzen und in der Seele des palästinensischen<br />

Volkes existieren. So wie<br />

israel seine ganze Geschichte hindurch<br />

zum Frieden erzieht, müssen auch die<br />

Palästinenser mit diesem Prozess be -<br />

gin nen.<br />

Das palästinensische Erziehungs sys -<br />

tem, medien, Literatur, Liedgut, Thea -<br />

ter und Kino werden für extreme an tiisraelische<br />

indoktrinierung mobilisiert,<br />

die zeitweise in kruden Antisemitis -<br />

mus ausartet. Diese Aufstachelung zu<br />

Hass und Gewalt durchzieht die pa -<br />

lästinensische Gesellschaft, insbesondere<br />

im von der Hamas beherrschten<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

it den Palästinensern<br />

Gaza-Streifen. Sie existiert in Krippen<br />

und Kindergärten, Jugendbewe gun -<br />

gen, Schulen, Universitäten, moschee -<br />

predigten und Demonstrationszügen.<br />

Die Hetze gegen israel hat viele Ge -<br />

sichter. Sie beginnt bei der völligen<br />

Leugnung der Existenz des Staates is -<br />

ra el. Landkarten in Schulen und Uni -<br />

versitäten verzeichnen weder den<br />

na men israel noch eine große Anzahl<br />

seiner Städte und Ortschaften.<br />

Palästinensische Offizielle und Reli gi -<br />

onsoberhäupter leugnen regelmäßig<br />

die Jahrtausende lange Verbindung<br />

der Juden zum Land israel. mit der<br />

Zurückweisung der jüdischen Ge -<br />

schich te (ebenso wie des neuen Tes -<br />

ta ments) fördert die palästinensische<br />

Führung ein narrativ, das jegliche jü -<br />

dische Rechte auf das historische jü -<br />

di sche Heimatland abstreitet. Frieden<br />

kann nicht erlangt werden, so lange<br />

das Recht des jüdischen Volkes auf<br />

seinen eigenen nation<strong>als</strong>taat in seinem<br />

Heimatland geleugnet wird.<br />

Die Hetze ist auch durch die Hel den -<br />

verehrung von Terroristen charakterisiert.<br />

Hetzer preisen die Taten der<br />

Selbstmordattentäter, nennen Schu len<br />

und Fußballmannschaften nach ih nen<br />

und halten sie <strong>als</strong> Vorbilder in Ehren,<br />

denen nachzueifern sei.<br />

Aufrührerisches material unterscheidet<br />

nicht zwischen dem Staat israel<br />

und Juden und schließt oftm<strong>als</strong> antisemitische<br />

Karikaturen ein, die dieselben<br />

motive und Bilder verwenden, die<br />

während der nazizeit gegen die Ju den<br />

verwendet wurden.<br />

Dieses Phänomen verheißt nichts Gu -<br />

tes für die nächste Generation, die zur<br />

missachtung der Friedensstifter und<br />

Verehrung der Symbole von Tod und<br />

Zerstörung erzogen wird. Kin der, die<br />

wie die im von der Hamas beherrschten<br />

Gaza von frühester Kindheit an im<br />

Hassen, Töten und Zerstören unterwiesen<br />

werden, sind eine Tragödie<br />

für ihr eigenes Volk und eine potenti -<br />

elle Gefahr für andere.<br />

Es stellt sich die Frage, was für eine Art<br />

von Zukunft die industrie der Het ze<br />

der nächsten Generation bietet, die<br />

aufwächst im Erlernen von Hass. Wird<br />

diese junge Generation in der Lage<br />

sein, in den Begriffen von Frieden, gu -<br />

ter nachbarschaft, Toleranz und Kom -<br />

promiss zu denken? Kann die palästinensische<br />

Gesellschaft den neuen<br />

Geis teszustand schaffen, der für den<br />

Frieden notwendig ist, mehr noch <strong>als</strong><br />

die Unterzeichnung eines Frie dens -<br />

ver trags?<br />

man kann die intensität der Emotio -<br />

nen, die auf beiden Seiten des Kon -<br />

flikts im nahen Osten herrscht, nicht<br />

ignorieren. Leid und Gefühle tiefer<br />

Frustration existieren auch auf israelischer<br />

Seite. Aber es gibt einen gewaltigen<br />

Unterschied zwischen dem Ge -<br />

fühl von Zorn oder Frustration auf<br />

der persönlichen Ebene einerseits und<br />

der Förderung einer Kultur des Has ses<br />

auf der anderen Seite.<br />

Anders <strong>als</strong> ein großer Teil der palästinensischen<br />

Gesellschaft betrachtet die<br />

israelische Gesellschaft den Frieden<br />

<strong>als</strong> das höchste aller Ziele; das größte<br />

Verlangen sowohl auf individueller <strong>als</strong><br />

auch auf nationaler Ebene. Die Sehn -<br />

sucht nach Frieden und normalisie -<br />

rung des alltäglichen Lebens steht im<br />

Zentrum von israels Existenz und Kul -<br />

tur. Die vielen Tausende von Liedern,<br />

Büchern, Kunstwerken und Artikeln,<br />

die in israel seit seiner Gründung dem<br />

Frieden gewidmet worden sind, sind<br />

zu zahlreich, um genannt zu werden.<br />

Der Frieden ist ein Kernwert, der größ -<br />

te Traum jeder mutter und jedes Va -<br />

ters, die Verkörperung der zionistischen<br />

idee, die israel in Frieden und<br />

Kooperation mit all seien nachbarn<br />

leben sieht.<br />

Es gibt keinen legitimen Grund dafür,<br />

dass israelische Kinder in ihren Schu -<br />

len über Frieden und Koexistenz lernen,<br />

während gleichzeitig die palästinensischen<br />

Kinder darin unterrichtet<br />

werden, Selbstmordattentäter zu verehren<br />

und den märtyrertod im Jihad<br />

zu suchen. Die, die Frieden wünschen,<br />

sollten auch zum Frieden erziehen und<br />

nicht Hass und mord propagieren.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 19


Ein Jahr nach Wahl ist<br />

Likud noch populärer<br />

Ein Jahr nach den Parlamentswahlen<br />

in israel hat der national-konservative<br />

Likud von ministerpräsident Ben ja -<br />

min netanyahu in der Gunst der<br />

Wähler weiter zugelegt. im Fall von<br />

neuwahlen könnte sich der Likud im<br />

Vergleich zum Vorjahr von 27 auf 35<br />

Sitze in dem 120 Sitze zählenden Par -<br />

lament verbessern. Das geht aus<br />

einer in der Tageszeitung „Haaretz“<br />

veröffentlichten Umfrage hervor.<br />

Die Regierungskoalition aus rechten,<br />

ultra-rechten und stark religiösen Par -<br />

teien sowie der sozialdemokratischen<br />

Arbeitspartei würde von derzeit 74<br />

auf 76 Sitze wachsen. Die stärkste Op -<br />

positionspartei, die in der politischen<br />

mitte angesiedelte Kadima von Ex-<br />

Außenministerin Tzipi Livni, würde<br />

dagegen nur noch 26 statt bisher 28<br />

mandate erzielen.<br />

Kommentatoren erklären die Gewin ne<br />

für das rechte Lager mit der Desillu si -<br />

o nierung vieler israelis über den Frie -<br />

densprozess. Darüber hinaus glaubten<br />

viele Bürger, dass ein rechtes Par -<br />

teienbündnis besser mit der Bedro -<br />

hung durch den iran sowie militanter<br />

und radikaler Palästinensergruppen<br />

umgehen kann. Trotz des Zuwachses<br />

für den Likud sind mit 42% deutlich<br />

weniger israelis mit Regierungschef<br />

netanyahu zufrieden <strong>als</strong> noch vor drei<br />

monaten. Dam<strong>als</strong> stimmte die Hälfte<br />

der israelis der Amtsführung zu. Die<br />

Gründe dafür liegen nach Angaben<br />

der Zeitung vor allem in der Ent schei -<br />

dung netanyahus, den Wohnungs -<br />

bau im Westjordanland weitgehend<br />

zu stoppen. Dies habe vor allem<br />

Wäh ler des rechten Spektrums verärgert.<br />

Darüber hinaus hätten dem Re -<br />

gierungschef negative Berichte über<br />

Ehefrau Sara geschadet.<br />

53% der Befragten sind außerdem<br />

mit der Amtsführung von Außen mi -<br />

nis ter Avigdor Lieberman unzufrieden.<br />

Das sind drei Prozent mehr <strong>als</strong><br />

im november 2009.<br />

Wie in israel ge ne rell üblich wurden<br />

rund 500 Personen befragt. Die Feh -<br />

lerquote liegt den Angaben zufolge<br />

bei plus/minus 4,5 Prozentpunkten.<br />

APA<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Jesus war palästinensischer Moslem<br />

VON ULRICH W. SAHM<br />

„Es gab eine Kette von Propheten des Is -<br />

lam, von Adam bis Muhammad. Sie re -<br />

prä sentierten alle den Ruf nach dem Ei nen<br />

Gott und die Mission des Islam. Sie ge -<br />

hörten alle der gleichen Religion an, dem<br />

Islam. Jesus wurde in diesem Land, in<br />

Bethlehem geboren. Er lebte in Nazareth,<br />

zog um nach Jerusalem, <strong>als</strong>o war er ein<br />

Palästinenser.“<br />

Das hat der mufti von Jerusalem, Mu -<br />

hammad Hussein, im offiziellen palästinensischen<br />

Fernsehen am 21. April<br />

2009 verkündet. Das Zitat ist nur ei nes<br />

von vielen propagandistischen Ver -<br />

dre hungen palästinensischer me dien,<br />

die Itamar Marcus und Nan Jac ques Zil -<br />

berdik der israelischen Orga ni sation<br />

„Palestinian media Watch“ vor Ab ge -<br />

ordneten des italienischen Par la ments<br />

präsentierten. marcus war nach Rom<br />

eingeladen worden, während der italienische<br />

Regierungschef Berlusconi<br />

einen offiziellen Besuch in israel<br />

abstattete.<br />

Am 18. november 2005 erinnerte das<br />

offiziöse Blatt der Autonomiebe hör de,<br />

Al-Hayat Al-Jadid, daran: „Wir sollten<br />

nicht vergessen, dass der Messias (Jesus)<br />

ein Palästinenser war, Sohn der Maria,<br />

einer Palästinenserin“. marcus erklärte<br />

den römischen Parlamentariern, dass<br />

das nicht nur eine Geschichts klitte -<br />

rung, sondern noch dazu ein Ana chro -<br />

nismus sei. Denn erst im Jahr 136<br />

hät ten die Römer ihre Provinz Judäa<br />

in „Palästina“ umgenannt, um jede Er -<br />

innerung an die jüdischen Vorbesit zer<br />

zu tilgen. Zudem gehe es den Paläs -<br />

tinensern darum, Jesus in einen „Scha -<br />

hid“ zu verwandeln, einen mus l i mi -<br />

schen märtyrer, ähnlich wie die mo -<br />

dernen Selbstmordattentäter, die von<br />

der Autonomiebehörde auch <strong>als</strong> „mär -<br />

tyrer“ verehrt werden. Das sei eine<br />

neu e Entwicklung. nirgendwo im<br />

ganzen islam – so marcus - sei Jesus<br />

<strong>als</strong> „Schahid“ bezeichnet worden. Der<br />

palästinensische Abgeordnete Mus ta fa<br />

Bargouti, dessen Anhänger sich dieser<br />

Tage bemühen, ihn für den Friedens<br />

no belpreis nominieren zu lassen, hat -<br />

te gar behauptet, dass Jesus der erste<br />

Palästinenser gewesen sei, der in diesem<br />

Land „gefoltert“ worden sei.<br />

Bei anderer Gelegenheit behauptete<br />

die der Fatah-Partei des mahmoud<br />

Ab bas nahestehende Zeitung Al-Ha -<br />

yat Al-Jadida, dass das Leiden des<br />

ersten Palästinensers, des messias Je -<br />

sus, beim Letzten Abendmahl begonnen<br />

habe. im november 2005 be haup -<br />

tete die Zeitung, dass in der Bibel der<br />

Christen nur das Wort „Palästina“<br />

vorkomme (und nicht israel) und dass<br />

die Christen ganz korrekt allein die<br />

wahren arabischen namen der Ort -<br />

schaften und Städte verwendeten.<br />

mutmaßlich sagen <strong>als</strong>o Christen, wenn<br />

sie die Bibel lesen, „Al Kuds“ anstelle<br />

von Jerusalem und „nablus“ anstelle<br />

von Sichem...<br />

im palästinensischen Fernsehen stellte<br />

ein palästinensischer Künstler ein Ge -<br />

mälde vor, auf dem zu sehen war, wie<br />

Soldaten (in heutiger israelischer<br />

militäruniform) Jesus bei seiner An -<br />

kunft in Jerusalem durchsuchten. in<br />

seiner Tasche fanden sie einen Stein,<br />

ein Stück Brot und einen Fisch. Da -<br />

rauf hin wurde er verhaftet: „Das ist der<br />

Beginn des palästinensischen Kamp fes.“<br />

in einem zweiten Report führte<br />

marcus vor, wie die radikalislamische<br />

Hamas-Organisation beabsichtige,<br />

die christliche Welt dem islam zu un -<br />

ter werfen. „Alles wird in Rom beginnen“,<br />

heißt es in einem der Hamas-<br />

Texte. Ebenso beabsichtige Hamas<br />

einen Völkermord an den Juden.<br />

Regierung richtet Fonds für arabische Entwicklung ein<br />

Die israelische Regierung hat einen Fonds von 50 mio. Dollar für die arabische<br />

Entwicklung im Land eingerichtet. Das gab der israelische minister für min -<br />

derheiten, Avischai Braverman, bekannt. Ein Großteil des Geldes werde von<br />

jüdischen und arabischen Geschäfts-leuten eingezahlt. Den Rest werde die<br />

Regierung stellen, meldet die Tages zeitung ‘Jerusalem Post’.<br />

Laut Braverman sei das „wirtschaftliche Potential Israels innerhalb der arabischen<br />

Bevölkerung enorm“. Dschafar Farah vom „mossawa Center“, einer in ter es sens -<br />

vertretung für arabische israelis, begrüßte die investition. Er wies jedoch auf<br />

Unterschiede im arabischen Sektor beim Verkehrswesen, bei Schulen und<br />

Straßen hin. Das Engagement im privaten Bereich sei zwar wichtig, aber nicht<br />

genug. inn<br />

20 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Britischer Steuerzahlerbund: Steuergelder<br />

finanzieren anti-israelische Hetze<br />

Der britische Steuerzahlerverbund hat<br />

vor anti-israelischer Hetze in Schulen und<br />

Me dien der Paläs tinensischen Auto no -<br />

mie behörde gewarnt. Diese Kampagnen<br />

hätten zum Ziel, Israel zu „dämonisieren“<br />

und würden auch durch europäische<br />

Steuergelder finanziert. Auf einer<br />

Pressekonferenz mit Israels stellvertretendem<br />

Außenminister Danny Ajalon in<br />

Jerusalem legten Vertreter des Verban -<br />

des entsprechende Berichte vor.<br />

in den Dokumenten „Palästinen sische<br />

Hass-Ausbildung seit Annapolis“ und<br />

„Fi nanzierung von Hass-Ausbildung“<br />

wird ausführlich beschrieben, wie antiisraelische<br />

Hass-Kampagnen durch<br />

eu ropäische Steuergelder gefördert<br />

werden. Matthew Sinclair, For schungs -<br />

leiter der „TaxPayers’ Alliance“, nannte<br />

mehrere Beispiele für Hetze innerhalb<br />

der PA. Unter anderem zitierte er ei -<br />

nen palästinensischen imam, der kürz -<br />

lich in ei ner Predigt dazu aufgerufen<br />

hatte, ge gen die Juden zu kämpfen<br />

und die se zu töten. Juden seien die<br />

„Feinde der Menschheit“. Die Predigt<br />

war von der offiziellen Rund funk an -<br />

stalt der paläs ti nensischen Regie rung<br />

ausgestrahlt worden.<br />

Dies sei ein Thema für britische und<br />

europäische Steuerzahler, da ihre Re -<br />

gierungen die PA jährlich mit mehreren<br />

millionen Euro unterstützten, be -<br />

tonte Sinclair. Rund 42% der Paläs ti -<br />

nenser seien jünger <strong>als</strong> 15 Jahre. Da -<br />

mit gebe es eine große junge Gene ra -<br />

tion, deren Ansichten die Situation<br />

für eine lange Zeit formen würden.<br />

Frie den liege in den Herzen und Ge -<br />

dan ken der menschen und es sei entscheidend,<br />

dass die richtigen Gesin -<br />

nun gen in den menschen ermutigt und<br />

die richtigen Bedingungen für Frie den<br />

geschaffen würden, sagte Sin clair.<br />

„Hilfsprogramme besser prüfen“<br />

Die „TaxPayers’ Alliance“ habe das<br />

The ma „Hetze gegen Israel“ aufgegriffen,<br />

da sie glaube, dass es eine bessere<br />

Prüfung der Hilfsprogramme für die<br />

PA geben müsse. Es müsse sichergestellt<br />

werden, dass Steuergelder aus<br />

Großbritannien und der EU nicht mehr<br />

Programme finanzieren, die dem Frie -<br />

densprozess und den nationalen in ter -<br />

essen der britischen und der europäischen<br />

Bürger schaden. Das berichtet<br />

die Tageszeitung ‘Jerusalem Post’.<br />

israels stellvertretender Außenminis -<br />

ter Ajalon bezeichnete die Hetze <strong>als</strong><br />

eines der größten Probleme innerhalb<br />

der Palästinensischen Autonomie be -<br />

hörde (PA). „Jeder spricht über die Ha -<br />

mas, die nahe liegt, aber die PA, die Fatah<br />

und (Präsident) Mahmud Abbas sind<br />

eben falls in Hetze verwickelt und haben<br />

eine ‘Kultur des Hasses’ geschaffen“, so<br />

Ajalon laut einer Erklärung des<br />

Außen ministeriums.<br />

„Fatah erkennt jüdischen Charakter<br />

Israels nicht an“<br />

Die Satzung der Fatah akzeptiere noch<br />

immer nicht den jüdischen Charakter<br />

israels. Dies sei sogar bei der letzten<br />

Fatah-Konferenz bestätigt worden.<br />

„Das ist ein großes Problem. Solange Is -<br />

rael nicht <strong>als</strong> legitimer und natürlicher<br />

Teil dieser Region akzeptiert wird, werden<br />

wir kein Verlangen nach Frieden sehen“,<br />

sagte Ajalon weiter.<br />

Damit der politische Prozess Erfolg<br />

ha be, sei es wichtig die Hetze zu stop -<br />

pen. „Wenn die Palästinenser einen neu -<br />

en Staat im Nahen Osten errichten wollen,<br />

dürfen wir nicht erlauben, dass dies ein<br />

weiterer gescheiterter Staat oder ein Ter -<br />

rorstaat wird. Hetze sollte beendet werden,<br />

bevor ein Palästinenserstaat existiert und<br />

nicht erst danach“, forderte der israelische<br />

Politiker.<br />

Israel soll im Sommer OECD-Mitglied werden - Israel soll bis zum Sommer Mit -<br />

glied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)<br />

werden. Dies kündigte OECD-Gener<strong>als</strong>ekretär Angel Gurria nach Gesprächen mit<br />

Is ra els politischer Führung in Jerusalem an. „Wir laden Israel dazu ein, ein vollwer -<br />

ti ges Mit glied zu werden“, sagte er dem israelischen Fernsehen. Der Aufnah me -<br />

prozess ver laufe bis her glatt. Gurria hatte zuvor mit dem israelischen Außen minis<br />

ter Avig dor Lie ber man ein Ab kommen unterzeichnet, das den Weg für die<br />

Aufnahme Israels in die 1961 in Pa ris ge gründete Organisation ebnen sollte.<br />

Dem Abkom men zufolge sollen OECD-Re prä sen tanten in Israel unter anderem di -<br />

plomatische Immunität genießen. Die Or ga ni sation, die sich für faire Markt wirt -<br />

schaft einsetzt, hat bisher 31 Mitgliedsstaaten.<br />

Arabische Demonstranten:<br />

Schalit und Häftlinge befreien<br />

mehr <strong>als</strong> 100 israelische Araber ha ben<br />

am Eres-Grenzübergang zum Gaza -<br />

strei fen demonstriert. Sie forderten,<br />

dass der entführte israelische Soldat<br />

Gilad Schalit und palästinensische<br />

Häftlinge freikämen.<br />

Die Organisation „Ner LeSchalom ve -<br />

Ahava“ (Kerze für Frieden und Liebe)<br />

hatte die Kundgebung angeregt. Sie<br />

will die Koexistenz zwischen Ara -<br />

bern und Juden in israel fördern. Auf<br />

der anderen Seite des Überganges im<br />

Gazastreifen wartete eine weitere<br />

Gruppe auf die Demonstranten. Sie<br />

telefonierten miteinander und ermutigten<br />

sich gegenseitig, wie die Ta -<br />

geszeitung ‘Jediot Aharonot’ meldet.<br />

Malik Faradsch leitet die Organisation.<br />

ihnen sei klar geworden, dass die Ver -<br />

handlungen über die Befreiung keine<br />

Fortschritte machten, sagte der israelische<br />

Araber. „Die Politiker tun einfach<br />

nichts in dieser Angelegenheit und haben<br />

das Thema Befreiung Gilad Schalits und<br />

der palästinensischen Häftlinge aufgegeben.<br />

Wir haben <strong>als</strong>o beschlossen, hinzugehen<br />

und zu demonstrieren ... Es ist unser<br />

Ziel, Druck auf die Entscheidungsträger<br />

und die Knesset-Abgeordenten auszuüben.“<br />

Diese seien mit unwichtigeren<br />

Din gen beschäftigt. „Wir haben viele<br />

positive Reaktionen auf diese Initiative<br />

erhalten, und wir hoffen, dass dies helfen<br />

wird, das Thema voranzubringen.“<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 21<br />

© Tsafrir Abayov/Flash90


GOLDSTONE<br />

noch bevor der Goldstone Report ver -<br />

öffentlicht wurde, wollte Richard<br />

Gold stone seine Glaubwürdigkeit<br />

durch die Beschwörung seines Juden -<br />

tums, seines Zionismus, den israelischen<br />

Wohnort seiner Tochter und<br />

sei ne Verbindungen mit der Hebräi -<br />

schen Universität unter Beweis stellen.<br />

Dies war der klassische Trugschluss,<br />

bekannt <strong>als</strong> Argument ad hominem,<br />

der folgendermaßen definiert wird:<br />

Ein substanzielles Argument sollte<br />

nicht einzig aufgrund desjenigen, der<br />

es vorgebracht hat, zurückgewiesen<br />

werden.<br />

Daraus folgt natürlich auch – ein Ar -<br />

gument sollte nicht nur aufgrund<br />

des jenigen, der es vorgebracht hat,<br />

ak zeptiert werden.<br />

Ein naher Verwandter des ad hominem<br />

Trugschlusses ist was ich „das<br />

Argument durch ethnische identität“<br />

nenne. Definition: Ein antiisraelisches<br />

Argument wiegt schwerer, wenn es<br />

von einem Juden vorgebracht wird.<br />

(„Siehst du, sogar ein Jude stimmt zu,<br />

dass...“)<br />

Das sind genau jene trügerischen<br />

Argumente, mit denen Richard Gold -<br />

stone und seine Unterstützer den Re -<br />

port verteidigen. Goldstone rief sogar<br />

seine Tochter zu Hilfe. Sie sagte dazu<br />

Folgendes: „Hätte Richard Goldstone<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Die zweifelhaften Argumente<br />

des Goldstone Reports<br />

Ein Posting von Alan M. Dershowitz<br />

nicht den Vorsitz der UN-Untersu chungs -<br />

kommission zum Gaza-Krieg inne ge habt,<br />

wären die Anschuldigungen gegen Israel<br />

noch härter gewesen.“ Weiter: „Mein<br />

Vater hat diese Aufgabe für den Frieden,<br />

für jedermann und auch für Israel übernommen.“<br />

Und zur Jerusalem Post<br />

meinte sie: „Mein Vater liebt Israel und<br />

es war nicht einfach für ihn, zu sehen und<br />

zu hören, was passiert ist. Ich denke, er hat<br />

Dinge gehört und gesehen, die er nicht<br />

erwartet hat...“<br />

Das Problem ist allerdings nicht, was<br />

Goldstone sah und hörte. Es ist vielmehr,<br />

was er sich freiwillig und vorsätzlich<br />

weigerte zu sehen und zu hö -<br />

ren. Er sah sich nicht jene, ganz einfach<br />

im internet zu findenden, Videos<br />

an, die zeigen, dass Hamasterroristen<br />

regelmäßig Raketen hinter menschlichen<br />

Schildern hervor feuerten. Er<br />

weigerte sich, Augenzeugenberichte<br />

anzuerkennen, die in angesehenen Zei -<br />

tungen veröffentlicht wurden, nicht<br />

einmal Bestätigungen durch Ha mas-<br />

Führer. Er verweigerte die Anhörung<br />

des Berichtes eines der welt weit führenden<br />

Experten für den ungleichen<br />

Kampf demokratischer militärs ge gen<br />

Terroristen, die sich hinter Zivilisten<br />

verschanzen.<br />

Dieser meinte: „Ich glaube nicht, dass es<br />

in der Geschichte der Kriegsführung je -<br />

m<strong>als</strong> eine Zeit gab, in der die Armee größere<br />

Bemühungen zur Vermeidung ziviler<br />

und unschuldiger Opfer anstrengte, <strong>als</strong><br />

die IDF es in Gaza tut.“<br />

Anstatt seinen Report gegen die vielen<br />

substanziellen Argumente, die dagegen<br />

sprechen, zu verteidigen, hat Ri -<br />

chard Goldstone wiederholt auf sein<br />

Judentum gepocht, um sich sowohl<br />

gegen seine Kritiker zur Wehr zu setzen<br />

<strong>als</strong> auch um weiterhin israelische<br />

Vorgehensweisen anzugreifen.<br />

Wäre Goldstone nicht der Verfasser<br />

des Un-Berichts gewesen, wäre er<br />

wohl gemeinsam mit anderen einseitigen,<br />

parteiischen Berichten jener vor -<br />

urteilsbehafteten Gruppierung, die<br />

ausschließlich israel der menschen -<br />

rechts vergehen bezichtigt, im müll ge -<br />

landet. Aber jene, die den zweifelhaften<br />

Bericht unentwegt verteidigen, ar -<br />

gumentieren immer wieder mit Gold -<br />

stones Urheberschaft und der aus seinem<br />

Judentum folgenden Glaub wür -<br />

dig keit („Siehst du, sogar ein Ju de ...“).<br />

in einem Kriminalverfahren ist es<br />

unzulässig den Charakter des Be schul -<br />

digten zu attackieren, außer er hat<br />

seinen Charakter bereits zur Sprache<br />

gebracht. Ebendies tat Goldstone mit<br />

seinem Judentum, um seinem verlogenen<br />

Bericht Glaubwürdigkeit zu<br />

verleihen.<br />

Die einzig richtige Antwort auf ein ad<br />

hominem positives Argument ist ein<br />

ad hominem negatives Argument.<br />

Deshalb habe ich, zusätzlich zu ei nem<br />

substanziellen 49-seitigen Ant wort -<br />

schreiben auf Argumente und metho -<br />

dologie des Goldstone Reports, auch<br />

die Frage von Goldstones motivation<br />

bei der Übernahme dieser gewichtigen<br />

Aufgabe und der Unter zeich nung<br />

eines so offensichtlich f<strong>als</strong>chen und<br />

einseitigen Papiers aufgeworfen.<br />

Angesichts der schlagenden Beweise,<br />

die für jedermann online und in den<br />

medien zugänglich sind, kann Gold -<br />

stone doch wohl kaum glauben, dass<br />

die Hamas keine menschlichen Schutz -<br />

schilder verwendet, ihre Kämpfer<br />

nicht absichtlich in Zivilkleidung ge -<br />

steckt und moscheen und Hospitäler<br />

<strong>als</strong> Waffenlager missbraucht hat.<br />

Videoaufnahmen beweisen all das<br />

und die Hamas gesteht es auch ein<br />

und prahlt sogar damit.<br />

Er kann doch nicht wirklich glauben,<br />

dass israel die tausenden Raketen, die<br />

die Hamas auf israelische Kinder ab -<br />

22 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


gefeuert hat, <strong>als</strong> Vorwand oder Ent -<br />

schuldigung für die Verfolgung seines<br />

„wahren Ziels“ verwendet – so viele<br />

palästinensische Zivilisten wie möglich<br />

zu töten.<br />

Auch kann Goldstone nicht wahrhaftig<br />

glauben, dass die israelische Re -<br />

gierung auf höchster Ebene die Ent -<br />

schei dung trifft, palästinensische Ba -<br />

bys, Kleinkinder, Frauen und Alte zu<br />

ermorden. Sämtliche Beweise führen<br />

diese Argumente ad absurdum. Und<br />

dennoch unterzeichnete Goldstone<br />

einen Bericht, der all diese unsinnigen<br />

Argumente für wahr erklärt. Schande<br />

über ihn. Und noch mehr Schande<br />

da für, dass er sein Judentum dafür<br />

miss braucht, anderen die Diffama tio -<br />

nen des jüdischen Staates <strong>als</strong> wahr zu<br />

verkaufen.<br />

Der Goldstone Report sollte in all sei-<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

nen Schwachpunkten zurückgewiesen<br />

werden. Und die Tatsache, dass er<br />

von einem Juden autorisiert wurde –<br />

und der eben aufgrund dessen, dass<br />

er ein Jude ist und von der internationalen<br />

Gemeinschaft anerkannt werden<br />

will, dafür ausgewählt wurde – sollte<br />

seine Glaubwürdigkeit eher herabsetzen<br />

<strong>als</strong> diese zu fördern.<br />

ich habe Goldstone dazu aufgefordert,<br />

über die grundlegenden Punkte<br />

seines Berichts zu diskutieren. ich<br />

verspreche, keine ad hominem Ar gu -<br />

mente dagegen zu verwenden, wenn<br />

auch er keine mehr benutzt. Oder wie<br />

Adlai Stevenson einem politischen<br />

Widersacher einst versprach: „Wenn<br />

Sie keine Lügen mehr über mich verbreiten,<br />

höre ich auf, die Wahrheit über Sie zu<br />

erzählen.“<br />

GOLDSTONE-BERATER:<br />

„Hamas feuerte nur zwei<br />

Raketen auf Israel“<br />

Desmond Travers, einer der Co-Au to -<br />

ren des sogenannten Goldstone-Be -<br />

richtes, hat in einem interview mit<br />

„middle East monitor“ Anfang Fe -<br />

bruar behauptet, die Hamas habe vor<br />

der israelischen Operation „Gegos -<br />

senes Blei“ lediglich zwei Raketen<br />

auf israel abgefeuert. Der ehemalige<br />

Oberst der irischen Armee machte<br />

zudem weitere Aussagen zu dem<br />

Thema, die seine neutralität in der<br />

Angelegenheit in Frage stellen.<br />

Travers gehörte der Un-Kommission<br />

an, die die Geschehnisse während des<br />

dreiwöchigen israelischen militärein -<br />

satzes im Gazastreifen untersuchen<br />

sollte. Da er der einzige ehemalige<br />

hoch rangige militärvertreter war, war<br />

er hauptverantwortlich für die militärische<br />

Analyse.<br />

nach diesem jüngsten interview hat<br />

das „Jerusalemer Zentrum für Öf -<br />

fent liche Angelegenheiten“ (JCPA)<br />

eine Zusammenstellung von Aus sa -<br />

gen erstellt, die beweisen soll, dass<br />

Travers „grundsätzliche Vorurteile ge -<br />

gen die israelische Armee“ habe.<br />

So führte Travers in dem interview<br />

un ter anderem aus, dass israelische<br />

Sol daten in der Vergangenheit im<br />

Süd libanon gezielt irische Un-Sol da -<br />

ten erschossen hätten. Bei der Ver neh -<br />

mung von Zeugen im Gazastreifen<br />

habe er außerdem palästinensische<br />

Psychologen gebeten, zu erklären, wie<br />

israelische Soldaten palästinensische<br />

Kinder vor den Augen ihrer Eltern<br />

töten konnten.<br />

Die Darstellung, dass israel mit seinem<br />

Einsatz im Rahmen der Selbst -<br />

ver teidigung reagiert habe, wies Tra -<br />

vers zurück. im monat vor dem Krieg<br />

habe es höchstens „so um die zwei Ra -<br />

keten“ gegeben, die in israel einschlugen.<br />

Laut israelischen Quellen gab es<br />

allein zwischen dem 16. und 18.<br />

Dezember 32 palästinensische Ra ke -<br />

tenangriffe.<br />

Israelische Beweisfotos gefälscht<br />

Der irische Oberst wies auch die isra -<br />

elischen Angaben zurück, nach de nen<br />

die Hamas Kampfmittel in mo scheen<br />

versteckt habe. Dafür habe seine<br />

Kommission keine Beweise gefun-<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 23


den, sagte Travers in einem im Ok -<br />

tober veröffentlichten interview mit<br />

dem US-amerikanischen maga zin<br />

„Harper’s“. Er bestätigte, dass seine<br />

Kommission nur zwei moscheen un -<br />

tersucht hatte. „Die Anschuldigungen<br />

spiegeln westliche Annahmen einiger<br />

Kreise wider, nach denen der Islam eine<br />

gewalttätige Religion ist“, so Travers.<br />

Entsprechende Beweisfotos der israelischen<br />

Armee, auf denen zu sehen<br />

ist, dass Kampfmittel in moscheen<br />

ver steckt wurden, halte er für ge -<br />

fälscht.<br />

Der britische Oberst Tim Collins hatte<br />

den Gazastreifen ein Jahr nach der<br />

Offensive für den Rundfunksender<br />

BBC besucht. Unter anderem hatte er<br />

eine moschee inspiziert, welche die<br />

Ar mee bombardiert hatte, da dort<br />

Kampfmittel versteckt gewesen sein<br />

sollen. Dabei habe Collins Beweise<br />

für zusätzliche Explosionen gefunden.<br />

Diese könnten nur von Waffen und<br />

Sprengstoff stammen, die im Keller<br />

gelagert waren.<br />

Jüdische Lobbyisten beeinflussen<br />

Großbritannien<br />

in seinem jüngsten interview wurde<br />

Travers auch auf die Angaben britischer<br />

Offiziere wie Collins hingewiesen,<br />

die israels Anschuldigungen ge -<br />

gen die Hamas bestätigten. Darauf<br />

antwortete der ire: „Es scheint, dass die<br />

außenpolitischen Interessen Großbri tan -<br />

niens im Nahen Osten stark von jüdischen<br />

Lobbyisten beeinflusst werden.“<br />

Für die Hamas fand Travers lobende<br />

Worte. Diese habe gut mit der Kom -<br />

mission zusammengearbeitet. Anga -<br />

ben, nach denen die Hamas die Be völ -<br />

kerung eingeschüchtert habe, wies er<br />

zurück. So etwas habe es nicht gegeben.<br />

Das JCPA weist jedoch darauf<br />

hin, dass es im Goldstone-Bericht<br />

selbst unter Paragraph 440 heißt, die<br />

Befragten hätten nur zögerlich An ga -<br />

ben zur Präsenz bewaffneter Gruppen<br />

gemacht, aus „Angst vor Ver gel -<br />

tung“. Travers wies auch die An schul -<br />

digungen zurück, dass die Ha mas ih re<br />

Kämpfer in Wohn gegenden platzierte.<br />

DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Gegen den Terror<br />

der Hamas<br />

Demokratie statt<br />

autoritärer Diktatur<br />

in Gaza<br />

Operation „Gegossenes Blei“<br />

������������������������ ��<br />

Im Januar 2009 erschien ein<br />

Dos sier der „Gemeinde“ über<br />

den Terror der Hamas: „Demo -<br />

kratie statt autoritärer Diktatur in<br />

Gaza - Operation ‘Gegossenes<br />

Blei’“<br />

Restexemplare bzw. PDF erhältlich<br />

unter redaktion@ikg-wien.at<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Die schlichten Tatsachen<br />

nach langem Aufschub habe ich<br />

kürzlich Alan Dershowitz’ Film „Plä -<br />

doyer für Israel“ gesehen. Der renommierte<br />

US-Anwalt eröffnet den Film<br />

mit der Erklärung, dass er sowohl<br />

pro-israelisch <strong>als</strong> auch pro-palästinensisch<br />

sei und er die Zwei-Staaten-<br />

Lösung unterstütze, aber…<br />

Dershowitz ist weder ein Philosoph<br />

noch ein Filmemacher. Er ist nicht<br />

einmal rechtsgerichtet. Wir haben uns<br />

daran gewöhnt, dass das Plädoyer für<br />

israel nur von mitgliedern des rechten<br />

Lagers gehalten wird. Dershowitz<br />

jedoch unterstützt uns, eben weil er<br />

ein linksgerichteter Juraprofessor an<br />

der Harvard University ist, der sich<br />

mit menschenrechten beschäftigt.<br />

Wie können sie sich trauen, israel <strong>als</strong><br />

Apartheidstaat zu bezeichnen? fragt<br />

er mit echter Verwunderung. Die arabische<br />

Gesellschaft zeigt Apartheid<br />

gegenüber Frauen, Apartheid gegenüber<br />

Homosexuellen und Apartheid<br />

gegenüber Christen, Juden und der<br />

Demokratie. in Saudi-Arabien werden<br />

Schwule gehängt, im Sudan geht<br />

ein Völkermord vonstatten, und in der<br />

gesamten arabischen Welt werden<br />

Frauen dafür ermordet, dass sie keinen<br />

Schleier tragen oder sich in den<br />

f<strong>als</strong>chen mann verlieben.<br />

Doch trotz all dem haben sich acht<br />

der letzten acht Un-Resolutionen, die<br />

den menschenrechten galten, mit is -<br />

rael beschäftigt – dem einzigen Staat<br />

in der Region, in dem minderheiten<br />

das Wahlrecht haben, einem Land,<br />

dessen Gesetzgebung die Araber vom<br />

ersten Tag an mit einbezogen hat.<br />

Sind der globalen Linken – und auch<br />

der israelischen Linken – das schreckliche<br />

Taliban-Regime, die fürchterliche<br />

Unterdrückung von Frauen in den<br />

Golf staaten und die massenerhän -<br />

gungs feiern im iran wirklich egal? ist<br />

ihnen nicht klar, dass alle Straßen -<br />

sperren im Westjordanland die zweifellos<br />

eine andauernde menschliche<br />

Tragödie verursachen, innerhalb von<br />

24 Stunden entfernt werden würden,<br />

wenn die Palästinenser nur freundlich<br />

genug wären, mit dem Töten von<br />

Juden aufzuhören?<br />

Und wie kommt es, dass sie immer<br />

VON YAIR LAPID<br />

nur von den 750.000 palästinensischen<br />

Flüchtlingen sprechen und dabei die<br />

800.000 jüdischen Flüchtlinge vergessen,<br />

die aus arabischen Staaten vertrieben<br />

wurden? Warum erinnert sich nie -<br />

mand daran, dass die Palästinenser<br />

bereits vier wirkliche Gelegenheiten<br />

hatten, ihren Staat zu gründen, es aber<br />

jedes mal vorzogen, zum Terro ris mus<br />

zurückzukehren?<br />

Und wer nimmt sich heraus, den Si -<br />

cherheitszaun <strong>als</strong> „Apartheidzaun“<br />

zu bezeichnen und dabei die Tatsache<br />

zu übersehen, dass er gemäß dem in -<br />

ter nationalen Recht erst errichtet<br />

wur de, nachdem mehr <strong>als</strong> 1.000 isra -<br />

elis in weniger <strong>als</strong> drei Jahren ermordet<br />

worden waren?<br />

ich schaute Dershowitz’ Film; doch an -<br />

statt mich zu freuen, kam ich mir ein<br />

bisschen dumm vor. Schließlich war<br />

ich mit all diesen Tatsachen schon<br />

vorher vertraut, so wie jeder andere<br />

israeli mit ihnen vertraut ist. Woher<br />

kommt es <strong>als</strong>o, dass wir immer de -<br />

fensiv sind, uns immer entschuldigen<br />

und immer die Schlacht um die globale<br />

öffentliche meinung verlieren?<br />

Freilich ist es wahr, dass millionen von<br />

Petro-Dollars für anti-israelische Pro -<br />

pa ganda ausgegeben werden (hoppla!<br />

Schon wieder kaufe ich ihnen ih re<br />

Geschichte ab – es ist keine anti-is ra e li -<br />

sche Propaganda, sondern schlicht und<br />

einfach Antisemitismus). Aber wie<br />

zum Teufel haben wir es ge schafft, in<br />

eine Situation zu kommen, in der die<br />

Wahrheit – die einfache, schlichte, Tat -<br />

sachen-basierte Wahrheit – aus der mo -<br />

de gekommen ist? Yedioth Ahronot, 01.02.10<br />

24 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Während die meisten objektiven Be -<br />

obachter in aller Welt israels Effizienz<br />

und Großzügigkeit bei der medizinischen<br />

Versorgung der Erdbebenopfer<br />

von Haiti bestaunen, insistieren manch<br />

bigotte menschen immer noch darauf,<br />

dies <strong>als</strong> Gelegenheit zur Kritik am<br />

jüdischen Staat zu nutzen. Sowohl<br />

die rechtsextremen neonazis <strong>als</strong> auch<br />

die neo-Stalinisten können nicht an -<br />

ders, <strong>als</strong> israel bei jeder Gelegen heit<br />

zu dämonisieren, egal was israel tut.<br />

Die neonazi-Website http://reporters<br />

notebook.com beinhaltet einen Blog mit<br />

dem Titel „Die Zionisierung der Katas -<br />

tro phenhilfe“, in dem israel be schul digt<br />

wird, „das Leid der armen, wehrlosen<br />

Ha i tianer für den israelischen Triumpha -<br />

lis mus auszunutzen“. So wür de israel<br />

le diglich deshalb medizinische Hilfe<br />

für Haiti zur Verfügung stellen, um<br />

die öffentliche Aufmerksamkeit von<br />

seinen Verbrechen gegen die Pa läs ti -<br />

nenser abzulenken, wird in dem Blog<br />

behauptet.<br />

Die Extreme Linke, sogar in israel, mo -<br />

kiert sich darüber, dass israel seine<br />

mediziner so weit weg schickt, an statt<br />

sie in Gaza tätig werden zu lassen.<br />

Auch die ‘new York Times’ erkennt,<br />

in einer ansonsten sehr überlegten<br />

Ana lyse der Kontroverse bezüglich<br />

der Hilfsleistungen für Haiti unter den<br />

israelis, den Unterschied zwischen der<br />

Entsendung der begrenzten Res sour -<br />

cen nach Haiti anstatt nach Gaza nicht.<br />

Haiti führt nicht Krieg gegen israel.<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Den Bigotten wird es Israel<br />

niem<strong>als</strong> recht machen können<br />

Posting von Alan M. Dershowitz, 26. Januar <strong>2010</strong><br />

Haiti hat sich nicht der Zerstörung is -<br />

raels verschrieben. Haiti hat nicht<br />

8.000 Raketen auf israelische Zivilisten<br />

abgefeuert. Gaza allerdings hat<br />

eine von seinen Bürgern gewählte<br />

Ver waltung, die all dies getan hat<br />

und auch weiterhin tun wird.<br />

Abgesehen davon kann man die zehntausenden<br />

Haitianer, die aufgrund<br />

einer naturkatastrophe gestorben sind,<br />

kaum mit den menschen in Ga za vergleichen,<br />

die - weit weniger <strong>als</strong> nun<br />

die Haitianer - unter einer Situation<br />

lei den, die im Wesentlichen selbst<br />

verschuldet ist.<br />

israels immerwährende Feinde vergleichen<br />

ja schließlich auch nicht lautstark<br />

das winzige, ressourcenarme is -<br />

ra el mit den riesigen und ressourcenreichen<br />

arabischen moslemischen na -<br />

tio nen. Denn während der jüdische<br />

Staat tief in die eigene Tasche greift,<br />

um medizinische Hilfe in das Katas -<br />

trophengebiet von Haiti zu schicken,<br />

hört man relativ wenig von den arabischen<br />

und moslemischen Staaten,<br />

wenn es um Hilfsleistungen geht. Das<br />

hat sich nicht nur im katholischen<br />

Haiti bewahrheitet, sondern auch bei<br />

den Tsunamis und anderen natur ka -<br />

tas trophen, die moslemische Staaten<br />

verwüstet haben.<br />

Für jene, die glauben, dass israel Ha iti<br />

lediglich aus eigennützigen Gründen<br />

heraus hilft, habe ich zwei Antworten<br />

parat.<br />

Als erstes die Antwort der Realpo li -<br />

tik: Alle nationen verfolgen interes sen;<br />

und alle handeln, zumindest teilweise,<br />

aus Eigennutz. Wenn die US-Bürger<br />

von ihrer Regierung eine Rechtfer ti -<br />

gung für milliardenschwere Hilfsleis<br />

tungen im Ausland verlangen, ist<br />

die Antwort stets, dass dies auch den<br />

interessen des eigenen Staates dient.<br />

Aber israel wird immer mit zweierlei<br />

maß gemessen. israel darf ausschließlich<br />

aus altruistischen motiven heraus<br />

agieren, obwohl alle anderen Staaten<br />

das Recht haben, Altruismus mit ei -<br />

ge nen interessen gleichzusetzen.<br />

Zweitens: israel tut in Haiti wesentlich<br />

mehr, <strong>als</strong> nötig wäre, um eigene inter -<br />

essen zu befriedigen. Es stellt umgerechnet<br />

mehr Hilfe pro Einwohner<br />

zur Verfügung, <strong>als</strong> irgendein anderes<br />

Land der Welt und zwar mit außerordentlicher<br />

Effizienz und Wirkung. ist<br />

es nicht zumindest möglich, dass die<br />

Jahrtausende alte jüdische Tradition<br />

der Tzadakah, der auf Gerechtigkeit<br />

basierenden Wohltätigkeit, Teil der Er -<br />

klärung für israels Großzügigkeit<br />

sein könnte?<br />

Die Tatsache, dass so viele israelis da -<br />

für sind, auch Gaza Hilfestellung zu<br />

leisten, spricht selbstverständlich für<br />

Letzteres. Hat denn irgendein anderes<br />

Land jem<strong>als</strong> jenes Volk, mit denen es<br />

sich im Krieg befand, mit Hilfsleis -<br />

tun gen versorgt? Ein Volk, das wei -<br />

ter hin Raketenangriffe und andere<br />

For men des Terrorismus gegen seine<br />

eigenen Zivilisten befürwortet?<br />

Wieder zweierlei maß.<br />

Die Realität wird sein, dass israel den<br />

menschen in Gaza gegenüber extrem<br />

großzügig sein wird, sobald sie aufhören,<br />

Angriffe auf israelische Zivilisten<br />

zu befürworten, aus ihren Selbst mord -<br />

attentätern keine märtyrer mehr ma -<br />

chen und ihre Kinder nicht mehr da zu<br />

anhalten, Bombenwesten anzulegen.<br />

Stellt man Gaza dem Westjordanland<br />

gegenüber, sieht man, dass letzteres<br />

heute eine sich erholende Wirtschaft,<br />

bessere Reisemöglichkeiten und eine<br />

der besten Gesundheitsversorgungen<br />

in arabischen und moslemischen Staa -<br />

ten aufweist. Die positiven Auswir -<br />

kun gen eines Frie dens mit israel auf<br />

die Paläs ti nen ser wären unermesslich.<br />

Also kritisieren Sie israel ruhig, wenn<br />

sein Verhalten den internationalen<br />

Standards nicht entspricht, aber würdigen<br />

Sie es auch, wenn es diese Stan -<br />

dards übertrifft und so unzählige Le -<br />

ben rettet. israel wird, ungeachtet al ler<br />

negativen Reaktionen, auch wei ter -<br />

hin Katastrophenhilfe zur Verfügung<br />

stellen, denn die israelis wissen, wie<br />

es ist, von einer Katastrophe betroffen<br />

zu sein. Allein schon der Fairness we -<br />

gen sollte man israel dafür nicht verurteilen<br />

und seine Hilfsleistungen für<br />

Haiti nicht <strong>als</strong> willkommene Gelegen -<br />

heit benutzen, israels Taten mit zweierlei<br />

maß zu messen.<br />

Anm.d.Red.: Die britische Abgeordnete Jenny Tonge,<br />

Spre che rin für Ge sund heitsfragen, wurde bereits<br />

we gen ihrer anti-israelischer Äußerungen und der<br />

Un ter stellungen gegen den humanitären Einsatz<br />

der Isra elis, <strong>als</strong> Parteisprecherin entlassen.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 25


WIRTSCHAFT<br />

High-tech,<br />

Immigranten und<br />

Netzwerke<br />

Das aktuelle Wirtschaftsbuch Start-up<br />

Nation analysiert das israelische ökonomische<br />

Erfolgsmodell – und mögliche<br />

Bedrohungen in der Zukunft.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

Es klingt wie ein charmanter jüdischer<br />

Witz-Klassiker, und doch ist die<br />

Geschichte passiert. Die Gründer der<br />

globalen internet-Suchmaschine Goog -<br />

le, Sergey Brin und Larry Page hatten<br />

bei ihrer israel-Reise neben dem Be -<br />

such des ministerpräsidenten noch<br />

ei nen einzigen weiteren Termin: Sie<br />

schauten für einen Vortrag bei der<br />

She vach-mofet-mittelschule vorbei.<br />

Deren Schüler – viele von ihnen russische<br />

Einwanderer-Kinder - hatten im<br />

israelischen mathematik-Wettbewerb<br />

sieben der zehn Spitzenplätze er reicht.<br />

Brin, selbst gebürtiger Russe, der mit<br />

seinem Vater, einem mathematiker, in<br />

die USA ausgewandert war, sprach<br />

die Kids im Auditorium auf Russisch<br />

an: Zuerst lobte er die Jugendlichen<br />

für ihre Leistungen. Doch dann folgte<br />

die Pointe – fast wie in den Ge schich -<br />

ten über die stets unzufriedene jüdische<br />

mame: „Und was ist mit den anderen<br />

drei Siegerplätzen?“<br />

Die kleine Andekdote findet sich im<br />

aktuellen Wirtschaftsbuch „Start-up<br />

nation. The Story of israel’s Eco no -<br />

mic miracle“ von Dan Senor und Saul<br />

WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Singer. Senor arbeitet <strong>als</strong> Spezialist für<br />

den nahen Osten im amerikanischen<br />

Think Tank Council on Foreign Rela -<br />

tions und hat unter anderem im ‘Wall<br />

Street Journal’, in der ‘new York Ti mes’<br />

und in der ‘Washington Post’ publiziert.<br />

Singer ist Journalist, war früher<br />

für die meinungsseite der ‘Jerusalem<br />

Post’ verantwortlich und hat mehrere<br />

Bücher geschrieben, darunter „Con -<br />

fron ting Jihad. israel’s Struggle and<br />

the World After 9/11“. Und mit dem<br />

Auftritt der Superstars der internet-<br />

Ökonomie, die sich nicht zu gut sind,<br />

ihre wertvolle Zeit vor jungen russischen<br />

israelis zu verbringen, be schrei -<br />

ben sie schon eines der Herzstücke<br />

der Erfolgsgeschichte der israelischen<br />

Wirtschaft: den bedingungslos positiven<br />

Umgang mit immigranten und<br />

der schnellen integration der men -<br />

schen und ihrer Fähigkeiten.<br />

Die Autoren stellen sich die schwierige<br />

Frage: Wie konnte israel, ein Land<br />

mit kaum mehr <strong>als</strong> sieben millionen<br />

Einwohnern innerhalb von bloß 60<br />

Jah ren seines Bestehens in die globale<br />

wirtschaftliche Oberliga vorstoßen?<br />

Und das „von einer einigermaßen provinziellen<br />

und isolierten Lage.“ Die<br />

Kennzahlen, die die Autoren schon in<br />

der Einleitung des Buches in einigen<br />

knappen Tabellen vorlegen, sprechen<br />

für sich: Bei der zivilen Forschungs -<br />

quote liegt israel mit 4,5 Prozent weltweit<br />

an der Spitze – vor Japan, den<br />

USA und Deutschland. mit 63 Unter -<br />

neh men an der Technologiebörse<br />

nasdaq hat das Land bereits Kanada<br />

überholt, das nach den USA zuletzt<br />

der wichtigste Entsender ausländischer<br />

Firmen gewesen war, alle übrigen<br />

Länder folgen unter ferner liefen.<br />

Und bei der Kennzahl Risikokapital<br />

pro Kopf der Bevölkerung liegt israel<br />

beinahe um das Dreifache vor den<br />

USA – die besten Europäer bleiben<br />

auch hier weit abgeschlagen.<br />

Das Buch gibt keine einfachen Ant -<br />

worten. Es erklärt handfest historische<br />

Entwicklungen, die die israelis zu<br />

schnellen, oft improvisierten Reaktio -<br />

nen zwangen, etwa auf das überraschende<br />

französische Waffenem bar go,<br />

nach dem dann eine eigene Rüstungs -<br />

industrie aus dem Boden gestampft<br />

wurde. Und es wagt sich in dünnere<br />

Sphären vor, wenn es Grund hal tun gen<br />

der israelischen Wirtschaftseliten be -<br />

schreibt: „Es ist nicht nur eine Ge schich te<br />

von Talent, sondern auch von Be harr lich -<br />

keit, von einem unstillbaren In frage stel len<br />

von Autoritäten, von überzeugter In for -<br />

ma lität, verbunden mit einer einzigartigen<br />

Haltung gegenüber dem Scheitern, von<br />

Teamarbeit, Mission, Risi ko und Krea ti vi -<br />

tät, die die Grenzen der Disziplinen überschreitet.“<br />

Das mag in so einem kompakten Zitat<br />

spekulativ und stark wertend klingen,<br />

aber Senor und Singer liefern sorgfältig<br />

mit Recherche unterfüttertes ma te -<br />

rial, um ihre Thesen abzustützen. Und<br />

es erstaunt bis am Ende der Ana ly se,<br />

wie viele – oft komplexe und gewagte<br />

- Einzelentscheidungen zu dieser er -<br />

folgreichen Entwicklung geführt ha -<br />

ben. Dazu gehört etwa die gewaltige<br />

Transformation einer sozialistisch ausgerichteten<br />

Gesellschaft – lange hatten<br />

etwa Abgeordnete, die aus Kibbuzim<br />

stammten, in der Knesseth einen über -<br />

proportionalen Einfluss – zu einem<br />

kapitalistischen Entwick lungs mo dell<br />

mit Risikokapital, High-tech-Grün der -<br />

zentren sowie ganzen Universitätsab -<br />

tei lungen zur unternehmerischen Um -<br />

setzung von Forschung in praktische<br />

Produkte. Und dabei wurde trotz<br />

Aus richtung am US-modell eine relativ<br />

strikte Bankenregulierung beibehalten,<br />

die israel auch in der laufenden<br />

Krise weitgehend vor giftigen<br />

Subprime-Papieren bewahrt hat.<br />

Senor und Singer beschreiben umfassend<br />

die Rolle, die die Armee in diesem<br />

Wirtschaftssystem spielt: nicht<br />

nur <strong>als</strong> Käufer hoch entwickelter tech -<br />

nischer Systeme, sondern <strong>als</strong> eigene<br />

Forschungs- und Entwicklungsstätte,<br />

für deren Labors alljährlich die Jahr -<br />

gangsbesten an den mittelschulen re -<br />

krutiert werden. Später können diese<br />

die dort erworbenen Fähigkeiten in<br />

der Privatwirtschaft einsetzen – und<br />

oft wurden auch in der Armee jene in -<br />

formellen Beziehungsnetzwerke ge -<br />

knüpft, die dann im Geschäftsleben zu<br />

schnellen Allianzen, Koopera tio nen<br />

und neugründungen führen.<br />

Da israel kaum über nennenswerte<br />

Roh stoffe verfügt, stehen zwei Kon -<br />

zep te für das Gelingen dieses auf in -<br />

novation ausgerichteten Projekts ganz<br />

oben: Erstens die optimale Einbin -<br />

dung der Zuwanderer oder Rück wan -<br />

derer. Das sind einmal die vielen russischen<br />

mathematiker oder Physiker,<br />

die in der israelischen Wirtschaft<br />

schon Jobs fanden, noch ehe sie ganz<br />

korrekt Hebräisch sprachen. Und das<br />

26 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


waren auch stets israelis, die es im<br />

Ausland, vor allem in den USA zu<br />

etwas gebracht hatten, und die dann<br />

dafür sorgten, dass globale Konzerne<br />

ganz wichtige Schlüsseltechnologien<br />

in israel ansiedelten oder dort entwickeln<br />

ließen: intel, Cisco, microsoft,<br />

Siemens. Schließlich spielt die Aus bil -<br />

dung in den Schulen und Univer si tä -<br />

ten eine ganz wichtige Rolle – sowohl<br />

was die Breite <strong>als</strong> auch die elitäre<br />

Tiefe dieser Schulen betrifft.<br />

Die Autoren warnen aber auch vor<br />

Ent wicklungen, die dieses Er folgs mo -<br />

dell schmälern, wenn nicht gar ge -<br />

fähr den könnten. Da ist einmal die<br />

ira nische Bedrohung – und sie meinen<br />

noch nicht einmal den worst case des<br />

Einsatzes einer Atomwaffe gegen is -<br />

ra el. Sie zitieren dabei minister präsi -<br />

dent Benjamin netanyahu: „Die erste<br />

Stufe des iranischen Ziels ist es, Israels ta -<br />

lentierteste Bürger so zu erschrecken, dass<br />

diese das Land verlassen.“ Da viele ma -<br />

nager oder Unternehmer in den USA<br />

oder in Europa über enge Beziehungen<br />

oder sogar Tochterfirmen verfügen,<br />

könnten sie überraschend mobil<br />

sein.<br />

Die zweite Gefährdung ist ein zunehmendes<br />

Auseinanderklaffen des er -<br />

folg reichen High-tech Sektors der<br />

Wirt schaft vom Rest des Landes. ins -<br />

besondere die niedrige Beschäfti -<br />

gungs quote im Land macht den Autoren<br />

Sorge: „Nur etwas mehr <strong>als</strong> die<br />

Hälf te der israelischen Bevölkerung nimmt<br />

produktiv an der Wirtschaft teil – im Ver -<br />

gleich zu einer Rate von 65 Prozent in<br />

den USA.“ Dafür verantwortlich sind<br />

vor allem zwei Gruppen: arabische is -<br />

raelis, deren Frauen seltener arbeiten,<br />

und die zunehmende Zahl der strikt<br />

Religiösen, der Haredim. Letztere die -<br />

nen weder in der Armee noch lernen<br />

sie jenseits der religiösen Schulen die<br />

Grundlagen für eine technologie-ori -<br />

entierte Wirtschaft. Senor und Singer<br />

schreiben von einem „Rennen gegen<br />

die demographische Uhr“, weil gerade<br />

Familien dieser Bevölkerungsgruppen<br />

die meisten Kinder bekommen,<br />

und daher das Segment derer, die der<br />

modernen Wirtschaft fern stehen,<br />

weiter wachsen dürfte.<br />

Dan Senor und Saul Singer<br />

„Start-up Nation.<br />

The Story of Israel’s Economic Miracle“<br />

A Concil of Foreign Relations Book.<br />

Twelve/Grand Central Publishing<br />

New York, Boston. November 2009.<br />

WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Die israelische Fir -<br />

ma Daronet hat von<br />

der FiFA den Zu -<br />

schlag erhalten, die<br />

offiziellen Web sei -<br />

ten für die Fußball-Weltmeisterschaft<br />

in Südafrika zu ge stalten und zu be -<br />

treiben. Wie der Spre cher von Da ro -<br />

net, Jehoshua Meiri, im Gespräch mit<br />

der internet in for ma ti onsseite www.<br />

israelnetz.com er klär te, wird die Kun -<br />

den betreuung für die Be nutzer der<br />

interaktiven Webseite der Fußball-<br />

Wm von ultraorthodoxen Frau en in<br />

der israelischen Ortschaft Elad nahe<br />

Tel Aviv abgewickelt werden.<br />

Daronet, mit Filialen in miami, Brüs -<br />

sel, Australien, neuseeland und seit<br />

Kur zem auch in Kapstadt in Süd afri -<br />

ka, wirbt mit seiner Toch terge sell schaft<br />

www.Nova4you.com für „inno va tion“<br />

<strong>als</strong> „medienspezialisten für den Wan -<br />

del“. Laut meiri habe das Pro jekt ei -<br />

nen Wert von 1,5 millionen Dollar.<br />

Weltweit bekannt wurde die Firma<br />

mitte Januar, <strong>als</strong> ihr Sprecher im is ra -<br />

elischen Rundfunk erzählte, dass Da -<br />

ronet für die Stadtverwaltung von Te -<br />

Wird israel in den nächsten Jahrzehn -<br />

ten zu einer neuen Top-Adresse im<br />

Golf-Tourismus? Wenn es nach dem<br />

na tionalen Tourismus-ministerium<br />

und der israel Land Administration*<br />

geht, lautet die Antwort darauf: Ja.<br />

Die genannten institutionen haben vor<br />

Kurzem entschieden, landesweit 16<br />

neu e Golfplätze zu errichten. Über 15<br />

Jahre soll sich das Großprojekt erstrecken.<br />

Die Gesamtkosten werden auf<br />

760 mio. israelische Schekel (etwa 140<br />

mio. Euro) geschätzt.<br />

israel will damit gegenüber anderen<br />

mittelmeer- und nahost-Staaten konkurrenzfähig<br />

werden, die sich <strong>als</strong> Golf-<br />

Destinationen bereits einen namen<br />

gemacht haben (Vereinigte Arabische<br />

Emirate, Tunesien, Türkei usw.). Die<br />

Bettenauslastung in israels Hotels<br />

Ultraorthodoxe Israelis gestalten<br />

WM-Webseiten in Südafrika<br />

VON ULRICH W. SAHM<br />

he ran elektronische Automatisie -<br />

rungs prozesse programmiere. iran<br />

habe schon 200.000 Dollar für die<br />

Übersetzung der Web-Oberflächen<br />

vor ab an einen europäischen mit tels -<br />

mann bezahlt. Doch infolge der Ver -<br />

öffentlichung dieses Geschäfts zwischen<br />

israel und dem iran auf der Ho -<br />

mepage des deutschen nach rich ten -<br />

senders n-tv habe sich die amerikanische<br />

Regierung an Daronet ge wandt<br />

und gefordert, das Projekt um ge hend<br />

einzustellen. inzwischen seien alle<br />

Filialen von Daronet informiert und<br />

aufgefordert worden, keine Kontakte<br />

mehr mit iran zu pflegen. Das Projekt<br />

mit der Stadtverwaltung von Teheran<br />

sei „geplatzt“. Auf Anfrage weshalb<br />

meiri selber das Projekt im israelischen<br />

Rundfunk publik gemacht ha -<br />

be, sagte er: „Es wäre ohnehin innerhalb<br />

kurzer Zeit publik geworden. Dem bin<br />

ich zuvorgekommen.“ meiri habe nicht<br />

damit gerechnet, dass deswegen das<br />

Projekt infolge amerikanischen Drucks<br />

eingestellt werden müsste. Doch bei<br />

einem Gesamt um satz von US$ 51<br />

mio. Dollar im Jahr, falle dieser Ver lust<br />

für Daronet „nicht so sehr ins Gewicht“.<br />

Golf-Tourismus soll<br />

neues Zugpferd werden<br />

soll mit dem Golf-Tourismus um 20%<br />

steigen. Darüber hinaus hofft man,<br />

dass sich durch gutbetuchte Golfur -<br />

lau ber die durchschnittliche Geld sum -<br />

me, die ein Tourist in israel ausgibt,<br />

von heute US$ 1.000 auf US$ 2.000<br />

verdoppeln lässt. Tourismus-minister<br />

Stas Misezhnikov erwartet zudem rund<br />

um die Golfanlagen private Folge-in -<br />

vestitionen aus dem in- und Ausland.<br />

in den kommenden monaten soll ge -<br />

nau er geprüft werden, welche Stand -<br />

orte für die neuen Golfplätze in Frage<br />

kommen. Erste Pläne sehen u. a. Elat<br />

und das Tote meer in Südisrael, Ti -<br />

berias und Hazor Haglilit im nord is -<br />

rael sowie Rischon LeZion im südlichen<br />

Großraum Tel Aviv vor.<br />

* Die israel Land Administration (is ra e li sche Lan -<br />

desverwaltung) verwaltet rund 93% des staatlichen<br />

Grund be sitzes. www.urlaub-im-web.de<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 27


WISSENSCHAFT<br />

Granatapfel-Entkerner aus Israel<br />

erhielt Innovationspreis<br />

Die internationale Fachwelt hat entschieden:<br />

Sieger des FRUiT LOGiSTi-<br />

CA innovation Award (FLiA) <strong>2010</strong> ist<br />

ein Granatapfel-Entkerner der Firma<br />

Mehadrin Tnuport Export aus israel.<br />

Verliehen wurde der begehrte inno -<br />

vationspreis für das Arils Removal Tool<br />

(ART). Das Gerät ermöglicht dem Ver -<br />

braucher das schnelle, saubere und<br />

einfache Entkernen von Gra natäpfeln<br />

und damit einen bequemen Genuss<br />

dieser äußerst vitaminreichen Frucht.<br />

Noa Ohad, Shoham Product Dev e lop -<br />

ment, nahm den Preis entgegen. Sie<br />

erwartet durch die Entwicklung des<br />

Arils Removal Tools auch einen steigenden<br />

Absatz der Granatäpfel.<br />

Granatäpfel erfreuen sich seit Jahren<br />

wachsender Beliebtheit. nur die Zu -<br />

be reitung und der Verzehr schienen<br />

Grenzen zu setzen. Hier eröffnet der<br />

Entkerner, der zu Hause, im Büro oder<br />

sogar unterwegs eingesetzt werden<br />

kann, ganz neue Perspektiven. Das<br />

neue Gerät ermöglicht dem Ver brau -<br />

cher das schnelle, saubere und einfache<br />

Entkernen der Granatäpfel und<br />

damit einen bequemen Genuss dieser<br />

extrem vitaminreichen Frucht. in Form<br />

und Größe erinnert es an eine einfache<br />

Citruspresse. Das Arils Remo val Tool<br />

besteht aus einer<br />

Schale zum Auf -<br />

fan gen der Ker -<br />

ne, einem groß -<br />

löchrigen Gitter<br />

und einer elas ti -<br />

schen Silikon-Haube. nach dem Ent -<br />

fernen des Stiels wird der Granatapfel<br />

mittig geteilt, auf das Gitter gelegt und<br />

mit der Hau be abgedeckt. mit einem<br />

Löffel oder ähnlichem instru ment wer -<br />

den dann die Kerne herausgeklopft.<br />

curasan AG kooperiert mit<br />

Ben-Gurion Universität<br />

Unter der Leitung von Dr. Hanna Ra -<br />

pa por von der Fakultät für Bio tech no -<br />

logie wurde eine neue Ei weiß ma trix<br />

entwickelt und patentiert, die den Kno -<br />

chenregenerationsprozess erheblich<br />

beschleunigen kann. in Koo peration<br />

mit curasan soll diese matrix mit ei -<br />

nem anorganischen Träger verbunden<br />

werden, um daraus später eine Reihe<br />

von Knochenregenerationsma te ri a li -<br />

en für den orthopädischen und zahnmedizinischen<br />

Einsatz herzustellen.<br />

WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

„Die bewilligten Fördermittel versetzen<br />

uns in die Lage, eine neue Produktge ne ra -<br />

tion zu generieren, die den Knochenrege -<br />

ne rationsprozesserheblich verbessert und<br />

dabei die vorteilhaften Eigenschaften un -<br />

serer rein anorganischen resorbierbaren<br />

Ma terialien beibehält“, kommentierte<br />

Dr. Fabian Peters, Leiter der For schung<br />

und Entwicklung von Biomaterialien<br />

bei curasan.<br />

Dr. Rapaport bemerkte zur Vertrags -<br />

un terzeichnung: „Unsere Forschungs -<br />

ko o peration zielt darauf aus, die Eiweiße<br />

der BGU und die curasan-Produkte in<br />

Kombination zu einer Palette regenerativer<br />

Produkte zu entwickeln, die den na tür l i -<br />

chen Heilungsverlauf des Körpers un ter -<br />

stützen und die Knochenregene ra tion<br />

optimal fördern.“<br />

Universität Göttingen erhält<br />

über 600.000 Euro Fördergelder<br />

Forscher der Universität Göttingen<br />

untersuchen in einer auf drei Jahre an -<br />

gelegten Studie das Zusammen le ben<br />

der menschen in israel und den pa -<br />

lästinensischen Autonomiege bie ten.<br />

Der Schwerpunkt liegt auf den Be zie -<br />

hungen zwischen unterschiedlichen<br />

Gruppierungen.<br />

Dabei geht es neben religiösen Zuge -<br />

hö rigkeiten auch um andere merk -<br />

ma le – beispielsweise ob jemand zur<br />

Gruppe der Bewohner der palästinensischen<br />

Autonomiegebiete gehört oder<br />

zur Gruppe der israelischen Staats -<br />

bür ger. Die Wissenschaftler wollen un -<br />

tersuchen, welche Bedingungen und<br />

Faktoren einen Dialog zwischen den<br />

verschiedenen Gruppen begüns tigen<br />

oder erschweren.<br />

Geför dert wird die Studie „Außensei ter<br />

und Etablierte zugleich: Paläs tinenser und<br />

Israelis in unterschiedlichen Figura tio nen“<br />

von der Deutschen Forschungs ge -<br />

meinschaft mit mehr <strong>als</strong> 600.000 Eu ro.<br />

Federführend ist dabei das me tho -<br />

den zentrum Sozialwissenschaften der<br />

Universität Göttingen unter Leitung<br />

von Prof. Dr. Gabriele Rosenthal in Zu -<br />

sam menarbeit mit der Ben-Gurion<br />

University of negev (israel) und der<br />

Al-Quds University in Jerusalem.<br />

Vor ausgegangen ist dem Projekt eine<br />

Pi lotstudie, ebenfalls finanziert von<br />

der Deutschen Forschungsge mein -<br />

schaft. Die mitarbeiterinnen und mi t -<br />

arbeiter des Forschungsprojekts un ter -<br />

suchen insgesamt sieben Gemein den,<br />

die durch unterschiedliche Verhält nis -<br />

se von mehrheits- und minderheits -<br />

be völ kerung geprägt sind. mittels<br />

teilnehmender Beobachtung, Frage -<br />

bö gen und offener interviews wollen<br />

sie he rausfinden, welche Rolle die<br />

Selbst- und Fremdbilder der men schen<br />

im Alltag spielen. So findet beispielsweise<br />

an jedem größeren Ge bäude in<br />

israel, ob Bahnhof, Restau rant oder<br />

Supermarkt, eine Einlasskontrolle<br />

durch Sicherheitskräfte statt. Welche<br />

Personen werden aufgrund welcher<br />

merkmale verstärkt kontrolliert? Und<br />

welches Bild des Gegenübers steht<br />

hin ter diesen Kontrollen? Solche und<br />

andere Prozesse wollen die Wissen -<br />

schaft lerinnen und Wissenschaftler<br />

untersuchen. „Nur wenn wir verstehen,<br />

wie die Menschen zusammenleben, können<br />

wir auch verstehen, wo die Kon flikt -<br />

linien sind“, erklärt Dr. Nicole Witte vom<br />

methodenzentrum Sozial wissen schaf -<br />

ten. „Möglicherweise spielen dabei auch<br />

ganz andere Gründe <strong>als</strong> ethnische oder<br />

religiöse Zugehörigkeit eine große Rolle.“<br />

Dabei verstehen sich die Wissen schaft -<br />

lerinnen und Wissen schaft ler <strong>als</strong><br />

Grundlagenforscher. pug<br />

Malediven profitieren von<br />

israelischem Expertenwissen<br />

Ein Expertenteam des israelischen<br />

Außenministeriums hat 35 Vertreter<br />

der maledivischen Behörden für den<br />

Katastrophenfall und naturka tas trophen<br />

geschult. Der Tsunami, der 2004<br />

auch auf den malediven wütete, zeige<br />

die not wen digkeit für solch kritische<br />

Situationen und naturkatastrophen<br />

ge rüstet zu sein, heißt es auf der Web -<br />

seite des israelischen Außenminis te -<br />

riums. Die Gruppe befindet sich seit<br />

Ende Januar auf der insel im indi schen<br />

Ozean und wird geleitet von Josef<br />

Baratz. Die israelis trainieren die ma -<br />

lediver in Fragen der Katas trophen be -<br />

reit schaft und im Umgang mit verschiedenen<br />

notfallsituationen. Zu dem<br />

wird ein gemeinsamer notfall plan<br />

ausgearbeitet.<br />

Dies sei ein wichtiger Schritt in den<br />

Beziehungen zwischen israel und den<br />

malediven. Auch auf den Ge bie ten<br />

Ackerbau, notfallmedizin und Sied -<br />

lungsfragen sollen beide Staaten in<br />

Zukunft kooperieren. Abdulla Shahid,<br />

Staatsminister auf den male di ven und<br />

zuständig für Entwick lungsfragen,<br />

be kräftigte, dass der Workshop eine<br />

gute Gelegenheit sei, vom israelischen<br />

Fachwissen zu profitieren. inn<br />

28 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


© Stadt Wien/Menachem Kozlovsky<br />

Anlässlich ihres Aufenthalts rund um<br />

die Eröffnung des 55. Wiener Opern -<br />

balls in new York und im Rahmen der<br />

seit 2007 bestehenden Bezirks part -<br />

nerschaft zwischen der Leopoldstadt<br />

und Brooklyn setzte Vizebürger meis -<br />

terin mag. a Renate Brauner gegenüber<br />

der jüdischen Gemeinde in Brook lyn<br />

eine Geste der Wertschät zung.<br />

Die Vorschule "Bais Rochel School for<br />

Girls" der United Tal mudic Academy<br />

(UTA) - eine Ein richtung der Sat mar-<br />

Gemeinde - erhielt einen Beitrag für<br />

pä dagogisch wertvolles Spielzeug in<br />

JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Brauner vertieft Bezirkspartnerschaft mit Brooklyn<br />

Hö he von US$ 5.300. Die UTA zählt<br />

ins gesamt 8.000 Schülerinnen und Stu -<br />

dent in nen, davon rund 750 im Vor -<br />

schul- und Kinder gar ten be reich.<br />

Die Satmar-Gemeinde in Brooklyn, die<br />

größte chassidische Gemein de welt -<br />

weit, hat das Zu stan dekommen der<br />

Be zirkspartner schaft Brooklyn-Leo -<br />

pold stadt maßgeblich un ter stützt.<br />

Für die Spende wur de eine kleine Ge -<br />

denk tafel in der Schule an gebracht.<br />

Die symbolische Über gabe der Spiel -<br />

sa chen in Form eines Schecks fand<br />

am 4. Fe bru ar im Bei sein der lo ka len<br />

Stadt Wien restauriert Jüdische Ehrengräber am Zentralfriedhof<br />

Symbolische Scheckübergabe von Vbgmin<br />

Renate Brauner an Fayga Tannenbaum, die<br />

Leiterin der „Bais Rochel School for Girls“<br />

der United Talmudic Academy (UTA), im<br />

Hintergrund Rabbi David Niederman.<br />

Gedenktafel an der Bais Rochel School for<br />

Girls der United Talmudic Academy (UTA) in<br />

New York City<br />

politischen Pro mi nenz, allen voran dem<br />

Prä si denten des nY-Be zirks Brook lyn,<br />

Mar ty Mar kowitz (Bo rough Pre si dent<br />

Brook lyn) und Ge mein de rä ten aus<br />

new York statt.<br />

Brooklyn ist mit circa 2,6 mio. Ein -<br />

woh nerinnen der größte new Yorker<br />

Stadt bezirk.<br />

Ein Ständchen <strong>als</strong> Dankeschön<br />

2007 wurde auf Initiative von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bedeutenden<br />

jüdischen Persönlichkeiten nachträglich ein Ehrengrab der Stadt Wien ge wid met. Ziel<br />

war es, historische Versäumnisse auszugleichen, denn jüdische Per sön lich kei ten,<br />

die sich um Wien verdient gemacht haben, wurden bei der Ver gabe von Ehren grä -<br />

bern bereits lange vor 1938 nicht berücksichtigt. Insgesamt er hiel ten 37 Ju den, die<br />

vor 1945 verstorben sind - darunter Otto Zuckerkandl oder Ar thur Schnitz ler - erstm<strong>als</strong><br />

in der Geschichte der Bundeshauptstadt diese post hu me Aus zeich nung. Nun<br />

nimmt die Stadt Wien in Zusammenarbeit mit der IKG Wien die dringend notwendigen<br />

Restaurierungs arbeiten an diesen besonders gewidmeten Grä bern der denkmalgeschützten<br />

Alten Isra eliti schen Abteilung des Wiener Zen tralfriedhofs (Tor I) in<br />

Angriff. Die Kosten des Vorhabens belaufen sich auf 340.200 Euro und werden vom<br />

Wie ner Altstadterhaltungsfonds getragen. Diese Grab stel len werden von der Kul tur -<br />

ab teilung betreut.<br />

Mittlerweile sind in der Alten <strong>Israelitische</strong>n Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs insgesamt 43 Grabstellen, von de nen einige mo nu -<br />

mentale Grabanlagen darstellen, ehrenhalber gewidmet und wurden von der Stadt Wien in die Obhut genommen. Für den Wiener<br />

Kulturstadtrat die Widmung und Erhaltung dieser Ehrengräber nicht nur einen symbolischen Akt, sondern auch eine Aus ein an der -<br />

setzung mit der Vergangenheit.<br />

Die Stadt Wien ehrt seit dem 19. Jahrhundert verstorbene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich um die Stadt besonders ver dient<br />

gemacht haben, indem sie ihre Grabstätten widmet und für deren Bestehen auf Friedhofsdauer sorgt. Im Falle einer so genannten<br />

„besonders gewidmeten Grabstelle in Obhut“ wird auch die gärtnerische und bauliche Pflege für die Grabstätte von der Stadt getragen.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 29<br />

JÜDISCHE WELT


Warum die Tätigkeit des Koordi nie -<br />

rungs ausschusses für christlich-jüdische<br />

Zusammenarbeit noch immer so<br />

notwendig ist wie zur Zeit seiner<br />

Grün dung vor 54 Jahren, hat uns Herr<br />

Hans Rauscher mit seiner Kolumne in<br />

DER STAnDARD vom 2.2.<strong>2010</strong> be -<br />

wiesen: Der Antisemitismus – hier in<br />

Form des alt-christlichen Antijudais -<br />

mus – feiert gerade in den letzten Jah -<br />

ren in den österreichischen medien,<br />

Zei tungen wie ORF, fröhliche Ur ständ.<br />

Selbstverständlich wird dabei das<br />

Wort Jude in all seinen syntaktischen<br />

Abwandlungen vermieden, es gibt ja<br />

etwas, das scheinbar unverfänglicher<br />

ist: das Wort alttestamentarisch oder<br />

alttestamentlich. Es wird von katholisch-konservativen<br />

Politikern verwendet,<br />

um Widersacher zu diffamieren,<br />

die sich nicht dieser politisch missbrauchten<br />

religiösen Strömung zu rech -<br />

nen und denen es an der angeblich<br />

christlichen nächstenliebe fehlt, und es<br />

wird von Journalisten und „fortschrittlichen“<br />

Politikern eingesetzt, um konservative<br />

katholische Geistliche <strong>als</strong><br />

„un belehrbar wie die Juden“ zu brand -<br />

marken. Dass dieses Wort zur Dele gi -<br />

timierung des Überlebenskampfes is -<br />

raels gegen seine zahlenmäßig weit<br />

überlegenen und in der Wahl ihrer<br />

Kampfmittel äußerst brutalen und hin -<br />

terhältigen Gegner laufend zitiert<br />

wird, bräuchte eigentlich gar nicht<br />

mehr erwähnt werden. Auch Juden,<br />

die sich gegen das Vergessen der Ver -<br />

bre chen der Schoah und für eine, wenn<br />

auch minimale und viel zu späte,<br />

„Wie dergutmachung“ einsetzen, wird<br />

dieses Wort allein oder zur Ver stärkung<br />

von abwertenden Eigenschaftsworten<br />

umgehängt.<br />

Diese auf den Wurzel der christlichen<br />

Anfangszeit basierende Verächtlich -<br />

ma chung des Tanach, des „Alten oder<br />

Ersten Testaments“, zum Zwecke der<br />

Diffamierung der jüdischen Religion,<br />

von der sich die Exponenten der christ -<br />

lichen Gemeinden distanzieren wollten,<br />

ist noch immer an der Tages ord -<br />

nung von links und rechts.<br />

Auch nach der Verbreitung des Chris -<br />

tentums durch die Kriegszüge christ-<br />

JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Antisemitismus im sprachlichen Umgang<br />

Die ungebrochene Aktualität des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit<br />

licher Herr scher wurde der sogenannten<br />

„christlichen Nächstenliebe“<br />

die angebliche „jüdische, auf dem Alten<br />

Testament basierende Rachsucht“ gegenübergestellt.<br />

Diese in den Köpfen und Seelen vieler<br />

menschen noch heute fest gefressenen<br />

Vorurteile bestimmen sehr oft das alltägliche<br />

Gespräch. So kann es passieren,<br />

dass in einer Diskussion über die<br />

notwendigkeit der Einhaltung jüdischer<br />

Feiertage die katholisch fest ver -<br />

ankerte Gesprächspartnerin fast eine<br />

halbe Stunde lang nur die Floskeln<br />

„Ihrer Religion“ oder „Ihrer Religions ge -<br />

meinschaft“ über ihre Lippen bringt,<br />

um nur ja das (Pfui?-)Wort „Jude“ oder<br />

„jüdisch“, ja sogar „israelitisch“ nicht in<br />

den mund zu nehmen. Es kann auch<br />

vorkommen, dass ein junger mann mit<br />

etwas weniger Scheu, aber doch noch<br />

geprägt von seiner Erziehung, fragt,<br />

mit welchem Wort er mich bezeichnen<br />

kann, ohne mich zu beleidigen; dass<br />

das Wort „Jude“ keine negative<br />

Konnotation haben kann, war ihm<br />

sichtlich unklar.<br />

63 Jahre nach den „10 Thesen von See -<br />

lisberg“, 45 Jahre nach der Prokla ma -<br />

tion der Erklärung „Nostra Aetate“<br />

des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />

und nach den Aussagen mehrerer<br />

Päp ste, dass die christliche Religion<br />

keine Antithese zur jüdischen ist, sondern<br />

dass sie sich nur aus ihr heraus<br />

verstehen lässt, ist es noch immer er -<br />

for derlich, laufend darauf hinzuweisen,<br />

dass jeglicher, insbesondere religiös<br />

begründeter Antisemitismus im<br />

Widerspruch zum christlichen Selbst -<br />

verständnis steht.<br />

Diese Aufgabe und die Verbreitung<br />

von Wissen über das Judentum, wie<br />

es wirklich ist, und über jüdische<br />

Themen stehen im mittelpunkt der<br />

na tionalen und internationalen Aktivitäten<br />

des Koordinierungsausschus -<br />

ses für christlich-jüdische Zusam men -<br />

ar beit, der von Professor Kurt Schubert<br />

initiiert und 1956 gegründet wurde.<br />

in ihm arbeiten Christen der unterschiedlichen<br />

Denominationen und<br />

Juden zusammen.<br />

Trotz einiger Rückschläge in den letzten<br />

monaten, z.B. Aussagen aus der<br />

obersten katholischen Hierarchie,<br />

Ver suche, den christlich-jüdischen<br />

Dialog zur missionierung von Juden<br />

zu nutzen, ist der eingeschlagene Weg<br />

sicher nicht rückgängig zu machen,<br />

aber das Ziel ist noch recht weit entfernt,<br />

und mitstreiter mit Fachwissen<br />

und guten ideen werden dringend ge -<br />

sucht und <strong>als</strong> mitglieder des Vereins<br />

herzlich willkommen geheißen.<br />

informationen über den Koordinie -<br />

rungs ausschuss findet man auf den<br />

Web-Seiten unter: http://www.christen<br />

undjuden.org, oder besuchen Sie unsere<br />

neuen Räumlichkeiten im 2. Wiener<br />

Bezirk, Tandelmarktgasse 5 (Gassen lo -<br />

kal), wo Sie eine gut bestückte Bi bli o -<br />

thek zu den Themen Judentum, Chris -<br />

ten und Juden sowie Antisemitismus<br />

und Schoah vorfinden und in alle bisherigen<br />

Ausgaben der – auch ohne mit -<br />

gliedschaft bestellbaren – Zeitschrift<br />

„Dialog – Du-Siach“ des Koordinie -<br />

rungsausschusses Einblick nehmen<br />

können.<br />

WiLLY WEiSZ<br />

Jüdischer Vizepräsident des<br />

Koordinierungsausschusses<br />

Siehe: http://www.christenundjuden.org/<br />

de/?item=608<br />

Siehe: http://www.vatican.va/archive/<br />

hist_councils/ii_vatican_council/documents/<br />

vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge.<br />

html<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

30 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Bösendorfer - gegründet 1828 von Ignaz Bösen dor fer<br />

in der Musikstadt Wien - zählt zu den ältesten Pia no -<br />

manufakturen der Welt, reich an Tradition und welt -<br />

be kannt für den unverwechselbar berührenden Klang<br />

sowie die herausragende Qualität der Instrumente.<br />

Die Wahl von erstklassigen Materialien und vor al -<br />

lem die überaus sorgfältige Verarbeitung, die auch<br />

heute noch zum Großteil in Handarbeit gemacht<br />

wird, zeichnen jeden einzelnen Bösendorfer aus.<br />

Die Produktpalette der Klaviermanufaktur umfasst<br />

Flü gel in sieben verschiedenen Größen, von 170 bis<br />

290 cm Länge, ein Pianino „mit dem Klang eines<br />

Flügels“, sowie den Computerflügel CEUS, mit dem<br />

Klavierspiele aufgezeichnet und wie von Zauber hand<br />

wiedergegeben werden können.<br />

Doch es ist nicht Zauberei, die einen Bösendorfer so<br />

besonders macht. In jedem Bösendorfer Flügel steckt<br />

nicht nur die Arbeit eines ganzen Jahres, sondern<br />

auch das Knowhow, das seit der Firmengründung<br />

1828 von Generation zu Generation weitergegeben<br />

wird. So behandelt beispielsweise das Bösendorfer<br />

Resonanzkastenprinzip das gesamte Instrument <strong>als</strong><br />

Klangkörper und erreicht damit den einzigartigen<br />

Klangfarbenreichtum und das typische singende<br />

Timb re - eine von vielen Besonderheiten, die nur ein<br />

Bösendorfer Flügel aufweist.<br />

Für viele Menschen ist der Erwerb eines Bösen dor -<br />

fer-Flügels ein Lebenstraum. Für sie bauen die Klang -<br />

spezialisten etwas ganz Besonderes: den „Bösen -<br />

dorfer unter den Flügel“.<br />

www.boesendorfer.com<br />

Neue Synagoge in Osnabrück<br />

Die neue Synagoge der jüdischen Ge -<br />

meinde in Osnabrück ist am 3. Febrar<br />

eröffnet worden. Die Präsidentin des<br />

Zentralrats der Juden in Deutsch land,<br />

erinnerte da bei an den Holocaust: Von<br />

den knapp 500 Juden, die 1933 in Os -<br />

nabrück lebten, überlebten nur fünf<br />

die nazi-Zeit.<br />

Die Errich tung des neuen Gottes hau -<br />

ses mit angeschlossenem Gemeinde -<br />

zen trum war nötig ge wor den, weil<br />

der 1969 eingeweihte Altbau zu klein<br />

geworden war. Die Jüdische Ge mein -<br />

de ist seit Ende der 80er Jahre von rund<br />

70 auf mehr <strong>als</strong> 1.000 mit glie der an -<br />

ge wachsen. Der Osnabrücker Rabbiner<br />

Shimon Groß berg und Mi cha el Fürst,<br />

Vor sit zender des Landesverbandes der<br />

Jü dischen Ge meinden von nieder -<br />

sach sen, brachten die Tho ra-Rollen ein.<br />

Es war ein überkonfessionelles Fest, an<br />

dem sich ranghohe Vertreter der jüdischen,<br />

katholischen und evan geli -<br />

schen Kirche sowie der muslime be -<br />

teiligten.<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Deutsche Zentral -<br />

rats präsi dentin<br />

verzichtet auf<br />

weitere Amtszeit<br />

Die Präsidentin des<br />

Zentralrats der Juden<br />

in Deutschland, Charlotte Knobloch<br />

(77), tritt nicht für eine zweite Amts -<br />

zeit an. Damit endet ihre Lei tung des<br />

Zen tral rats im november. Dies wur de<br />

nach einer Sitzung des Di rekto ri ums<br />

in Frankfurt mitgeteilt. Das Direk to -<br />

rium und das Präsidium des Zentral -<br />

rats sprachen Knobloch das vol le und<br />

uneingeschränkte Vertrau en aus.<br />

„Mit Respekt und Anerkennung“ hätten<br />

die beiden Gremien zur Kenntnis ge -<br />

nommen, dass die Präsidentin be wusst<br />

einen Generationswechsel herbeiführen<br />

wolle, den sie aktiv unterstützen<br />

und begleiten werde. in einer Presse -<br />

er klärung hieß es weiter, es herrsche<br />

Übereinstimmung, dass die Präsi den -<br />

tin ihr Amt bis zum Ende der Wahl -<br />

pe riode ausüben werde.<br />

Koschere Milch<br />

für China<br />

Eine Pekinger molkerei hat<br />

mit dem Ver trieb koscherer<br />

milch in ganz Chi na begonnen. Die<br />

erste Tonne milch, die biologisch produziert<br />

wird und „Chalaw israel“ – ei -<br />

ner strengen Ko schervorschrift ultraorthodoxer<br />

Ju den – entspricht, ist laut<br />

einer meldung von cha bad.org auf den<br />

markt ge kommen.<br />

Gemäß der meldung der Webseite<br />

wird die milch unter der Aufsicht von<br />

Chabad Lubowitsch hergestellt und<br />

entspricht den europäischen und<br />

ame rikanischen Gesund heitsstan -<br />

dards.<br />

Die neue koschere milch, die auch un -<br />

ter Aufsicht von Rabbiner Padwa von<br />

Bejt Din London steht, wird mo nat lich<br />

produziert. Sie wird in acht Re gio nen,<br />

in denen die meisten von Chinas<br />

10.000 Juden leben, inklusive Schang -<br />

hai und Hongkong, zu kaufen sein.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 31


Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.<br />

Antisemitismus 2009 dramatisch<br />

angestiegen<br />

Der jährliche Bericht des Koordina ti -<br />

ons forums zur Antisemitismusbe -<br />

kämp fung ergab, dass 2009 auf der<br />

gan zen Welt, aber vor allem in West -<br />

europa der Antisemitismus dramatisch<br />

zunahm. Daraufhin beauftragte<br />

die israelische Regierung ein Exper -<br />

ten team mit der Erstellung von Lö -<br />

sungsvorschlägen.<br />

Laut dem Bericht wurden in den ers ten<br />

drei monaten des Jahres 2009 aufgrund<br />

des Gazakrieges mehr antisemitische<br />

Zwischenfälle verzeichnet, <strong>als</strong><br />

im gesamten Jahr 2008: Am schlimmsten<br />

war es mit 631 Antisemitis mus -<br />

fällen in der ersten Jahreshälfte 2009 in<br />

Frankreich (832 gesamt, im Vergleich<br />

zu 474 im Jahr 2008). Darunter waren<br />

antisemitische Schmierereien, tätliche<br />

Angriffe auf Personen, Be schimpfun -<br />

gen, Drohungen, Vandalismus, etc.<br />

Hunderte Übergriffe wurden <strong>als</strong> ex -<br />

trem gewalttätig eingestuft, acht<br />

morde wurden mit Antisemitismus in<br />

Verbindung gebracht.<br />

rekordzahl antisemitischer<br />

handlungen in großbritannien<br />

Während und nach israels Gazakrieg<br />

im Winter 2008/09 nahm die Zahl an -<br />

tisemitischer Übergriffe in Großbri tan -<br />

nien Rekordausmaße an, vor allem im<br />

Januar und <strong>Februar</strong>. Ein Plus von 55%<br />

auf 924 Zwischenfälle war die Folge,<br />

berichtet der britische Community<br />

Se curity Trust.<br />

„Antisemitismus gehört zu den ältesten<br />

Formen von Hass“, äußerte sich der bri -<br />

tische Premierminister Gordon Brown<br />

dazu. „Und dennoch taucht er auch in<br />

modernen Zeiten immer wieder auf. Das<br />

erfordert von uns, die wir stets für Tole ranz<br />

und Wahrheit kämpfen, noch größere<br />

Wach samkeit. Weder online, noch am<br />

Cam pus oder auf den Straßen, Rassismus<br />

und Diskriminierung dürfen hier keinen<br />

Platz haben.“<br />

olympia: Video mir riefenstahlmaterial<br />

zurückgezogen<br />

Die Organisatoren der Olympischen<br />

Win terspiele im kanadischen Vancou -<br />

ver haben nach Protesten des Kana di -<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

schen Jüdischen Kongresses ein Vi deo<br />

zurückgezogen, in dem material aus<br />

Leni Riefenstahls Propagandafilm<br />

über die Olympischen Spiele in Berlin<br />

1936 verwendet wird. Das vierminütige<br />

Video „Lights Will Guide You Ho me“<br />

war schon seit monaten u. a. im in ter -<br />

net in Umlauf. Auf YouTube hatte man<br />

längst angemerkt, dass das material<br />

aus „Olympia“ von Leni Riefenstahl<br />

stammt und bearbeitet worden war.<br />

So seien zum Beispiel naziflaggen und<br />

Hitlergrüße entfernt worden.<br />

Jim Richards, der Programmdirektor<br />

des Fackellaufs, verteidigt die Ver wen -<br />

dung des Filmmateri<strong>als</strong> von 1936. Die<br />

Produzenten hätten die Wahl gehabt,<br />

es entweder nicht, verändert oder im<br />

Original zu verwenden. „Wir haben den<br />

Mittelweg gewählt, aus Respekt vor der<br />

Geschichte des Fackellaufs und um die<br />

politische Situation dieser Zeit nicht herauszustreichen.<br />

Wir haben diese Ent schei -<br />

dung gründlich überdacht und nachdem<br />

der Ausschnitt von den Spielen in Berlin<br />

1936 nur wenige Sekunden dauert, wollten<br />

wir einfach das Richtige tun, um die<br />

Geschichte des Laufs zu dokumentieren.“<br />

enkel von holocaustüberlebendem<br />

kauft mengele-tagebuch<br />

Der Enkel eines Holocaustüber le ben -<br />

den hat das 180 Seiten umfassende<br />

Tagebuch des „Todesengels“ von Au -<br />

schwitz Josef mengele erworben. Wie<br />

viel der an der US-Ostküste lebende<br />

Philantrop dafür bezahlt, ist unbekannt;<br />

er möchte anonym bleiben.<br />

Bill Panagopulos vom Auktionshaus<br />

„Alexander Autographs“, wo das Ta ge -<br />

buch versteigert worden war, berich -<br />

tete in einer Email, dass der Großva ter<br />

des Käufers mengele in Auschwitz<br />

persönlich getroffen hätte und das<br />

ma nuskript einem Holocaust mu se um<br />

übergeben werden soll.<br />

Der Verkäufer des Tagebuchs soll der<br />

mengele-Familie nahe stehen und die<br />

Aufzeichnungen, die mit mai 1960<br />

be ginnen, nach dem Tod mengeles<br />

1979 in Brasilien erworben haben.<br />

Sarkozys enkel beschnitten<br />

Der Enkelsohn Solal des französischen<br />

Staatspräsidenten nicolas Sarkozy<br />

wurde nach jüdischer Tradition be -<br />

schnitten. Der Sohn von Jean Sarkozy<br />

und Jessica Sebaoun, einer sehr gläubigen<br />

sephardischen Jüdin, kam am<br />

13. Januar zur Welt. Der Präsident<br />

konnte aus beruflichen Gründen nicht<br />

bei der Brit anwesend sein.<br />

Sarkozy stammt aus einer katholischen<br />

Familie, hat allerdings einen jüdischen<br />

Großvater.<br />

gasvorkommen vor israelischer<br />

Küste gefunden<br />

Vor der israelischen Küste wurde ein<br />

Erdgasvorkommen von etwa 6 Billio -<br />

nen Kubikfuß gefunden. Beim derzeitigen<br />

Gaspreis entspräche das einem<br />

Wert von US$ 7,54 mrd. Das von der<br />

Canadian Bontan Oil and Gas Company<br />

lokalisierte Vorkommen liegt in den<br />

beiden Gasfeldern Mira und Sarah im<br />

mittelmeer nahe Haifa. Erst im letzten<br />

Jahr waren die Gasfelder Tamar und<br />

Dalit entdeckt worden.<br />

orthodoxe Jüdin wird „rabbah“<br />

Die jüdisch-othodoxe Geistliche Sara<br />

Hurwitz aus new York City, die seit<br />

Jahren am liberalen Hebräischen in sti -<br />

tut von Riverdale Rabbinatsaufga ben<br />

übernimmt, wird von nun an den Ti tel<br />

„Rabbah“ tragen, die weibliche Ver si -<br />

on von „Rabbiner“. Bisher war sie mit<br />

dem Akronym „maharat“ bezeichnet<br />

worden, das so viel bedeutet wie „Füh -<br />

rer in rechtlichen, geistlichen und<br />

Torah-Angelegenheiten“. Der neue Ti -<br />

tel solle klarstellen, dass sie ein voll -<br />

wertiges mitglied des Rabbinats sei,<br />

so Rabbi Avi Weiss, geistliches Ober -<br />

haupt des Hebräischen instituts und<br />

Hurwitzs mentor.<br />

experte warnt israel vor<br />

haiti-ähnlichem erdbeben<br />

Der Vorsitzende von israels natio na -<br />

lem Erdbebenvorwarn-Komitees, Avi<br />

Shapira, warnt davor, dass ein ebenso<br />

schweres Erdbeben, wie jenes, das<br />

Haiti verwüstete, auch in israel auftreten<br />

wird. Die meisten Gebäude,<br />

die vor 1980 gebaut wurden, würden<br />

solch einem Erdbeben nicht standhalten<br />

können, außerdem seien 20% der<br />

Pri vathäuser nicht nach Erdbeben -<br />

32 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


stan dards errichtet.<br />

in den vergangenen Jahren wurde is -<br />

rael von mehreren leichten Erschüt te -<br />

rungen getroffen. Das letzte schwere<br />

Erdbeben mit Stärke 6 gab es 1927.<br />

Da m<strong>als</strong> waren 500 menschen getötet<br />

worden. Das Haiti-Erdbeben hatte<br />

Stärke 7.<br />

israelische eiskunstläufer und<br />

Schifahrer bei olympia<br />

Die Geschwister Roman und Alexandra<br />

Zaretsky, bekannte israelische Eis -<br />

kunstläufer, sowie der Schifahrer mi -<br />

kail Renzhin vertreten israel bei den<br />

Olympischen Spielen von Vancouver.<br />

Die Zaretskys führen ihre Kür zu<br />

„Ha va nagila“ und der musik aus<br />

„Schindlers Liste“ auf.<br />

Renzhin nimmt an Slalom und<br />

Riesenslalom teil. Alle drei sind schon<br />

zum zweiten mal bei Olympischen<br />

Spielen dabei.<br />

elektroauto-rekordinvestition<br />

Das kalifornische Elektroauto-Un ter -<br />

nehmen Better Place mit Standort is -<br />

rael, unter seinem israelisch-amerikanischen<br />

Vorsitzenden Shai Agassi, wird<br />

von privaten ivestoren mit der Re -<br />

kord summe von US$ 350 mio. un ter -<br />

sützt, darunter so bekannte na men<br />

wie HSBC, morgan Stanley und<br />

Lazard.<br />

Das Projekt Better Place, das ein landesweites<br />

netz an Elektroauto-Ladeund<br />

Batteriewechselstationen vorsieht,<br />

soll 2011 in israel und Däne mark starten.<br />

mit einer Batterieladung wird man<br />

etwa 150 km weit fahren können.<br />

Buch über holocaust für russische<br />

teenager<br />

Etwa 12 mio. russische Jugendliche<br />

werden in diesem Jahr das Buch „Ro -<br />

man eines Schicks<strong>als</strong>losen“ des ungarischen<br />

nobelpreisgewinners imre<br />

Kertesz gemeinsam mit ihrem Pass er -<br />

halten. Der Roman ist Teil einer mul -<br />

timedia-Bildungs-CD des russischen<br />

mi nisteriums für Sport, Tourismus und<br />

Jugend und erzählt die Geschichte ei -<br />

n es jüdischen Jungen, der Auschwitz<br />

überlebt. Zum ersten mal wird hier<br />

ein Buch, das den Holocaust zum<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

The ma hat, ins staatliche Literatur -<br />

programm aufgenommen.<br />

„Roman eines Schicks<strong>als</strong>losen“ wur -<br />

de erstm<strong>als</strong> 2007 in russischer Übersetzung<br />

veröffentlicht, im Zuge der<br />

Buchserie „Die Prosa des jüdischen<br />

Lebens“, die seit 2005 mehr <strong>als</strong> 50 Wer -<br />

ke zu jüdischen Themen auf Russisch<br />

publizierte.<br />

Neues zentrum für jiddische<br />

Studien in israel<br />

An der Ben-Gurion Universität in<br />

Beersheba wird ein neues Zentrum<br />

für jiddische Studien unter dem Vor -<br />

sitzenden David Roskies eröffnet.<br />

Work shops und Kolloquien sollen dort<br />

abgehalten und vergessene jiddische<br />

Werke publiziert werden. Auch die<br />

Zusammenarbeit mit Forschungs zen -<br />

tren in Tel Aviv, Paris und den USA ist<br />

vorgesehen.<br />

Netanyahu-Sohn gewinnt<br />

Bibel-Quiz<br />

Der jüngste Sohn von israels Premier<br />

Benjamin netanyahu, Avner, 15, wird<br />

Jerusalem beim nationalen Bibelquiz<br />

<strong>2010</strong> vertreten. Er hatte sich mit 98 von<br />

100 Punkten gegen 50 Konkur ren ten<br />

durchgesetzt. Der Vater von Avners<br />

mutter Sara ist Bibelexperte, ihre drei<br />

älteren Brüder waren alle einst Sieger<br />

beim Bibelquiz in israel.<br />

weniger Scheidungen in israel<br />

im Vergleich zum Jahr davor gab es in<br />

is rael 2009 um 2,3% weniger Schei -<br />

dungen, berichtet das israelische Rab -<br />

bi natsgericht. Ein Grund dafür, so<br />

des sen Generaldirektor, Rabbi Eli Ben-<br />

Dahan, könnten die hohen Kosten sein,<br />

die eine Scheidung mit sich bringe.<br />

nur Jerusalem folgt nicht dem allgemeinen<br />

Trend – während in Tel Aviv,<br />

Haifa und Rishon Lezion die Schei -<br />

dungs raten um 3 bis 7% zurückgingen,<br />

stieg sie in israel um 4,2 %. insgesamt<br />

wurden 2009 exakt 9.986 Paare ge -<br />

schie den. Darunter waren 162 Fälle, in<br />

denen religiöse männer ihren Frauen<br />

das für die Scheidung nötige Papier<br />

verweigert hatten. Diese konnten<br />

2009 geschlossen werden. Weitere 180<br />

Fälle blieben jedoch weiterhin offen.<br />

Andere Scheidungsfälle konnten nicht<br />

abgeschlossen werden, weil die Frau -<br />

en sich wiederum weigerten, das<br />

Schei dungspapier von ihren män nern<br />

anzunehmen.<br />

israel rockt – meistens<br />

namhafte Künstler wie Altrocker Rod<br />

Stewart, Elton John, Metallica, Rihanna<br />

oder Bob Dylan haben für diesen Som -<br />

mer Konzerte in israel angekündigt.<br />

nur Sänger und Gitarist Carlos San ta na<br />

sagte seinen Auftritt in Jaffa im Juni<br />

dieses Jahres ab, obwohl die Tickets<br />

dafür sich so gut verkauft hatten, dass<br />

schon ein zweites Konzert in Erwä -<br />

gung gezogen worden war. Santanas<br />

Agent gab Ynet gegenüber an, dass<br />

der volle Terminkalender des Künst -<br />

lers das Konzert unmöglich machen<br />

würde, doch eine anonyme Quelle aus<br />

der israelischen, für den Auftritt en -<br />

gagierten Produktionsfirma enthüllte,<br />

dass das Konzert aufgrund der inter -<br />

ven tionen von Anti-israel-Aktivis ten<br />

abgesagt worden sei.<br />

gratis-upgrades für<br />

Knesset-Abgeordnete<br />

Ein Beschluss der Knesset, das israelische<br />

Abgeordnete bei Auslands flü -<br />

gen automatisch Gratis-Upgrades für<br />

die Business-Class erhalten würden,<br />

wurde, nachdem Kritik daran laut<br />

geworden war, wieder eingefroren und<br />

wird nun geprüft.<br />

Bisher waren solche Upgrades nur<br />

auf Flügen, die länger <strong>als</strong> sechs Stun -<br />

den dauern, und ausschließlich auf<br />

vor hergehende Anfrage möglich, denn<br />

die israelischen Steuerzahler werden<br />

dafür zur Kasse gebeten.<br />

Von den Abgeordneten selbst gab es<br />

so wohl Reaktionen dafür <strong>als</strong> auch<br />

gegen die neue Regelung. Tatsächlich<br />

wären allerdings nur ganz wenige<br />

Ab geordnete im letzten Jahr Econo my<br />

Class geflogen, wurde aus dem Büro<br />

von Knesset-Sprecher Reuven Rivlin<br />

verlautet. Die Knesset-mitglieder<br />

müssten oft sofort nach der Landung<br />

an wichtigen Gesprächen teilnehmen,<br />

die all ihre Aufmerksamkeit erforderten,<br />

deshalb sei ein Upgrade auch<br />

gerechtfertigt.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 33


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

Gekoschertes Schwein und<br />

deutsche Speisegesetze<br />

Eli Landau, Kardiologe und bekannter<br />

Koch, hat erstm<strong>als</strong> ein hebräisches<br />

Koch buch veröffentlicht, das allein<br />

dem Schwein gewidmet ist. Eigent lich<br />

– so könnte man meinen – ist das eine<br />

ziemliche Schweinerei. Denn das<br />

Bors tentier ist frommen Juden sowie<br />

moslems eine Abscheu. Genauso kä -<br />

me ein Germane kaum auf die idee,<br />

auf der Speisekarte eines deutschen<br />

Restaurants ein Rossfilet zu suchen.<br />

„Pferdefleisch ist in Deutschland verpönt,<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

weil es <strong>als</strong> Arme-Leute-Essen galt“, sagt<br />

Frau Dohrmann, inhaberin einer Pfer -<br />

de metzgerei in Bremen und Autorin<br />

von „Gut Kochen mit Rossfleisch!“,<br />

1999 erschienen. Ein Jahr später veröffentlichte<br />

der Pferdemetzger Beer -<br />

wardt aus Waiblingen „Kulinarisches<br />

vom Pferd und Fohlen“. Beerwardt sagt:<br />

„Mein Großvater erzählte mir, dass Pfer -<br />

de fleisch so verpönt war, dass die Kunden<br />

darum baten, es in Tüten ohne den Na -<br />

men unserer Metzgerei zu verpacken.“<br />

Weder Dohrmann noch Beerwardt<br />

wuss ten freilich, dass die alten Ger -<br />

manen glaubten, durch Pferdefleisch<br />

in den Genuss der Kräfte der Gottheit<br />

gelangen, der das Pferdeopfer galt. in<br />

der frühchristlichen Kirche galt Pfer -<br />

defleisch <strong>als</strong> Zeichen des Verharrens<br />

im Heidentum. Bonifatius fragte im<br />

Jahr 732 bei Papst Gregor iii an, ob<br />

Christen Pferdefleisch essen dürften.<br />

Der Papst verbot es, da die Kirche Res -<br />

te heidnischer Opferkulte ausrotten<br />

wollte. Das Verbot geht auf Karl den<br />

Großen zurück. Das Wort “Pferde -<br />

fres ser” war ein christliches Schimpf -<br />

wort für heidnische Volksgenossen.<br />

He xen wurde nachgesagt, Pfer de -<br />

fleisch zu essen und zu verehren.<br />

Anders <strong>als</strong> in Frankreich oder italien<br />

entwickelte sich unter deutschen<br />

Chris ten eine religiös motivierte Aver -<br />

sion gegen Pferdefleisch. Anton Freit -<br />

hofnig aus dem österreichischen moos -<br />

burg, Autor von „Kochen mit Pferdefleisch“<br />

hat die Kulturgeschichte er -<br />

forscht. Einerseits sei das Pferd ein<br />

„hei liges Tier“ gewesen und andererseits<br />

entstand eine Abscheu gegen den<br />

Verzehr seines Fleisches infolge der<br />

Krie ge, <strong>als</strong> hungernde menschen ge -<br />

zwungen war, Pferdefleisch zu essen.<br />

Christen in mitteleuropa pflegen <strong>als</strong>o<br />

aus religiösen und ethischen Grün -<br />

den gedankenlos bis heute ähnliche<br />

„Speisegesetze“ wie moslems oder<br />

Ju den. Unter den 613 Geboten und Ver -<br />

boten in der Tora (5 Bücher moses),<br />

wird das Schwein <strong>als</strong> „unkoscher“<br />

bezeichnet. Wer „gottesfürchtig“ ist,<br />

rührt es nicht an. „Weißes Fleisch“ ist<br />

jedoch in israel beliebter, <strong>als</strong> manche<br />

vielleicht denken. in Tel Aviv muss<br />

man suchen, wenn man koscher es -<br />

sen will. Denn die meisten Juden halten<br />

sich nicht an die biblischen Ge -<br />

setze, wie etwa das Verbot, am Schab -<br />

bat kein „Feuer“ zu machen und deshalb<br />

kein Auto zu fahren. neben<br />

Schweine fleisch verbieten die Ko -<br />

scher-Gesetze auch ein Vermischen<br />

von Fleisch und milch oder den Ge -<br />

nuss von mee res ge -<br />

tier, außer Fi schen<br />

mit Schup pen.<br />

Eli Landau sagt, mit<br />

seinem Koch buch<br />

„Das Weiß buch“<br />

zum ersten mal in<br />

der Ge schich te is -<br />

raels ein Buch „von<br />

Deckel zu Deckel nur<br />

34 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


mit Schwein“ ge füllt zu haben. Der<br />

weiße Deckel ist schmuck los, oh ne<br />

pro vozierendes Bild. Landau sagt, „al -<br />

lein typische Rezepte für das Land Israel“<br />

entwickelt und keine Vorlagen aus Ost -<br />

europa oder Asien kopiert zu haben.<br />

Den eigentli chen „Ta bu bruch“, jü di -<br />

schen israelis Schwein aufzutischen,<br />

vollbrachte schon in den siebziger<br />

Jah ren der Schrift steller Amos Kei nan<br />

mit seinem „Buch der Ge lüs te“.<br />

Der aus Buchara<br />

stammende und in<br />

Taiwan ausgebildete<br />

Chefkoch Isra el<br />

Aharoni institutionalisierte<br />

den Ta bu -<br />

bruch mit „Chi ne -<br />

sische Küche“. Un -<br />

ter dem Tit el stand<br />

selbstverständlich „koscher“. Doch<br />

dazu gab es einen se paraten Band, wo -<br />

rin er Rezepte zu Spa reribs (Schwei -<br />

nerippchen), Kala ma ri und Shrimps<br />

lieferte. Aharoni revolutionierte isra els<br />

Küche. Seit dem wa gen auch andere<br />

Autoren, ihre Koch bü cher in zwei<br />

Aus gaben zu veröffentlichen.<br />

So wurde Madhur Jaff reys „indische<br />

Küche“ in einer koscheren Ausgabe<br />

mit vegetarischem milcher satz für<br />

„flei schige“ Speisen veröffentlicht.<br />

Gleich zeitig gab es eine nicht-ko -<br />

schere Ausgabe mit Originalrezepten,<br />

die kein Rabbi durchgehen lassen<br />

würde.<br />

Christen im Heiligen Land haben im -<br />

mer schon Schweine gezüchtet und ihr<br />

Fleisch verkauft. in Bethlehem und<br />

Je rusalem wurden allerdings Schwei -<br />

ne-Fleisch-Läden des Hana Seniora<br />

schon während der ersten intifada ab<br />

1987 unter dem Druck von islamisten<br />

geschlossen. in israel produziert seit<br />

1959 Kibbuz Mizraa Schweinefleisch<br />

und vermarktet es landesweit in un ko -<br />

scheren Supermärkten. Mosche Tajar<br />

von Kibbuz Lahav, wo ebenfalls Schwei -<br />

ne gezüchtet werden, erklärte: „Wir<br />

betreiben ein offizielles Forschungs insti tut<br />

zum Testen von Medikamenten. Per Ge -<br />

richtsurteil dürfen wir für die Tests ungeeignete<br />

Schweine zu Wurst verarbeiten.“<br />

Denn laut israelischem Gesetz dürfen<br />

ansonsten Schweine nur in „christli -<br />

chen Gegenden“ gezüchtet werden.<br />

Seit der masseneinwanderung sow je -<br />

tischer Juden 1990 sind russische Su -<br />

per märkte mit unkoscheren Fleisch -<br />

JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

pro dukten nicht mehr wegzudenken.<br />

Sogar Blutwurst vom Schwein findet<br />

man dort: für fromme Juden wohl die<br />

abscheulichste aller Kombinationen.<br />

Umgekehrt gibt es auch „politisch<br />

kor rekte“ Kochbücher. Nawal Abu<br />

Gosch aus Abu Gosch nahe Jerusalem<br />

war der erste Araber, der dem jüdischen<br />

Publikum die „Arabische Küche<br />

im Lande israel“ vorstellte, koscher<br />

und auf Hebräisch. Hätte er sein Koc h -<br />

buch „Palästinensische Kü che in Pa läs -<br />

tina“ genannt, wäre es zu einen La den -<br />

hüter geworden. Vor allem vegetarische<br />

Gerichte und süße nachspeisen,<br />

virtuose Spezialitäten der arabischen<br />

Küche, sind unproblematisch und so<br />

koscher, dass man kei nen Rabbi be -<br />

fra gen muss. Aber es gibt ein uraltes,<br />

aus biblischer Zeit stammendes Fest -<br />

mahl, das Palästinenser bis heute bei<br />

Hochzeiten bereiten. Einst war es ei -<br />

ne Götterspeise: Zicklein in der milch<br />

seiner mutter. Der Bibelvers dazu ist<br />

die Ursache für das strikte Verbot für<br />

Juden, milch und Fleisch zu vermengen.<br />

Das Rezept für „mansaf“, wie es<br />

heute heißt, fällt in koscheren arabischen<br />

Kochbüchern unter den Tisch.<br />

Eine Weltsensation<br />

ist ein großformatiges<br />

Kochbuch<br />

des kleinsten Vol -<br />

kes der Welt mit<br />

650 Seelen. Sa ma -<br />

ri taner leben nur<br />

noch in Holon südlich<br />

von Tel Aviv<br />

und im palästinensischen nab lus,<br />

dem biblischen Sichem.<br />

„Die Küche des gu ten Samariters“<br />

nennt Pnina Zedaka ihr Kochbuch. Sie<br />

sammelte Bilder und Erzählungen zu<br />

fast so vielen Re zepten, wie es mit -<br />

glie der des einstigen millio nenvo l kes<br />

der Zeit Jesu gibt.<br />

Die Samariter be trachten sich <strong>als</strong> Ur -<br />

juden und ver wen den noch die alt-he -<br />

bräische Schrift wie in der Zeit Davids<br />

und Salomons. Sie verwerfen die Pro -<br />

pheten der Bibel und alle späteren jü -<br />

di schen Schriften. Juden verachteten<br />

die Samaritaner <strong>als</strong> Feinde, ähnlich<br />

wie heute die Paläs ti nenser. Jesu Be -<br />

geg nungen mit Sama ri tanern sind nur<br />

auf diesem Hinter grund zu verstehen.<br />

Seine Kontakte mit dem schlimmsten<br />

Feind waren ei ne Rebel lion gegen die<br />

Ansichten des damaligen jüdischen<br />

Establish ments<br />

Email im Altersheim<br />

israels Greise sind moderner <strong>als</strong> vermutet.<br />

76 Prozent der alten menschen<br />

verfügen über Email und 15 Prozent<br />

haben sich bei Facebook eingetragen.<br />

Das ergab eine Umfrage zu den Frei -<br />

zeitgewohnheiten unter 340 israelis<br />

im „goldenen Alter“ aus Anlass eines<br />

gerontologischen Kongresses „Altern<br />

im 21. Jahrhundert“.<br />

Während sich 60 Prozent der Alten un -<br />

ter siebzig täglich vor den Computer<br />

setzen, zum Beispiel um Karten zu<br />

spielen, nimmt das interesse mit fortgesetztem<br />

Alter ab. nur noch 28 Pro -<br />

zent der Siebzigjährigen setzen sich<br />

täg lich vor den Bildschirm. Fernsehen<br />

ist wohl der beliebteste Zeitvertreib<br />

der israelischen Greise: 95 Prozent<br />

schauen täglich in die Röhre, wobei 55<br />

Prozent am liebsten nachrichten und<br />

andere aktuelle Programme schauen.<br />

Acht Prozent, überwiegend Frauen,<br />

ge nießen Reality-Shows wie den<br />

„Großen Bruder“. 11 Prozent sehen<br />

sich Filme an, während acht Prozent<br />

eine Vorliebe für Fernsehserien aus<br />

dem Ausland haben. Je höher der Bil -<br />

dungsstand der alten Leute, desto ge -<br />

ringer ist das interesse an den Sen -<br />

dun gen der privaten Fernsehanstalten,<br />

Kanal 10 und 22.<br />

Die Umfrage kümmerte sich auch um<br />

die Liebe. 61 Prozent der Alten gaben<br />

an, eine Beziehung zu haben und <strong>als</strong><br />

Paar zusammenzuleben. Vier Prozent<br />

wären daran interessiert, haben aber<br />

keinen Partner. 24 Prozent der Be frag -<br />

ten meinten, alleine zu leben und<br />

nicht an einer Beziehung interessiert<br />

zu sein.<br />

240 Mio. neue Bäume<br />

Die Aufforstungsaktivitäten des Jü di -<br />

schen national-fonds (JnF) in israel<br />

er freuen sich nach wie vor großen Zu -<br />

laufs. Wie eine aktuelle Umfrage er ge -<br />

ben hat, planen 80% al ler israelis, ei -<br />

nen Baum zu pflanzen; 71% haben dies<br />

bereits mindestens einmal ge tan.<br />

israel ist das einzige Land auf der Welt,<br />

das heute einen größeren Baum be -<br />

stand aufweist <strong>als</strong> noch vor 100 Jah ren.<br />

im kommenden Jahrzehnt plant der<br />

JnF die Pflan zung von weiteren sieben<br />

mio. Bäumen, um Kohlen dioxid<br />

zu absorbieren und den Kampf gegen<br />

die globale Erwärmung zu unterstützen.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 35


Tel Aviver Polizei setzt<br />

Inline-Skater ein<br />

Zur Verbrechens bekämp -<br />

fung in Tel Aviv hat israels<br />

Polizei freiwillige in line-Skater rekrutiert.<br />

Etwa 30 der bes ten Fahrer des is -<br />

raelischen Skater clubs wurden in spe -<br />

ziellen Kursen ein Jahr lang ausgebildet<br />

und sind seit Kurzem im Ein satz.<br />

Einer der initiatoren des Projektes ist<br />

Schimi Zinir. Er lobte laut der Tages -<br />

zeitung ‘Jerusalem Post’ die Vorteile<br />

der Polizisten auf Rollen. „Sie haben<br />

eine höhere Beweglichkeit und Ge schwin -<br />

dig keit <strong>als</strong> die Polizei zu Fuß oder auf dem<br />

Fahrrad und sie können Orte erreichen,<br />

an die andere Polizisten nicht gelangen.<br />

Außerdem sind sie auf den Skates größer,<br />

<strong>als</strong> der durchschnittliche Streifenpolizist,<br />

deshalb wirken sie eindrucksvoller und<br />

abschreckender“, so Zinir.<br />

Die idee für die spezielle Patrouille<br />

habe er sich von der Polizei in Paris ab -<br />

geschaut. 1998 hatte diese Polizisten<br />

auf inline-Skates während der Fuß -<br />

ball weltmeisterschaft eingesetzt.<br />

Weitere 30 Elite-Skater absolvieren<br />

der zeit noch ihr Training. Sie sollen<br />

Ende märz in Tel Aviv zum Einsatz<br />

kommen. Die Polizei veröffentlichte<br />

auf der internetplattform „YouTube“<br />

ein Video vom Training der Patrouille<br />

auf Rollen. Dort ist unter anderem zu<br />

sehen, wie zwei skatende Polizisten<br />

einen Taschendieb verfolgen und<br />

überwältigen. inn<br />

Israelische Soldaten<br />

bekommen nicht-stinkende<br />

Socken<br />

israels Soldaten werden künftig<br />

mit nicht-stinkenden Socken ausgerüstet.<br />

Diese können laut einem<br />

Be richt der Tages zei tung ‘maariv’ bis<br />

zu zwei Wo chen ge tragen werden,<br />

ohne un an ge nehmen Geruch zu entwickeln<br />

oder unhygienisch zu werden.<br />

Verant wortlich für die besonderen<br />

Ei gen schaf ten der Socken sei eine<br />

me tal lische Kompo nente im Stoff.<br />

Die neuen Socken sollen ab märz an<br />

die Armee geliefert werden, zunächst<br />

an Kampftruppen. Die Socken wurden<br />

den Angaben zufolge bereits er folg -<br />

reich von Soldaten getestet. An schlies -<br />

send sei auch die Zahl der not wen di -<br />

gen medizinischen Fußbe hand lun gen<br />

gesunken. APA<br />

36<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />

JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

Christlich-jüdische Organisation<br />

zahlt Heizkosten für ältere Bedürftige<br />

Die christlich-jüdische Organisation<br />

„International Fellowship of Christians<br />

and Jews“ (IFCJ) hat eine Spende von<br />

rund fünf millionen Dollar zur Verfü -<br />

gung gestellt, um die Heizkostenab -<br />

rech nungen von älteren bedürftigen<br />

israelis zu bezahlen. Damit will sie<br />

sicherstellen, dass diese den kalten<br />

Winter gut überstehen.<br />

Die Aktion „Warmer Winter für die Äl -<br />

te ren“ wird bereits zum vierten mal in<br />

Folge durchgeführt. Die Zusam men -<br />

arbeit erfolgt mit dem staatlichen<br />

Energieversorger „israel Electric Cor -<br />

po ration“ sowie den ministerien für<br />

infrastruktur und Soziales. Von der<br />

ini tiative profitieren rund 134.000<br />

menschen und damit alle älteren is ra -<br />

elis, die laut dem nationalen Ver si -<br />

cherungsinstitut <strong>als</strong> bedürftig gelten.<br />

Zwar übernehme der Staat israel in<br />

den Wintermonaten einen Teil der<br />

Rechnung von diesen Bedürftigen, die<br />

mehrheit könne jedoch das verbleibende<br />

Geld nicht aufbringen. Damit<br />

jedoch auch diese menschen gut<br />

Polygamist mit<br />

32 Frauen in Israel<br />

vor Gericht<br />

durch die kalten monate <strong>Februar</strong> und<br />

märz kommen, werden die Älteren<br />

mit rund 40 Dollar durch die iFCJ<br />

unterstützt.<br />

Das Geld wird erstm<strong>als</strong> direkt an den<br />

Energieversorger überwiesen. Dieser<br />

zieht dann die Spende von der Rech -<br />

nung ab. Dieser Weg wurde gewählt,<br />

damit die Spenden schnell ihre Em p -<br />

fän ger erreichen und so effektiv wie<br />

möglich sind, meldet die Tageszei tung<br />

‘Jediot Aharonot’.<br />

Die „international Fellowship of<br />

Chris tians and Jews“ („internationale<br />

Bruderschaft von Christen und Ju -<br />

den“) gibt es seit dem Jahr 1983. ihren<br />

Sitz hat die Organisation in Chicago<br />

und Jerusalem. nach der israelischen<br />

Regierung ist sie der größte Geldge -<br />

ber für Sozialleistungen im jüdischen<br />

Staat. Sie wurde von Rabbi Eckstein<br />

gegründet, um Verständnis und Koo -<br />

pe ra tion von Juden und Christen zu<br />

fördern und um israel und das jüdische<br />

Volk zu unterstützen. inn•<br />

Ein israelischer Polygamist, der mit bis<br />

zu 32 Frauen zusammengelebt ha ben<br />

soll, steht wegen Vergewaltigung, Ver -<br />

sklavung und Betrugs vor Gericht. Vor<br />

dem Bezirksgericht in Tel Aviv wurde<br />

die Anklageschrift gegen den 60 Jahre<br />

al ten mann eingereicht, der mit den<br />

Frau en Dutzende von Kindern ge zeugt<br />

Goel Ratzon, der Mann mit 32 Frauen<br />

hat.<br />

Der Guru mit langen weißen Haaren und weißem Bart habe sich innerhalb seiner<br />

Großfamilie einen „Status der Allmacht“ verschafft, hieß es darin nach<br />

medienberichten. Er habe die an d eren Familienmitglieder gefügig gemacht,<br />

mit Hilfe seines „magischen Einflusses“ sowie drakonischer Ver hal tensregeln<br />

und Geldstrafen. Viele seiner Frauen, von denen in der An kla geschrift 21<br />

erwähnt werden, sei en schwer traumatisiert.<br />

Der 60-Jährige, der vor einem monat festgenommen worden war, wird auch<br />

wegen sexuellen missbrauchs min der jähriger angeklagt. Er selbst beteuert sei ne<br />

Unschuld und erklärte, die Frauen hätten aus freien Stücken mit ihm zu sam -<br />

men gelebt. APA<br />

© REUTERS/Chen Galili


Verstreutes<br />

Wissen<br />

Bis Jahresende sollen alle Quel len zum<br />

Nation<strong>als</strong>ozialis mus, die sich mit<br />

Vermögensentzug, Rück stellung und<br />

Entschädigung be fas sen, auf einer<br />

Homepage zu sammengeführt werden.<br />

Das Pro jekt www.ns-quellen.at will<br />

damit vor allem Laien ansprechen und<br />

daher einen niederschwelligen Zu gang<br />

zu den Originaldo ku men ten bieten.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

2003 legte die im Herbst 1998 von der<br />

damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung eingesetzte<br />

Historikerkommission ihren<br />

Schlussbericht zum Thema Vermö -<br />

gens entzug auf dem Gebiet des heutigen<br />

Österreich in der nS-Zeit vor, der<br />

auch die nach 1945 erfolgten Rückstel -<br />

lungen und Entschädigungen durch<br />

das offizielle Österreich be leuch tete.<br />

im Jahr <strong>2010</strong> trudeln bei der ehemaligen<br />

Forschungskoordinatorin der<br />

Kommission, Eva Blimlinger, immer<br />

noch Woche für Woche Anfragen ein.<br />

„Ich bin sozusagen die Nachlassverwal te -<br />

rin“, erzählt sie im Gespräch mit der<br />

„Gemeinde“. Die Anfragen ähneln<br />

ein ander: „Wie kann ich herausfinden,<br />

ob meine Wohnung ‚arisiert‘ wurde?“<br />

Oder: „Meine Eltern haben das und das<br />

besessen. Wie finde ich heraus, ob es diese<br />

Dinge noch gibt?“<br />

insgesamt ortet Blimlinger wachsendes<br />

interesse verschiedenster Perso -<br />

nen gruppen an einer historischen<br />

Auseinandersetzung mit der Zeit zwi -<br />

schen 1938 und 1945 und ihren Fol -<br />

gen. Und zwar im wissenschaftlichen<br />

Bereich ebenso wie im privaten, an<br />

Schu len, in Familien, auf regionaler bis<br />

hin zur lokalen Ebene. Dem stünde<br />

eine unüberschaubare masse an Quel -<br />

len gegenüber, zu Tage gefördert und<br />

bearbeitet von der Historiker kom mis -<br />

sion der Republik Österreich, anderen<br />

wissenschaftlichen Kommissionen<br />

und im Rahmen von Einzelfor -<br />

schungs vorhaben.<br />

KULTUR • INLAND<br />

„Immer wieder tauchten historische Do ku -<br />

mente in in- und ausländischen Ar chi ven,<br />

in Dienststellen des Bun des und der Län -<br />

der, in Kammern und Interessensge mein -<br />

schaf ten sowie Unternehmen auf. In Kel -<br />

lern und auf Dachböden, in Hinterzim -<br />

mern und Heizräumen fanden Historiker<br />

und Historikerinnen hunderttausende<br />

Akten. Bereits bekannte Bestände wurden<br />

erstm<strong>als</strong> gesichtet und bearbeitet.“<br />

All dieses Wissen, das bisher kaum<br />

zugänglich, vor allem aber stark verstreut<br />

ist, soll nun im Rahmen des<br />

Projekts www.ns-quellen.at auf einer<br />

Homepage versammelt werden. Ei ni -<br />

ge materialien, wie etwa alle Gesetze<br />

in diesem Zusammenhang (von den<br />

in der nS-Zeit erlassenen Gesetzen<br />

bis hin zum Opferfürsorgegesetz mit<br />

all seinen dutzenden novellen) werden<br />

tatsächlich im Wortlaut abrufbar<br />

sein. Bei vielen Dokumenten wird auf<br />

der Seite zu lesen sein, in welchem<br />

Archiv, welcher Einrichtung sie sich<br />

befinden und wie man sie einsehen<br />

kann.<br />

„Ziel ist es, die Dokumente so zu erfassen<br />

beziehungsweise auf sie zu verweisen, dass<br />

unterschiedlichste Interessenten - von<br />

Wissenschaftern bis zu interessierten<br />

Laien – einen jeweils adäquaten Überblick<br />

darüber gewinnen, welche Materialien ei ne<br />

Annäherung an ihre Fragen erlauben, was<br />

diese Materialien enthalten, wo sie aufbewahrt<br />

werden und wie sie zugänglich<br />

sind.“ Wichtig ist Blimlinger, die dieses<br />

Projekt vor rund drei Jahren ge -<br />

meinsam mit Verena Pawlowsky und<br />

Harald Wendelin ins Leben gerufen hat,<br />

ein möglichst niederschwelliger Zu -<br />

gang. Ähnlich dem FAQ-Prinzip (Fre -<br />

quently Asked Questions) soll beispielsweise<br />

eine Anleitung abrufbar<br />

sein, wohin man sich wenden kann,<br />

wenn man nachschauen will, ob die<br />

eigene Wohnung einst ‚arisiert‘ worden<br />

war oder <strong>als</strong> Sammelquartier für<br />

Juden vor der Deportation in ein<br />

Konzentrationslager fungiert hatte.<br />

„Man muss sehr genau aufpassen, dass<br />

die Seite nicht so hypertroph wird, dass<br />

der normale User von Information er -<br />

chlagen wird,“, so Blimlinger. Aber, be -<br />

tont sie weiter: der Zugang zur in for -<br />

mation soll vereinfacht werden, je -<br />

doch „nicht die Information selbst“.<br />

Verlinken wollen Blimlinger, Paw -<br />

low s ky und Wendelin (sie gehören<br />

dem Team des „forschungsbüro. Ver -<br />

ein für wissenschaftliche und kulturelle<br />

Dienstleistungen“ an) zudem zu<br />

allen heimischen initiativen, die sich in<br />

den vergangenen Jahren mit dem<br />

Thema nS-Vergangenheit auseinan -<br />

dergesetzt haben. Als Beispiele nennt<br />

Blimlinger die Projekte Servitengasse<br />

und Herklotzgasse, aber auch schulische<br />

initiativen. So wird in Kürze die<br />

Wiener AHS Kandlgasse eine Pu bli -<br />

kation präsentieren, die unter dem Ti -<br />

tel „Weggewiesen 1938“ das Schicksal<br />

jüdischer Schüler in der nS-Zeit an<br />

diesem Schulstandort nachzeichnet.<br />

Eine Gedenktafel dazu wurde bereits<br />

im Juni vergangenen Jahres enthüllt.<br />

„Reizvoll“ fände es Blimlinger auch,<br />

„hier viele Datenbanken und Verzeichnis se<br />

hereinzubekommen“. Ganz sicher Ein -<br />

gang finden wird beispielsweise ein<br />

Kraftfahrzeugsverzeichnis, an Hand<br />

dessen man nachvollziehen kann,<br />

wem Autos in Österreich vor 1938 ge -<br />

hört haben.<br />

Den ersten Schwung Gesetze wollen<br />

die Projektverantwortlichen in diesem<br />

Frühjahr online stellen, bis Jah res en -<br />

de soll die Homepage dann gänzlich<br />

gefüllt sein. Wobei Blimlinger betont,<br />

dass die Seite so programmiert wird,<br />

dass sie permanent adaptiert beziehungsweise<br />

ergänzt und erweitert<br />

wer den kann. Finanziell unterstützt<br />

wurde und wird dieses Projekt von<br />

der Republik Österreich, den Ländern<br />

Wien, Burgenland, Oberösterreich,<br />

Salzburg, der Steiermark, Tirol und<br />

Vorarlberg sowie dem Zukunfts- und<br />

dem nationalfonds. Kooperiert wird<br />

zudem mit dem Wiener Wiesenthal<br />

institut für Holocaust-Studien (VWi).<br />

Von diesem soll – so der Wunsch des<br />

forschungsbüros – die Homepage<br />

auch langfristig betreut werden.<br />

www.historikerkommission.gv.at<br />

www.ns-quellen.at (noch nicht im Vollbetrieb)<br />

www.forschungsbuero.at<br />

www.vwi.ac.at<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 37<br />

KULTUR


© Österreichisches Filmmuseum<br />

„Ich war froh diesen Medienhype, den es<br />

plötzlich nach der Oscar-Verleihung gab,<br />

sinnvoll kanalisieren zu können“, sagte<br />

Stefan Ruzowitzky über sein Engage -<br />

ment für die Restaurierung des jüdischen<br />

Friedhofes Klosterneuburg. Das<br />

Gespräch für die „Gemeinde“ wurde<br />

in seinem Haus geführt. Er saß im<br />

Jogging-Out fit vor dem Laptop und<br />

bereitete zukünftige Projekte vor.<br />

Wie sehen sie heute Ihren Erfolg, was hat<br />

sich in Ihrem privaten und öffentlichen<br />

Leben geändert seitdem Sie den Oscar<br />

gewonnen haben?<br />

Zu allererst: das ist die größte Aus -<br />

zeich nung, die es in meiner Branche<br />

und im ganzen Entertainment-Be reich<br />

gibt. Das ist ein Traum, den man hat,<br />

wenn man da arbeitet, und das ist et -<br />

was, was mir nie jemand wegnehmen<br />

kann. Alles Andere sind angenehme<br />

Begleiterscheinungen. Durch so einen<br />

Erfolg zieht man Aufmerksamkeit auf<br />

sich und man bekommt die mög lichkeit,<br />

zu größeren internationalen Pro -<br />

jek ten zu kommen. Hier in Österreich<br />

gab es zu meinem Erstaunen eine un -<br />

wahrscheinlich starke Reaktion, was<br />

ich echt nicht so erwartet hätte. Das<br />

war etwas sehr Patriotisches: Das<br />

KULTUR • INLAND<br />

And the Oscar goes to… Klosterneuburg<br />

VON IDA LABUDOVIC<br />

ganze Land hat gewonnen, das ganze<br />

Land hat sich gefreut und man hat mir<br />

durch Liebe und Aufmerksamkeit ge -<br />

dankt. Das ist alles sehr spannend,<br />

eine gute persönliche Erfahrung und<br />

man versucht diesem Ruhm ein bisschen<br />

Sinn zu geben. Es gab eine gut<br />

ge lungene Ausstellung im Stift Klos -<br />

ter neuburg über den Antisemitismus<br />

und Holocaust. Das waren keine spek -<br />

takulären neuen wissenschaftli chen<br />

Erkenntnisse, sondern Fotos und Be -<br />

gleit material die einfach zeigten, dass<br />

es jüdische Familien gab, die in Klos -<br />

ter neuburg gelebt haben und dass es<br />

hier nazis gab. meinen Oscar habe ich<br />

für diese Ausstellung <strong>als</strong> Attraktion<br />

verliehen.<br />

Sind Sie mit dem Ko mi tee zur Erhaltung<br />

des jüdischen Fried hofs Klosterneuburg in<br />

Kontakt geblieben?<br />

ich habe von dieser initiative gewusst<br />

und war sehr froh, meinen plötzli -<br />

chen Ruhm für irgendwas einsetzen<br />

zu können. Das Ganze hat keinen<br />

großen ideologischen Überbau, sondern<br />

es geht darum, dass ein alter<br />

Friedhof bewahrt werden muss. mit<br />

dem Verein bin ich weiter in Kontakt,<br />

es wurde jetzt die Friedhofsmauer<br />

fer tiggestellt. Da geht es ja nicht nur<br />

um Schönheit und Schutz, sondern<br />

das hat eine kultische Bedeutung. Es<br />

geht dabei nicht um Schuld gut zu<br />

machen. Der Friedhof ist ein Teil der<br />

Geschichte der Gemeinde und das ist<br />

ein kulturelles monument, das man<br />

selbstverständlich bewahren soll und<br />

Schaden davon fern halten.<br />

Was war Ihr Bewegungsgrund für den<br />

Film „Die Fälscher“?<br />

ich habe versucht, keine „typischen<br />

Ju den“ in dem Film zu zeigen. ich<br />

kann mich erinnern, dass ich nach der<br />

allerersten Drehbuchfassung das Ge -<br />

fühl hatte, ich bin da in die Falle ge -<br />

laufen, weil alle meine Juden besonderes<br />

kultivierte, intelligente und hu -<br />

manistische Personen waren. Wenn<br />

man sich das Buch von Adolf Burger<br />

noch einmal durchliest, dann kommt<br />

man drauf, dass das Großteils ganz<br />

normale Arbeiter und Handwerker<br />

wa ren. Dass man sagt, die Juden sind<br />

weiser und besser ist wieder der erste<br />

Schritt dahin, dass man sagt, die Ju -<br />

den sind genetisch anders <strong>als</strong> wir.<br />

Auch wenn das ursprünglich positiv<br />

gemeint ist. Deswegen war das Be -<br />

mühen bei dem Film, die Leute in kein<br />

typisch jüdisches, auch nicht positives<br />

Klischee zu bringen. Es geht mehr<br />

darum, ganz normale Leute zu zeigen,<br />

die eingesperrt, gequält und er mor det<br />

werden, weil sie zufällig jüdische<br />

Vorfahren haben. Egal, ob sie jetzt in<br />

eine jüdische Kultur oder jüdische<br />

Religion eingebunden sind. Deswe gen<br />

hat für mich eine Figur wie der Sally<br />

<strong>als</strong> Hauptfigur sehr viel Sinn ge macht.<br />

Einer, der vorgestellt wird <strong>als</strong> jemand,<br />

der sogar explizit sagt: „Ich will damit<br />

gar nichts zu tun haben!“ Anhänger<br />

unterschiedlicher Religionen oder<br />

ide ologien werden sich wohl immer<br />

bekämpfen und womöglich umbringen.<br />

Die Essenz bei diesem Rassen -<br />

wahn ist aber, dass man die Leute um -<br />

bringt, nicht deswegen, was sie mei nen<br />

und vertreten oder was sie gemacht<br />

haben, sondern nur auf Grund ihrer<br />

Verwandtschaft. Dass deswegen dann<br />

etwa auch Kinder und Babys umgebracht<br />

werden.<br />

Was ist Ihre Beziehung zum Holocaust<br />

und dem ewigen Thema: Opfer - Mörder?<br />

Es gab lange Zeit ein Tabu, dass man<br />

gesagt hat, ein KZ-Häftling hatte<br />

nicht die möglichkeit, Ent schei -<br />

38 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


dungen, auch nicht moralische Ent -<br />

schei dungen, zu treffen. Und alles,<br />

was er oder sie gemacht hat, darf nicht<br />

mit normalen moralischen maß stä ben<br />

gemessen werden. Das hat sehr viel<br />

Sinn gemacht, um die Opfer zu schützen.<br />

in der letzten Zeit ist das etwas<br />

aufgeweicht worden, ich glaube, weil<br />

einfach die Opfer zu einem großen Teil<br />

nicht mehr leben. Dieser Gedanke des<br />

Opferschutzes ist nicht mehr so groß<br />

wie noch vor einigen Jahren. in meinem<br />

Film zeige ich KZ-Häftlinge, die<br />

die möglichkeit haben, eine moralische<br />

Entscheidung zu treffen. Damit<br />

bre che ich dieses Tabu. Von vielen di -<br />

rekt Betroffenen habe ich gehört, dass<br />

sie das geschätzt haben, dass ich KZ-<br />

Gefangene nicht wie Opfertiere zeigen<br />

wollte, die nur darauf warten, abgeschlachtet<br />

zu werden. ich habe sie<br />

mehr zu menschen gemacht, mit denen<br />

ich mitfühlen kann, indem ich sie<br />

<strong>als</strong> individuen mit Fehlern, mit Schwä -<br />

chen, mit einer unterschiedlichen Ge -<br />

schichte, die moralische Entschei dun -<br />

gen treffen, zeige, mit welchen wir<br />

übereinstimmen oder weniger übereinstimmen,<br />

die manchmal richtig<br />

oder manchmal f<strong>als</strong>ch sind.<br />

Viele Familien in Österreich und Deutsch -<br />

land sind Nachkommen von Nazis oder<br />

Opfern. Ist das noch immer ein Ta bu the ma<br />

und wie kann man mit Tabus umgehen?<br />

ich hab das Gefühl, dass es leichter<br />

wird, wenn - so wie es bei mir ist - die<br />

Großeltern-Generation und nicht die<br />

El tern nazis waren. Das ist ein größerer<br />

Abstand und es fällt nicht so<br />

schwer, darüber zu sprechen. Aber es<br />

scheint für viele Leute noch ein großes<br />

Thema zu sein und ich glaube, es wird<br />

einfacher durch die historische Dis -<br />

tanz. ich persönlich weiß, dass ein<br />

Groß vater nSDAP-mitglied der ers -<br />

ten Stunde und <strong>als</strong> Wehrmachts-Sol -<br />

dat an der Ostfront war. Was mache<br />

ich damit? ist diese Schuld meine und<br />

wie gehe ich mit dieser Verantwor tung<br />

um? ich kann jetzt sagen, ok, ich habe<br />

diesen Film gemacht, aber das kann<br />

nicht jeder. Einer der wenigen märk -<br />

te, wo der Film nicht funktioniert hat,<br />

war Deutschland. Die Ursache war<br />

mei ner meinung nach, dass viele men -<br />

schen meiner Generation dieses The -<br />

ma verweigern, weil sie wis sen „Ich<br />

kann damit nicht umgehen“. nicht, weil<br />

alle neonazis sind oder wegschauen<br />

KULTUR • INLAND<br />

wollen, sondern einfach weil sie nicht<br />

wissen, was sie mit der Verantwortung<br />

machen sollen. Und das ist auch<br />

sehr, sehr schwierig.<br />

Wie ist Österreich mit seiner NS-Ver gan -<br />

gen heit zurecht gekommen?<br />

Allein durch den Umstand, dass im<br />

Staatsvertrag, der Grundlage unseres<br />

Landes ist, steht, dass Österreich das<br />

erste Opfer war – damit basiert unser<br />

ganzes Land auf einer Halbwahrheit.<br />

Das ist keine gute Voraussetzung, um<br />

offen und ehrlich mit diesen Dingen<br />

umzugehen. ich habe trotzdem das<br />

Gefühl, das sich viel geändert hat und<br />

Filme wie „Die Fälscher“ hätten noch<br />

vor zehn oder zwanzig Jahren sicher<br />

viel mehr Protest im Land hervorgerufen.<br />

man hätte mich <strong>als</strong> der Va -<br />

terlandsverräter und jemand, der die<br />

Vorfahren schändet, bezeichnet. Das<br />

denken sich immer noch ein paar<br />

Leu te, aber das traut sich niemand<br />

mehr laut zu sagen. Das ist schon ein<br />

Fortschritt. •<br />

Geschichte eines israelischen<br />

Spions wird verfilmt<br />

Die amerikanische Produktionsfirma<br />

„L+E Pictures“ will Schmuel Segevs Buch<br />

„Alone in Damascus“ (Allein in Damas -<br />

kus) verfilmen. Es erzählt die Ge schichte<br />

des israelischen Spions Eli Cohen. In dem<br />

Buch werden die An wer bung Co hens,<br />

seine versteckten Missio nen und die Er -<br />

greifung durch die Syrier thematisiert.<br />

Cohen arbeitete bis zu seiner öffentlichen<br />

Hin richtung 1965 fünf Jahren lang <strong>als</strong><br />

Mossad-Agent. In dieser Zeit knüpf te er<br />

enge Verbindungen zu hochrangigen<br />

Poli ti kern bis hin zu Syriens Vertei di -<br />

gungs minister. Dabei versorgte er Israel<br />

mit vielen wichtigen Hinter grund infor -<br />

ma tionen der syrischen Politik.<br />

Das Drehbuch für den Film hat Lior Geller<br />

geschrieben, der auch schon beim er -<br />

folgreichen israelischen Kurz film "Roads"<br />

Regie geführt hatte. Auch sein zweiter<br />

Film "Heart of Jenin" gewann beim Du -<br />

bai Film Festival einen Preis. Die Firma<br />

"L+E Pictures" wurde vor vier Jahren vom<br />

Sohn des ehemaligen Disney-Chefs<br />

Michael Eisner gegründet. inn<br />

Donnerstag, 4. März, 18.30 Uhr<br />

Jüdisches Gemeindezentrum, Wien 1, Seitenstettengasse 2<br />

Den Juden alles schuldig geblieben ...<br />

Versöhnung mit den Juden – die vordringlichste<br />

spirituelle Aufgabe des Christentums<br />

PROF. DR. MAXIMILIAN GOTTSCHLICH<br />

im Gespräch mit dem Präsidium des Koordinierungsausschusses für<br />

christlich-jüdische Zusammenarbeit: Pastor Prof. Helmut Nausner,<br />

Prof. Dr. Martin Jäggle, Dr. Willy Weisz<br />

Moderation: Mag. Ruth Schelander-Glaser<br />

Christentum ist nicht ohne Judentum. Dieser Umstand wird von vielen Christen weit hin<br />

tabuisiert und ignoriert. Immer noch trifft zu, was der evangelische The o loge Karl Barth<br />

ein mal so formulierte: „Die Kirche ist den Juden, denen sie alles schuldet, bis zum heutigen Tag<br />

alles schuldig geblieben.“<br />

Es bedarf einer längst fälligen Neukonzeption des christlichen Selbstver ständ nis ses, das<br />

die jüdischen Wurzeln und die jüdischen Inhalte christlichen Glaubens so wie das Jude-<br />

Sein Jesu nicht mehr weiter verdrängt, sondern in das Credo der Kirchen inte griert.<br />

Es gibt nur eine Antwort auf die „unvergänglicher Schande Auschwitz“ (Martin Wal ser),<br />

die auch eine unvergängliche Schande für das europäische Christentum ist: das unablässige,<br />

ehrliche Bemühen der Christen um Versöhnung mit den Ju den. Das ist die vordring -<br />

lichs te ökumenische und spirituelle Aufgabe des Christen tums für die Zukunft. Christ li -<br />

che Spiritualität „nach Auschwitz“ kann nur eine Spir i tu a lität der Versöhnung mit den Ju den<br />

sein – oder sie wird nicht sein...<br />

Unter welchen Voraussetzungen dies gelingen kann, damit setzt sich der Wiener Kom mu -<br />

ni kationswissenschafter Maximilian Gottschlich – selbst katholischer Christ mit jüdischen<br />

Wur zeln – in seinem jüngst erschienenen Buch „Versöhnung. Spi ri tu alität im Zeichen von<br />

Thora und Kreuz. Spurensuche eines Grenzgängers“ (Böh lau 2008) auseinander.<br />

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich.<br />

Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit T: 01/ 4797376<br />

E: info@christenundjuden.org<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 39


© D. Werderitsch<br />

Beate Klarsfeld besuchte anlässlich der<br />

Eröffnung der Ausstellung „Die Kinder<br />

von Maison d’Izieu“ am Campus Län gen -<br />

feld Wien. Mit der „Gemeinde“ sprach die<br />

Nazi-Jägerin über ihre Motivation, ehemalige<br />

NS-Verbrecher aufzuspüren, das<br />

Inkaufnehmen von Verhaftungen und ihr<br />

Verhältnis zu Israel.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Am 7. november 1968 stieg Beate<br />

Klars feld während eines CDU-Par tei -<br />

tags in Berlin auf das Podium, ohrfeigte<br />

den amtierenden deutschen<br />

Bun deskanzler Kurt Georg Kiesinger<br />

und rief „Nazi, Nazi“. Schon zuvor<br />

KULTUR • INLAND<br />

„Nicht aus Rache,<br />

sondern für Gerechtigkeit“<br />

hat te sie während Vorträgen und öf -<br />

fentlichen Aktionen auf die frühere<br />

nSDAP-mitgliedschaft Kiesingers<br />

hin gewiesen. An diesem Tag wurde<br />

sie sofort verhaftet und in einem<br />

Schnellverfahren zu einem Jahr Ge -<br />

fängnis verurteilt. Diese Strafe wurde<br />

1969 zu vier monaten auf Bewährung<br />

umgewandelt.<br />

Die möglichkeit einer Verhaftung<br />

und einer Gefängnisstrafe sei sowohl<br />

ihr <strong>als</strong> auch ihrem mann Serge Klars -<br />

feld im Vorfeld dieser Aktion durchaus<br />

bewusst gewesen, erzählt sie heu -<br />

te. Eine Aktion übrigens, die sie nicht<br />

nur geplant, sondern vor Studenten<br />

im Rah men eines Vortrags an einer<br />

Uni, angekündigt hatte. Warum aber<br />

dieser Aktionismus, warum das in -<br />

kauf neh men einer Verhaftung?<br />

Klarsfeld, 1939 <strong>als</strong> Beate Künzel in<br />

Ber lin geboren, ging 1960 <strong>als</strong> Au-pairmädchen<br />

nach Paris. 1963 heiratete sie<br />

Serge Klarsfeld, der Jude und dessen<br />

Vater in Auschwitz ermordet worden<br />

war. „Ich habe ihm in seinem Kampf ge -<br />

hol fen. Wir haben gemeinsam Dokumen -<br />

ta tionen verfasst, hatten viel Kenntnis,<br />

wir haben Broschüren veröffentlicht, Vor -<br />

träge gehalten, Dokumente aufgespürt.<br />

Wir haben aber gemerkt, dass das nichts<br />

bringt. Also stand die Entscheidung an:<br />

entweder wir hören auf – oder wir ändern<br />

die Mittel.“<br />

Sie entschieden sich für letzteres. „Wir<br />

haben gewusst, die Presse berichtet, wenn<br />

es einen Skandal gibt. Und dann ist sie<br />

auch verpflichtet, etwas über die Hin ter -<br />

gründe zu schreiben.“ mit der Ohr fei ge<br />

für Kiesinger kam Klarsfeld in die<br />

Schlagzeilen. Gleichzeitig wur de über<br />

die frühere nSDAP-Zuge hö rig keit<br />

des Bundeskanzlers berichtet. Das<br />

Ehe paar Klarsfeld hatte sein Ziel er -<br />

reicht.<br />

Wie schrecklich es im Gefängnis ge we -<br />

sen ist: das bekommt man von Klars -<br />

feld nicht zu hören. „Man weiß, warum<br />

man hineingeht. Man weiß, dass man das<br />

riskiert. Man ist stolz, wenn man da durch<br />

etwas erreicht.“´<br />

1968: da war allerdings auch schon ihr<br />

Sohn Arno auf der Welt (geb. 1965).<br />

ihre Tochter Lida-myriam wurde 1973<br />

geboren. Wie geht das zusammen,<br />

trotz der Verantwortung für ein kleines<br />

Kind, eine Haftstrafe zu riskieren?<br />

„Ich hatte eine wunderbare Schwieger -<br />

mut ter“, erzählt Klarsfeld. „Sie hat<br />

ihren Mann im KZ verloren. Sie hat uns<br />

sehr geholfen, hat sich um die Kinder ge -<br />

kümmert. Sie war eine große Stütze.“<br />

Die Kinder seien in das Engagement<br />

der Eltern aber schon sehr früh involviert<br />

worden. Arno war bei Wahl -<br />

kämp fen dabei, später hat er sich<br />

selbst in Frankreich gegen den rechts -<br />

ex tremen Politiker Jean-maria Le Pen<br />

gestellt. Als er bei einem Auftritt des<br />

Rechtspopulisten eine T-Shirt mit der<br />

Aufschrift „Le Pen est nazi“ trug, wur -<br />

de er vom Leibwächter geschlagen,<br />

berichtet die mutter nicht ohne Stolz.<br />

Heute ist der Sohn Berater von Frank -<br />

reichs Premierminister François Fil lon.<br />

40 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Als dieses interview geführt wurde,<br />

Ende Januar, befand er sich gerade im<br />

Erdbeben-geschüttelten Haiti.<br />

Beate und Serge Klarsfeld haben durch<br />

ihre Beharrlichkeit einige nS-Ver bre -<br />

cher aufgespürt, darunter auch Klaus<br />

Barbie. 1972 hatten sie seinen Aufent -<br />

haltsort in Bolivien aufgedeckt. Barbie<br />

war für die Deportationen von Kin -<br />

dern aus dem maison d’izieu verantwortlich.<br />

Klarsfelds Engagement ist<br />

auch die Gründung der dortigen Ge -<br />

d enkstätte zu verdanken. „Ich habe<br />

Mütter kennen gelernt, die ihre Kinder in<br />

Izieu verloren haben. Ich habe viel Zeit<br />

mit diesen Müttern in Hotels ver bracht,<br />

gesehen, wie gezeichnet sie wa ren. Das<br />

haben sie nicht verdient.“<br />

Klarsfeld betont dabei, dass sie niem<strong>als</strong><br />

aus Rache gehandelt hat. „Es ist<br />

mehr ein Gefühl, dass es Gerechtigkeit<br />

geben muss.“<br />

in ihrer Arbeit hätten sie und ihr mann<br />

sich stets ergänzt, sagt sie, „er <strong>als</strong> französischer<br />

Jude, dessen Vater in Au schwitz<br />

gestorben ist, ich <strong>als</strong> Deutsche“. Eine<br />

große infrastruktur habe es nie gegeben.<br />

Dafür eine große Liebe zu israel.<br />

mit den Kindern, <strong>als</strong> sie noch klein wa -<br />

ren, hat sie stets einen monat im Jahr<br />

in einem Kibbuz in israel verbracht,<br />

ein mal auch einen Ulpan (Sprach kurs)<br />

absolviert, sie sind durch das Land<br />

gereist. Kennengelernt hat sie dabei<br />

auch die maßgeblichen Poli ti ker des<br />

Landes, allen voran Golda meir.<br />

Ein Übertritt zum Judentum ist für sie<br />

dennoch nie zur Diskussion ge stan -<br />

den. „Nein, ein Übertritt war für mich<br />

nie ein Thema. Das wollten die Is ra elis<br />

auch nicht, denn meine Arbeit wä re wertlos<br />

geworden, <strong>als</strong> Jüdin.“ Der Sohn, ob -<br />

gleich halachisch nicht jüdisch, fei er te<br />

aber in israel seine Bar mitzwa. Er ist<br />

auch israelischer Staatsbürger und war<br />

vor einigen Jahren „bei der israelischen<br />

border police“. Serge Klarsfeld hat die<br />

französische, die is ra elische und die<br />

rumänische Staats bürgerschaft.<br />

Das Kämpfen hat Klarsfeld über all<br />

die Jahre nicht verlernt. Zuletzt setzte<br />

sie sich gegen den Chef der Deut schen<br />

Bahn, Hartmut Mehdorn durch. in<br />

Frank reich war drei Jahre lang auf 18<br />

Bahnhöfen eine Wanderausstel lung zu<br />

sehen gewesen, die Bilder von zwischen<br />

1942 und 1944 deportierten jü -<br />

dischen Kindern zeigte. Sie fußte auf<br />

KULTUR • INLAND<br />

dem vom Ehepaar Klarsfeld herausgegebenen<br />

Gedenkbuch, in dem die<br />

namen von über 80.000 Opfern der<br />

Verfolgung von Juden in Frank reich<br />

während der nS-Zeit verzeichnet sind.<br />

Penibel machten sie sich hier auch auf<br />

die Suche nach Fotos von den deportierten<br />

Kindern. mehdorn lehnte eine<br />

ähnliche Schau in Deutschland ab, ar -<br />

gumentierte, das Thema sei zu ernst,<br />

<strong>als</strong> dass man sich „Brötchen kauend“<br />

am Bahnsteig da mit beschäftigen<br />

dür fe. „Mehdorn musste schließlich klein<br />

beigeben“, sagt Klarsfeld ganz nüchtern.<br />

„Nun ist die Ausstellung seit zwei<br />

Jahren zu sehen.“<br />

Kritik musste Klarsfeld aber auch von<br />

unerwarteter Seite einstecken: so fand<br />

es Simon Wiesenthal, selbst hinter nS-<br />

Kriegsverbrechern hinterher, „nicht<br />

wür dig, dass man einen Mann wie Kie -<br />

sin ger ohrfeigt“. „Er hatte einfach eine<br />

an de re Methode. Er hätte eine Pres se kon -<br />

fe renz einberufen.“ Wiesenthal habe<br />

grund sätz lich „anders gearbeitet <strong>als</strong><br />

wir“. „Wir sind dorthin gefahren, wo die -<br />

se Kriegs ver brecher waren. Er hat sich<br />

nicht vor Ort begeben.“<br />

Klarsfeld reiste etwa nach Chile und<br />

Pa raguay, um auf die dort vermuteten<br />

nS-Kriegsverbrecher Walter Rauff<br />

und Josef Mengele aufmerksam zu ma -<br />

chen. Den in Syrien lebenden Alois<br />

Brunner konnte sich nicht ausforschen,<br />

er wurde aber immerhin 2001<br />

in Abwesenheit zu lebenslanger Haft<br />

verurteilt. ihm wird die Ermordung<br />

von 130.000 Juden angelastet.<br />

Am Fall Brunner sehe man auch, „dass<br />

Österreich im Vergleich zu Deutschland<br />

sehr wenig getan hat“, so Klarsfeld. „Der<br />

Druck war hier einfach nicht stark ge -<br />

nug.“ Zu lange habe es geheißen, „wir<br />

waren nicht verantwortlich, wir wurden<br />

dazu gezwungen“. Doch auch in diese<br />

Wunde hat die Familie Klarsfeld ihre<br />

Finger gelegt: <strong>als</strong> es anlässlich des<br />

Papstbesuchs in den achtziger Jahren<br />

zu einem Zusammentreffen des<br />

Oberhaupts der katholischen Kirche<br />

mit dem damaligen Bundespräsident<br />

Kurt Waldheim kam, mieteten sie ein<br />

Hotelzimmer gegenüber des Ste phans -<br />

doms. Sohn Arno trug eine Uniform,<br />

die jener Waldheims im Zweiten<br />

Weltkrieg entsprach, jemand anders<br />

war <strong>als</strong> Papst verkleidet. Die Exe -<br />

kutive zeigte sich nicht amüsiert. Wie<br />

die Sache ausging? mit einer Verhaf -<br />

tung.<br />

Marko Feingold mit<br />

„Kurt-Schubert-Gedächt nis preis“<br />

ausgezeichnet<br />

Österreichs Kir che hat ei nen besonderen<br />

Auftrag zum Auf tre ten gegen An -<br />

tisemitismus und für den christlichjüdischen<br />

Dialog. Das war der Tenor<br />

bei der Verleihung des ersten „Kurt<br />

Schubert Gedächtnis prei ses für interreligiöse<br />

Verstän di gung“ an Hofrat<br />

Marko Feingold, den Präsident der is -<br />

ra elitischen Kultusge meinde Salz -<br />

burg, in Wien.<br />

Feingold, der heuer 97 Jahre alt wird,<br />

war Häftling in den Konzen tra ti ons -<br />

la gern Auschwitz, neuengamme, Da -<br />

chau und Buchenwald. nach Kriegs -<br />

ende engagierte er sich in der Hilfe für<br />

Kriegsflüchtlinge und beim Wieder -<br />

auf bau der jüdischen Gemeinde in<br />

Salzburg, wobei er sich besonders um<br />

die integration von Flüchtlingen aus<br />

Osteuropa bemühte. Als Zeitzeuge hat<br />

er vor unzähligen Schülern und Er -<br />

wachsenen gesprochen.<br />

Schon in den 1960er-Jahren begann<br />

sich Feingold für den christlich-jüdischen<br />

Dialog zu engagieren, wobei<br />

zuerst der Salzburger Stadtpfarrer<br />

Prä lat Franz Wesenauer sein katholischer<br />

Partner war. Seit 1977 ist er Prä -<br />

si dent der iKG-Salzburg.<br />

Der „Kurt Schubert Gedächtnispreis“<br />

wurde Feingold von der Vizepräsi den -<br />

tin der Österreichischen Aka de mie<br />

der Wissenschaften (ÖAW), Prof. Sig rid<br />

Jalkotzy-Deger, überreicht. An der Preis -<br />

verleihung nahmen auch Bi schof Egon<br />

Kapellari, der evangelische Altbischof<br />

Herwig Sturm, der Präsi dent des Ökumenischen<br />

Rats der Kir chen, Bi schofs -<br />

vikar Nicola Dura, der Präsi dent der<br />

islamischen Glau bens ge mein schaft<br />

Ös terreichs, Prof. Anas Schak feh, und<br />

der Gener<strong>als</strong>ekretär der israelitischen<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong>n, Rai mund Fasten -<br />

bau er, teil.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 41


Humor ist eine sehr ernste Sache: viele gescheite men -<br />

schen haben sich mit dem Humor höchst wissenschaftlich<br />

und sehr ernsthaft beschäftigt – was sicher auch gut ist.<br />

ich glaube aber, dass es völlig egal ist, ob man ein theoretisches<br />

Wissen zu diesem Thema hat oder nicht – wichtig<br />

ist die Einstellung! Und zwar die Einstellung zu den mit -<br />

menschen und die Einstellung zum eigenen Leben <strong>als</strong> so -<br />

zi alem Wesen.<br />

Humor haben heißt: ein kleines Augenzwinkern weil, ein<br />

Sich-nicht-Ernst-nehmen dort, ein liebevolles necken, ein<br />

Auf-den-Kopf-Stellen von bisherigen Realitäten.<br />

Humor heißt weiters: einschätzen zu lernen, wann man<br />

was wem sagen kann und wann man es besser sein lässt.<br />

Und das Wichtigste – wann und wie man loslassen soll.<br />

Das Lachen hat nur einen Nachteil<br />

– es kann einem die ganze schlechte Laune verderben!<br />

Witz <strong>als</strong> Konflikten Schmieröl:<br />

Manchmal kann man ziemlich „komplizierte“ Botschaf ten mit<br />

Humor ein bisschen mildern.<br />

Ein Vater muss eine komplizierte Operation machen lassen und<br />

er lässt diese von seinem Sohn, einem be kannten Chi rurgen,<br />

durchführen. Als man ihm schon die Narkose ver ab reicht, winkt<br />

er seinen Sohn näher heran und flüstert ihm zu: „Wenn mir während<br />

diese Ope ration etwas passiert, zieht die Mama zu dir um“...<br />

Humor ist jedoch die Gabe, niCHT bei jeder Gelegenheit<br />

einen Witz zu machen, sondern sich dem Gegenüber<br />

freundlich, wertschätzend, liebevoll zu verhalten und in<br />

die ses Verhalten „schräge“ Sichtweisen, überraschende<br />

Gedankengänge und liebevolles necken einzubauen.<br />

Die meisten, die sich an mich wenden (Beratung, Coa -<br />

ching, Seminare), kommen mit einer Bitte: Sie möchten<br />

mehr Lebensfreude finden. Der Wunsch nach ein bisschen<br />

mehr Energie, mehr Enthusiasmus, Glanz in den Au gen ...<br />

Und was tun viele von uns? Jammern und Klagen („Wie<br />

geht’s?“ - „Danke, ich kann nicht genug klagen!“)<br />

Wenn wir in die Opferrolle rutschen – hilft es? Wann ha ben<br />

wir zum letzten mal gelacht, von ganzem Herzen, ohne<br />

da ran zu denken, was die Leute sagen werden? Wann<br />

haben wir zuletzt das innere Kind in uns gefühlt?<br />

Ja, Humor ist nicht nur ein Gewürz, es ist ein Lebenselixier.<br />

KULTUR • INLAND<br />

Bitte diesen Artikel nicht lesen!<br />

Sie werden sicher verstehen, dass ich nun ziemlich enttäuscht von ihnen bin.<br />

Da Sie diese einfache Aufforderung offensichtlich nicht verstanden haben, wie<br />

soll ich dann erwarten, dass Sie meinen komplizierten Ausführungen zum<br />

Thema „Humor“ folgen können?<br />

Zunächst möchte ich mich aber vorstellen:<br />

mein name ist Jacob Klein, ich lebe abwechselnd<br />

in israel und in Österreich.<br />

ich bin ein international bekannter und erfahrener<br />

Jammerträner und gerichtlich beeideter Sachver -<br />

stän diger für Jammerlappen und beschäftige mich<br />

sehr viel mit dem Thema Humor – wie Sie ja an die -<br />

sem netten freundlichen Foto gleich sehen können!<br />

Ein Unternehmen der Wien Holding<br />

42 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770<br />

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fahrenen Jammerträner und ge richt lich<br />

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Ob man an ihn<br />

glaubt oder nicht<br />

Mira Magéns Familienroman<br />

„Die Zeit wird es zeigen“<br />

VON ANITA POLLAK<br />

© Nati Shohat/Flash90<br />

Ein endloser Sommer am Strand von<br />

Tel Aviv. Eine imbissbude. Espresso,<br />

Drinks, Eis am Stiel. Omeletts werden<br />

gebraten, Salat wird geschnitten. Wer<br />

je dort war, kann den Schauplatz ab ru -<br />

fen. Vorn das meer, hinten die Stadt,<br />

dazwischen der Strand. men schen,<br />

normale und verrückte, normal Verrück<br />

te.<br />

Genau hier, im grellen Sonnenlicht,<br />

lässt mira magén das Schicksal zu -<br />

schlagen. nein, das Wort Schicksal<br />

kommt gar nicht vor auf den 400 Sei -<br />

ten ihres Familienromans. immer ist<br />

es Gott und sein Walten, ob man an<br />

ihn glaubt oder nicht. Und ob man an<br />

ihn glaubt oder nicht, das ist hier im -<br />

mer wieder die Frage, die sie einander<br />

stellen, die Geschlagenen.<br />

Die dreizehnjährige Anna zum Bei -<br />

spiel. Eine Sekunde Sauerstoff hat ih -<br />

rem Gehirn gefehlt bei der Geburt.<br />

Un schuldig trägt sie an den Folgen,<br />

kann ihre Bewegungen nicht wirklich<br />

koordinieren, ihre Beine nicht ganz be -<br />

herrschen. Unschuldig wird sie selbst<br />

schuldig. Sie fährt Fahrrad, was sie ihr<br />

verboten ist, und ihr kleiner Bruder<br />

KULTUR • LITERATUR<br />

Tom fällt ihr in rasender Fahrt vom<br />

Ge päckträger. Eine schwere Schädel -<br />

verletzung, an deren Folgen er wiederum<br />

zu tragen haben wird. Und Anna<br />

an ihrem Geheimnis, an ihrer Schuld,<br />

die sie noch unsicherer, noch scheuer<br />

werden lässt. Die ganze Familie wird<br />

damit aus der Bahn geworfen, ihr<br />

ohnehin nicht leichtes Leben noch um<br />

einiges schwerer.<br />

Den Sommer über kommen Cheli und<br />

mike alljährlich aus ihrer Wohnung<br />

bei Jerusalem an den Strand, bewirtschaften<br />

da die kleine imbissbude und<br />

schlafen gleich neben der Küche in ei -<br />

ner Baracke mit ihren Kindern Anna<br />

und Tom. Tochter naomi, eine zwölfjährige<br />

Lolita, haben sie zur Tante in<br />

eine fromme Siedlung geschickt. ihre<br />

Schönheit scheint den Eltern zu ge -<br />

fähr lich an diesem Strand. Doch die<br />

Gefahren lauern eben anderswo.<br />

Die Tragödie einer kleinen Familie<br />

wird für mira magén Anlass für große<br />

Fragen. Fragen, die verschiedentlich<br />

die israelische Gesellschaft von heute<br />

be wegen und spalten. Und diese Grä -<br />

ben gehen quer durch die Familien.<br />

Cheli und mike sind ein lebenslustiges,<br />

leidenschaftliches, lieben des Paar.<br />

ihrer sehr offenen Ehen können gelegentliche<br />

Seitensprünge nichts anhaben.<br />

Und eine mehr oder minder la -<br />

ten te Erotik schwingt da in fast allen<br />

menschlichen Beziehungen mit. Anna,<br />

deren Körper dünn und unentwickelt<br />

ist, fühlt sich von Edisso, dem fünfzehnjährigen<br />

äthiopischen Helfer in<br />

der imbissbude, angezogen, mike darf<br />

der Versuchung in den drallen For -<br />

men einer Strandschönheit erliegen,<br />

dafür liegt Cheli gelegentlich in den<br />

tä towierten Armen eines Fischers. ih re<br />

Schwester Sara dagegen lebt ein religiöses<br />

Siedlerleben - für ihre sieben<br />

Kinder, ihren betenden mann, für Gott,<br />

Erez israel und die besetzten Gebiete.<br />

ihre achte Schwangerschaft betrachtet<br />

sie auch <strong>als</strong> eine militärische Ver pflich -<br />

tung der Gebärmutter. mit drei Kin -<br />

dern, wie sie Cheli hat, könne die Zu -<br />

kunft der nation nicht gesichert werden.<br />

Aber sogar Sara erreicht der Sex<br />

Appeal ihres Schwagers, der sich<br />

über die Frömmigkeit empört.<br />

„Wie seid ihr doch alle zu Gottes Ro bo -<br />

tern geworden, mit Gottes Hilfe, wenn<br />

Gott will, und alles Schlechte hat auch ein<br />

Gutes (…) all diese zweihundert Sprü -<br />

che. Ich bin Mike Chajat, ein einfacher<br />

Mensch, und ich frage dich. Sara, meine<br />

liebe Schwägerin, ist dir die Welt nicht<br />

manchmal zu eng? Willst du nicht manch -<br />

mal einfach schreien?“<br />

Und dann ist da quasi noch ein Ras -<br />

senproblem in Form des schwarzen<br />

Edisso, der den Laden zuweilen alleine<br />

schupft, während die Eltern sich<br />

am Spit<strong>als</strong>bett des bewusstlosen Tom<br />

ablösen. Edisso, den Gott geschickt<br />

hat, wie sogar der ungläubige mike<br />

zu geben muss, versorgt daheim auch<br />

noch seine eigenen kleinen Ge schwister,<br />

der Vater sitzt im Gefängnis. Eine<br />

äthiopische Familie im sozialen Abseits,<br />

die Underdogs der israelischen<br />

Gesellschaft.<br />

Es ist die Kunst mira magéns alle die -<br />

se Probleme anzuleuchten, die ganz<br />

verschiedenen milieus auszuleuchten,<br />

vom hellen Strandleben bis in die<br />

dunklen Gänge einer Reha-Klinik,<br />

alle diese menschen genauestens zu<br />

beobachten und liebevoll zu zeichnen,<br />

ohne zu richten. Ein biblisches Zitat<br />

aus Jeremia, der mit der Gerechtigkeit<br />

des Herrn rechtet, hat sie ihrem Ro -<br />

man <strong>als</strong> motto vorangestellt. Und wie<br />

bei Hiob steht diese Frage hinter und<br />

zwischen allen seinen Zeilen. „Die<br />

Zeit wird es zeigen“. Damit besteht<br />

noch Hoffnung. Und das ist mehr <strong>als</strong><br />

uns israelische Autoren in der letzten<br />

Zeit gönnten.<br />

Mira Magén<br />

„Die Zeit wird es zeigen“<br />

Aus dem Hebräischen<br />

von Mirjam Pressler.<br />

dtv premium<br />

ZUR AUTORin<br />

Mira Magén wurde Anfang der<br />

50er Jahre in ein orthodoxes milieu<br />

in Kfar Saba geboren. Sie studierte<br />

Psychologie, heiratete, bekam Kin -<br />

der und ergriff verschiedene Beru fe,<br />

u. a. Lehrerin und Kranken schwes -<br />

ter, bis sie Schriftstellerin wurde.<br />

Bereits ihr erster Roman „Klopf<br />

nicht an diese Wand“, war in israel,<br />

wo magén höchste Anerkennung<br />

genießt, ein Bestseller.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 43


©media wien PID<br />

Courage, Respekt und Toleranz: Als<br />

Historiker, die Anfang der 90er Jahre<br />

die Grundlagen vieler weiterer Res ti -<br />

tutionsverhandlungen schufen bzw.<br />

be förderten, hätten sich beide Wis sen -<br />

schaftler, so Kulturstadtrat Andreas<br />

mailath-Pokorny im Rathaus, „große<br />

Verdienste für Wien, aber auch für die<br />

Gesellschaft erworben.“<br />

HR Dr. Avshalom Hodik, langjähriger<br />

Ge ner<strong>als</strong>ekretär der israelitischen Kul -<br />

tusgemeinde, wurde für seine Ver -<br />

dien ste mit der Ehrenmedaille der<br />

Bun des hauptstadt Wien in Silber, HR<br />

Dr. Hu bert Steiner vom Österreichischen<br />

Staats archiv mit dem Silbernen Eh ren -<br />

zeichen für Verdienste um das Land<br />

Wien in Anwesenheit vieler Fest gäste<br />

geehrt.<br />

Hodik wie auch Steiner spielten An -<br />

fang der 90er Jahre, <strong>als</strong> die Aufarbei -<br />

tung der Akten der ehemaligen nS-<br />

Ver mögensverkehrsstelle von Steiner<br />

und seinem Team durchgeführt worden<br />

war (1993), eine wichtige Rolle für<br />

die Einleitung nachfolgender Restitu -<br />

tionsverfahren, wie auch dabei, die<br />

„lange Zeit übertünchter Brüche und Ver -<br />

werfungen“ (Pokorny) in Sachen Ös ter -<br />

reichs Stellung in der nS-Zeit offenzulegen.<br />

KULTUR • INLAND<br />

Hohe Ehrungen für Historiker<br />

Avshalom Hodik und Hubert Steiner<br />

„Es war keine leichte Zeit, auch nicht für<br />

die eigene Familie“, erinnerte sich Stei -<br />

ner in seiner Dankesrede, in der er mit<br />

einer Schweige mi nu te an die Be frei -<br />

ung des KZ Au schwitz durch die Rote<br />

Armee am 27. Januar 1945 er in nerte.<br />

nach der Waldheim-Af färe mit te der<br />

80er Jahre war es die Re gie rung Vra -<br />

nitzky -Pokorny arbeitete dam<strong>als</strong> im<br />

Kabinett des Bun des kanz lers-, wel che<br />

die „Opferrolle“ Österreichs hin ter -<br />

fragte und mit der Rück gabe ge raub ten<br />

jüdischen Pri vat ver mö gens, etwa je -<br />

ner Güter, die in der Kartause mau -<br />

erbach aufbewahrt wur den, be gann.<br />

Auch die Stadt Wien ha be, so Pokor -<br />

ny weiter, in den darauf folgenden<br />

Jah ren ihre historischen Bestände ge -<br />

sichtet: Von den rund 60.000 Ob jekten<br />

wurden bislang etwa 5.000 Objek te an<br />

Erben zurück gegeben. Einen Schluss -<br />

strich setzen wol le er nicht, so Po kor -<br />

ny, „die For schung müsse weiter gehen.“<br />

in Rich tung Hodik hob der Stadtrat<br />

hervor, dass dieser maßgeblich an der<br />

Wiederbelegung eines lebendigen,<br />

selbstbewussten jüdischen Lebens in<br />

Wien mitgewirkt habe. Ähnlich äußer -<br />

te sich auch Lorenz Mikoletzky, Leiter<br />

des Österreichischen Staatsarchives,<br />

der die Laudatio für Hodik hielt. „Vie -<br />

les sei hinter dem Vorhang geschehen“,<br />

erinnerte mikoletzky, der auch an das<br />

reiche wissenschaftliche Schaffen des<br />

Geehrten erinnerte, „welches sicherlich<br />

noch weitergehen werde.“<br />

Für „jenen kleinen Mann mit Schnurr -<br />

bart“ - diese Beschreibung über Hu -<br />

bert Steiner stammt von Ari Rath, der<br />

durch eine Verletzung die Laudatio<br />

nicht halten konnte - übernahm der<br />

Regisseur Herbert Gantschacher die<br />

Laudatio. in engagierten Worten, die<br />

an das Fortleben von Antisemitismus<br />

in der Gegenwart erinnerten, betonte<br />

Gantschacher das große Engagement<br />

des Historikers im Staatsarchiv, der<br />

„sachlich und präzise“ die Raubzüge<br />

an zehntausenden verfolgten jüdischen<br />

mitbürgern aufgearbeitet, und<br />

das Ergebnis 1993 unter dem Titel<br />

„Recht <strong>als</strong> Unrecht“ publiziert habe.<br />

Avshalom Hodik - Geboren <strong>als</strong> Fritz<br />

Peter Hodik am 2. April 1944 in Wien,<br />

studierte Hodik an der Universität Wien<br />

Geschichte und Judaistik, unter anderem<br />

auch bei Kurt Schubert. Das Studium<br />

schloss er 1972 mit einer Dissertation über<br />

die Geschichte der Mattersburger Ju den -<br />

ge meinde ab. Im Jahr 1982 wurde Hodik<br />

General se kre tär der <strong>Israelitische</strong>n Kultus -<br />

gemeinde (IKG). Eine enge Freundschaft<br />

zu Si mon Wiesenthal und sein Engage -<br />

ment für dessen „Bund jüdischer Ver folg -<br />

ter des Naziregimes“ führten dazu, dass<br />

sich Hodik für den Nachlass Wie sen th<strong>als</strong><br />

für die Forschung einsetzte bzw. für die<br />

Schaffung des „Wiener Wie sen thal In sti -<br />

tut für Holocaust-Stu dien“ eintrat. Im<br />

Früh jahr 2006 ging Hodik <strong>als</strong> General se -<br />

kretär der Kul tus gemeinde in Pension.<br />

Hubert Steiner - Steiner wurde am 28.<br />

Sep tember 1957 in Klagenfurt ge boren. In<br />

Graz studierte er Ge schich te, Alte Ge -<br />

schich te und Altertums kun de. Das Stu di -<br />

um beendete er mit einer Dis sertation über<br />

Klagenfurt im Ers ten Weltkrieg. Im Jahr<br />

1987 trat Stei ner in das Österreichische<br />

Staats ar chiv ein, wo er den Bestand „Fi -<br />

nanzen“ im Archiv der Republik betreut.<br />

Neben seiner Aufarbeitung der Akten der<br />

NS-Vermögensverkehrsstelle arbeitete<br />

Stei ner in den Jahren 1998 bis 2003 auch<br />

bei der Österreichischen Historiker kom -<br />

mis sion mit. Steiner ist Träger der Fried -<br />

rich-Torberg-Medaille der Israeliti schen<br />

Kul tusgemeinde (1999), wie auch des Gol -<br />

denen Ehrenzeichens für Verdienste um<br />

die Republik Österreich (2002).<br />

44 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


Überall & Nirgendwo<br />

P. Weinberger<br />

Zur Zeit sind die medien voll mit Berichten über 10 Jahre<br />

Schwarz-Orange-Blau (s.o.b. 1 ). Bilder werden gezeigt:<br />

vom Exkanzler Schüssel mit der Königskobra, pardon,<br />

Vizekanzlerin Riess-Passer; am Opernball tanzend, im<br />

Tiergarten Schönbrunn Kamele taufend. Vergessen sind<br />

die Donnerstagsdemonstrationen, die EU-Sanktionen, die<br />

im Grunde nur eine gewaltige „mir san mir“ Reaktion<br />

im inland hervorgerufen haben und im Ausland das Bild<br />

vom hässlichen Österreicher massiv verstärkten. Zur Er -<br />

innerung: zwischendurch hat es noch eine von der sich<br />

tragend fühlenden Partei durch vorzeitige Wahlen er -<br />

zwun gene Umschichtung der parlamentarischen mehr -<br />

heiten gegeben, s.o.b. stand plötzlich nur mehr für<br />

„schwarz ohne blau“. Allerdings mit Orange und mit<br />

freundlichen Grüßen von der Ersten Republik.<br />

Vielleicht, schon alleine, weil sich zurzeit so manche Tra -<br />

gende wieder zu Blau hingezogen fühlen, ist es in der Tat<br />

angebracht, an die großen Errungenschaften des s.o.b.<br />

Jahrzehnts zu erinnern, schließlich sind die Folgen im -<br />

mer noch spürbar. Die Universitäten wurden zum Bei spiel<br />

ausgegliedert und die nunmehr fälligen mieten an die<br />

BiG 2 <strong>als</strong> Erhöhung der Forschungsquote ausgegeben.<br />

Über dies wurde ihnen eine neoliberale „Leistungsbi lanz“<br />

aufgezwungen, die vor allem ein überdurchschnittliches<br />

Anwachsen an Verwaltungspersonal hervorgerufen hat,<br />

und <strong>als</strong> Leistungsbilanz kaum internationalen maß stä -<br />

ben gerecht wird. im Gegenteil, die letzte von der Times 3<br />

noch unter den besten 200 angeführte österreichische Uni -<br />

ver sität, nämlich die Universität Wien, (2009: Rang 132,<br />

2008: Rang 115) rutscht Jahr für Jahr weiter nach hinten,<br />

spätestens 2012 dürfte sie geschafft haben, nicht mehr un -<br />

ter den ersten 200 erwähnt zu werden. Aber dafür wurde<br />

der lang gehegte Wunsch nach Studiengebühren verwirklicht,<br />

die wiederum letztlich bloß zum Budgetlöcher Stop -<br />

fen verwendet wurden. Eine iT-geschniegelte, mit dem<br />

Geist von vor 1968 versehene mentalität beherrscht nun<br />

die Universitäten: aus der ehemaligen Ordinarienuni ver -<br />

sität ist über Umwege eine (neoliberale) Rektoren uni ver -<br />

si tät geworden.<br />

insbesondere Ausgliedern und Absiedeln stellte sich <strong>als</strong><br />

me dial gut verkaufbare masche dar. Staatliche insti tu ti -<br />

onen wurden in Privatbüros verfrachtet und die ur sprüng -<br />

lichen immobilien, vor allem im Ersten Bezirk, verkauft.<br />

nachträglich zeichnet sich ab, dass so mancher in den<br />

Transaktionen dazu ein Braunbär war, der nunmehr mit<br />

von Honig verschmierten Tatzen dasteht und geduldig<br />

auf eine Hausdurchsuchung warten muss. Die „Reform<br />

der Exekutive“ diente insbesondere einer österreichwei-<br />

KULTUR • INLAND<br />

s. o. b.<br />

ten Umfärbeaktion, genauso wie die „Reform“ der ÖBB,<br />

des Hauptverbandes der österreichischen Sozialver si -<br />

che rungsträger, die „Entpolitisie rung“ der ÖiAG, deren<br />

wirtschaftliches Verständnis am besten mit den glänzenden<br />

wirt schaft lichen Erfolgen der AUA dokumentierbar<br />

ist. Selbst in den kleinsten institutionen herrschte das<br />

Prinzip „Enrichez Vous“. in Seibersdorf zum Beispiel<br />

wurden ganze Abteilun gen mit couleurgerechten Leuten<br />

besetzt und großzügige Vorstandsverträge vergeben.<br />

Die vielleicht entscheidendste (leider vermutlich lang an -<br />

haltende) Veränderung hat sich im ontologischen Be reich<br />

des Landes, in der „österreichischen Seele“, ergeben. Eine<br />

gigantische, bis in die letzten Tage von s.o.b. kräftig ge -<br />

för derte („Eliteuniversität“) Verprovinziali sie rung hat das<br />

Land erfasst, dessen Sprache, Symbolik und Gestik nunmehr<br />

ungerührt an nazidiktion anstreifen4 , in dessen Par -<br />

lament einer der Präsidenten mehr <strong>als</strong> rechtes Gedan ken -<br />

gut amtlich pflegt, und in dem, wie das Beispiel Kärnten<br />

zeigt, das politische Prinzip von „mit voller Hose ist gut<br />

stinken“ fröhliche Urstände feiert. Soweit orange blau<br />

(s.o.b.).<br />

Und Positives hat es nicht gegeben? Zum Beispiel die Ent -<br />

schädigung von nS-Zwangsar bei tern? Die Restitutions -<br />

ver handlungen? Aber ja, denn zum Glück war der internationale<br />

Druck schon so groß geworden, dass ein „ich<br />

bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen“ nicht mehr<br />

toleriert wurde. Und <strong>als</strong> eine nach außen hin gerichtete<br />

Ablenkung waren längst fällige „Zugeständnisse“ allemal<br />

noch gut. Dass dahinter nicht nur Gutmenschen<br />

stan den und das Prinzip „aussitzen“ plötzlich nicht über<br />

Bord geworfen war, lässt das Beispiel der nach new York<br />

ausgewanderten Klimtschen goldenen Adele vermuten.<br />

Ohne latent hervorgekehrte provinzielle Bamstigkeit<br />

hät ten wahrscheinlich offene, freundschaftliche Ge sprä -<br />

che, zum rich tigen Zeitpunkt geführt, autochtone Schä -<br />

big keit von der Österreichischen Galerie im Belvedere<br />

ab gewendet. Sie, die Adele, hänge vermutlich immer noch<br />

dort. Als Zeitzeugin ehem<strong>als</strong> großbürgerlich jüdischer<br />

Werte. Stattdessen beherrscht in den lauten medien eine<br />

unerträglich gewordene Seitenblickegesellschaft mit<br />

seichten oder banalen (s.o.b.) Wortspen den die Öffentlichkeit.<br />

Eine allumfassende Fionisierung ist offenbar das<br />

bedeutendste Erbe nach Schwarz-Orange-Blau geworden.<br />

Unverschüsselt!<br />

1 Copyright: G. Traxler, Der Standard<br />

2 Bundesimmobiliengesellschaft<br />

3 Times Higher Education-QS World University Rankings 2009,<br />

TOP 200 WORLD UniVERSiTiES, 7. Oktober 2009<br />

4 Beispiel gewünscht? Hund mit Judenstern mit der Aufschrift<br />

„Böse“ <strong>als</strong> Protest gegen „Rassismus bei Hunden“, siehe<br />

Heute, 4. <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong><br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 45


JUDENTUM<br />

Adar 5770<br />

(15. <strong>Februar</strong> - 15. März <strong>2010</strong>)<br />

Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />

Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />

Der Monat Adar, der letzte Monat des religiösen Jahres, hat immer 29 Tage. In einem Schaltjahr wird<br />

ein zusätzlicher Monat Adar („Adar Rischon“) dem eigentlichen Monat Adar, der dann „Adar Scheni“ ge -<br />

nannt wird, vorgeschoben. Nächstes Jahr wird dies wieder der Fall sein. Der Schaltmonat wird „vorge -<br />

schoben“, das bedeutet, dass, wie wir in der Mischna lernen, alle Ereignisse, die sich normalerweise im<br />

Monat Adar jähren, in einem Schaltjahr erst im „Adar Scheni“ stattfinden (Mischna Megilla 1:4).<br />

1. Adar (15. <strong>Februar</strong>)<br />

• An diesem Tag vor 3323 Jahren, sechs Wochen<br />

vor dem Auszug der Kinder Jisraels aus Ägypten,<br />

brach die neunte der berühmten „Zehn Plagen“<br />

über Ägypten herein: Undurchdringliche Dunkel -<br />

heit.<br />

• Jahrzeit des bis heute massgebenden Hala -<br />

chis ten Rabbiner Schabsai HaKohen Katz, be kannt<br />

nach dem Akronym seines Werkes Sifsei Kohen<br />

- „SchaCh“, der vor ungefähr 347 Jahren starb.<br />

• Jahrzeit des berühmten Torah Kommentators<br />

Rabbi Awraham Ibn Esra (ca. 1089-1164)<br />

3. Adar (17. <strong>Februar</strong>)<br />

• Einweihung des Zweiten Jerusalemer Tempels<br />

(Beit HaMikdasch) vor 2525 Jahren, der unter der<br />

Aufsicht von Esra nach der Rückkehr aus dem<br />

Babylonischen Exil nach vier jähriger Bauzeit<br />

fertiggestellt worden war.<br />

4. Adar (18. <strong>Februar</strong>)<br />

• 14 Jahre nach seinem Tod, wurden die sterbli -<br />

chen Überreste, des in Geiselhaft in Wasser burg<br />

bei München bereits 1393 verstorbenen Rabbi Meir<br />

ben Boruch Rothenburg (Maharam von Ro then -<br />

burg) von dem Frankfurter Geschäftsmann Ale xan -<br />

der ben Schlomo Susskind Wimpen freigekauft<br />

und auf den jüdischen Friedhof von Worms überführt.<br />

König Rudolf I. hatte Rabbi Meir festnehmen<br />

lassen und viele Jahre auf der Festung En -<br />

sis heim im Elsass inhaftiert, um eine von ihm an -<br />

geführte drohende Auswanderungswelle der deut -<br />

schen Juden zu verhindern. Zu Lebzeiten hatte<br />

sich der berühmte deutsche Rabbiner vehement<br />

ge weigert den mehrfach angebotenen Lösegeld -<br />

zah lungen durch seine Schüler zuzustimmen, um<br />

zu verhindern, dass dadurch ein Präzedenzfall<br />

ent sehe und die häufigere Geiselnahme von Rab -<br />

binern mit anschliessenden Lösegeldforde run -<br />

gen folgen würden. Alexander Wimpen starb noch<br />

im selben Jahr und wurde direkt neben Rabbi Meir<br />

begraben; beide Gräber sind bis heute erhalten.<br />

7. Adar (21. <strong>Februar</strong>)<br />

• Geburt von Mosche Rabbenu vor 3403 Jahren,<br />

und ebenfalls sein Todestag 120 Jahre später<br />

11. Adar (25. <strong>Februar</strong>)<br />

• Ta‘anis Esther - der Fasttag von Esther, der normalerweise<br />

am 13. Adar begangen wird. Wenn der<br />

13. Adar jedoch wie dieses Jahr auf Schabbat fällt,<br />

an dem wir nicht fasten dürfen, wird er auf den<br />

vor hergehenden Donnerstag vorverlegt. Auf welchen<br />

Tag auch immer dieser Fasttag fällt, um die<br />

Bedürftigen zu unterstützen, gibt man an vor Pu -<br />

rim ausserdem noch spezielle Zedakka (Spen -<br />

den), die in jeder Synagoge gesammelt werden:<br />

Spenden für die Armen der eigenen Stadt sowie<br />

Spenden für Bedürftige in Jerusalem.<br />

13. Adar (27. <strong>Februar</strong>)<br />

• Sieg über Haman‘s 10 Söhne und deren Mit -<br />

ver schwörer vor 2532 Jahren und dem glückli chen<br />

Scheitern des von ihm selbst geplanten Holo caust.<br />

Von diesen 11 Monate dauernden, dramatischen<br />

Ereignissen erzählt uns die Megillat Esther - das<br />

Buch Esther - deren öffentliche Vorlesung in un -<br />

se ren Synagogen wir jedes Jahr an Purim zweimal<br />

anhören: dieses Jahr am Abend des 27.02. nach<br />

dem Abendgebet und am 28.o2. nach dem Mor -<br />

gen gebet.<br />

• Jahrzeit des berühmten Rabbiners Mosche Fein -<br />

stein vor 24 Jahren.<br />

14. Adar (28. <strong>Februar</strong>)<br />

• Purim. Der ganze Tag von Purim ist dem ausgelassenen<br />

Feiern des Scheiterns der Ver schwö -<br />

rung von Haman gewidmet, der geplant hatte das<br />

Jüdische Volk zu vernichten. Nach der am Mor gen<br />

stattfindenden zweiten Lesung der Me gillat Est her,<br />

beschenken wir uns mit kleinen „Es senspaketen“<br />

den sogenannten Mischloach Ma not. Es war die<br />

Solidarität und der Zusammen halt unserer Vor -<br />

fahren, der Hamans Verschwörung scheitern liess<br />

und den Fortbestand des Jüdi schen Volkes sicherte.<br />

Dies nicht zu vergessen, und die leider nicht<br />

immer eindeutig zu erkennende jüdi sche Ein -<br />

tracht und Verbundenheit in unser Be wuss tsein<br />

zu rufen und aufzufrischen, etablierten Morde chai<br />

und Esther, mit der expressiven Zu stim mung un -<br />

serer Weisen, diesen Brauch des gegenseitigen<br />

Be schenkens. Jeder Jude ist seither verpflichtet,<br />

seinen jeweiligen finanziellen Mög lichkeiten entsprechend,<br />

mindestens einem an deren Juden ein<br />

Essenspaket zu schicken, das zwei verschiedene,<br />

gekochte, essfertige Speisen enthält (oder eine<br />

Speise und ein Getränk), die bei der am Nach mit -<br />

tag folgenden Purim Seuda (Fest mahl zeit) ge -<br />

ges sen werden können. Sowohl Männer <strong>als</strong> auch<br />

Frauen sollen diese Mitzwa er fül len. Selbst wenn<br />

man, wie es sich - zur Freude der kleinen und<br />

großen Kinder - mittlerweile eingebürgert hat,<br />

eine Vielzahl von Päckchen verschenkt, die vor<br />

allem Süssigkeiten enthalten, sollte doch jeder<br />

da rauf achten zusätzlich mindestens ein „richtiges“<br />

Mischloach Manot zu verschenken: (1) es<br />

muss am Purimtag selbst zu ge stellt werden (entweder<br />

direkt oder durch ei nen Dritten), (2) es muss<br />

ausreichend Speisen oder Getränke enthalten, die<br />

für die Purim Seu da (Fest mahlzeit) geeignet sind,<br />

(3) der Empfänger muss ein erwachsener Jude<br />

sein (d. h. mindestens Bar- oder Bat-Mitzwa).<br />

15. Adar (01. März)<br />

• An diesem Tag, einen Tag später <strong>als</strong> in allen an -<br />

deren Städten, wurde der glückliche Ausgang der<br />

Purimgeschichte in der persischen Haupt stadt<br />

Schuschan gefeiert. Bis heute wird daher in jeder<br />

alten Stadt, die bereits zu jener Zeit eine Stadt -<br />

mau er hatte, so in Jerusalem, Purim erst am 15.<br />

Adar, dem sogenannten Schuschan Purim gefei ert.<br />

23. Adar (9. März)<br />

• Jahrzeit von Rabbiner Jitzchok Meir Alter, dem Au -<br />

tor von Chiduschei HaRim, dem 1. Gerer Rebbe,<br />

dem Großvater des „Sfas Emmes“, vor 144 Jahren.<br />

Schailos &Tschuwos<br />

ausgewählte halachische<br />

Fragen, beantwortet<br />

von Gemeinderabbiner<br />

Schlomo Hofmeister<br />

AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />

Die besten Fragen ... zu Purim<br />

FRAGE:<br />

Wenn es technisch möglich wird, mit<br />

Hilfe von Molekularmaschinen Schwei ne -<br />

fleisch synthetisch, Atom für Atom, nach -<br />

zubauen, und es gäbe zwischen solchem<br />

künstlichen und dem echten Schweine -<br />

fleisch keinen Unterschied mit der Aus -<br />

nahme dass das von den Molekular ma -<br />

schinen aufgebaute Fleischstück nie Kon -<br />

takt mit einem echten Schwein hatte, wäre<br />

so ein Stück Schweinefleisch, das wie de -<br />

rum doch kein Schweinefleisch ist, ko scher?<br />

AnTWORT:<br />

Sehr geehrter Herr XXXXXX,<br />

bezüglich ihrer Anfrage, mit dem<br />

Vorbehalt jedoch, dass ich die näheren<br />

technischen Details einer derartigen<br />

„Fleischproduktion“ nicht kenne,<br />

würde ich das Folgende sagen: Wenn<br />

das so synthetisch hergestellte Fleisch<br />

tatsächlich kein Schweinefleisch enthält,<br />

und auch keinerlei Schweine -<br />

fleisch <strong>als</strong> Ausgangsprodukt (nicht<br />

einmal in Form einer einzigen Zelle)<br />

verwendet wurde, wäre ein solches<br />

„Fleisch“ koscher, da es sich halachisch<br />

gesehen nicht um Fleisch handelt,<br />

sondern um ein synthetisches<br />

material und somit koscher parwe<br />

(we der fleischig noch milchig) wäre;<br />

ähnlich, wenn auch anders, dass aus<br />

Chemikalien hergestellte milcher -<br />

satz produkte, selbst wenn sie aussehen<br />

und schmecken wie milch, in der<br />

Halachah nicht den Status von milch<br />

haben.<br />

FRAGE:<br />

Ich hätte folgende Fragen bezüglich<br />

Moshiach:<br />

1) Rambam schreibt, dass Moshiach ein<br />

Abkömmling der Davidlinie sein wird.<br />

Aber ist es nicht möglich, dass diese Ver -<br />

wandschaft nur symbolisch gemeint ist<br />

und Moshiach nur ein Nachfolger Da -<br />

46 <strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770


vids ist, weil er ähnliche Taten vollbringen<br />

wird? Wie etwa ein Kampf gegen Go -<br />

liath.<br />

2) Gibt es irgendwelche Quellen, die<br />

be sagen, dass er aus Österreich kommt?<br />

Antwort:<br />

Sehr geehrter Herr XXXXXXXX,<br />

Wenngleich uns heute mehrere zeitgenössische<br />

Familien bekannt sind,<br />

die in direkter Linie von König David<br />

abstammen, kann es durchaus sein,<br />

dass moschiach aus einer anderen<br />

Familie stammt, deren Genealogie<br />

uns nicht bekannt war. in jedem Fall<br />

wird moschiach ein direkter, patrilinearer<br />

nachkomme von König David<br />

sein.<br />

Das Jüdische Volk befindet sich seit<br />

beinahe 2000 Jahren im Exil, verstreut<br />

auf der ganzen Welt, und auch die<br />

nachkommen von König David sind<br />

unter uns. moschiach könnte <strong>als</strong>o<br />

theoretisch aus jedem Land dieser<br />

Welt stammen, Österreich eingeschlossen,<br />

es gibt aber in unseren<br />

Quellen keine genauen Hinweise<br />

darüber woher er letztendlich kommen<br />

wird - alles ist möglich.<br />

JUDENTUM<br />

Ein Amerikanisches Ehepaar, auf ihrer Reise durch israel, besuchen ein<br />

Konzert der israelischen Phil harmoniker im mann Auditorium in Tel Aviv.<br />

Beeindruckt von der besonderen, einzigartigen Archi tek tur fragen sie den<br />

Platzanweiser:<br />

„ist diese Halle nach Thomas mann, dem weltberühmten deutschen<br />

Schrift steller benannt?“<br />

„nein, das Auditorium ist benannt nach Fredrick mann aus Phila del phia.“<br />

„Wirklich? ich habe noch nie von ihm gehört, er muss ein sehr be schei -<br />

dener mensch sein. Was hat er geschrieben?“<br />

„Einen Cheque.“<br />

J<br />

IKG-Spendenkonto -<br />

„Hilfe für Haiti“<br />

BAWAG, BLZ 14000 -<br />

Konto Nummer 0<strong>2010</strong> 724000<br />

IBAN AT 7714000 0<strong>2010</strong> 724000 - BIC BAWAATWW<br />

Die IKG-Spenden ergehen über „Nachbar in Not - Erdbeben Haiti“<br />

für direkte Hilfeleistungen ins Krisengebiet .<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2010</strong> -Schwat/Adar 5770 47


Spenden & Schenken<br />

<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />

Mischloach-Manot-Markt<br />

Gestalten sie ihren individuellen Geschenkkorb...<br />

obst - Weine - naschereien - Pflanzen - schnickschnack<br />

Verpackungs- und Zustell-service<br />

... und genießen sie ein kaltes all-you-can-eat-Buffet<br />

von „alef-alef“ für €10.- Euro in unserem<br />

PuriM-café<br />

Bis 23. februar sind auch Bestellungen für fertige Geschenkpackerln<br />

zu €15.-,€25.-, oder € 40.- möglich:<br />

per fax +43 1/53104-279 oder unter fundraising@ikg-wien.at<br />

telefonische anfragen: 0676/844 512 601<br />

EinZahlunG:ktonr. 0<strong>2010</strong>724000 - BlZ 14000 • kennwort „Mischloach Manot“<br />

Der reinerlös dient der unterstützung bedürftiger familien mit kindern

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