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Skript zur Topologie 1 - M10

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TOPOLOGIE I<br />

BERNHARD HANKE<br />

1. Einleitende Bemerkungen<br />

Hauptgegenstand dieser Vorlesung ist die sogannte algebraische <strong>Topologie</strong>.<br />

Sie entwickelt systematische Methoden, um folgende Fragen zu beantworten:<br />

Es seien X und Y topologische Räume. Sind X und Y homöomorph?<br />

Sind X und Y homotopieäquivalent? Zur Erinnerung:<br />

Definition.<br />

• Ein stetige Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, falls<br />

es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f ◦ g = idY und<br />

g ◦ f = idX. Die Räume X und Y heißen homöomorph, falls es einen<br />

Homöomorphismus X → Y gibt. Wir schreiben dann X ≈ Y .<br />

• Sind f, g : X → Y stetige Abbildungen, so nennen wir f und g<br />

homotop, falls es eine stetige Abbildung H : X × [0, 1] → Y gibt mit<br />

H(x, 0) = f(x) und H(x, 1) = g(x) für alle x ∈ X (dies bedeutet<br />

anschaulich, dass wir f in g deformieren können; die Punkte in [0, 1]<br />

fassen wir dabei als Zeitparameter auf). In diesem Fall schreiben wir<br />

f � g.<br />

• Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt Homotopieäquivalenz, falls<br />

es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f ◦g � idY und g ◦f �<br />

idX. Die Räume X und Y heißen homotopieäquivalent (oder vom<br />

gleichen Homotopietyp), falls es eine Homotopieäquivalenz X → Y<br />

gibt. Wir schreiben dann X � Y . Ein Raum heißt zusammenziehbar,<br />

falls er homotopieäquivalent zum einpunktigen Raum ist.<br />

Homotopie definiert eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller stetigen<br />

Abbildungen X → Y und Homöomorphismus und Homotopieäquivalenz<br />

Äquivalenzrelationen auf der Klasse aller topologischen Räume. Homöomorphe<br />

Räume sind homotopieäquivalent, aber die Umkehrung gilt in der Regel<br />

nicht: Die Räume R n sind alle zusammenziehbar, aber (falls n > 0) sicher<br />

nicht homöomorph zum einpunktigen Raum.<br />

Im allgemeinen stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Sind X und Y<br />

tatsächlich homöomorph oder homotopieäquivalent, so kann man dies nachweisen,<br />

indem man einen Homöomorphismus oder eine Homotopieäquivalenz<br />

explizit konstruiert. Und dies ist in vielen Fällen tatsächlich möglich. Sind<br />

aber X und Y nicht homöomorph oder homotopieäquivalent, so muss man<br />

sich einen Grund einfallen lassen, warum es keine einzige stetige Abbildung<br />

1


2 BERNHARD HANKE<br />

X → Y mit den gewünschten Eigenschaften geben kann. Die Konstruktion<br />

von stetigen Abbildungen X → Y hilft hier aber nicht weiter. Wir zitieren:<br />

Satz 1.1. Die 2-Sphäre S 2 und der 2-Torus T 2 = S 1 × S 1 (“Fahrradschlauch”)<br />

sind nicht homotopieäquivalent. Die Räume R n und R m sind<br />

genau dann homöomorph, falls n = m.<br />

Die zweite Aussage wurde erst im Jahre 1910 mathematisch lückenlos<br />

bewiesen - sie wird mit den Methoden dieser Vorlesung aber leicht zu zeigen<br />

sein.<br />

Die Idee der algebraischen <strong>Topologie</strong> ist die folgende: Konstruiere für jeden<br />

topologischen Raum X (eventuell mit gewissen Zusatzeigenschaften)<br />

ein diskretes Objekt F (X). Dies kann eine Menge sein oder eine Gruppe<br />

oder ein komplizierteres algebraisches Objekt wie z. B. ein Ring. Die<br />

Konstruktion sollte funktoriell sein, d.h. ist f : X → Y eine stetige Abbildung,<br />

so erhalten wir eine induzierte Abbildung F (f) : F (X) → F (Y ),<br />

die die algebraischen Strukturen von F (X) und F (Y ) respektiert. Weiterhin<br />

sollte für stetige Abbildungen f : X → Y , g : Y → Z die Kompositionsregel<br />

F (g ◦ f) = F (g) ◦ F (f) gelten und F (idX) = id F (X). Angenommen,<br />

f : X → Y ist ein Homöomorphismus. Es sei g : Y → X invers<br />

zu f. Haben wir eine Zuordnung F wie oben gefunden, dann folgt,<br />

dass F (f) : F (X) → F (Y ) und F (g) : F (Y ) → F (X) zueinander inverse<br />

Abbildungen sind, die die jeweiligen algebraischen Strukturen respektieren,<br />

d.h. F (X) und F (Y ) sind isomorph (als Gruppe, o.ä.). Wenn wir weiterhin<br />

annehmen, dass wir F (X) für viele Räume X berechnen können, dann<br />

können wir hoffen, dass sich bei dieser Berechnung herausstellt, dass F (X)<br />

und F (Y ) nicht isomorph sind (als Gruppen o.ä.). Für algebraische Objekte<br />

kann man dies sehr oft direkt zeigen (z.B. sind zwei Vektorräume genau<br />

dann isomorph, wenn sie die gleich Dimension haben). Sind aber F (X)<br />

und F (Y ) nicht isomorph, so können X und Y nicht homöomorph gewesen<br />

sein. Die algebraische <strong>Topologie</strong> realisiert diese Programm auf äußerst<br />

befriedigende Weise: Sie konstruiert Funktoren F der obigen Art von der<br />

Kategorie der topologischen Räume in algebraische Kategorien wie Gruppen,<br />

Vektorräume, etc. so dass die entsprechenden Objekte F (X) einerseits<br />

effektiv berechnet werden können, aber immer noch so viel Struktur von<br />

X widerspiegeln, dass man interessante Folgerungen über X ziehen kann.<br />

Die in der algebraischen <strong>Topologie</strong> konstruierten Funktoren F haben in der<br />

Regel die Eigenschaft, dass homotope Abbildungen f, g : X → Y die gleiche<br />

Abbildung F (f) = F (g) : F (X) → F (Y ) induzieren. In diesen Fällen<br />

folgt daraus, dass F (X) und F (Y ) nicht isomorph sind, dass X und Y nicht<br />

einmal homotopieäquivalent sein können.<br />

In dieser Vorlesung werden wir drei derartige Konstruktionen kennenlernen:<br />

• Homologiegruppen,<br />

• Homotopiegruppen,<br />

• Bordismusgruppen.


TOPOLOGIE I 3<br />

Die Homologiegruppen einzuführen wird zwar einige Zeit in Anspruch<br />

nehmen. Wenn sie einmal <strong>zur</strong> Verfügung stehen, ist der Umgang mit ihnen<br />

allerdings sehr bequem und viele schöne Sätze können wir mit ihrer Hilfe<br />

beweisen. Neben obigen Tatsachen, erwähne ich den Jordanschen Kurvensatz<br />

Satz 1.2. Es sei f : S n−1 → R n eine topologische Einbettung (d.h. f ist<br />

stetig und injektiv). Dann besteht R n \f(S n−1 ) aus genau zwei Komponenten,<br />

wobei genau eine beschränkt und eine unbeschränkt ist.<br />

Eine weitere wichtige Anwendung ist der Satz von Borsuk-Ulam:<br />

Satz 1.3. Es sei f : S n → R n eine stetige Abbildung. Dann existiert ein<br />

Punkt x ∈ S n mit f(x) = f(−x).<br />

Des weiteren werden wir eine wichtige Invariante, die Eulercharakteristik<br />

eines Simplizialkomplexes untersuchen und die Eulersche Polyederformel beweisen:<br />

Satz 1.4. In einem konvexen Polyeder im R 3 gilt für die Anzahl e der Ecken,<br />

k der Kanten und f der Flächen die Formel<br />

e − k + f = 2 .<br />

Das schöne an dieses Anwendungen ist, dass die Homologietheorie zwar<br />

für den Beweis eine entscheidende Rolle spielt, aber in den Sätzen selbst<br />

nicht vorkommt.<br />

Homologiegruppen kann man insbesondere für simpliziale Komplexe und<br />

sogenannten CW -Komplexe effektiv berechnen. Wir werden diese Klassen<br />

von Räumen ausführlich diskutieren. Während der Diskussion der Homologiegruppen<br />

werden wir parallel einige Grundlagen der homologischen Algebra<br />

entwickeln.<br />

Die Homotopiegruppen sind einfacher zu definieren als Homologiegruppen<br />

und in gewisse Hinsicht die grundlegenderen Invarianten. Allerdings sind sie<br />

viel schwerer zu berechnen als Homologiegruppen und zum Beispiel für keine<br />

der Sphären S n mit n ≥ 2 vollständig bekannt. Die Bordismusgruppen<br />

schlagen eine Brücke <strong>zur</strong> Differenzialtopologie, d.h. <strong>zur</strong> Untersuchung differenzierbarer<br />

Mannigfaltigkeiten. Diese liefern einerseits viel Beispielmaterial<br />

für die Anwendung der Homologietheorie, gestatten es aber andererseits<br />

auch, das interessante Wechselspiel von differentialtopologischen Methoden<br />

(insbesondere Transversalität) und Methoden aus der Homologie- und Homotopietheorie<br />

zu studieren.<br />

Heutzutage ist die algebraische <strong>Topologie</strong> eine hochentwickelte Theorie<br />

mit zahlreichen Bezügen <strong>zur</strong> Differentialgeomtrie, <strong>zur</strong> algebraischen Geometrie<br />

und <strong>zur</strong> Algebra.<br />

2. Simpliziale und singuläre Homologie<br />

Bevor wir Homologiegruppen für beliebige topologische Räume definieren,<br />

veranschaulichen wir zunächst die wesentliche Idee im speziellen Fall der


4 BERNHARD HANKE<br />

Simplizialkomplexe. Für die weitere Entwicklung der Theorie werden wir uns<br />

allerdings dann einen etwas anderen Zugang wählen. Später in der Vorlesung<br />

werden wir wieder auf die Simplizialkomplexe <strong>zur</strong>ückkommen.<br />

Es sei N ∈ N eine natürliche Zahl. Wir erinnern: Ein affines n-Simplex<br />

(oder auch n-dimensionales Simplex im RN (wobei 0 ≤ n ≤ N) ist die<br />

konvexe Hülle von n + 1 affin unabhängigen Punken p0, . . . , pn+1 ∈ RN .<br />

Affin unabhängig bedeutet, dass die Vektoren p1 − p0, . . . , pn − p0 linear<br />

unabhängig im RN sind. Diese konvexe Hülle kann mit der Menge<br />

{ �n i=0 tipi | 0 ≤ ti ≤ 1, � ti = 1} ⊂ RN identifiziert werden (wir können dies<br />

hier auch als Definition der konvexen Hülle nehmen). Wir nennen p0, . . . , pn<br />

die Ecken dieses affines Simplex. Die konvexe Hülle einer (nicht notwendig<br />

echten) Teilmenge von {p0, . . . , pn} heißt eine Seite des affinen n-Simplex.<br />

Diese Seiten sind selbst affine Simplizes. Ein endlicher geometrischer Simplizialkomplex<br />

im RN ist eine Menge S endlich vieler affiner Simplizes im<br />

RN mit den folgenden Eigenschaften:<br />

• Ist K ∈ S und T ⊂ K eine Seite von T , so ist T ∈ S.<br />

• Sind K1, K2 ∈ S, so ist K1 ∩ K2 eine Seite von K1 und von K2 oder<br />

leer.<br />

Die Vereinigung �<br />

K∈S K ⊂ RN wird der zu S gehörende Polyeder genannt<br />

und mit |S| bezeichnet. Der Simplizialkomplex S heißt Triangulierung von<br />

|S|. Eine feste Teilmenge des RN kann durchaus verschiedene Triangulierungen<br />

besitzen. Ein geordneter geometrischer Simplizialkomplex im RN ist ein<br />

geometrischer Simplizialkomplex S zusammen mit einer totalen Ordnung<br />

auf der Menge aller Punkte im RN , die als Ecken von Simplizes in S auftreten.<br />

Ist K ∈ S ein Simplex in einem geordneten Simplizialkomplex mit<br />

Ecken v0, . . . , vn, so bezeichnen wir dieses Simplex mit 〈v0, . . . , vn〉 falls mit<br />

der induzierten Ordnung v0 < v1 < . . . < vk gilt. Es sei nun S ein geordneter<br />

geometrischer Simplizialkomplex. Eine simpliziale n-Kette in S ist eine<br />

formale Linearkombination<br />

�<br />

λσ · σ ,<br />

σ∈Sn<br />

wobei Sn ⊂ S die Menge der geordneten n-dimensionalen Simplizes bezeichnet<br />

und λσ ∈ Z für alle σ ∈ Sn. Wir bezeichnen mit Cn(S) die Menge der<br />

simplizialen n-Ketten. Diese Menge besitzt offensichtlich die Struktur einer<br />

abelschen Gruppe (durch Addition der Koeffizienten in Z). Eine n-Kette<br />

kann nicht direkt als geometrisches Objekt interpretiert werden (obwohl<br />

wir später sehen werden, dass dies in vielen Fällen doch möglich ist), die<br />

auftretenden Simplizes selbst sind aber geometrische Objekte und dies erlaubt<br />

es uns, gewisse geometrische Operationen auf diese formalen Ketten<br />

zu übertragen. Speziell geht es hier um den Übergang von einem n-Simplex<br />

auf seinen Rand. Dieser ist geometrisch gesehen einfach die Vereinigung seiner<br />

(n − 1)-dimensionalen Seiten. Diese Seiten müssen aber noch “richtig”<br />

orientiert werden: Ist 〈p0, . . . , pn〉 ∈ S ein (orientiertes) n-Simplex, so setzen


wir<br />

∂〈p0, . . . , pn〉 :=<br />

TOPOLOGIE I 5<br />

n�<br />

(−1) i 〈p0, . . . , ˆpi, . . . , pn〉<br />

i=0<br />

wobei der Hut bedeutet, dass die i-te Ecke in dem betreffenden Simplex<br />

weggelassen wird (es handelt sich also um die der entsprechenden Ecke gegenüberliegende<br />

(n−1)-dimensionale Seite). Auf der rechten Seite steht nun<br />

tatsächlich wieder eine formale Linearkombination von (geordneten) (n−1)-<br />

Simplizes. Durch lineare Fortsetzung erhalten wir einen Gruppenhomomorphismus<br />

∂n : Cn → Cn−1 .<br />

Einzelne Simplizes in S haben immer einen nichtleeren Rand (falls die Dimension<br />

mindestens 1 ist), aber es kann durchaus vorkommen, dass für eine<br />

Kette c ∈ Cn gilt ∂c = 0. So eine Kette entspricht dann einem “geschlossenen”<br />

(d.h. randlosen) geometrischen Gebilde in S und wird n-Zykel genannt.<br />

Es sei<br />

Zn(S) := ker ∂n ⊂ Cn(S)<br />

die Gruppe der n-Zykeln (wir setzen ∂0 = 0, also Z0(S) = C0(S)). Homologie<br />

zählt nun in gewisser Weise n-Zykeln, aber gewisse n-Zykeln werden<br />

ignoriert, nämlich die n-Ränder. Dazu beachte man die fundamentale Gleichung<br />

Proposition 2.1. Für n ∈ N, n ≥ 1, gilt ∂n−1 ◦ ∂n = 0.<br />

Beweis. Nur die Fälle n ≥ 2 sind interessant. Wir rechnen<br />

∂n−1 ◦ ∂n〈v0, . . . , vn〉 = �<br />

ji<br />

(−1) i (−1) j 〈v0, . . . , ˆvj, . . . , ˆvi, . . . , vn〉 +<br />

(−1) i (−1) j−1 〈v0, . . . , ˆvi, . . . , ˆvj, . . . , vn〉 .<br />

Diese Summe ist 0, denn vertauscht man in der zweiten Summe i und j, so<br />

erhält man das Negative der ersten Summe. �<br />

Geometrisch entspricht dies der Aussage “Ränder von Rändern sind leer”.<br />

Bezeichen wir mit<br />

Bn(S) := im ∂n+1 ⊂ Cn(S)<br />

die Untergruppe der n-Ränder, so ist also Bn(S) in Wirklichkeit schon Untergruppe<br />

von Zn(S). Die n-Zykel, die einfach nur n-Ränder sind, werden nun<br />

in der Homologie nicht gezählt (sondern in gewisser Weise nur die “wesentlichen”<br />

n-Zykel). Die n-te Homologiegruppe Hn(S) des gegebenen geordneten<br />

Simplizialkomplexes ist somit definiert als die Quotientengruppe<br />

Hn(S) := Zn(S)/Bn(S) .<br />

D.h. ein Element in Hn(S) wird durch einen n-Zykel c ∈ Zn(S) repräsentiert<br />

und zwei n-Zykel c, d ∈ Zn(S) repräsentierten die gleiche Homologieklasse,<br />

falls c − d ein Rand ist, d.h. falls es ein x ∈ Cn+1(S) gibt mit ∂x = c − d.


6 BERNHARD HANKE<br />

Beispiel. Es seien p0 := (0, 0), p1 := (1, 0), p2 := (0, 1) ∈ R 2 mit der durch<br />

die Indizes angedeuteten totalen Ordnung. Weiterhin sei<br />

S := {〈p0〉, 〈p1〉, 〈p2〉, 〈p0, p1〉, 〈p1, p2〉, 〈p0, p2〉}<br />

Dann ist C0(S) ∼ = Z 3 mit Erzeugern a := 〈p0〉, b := 〈p1〉, c := 〈p2〉, C1(S) ∼ =<br />

Z 3 mit Erzeugern X := 〈p0, p1〉, Y := 〈p1, p2〉, Z := 〈p0, p2〉 und Ci(S) = 0<br />

für alle i > 1. Weiterhin ist<br />

∂X = b − a, ∂Y = c − b, ∂Z = c − a .<br />

Somit gilt H0(S) ∼ = Z mit Erzeuger [a] (die Eckigen Klammern deuten Übergang<br />

zu Restklassen an, insbesondere ist [a] = [b] = [c]) und H1(S) ∼ = Z mit<br />

Erzeuger [X + Y − Z], Hi = 0 für alle i > 1.<br />

Für n ∈ N, n ≥ 0, definieren wir das geometrische Standard-n-Simplex<br />

∆ n n�<br />

:= { tiei | 0 ≤ ti ≤ 1 , � ti = 1} ⊂ R n+1 .<br />

i=0<br />

Dabei bezeichnet ei ∈ R n+1 , 0 ≤ i ≤ n, den i-ten Standard-Basisvektor. Die<br />

Menge {e0, . . . , ei} ist in der offensichtlicher Weise total geordnet (durch die<br />

Indizes). Das Simplex ∆ n besitzt eine kanonische Triangulierung (gegeben<br />

als die Menge aller seiner Seiten).


TOPOLOGIE I 7<br />

Es ist etwas unhandlich, die Homologietheorie direkt an den geometrischen<br />

Simplizialkomplexen zu entwickeln (wir werden allerdings später auf<br />

diesen Spezialfall <strong>zur</strong>ückkommen). Der folgende Aufbau bietet mehr Flexibilität.<br />

Definition. Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist ein singuläres n-<br />

Simplex in X eine stetige Abbildung<br />

σ : ∆ n → X .<br />

Wir bezeichnen mit ∆n(X) die Menge der singulären n-Simplizes in X und<br />

mit Cn(X) die freie abelsche Gruppe über ∆n(X), d.h. Elemente von Cn(X)<br />

sind formale Linearkombinationen<br />

�<br />

λσ · σ ,<br />

σ∈∆n(X)<br />

wobei alle λσ ∈ Z und λσ = 0 für alle bis auf endlich viele σ ∈ ∆n(X). Die<br />

Elemente von Cn(X) werden singuläre n-Ketten in X genannt.<br />

Wir definieren für n ≥ 1 den Randoperator<br />

∂n : Cn(X) → Cn−1(X)<br />

auf den singulären n-Simplizes von X durch<br />

n�<br />

∂nσ :=<br />

(−1) i σ| 〈e0,...,êi,...,en〉 .<br />

i=0<br />

Dabei bezeichnet 〈e0, . . . , êi, . . . , en〉 die i-te Seite von ∆n . Diese idenfifizieren<br />

wir mit ∆n−1 vermittels des affinen Homöomorphismus<br />

∆ n−1 → 〈e0, . . . , êi, . . . , en〉<br />

der die j-te Ecke von ∆ n−1 auf ej ∈ R n+1 abbildet, falls j < i und auf ej+1,<br />

falls j ≥ i. Damit ist ∂σ in der Tat eine singuläre (n − 1)-Kette in X. Zur<br />

Bequemlichkeit setzen wir noch ∂0 := 0. Wir erhalten für n ≥ 0<br />

Zn(X) := ker ∂n ⊂ Cn(X) ,<br />

die Gruppe der singulären n-Zykel in X und<br />

Bn(X) := im ∂n+1 ⊂ Cn(X) ,<br />

die Gruppe der singulären n-Ränder in X.<br />

Ganz analog zu vorhin zeigt man die fundamentale Gleichung<br />

∂n−1 ◦ ∂n = 0<br />

für n ≥ 1.<br />

Damit ist Bn(X) eine Untergruppe von Zn(X) für alle n ≥ 0 und wir<br />

können<br />

Hn(X) := Zn(X)/Bn(X)<br />

definieren. Dies ist die n-te singuläre Homologiegruppe von X. Diese Gruppen<br />

sind der zentrale Gegenstand im ersten Teil dieser Vorlesung. Es wird


8 BERNHARD HANKE<br />

sich zeigen, dass sie sich relativ einfach berechnen lassen und andererseits<br />

wichtige Eigenschaften des topologischen Raumes X widerspiegeln.<br />

Bevor wir fortfahren, abstrahieren wir noch die bisher eingeführte Struktur.<br />

Definition. Ein Kettenkomplex ist eine Paar (C∗, ∂∗) = ((Cn)n∈N, (∂n)n∈N)<br />

bestehend aus Familien von abelschen Gruppen Cn und Gruppenhomomorphismen<br />

∂n : Cn → Cn−1 (wir setzen C−1 := 0, d.h. ∂0 = 0) mit der<br />

Eigenschaft, dass ∂n−1 ◦ ∂n = 0 für alle n ≥ 1. Wir setzen Zn(C∗) := ker ∂n<br />

(Gruppe der n-Zykeln), Bn(C∗) := im ∂n+1, (Gruppe der n-Ränder) und<br />

Hn(C∗) := Zn(C∗)/Bn(C∗) (n-te Homologiegruppe von (C∗, ∂∗)) für n ≥ 0.<br />

Der singuläre Kettenkomplex (C∗(X), ∂∗) eines topologischen Raumes X<br />

ist ein Beispiel für einen Kettenkomplex.<br />

Wir bemerken, dass die singulären Homologiegruppen funktoriell in X<br />

sind. Sei dazu f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen<br />

Räumen. Ist σ : ∆ n → X ein singuläres n-Simplex in X, so ist f ◦ σ :<br />

∆ n → Y ein singuläres n-Simplex in Y . Damit erhalten wir Abbildungen<br />

von abelschen Gruppen<br />

fn : Cn(X) → Cn(Y ) .<br />

Diese sind mit den Randoperatoren ∂n verträglich, d.h. für alle n ≥ 0 ist<br />

fn ◦ ∂n+1 = ∂n+1 ◦ fn+1 .<br />

Insbesondere gilt also fn(Zn(X)) ⊂ Zn(Y ) und fn(Bn(X)) ⊂ Bn(Y ) und<br />

wir erhalten induzierte Abbildungen<br />

Hn(f) : Hn(X) → Hn(Y )<br />

für alle n ≥ 0. Da offensichtlich Hn(idX) = id Hn(X) für alle n und<br />

Hn(f ◦ g) = Hn(f) ◦ Hn(g) für g : X → Y und f : Y → Z, definieren<br />

die Homologiegruppen Hn also Funktoren Top → AbGr von der Kategorie<br />

der topologischen Räume in die Kategorie der abelschen Gruppen. Als<br />

unmittelbare Folgerung notieren wir:<br />

Proposition 2.2. Homöomorphe Räume haben isomorphe singuläre Homologiegruppen.


TOPOLOGIE I 9<br />

Definition. Es seien (C∗, ∂∗) und (D∗, ∂∗) Kettenkomplexe. Eine Kettenabbildung<br />

f∗ : C∗ → D∗ ist eine Folge fn : Cn → Dn von Gruppenhomomorphismen,<br />

die mit den Randoperatoren verträglich sind, d.h. fn ◦ ∂n+1 =<br />

∂n+1◦fn+1. Wir erhalten somit induzierte Abbildungen f∗ : Z∗(C) → Z∗(D),<br />

f∗ : B∗(C) → B∗(D) und f∗ : H∗(C) → H∗(D) (die wir alle mit f∗ bezeichnen).<br />

Ein Kettenisomorphismus ist eine Kettenabbildung, die eine inverse<br />

Kettenabbildung besitzt<br />

Wir erinnern: Ist (Ai)i∈I eine Familie (abelscher) Gruppen, so ist die<br />

direkte Summe �<br />

i∈I Ai die Menge der Familien (ai)i∈I, ai ∈ Ai, wobei alle<br />

bis auf endlich viele ai gleich 0 sind, versehen mit der komponentenweisen<br />

Verknüpfung.<br />

Proposition 2.3. Es sei X ein topologischer Raum und π0(X) die Menge<br />

der Wegekomponenten von X. Dann induzieren die Inklusionen C ↩→ X<br />

(für alle C ∈ π0(X)) einen Isomorphismus<br />

�<br />

H∗(C) ∼ = H∗(X) .<br />

C∈π0(X)<br />

Dies liegt daran, das jede singuläre Kette in X kanonisch als Summe<br />

singulärer Ketten in den einzelnen Wegekomponenten geschrieben werden<br />

kann (jedes singuläre Simplex liegt ja ganz in einer Wegekomponente).<br />

Zusammen mit der folgenden Proposition können wir H0 für jeden topologischen<br />

Raum berechnen.<br />

Proposition 2.4. Es sei X ein wegzusammenhängender nichtleerer topologischer<br />

Raum. Dann ist<br />

H0(X) ∼ = Z<br />

und wir können als Erzeuger die Klasse eines beliebigen 0-Simplex ∆ 0 → X<br />

wählen.<br />

Beweis. Wir können jedes singuläre 0-Simplex in X einfach als Punkt in X<br />

auffassen. Da ∂0 = 0 ist also<br />

Z0(X) = { �<br />

λx · x | λx ∈ Z}<br />

x∈X<br />

wobei fast alle λx = 0. Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus<br />

ɛ : Z0(X) = C0(X) → Z , � λx · x ↦→ � λx ∈ Z .<br />

Wir behaupten, dass ɛ eine Abbildung<br />

ɛ : H0(X) = Z0(X)/B0(X) → Z<br />

induziert, d.h. dass ɛ| B0(X) = 0. Sei dazu σ : [0, 1] → X ein singuläres<br />

1-Simplex. Dann ist ɛ(∂σ) = ɛ(σ(1) − σ(0)) = 1 − 1 = 0, wie gewünscht.<br />

Zu zeigen bleibt, dass ɛ : H0(X) → Z ein Isomorphismus ist. Da X �= ∅,<br />

ist ɛ surjektiv. Für die Injektivität sei x0 ∈ X beliebig und für alle x ∈ X


10 BERNHARD HANKE<br />

sei wx : [0, 1] → X ein Weg von x0 nach x, den wir als singuläres 1-Simplex<br />

in X auffassen. Es sei nun<br />

c = � λx · x ∈ Z0(X)<br />

mit ɛ(c) = � λx = 0. Wir müssen zeigen, dass c homolog zu 0 ist. Aber<br />

ist homolog zu c und<br />

c − ∂( � λx · wx)<br />

c − ∂( � λxwx) = � λx · x0 = ( � λx) · x0 = 0<br />

wegen ɛ(c) = 0. �<br />

Wir beweisen nun:<br />

Satz 2.5. Es seien f, g : X → Y homotope Abbildungen. Dann gilt<br />

f∗ = g∗ : H∗(X) → H∗(Y ) .<br />

Korollar 2.6. Homotopieäquivalente Räume haben isomorphe Homologiegruppen.<br />

Als Vorbereitung führen wir ein neues Konzept ein.<br />

Definition. Es seien φ∗, ψ∗ : C∗ → D∗ Kettenabbildungen. Eine Kettenhomotopie<br />

von φ∗ nach ψ∗ ist eine Folge von Homomorphismen Pn : Cn →<br />

Dn+1 mit<br />

∂P + P ∂ = φ∗ − ψ∗ .<br />

Existiert so eine Kettenhomotopie, so nennen wir φ∗ und ψ∗ kettenhomotop.<br />

Man überprüft leicht:<br />

Proposition 2.7. Kettenhomotope Kettenabbildungen induzieren die gleichen<br />

Abbildungen zwischen Homologiegruppen.<br />

Beweis von Satz 2.5. Es sei<br />

H : X × [0, 1] → Y<br />

eine Homotopie von f nach g. Es seien 〈v0, . . . , vn〉 und 〈w0, . . . , wn〉 die<br />

Ober-, bzw. Unterseite des Produktes ∆n × [0, 1] ⊂ Rn+1 × R mit ihrer<br />

kanonischen Struktur als geordnete affine Simplizes (d.h. vi = (ei, 0)<br />

und wi = (ei, 1)). Für n ≥ 0 definieren wir nun den Prisma-Operator<br />

P : Cn(X) → Cn+1(Y ) durch<br />

P (σ) := �<br />

(−1) i (H ◦ (σ × id))| 〈v0,...,vi,wi,...,wn〉 ∈ Cn+1(Y )<br />

0≤i≤n<br />

für jedes singuläre n-Simplex σ : ∆ n → X. Man zeigt nun mit einer expliziten<br />

Rechnung (siehe Hatcher, S. 112), dass (als Abbildungen Cn(X) →<br />

Cn(Y ))<br />

∂ ◦ P = g∗ − f∗ − P ◦ ∂


TOPOLOGIE I 11<br />

mit anderen Worten, P : Cn(X) → Cn+1(Y ), n ≥ 0, ist eine Kettenhomotopie<br />

zwischen den Abbildungen f∗ : C∗(X) → C∗(Y ) und g∗ : C∗(X) →<br />

C∗(Y ). Daraus folgt mit der vorherigen Proposition die Behauptung. �


12 BERNHARD HANKE<br />

3. Relative Homologie und Ausschneidung<br />

Es sei X ein topologischer Raum und A ⊂ X eine Teilmenge (versehen mit<br />

der Unterraumtopologie). Wir sprechen in dieser Situation auch von einem<br />

Raumpaar. Dabei kann auch A = ∅ sein. Die Inklusion i : A ↩→ X induziert<br />

einen Kettenabbildung i : C∗(A) → C∗(X), die in jedem Grad injektiv ist.<br />

Insofern können wir C∗(A) als Unterkomplex von C∗(X) in folgendem Sinne<br />

auffassen.<br />

Definition. Es sei (C∗, ∂) ein Kettenkomplex. Ein Unterkomplex von C∗ ist<br />

eine Folge (Dn)n≥0 mit den folgenden Eigenschaften:<br />

• Dn ⊂ Cn ist eine Untergruppe ,<br />

• ∂(Dn) ⊂ Dn−1 für alle n ≥ 1.<br />

Insbesondere ist dann D∗ mit dem von C∗ induzierten Randoperator selbst<br />

ein Kettenkomplex.<br />

Ist C∗ ein Kettenkomplex und D∗ ⊂ C∗ ein Unterkomplex, so können wir<br />

den Quotientenkomplex C∗/D∗ definieren, indem wir<br />

(C∗/D∗)n := Cn/Dn<br />

setzen und beachten, dass der Randoperator ∂ von C∗ Abbildungen<br />

∂ C/D<br />

n<br />

: Cn/Dn → Cn−1/Dn−1<br />

induziert. Diese erfüllen offensichtlich ∂ C/D<br />

n−1<br />

setzen wie üblich wieder ∂ C/D<br />

0 = 0).<br />

◦ ∂C/D<br />

n<br />

= 0 für alle n ≥ 1 (wir<br />

Definition. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Der relative singuläre Kettenkomplex<br />

(C∗(X, A), ∂) ist definiert als der Quotientenkomplex C∗(X)/C∗(A). Die<br />

Homologiegruppen dieses Komplexes sind die relativen singulären Homologiegruppen<br />

von (X, A) und werden mit Hn(X, A) bezeichnet.<br />

Ist A = ∅ können wir Hn(X, A) und Hn(X) kanonisch identifizieren. Homologieklassen<br />

in Hn(X, A) werden durch singuläre Ketten in X repräsentiert,<br />

deren Rand ganz in A liegt und zwei solche Ketten sind homolog in<br />

(X, A), wenn man nach Addition einer geeigneten Kette in A zu ihrer Differenz<br />

einen Rand in X erhält.<br />

Wir können die Kategorie T op(2) betrachten, deren Objekte die Paare<br />

topologischer Räume und deren Morphismen (X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen<br />

f : X → Y mit f(A) ⊂ B sind (diese Eigenschaft bleibt bei<br />

Komposition zweier Abbildungen erhalten). Die relativen Homologiegruppen<br />

definieren für n ≥ 0 Funktoren<br />

Hn : T op(2) → AbGr ,<br />

wie man direkt aus der Definition folgern kann. Darüberhinaus erhalten wir<br />

folgendes Resultat <strong>zur</strong> Homotopieinvarianz:


TOPOLOGIE I 13<br />

Proposition 3.1. Es seien (X, A) und (Y, B) Raumpaare und f, g :<br />

(X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen von Raumpaaren (d.h. f(A) ⊂ B und<br />

g(A) ⊂ B). Falls f und g homotop sind und eine Homotopie H : X ×[0, 1] →<br />

Y so gewählt werden kann, dass H(A × [0, 1]) ⊂ B für alle t ∈ [0, 1] (d.h. es<br />

handelt sich um eine Homotopie durch Abbildungen von Raumpaaren), so<br />

gilt<br />

für alle n ≥ 0.<br />

f∗ = g∗ : Hn(X, A) → Hn(Y, B)<br />

Beweis. Der früher konstruierte (von H induzierte) Prismaoperator P :<br />

Cn(X) → Cn+1(Y ) erfüllt P (Cn(A)) ⊂ Cn+1(B), da sich H auf eine Homotopie<br />

f|A � g|A : A → B einschränkt. Wir erhalten damit Abbildungen<br />

der Quotientenkomplexe<br />

P : Cn(X, A) = Cn(X)/Cn(A) → Cn+1(X)/Cn+1(A)<br />

und diese erfüllen wieder die Gleichung<br />

∂ ◦ P + P ◦ ∂ = g∗ − f∗<br />

als Abbildungen C∗(X, A) → C∗(Y, B). Also sind g∗ und f∗ kettenhomotop.<br />

�<br />

Es stellt sich die Frage, wie die relative Homologie Hn(X, A) mit H∗(X)<br />

und H∗(A) zusammenhängen. Diese Frage wollen wir nun untersuchen.<br />

Definition. Ein Kettenkomplex (C∗, ∂) heißt exakt, falls seine Homologie<br />

verschwindet, d.h. für alle n ≥ 0 gilt<br />

im ∂n+1 = ker ∂n .<br />

Ein Kettenkomplex heißt kurz exakt, falls er von der Gestalt<br />

0 → A → B → C → 0<br />

mit abelschen Gruppen A, B, C und exakt ist.<br />

Von diesem Standpunkt aus betrachtet misst die Homologie eines Kettenkomplexes<br />

also sein Abweichen von der Exaktheit. Man kann Exaktheit<br />

gewisser Kettenkomplexe oft durch Eigenschaften von Gruppenhomomorphismen<br />

ausdrücken. So ist<br />

• 0 → A f → B exakt genau dann, falls f inektiv ist,<br />

• B g → C → 0 exakt genau dann, falls g surjektiv ist,<br />

• 0 → A f → B → 0 exakt genau dann, falls f ein Isomorphismus ist<br />

und<br />

• 0 → A f → B g → C → 0 exakt genau dann, falls f injektiv ist, g◦f = 0<br />

ist und g einen Isomorphismus B/im f ∼ = C induziert.


14 BERNHARD HANKE<br />

Sind A und C abelsche Gruppen, so erhalten wir eine offensichtliche kurze<br />

exakte Sequenz<br />

0 → A a↦→(a,0)<br />

→ A ⊕ C (a,c)↦→c<br />

→ C → 0 .<br />

Aus der Existenz einer kurzen exakten Sequenz 0 → A → B → C → 0 folgt<br />

jedoch nicht, dass B ∼ = A ⊕ C wie das Beispiel<br />

zeigt.<br />

0 → Z n↦→2n<br />

→ Z → Z/2 → 0<br />

Definition. Eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen ist ein Diagramm<br />

der Form<br />

f∗ g∗<br />

0 → A∗ → B∗ → C∗ → 0<br />

von Kettenkomplexen A∗, B∗ und C∗ und Kettenabbildungen (wir fassen<br />

hier 0 als Kettenkomplex auf, der in jedem Grad die Null-Gruppe ist), so<br />

dass man in jedem Grad eine kurze exakte Sequenz<br />

erhält.<br />

0 → An → Bn → Cn → 0<br />

Ist (X, A) ein Raumpaar, so erhält man nach Definition von C∗(X, A)<br />

eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen<br />

0 → C∗(A) → C∗(X) → C∗(X, A) → 0 .<br />

Es sei nun wieder 0 → A∗ → B∗ → C∗ → 0 eine kurze exakte Sequenz von<br />

Kettenkomplexen wie oben. Da es sich bei den Abbildungen f∗ : A∗ → B∗<br />

und g∗ : B∗ → C∗ um Kettenabbildungen handelt, erhalten wir induzierte<br />

Abbildungen f∗ : H∗(A) → H∗(B) und g∗ : H∗(B) → H∗(C). Es stellt sich<br />

die Frage, ob man auf diese Weise wieder eine kurze exakte Sequenz<br />

0 → H∗(A) → H∗(B) → H∗(C) → 0<br />

erhält. Dies ist im allgemeinen nicht der Fall wie das Beispiel der singulären<br />

Homologie des Raumpaares ([0, 1], {0, 1}) zeigt (man erhält im Grad ∗ = 0<br />

keine exakte Sequenz). Das folgende Ergebnis ist fundamental in der homologischen<br />

Algebra.<br />

Proposition 3.2 (Schlangenlemma). Die obige exakte Sequenz 0 → A∗ →<br />

B∗ → C∗ → 0 induziert für alle n ≥ 1 Gruppenhomomorphismen φn :<br />

Hn(C) → Hn−1(A), so dass die Folge<br />

. . . →Hn(A) → Hn(B) → Hn(C) φn → Hn−1(A) → . . . → H0(B) → H0(C) → 0<br />

exakt ist.


TOPOLOGIE I 15<br />

Beweis. Die Konstruktion von φn geht wie folgt: Es sei x ∈ Hn(C) eine<br />

gn<br />

Homologieklasse, die durch c ∈ Cn(C) repräsentiert wird. Da Bn → Cn<br />

surjektiv ist, gibt es ein b ∈ Bn mit g(b) = c. Da g∗ eine Kettenabbildung<br />

ist, gilt gn−1(∂ B b) = 0, also ist (wegen der Exaktheit von 0 → An−1 →<br />

Bn−1 → Cn−1 → 0) das Element b im Bild von fn−1. Es sei a ∈ An−1 mit<br />

fn−1(a) = b. Man zeigt nun folgendes<br />

• ∂ A (a) = 0, d.h. a repräsentiert eine Homologieklasse y ∈ Hn−1(A).<br />

• Trifft man in der obigen Beschreibung andere Wahlen, d.h. wählt<br />

man c ′ mit [c ′ ] = [c] = x, ein b ′ ∈ Bn mit fn(b ′ ) = c ′ und a ′ ∈ An−1<br />

mit fn−1(a ′ ) = ∂b ′ , so ist a ′ homolog zu a, d.h. es gibt ein z ∈ An<br />

mit ∂ A (z) = a − a ′ .<br />

Wir erhalten somit durch die Setzung φn(x) := y eine wohldefinierte Abbildung<br />

Hn(C) → Hn−1(A). Diese ist ein Gruppenhomomorphismus: Sind<br />

x1, x2 ∈ Hn(C) Homologieklassen, die durch c1 und c2 repräsentiert werden,<br />

und wählt man b1, b2 und a1, a2 gemäß der obigen Beschreibung, so sind<br />

b1+b2 und a1+a2 erlaubte Wahlen für die Homologieklase x1+x2 = [c1+c2],<br />

so dass wir φn(x1 + x2) = [a1 + a2] = [a1] + [a2] = φn(x1) + φn(x2) erhalten.<br />

Entsprechend verfährt man mit additiven Inversen.<br />

Nun ist zu zeigen, dass die erhaltene Folge<br />

. . . → Hn(B) → Hn(C) → Hn−1(A) → Hn−1(B) → Hn−1(C) → . . .<br />

wirklich exakt ist. Diese und die beiden obigen Aussagen zeigt man mit<br />

einer sogenannten Diagrammjagd. Die Details finden sich in Hatcher, S. 116<br />

f. (siehe insbesondere Theorem 2.16). �<br />

In der Regel bezeichnet man den Homomorphismus φn : Hn(C) →<br />

Hn−1(A) auch mit ∂n und nennt ihn verbindenden Homomorphismus. Angewandt<br />

auf die relativen Homologiegruppen erhalten wir also:<br />

Satz 3.3. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Dann gibt es Homomorphismen<br />

∂n : Hn(X, A) → Hn−1(A), die die Sequenz<br />

exakt machen.<br />

. . . → Hn(X) → Hn(X, A) ∂n → Hn−1(A) → Hn−1(X) → . . .<br />

Die verbindenen Homomorphismen ∂n haben in diesem Kontext eine besonders<br />

einfache Beschreibung: Ist x ∈ Hn(X, A) eine relative Homologieklasse,<br />

die durch eine Kette c ∈ Cn(X) repräsentiert wird mit ∂c ∈ Cn−1(A),<br />

so repräsentiert ∂c genau die Klasse ∂n(x) ∈ Hn−1(A).


16 BERNHARD HANKE<br />

Ist X ein topologischer Raum, so definieren wir die reduzierte Homologie<br />

�H∗(X) von X als die Homologie des Kettenkomplexes<br />

. . . C2(X) ∂2<br />

→ C1(X) ∂1<br />

→ C0(X) ɛ → Z → 0 ,<br />

wobei ∂n die üblichen Randabbildungen sind und<br />

ɛ : �<br />

λσ · σ ↦→ � λσ ∈ Z<br />

σ∈∆0(X)<br />

der sogenannte Augmentierungshomomorphismus ist (dieser trat bei der Berechnung<br />

der Homologie eines wegzusammenhängenden Raumes schon einmal<br />

auf). Offensichtlich ist ɛ ◦ ∂1 = 0. Wir fassen den Gruppe Z ganz rechts<br />

im obigen Kettenkomplex als Eintrag im Grad −1 auf, so dass möglicherweise<br />

auch Homologie im Grad −1 entstehen kann. Wir definieren noch die<br />

relativen reduzierten Homologiegruppen � Hn(X, A) := Hn(X, A) für alle n<br />

(auch falls A = ∅).<br />

Offensichtlich definieren die reduzierten Homologiegruppen wieder Funktoren<br />

T op → AbGp, bzw. T op(2) → AbGp und homotope Abbildungen<br />

induzieren die gleichen Abbildungen in Homologie. Weiterhin haben wir<br />

Proposition 3.4. • � Hn(X) = Hn(X) für alle n ≥ 1.<br />

• Falls X �= ∅, so existiert ein kurze exakte Sequenz 0 → � H0(X) →<br />

H0(X) π∗<br />

→ Z → 0, wobei π : X → {P } die Abbildung auf den<br />

einpunktigen Raum ist und wir H0({P }) mit Z identifizieren. Wir<br />

können also � H0(X) mit ker π∗ identifizieren. Diese kurze exakte Sequenz<br />

spaltet, wobei man als Spalt eine Abbildung i∗ : H0({P }) →<br />

H0(X) nehmen kann, die von einer beliebigen Inklusion i : {P } ↩→ X<br />

induziert ist. Diese Abbildung i∗ hängt dann davon ab, in welche Wegekomponenten<br />

von X der Punkt P abgebildet wird. Insbesondere ist<br />

also H0(X) ∼ = � H0(X) ⊕ Z, jedoch nicht auf kanonische Weise.<br />

• Falls X kontrahierbar ist, so ist � Hn(X) = 0 für alle n. Diese Tatsache<br />

ist der Hauptgrund für die Betrachtung der reduzierten Homologie.<br />

• Falls X = ∅, so ist � Hn(X) = 0 für n ≥ 0 und � H−1(X) = Z.<br />

• Ist (X, A) ein beliebiges Raumpaar, so existiert eine lange exakte<br />

Sequenz<br />

. . . → � H1(X, A) → � H0(A) → � H0(X) → � H0(X, A) → � H−1(A) → � H−1(X) → 0<br />

Die letzte fundamentale Eigenschaft der singulären Homologie ist der folgende<br />

Satz:<br />

Satz 3.5 (Ausschneidungssatz). Es sei (X, R) ein Raumpaar und U ⊂ R<br />

eine Teilmenge mit U ⊂ int(R). Dann induziert die Inklusion (X − U, R −<br />

U) → (X, R) Isomorphismen<br />

für alle n ≥ 0.<br />

Hn(X − U, R − U) → Hn(X, R)


TOPOLOGIE I 17<br />

Wir werden den Ausschneidungssatz in der folgenden äquivalenten Formulierung<br />

beweisen: Seien A, B ⊂ X Teilmengen, so dass X = int(A) ∪ int(B).<br />

Dann induziert die Inklusion (A, A ∩ B) ↩→ (X, B) Isomorphismen in Homologie.<br />

Die Äquivalenz zum Ausschneidungssatz sieht man wie folgt: Sind<br />

Teilmengen A, B ⊂ X mit X = int(A) ∪ int(B) gegeben, so können wir den<br />

Ausschneidungssatz mit R := B, U := B − A ⊂ R anwenden und erhalten<br />

die gewünschte Aussage für die Inklusion (A, A ∩ B) → (X, B). Sind<br />

umgekehrt R und U wie im Ausschneidungssatz, so betrachten wir die Teilmengen<br />

A := X − U, B := R von X und wenden an, dass die Inklusion<br />

(A, A ∩ B) → (X, B) Isomorphismen in Homologie induziert.<br />

Topologisch beruht der Ausschneidungssatz auf der Tatsache, dass jede<br />

singuläre Kette in X auf systematische Weise durch eine Kette ersetzt werden<br />

kann (durch Verfeinerung von Simplizes), deren Simplizes entweder ganz<br />

in A oder ganz in B liegen. Dabei ist wichtig, dass X sogar vom Innern von<br />

A und von B überdeckt wird.<br />

Dieser Übergang zu ” feinen Ketten“ kann folgendermaßen formalisiert<br />

werden. Es sei X ein topologischer Raum und U := (Ui)i∈I eine Familie<br />

von Teilmengen von X, so dass X = � int(Ui). Wir definieren C U ∗ (X) als<br />

den U-feinen Unterkomplex von C∗(X) der von singulären Simplizes erzeugt<br />

wird, deren Bild ganz in einem Ui liegen (dabei darf i vom jeweiligen Simplex<br />

abhängen). Dass es sich um einen Unterkomplex handelt, ist klar. Wir<br />

erhalten eine offensichtliche Inklusion von Kettenkomplexen<br />

i : C U ∗ (X) → C∗(X) .<br />

Proposition 3.6 (Verfeinerung von Ketten). Die Kettenabbildung i ist eine<br />

Kettenhomotopieäquivalenz. Insbesondere induziert sie Isomorphismen<br />

von Homologiegruppen. Darüberhinaus existieren ein Homotopieinverses ρ :<br />

C∗(X) → C U ∗ (X) und eine Kettenhomotopie D : C∗(X) → C∗+1(X) von<br />

i ◦ ρ nach id C∗(X) mit den folgenden Eigenschaften:<br />

• ρ ◦ i = id C U ∗ (X).<br />

• Für alle i ∈ I gilt: ρ : C∗(X) → C U ∗ (X) und D : C∗(X) → C∗+1(X)<br />

bilden Ketten, die ganz in Ui liegen, wieder auf Ketten ab, die ganz<br />

in Ui liegen.<br />

Bevor wir diese Proposition zeigen, folgern wir den Ausschneidungssatz:<br />

Es seien A, B Teilmengen von X wie in der alternativen Formulierung des<br />

Ausschneidungssatzes. Wir schreiben C∗(A+B) statt C {A,B}<br />

∗ (X) und wählen<br />

i, ρ und D wie in der Proposition. Wir erhalten induzierte Kettenabbildungen<br />

ρ : C∗(X)/C∗(A) → C∗(A+B)/C∗(A) , i : C∗(A+B)/C∗(A) → C∗(X)/C∗(A)<br />

mit ρ ◦ i = id und i ◦ ρ � id vermöge der induzierten Kettenhomotopie<br />

D : C∗(X)/C∗(A) → C∗+1(X)/C∗+1(A), .<br />

Für die Existenz dieser Abbildungen benutzen wir, dass die (ursprünglichen)<br />

Abbildungen i, ρ und D Simplizes in A wieder auf Simplizes in A abbilden.


18 BERNHARD HANKE<br />

Die Inklusion C∗(A + B)/C∗(A) → C∗(X)/C∗(A) induziert also einen Isomorphismus<br />

von Homologiegruppen. Die von der Inklusion C∗(B) → C∗(X)<br />

induzierte Kettenabbildung C∗(B)/C∗(A ∩ B) → C∗(A + B)/C∗(A) ist ein<br />

Isomorphismus von Kettenkomplexen (beide Seiten werden erzeugt von singulären<br />

Simplizes die ganz in B, und nicht ganz in A liegen). Daher induziert<br />

auch die Komposition<br />

C∗(B)/C∗(A ∩ B) → C∗(A + B)/C∗(A) → C∗(X)/C∗(A)<br />

Isomorphismen von Homologiegruppen und das zeigt den Ausschneidungssatz.


TOPOLOGIE I 19<br />

Der Beweis von Proposition 3.6 beginnt mit der baryzentrischen Unterteilung<br />

affiner Simplizes.<br />

Es sei K := 〈v0, . . . , vn〉 ⊂ RN ein affines Simplex. Sein Schwerpunkt ist<br />

definiert als der Punkt<br />

n� 1<br />

b :=<br />

n + 1 vi .<br />

i=0<br />

Wir definieren die baryzentrische Unterteilung von K durch Induktion<br />

über dim K als die Menge der Simplizes der Form 〈b〉, 〈w0, . . . , wk〉 oder<br />

〈b, w0, w1, . . . , wk〉 wobei 〈w0, . . . , wk〉 ein Simplex in der baryzentrischen Unterteilung<br />

einer Seite 〈v0, . . . , ˆvi, . . . , vn〉 von K ist. Ist K := 〈v0, . . . , vn〉 ⊂<br />

R N ein beliebiges affines Simplex, so definieren wir den Durchmesser von S<br />

Es gilt<br />

diam K := max �x − y�<br />

x,y∈K<br />

diam K ≤ max<br />

0≤i


20 BERNHARD HANKE<br />

Die baryzentrische Unterteilung affiner Simplizes kann wie folgt auf singuläre<br />

Ketten übertragen werden. Wir führen dies in zwei Schritten durch.<br />

Es sei zunächst Y ⊂ R N ein konvexer Teilraum. Wir definieren LCn(Y ) als<br />

die Untergruppe von Cn(Y ), die von den affin-linearen singulären Simplizes<br />

∆ n → Y<br />

erzeugt wird. Jedes solche affin-lineare Simplex ist durch die Bilder der Ecken<br />

ei ∈ R n+1 von ∆ n festgelegt, wir bezeichnen mit 〈v0, v1, . . . , vn〉 das affinlineare<br />

Simplex in Y mit ei ↦→ vi. Jeder Randoperator schränkt sich zu einer<br />

linearen Abbildung<br />

∂n : LCn(Y ) → LCn−1(Y )<br />

ein, so dass wir auf diesem Wege einen Unterkomplex LC∗(Y ) von C∗(Y )<br />

erhalten. Wir definieren weiterhin LC−1(Y ) := Z erzeugt vom leeren Simplex<br />

〈∅〉 und den Randopertor ∂0 : LC0(Y ) → LC−1(Y ) durch ∂0(〈v0〉) := 1 für<br />

alle v0 ∈ Y . Damit erhalten wir CL∗(Y ) als augmentierten Kettenkomplex<br />

mit einem Eintrag im Grad −1 isomorph zu Z. Ist b ∈ Y ein beliebiger Punkt,<br />

so erhalten wir lineare Abbildungen b : LCn(Y ) → LCn+1(Y ) ( ” Kegel mit<br />

Spitze b“) durch die Setzungen b(〈∅〉) := 〈b〉 und<br />

b(〈v0, . . . , vn〉) := 〈b, v0, . . . , vn〉 .<br />

Proposition 3.8. Für alle n ∈ N ∪ {−1} gilt die Formel<br />

∂b + b∂ = id<br />

wobei wir ∂−1 := 0 setzen. Insbesondere definiert b eine Kettenhomotopie auf<br />

dem augmentierten Komplex LC∗(Y ) von der Identität <strong>zur</strong> Nullabbildung.<br />

Motiviert durch die obige Konstruktion der baryzentrischen Unterteilung<br />

definieren wir für n ≥ 0 den Unterteilungsoperator S : LCn(Y ) → LCn(Y )<br />

induktiv als die Identität auf LC0 und LC−1 und, falls S : LCn(Y ) →<br />

LCn(Y ) schon definiert wurde, definieren wir S : LCn+1(Y ) → LCn+1(Y )<br />

durch<br />

S(σ) := bσ(S(∂σ)) ,<br />

wobei σ : ∆n+1 → Y ein lineares Simplex ist und bσ := σ( �n+1 i=0<br />

Bild des Schwerpunktes von σ bezeichnet.<br />

1<br />

n+2 ei) das<br />

Proposition 3.9. Der baryzentrische Unterteilungsoperator S ist eine Kettenabbildung<br />

LC∗(Y ) → LC∗(Y ).<br />

Beweis. Direkt aus der Definition folgt, dass S auf LC1(Y ) (ebenso wie auf<br />

LC0(Y )) die Identität ist. Daher gilt ∂S = S∂ auf LC0(Y ) und auf LC−1(Y ).<br />

Falls σ ∈ LCn(Y ) ein lineares Simplex ist mit n ≥ 1, so erhalten wir<br />

∂(Sσ) = ∂ � bσ(S(∂σ) � = S∂σ − bσ(∂S∂σ) = S∂σ .<br />

Die zweite Gleichheit gilt wegen ∂bσ + bσ∂ = id und die letzte Gleichheit<br />

benutzt die Tatsache, dass ∂S = S∂ auf LCn(Y ) durch Induktion über<br />

n. �


TOPOLOGIE I 21<br />

Die folgende Aussage formalisiert die entscheidende Eigenschaft des Unterteilungsoperators<br />

S.<br />

Proposition 3.10. Die Kettenabbildung S : LC∗(Y ) → LC∗(Y ) ist kettenhomotop<br />

<strong>zur</strong> Identität.<br />

Beweis. Die Kettenhomotopie T : LCn(Y ) → LCn+1(Y ) wird für n = −1<br />

als Null definiert und durch die Formel<br />

für n ≥ 0. Die Gleichung<br />

T (σ) := bσ(σ − T ∂σ)<br />

∂T + T ∂ = id −S<br />

auf LCn(Y ), n ≥ 0, zeigt man wieder durch Induktion über n mit einer<br />

direkten Rechnung (siehe Hatcher, S. 122 Mitte). An dieser Stelle ist die<br />

Augmentierung nützlich. �<br />

Wir können nun diese Konstruktionen nun auf beliebige singuläre Ketten<br />

ausdehnen. Sei also X ein topologischer Raum und σ : ∆ n → X ein<br />

singuläres Simplex. Wir setzen<br />

S(σ) := σ∗(S(id∆n)) ,<br />

wobei wir id∆ n als lineares Simplex in der konvexen Menge ∆n ⊂ R n+1<br />

auffassen und σ∗ : LCn(∆ n ) ⊂ Cn(∆ n ) → Cn(X) die von σ induzierte<br />

Kettenabbildung ist. Ganz analog definieren wir T : Cn(X) → Cn+1(X) auf<br />

σ ∈ Cn(X) durch<br />

T (σ) := σ∗(T (id∆n)) .<br />

Man zeigt nun durch explizite Rechnungen (vgl. Hatcher, S. 122 unten und<br />

S. 123 oben).<br />

Proposition 3.11. S ist eine Kettenabbildung C∗(X) → C∗(X) und T ist<br />

eine Kettenhomotopie von S <strong>zur</strong> Identität auf C∗(X).<br />

Um zu beliebig kleinen singulären Simplizes zu gelangen, müssen wir den<br />

Unterteilungsoperator noch iterieren. Mit einer leichten Rechnung (siehe<br />

Hatcher, S. 123, Punkt 4) erhält man:<br />

Proposition 3.12. Es sei m ≥ 0. Dann ist der iterierte Unterteilungsoperator<br />

Sm = S◦S . . .◦S eine Kettenabbildungen C∗(X) → C∗(X) und kettenhomotop<br />

<strong>zur</strong> Identität. Eine Kettenhomotopie ist durch Dm := �<br />

0≤i


22 BERNHARD HANKE<br />

< ɛ ist ganz in einer Menge aus dieser Üeberdeckung enthalten). An diesem<br />

Punkt ist es wichtig, dass wir eine offene Überdeckung von ∆ n haben<br />

(sonst existiert nicht unbedingt eine Lebesgue-Zahl) und dazu brauchten<br />

wir die Tatsache, dass bereits (intUi) eine Überdeckung von X bilden (und<br />

dies korrespondiert ja letztlich <strong>zur</strong> Bedingung U ⊂ int(A) im Ausschneidungssatz).<br />

Wählen wir m nun so groß, dass (n/(n + 1)) m ≤ ɛ, so gilt also<br />

S m (σ) ∈ C U ∗ (X) wie gewünscht. Wir definieren für jedes σ : ∆ n → X die<br />

Zahl m(σ) als die kleinste Zahl m mit dieser Eigenschaft - es gilt dann offensichtlich<br />

S k (σ) ∈ C U ∗ (X) für alle k ≥ m(σ). Die kleine technische Schwierigkeit<br />

an dieser Stelle ist nur, dass m(σ) von σ abhängt. Das ist aber kein<br />

echtes Problem:<br />

Es sei D : Cn(X) → Cn+1(X) durch die Gleichung<br />

definiert. Aus der Gleichung<br />

(Proposition 3.12) folgt nun<br />

σ ↦→ D m(σ)(σ) ∈ Cn+1(X)<br />

∂D m(σ)σ + D m(σ)∂σ = σ − S m(σ) σ<br />

∂Dσ + D∂σ = σ − � S m(σ) σ + D m(σ)(∂σ) − D(∂σ) �<br />

und wenn wir ρ(σ) als den Ausdruck in den großen Klammern rechts definieren,<br />

erhalten wir ∂Dσ + D∂σ = σ − ρ(σ). Und außerdem folgt aus dieser<br />

Definition, dass ρ(∂σ) = ∂(ρ(σ)), d.h. ρ : C∗(X) → C∗(X) ist eine Kettenabbildung<br />

und kettenhomotop <strong>zur</strong> Identität vermittels der Kettenhomotopie<br />

D. Wir behaupten nun, dass das Bild von ρ tatsächlich in C U ∗ (X) liegt. Sei<br />

dazu σ : ∆ n → X ein singuläres Simplex. Wir müssen zeigen, dass<br />

S m(σ) σ + D m(σ)(∂σ) − D(∂σ) ∈ C U ∗ (X) .<br />

Dies ist für den ersten Summanden klar. Für die verbleibende Differenz<br />

beachtet man, dass für σj, die Restriktion von σ auf die j-te Seite von ∆ n ,<br />

gilt: m(σj) ≤ m(σ) (denn die j-te Seite ist ja eine Teilmenge von ∆ n ). Daher<br />

besteht (D m(σ)−D)(∂σ) aus Summanden der Form �<br />

m(σj)≤i


TOPOLOGIE I 23<br />

Definition.(Eilenberg-Steenrod-Axiome) Eine Homologietheorie ist eine<br />

Folge von Funktoren<br />

Hn : T op(2) → AbGp ,<br />

wobei n ∈ Z, und natürlichen Transformationen ∂n : Hn(X, A) →<br />

Hn−1(X, ∅) n ∈ Z, mit den folgenden Eigenschaften (wir schreiben im folgenden<br />

der Kürze wegen Hn(X) statt Hn(X, ∅)):<br />

• (Homotopieinvarianz) Es seien f, g : (X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen,<br />

die als Abbildungen von Raumpaaren homotop sind. Dann<br />

gilt f∗ = g∗ : Hn(X, A) → Hn(Y, B).<br />

• (lange exakte Sequenz) Die Inklusionen A ↩→ X und X = (X, ∅) ↩→<br />

(X, A) induzieren eine lange exakte Sequenz<br />

. . . → Hn(A) → Hn(X) → Hn(X, A) ∂n → Hn−1(A) → . . .<br />

• (Ausschneidung) Ist U ⊂ A eine Teilmenge mit U ⊂ int(A), dann<br />

induziert die Inklusion (X − U, A − U) → (X, A) Isomorphismen<br />

Hn(X − U, A − U) → Hn(X, A).<br />

Ist (Hn, ∂n) eine Homologietheorie in diesem Sinne, so nennt man die<br />

Folge von abelschen Gruppen (Hn({P }))n∈Z die Koeffizienten der Theorie.<br />

Falls die Koeffizienten in allen Graden außer im Grad 0 die Nullgruppe<br />

sind, nennt man die Homologietheorie gewöhnlich. Oft verlangt man auch<br />

noch, dass eine Homologietheorie das Summenaxiom erfüllt: Für eine Familie<br />

(Xi)i∈I von topologischen Räumen induzieren die Inklusionen Xi ↩→ X<br />

in die disjunkte Summe ˙� Xi (mit der Summentopologie) Isomorphismen<br />

�<br />

i∈I Hn(Xi) ∼ = Hn(X).<br />

Es handelt sich also bei der singulären Homologie um eine gewöhnliche<br />

Homologietheorie im Eilenberg-Steenrodschen Sinne, die das Summenaxiom<br />

erfüllt. Die Berechnungen und Anwendungen in den folgenden Kapiteln<br />

werden in der Regel nur auf diese Axiome <strong>zur</strong>ückgreifen und nicht auf die<br />

explizite Konstruktion der singulären Homologietheorie mittels singulärer<br />

Ketten.<br />

Wir werden später sehen, dass eine Homologietheorie in diesem axiomatischen<br />

Sinne, die das Summenaxiom erfüllt, auf der Kateogorie der sogenannten<br />

CW-Komplexe (diese wird später definiert und umfasst z.B. die<br />

Kategorie der Simplizialkomplexe) festgelegt ist, wenn man die Koeffizienten<br />

der Theorie kennt.<br />

4. Erste Berechnungen und Anwendungen<br />

Wir geben zunächst eine alternative Beschreibung der relativen Homologiegruppen.<br />

Definition. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Wir nennen (X, A) gut, falls A �= ∅,<br />

A abgeschlossen in X und A starker Deformationsretrakt einer Umgebung


24 BERNHARD HANKE<br />

von A ist, d.h. es gibt eine Umgebung U von A in X und eine stetige Abbildung<br />

r : U → A, so dass die Komposition U r → A ↩→ U homotop zu idU<br />

relativ A ist (d.h. Punkte in A bleiben während der gesamten Homotopie<br />

konstant, insbesondere ist r|A = idA).<br />

Ist (X, A) gut, so gibt es also insbesondere eine Umgebung U von A in<br />

X, so dass die Inklusion A ↩→ U eine Homotopieäquivalenz ist.<br />

Beispiel. Das Paar (D n , S n−1 ) ist gut für alle n ≥ 0.<br />

Wir erhalten nun das folgende wichtige Resultat: Relative Homologiegruppen<br />

sind für gute Raumpaare nichts anderes als die reduzierten Homologiegruppen<br />

eines Quotientenraumes.<br />

Proposition 4.1. Es sei (X, A) ein gutes Raumpaar. Dann induziert die<br />

Quotientenabbildung q : (X, A) → (X/A, A/A) Isomorphismen<br />

für alle n ≥ 0.<br />

Hn(X, A) → Hn(X/A, A/A) = � Hn(X/A)<br />

Beweis. Wegen A �= ∅ ist A/A ⊂ X/A einfach ein Punkt und wir erhalten<br />

durch Betrachtung der langen exakten Sequenz für reduzierte Homologie<br />

. . . → � Hn(A/A) → � Hn(X/A) → � Hn(X/A, A/A) → � Hn−1(A/A) → . . .<br />

und wegen � Hn(A/A) = 0 für alle n, dass die von der Inklusion (X/A, ∅) →<br />

(X/A, A/A) induzierten Abbildungen � Hn(X/A) → � Hn(X/A, A/A) =<br />

Hn(X/A, A/A) für alle n ≥ 0 Isomorphismen sind. Daher können wir<br />

Hn(X/A, A/A) und � Hn(X/A) identifizieren. Es sei nun U ⊂ X eine Umgebung,<br />

so dass A ⊂ U ein starker Deformationsretrakt ist. Wir betrachten<br />

das induzierte kommutative Diagramm<br />

Hn(X, A) −−−−→ Hn(X, U) ←−−−− Hn(X − A, U − A)<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

q∗�<br />

q∗�<br />

q∗�<br />

Hn(X/A, A/A) −−−−→ Hn(X/A, U/A) ←−−−− Hn(X/A − A/A, U/A − A/A)<br />

Die linke obere und linke untere Abbildung ist ein Isomorphismus wie man<br />

an der langen exakten Sequenz für das Tripel (X, U, A), bzw. für das Tripel<br />

(X/A, U/A, A/A) sieht. Man beachte dabei, dass die Inklusionen (A, A) →<br />

(U, A) und (A/A, A/A) → (U/A, A/A) Homotopieäquivalenzen von Paaren<br />

sind, da A → U starker Deformationsrektrakt ist. Somit ist Hn(U, A) =<br />

Hn(A, A) = 0 und entsprechend Hn(U/A, A/A) = 0 für alle n. Dies impliziert,<br />

dass in der langen exakten Sequenz für die betrachteten Tripel jeder<br />

dritte Term 0 ist. Die rechte obere und rechte untere Abbildung sind Isomorphismen<br />

nach dem Ausschneidungssatz. Die rechte vertikale Abbildung<br />

ist ein Isomorphismus, da die Abbildung q : X → X/A einen Homöomorphismus<br />

von Raumpaaren (X − A, U − A) → (X/A − A/A, U/A − A/A)


TOPOLOGIE I 25<br />

induziert. Da das Diagramm kommutiert, ist auch die linke vertikale Abbildung<br />

ein Isomorphismus und das war zu zeigen. �<br />

Ist (X, A) ein gutes Raumpaar, so induziert die lange exakte Homologiesequenz<br />

also eine lange exakte Sequenz<br />

. . . → � Hn(A) → � Hn(X) → � Hn(X/A) → � Hn−1(A) → . . .<br />

wendet man dies auf das Raumpaar (D n , S n−1 ) an und beachtet, dass<br />

D n /S n−1 und S n homöomorph sind (warum?), so erhalten wir per Induktion<br />

über n ≥ 0 das folgende grundlegende Resultat.<br />

Satz 4.2. Es ist<br />

�Hi(S n ) ∼ =<br />

� Z falls i = n<br />

0 falls i �= n<br />

Zur Erinnerung: Ist X ein topologischer Raum und A ⊂ X ein Teilraum,<br />

so heißt A ein Retrakt von X, falls es eine stetige Abbildung (Retraktion)<br />

r : X → A gibt mit r|A = idA.<br />

Satz 4.3. Ist n ≥ 0, so ist S n kein Retrakt von D n+1 .<br />

Beweis. Angenommen r : Dn+1 → Sn ist eine Rektration. Die Inklusion<br />

Sn → Dn+1 werde mit i bezeichnet. Dann gilt also r ◦ i = idSn. Nach<br />

Anwendung des reduzierten Homologiefunktors erhalten wir, dass die Komposition<br />

�Hn(S n ) i∗ → � Hn(D n+1 ) r∗ → � Hn(S n ) .<br />

mit der Identität auf � Hn(S n ) übereinstimmt. Setzen wir unsere Berechnungen<br />

ein, erhalten wir also eine Komposition der Form Z → 0 → Z, die mit<br />

idZ übereinstimmt. Dies ist aber nicht möglich. �<br />

Korollar 4.4 (Brouwerscher Fixpunktsatz). Es sei f : D n → D n stetig.<br />

Dann hat f einen Fixpunkt, d.h. es existiert ein x ∈ D n mit f(x) = x.<br />

Beweis. Angenommen f : D n → D n ist eine fixpunktfreie stetige Abbildung.<br />

Wir konstruieren eine stetige Abbildung r : D n → S n−1 , indem wir für<br />

x ∈ D n den Strahl, der in f(x) beginnt und durch x läuft bis zum Rand von<br />

D n verlängern und den entstehenden Schnittpunkt mit r(x) bezeichnen. Es<br />

ist nicht schwer zu zeigen, dass diese Abbildung stetig ist. Offensichtlich gilt<br />

r| S n−1 = id S n−1, d.h. r ist eine Retraktion von D n auf S n−1 . Dies steht aber<br />

im Widerspruch zum eben bewiesenen Satz. �


26 BERNHARD HANKE<br />

Wir können nun auch die topologische Invarianz der Dimension euklidischer<br />

Räume beweisen.<br />

Satz 4.5. Es seien U ⊂ R m und V ⊂ R n nichtleere offene Teilmengen. Falls<br />

U und V homöomorph sind, gilt m = n.<br />

Beweis. Für x ∈ U betrachten wir die lokalen Homologiegruppen von U in<br />

x, definiert als Hk(U, U − {x}) (k ∈ N). Nach dem Ausschneidungssatz, der<br />

langen exakten Homologiesequenz zusammen mit der Zusammenziehbarkeit<br />

von R m , sowie der Homotopieinvarianz ist<br />

Hk(U, U − {x}) ∼ = Hk(R m , R m − {x}) ∼ = � Hk−1(R m − {x}) ∼ = � Hk−1(S m−1 )<br />

d.h. Hk(U, U − {x}) ∼ = Z, falls k = m und = 0 sonst. Entsprechend verhalten<br />

sich die lokalen Homologiegruppen Hk(V, V − {y}) für y ∈ V . Ist<br />

φ : U → V ein Homöomorphismus, so erhalten wir für x ∈ U einen induzierten<br />

Homöomorphismus von Raumpaaren (U, U −{x}) ≈ (V, V −{φ(x)}) und<br />

dadurch induzierte Isomorphismen von lokalen Homologiegruppen. Somit ist<br />

m = n. �<br />

Falls x ∈ X und {x} abgeschlossen in X ist (dies ist z.B. der Fall, wenn<br />

X Hausdorffsch ist), so hängen nach dem Ausschneidungssatz die lokalen<br />

Homologiegruppen an x nur von der <strong>Topologie</strong> von X in einer Umgebung<br />

von x ab.<br />

Eine weitere wichtige Anwendung der Berechnung von � Hi(S n ) ist das<br />

Konzept des Abbildungsgrades.<br />

Es sei φ : � Hn(S n ) ∼ = Z ein Isomorphismus. Ist f : S n → S n eine stetige<br />

Abbildung, so gibt es genau eine Zahl z ∈ Z, so dass<br />

�Hn(S n f∗<br />

) −−−−→ � Hn(Sn )<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

φ�<br />

φ�<br />

Z<br />

1↦→z<br />

−−−−→ Z<br />

Diese Zahl hängt nicht von der Wahl des Isomorphismus φ ab: Ist ψ :<br />

�Hn(S n ) ∼ = Z ein weiterer Isomorphismus, so ist φ ◦ ψ −1 : Z → Z ein Gruppenisomorphismus<br />

und daher gegeben durch Multiplikation mit ±1. Wenn wir<br />

im obigen Diagram φ durch ψ ersetzen, werden also die vertikalen Abbildungen<br />

mit der Muliplikation mit 1 oder mit −1 komponiert. Daher ändert<br />

sich z nicht.<br />

Wir definieren<br />

deg f := z .<br />

Dies ist der Abbildungsgrad von f.<br />

Die wesentlichen Eigenschaften des Abbildungsgrades sind in Hatcher, S.<br />

134 f., zusammengefasst.<br />

Wir erwähnen zwei schöne Anwendungen des Abbildungsgrades.


TOPOLOGIE I 27<br />

Definition. Ein Vektorfeld über der n-dimensionalen Sphäre S n ist eine<br />

stetige Abbildung<br />

v : S n → R n+1 ,<br />

so dass v(x) ⊥ x für alle x ∈ S n ⊂ R n+1 .<br />

Satz 4.6. Die Sphäre S n , n ≥ 1, hat genau dann ein nirgends verschwindendes<br />

Vektorfeld, falls n ungerade ist.<br />

Beweis. Siehe Hatcher, S. 135. �<br />

Falls n = 2 ist das der Igelsatz: Einen (zweidimensionalen) Igel kann man<br />

nicht kämmen.<br />

Ist G eine Gruppe und X ein topologischer Raum, so ist eine Gruppenwirkung<br />

von G auf X das gleiche wie ein Gruppenhomomorphismus<br />

G → Homöo(X) von G in die Gruppe der Homöomorphismen von X. Dieses<br />

Datum ist gleichbedeutend mit einer Abbildung<br />

φ : G × X → X ,<br />

so dass für alle g ∈ G die Abbildung φ(g, −) : X → X stetig ist und für<br />

alle x ∈ X und g, h ∈ G φ(gh, x) = φ(g, φ(h, x)) und φ(e, x) = x, falls<br />

e ∈ G das neutrale Element ist. Diese letzte Beschreibung hat den Vorteil,<br />

dass sie sich später leicht auf stetige oder differenzierbare Wirkungen von<br />

topologischen oder Liegruppen anpassen lässt. Die Gruppenwirkung φ heißt<br />

frei, falls φ(g, x) �= x für alle g �= e und x ∈ X.<br />

Satz 4.7. Es sei n gerade und G wirke frei auf S n . Dann ist G = {e} oder<br />

G ∼ = Z/2.<br />

Beweis. Hatcher, S. 135 unten. �


28 BERNHARD HANKE<br />

In vielen Situationen können wir den Abbildungsgrad einer Abbildung<br />

durch die Betrachtung sogenannter lokaler Abbildungsgrade bestimmen.<br />

Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung und y ∈ S n und x ∈ f −1 (y) ⊂<br />

S n . Angenommen, der Punkt x hat eine offene Umgebung U, die kein weiteres<br />

Urbild von y enthält. Wir erhalten mit Auschneidung und der langen<br />

exakten Homologiesequenz kanonische Isomorphismen<br />

Hk(U, U − {x}) ∼ = Hk(S n , S n − {x}) ∼ = � Hk(S n ) ,<br />

dabei benutzen wir, dass S n −{x} ≈ R n zusammenziehbar ist (und daher die<br />

reduzierte Homologie verschwindet). Die letzte Gruppe können wir für k = n<br />

nach Wahl eines Erzeugers mit Z identifizieren. Die induzierte Abbildung<br />

f∗ : Hn(U, U − {x}) → Hn(S n , S n − {y}) ist also durch Multiplikation mit<br />

einer eindeutig bestimmten ganzen Zahl, dem lokalen Abbildungsgrad von f<br />

bei x gegeben ist. Dieser hängt nicht von der speziellen Wahl von U ab. Wir<br />

bezeichnen ihn mit deg f|x.<br />

Proposition 4.8. Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung und y ∈ S n<br />

ein Punkt mit nur endlich vielen Urbildern x1, . . . , xm. Insbesondere ist für<br />

alle xi der lokale Abbildungsgrad deg f|xi wie eben definiert. Es gilt dann<br />

deg f =<br />

m�<br />

deg f|xi .<br />

i=1<br />

Beweis. Wir wählen paarweise disjunkte offene Umgebungen Ui ⊂ S n von<br />

xi wie eben bei der Definition des lokalen Abbildungsgrades. Wir betrachten<br />

nun die Komposition<br />

Ψ : Hn(S � n ) → Hn(S n , S n − {x1, . . . , xm}) ∼ =<br />

Hn( ˙�<br />

i Ui,<br />

˙�<br />

i (Ui − {xi})) ∼ = �<br />

Hn(Ui, Ui − {xi}) ∼ = �<br />

�Hn(S n )<br />

wobei die erste Abbildung durch Inklusion von Raumpaaren, die zweite Abbildung<br />

das Inverse des Ausschneidungsisomorphismus und die dritte Abbildung<br />

die Zerlegung von Homologie gemäß verschiedener Wegekomponenten<br />

ist. Die letzte Abbildung ist auf jedem Summanden der kanonische Isomorphismus<br />

von oben. Wir behaupten, dass die Komposition von Ψ mit der<br />

Projektion �m i=1 � Hn(Sn ) → � Hn(Sn ) auf einen beliebigen Summanden die<br />

Identität ist. Diese Komposition ist aber (für den i-ten Summanden) gleich<br />

der Komposition<br />

�Hn(S n ) → Hn(S n , S n − {xi}) ∼ = � Hn(S n )<br />

wobei die zweite Abbildung wieder der kanonische Isomorphismus von oben<br />

ist. Dies zeigt die Behauptung. Die Aussage der Proposition folgt nun durch<br />

i<br />

i


Betrachten des kommutativen Diagramms<br />

�Hn(S n )<br />

⏐<br />

Ψ�<br />

� �Hn(Ui, Ui − {xi})<br />

TOPOLOGIE I 29<br />

f∗<br />

−−−−→ Hn(S � n )<br />

⏐<br />

∼ ⏐<br />

= �<br />

(c1,...,cm)↦→ P<br />

i f∗(ci)<br />

−−−−−−−−−−−−−→ Hn(Sn , Sn − y)<br />

Bei der Definition des Abbildungsgrades ist es auch manchmal sinnvoll,<br />

Punkte x, y ∈ S n , sowie Umgebungen V von y und U von x zu betrachten<br />

mit f(U − {x}) ⊂ V − {y}. Die in der induzierten Abbildungen<br />

f∗ : Hn(U, U − {x}) → Hn(V, V − {y}) auftretenden Homologiegruppen<br />

können dann beide kanonisch mit � Hn(S n ) identifiziert werden. Induziert in<br />

dieser Situation f zusätzlich einen Homöomorphismus U ≈ V , so ist der<br />

lokale Abbildungsgrad von f bei x gleich ±1. Man kann auf diese Weise in<br />

vielen Situationen den Abbildungsgrad von Abbildungen dadurch bestimmen,<br />

dass man ” Urbildpunkte mit Vorzeichen“ zählt. Das richtige Vorzeichen<br />

kann dabei oft durch differentialtopologische Betrachtungen ermittelt<br />

werden.<br />

Man kann die letzte Proposition dazu benutzen, Abbildungen S n → S n<br />

von beliebigem Abbildungsgrad zu konstruieren, falls n ≥ 1, siehe Hatcher,<br />

Example 2.31.<br />

Man sieht leicht (vergleiche Übung Blatt 7, Aufgabe 1, oder auch Hatcher,<br />

Proposition 2.33):<br />

Proposition 4.9. Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung. Dann stimmt<br />

der Abbildungsgrad von f mit dem Abbildungsgrad der Einhängung von f,<br />

Σf : ΣS n → ΣS n überein (nachdem man ΣS n mit S n+1 identifiziert hat).<br />

Dies kann man dazu benutzen, um stetige Abbildungen S n → S n , n ≥ 2,<br />

zu konstruieren, bei denen beliebige vorgegebenen z ∈ Z als lokale Abbildungsgrade<br />

auftreten.<br />

Wir kommen nun zu einer dem Ausschneidungssatz eng verwandten Methode,<br />

Homologiegruppen zu berechnen: Die Mayer-Vietoris-Sequenz. Es sei<br />

X ein topologischer Raum und es seien A, B ⊂ X Unterräume, so dass<br />

X = int(A) ∪ int(B). Die Inklusionen iA : A ∩ B → A, iB : A ∩ B → B,<br />

jA : A → X, jB : B → X, induzieren Kettenabbildungen<br />

und<br />

φ : C∗(A ∩ B) → C∗(A) ⊕ C∗(B) , c ↦→ ((iA)∗(c), (iB)∗(c))<br />

ψ : C∗(A) ⊕ C∗(B) → C∗(A + B) , (x, y) ↦→ (jA)∗(x) − (jB)∗(x) ,<br />

wobei der Komplex der {A, B}-kleinen Simplizes C∗(A + B) im Beweis des<br />

Ausschneidungssatzes vorkam. Wir erhalten eine kurze exakte Sequenz von<br />

Kettenkomplexen<br />

0 → C∗(A ∩ B) φ → C∗(A) ⊕ C∗(B) ψ → C∗(A + B) → 0<br />


30 BERNHARD HANKE<br />

In der induzierten langen exakten Sequenz können wir die Homologie von<br />

C∗(A + B) durch H∗(X) ersetzen und erhalten die Mayer-Vietoris Sequenz<br />

. . . → Hn(A ∩ B) → Hn(A) ⊕ Hn(B) → Hn(X) ∂ → Hn−1(A ∩ B) → . . . .<br />

Der verbindende Homomorphismus ∂ hat folgende explizite Beschreibung:<br />

Ist c ∈ Hn(X) eine Homologieklasse, so repräsentiere man c durch eine Summe<br />

x + y von singulären Ketten in C∗(X) mit x ∈ C∗(A) und y ∈ C∗(B).<br />

Dies geht zum Beispiel mit baryzentrischer Unterteilung. Nach Voraussetzung<br />

gilt dann ∂x = −∂y, somit muss ∂x ∈ Cn−1(A ∩ B) sein. Dies ist ein<br />

Repräsentant von ∂(c). Eine entsprechende Mayer-Vietoris-Sequenz existiert<br />

auch für die reduzierten Homologiegruppen.<br />

Man kann die Mayer-Vietoris-Sequenz auch alleine aus den Eilenberg-<br />

Steenrod-Axiomen ableiten. Mehr dazu in den Übungen. Ähnlich wie oben<br />

bei der Betrachtung guter Paare ist es oft nützlich, die Mayer-Vietoris-<br />

Sequenz für etwas allgemeinerer Überdeckungen X = A ∪ B <strong>zur</strong> Verfügung<br />

zu haben:<br />

Proposition 4.10. Es seien A, B ⊂ X Teilmengen mit der folgenden Eigenschaft:<br />

Es ist X = A ∪ B und es gibt Umgebungen U von A und V von<br />

B, so dass die Inklusionen A ⊂ U, B ⊂ V und A ∩ B ⊂ U ∩ V Homotopieäquivalenzen<br />

sind (hier ist es im Gegensatz zu den guten Paaren nicht<br />

nötig, dass es sich um starke Deformationsretrakte handelt). Dann existiert<br />

eine lange exakte Mayer-Vietoris-Sequenz<br />

. . . → Hn(A ∩ B) → Hn(A) ⊕ Hn(B) → Hn(X) ∂ → Hn−1(A ∩ B) → . . . .<br />

wobei die ersten beiden Abbildungen wie eben definiert sind. Eine ensprechende<br />

Sequenz existiert für reduzierte Homologie<br />

Dies folgt direkt aus einem Vergleich mit der entsprechenden Mayer-<br />

Vietoris-Sequenz für die Überdeckung X = U ∪ V (diese erfüllt nach Voraussetzung<br />

X = int(U) ∪ int(V )).


TOPOLOGIE I 31<br />

Man kann mit der Mayer-Vietoris-Sequenz bequem die Homologiegruppen<br />

des Torus T 2 und der Kleinschen Flasche K berechnen und erhält<br />

H0(T 2 ) = Z , H1(T 2 ) ∼ = Z ⊕ Z , H2(T 2 ) ∼ = Z , Hi(T 2 ) = 0 falls i > 2<br />

und<br />

H0(K) = Z , H1(K) ∼ = Z ⊕ Z/2 , Hi(K) = 0 falls i > 1 .<br />

Der Fall der Kleinschen Flasche ist z.B. in Hatcher, Example 2.47., ausgeführt.<br />

Eine weitere Anwendung der Mayer-Vietoris-Sequenz ist der verallgemeinerte<br />

Jordansche Kurvensatz. Als Vorbereitung zeigen wir:<br />

Satz 4.11. i. Es sei D ⊂ S n ein Teilraum, der zu einem abgeschlossenen<br />

Ball D k ⊂ R k homöomorph ist. Dann ist � Hi(S n − D) = 0 für<br />

alle i ≥ −1.<br />

ii. Es sei S ⊂ S n ein Teilraum, der zu einer Sphäre S k ⊂ R k+1<br />

homöomorph ist. Dann ist � Hi(S n − S) = Z, falls i = n − k − 1<br />

und 0 sonst. Insbesondere ist also k ≤ n.<br />

Man beachte, dass die Teilmengen D und S in diesem Theorem abgeschlossen<br />

in S n sein müssen, da sie kompakt sind (sie sind ja nach Voraussetzung<br />

homöomorph zu kompakten Räumen) und S n Hausdorffsch ist.<br />

Zum Beweis von Theorem 4.11 i. machen wir Induktion nach k. Der Fall<br />

k = 0 ist klar (D ist dann einfach ein Punkt). Für den Induktionsschritt sei<br />

D ⊂ S n und h : D k → D ein Homöomorphismus. Wir können über einen<br />

weiteren Homöomorphismus D k mit dem k-dimensionalen Würfel I k (wobei<br />

I = [0, 1]) identifizieren. Wir überdecken S n − h(I k−1 × {1/2}) durch die<br />

beiden offenen Teilmengen<br />

A := S n − h(I k−1 × [0, 1/2]) , B := S n − h(I k−1 × [1/2, 1]) .<br />

Wir erhalten mit der Induktionsvoraussetzung und der Mayer Vietoris-<br />

Sequenz Isomorphismen<br />

�Hi(A ∩ B) ∼ = � Hi(A) ⊕ � Hi(B)<br />

für alle i ≥ −1. Wir nehmen nun an, es gibt ein 0 �= [c] ∈ � Hi(S n − h(I k )) =<br />

�Hi(A ∩ B). Dann folgt aus dieser Argumentation, dass c auch entweder in<br />

A oder in B kein Rand ist (beachte A ∩ B ⊂ A und A ∩ B ⊂ B). Indem wir<br />

dieses Verfahren fortsetzen, erhalten wir eine absteigende Folge<br />

I k−1 × [0, 1] ⊃ I k−1 × C1 ⊃ I k−1 × C2 ⊃ I k−1 × C3 ⊃ . . .<br />

so dass c kein Rand in S n − h(I k−1 × Cj) ist. Dabei sind Cj ⊂ [0, 1] abgeschlossene<br />

Intervalle, deren Länge gegen 0 geht und deren Schnitt somit<br />

genau einen Punkt p ∈ [0, 1] enthält. Insbesondere ist also<br />

�<br />

j<br />

(I k−1 × Cj) = I k−1 × {p} ≈ I k−1 .<br />

Wir wissen aber nach der Induktionsvoraussetzung, dass c ein Rand in S n −<br />

h(I k−1 ×{p}) = S n −h( �<br />

j Ik−1 ×Cj) ist. Es sei v ∈ Ci+1(S n −h(I k−1 ×{p}))


32 BERNHARD HANKE<br />

eine singuläre Kette (wobei jetzt i + 1 ≥ 0) mit ∂v = c. Da v nur endlich<br />

viele singuläre Simplizes umfasst und das Bild jedes Simplex kompakt ist,<br />

ist v bereits eine singuläre Kette in einer abgeschlossenen Teilmenge von<br />

S n − h(I k−1 × {p}), somit gibt es (z.B. wegen der Normalität von S n ) ein<br />

ɛ > 0, so dass v eine Kette in S n − h(I k−1 × [p − ɛ, p + ɛ]) ist und damit<br />

ist v bereits eine Kette in einem S n − h(I k−1 × Cj). In diesem Raum gilt<br />

dann aber wieder die Gleichung ∂v = c im Widerspruch dazu, dass c �= 0 ∈<br />

�Hi(S n − h(I k−1 × Cj)) nach Konstruktion der Cj. Dies ist ein Widerspruch<br />

und zeigt Teil i.


TOPOLOGIE I 33<br />

Für den Beweis von Teil ii. machen wir wieder Induktion nach k, wobei<br />

der Fall k = 0 klar ist. Es sei nun h : S k → S n eine stetige Einbettung<br />

(d.h. stetig und injektiv), somit ist h : S k → h(S k ) ein Homöomorphismus.<br />

Wir schreiben nun S k als die Vereinigung der oberen und unteren abgeschlossenen<br />

Hemisphären D k + und D k − und überdecken S n − h(S k−1 ) durch<br />

A := S n − h(D k +) und B := S n − h(D k −). Unter Ausnutzung von Teil i.<br />

erhalten wir dann mit der Mayer-Vieotoris-Sequenz Isomorphismen<br />

�Hi(S n − h(S k−1 )) ∼ = � Hi−1(S n − h(S k ))<br />

und daraus folgt die Behauptung von Teil ii.<br />

Der Beweis von Teil i. ist einer der seltenen Fälle, wo wir uns nicht allein<br />

auf die Eilenberg-Steenrod-Axiome berufen können, sonderen die Konstruktion<br />

der singulären Theorie benutzen müssen.<br />

Es gibt Beispiele (gehörnte Sphären von Alexander) von Teilmengen<br />

D ⊂ S 3 , die homöomorph zu D 3 sind, so dass aber S 3 − D nicht einfach zusammenhängend<br />

ist. Insbesondere ist R 3 − D nicht unbedingt homöomorph<br />

zu R 3 wie dies bei einer Standardeinbettung der Fall ist.<br />

Für k = n − 1 ist Teil ii. des vorigen Theorems der verallgemeinerte<br />

Jordansche Kurvensatz: Es sei φ : S n−1 ⊂ S n eine topologische Einbettung<br />

(d.h. φ ist stetig und injektiv, insbesondere ist φ ein Homöomorphismus von<br />

S n−1 auf S := φ(S n−1 ) ⊂ S n ). Dann besteht S n − φ(S n−1 ) aus genau zwei<br />

Wegekomponenten (denn � H0(S n − S) = Z, somit H0(S n − S) = Z ⊕ Z).<br />

Weiterhin ist jede dieser Wegekomponenten offen (denn S n − S ist lokal<br />

wegzusammenhängend und selbst offen in S n ) und hat die Homologie eines<br />

Punktes.<br />

Für n = 2 ist das der klassische Jordansche Kurvensatz:<br />

Satz 4.12. Es sei φ : S 1 → R 2 eine stetige Einbettung. Dann besteht R 2 −<br />

φ(S 1 ) aus genau zwei Komponenten, von denen genau eine beschränkt ist.<br />

Beweis. Man betrachtet die induzierte Abbildungen φ : S 1 → R 2 →<br />

(R 2 ) + = S 2 und wendet den verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatz an.<br />

Anschließend entfernt man den Punkt im Unendlichen wieder. �<br />

Dies ist eine gute Gelegenheit die Begriffe der Komponenten und Wegekomponenten<br />

eines Raumes zu wiederholen. Ist X ein topologischer Raum,<br />

so sind die Wegekomponenten von X die Äquivalenzklassen bezüglich der<br />

Relation ” x und y lassen sich durch einen Weg verbinden “. Die Komponenten<br />

sind die Äquivalenzklassen bezüglich der Relation ” x und y liegen in<br />

einem zusammenhängenden Teilraum von X“. Dabei heißt ein Raum zusammenhängend<br />

falls er nicht disjunkte Vereinigung zweier nichtleerer offener<br />

Teilmengen ist. Jede Wegekomponente ist in einer Komponente enthalten,<br />

denn jeder Weg, der zwei Punkte in X verbindet, ist ein zusammenhängender<br />

Raum (als Bild eines zusammenhängenden Raumes). Die Umkehrung gilt<br />

aber in der Regel nicht (da es zusammenhängende Räume gibt, die nicht


34 BERNHARD HANKE<br />

wegzusammenhängend sind). Weiterhin sind die Wegekomponenten wegzusammenhängend<br />

(dies kann man sehr einfach zeigen) und die Komponenten<br />

zusammenhängend. Letzteres ist etwas schwieriger: Sei K ⊂ X eine<br />

Komponente. Ist x ∈ K, so ist K nach Definition die Vereinigung aller<br />

zusammenhängenden Teilmengen von X, die x enthalten. Man zeigt nun<br />

aber relativ leicht: Ist (Ui)i∈I eine Familie zusammenhängender Teilmengen<br />

eines Raumes X und gilt Ui ∩ Uj �= ∅ für alle i, j ∈ I, so ist �<br />

i Ui<br />

zusammenhängend. Wir haben auch:<br />

Lemma 4.13. Die Komponenten eines Raumes X sind abgeschlossene Teilmengen<br />

von X.<br />

Beweis. Man zeigt zunächst (dies ist nicht schwer): Ist U ⊂ X ein zusammenhängender<br />

Teilraum, so auch U. Ist K ⊂ X eine Komponente (wobei<br />

X �= ∅), so ist daher K in einer Komponente Q von X enthalten und wegen<br />

K ∩ Q �= ∅ muss K = Q gelten (da wir es mit Äquivalenzklassen zu tun<br />

haben). Also ist K = K. �<br />

In der Regel sind allerdings die Wegekomponenten weder abgeschlossen<br />

noch offen und die Komponenten nicht offen in X.<br />

Es gilt aber:<br />

Lemma 4.14. Es sei X lokal wegzusammenhängend, d.h. jeder Punkt in<br />

X hat eine wegzusammenhängende Umgebung. Dann stimmen die Komponenten<br />

mit den Wegekomponenten von X überein und diese sind sowohl<br />

abgeschlossen als auch offen in X.<br />

Beweis. Es sei K ⊂ X eine Komponente und x ∈ K. Wir betrachten die<br />

Menge W ⊂ K aller Punkte, die sich mit x durch einen Weg in K verbinden<br />

lassen. Diese Menge ist offen in K: Ist w ∈ W , so wählen wir eine<br />

wegzusammenhängende Umgebung U ⊂ X von w. Da U offensichtlich zusammenhängend<br />

ist und K schneidet, muss somit U ⊂ K gelten und wegen<br />

w ∈ U gilt dann sogar U ⊂ W . Daher ist W offen in K. Ist w ∈ K \ W ,<br />

so wählt man wieder eine wegzusammenhängende Umgebung U von w in<br />

X. Mit dem gleichen Argument wie eben gilt U ⊂ K und daher kann kein<br />

Punkt in U in W liegen. Somit ist W auch abgeschlossen in K. Da K zusammenhängend<br />

und W �= ∅ ist, muss somit W = K gelten. Also ist K<br />

wegzusammenhängend. K ist also in einer Wegekomponente enthalten. Da<br />

jede Wegekomponenten in einer Komponente von X liegt, stimmt diese Wegekoponente<br />

mit K überein.<br />

Direkt aus der dem lokalen Wegzusammenhang folgt, dass die Wegekomponenten<br />

in einem lokal wegzusammenhängenden Raum offen sind. Da sie<br />

mit den Komponenten übereinstimmen, sind sie also offen und abgeschlossen.<br />

�<br />

Der folgende Zusatz zum verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatz wird<br />

in den Übungen behandelt:


TOPOLOGIE I 35<br />

Proposition 4.15. Es sei φ : S n−1 → S n eine topologische Einbettung.<br />

Dann besteht das Komplement S n − φ(S n−1 ) aus genau zwei Komponenten.<br />

Weiterhin stimmt der Rand jeder dieser Komponenten mit im φ überein.<br />

Als Anwendung des verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatzes zeigen<br />

wir die Invarianz des Gebietes.<br />

Satz 4.16. Es sei U ⊂ R n offen und es sei φ : U → R n eine stetige Abbildung,<br />

so dass die induzierte Abbildung φ : U → φ(U) ein Homöomorphismus<br />

ist. Dann ist φ(U) ⊂ R n offen. Mit anderen Worten: Ist eine Teilmenge<br />

X ⊂ R n homöomorph zu einer offenen Teilmenge im R n , so ist X selbst<br />

offen in R n .<br />

Beweis. Damit wir uns besser auf Theorem 4.11 beziehen können, fassen<br />

wir X als Teilmenge von S n = (R n ) + auf. Es sei φ : U → X<br />

ein Homöomorphismus, wobei U ⊂ R n offen ist. Es sei x ∈ X beliebig.<br />

Wir wählen einen kleinen abgeschlossenen Ball Bɛ(φ −1 (x)) um φ −1 (x)<br />

(mit ɛ > 0), der ganz in U enthalten ist (U ist ja offen in R n ). Wir erhalten<br />

somit Teilmengen D := φ(Bɛ(φ −1 (x))), homöomorph zu D n und<br />

S := φ(∂Bɛ(φ −1 (x))), homöomorph zu S n−1 . Zusammen mit Theorem 4.11,<br />

i. ist also S n − D offen und wegzusammenhängend und S n − S ist offen und<br />

besteht aus genau zwei Wegekomponenten. Da D−S als Bild des wegzusammenhängenden<br />

Raumes Bɛ(φ −1 (x)) auch wegzusammenhängend ist, müssen<br />

die beiden Wegekomponenten von S n − S die Mengen S n − D und D − S<br />

sein. Da S n − S lokal wegzusammenhängend ist, sind die Wegekomponenten<br />

offene Mengen von S n −S und damit auch offen in S n (denn S n −S ist offen<br />

in S n ). Insbesondere ist D − S offen in S n und damit eine offene Umgebung<br />

von x in S n , die ganz in X enthalten ist. �<br />

5. ∆-Komplexe, CW-Komplexe und ihre Homologie<br />

Wir werden in diesem Abschnitt Verallgemeinerungen von Simplizialkomplexen<br />

kennenlernen und ihre Homologie berechnen. Wir bezeichnen<br />

wie üblich mit ∆ n das Standard-n-Simplex und mit int(∆ n ) sein Inneres,<br />

d.h. ∆ n − ∂∆ n , wobei ∂∆ n der Rand von ∆ n ist (d.h. die Vereinigung der<br />

höchstens (n − 1)-dimensionalen Seiten).<br />

Definition. Ein ∆-Komplex ist ein topologischer Raum X zusammen mit<br />

einer Familie (σα)α∈I von stetigen Abbildungen (genannt charakteristische<br />

Abbildungen) σα : ∆ n(α) → X so dass die folgenden Bedingungen erfüllt<br />

sind:<br />

• Die Restriktion σα| int∆ n(α) : int∆ n(α) → X ist injektiv und jeder<br />

Punkt in X liegt im Bild ( ” offenes Simplex“) genau einer solchen<br />

Restriktion.<br />

• Ist σα : ∆ n(α) → X eine charakteristische Abbildung und τ ⊂ ∆ n(α)<br />

eine (n(α) − 1)-dimensionale Seite, so ist σα|τ : ∆ n(α)−1 → X wieder


36 BERNHARD HANKE<br />

eine charakteristische Abbildung wobei wir τ und ∆ n(α)−1 kanonisch<br />

identifizieren (dabei soll die Ordnung der Ecken erhalten bleiben).<br />

• A ⊂ X ist offen genau dann, falls alle σ −1<br />

α (A) offen in ∆ n(α) sind.<br />

Jeder geordnete Simplizialkomplex besitzt offensichtlich die Struktur eines<br />

∆-Komplexes, es gibt aber viele ∆-Komplexe, die nicht direkt als Simplizialkomplex<br />

beschrieben werden können: In einem Simplizialkomplex sind<br />

die Simplizes durch ihre Ecken schon eindeutig festegelegt, dies ist jedoch in<br />

einem ∆-Komplex nicht unbedingt der Fall.


TOPOLOGIE I 37<br />

Ist X ein ∆-Komplex, so sei C ∆ n (X) die freie abelsche Gruppe, die von<br />

den Abbildungen σα : ∆ n(α) → X erzeugt wird, wobei n(α) = n. Dies ist eine<br />

Untergruppe der singulären n-Ketten Cn(X) und die Einschränkung des<br />

Randopertors ∂ : Cn(X) → Cn−1(X) auf C∆ (X) definiert eine Abbildung<br />

(X). Dies folgt aus dem zweiten Punkt obiger Definiti-<br />

∂ : C∆ n (X) → C∆ n−1<br />

on. Damit wird C∆ ∗ (X) ein Unterkomplex von C∗(X). Wir bezeichnen mit<br />

H∆ ∗ (X) die Homologiegruppen des Kettenkomplexes C∆ ∗ (X).<br />

Allgemeiner sei X ein ∆-Komplex und A ⊂ X ein Teilkomplex (d.h A ist<br />

eine Teilmenge von X und ist selbst ein ∆-Komplex, wobei alle charakteristischen<br />

Abbildungen von A auch charakteristische Abbildungen von X sind).<br />

Wir definieren dann den Kettenkomplex C∆ ∗ (X, A) wie üblich als den Quotientenkomplex<br />

C∆ ∗ (X)/C∆ ∗ (A). Es ist wieder C∆ ∗ (X, A) ein Unterkomplex<br />

von C∗(X, A).<br />

Ist X ein geordneter Simplizialkomplex, dann stimmt C∆ ∗ (X) (mit der induzierten<br />

∆-Komplex-Struktur auf X) mit dem simplizialen Kettenkomplex<br />

überein, wie er im ersten Abschnitt definiert wurde. Insbesondere folgt aus<br />

dem nächsten Satz, dass simpliziale und singuläre Homologie für Simplizialkomplexe<br />

übereinstimmen.<br />

Satz 5.1. Es sei X ein ∆-Komplex und A ⊂ X ein Unterkomplex, möglicherweise<br />

A = ∅. Dann induziert die Inklusion C ∆ ∗ (X, A) ↩→ C∗(X, A) Isomorphismen<br />

von Homologiegruppen.<br />

Als Vorbereitung brauchen wir<br />

Lemma 5.2. Für n ≥ 0 ist die relative singuläre Homologiegruppe<br />

Hi(∆ n , ∂∆ n ) isomorph zu Z für i = n und = 0 sonst. Die Identität<br />

∆ n → ∆ n<br />

aufgefasst als Element in Cn(∆ n , ∂∆ n ) ist ein Zykel und die entsprechende<br />

Homologieklasse erzeugt Hn(∆ n , ∂∆ n ).<br />

Beweis. Alle Aussagen bis auf die letzte sind klar (man beachte (∆ n , ∂∆ n ) ≈<br />

(D n , S n−1 ). Diese wird per Induktion gezeigt, wobei der Fall n = 0 trivial<br />

ist. Angenommen, die Aussage ist für n−1 gezeigt. Es sei Λ ⊂ ∆ n die Vereinigung<br />

von genau n der (n−1)-dimensionalen Seiten von ∆ n (d.h. Λ umfasst<br />

alle bis auf eine (n−1)-dimensionale Seite). Das Raumpaar (∆ n , Λ) hat verschwindende<br />

Homologie (dies ist leicht zu sehen). Daher ist der verbindende<br />

Homomorphismus<br />

φ : Hn(∆ n , ∂∆ n ) → Hn−1(∂∆ n , Λ)<br />

in der langen exakten Sequenz für das Tripel (∆ n , ∂∆ n , Λ) ein Isomorphismus.<br />

Wir betrachten die Inklusion ∆ n−1 ↩→ ∂∆ n als die fehlende Seite in<br />

Λ. Die induzierte Inklusion (∆ n−1 , ∂∆ n−1 ) → (∂∆ n , Λ) induziert einen Isomorphismus<br />

ψ : Hn(∆ n−1 , ∂∆ n−1 ) ∼ = Hn(∂∆ n , Λ)


38 BERNHARD HANKE<br />

von relativen Homologiegruppen, denn es handelt sich um gute Raumpaare<br />

und die induzierte Abbildung<br />

∆ n−1 /∂∆ n−1 → ∂∆ n /Λ<br />

ist ein Homöomorphismus. Der Isomorphismus φ schickt den Zykel id∆n auf<br />

den Zykel ± id∆n−1 (aufgefasst als die fehlende Seite in Λ) in Cn−1(∂∆n , Λ),<br />

der Isomorphismus ψ schickt den Zykel id∆n−1 auf genau den gleichen Zykel<br />

(eventuell bis aufs Vorzeichen). Daher folgt die Aussage des Lemmas per<br />

Induktion. �<br />

Schließlich benötigen wir noch die folgende rein algebraische Aussage.<br />

Proposition 5.3. (Fünferlemma). Es sei ein kommutatives Diagramm<br />

A −−−−→ B −−−−→ C −−−−→ D −−−−→ E<br />

⏐ ⏐ ⏐ ⏐ ⏐<br />

⏐ ⏐ ⏐ ⏐ ⏐<br />

� �<br />

γ�<br />

� �<br />

A ′ −−−−→ B ′ −−−−→ C ′ −−−−→ D ′ −−−−→ E ′<br />

gegeben, wobei die Zeilen exakte Sequenzen abelscher Gruppen sind. Sind<br />

von den vertikalen Abbildungen alle bis auf γ Isomorphismen, so ist auch γ<br />

ein Isomorphismus.<br />

Beweis. Diagrammjagd. �


TOPOLOGIE I 39<br />

Wir zeigen nun Satz 5.1. Es sei zunächst X endlich dimensional und A =<br />

∅. Für k ∈ N sei X k das k-Skelett von X, d.h. die Vereinigung der Bilder von<br />

Simplizes der Dimension höchstens k (aufgefasst als Unterkomplex von X).<br />

Wir zeigen nun durch Induktion nach k, dass die Abbildungen H ∆ n (X k ) →<br />

Hn(X k ) Isomorphismen sind (für alle n). Der Fall k = 0 ist einfach, denn<br />

X0 ⊂ X erbt von X die diskrete <strong>Topologie</strong>: Ist Z ⊂ X0 eine Teilmenge, so ist<br />

für alle α das Urbild φ−1 α (Z) ⊂ ∆ n(α)<br />

α (bestehend aus einer Menge von Ecken)<br />

endlich und somit abgeschlossen. Also ist Z eine abgeschlossene Teilmenge in<br />

X. Daraus folgt, dass jede Teilmenge von X0 (in der Unterraumtopolologie)<br />

offen in X0 ist und das war zu zeigen. Wir nehmen nun an, die Aussage ist<br />

für k − 1 gezeigt. Für n ≥ 0 erhalten wir ein kommutatives Diagramm mit<br />

exakten Zeilen<br />

H ∆<br />

n+1 (Xk , X k−1 ) −−−−−→ H ∆<br />

n (Xk−1 ) −−−−−→ H ∆<br />

n (Xk ) −−−−−→ H ∆<br />

n (Xk , X k−1 ) −−−−−→ H ∆<br />

n−1 (Xk−1 )<br />

?<br />

y<br />

?<br />

y<br />

?<br />

y<br />

Hn+1(X k , X k−1 ) −−−−−→ Hn(X k−1 ) −−−−−→ Hn(X k ) −−−−−→ Hn(X k , X k−1 ) −−−−−→ Hn−1(X k−1 )<br />

Wir wollen das Fünferlemma anwenden. Der zweite und letzte senkrechte<br />

Pfeil sind Isomorphismen durch Induktion nach k. Wir kümmern uns nun<br />

um den ersten und vierten Pfeil. Die Gruppe H ∆ n (X k , X k−1 ) ist = 0, falls<br />

k �= n und isomorph <strong>zur</strong> direkten Summe von Kopien von Z parametrisiert<br />

über die n-Simplizes σα : ∆ n → X, falls k = n. Dies folgt direkt aus<br />

der Definition von H ∆ ∗ . Für die Berechnung der entsprechenden singulären<br />

Homologiegruppen betrachten wir die Abbildung<br />

ψ :<br />

˙�<br />

α,n(α)=k (∆k α, ∂∆ k α) → (X k , X k−1 )<br />

wobei auf dem α-ten Raumpaar die Abbildung σα anzuwenden ist. Diese<br />

Abbildung induziert einen Homöomorphismus<br />

Ψ :<br />

˙� ∆ k α/ ˙� ∂∆ k α ≈ X k /X k−1 .<br />

Dabei ist die Bijektivität und Stetigkeit leicht. Es sind aber Bilder von abgeschlossenen<br />

Mengen auch abgeschlossen: Es sei A ⊂ ˙� ∆ k / ˙� ∂∆ k abgeschlossen.<br />

Wir müssen zeigen, dass das Urbild von Ψ(A) in X k abgeschlossen<br />

ist, was wir dadurch testen, dass wir die Urbilder unter φα ansehen<br />

(für alle charakteristischen Abbildungen der ∆-Komplexstruktur von X k ).<br />

Sei zunächst n(α) < k. Ist Ψ(A) ∩ [X k−1 ] �= ∅ so ist dieses Urbild ganz<br />

∆ n(α)<br />

α<br />

also abgeschlossen. Ist aber Ψ(A) ∩ [X k−1 ] = ∅, so ist dieses Ur-<br />

bild leer, also ebenfalls abgeschlossen. Es sei nun n(α) = k. Dann stimmt<br />

dieses Urbild genau mit dem Urbild von A unter der stetigen Abbildung<br />

∆ k α ↩→ ˙�<br />

n(α)=k ∆k α → ˙� ∆ k α/ ˙� ∂∆ k α überein und ist damit wieder abgeschlossen.<br />

Daher induziert ψ einen Isomorphismus von Homologiegruppen (denn<br />

es handelt sich um gute Raumpaare). Die Gruppe<br />

Hn( ˙� ∆ k ˙�<br />

k<br />

α, ∂∆α) ?<br />

y<br />

?<br />

y


40 BERNHARD HANKE<br />

ist aber gleich 0, falls n �= k und isomorph <strong>zur</strong> direkten Summe von Kopien<br />

von Z parametrisiert über die n-Simplizes von X, falls n = k Weiterhin ist<br />

ein Erzeuger der Gruppe Hn(∆n α, ∂∆n α) durch die die Identität id∆n gegeben.<br />

Somit ist Hn(X k , Xk−1 ) gleich 0, falls k �= n und gleich der direkten Summe<br />

von Kopien von Z parametrisiert über die charakteristischen Abbildungen<br />

σα : ∆n(α) → X mit n(α) = n, falls n = k. Und ein Erzeuger der α-ten<br />

Kopie von Z ist durch die charakteristische Abbildung σα gegeben. Damit<br />

ist der erste und vierte senkrechte Pfeil im obigen Diagramm auch ein Isomorphismus<br />

und die Aussagee des Satzes folgt (für endlichdimensionales X)<br />

durch Induktion nach k. Falls X unendlich dimensional ist, benutzen wir die<br />

Tatsache, dass das Bild jedes singulären Simplex in X in einem Xk enthalten<br />

ist, denn dieses Bild ist kompakt und kann daher überhaupt nur endlich<br />

viele offene Simplizes in X treffen (siehe Hatcher, S. 130). Daraus kann<br />

man die Injektivität und Surjektivität der Abbildung H∆ n (X) → Hn(X) aus<br />

den bereits bewiesenen Tatsachen ableiten. Der Fall A �= ∅ folgt mit einem<br />

Fünferlemmaargument aus dem absoluten Fall. Damit ist Satz 5.1 bewiesen.


TOPOLOGIE I 41<br />

Definition. Ein CW-Komplex ist ein topologischer Raum X, zusammen mit<br />

einer Folge von abgeschlossenen Unterräumen<br />

X 0 ⊂ X 1 ⊂ X 2 ⊂ X 3 ⊂ . . .<br />

mit � Xn = X und der folgenden Eigenschaft: X0 ist (mit der Unterraumtopologie)<br />

eine diskrete Menge von Punkten. Xn entsteht aus Xn−1 durch<br />

Anheften von abgeschlossenen n-Bällen entlang der Ränder, d.h.<br />

X n = X n−1 ˙�<br />

∪ (φα)α∈I<br />

α∈I Dn α .<br />

Dabei ist I eine beliebige Indexmenge, ˙ �<br />

α∈I Dn α ist eine disjunkte Vereinigung<br />

von Kopien der abgeschlossenen Einheitskugel D n und (φα) ist eine<br />

Familie von Abbildungen<br />

φα : ∂D n α → X n−1 .<br />

Jedes φα heißt anheftende Abbildung. Weiterhin trägt X die Finaltopologie<br />

bezüglich der Filtrierung X 0 ⊂ X 1 ⊂ . . ., d.h. eine Teilmenge A ⊂ X<br />

ist genau dann abgeschlossen, wenn für alle n ∈ N der Schnitt A ∩ X n<br />

abgeschlossen in X n ist. (Man kann diese Bedingung genausogut mit ” offen“<br />

formulieren). Ist X = X n für ein n, so nennt man X n-dimensional<br />

und falls man für X insgesamt (d.h. in allen Dimensionen zusammengenommen)<br />

nur endlich viele Bälle benötigt, endlich. Die Teilmenge X n ⊂ X heißt<br />

n-Gerüst oder n-Skelett von X.<br />

Wir erläutern dieses Konzept an einigen Beispielen (siehe Hatcher, S. 6.<br />

ff).<br />

Sehr viele Eigenschaften von CW-Komplexen werden durch Induktion<br />

über die n-Gerüste gezeigt. Wir diskutieren einige punktmengentopologische<br />

Eigenschaften von CW-Komplexen. Eine eingehende Diskussion dazu findet<br />

sich in Hatcher, Appendix A.<br />

Proposition 5.4. CW-Komplexe sind Hausdorffsch (siehe Übung). Allgemeiner<br />

sind CW-Komplexe sogar normal (siehe Hatcher, Prop. A.3)<br />

Ist ein CW-Komplex X gegeben, so betrachten wir die oben beschriebene<br />

Zerlegung von X (also insbesondere auch die Abbildungen φα und die<br />

Identifizierungen von X n mit der Verklebung von X n−1 und den n-Bällen)<br />

als Teil der Struktur von X. Jede Abbildung φα : ∂D n → X n−1 lässt sich<br />

in offensichtlicher Weise zu einer stetigen Abbildung Φα : D n → X n ⊂ X<br />

erweitern, die man eine charakteristische Abbildung nennt. Das Bild jeder<br />

solchen Abbildung nennt man eine abgeschlossene Zelle in X. Abgeschlossene<br />

Zellen sind tatsächlich abgeschlossene Teilmengen von X (als Bilder von<br />

kompakten Mengen in einem Hausdorffraum), jedoch nicht homöomorph<br />

zu echten abgeschlossenen Bällen (da Punkte auf dem Rand des Balles D n<br />

identifiziert werden). Wir haben aber


42 BERNHARD HANKE<br />

Proposition 5.5. • Es sei Φα : D n → X eine charakteristische Ab-<br />

bildung. Dann ist die Einschränkung Φα|intDn → X eine topologische<br />

Einbettung (d.h. ein Homöomorphismus auf das Bild). Man<br />

nennt jedes Bild einer solchen eingeschränkten Abbildung eine Zelle<br />

in X (dies ist in der Regel keine offene Teilmenge in X!). Die<br />

n-dimensionalen Zellen werden mit en α bezeichnet. Aus der Definition<br />

von CW-Komplexen folgt, dass jeder Punkt in genau einer Zelle<br />

liegt.<br />

• Der Abschluss einer Zelle in X ist eine abgeschlossene Zelle.<br />

• Jede abgeschlossene Zelle in X trifft nur endlich viele Zellen.<br />

Beweis. Es faktorisiert Φα : D n → X n als Abbildung D n → D n / ∼→ X,<br />

wobei ∼ genau die Punkte auf dem Rand von D n identifiziert, die durch<br />

φα : ∂D n → X n−1 auf den gleichen Punkt abgebildet werden. Die induzierte<br />

stetige Abbildungen D n / ∼→ X ist eine topologische Einbettung, da<br />

die Quelle kompakt und das Ziel Hausdorffsch sind. Daher ist auch die Einschränkung<br />

auf die Teilmenge intD n ⊂ D n / ∼ eine topologische Einbettung.<br />

Diese Einschränkung stimmt aber mit der zu betrachtenden Einschränkung<br />

von Φα überein. Damit ist der erste Teil gezeigt. Für den zweiten Teil ist<br />

zunächst klar, dass der Abschluss einer Zelle in einer abgeschlossenen Zelle<br />

enthalten ist (denn diese ist abgeschlossen in X). Dass der Abschluss keine<br />

echte Teilmenge dieser abgeschlossenen Zelle sein kann, zeigt man durch<br />

Betrachtung des Homöomorphismus D n / ∼→ Φα(D n ) von eben. Um den<br />

dritte Teil nachzuweisen, machen wir uns allgemeiner folgendes klar: Jede<br />

kompakte Teilmenge C eines CW-Komplexes X trifft nur endlich viele Zellen<br />

von X. Ein Beweis dazu findet sich in Hatcher Prop. A.1. �<br />

Definition. Es sei X ein CW-Komplex. Ein Unterkomplex von X ist eine<br />

Teilmenge A ⊂ X, die selbst mit der Struktur eines CW-Komplexes versehen<br />

ist, so dass A n ⊂ X n für alle n und alle anheftenden Abbildungen<br />

∂D n α → A n−1 auch anheftende Abbildungen von X sind. Ein CW-Paar ist<br />

ein Raumpaar (X, A), wobei X ein CW-Komplex und A ein Unterkomplex<br />

ist.<br />

Proposition 5.6. • Für alle n ist X n ein Unterkomplex von X und<br />

X n ist ein Unterkomplex von X m , falls n ≤ m.<br />

• Ist (X, A) ein CW-Paar, so ist (X, A) ein gutes Raumpaar (siehe<br />

Hatcher, Prop. A.5).<br />

• Jede Zelle eines CW-Komplexes ist in einem endlichen Unterkomplex<br />

enthalten.<br />

Nach dem zweiten Teil gibt es also für jedes CW-Paar (X, A) natürliche<br />

Isomorphismen Hi(X, A) ∼ = � Hi(X/A), falls A �= ∅.<br />

Der große Vorteil der CW-Komplexe ist ihre Flexibilität. So besitzen<br />

Produkte, Quotienten nach Unterkomplexen und Einhängungen von CW-<br />

Komplexen induzierte CW-Komplex-Strukturen. Siehe Hatcher, S. 8.


TOPOLOGIE I 43<br />

Wir kommen nun <strong>zur</strong> Berechnung der Homologiegruppen von CW-<br />

Komplexen.<br />

Definition. Es sei (Xi, xi)i∈I eine Familie von punktierten Räumen, d.h.<br />

xi ∈ Xi. Die Einpunktvereinigung der punktierten Räume (Xi, xi) ist definiert<br />

als der Quotient<br />

�<br />

Xi := ˙� Xi/{xi | i ∈ I} .<br />

i<br />

Geometrisch gesehen werden also alle Räume Xi an den Punkten xi miteinander<br />

verklebt.<br />

Im Sommersemester ist uns die Einpunktvereinigung schon einmal in der<br />

Form des Bouquets von Sphären begegnet. Als direkte Folgerung von Proposition<br />

4.1 und der Tatsache, dass reduzierte Homologie das gleiche wie (d.h.<br />

kanonisch isomorph <strong>zur</strong>) Homologie relativ zu einem (beliebigen) Basispunkt<br />

ist, haben wir<br />

Proposition 5.7. Es sei (Xi, xi)i∈I eine Familie von punktierten Räumen,<br />

so dass alle Paare (Xi, {xi}) gut sind. Dann induzierten die Inklusionen<br />

Xi ↩→ �<br />

i Xi einen Isomorphismus<br />

für alle n ≥ 0.<br />

�<br />

�Hn(Xi) ∼ = � Hn( �<br />

Xi)<br />

i<br />

Direkt aus der Definition von CW-Komplexen folgt<br />

Lemma 5.8. Es sei X ein CW-Komplex. Dann ist X n /X n−1 homöomorph<br />

<strong>zur</strong> Einpunktvereinigung von Kopien von S n (an einem einmal festegelegten<br />

Basispunkt von S n ), parametrisiert über die n-Zellen von X.<br />

Da (X n , X n−1 ) gute Raumpaare sind, ergibt sich damit, dass<br />

Hi(X n , X n−1 ) gleich 0 ist, falls n �= i und isomorph <strong>zur</strong> direkten Summe<br />

� Z, falls i = n, wobei die direkte Summe über die Menge der n-Zellen von<br />

X parametrisiert ist. Weiterhin haben wir<br />

Proposition 5.9. • Hk(X n ) = 0, falls k > n. Insbesondere ist<br />

Hk(X) = 0, falls k > dim X.<br />

• Für k < n induziert die Inklusion X n ↩→ X Isomorphismen<br />

Hk(X n ) ∼ = Hk(X).<br />

Beweis. Man betrachtet die lange exakte Sequenz für die Raumpaare<br />

(X n , X n−1 ):<br />

Hk+1(X n , X n−1 ) → Hk(X n−1 ) → Hk(X n ) → Hk(X n , X n−1 )<br />

und beachtet, dass die beiden äußeren Gruppen gleich 0 sind, falls k �=<br />

n, n − 1. Falls k > n, gilt also Hk(X n ) ∼ = Hk(X n−1 ) ∼ = . . . ∼ = Hk(X 0 ) = 0,<br />

denn X 0 ist eine diskrete Menge von Punkten und k > 0. Falls X endlichdimensional<br />

ist, folgt der zweite Teil ganz ähnlich, denn unter den gegebenen<br />

i


44 BERNHARD HANKE<br />

Voraussetzungen gilt Hk(X n ) ∼ = Hk(X n+1 ) ∼ = Hk(X n+2 ) ∼ = . . .. Falls X<br />

unendlichdimensional ist, folgt der zweite Teil aus dem bereits Gezeigten<br />

durch die Beobachtung, dass jedes singuläre Simplex in X (und damit jede<br />

singuläre Kette) in einem kompakten Teilraum von X und damit in einem<br />

endlichen Teilkomplex enthalten ist. (Ein Beweis, der nur die Eilenberg-<br />

Steenrod-Axiome und nicht die spezielle Konstruktion der singulären Homologie<br />

benutzt, kann mit Hilfe einer Abbildungsteleskopkonstruktion geführt<br />

werden, siehe Hatcher, S. 138). �<br />

Wir kommen nun <strong>zur</strong> Berechnung der Homologie von CW-Komplexen. Es<br />

sei X ein CW-Komplex. Wir definieren den zellulären Kettenkomplex von X<br />

wie folgt. Es sei<br />

C cell<br />

n (X) := Hn(X n , X n−1 ) ,<br />

dies ist eine freie abelsche Gruppe über der Menge der n-Zellen von X. Für<br />

n > 0 definieren wir den zellulären Randoperator<br />

∂ cell<br />

n : C cell<br />

n (X) → C cell<br />

n−1(X)<br />

als den verbindenden Homomorphismus<br />

Hn(X n , X n−1 ) → Hn−1(X n−1 , X n−2 )<br />

in der langen exakten Sequenz für das Tripel (X n , X n−1 , X n−2 ). Dabei setzen<br />

wir X n−2 = ∅, falls n = 1. Wie üblich setzen wir ∂0 = 0.<br />

Proposition 5.10. • ∂ cell<br />

n<br />

◦ ∂ cell<br />

n+1<br />

= 0 für alle n ≥ 0, d.h.<br />

(C cell (X), ∂ cell ) ist wirklich ein Kettenkomplex.<br />

• Die Homologie dieses Kettenkomplexes ist isomorph <strong>zur</strong> singulären<br />

Homologie H∗(X).<br />

Beweis. Aus der Konstruktion des verbindenden Homomorphismus für<br />

als Komposition<br />

Raumtripel folgt, dass wir d cell<br />

n+1<br />

Hn+1(X n+1 , X n ) ∂n+1<br />

→ Hn(X n ) jn → Hn(X n , X n−1 )<br />

schreiben können, wobei die Abbildung ∂n+1 der verbindende Homomorphismus<br />

in der langen exakten Sequenz für das Raumpaar (X n+1 , X n ) ist und<br />

der zweite Homomorphismus von der Inklusion j : (X n , ∅) → (X n , X n−1 )<br />

induziert ist. Daher enthält ∂ cell<br />

n ◦ ∂ cell<br />

n+1<br />

die Komposition<br />

Hn(X n ) jn → Hn(X n , X n−1 ) ∂n → Hn−1(X n−1 )<br />

zweier aufeinanderfolgender Abbildungen der langen exakten Sequenz für<br />

das Raumpaar (X n , X n−1 ). Diese Komposition ist aber gleich 0.<br />

Für den zweiten Teil verweisen wir auf Hatcher, S. 139, Beweis von Theorem<br />

2.35. �<br />

Direkte Folgerungen sind: Ist X ein CW-Komplex ohne n-Zellen, so ist<br />

Hn(X) = 0. Hat allgemeiner X genau k n-Zellen, so ist Hn(X) eine endlich<br />

erzeugte abelsche Gruppe, die von (höchstens) k Elementen erzeugt<br />

wird. Und hat X keine Zellen in aufeinanderfolgenden Dimensionen (wie


TOPOLOGIE I 45<br />

z.B. CP N ), so ist Hn(X) isomorph <strong>zur</strong> freien abelschen Gruppe über den<br />

= 0 in diesem Fall). Insbesondere haben wir<br />

n-Zellen von X (denn ∂ cell<br />

∗<br />

Hn(CP N ) ∼ = Z<br />

falls n gerade mit 0 ≤ n ≤ 2N und Hn(CP N ) = 0 sonst.<br />

Wir wollen noch eine explizite Formel für den Randoperator ∂cell herlei-<br />

n<br />

ten. Falls n = 1, so ist dies leicht, denn es geht um den verbindenenden<br />

Homomorphismus<br />

H1(X 1 , X 0 ) → H0(X 0 ) .<br />

Wir können H0(X 0 ) kanonisch mit einer direkten Summe von Kopien von<br />

Z identifizieren, wobei diese Kopien genau den 0-Zellen in X entsprechen<br />

(man beachte, dass H0(pt.) einen kanonischen Erzeuger hat). Die Gruppe<br />

H1(X 1 , X 0 ) kann mit Hilfe der charakteristischen Abbildungen Φα : D 1 α →<br />

X 1 mit einer direkten Summe von Kopien von H1(D 1 , ∂D 1 ) identifiziert<br />

werden, parametrisiert über die 1-Zellen von X. Die Gruppe H1(D 1 , ∂D 1 )<br />

hat aber ebenfalls einen kanonischen Erzeuger, indem wir D 1 = [−1, 1] ⊂ R<br />

mit dem Simplex ∆ 1 -identifizieren. Dabei soll −1 der Ecke e0 und 1 der Ecke<br />

e1 entsprechen. Wenn wir die Mengen der i-Zellen in X mit Z(i) bezeichnen,<br />

haben wir nun also Isomorphismen<br />

H1(X 1 , X 0 ) ∼ = �<br />

Z , H0(X 0 ) ∼ = �<br />

Z .<br />

Z(1)<br />

Bezüglich dieser Isomorphismen ist ∂cell als eine lineare Abbildung gegeben,<br />

1<br />

die den α-ten Erzeuger von H1(X 1 , X0 ) auf φα(1) − φα(−1) ∈ H0(X 0 ) abbildet.<br />

Dabei ist φα : ∂D1 → X0 die anheftende Abbildung der α-ten 1-Zelle<br />

in X.<br />

Es sei nun n ≥ 1. Wir fixieren Homöomorphismen<br />

ωn : D n /∂D n ≈ S n .<br />

Wir konstruieren nun für n ≥ 1 induktiv Erzeuger von Hn(D n , ∂D n ) und<br />

von � Hn(S n ) wie folgt. Für n = 0 ist S 0 = {−1, 1} ⊂ R und die formale<br />

Differenz 1 − (−1) ∈ H0(S 0 ) definiert einen Erzeuger von � H0(S 0 ). Ist n ≥<br />

1 und ein Erzeuger von � Hn−1(S n−1 ) gegeben, so beachten wir, dass der<br />

verbindende Homomorphismus<br />

Hn(D n , S n−1 ) → � Hn−1(S n−1 )<br />

ein Isomorphismus ist und erhalten somit einen Erzeuger von Hn(D n , S n−1 ).<br />

Die Quotientenabbildung D n → D n /S n−1 induziert einen Isomorphismus<br />

Z(0)<br />

Hn(D n , S n−1 ) → � Hn(D n /S n−1 ) = � Hn(S n ) = Hn(S n )<br />

so dass wir einen ganz bestimmten Erzeuger von Hn(S n ) erhalten. Wir benutzen<br />

dabei in der letzten Gleichung, dassn ≥ 1, und in der vorletzten<br />

Gleichung den Homöomorphismus ωn.<br />

Die Gruppe C cell<br />

n (X) = Hn(X n , X n−1 ) ist (induziert von den charakteristischen<br />

Abbildungen Φα : D n α → X n ⊂ X) kanonisch isomorph <strong>zur</strong> direkten


46 BERNHARD HANKE<br />

Summe von Kopien von Hn(D n , ∂D n ), parametrisiert über die Menge Z(n)<br />

der n-Zellen von X. Durch die obige Wahl des Erzeugers von Hn(D n , ∂D n )<br />

erhalten wir also Isomorphismen<br />

C cell<br />

n (X) ∼ = �<br />

wobei Z(n) die Menge der n-Zellen in X ist. Die durch die charakterische<br />

Abbildung Dn α → X gegebene Zelle in X bezeichnen wir mir en α. Für eine<br />

n-Zelle en α und eine (n − 1)-Zelle e n−1<br />

β in X bezeichne die ganze Zahl dαβ<br />

den Abbildungsgrad der Komposition<br />

Z(n)<br />

Z ,<br />

S n−1 φα → X n−1 → X n−1 qβ n−2<br />

/X → S n−1<br />

wobei φα : ∂D n α → X n−1 die anheftende Abbildung für e n α ist, die zweite<br />

Abbildung die Projektion auf den Quotienten und die Abbildung qβ :<br />

X n−1 /X n−2 → S n−1 wie folgt definiert ist: Wir betrachten die charakteristische<br />

Abbildung<br />

der Zelle e n−1<br />

β<br />

Φβ : (D n−1<br />

β<br />

, ∂D n−1<br />

β<br />

) → (X n−1 , X n−2 )<br />

in X. Wir erhalten eine induzierte Abbildung<br />

D n−1 /∂D n−1 → X n−1 /X n−2<br />

und über die Identifizierung ωn−1 eine induzierte Abbildung Φ ′ β : Sn−1 →<br />

X n−1 /X n−2 . Der Quotient X n−1 /X n−2 ist aber homöomorph zu einer Einpunktvereinigung<br />

von Sphären S n−1 parametrisiert über die (n − 1)-Zellen<br />

in X und die Abbildung Φ ′ β bildet Sn−1 homöomorph auf genau eine dieser<br />

Sphären ab. Die Abbildung qβ ist auf dieser Sphäre genau das Inverse von<br />

Φ ′ β und bildet alle anderen Sphären auf der Verklebepunkt in der Einpunktvereinigung<br />

ab. Da jede abgeschlossene n-Zelle in X höchstens endlich viele<br />

(n − 1)-Zellen trifft, sind bei festem α nur endlich viele der Zahlen dαβ von<br />

0 verschieden.<br />

Wir bezeichnen den α-ten Erzeuger in C cell<br />

n (X) ebenfalls mit e n α (die Erzeuger<br />

dieser Gruppe sind ja in bijektiver Korrespondenz mit den n-Zellen<br />

in X).<br />

Proposition 5.11. Der zelluläre Randoperator ist bezüglich dieser Erzeuger<br />

durch die Formel<br />

∂n(e n α) = � dαβe n−1<br />

β<br />

gegeben. Man beachte, dass die Summe auf der rechten Seite endlich ist<br />

(siehe die vorhergehende Bemerkung).<br />

Ein Beweis findet sich in Hatcher, S. 140 f. Wir empfehlen, die Beispiele<br />

in Hatcher, S. 141 ff. <strong>zur</strong> Berechnung der zellulären Homologie genau zu<br />

studieren.<br />

Wenn man die Randoperatoren ∂cell wie eben explizit beschreiben will,<br />

n<br />

muss man Homöomorphismen ωn : Dn /Sn−1 ≈ Sn wählen (wie wir in der


TOPOLOGIE I 47<br />

obigen Herleitung gesehen haben). Unsere obige Formel ändert sich eventuell<br />

um ein Vorzeichen (das aber nur von n abhängt), wenn man andere Identifizierungen<br />

D n /S n−1 ≈ S n wählt. Da sich durch diese Vorzeichen aber die<br />

Homologie des entstehenden Kettenkomplexes nicht ändert (Zykeln bleiben<br />

Zykeln und Ränder bleiben Ränder), ist man bei diesen Wahlen relativ frei.<br />

Man darf aber in jeder Dimension n nur eine Wahl des Homöomorphismus<br />

ωn vornehmen.


48 BERNHARD HANKE<br />

6. Homologie mit Koeffizienten, der Satz von Borsuk-Ulam<br />

Die folgende Konstruktion erscheint zunächst nicht sehr viel Neues zu<br />

bringen. Sie ist aber<br />

für viele Anwendungen sehr nützlich.<br />

Es sei G eine abelsche Gruppe. Ist X ein topologischer Raum, so definieren<br />

wir die singuläre Homologie von X mit Koeffizienten in G wie folgt:<br />

Für n ∈ N sei Cn(X; G) die abelsche Gruppe bestehend aus den formalen<br />

Linearkombinationen �<br />

λσ · σ ,<br />

σ∈∆n(X)<br />

wobei nun λσ ∈ G und λσ = 0 für alle bis auf endlich viele σ ∈ ∆n(X)<br />

(die Menge der singulären n-Simplizes in X). D.h. die vor den singulären<br />

Simplizes auftretenden Koeffizienten sind nun nicht aus Z, sondern aus der<br />

” Koeffizientengruppe“ G. Wir definieren Randoperatoren<br />

∂ : Cn(X; G) → Cn−1(X; G)<br />

auf den singulären Simplizes in X durch die alte Formel. Insbesondere gilt<br />

wieder die Gleichung ∂n−1 ◦ ∂n = 0 und wir haben die n-te singuläre Homologiegruppe<br />

von X mit Koeffizienten in G<br />

Hn(X; G) := ker ∂n/im ∂n+1 .<br />

Diese Definition ist wieder funktoriell in X, d.h. ist f : X → Y eine stetige<br />

Abbildung, so erhalten wir induzierte Abbildungen<br />

f∗ : Cn(X; G) → Cn(Y ; G) , f∗ : Hn(X; G) → Hn(Y ; G)<br />

Wir erhalten für Raumpaare (X, A) ganz ähnlich wie früher relative singuläre<br />

Kettengruppen mit Koeffizienten in G<br />

Cn(X, A; G) := Cn(X; G)/Cn(A; G)<br />

wobei wir Cn(A; G) vermöge der injektiven Abbildung i∗ : Cn(A; G) →<br />

Cn(X; G), die von der Inklusion i : A → X induziert ist, als Untergruppe von<br />

Cn(X; G) auffassen. Die lange exakte Homologiesequenz für Raumpaare, die<br />

Homotopieinvarianz und der Ausschneidungssatz gelten ähnlich wie früher<br />

für Homologie mit Koeffizienten. Das gleiche gilt für die Mayer-Vietoris-<br />

Sequenz. Ähnlich wie früher zeigt man, dass H0(P ; G) = G und Hn(P ; G) =<br />

0 für n > 0 gilt, falls P der einpunktige Raum ist. Insbesonde definiert<br />

H∗(−; G) eine Homologietheorie im Sinne von Eilenberg und Steenrod; diese<br />

Theorie hat nun aber Koeffizienten G. Definiert man noch die reduzierte<br />

Homologie � H∗(X; G) über den obigen Kettenkomplex, nachdem man ihn<br />

durch die Abbildung<br />

ɛ : C0(X; G) → G ,<br />

�<br />

λσσ ↦→ � λσ ∈ G<br />

σ∈∆0(X)<br />

augmentiert hat (wir fassen also G als Eintrag im Grad −1 im augmentierten<br />

Kettenkomplex auf), so zeigt eine Rechnung wie früher, dass � Hn(S n ; G) ∼ =


TOPOLOGIE I 49<br />

G und � Hi(S n ; G) = 0 für alle i �= n gilt. Ist G ein Körper, so sind die<br />

Homologiegruppen Hn(X, A; G) Vektorräume über G.<br />

Leider ist der Beweis des folgenden - offensichtlich erscheinenden - Resultates<br />

etwas umständlich.<br />

Proposition 6.1. Ist f : S n → S n eine stetige Abbildung vom Grad n, so<br />

ist die induzierte Abbildung<br />

durch Multiplikation mit n gegeben.<br />

�Hn(S n ; G) → � Hn(S n ; G)<br />

Beweis. Die Aufgabe besteht darin, die Gruppen � Hn(S n ) und � Hn(S n ; G)<br />

miteinander zu vergleichen.<br />

Zunächst beobachten wir: Ist φ : G1 → G2 ein Homomorphismus<br />

von abelschen Gruppen, so erhalten wir induzierte Homomorphismen φ∗ :<br />

H∗(X; G1) → H∗(X; G2) und entsprechend für Raumpaare. Diese Homomorphismen<br />

kommutieren mit den Abbildungen H∗(X; G1) → H∗(Y ; G1),<br />

bzw. H∗(X; G2) → H∗(Y ; G2), induziert von einer stetigen Abbildung<br />

X → Y . Ensprechendes gilt für Raumpaare. Weiterhin kommutiert φ∗<br />

mit den verbindenen Homomorphismen in der langen exakten Sequenz für<br />

Raumpaare. Mit anderen Worten: Wir erhalten eine natürliche Transformation<br />

H∗(−; G1) → H∗(−; G2) von Homologietheorien.<br />

Es sei nun g ∈ G ein beliebiges Element und φ : Z → G der eindeutig bestimmte<br />

Homomorphismus, der 1 auf g abbildet. Wir haben einen expliziten<br />

Isomorphismus � H0(S 0 ) → Z induziert durch<br />

C0(S 0 ) → Z , α · [+1] + β · [−1] ↦→ α .<br />

Die Einträge in eckigen Klammern sind die Punkte von S0 , aufgefasst als<br />

0-Simplizes. Durch eine analoge Abbildung C0(S0 ; G) → G erhalten wir<br />

einen Isomorphismus � H0(S0 ; G) ∼ = G. Mit diesen Isomorphismen ist dann<br />

das Diagramm<br />

�H0(S 0 )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

�H0(S 0 ; G)<br />

∼=<br />

−−−−→ Z<br />

⏐<br />

φ�<br />

∼=<br />

−−−−→ G<br />

kommutativ. Wir gehen nun die Berechnung von � Hn(S n ), bzw. von<br />

�Hn(S n ; G) über die lange exakte Sequenz des guten Raumpaares (D n , S n−1 )<br />

nocheinmal durch. Dabei erhalten wir jeweils ein kommutatives Diagramm<br />

�Hn(S n )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

�Hn(S n ; G)<br />

∼=<br />

←−−−− Hn(Dn , Sn−1 )<br />

φ∗<br />

⏐<br />

�<br />

∼=<br />

←−−−− Hn(D n , S n−1 ; G)<br />

∼=<br />

−−−−→ � Hn−1(Sn−1 )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

∼=<br />

−−−−→ � Hn−1(S n−1 ; G)


50 BERNHARD HANKE<br />

wobei die ersten Isomorphismen durch Abbildung (D n , S n−1 ) →<br />

(D n /S n−1 , ∗) ≈ (S n , ∗) induziert sind (hier wählen wir einen beliebigen<br />

Homöomorphismus D n /S n−1 ≈ S n ) und die zweiten Isomorphismen<br />

die verbindenden Homomorphismen in den langen exakten Sequenzen des<br />

Raumpaares (D n , S n−1 ) sind. Wir erhalten damit induktiv Isomorphismen<br />

�Hn(S n ) ∼ = Z und � Hn(S n ; G) ∼ = G, die das Diagramm<br />

�Hn(S n )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

�Hn(S n ; G)<br />

∼=<br />

−−−−→ Z<br />

⏐<br />

φ�<br />

∼=<br />

−−−−→ G<br />

kommutativ machen. Da weiterhin das Diagramm<br />

�Hn(S n )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

�Hn(S n ; G)<br />

f∗<br />

−−−−→ � Hn(Sn )<br />

⏐<br />

φ∗�<br />

f∗<br />

−−−−→ � Hn(S n ; G)<br />

kommutiert und die erste Zeile nach Definition des Abbildunggrades Multiplikation<br />

mit n ist, bildet die untere Zeile (nach Zwischenschalten des Isomorphismus<br />

� Hn(S n ; G) ≈ G von oben) das Element g auf n · g ab. Da g ∈ G<br />

beliebig gewählt war und der Isomorphismus � Hn(S n ; G) ∼ = G nicht von der<br />

Auswahl von g abhängt, folgt daraus die Behauptung. �<br />

Ist X ein CW-Komplex, so können wir wie früher den zellulären Kettenkomplex<br />

mit Einträgen<br />

C cell<br />

n (X; G) := Hn(X n , X n−1 ; G)<br />

und einem Randoperator wie früher definieren. Insbesondere ist C cell<br />

n (X; G)<br />

isomorph zu einer direkten Summe von Kopien von G parametrisiert über die<br />

n-Zellen von X. Mit den Bezeichnungen und Wahlen der relevanten Erzeuger<br />

wie im vorigen Kapitel (d.h. e n α steht für den Erzeuger von C cell<br />

n (X; G) =<br />

Hn(X n , X n−1 ; G), der <strong>zur</strong> α-ten n-Zelle von X gehört, etc.) hat der zelluläre<br />

Randoperator wieder die Form<br />

∂ cell<br />

n (e n α) = � dαβe n−1<br />

,<br />

mit der gleichen Definition von dαβ wie früher. Dies benutzt die eben bewiesene<br />

Proposition 6.1.<br />

Beispiel. Wir betrachten den reell-projektiven Raum RP n und berechnen<br />

seine Homologie mit Koeffizienten Z/2 (= Z/2Z). Der zelluläre Kettenkomplex<br />

(mit Koeffizienten Z) hat genau einen Erzeuger in den Graden<br />

0 bis n (korrespondierend <strong>zur</strong> zellulären Struktur von RP n ) und die in der<br />

obigen Formel auftretenden Abbildungsgrade dαβ sind abwechselnd 0 oder<br />

2 (bzw. −2 wenn man die Orientierungen der Zellen ändert). Da in der<br />

β


TOPOLOGIE I 51<br />

Gruppe Z/2 Multiplikation mit 2 die Nullabbildung ist, ist also der Randoperator<br />

im zellulären Kettenkomplex Ccell ∗ (RP n ; Z/2) gleich 0 und es ist<br />

Hi(RP n ; Z/2) ∼ = Z/2, falls 0 ≤ i ≤ n, und = 0 sonst. Es tritt insbesondere<br />

auch in Graden Homologie mit Z/2-Koeffizienten auf, in denen die ganzzahlige<br />

Homologie verschwindet.<br />

Verwenden wir als Koeffizienten eine abelsche Gruppe G, in der Multiplikation<br />

mit 2 ein Isomorphismus ist (also z.B. G = Z/p mit einer Primzahl<br />

p �= 2), so erhält man durch eine ähnliche Betrachtung H0(RP n ; G) = G und<br />

Hi(RP n ; G) = 0 für alle i > 0, falls n gerade ist. Falls n ungerade ist, haben<br />

wir H0(RP n ; G) = G, Hi(RP n ; G) = 0 für 0 < i < n und Hn(RP n ; G) = G.<br />

Die genaue Beziehung zwischen H∗(X) und H∗(X; G) wird durch die sogenannten<br />

universellen Koeffizientenformeln beschrieben. Diese benötigen<br />

etwas mehr homologische Algebra und werden später besprochen.


52 BERNHARD HANKE<br />

Wir werden nun die Homologie mit Koeffizienten mit dem sogannten<br />

Transferhomomorphismus verbinden, um dann den Satz von Borsuk-Ulam<br />

zu zeigen.<br />

Es sei p : � X → X eine endliche Überlagerung mit Blätterzahl k (siehe<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> Einführung in die <strong>Topologie</strong>, Kapitel 13). Wir definieren eine<br />

Abbildung<br />

τ : H∗(X) → H∗( � X)<br />

als die induzierte Abbildung einer Kettenabbildung<br />

τ : C∗(X) → C∗( � X) ,<br />

die wie folgt gegeben ist: Es sei σ : ∆ n → X ein singuläres Simplex. Es<br />

sei x ∈ X das Bild der Ecke e0 ∈ ∆ n und ˜x1, ˜x2, . . . , ˜xk ∈ � X seien die Urbilder<br />

von x unter der Überlagerungsprojektion p : � X → X. Da � X → X<br />

eine Überlagerung und ∆ n einfach zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend<br />

ist, existiert für alle i = 1, . . . , k eine stetige Abbildung<br />

�σi : ∆ n → � X<br />

mit p ◦ �σi = σi und �σi(e0) = ˜xi und diese Abbildung ist durch die letzte<br />

Forderung eindeutig bestimmt (dies folgt aus dem Liftungstheorem, siehe<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> Einführung in die <strong>Topologie</strong>, Satz 13.11). Wir setzen<br />

τ(σ) :=<br />

k�<br />

�σi ∈ Cn( � X) .<br />

i=1<br />

Die folgenden Eigenschaften sind leicht zu überprüfen:<br />

• τ ist eine Kettenabbildung. (Dies folgt wieder mit der Existenz und<br />

Eindeutigkeit von Liftungen von Abbildungen ∆ m → X zu Abbildungen<br />

∆ m → � X, falls man einen solchen Lift auf e0 ∈ ∆ m festlegt).<br />

• Die Komposition p∗ ◦ τ ist gegeben durch Multiplikation mit k.<br />

• Operiert eine endliche Gruppe G frei auf den Hausdorffräumen X<br />

und Y (die Quotientenabbildungen X → X/G und Y → Y/G auf<br />

die Quotientenräume sind dann Überlagerungen mit Blätterzahl |G|,<br />

denn die Operationen sind eigentlich diskontinuierlich (dies benutzt<br />

die Hausdorffeigenschaft), vgl. Hatcher, Proposition 1.40. und Übung<br />

23 in Sektion 1.3) und ist f : X → Y eine äquivariante (d.h. mit den<br />

Gruppenwirkungen verträgliche) stetige Abbildung, so kommutiert<br />

f ∗<br />

C∗(X/G) −−−−→ � C∗(Y/G)<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

⏐<br />

τ�<br />

τ�<br />

C∗(X)<br />

f∗<br />

−−−−→ C∗(Y )<br />

Dabei ist f : X/G → Y/G von f induziert.


TOPOLOGIE I 53<br />

Die von τ induzierte Abbildung τ : H∗(X) → H∗( � X) nennt man Transferhomomorphismus.<br />

Sie ist nicht von einer Abbildung zwischen topologischen<br />

Räumen induziert (die Abbildung p : � X → X und damit die induzierte<br />

Abbildung p∗ von Homologien gehen ja in die andere Richtung). Man sieht<br />

sofort, dass die Tranferabbildung auf genau die gleiche Weise für beliebige<br />

Koeffizientengruppen definiert werden kann.<br />

Ist nun k = 2, so erhalten wir eine kurze exakte Sequenz<br />

0 → C∗(X; Z/2) τ → C∗( � X; Z/2) p∗ → C∗(X; Z/2) → 0 .<br />

Die Injektivität der ersten Abbildung ist klar, die Surjektivität der letzten<br />

Abbildung folgt wieder aus der Liftbarkeit von singulären Simplizes in X.<br />

Liegt eine Kette � λσσ ∈ � X im Kern von p∗, so bedeutet dies genau, dass zu<br />

jedem σ : ∆ n → � X mit λσ �= 0 (also gleich 1, da Z/2 nur zwei Elemente hat)<br />

auch der von σ verschieden Lift σ ′ von p◦σ : ∆ n → X mit dem Koeffizienten<br />

1 versehen ist. Mit anderen Worten: ker p∗ = im τ. Da die Komposition p∗◦τ<br />

Multiplikation mit 2 und damit (wegen Z/2-Koeffizienten) gleich 0 ist, folgt<br />

die Exaktheit der obigen Sequenz. Die induzierte lange exakten Sequenz<br />

. . . Hn(X; Z/2) τ → Hn( � X; Z/2) p∗ → Hn(X; Z/2) → Hn−1(X; Z/2) → . . .<br />

heißt Transfersequenz. Mit ihrer Hilfe zeigen wir nun das folgende Resultat.<br />

Proposition 6.2. Jede ungerade Abbildung f : S n → S n (d.h. f ist stetig<br />

und f(−x) = −x für alle x) hat ungeraden Grad.<br />

Beweis. Wegen Proposition 6.1 reicht es zu zeigen, dass die Abbildung<br />

f∗ : Hn(S n ; Z/2)( ∼ = Z/2) → Hn(S n ; Z/2) die Identität ist (falls der Abbildungsgrad<br />

von f gerade wäre, dann wäre die Multiplikation mit deg f ja<br />

die Nullabbildung auf Z/2). Wir nehmen im folgenden zunächst n ≥ 1 an<br />

und betrachten die Transfersequenz mit Z/2-Koeffizienten für die zweifache<br />

Überlagerung p : S n → RP n :<br />

0 → Hn(RP n ) τ → Hn(S n ) p∗ → Hn(RP n ) → Hn−1(RP n ) τ →<br />

Hn−1(S n ) p∗ → Hn−1(RP n ) → . . . → H0(RP n ) → 0<br />

Die Sequenz beginnt mit 0, da Hn+1(RP n ; Z/2) = 0 (RP n hat ja die Struktur<br />

eines n-dimensionalen CW-Komplexes). Da die Homologie Hi(S n ; Z/2) = 0<br />

für 0 < i < n und alle Einträge in der obigen exakten Sequenz entweder<br />

gleich 0 oder gleich Z/2 sind (dies sieht man schnell mit zellulärer Homologie),<br />

folgt aus der Exaktheit der Sequenz, dass<br />

• Hi(RP n ) ∼ = Hi−1(RP n ), falls 1 ≤ i ≤ n,<br />

• Hn(RP n ) ∼ = Hn(S n ),<br />

• H0(S n ) ∼ = H0(RP n ).<br />

Und diese Isomorphismen sind durch die entsprechenden Abbildungen in<br />

obiger Sequenz gegeben. Mit der antipodalen G := Z/2-Wirkung ist nach<br />

Voraussetzung die gegebenen Abbildung f : S n → S n äquivariant. Wir


54 BERNHARD HANKE<br />

erhalten somit eine induzierte Abbildung f : RP n → RP n und die induzierten<br />

Abbildungen f∗ : H∗(S n ) → H∗(S n ) und f ∗ : H∗(RP n ) → H∗(RP n )<br />

bilden obige Transfersequenz in sich ab (d.h. das entstehende Diagramm<br />

ist kommutativ), siehe obige Bemerkung. Da f∗ : H0(S n ) → H0(S n ) offensichtlich<br />

ein Isomorphismus ist, gilt dies mit den drei obigen Tatsachen<br />

per Induktion auch für die Abbildung f ∗ : Hn(RP n ) → Hn(RP n ) und für<br />

f∗ : Hn(S n ) → Hn(S n ). Die letzte Abbildung ist wegen Hn(S n ) = Z/2 also<br />

die Identität und dies wollten wir zeigen.<br />

Den Fall n = 0 beweist man leicht selbst (indem man einen expliziten Repräsentanten<br />

von H0(S 0 ) hinschreibt und auswertet, was bei der Anwendung<br />

von f∗ passiert). �<br />

Satz 6.3 (Borsuk-Ulam). Es sei f : S n → R n stetig. Dann gibt es einen<br />

Punkt x ∈ S n mit f(x) = f(−x).<br />

Beweis. Angenommen, f : S n → R n ist stetig, erfüllt aber nicht die Folgerung<br />

des Satzes. Dann ist die Abbildung<br />

g : S n → S n−1 , x ↦→<br />

f(x) − f(−x)<br />

�f(x) − f(−x)� ,<br />

wohldefiniert, da nach Annahme f(x) �= f(−x) für alle x ∈ S n gilt. Nach<br />

Konstruktion ist die Komposition<br />

S n → S n−1 ↩→ S n , x ↦→ g(x)<br />

ungerade, hat also nach der letzten Proposition ungeraden Grad. Andererseits<br />

faktorisiert diese Abbildung durch S n−1 und hat daher Grad 0 (denn<br />

Hn(S n−1 ) = 0). Widerspruch. �<br />

Der Satz von Borsuk-Ulam hat weitreichende Anwendungen in den verschiedensten<br />

Bereichen der Mathematik, insbesondere auch in der Kombinatorik.<br />

Wir empfehlen <strong>zur</strong> weiteren Lektüre das schöne Buch von J. Matousek,<br />

Using the Borsuk-Ulam theorem, Springer-Verlag.


TOPOLOGIE I 55<br />

Satz 6.4 (Ham-Sandwich-Theorem). Es seien K1, . . . , Kn ⊂ R n Lebesguemessbare<br />

beschränkte Teilmengen. Dann existiert eine Hyperebene H ⊂ R n<br />

(d.h. ein affiner Teilraum der Dimension n − 1), der jede Teilmenge Ki<br />

genau halbiert, d.h. die Anteile von Ki, die auf den beiden Seiten von H<br />

liegen, haben gleiches Maß(für alle 1 ≤ i ≤ n).<br />

Beweis. Wir bezeichnen das Lebesgue-Maßauf R n mit µ und definieren eine<br />

Abbildung f = (f1, . . . , fn) : S n → R n wie folgt: Es sei (u0, . . . , un) ∈ S n ⊂<br />

R n+1 . Falls (u1, . . . , un) �= 0, definieren wir<br />

• H + u := {x ∈ R n | x1u1 + . . . + xnun ≤ u0},<br />

• Hu := {x ∈ R n | x1u1 + . . . + xnun = u0} = ∂H + u .<br />

und setzen<br />

fi(u) := µ(H + u ∩ Ki) .<br />

Weiterhin setzen wir fi(+1, 0, . . . , 0) := µ(Ki) und fi(−1, 0, . . . , 0) := 0. Wir<br />

behaupten, dass f stetig ist. Es sei dazu (uk ) eine Folge von Punkten in Sn mit limk uk = u. Wir müssen zeigen, dass limk fi(uk ) = fi(u) für alle i ∈<br />

{1, . . . , n}. Falls u0 = ±1, so gilt diese Behauptung wegen der Beschränktheit<br />

von Ki. Sei also nun u0 �= ±1, d.h. (u1, . . . , un) �= 0. Ohne Beschränkung<br />

der Allgemeinheit gilt dann auch (uk 1 , . . . , ukn) �= 0 für alle k. Es sei χk die<br />

charakteristische Funktion von H +<br />

uk∩Ki und χ die charakteristische Funktion<br />

von H + u ∩ Ki . Dann gilt für alle x /∈ Hu, dass<br />

lim<br />

k→∞ χk(x) = χ(x)<br />

mit anderen Worten: Die Folge der messbaren Funktionen χk konvergiert<br />

fast überall gegen χ (denn µ(Hu) = 0). Da diese Folge uniform durch eine<br />

L1- Funktion nach oben beschränkt ist (nämlich durch die charakteristische<br />

Funktion von K1 ∪ . . . ∪ Kn) folgt aus dem Satz von der majorisierten<br />

Konvergenz<br />

lim k fi(u k ) = lim k<br />

�<br />

�<br />

χkdµ =<br />

χdµ = fi(u)<br />

und das war zu zeigen.<br />

Nach dem Satz von Borsuk-Ulam existiert ein u ∈ S n mit f(u) = f(−u).<br />

Man überlegt sich leicht, dass u0 �= ±1 (fall µ(Ki) �= 0 für mindestens ein i -<br />

der andere Fall ist ohnehin trivial) und dass die entsprechende Hyperebene<br />

Hu ⊂ R n die im Satz behauptete Eigenschaft hat. �<br />

7. Euler-Charakteristik und Lefschetzscher Fixpunktsatz<br />

Es sei X ein topologischer Raum, n ≥ 0 und Hn(X) sei endlich erzeugt<br />

(falls wir die Koeffizienten nicht notieren, benutzen wir Z als Koeffizienten).<br />

Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn X ein endlicher CW-Komplex<br />

ist. Wir definieren die n-te Bettizahl von X als den Rang rk Hn(X) der<br />

endlich erzeugten abelschen Gruppe Hn(X) (dies ist die Anzahl der Elemente<br />

einer beliebigen Basis der endlich erzeugten freien abelschen Gruppe<br />

Hn(X)/Tor Hn(X) oder auch gleich der Anzahl der Z-Summanden, wenn


56 BERNHARD HANKE<br />

wir Hn(X) als direkte Summe von zyklischen Gruppen schreiben). Die n-te<br />

Bettizahl von X wird mit bn(X) oder auch nur mit bn bezeichnet.<br />

Definition. Es sei X ein endlicher CW-Komplex. Für n ≥ 0 sei cn die<br />

Anzahl der n-Zellen in X. Dann ist die Eulercharakteristik von X definiert<br />

als<br />

∞�<br />

χ(X) := (−1) n cn .<br />

n=0<br />

Ist X ein endlicher zweidimensionaler Simplizialkomplex (oder allgemeiner<br />

∆-Komplex), so ist also<br />

χ(X) = e − k + f ,<br />

die Wechselsumme der Anzahl e der Ecken, k der Kanten und f der Flächen<br />

in X. Wir wollen zeigen, dass χ(X) nur von der Homologie von X abhängt:<br />

Satz 7.1. Es gilt<br />

χ(X) = � (−1) n bn(X) .<br />

Beweis. Der Beweis beruht auf der folgenden rein algebraischen Tatsache:<br />

Ist 0 → A → B → C → 0 eine kurze exakte Sequenz von endlich erzeugten<br />

abelschen Gruppen, so gilt<br />

rk B = rk A + rk C .<br />

Wir setzen dazu A ′ = A/Tor A, etc. und betrachten die induzierte Sequenz<br />

0 → A ′ f → B ′ g → C ′ → 0 .<br />

Diese ist im allgmeinen nicht exakt (z.b. falls man mit 0 x↦→2x<br />

→ Z → Z →<br />

Z/2 → 0 startet). Man überlegt sich aber leicht:<br />

• f ist injektiv,<br />

• g ist surjektiv,<br />

• ker g/im f ist eine Torsionsgruppe.<br />

Es sei φ : C ′ → B ′ ein Split von g, d.h. φ ◦ g = idC ′. Die Abbildung φ<br />

existiert, da C ′ frei ist. Dann ist im f ∩ im φ = 0 und B ′ /(im f ⊕ im φ) eine<br />

Torsionsgruppe, wie man sich mit dem vorher Gesagten überlegt. Daraus<br />

folgt<br />

rk B = rk B ′ = rk(im f ⊕ im φ) = rk A ′ + rk C ′ = rk A + rk C .<br />

Für den Beweis von Theorem 7.1 betrachten wir einen beliebigen Kettenkomplex<br />

0 → Ck<br />

∂k<br />

→ Ck−1 → . . . → C1 → C0 → 0


TOPOLOGIE I 57<br />

bestehend aus endlich erzeugten abelschen Gruppen. Wir erhalten die Gruppen<br />

der n-Zykeln Zn, der n-Ränder Bn und der n-ten Homologie Hn =<br />

Zn/Bn für alle n. Wir haben damit kurze exakte Sequenzen<br />

0 → Zn → Cn ∂n → Bn−1 → 0<br />

0 → Bn ↩→ Zn → Hn → 0 .<br />

Mit dem eben Gezeigten gilt also rk Cn = rk Zn + rk Bn−1 und rk Zn =<br />

rk Bn + rk Hn. Wir setzen die zweite Gleichung in die erste ein, Multiplizieren<br />

mit (−1) n �<br />

und addieren über n. Die resultierende Gleichung<br />

∞<br />

n=0 (−1)nCn = �∞ n=0 (−1)nHn ist gerade die Behauptung. �<br />

Beispiel. χ(S n ) = 1 + (−1) n , χ(CP n ) = n + 1, χ(RP n ) = 1, falls n gerade<br />

und χ(RP n ) = 0, falls n ungerade.<br />

Es sei g ≥ 1. Die orientierte Fläche vom Geschlecht g, Σg, ist der Quotientenraum<br />

eines regelmäßigen 4g-Ecks im R2 nach Verklebung der Randsegmente<br />

die sich durch die Bezeichungen α1, β1, α −1<br />

, β−1<br />

, β−1<br />

1 1 , α2, β2, . . . , α −1<br />

k k<br />

der Randsegemente ergeben, wenn wir den Rand des 4g-Ecks einmal durchlaufen.<br />

Wir setzen noch Σ0 = S2 . Man kann sich Σg als eine Fläche im R3 mit g Löchern“ vorstellen. Man sieht durch direktes Abzählen der erhalte-<br />

”<br />

nen Zellen: χ(Σg) = 2 − 2g. Insbesondere werden die Flächen Σg durch ihre<br />

Eulercharakteristik unterschieden.<br />

Korollar 7.2 (Eulersche Polyederformel). Es sei P ⊂ R 3 ein konvexes<br />

Polyeder (d.h. die konvexe Hülle einer endlichen Menge von Punkten im<br />

R 3 ). Es sei e die Anzahl der Ecken, k die Anzahl der Kanten und f die<br />

Anzahl der Seitenflächen von P . Dann ist e − k + f = 2.<br />

Beweis. Der Rand von P besitzt die Struktur eines CW-Komplexes mit e 0-<br />

Zellen, k 1-Zellen und f 2-Zellen. Da offensichtlich ∂P ≈ S 2 und χ(S 2 ) = 2,<br />

folgt die Behauptung aus Satz 7.1. �<br />

Sind X1 und X2 endliche CW-Komplexe, so besitzt X1 × X2 ebenfalls die<br />

Struktur eines CW-Komplexes. Um dies einzusehen, definieren wir für jedes<br />

Paar von charakteristischen Abbildungen φ1 : D n1 → X1 und φ2 : D n2 → X2<br />

eine Abbildung<br />

ψ : D n1+n2 n1 n2 ≈ D × D φ1×φ2<br />

→ X1 × X2 ,<br />

wobei das Inverse des ersten Homöomorphismus (für n1 �= 0 �= n2) durch<br />

die radiale Streckung auf der konvexen Teilmenge D n1 ×D n2 ⊂ R n1 ×R n2 =<br />

R n1+n2 gegeben ist, vgl. Einführung in die <strong>Topologie</strong>, Prop. 7.5. Wir definieren<br />

nun das k-Gerüst von X1 × X2 als die Teilmenge<br />

X 0 1 × X k 2 ∪ X 1 1 × X k−1<br />

2 ∪ . . . ∪ X k 1 × X 0 2 ⊂ X1 × X2 .<br />

Mit dieser Setzung entsteht dann (X1 × X2) k+1 aus (X1 × X2) k durch<br />

Anheftung von (k + 1)-Zellen vermittels der Einschränkung aller oben beschriebenen<br />

Abbildungen ψ : Dn1+n2 → X, n1 + n2 = k + 1, auf den Rand


58 BERNHARD HANKE<br />

von D n1+n2 . Da alle beteiligten Räume kompakt und Hausdorffsch sind,<br />

ist es nicht schwer zu zeigen, dass (X1 × X2) k+1 wirklich homöomorph zu<br />

diesem Anheftungsraum ist. Eine ganz ähnliche Konstruktion funktioniert<br />

auch, falls genau einer der Räume X1 oder X2 unendlich sind. Falls beide<br />

Komplexe unendlich sind, ist allerdings die durch obige (durch sukzessives<br />

Anheften von Zellen gegebene) Konstruktion erhaltene CW <strong>Topologie</strong> auf<br />

X1 × X2 im allgemeinen feiner als die Produkttopologie. Diese Schwierigkeit<br />

spielt aber in der Praxis in der Regel keine Rolle.<br />

Durch direktes Abzählen von Zellen erhalten wir:<br />

Proposition 7.3. Es seien X und Y endliche CW-Komplexe. Dann gilt<br />

χ(X × Y ) = χ(X) · χ(Y ).<br />

Eng verwandt mit der Eulercharakterist ist die sogenannte Lefschetzzahl.<br />

Es sei dazu X ein endlicher Simplizialkomplex und f : X → X eine stetige<br />

Abbildung. Dann ist für alle n ≥ 0 die Abbildung fn : Hn(X; Z) → Hn(X; Z)<br />

eine lineare Abbildung zwischen endlich erzeugten abelschen Gruppen. Wir<br />

erhalten somit eine induzierte Abbildung fn : Hn(X)/Tor → Hn(X)/Tor<br />

von endlich erzeugten freien abelschen Gruppen. Stellen wir diese Abbildung<br />

nach Wahl einer Basis durch eine Matrix dar, erhalten wir durch Aufsummieren<br />

der Diagonalelemente die Spur trfn. Diese Definition hängt nicht von<br />

der Wahl der Basis ab. Wir setzen<br />

L(f) := � (−1) n trfn .<br />

Falls f = id, gilt also L(f) = χ(X). Der folgende Satz ist eine weitreichende<br />

Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes.<br />

Satz 7.4 (Lefschetzscher Fixpunktsatz). Falls L(f) �= 0, so gibt es ein<br />

x ∈ X mit f(x) = x.<br />

Für den Beweis dieser Tatsache verweisen wir auf den entsprechenden<br />

Abschnitt im Hatcher.


TOPOLOGIE I 59<br />

8. Mannigfaltigkeiten und Orientierung<br />

Definition. Eine n-dimensionale (topologische) Mannigfaltigkeit ist ein<br />

Hausdorffraum M, so dass jeder Punkt in M eine offene Umgebung besitzt,<br />

die homöomorph zu R n ist.<br />

Es gibt Räume, die die zuletzt genannte Eigenschaft besitzen, aber nicht<br />

Hausdorff sind. Ein Beispiel ist die Gerade mit zwei Ursprüngen (R × {1} ∪<br />

R × {0})/ ∼, wobei ∼ jeden Punkt (x, 0) mit (x, 1) identifiziert, falls x �= 0<br />

ist.<br />

Ist X ein topologischer Raum und A ⊂ X ein Teilraum, so schreiben wir<br />

H∗(X|A) := H∗(X, X − A). Besteht A nur aus einem Punkt a, so ist dies<br />

die lokale Homologie von X bei a, wie sie schon früher betrachtet wurde.<br />

Ist M eine n-Mannigfaltigkeit, so haben wir � Hi(M|x) = Z, falls i = n und<br />

�Hi(M|x) = 0, falls i �= n. Daher ist die Dimension einer Mannigfaltigkeit eine<br />

topologische Invariante (d.h. Mannigfaltigkeiten verschiedener Dimension<br />

können nicht homöomorph sein).<br />

Man nimmt bei der Definition von Mannigfaltigkeiten oft noch die Forderung<br />

hinzu, dass der betrachtete Raum das zweite Abzählbarkeitsaxiom<br />

erfüllt. Dies wird aber erst bei sogenannten Teilungen der Eins wichtig, die<br />

später betrachtet werden.<br />

Beispiel. S n ist eine kompakte Mannigfaltigkeit. Quotienten von Mannigfaltigkeiten<br />

nach freien Operationen endlicher Gruppen sind Mannigfaltigkeiten.<br />

Dies umfasst die reell-projektiven Räume. Die komplex projektiven<br />

Räume CP n sind ebenfalls kompakte Mannigfaltigkeiten.<br />

Mannigfaltigkeiten sehen also lokal so aus wie R n , ihre globale Gestalt<br />

kann jedoch sehr vielfältig sein.<br />

Wir wollen in diesem Abschnitt klären, was eine globale Orientierung einer<br />

n-Mannigfaltigkeit ist. Man definiert üblicherweise eine Orientierung des R n<br />

als eine geordnete Basis des Vektorraums R n , wobei zwei geordnete Basen<br />

die gleiche Orientierung definieren, falls die Matrix des Basiswechels positive<br />

Determinante hat. Insbesondere gibt es also genau 2 Orientierungen. Ist<br />

A : R n → R n eine invertierbare lineare Abbildung, so nennt man A orientierungserhaltend,<br />

falls det A > 0, sonst orientierungsumkehrend. A bildet<br />

eine orientierte Basis von R n genau dann auf eine gleich orientierte Basis<br />

ab, falls A orientierungserhaltend ist. Lineare Abbildungen operieren aber<br />

nicht nur auf Basen, sondern auch auf lokaler Homologie. Wir können daher<br />

den Begriff der Orientierung auf folgende Weise rein homologisch fassen.<br />

Definition. Ist x ∈ R n , so ist eine lokale Orientierung von R n in x gegeben<br />

durch die Wahl eines Erzeugers von Hn(R n |x) ∼ = Z.<br />

Es gibt also immer genau zwei lokale Orientierungen. Falls x = 0, passt<br />

das sehr gut <strong>zur</strong> klassischen Definition: Es gibt genau zwei Orientierungen


60 BERNHARD HANKE<br />

und ist A : R n → R n eine invertierbare lineare Abbildung und h ∈ Hn(R n |0)<br />

eine lokale Orientierung, so gilt A∗(h) = h, bzw. = −h, genau dann, falls<br />

det A > 0, bzw. det A < 0 (vgl. Übung 3 auf Blatt 5).<br />

Folgende Beobachtung ist von zentraler Bedeutung: Sind x, y ∈ R n , so<br />

bestimmt jede lokale Orientierung bei x eine bei y und umgekehrt. Man<br />

wählt dazu einen große offene Kugel B ⊂ R n mit x, y ∈ B. Die Inklusionen<br />

x, y ∈ R n induzieren dann Abbildungen Hn(R n |B) → Hn(R n |x) und<br />

Hn(R n |B) → Hn(R n |y). Diese sind beide Isomorphismen, wie man schnell<br />

nachrechnet. Wir erhalten also einen Isomorphismus Hn(R n |x) ∼ = Hn(R n |y).<br />

Man zeigt leicht, dass dieser Isomorphismus nicht von der Wahl von B<br />

abhängt: Ist B ′ eine weiterer offener Ball mit x, y ∈ R n , so gibt es einen<br />

offenen Ball B ⊂ R n , der B und B ′ umfasst und ein offensichtliches kommutatives<br />

Diagramm zeigt dann die Behauptung. Damit gilt:<br />

Proposition 8.1. Jede lokale Orientierung von R n an einem Punkt x ∈ R n<br />

legt lokale Orientierungen an jedem anderen Punkt y ∈ R n eindeutig fest.<br />

Definition. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Eine lokale Orientierung von<br />

M in x ∈ M ist gegeben durch einen Erzeuger µx ∈ Hn(M|x) ∼ = Z.<br />

Nun sind aber die lokalen Orientierungen an verschiedenen Punkten in M<br />

nicht mehr unbedingt in eindeutiger Weise aufeinander bezogen, da obige<br />

Konstruktion in allgemeinen Mannigfaltigkeiten nicht funktioniert. Folgende<br />

Definition ist aber immer noch möglich:<br />

Definition. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Eine Orientierung von M<br />

ist eine Abbildung µ, die jedem Punkt x ∈ M eine lokale Orientierung<br />

µx ∈ Hn(M|x) zuordnet, so dass folgende lokale Konsistenzbedingung erfüllt<br />

ist: Ist x ∈ M, so existiert eine offene Umgebung von x homöomorph zu R n<br />

und eine offene Kugel B ⊂ R n , so dass für alle y ∈ B (aufgefasst als offene<br />

Teilmenge von M) die lokalen Erzeuger µy ∈ Hn(M|y) alle Bild eines<br />

festen Erzeugers µB ∈ Hn(M|B) ∼ = Z unter der kanonischen Abbildung<br />

Hn(M|B) → Hn(M|y) sind. Falls eine Orientierung von M existiert, so<br />

nennen wir M orientierbar, sonst nicht orientierbar.


TOPOLOGIE I 61<br />

Wir führen folgende Sprechweise ein: Ist x ∈ M, so ist eine offene Kugel<br />

um x das Bild einer offenen Kugel B ⊂ R n unter einem Homöomorphismus<br />

von R n auf eine offene Umgebung von x, so dass x im Bild von B liegt. Die<br />

offenen Kugeln bilden offensichtlich einer Basis der <strong>Topologie</strong> auf M.<br />

Proposition 8.2. Es sei M eine zusammenhängende orientierbare Mannigfaltigkeit.<br />

Dann existieren genau zwei Orientierungen von M.<br />

Beweis. Ist x ∈ M, so existieren genau zwei lokale Orientierungen in<br />

Hn(M|x) ∼ = Z. Für jedes y ∈ M wählen wir einen Weg γ : [0, 1] → M von<br />

x nach y. Es sei µ eine Orientierung von M. Es existiert dann eine endliche<br />

Menge von offenen Kugeln B1, . . . , Bk ⊂ M, so dass im γ ⊂ B1 ∪ . . . ∪ Bk.<br />

Zusätzlich können wir annehmen, dass B1 ∩ B2 �= ∅, B2 ∩ B3 �= ∅, etc., und<br />

dass wir in der lokalen Konsistenzbedingung für µ mit den Bällen Bi arbeiten<br />

können. Die von µ induzierte lokale Orientierung µx legt dann alle<br />

anderen lokalen Orientierung in B1, damit auch in B2 (wegen B1 ∩ B2 �= ∅)<br />

etc. fest. Damit ist die lokale Orientierung an y festgelegt. �<br />

Man kann nach dem gleichen Verfahren lokale Orientierungen in einer<br />

Mannigfaltigkeit entlang von Wegen fortsetzen (indem man einen gegebenen<br />

Weg durch offene Bälle in M überdeckt). Es kann aber passieren, dass man<br />

so keine globale Orientierung erhält, da es in der Regel keine kanonische<br />

Wahl für einen Weg gibt, der zwei Punkte in M verbindet.<br />

Wir konstruieren nun für jede n-Mannigfaltigkeit eine zweiblättrige Überlagerung<br />

� M → M mit einer orientierbaren Mannigfaltigkeit � M wie folgt. Wir<br />

setzen<br />

�M := {µx | x ∈ M und µx ist lokale Orientierung an x} .<br />

Wir definieren eine <strong>Topologie</strong> auf � M: Ist B ⊂ M eine offene Kugel und<br />

µB ∈ Hn(M|B) ∼ = Z ein Erzeuger, so sei UµB ⊂ � M die Menge aller Paare<br />

µx mit x ∈ B und µx das Bild von µB unter der kanonischen Abbildung<br />

Hn(M|B) → Hn(M|x). Die Teilmengen UµB sind die Basis einer <strong>Topologie</strong><br />

auf � M und mit dieser <strong>Topologie</strong> ist p : � M → M, µx ↦→ x, eine zweiblättrige<br />

Überlagerung, denn jede offene Kugel B ⊂ M wird gleichmäßig überlagert.<br />

Insbesondere ist also auch � M eine n-Mannigfaltigkeit.<br />

Proposition 8.3. � M ist orientierbar.<br />

Beweis. Ist µx ∈ � M, so wählen wir die lokale Orientierung µx ∈ Hn(M|x) =<br />

Hn( � M|µx). Für die letzte Gleichheit benutzen wir, dass es offene Umgebungen<br />

von µx in � M und von x ∈ M gibt, die durch die Überlagerungsabbildung<br />

p homöomorph aufeinander abgebildert werden. Man prüft leicht nach, dass<br />

das so gegebene System von lokalen Orientierungen auf � M konsistent ist. �<br />

Aus diesem Beweis folgt, dass es auf � M sogar eine bevorzugte Orientierung<br />

gibt.


62 BERNHARD HANKE<br />

Proposition 8.4. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Dann ist M genau dann<br />

orientierbar, falls � M → M eine triviale Überlagerung ist.<br />

Beweis. Orientierungen von M stehen in eineindeutiger Beziehung mit<br />

Schnitten von p : � M → M, d.h. stetigen Abbildungen φ : M → � M mit<br />

p ◦ φ = idM. Eine zweiblättrige Überlagerung ist aber genau dann trivial,<br />

wenn ein Schnitt existiert. �<br />

Ist M zusammenhängend, so beachte man, dass eine zweiblättrige Überlagerung<br />

M ′ → M genau dann trivial ist, falls M ′ aus genau zwei Komponenten<br />

besteht.<br />

Korollar 8.5. Ist M eine zusammenhängende Mannigfaltigkeit und hat<br />

π1(M) keine Untergruppe von Index 2, so ist M orientierbar.<br />

Beweis. Nach Überlagerungstheorie besitzt unter der gemachten Annahme<br />

M keine zusammenhängende zweiblättrige Überlagerung. Insbesondere ist<br />

�M nicht zusammenhängend, somit ist � M → M die triviale Überlagerung<br />

und infolgedessen ist M orientierbar. �


TOPOLOGIE I 63<br />

Der nächste Satz zeigt den engen Zusammenhang von Orientierbarkeit<br />

mit der Existenz einer sogannten Fundamentalklasse.<br />

Satz 8.6. Es sei M eine kompakte zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit.<br />

• Falls M orientierbar ist, dann ist für alle x ∈ M die kanonische<br />

Abbildung Hn(M) → Hn(M|x) ein Isomorphismus. Insbesondere gilt<br />

dann Hn(M) ∼ = Z und die Wahl einer Fundamentalklasse von M,<br />

d.h. eines Erzeugers von Hn(M), entspricht genau der Wahl einer<br />

Orientierung von M.<br />

• Falls M nicht orientierbar ist, dann gilt Hn(M) = 0.<br />

• Hn(M; Z/2) ∼ = Z/2, unabhängig davon, ob M orientierbar ist oder<br />

nicht.<br />

• Hi(M) = 0 für alle i > n.<br />

Bevor wir diesen Satz zeigen, verallgemeinern wir den Begriff der Orientierung.<br />

Zur Erinnerung: Ist G eine beliebige abelsche Gruppe und M eine<br />

n-Mannigfaltigkeit, so ist Hn(M|x; G) ∼ = G ∼ = Hn(M|B; G) für jedes x ∈ M<br />

und jede offene Kugel B ⊂ M. Der Beweis geht analog zum Beweis für<br />

Z-Koeffizienten.<br />

Definition. Es sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit und G eine abelsche<br />

Gruppe. Eine verallgemeinerte G-Orientierung ist eine Zuordnung<br />

x ↦→ µx ∈ Hn(M|x; G)<br />

die jedem Punkt x ∈ M ein Element (aber nicht notwendigerweise einen<br />

Erzeuger) µx ∈ Hn(M|x; G) ∼ = G <strong>zur</strong>dnet, so dass die folgende lokale Konsistenzbedingung<br />

erfüllt ist: Ist x ∈ M, so existiert eine offene Kugel B ⊂ M<br />

um x, so dass für alle y ∈ B die Elemente µy ∈ Hn(M|y) Bild eines festen<br />

Elementes µB ∈ Hn(M|B; G) ∼ = G unter der kanonischen Abbildung<br />

Hn(M|B; G) → Hn(M|y; G) sind.<br />

Proposition 8.7. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit.<br />

Dann ist M genau dann orientierbar, falls es eine verallgemeinerte Z-<br />

Orientierung von M gibt, die an einem Punkt von M von 0 verschieden<br />

ist.<br />

Eine Richtung ist klar, die andere ist Gegenstand der Übung.<br />

Lemma 8.8. Es sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, G eine abelsche<br />

Gruppe und und A ⊂ M eine kompakte Teilmenge.<br />

• Ist x ↦→ µx eine verallgemeinerte G-Orientierung von M, dann gibt<br />

es genau eine Klasse αA ∈ Hn(M|A; G) deren Bild in Hn(M|x; G)<br />

für alle x ∈ A mit µx übereinstimmt.<br />

• Hi(M|A; G) = 0 falls i > n.


64 BERNHARD HANKE<br />

Dieses Lemma impliziert Satz 8.6 wie folgt: Ist M zusammenhängend,<br />

kompakt, µ eine (klassische) Orientierung von M und x ∈ M, so folgt aus<br />

dem ersten Teil des Lemmas (mit A = M), dass die Restriktionsabbildung<br />

Ψ : Hn(M; Z) → Hn(M|x; Z)<br />

surjektiv und injektiv ist: Es sei α ∈ Hn(M; Z) das eindeutig bestimmte<br />

Element, dessen Restriktion auf y mit µy übereinstimmt für alle y ∈ M. Da<br />

µx ∈ Hn(M|x; Z) ∼ = Z ein Erzeuger ist, folgt daraus direkt die Surjektivität<br />

von Ψ. Für die Injektivitiät sei c ∈ ker Ψ. Man zeigt nun mittels des Wegzusammenhangs<br />

von M, dass die Einschränkung von c in Hn(M|y; Z) gleich<br />

0 ist für alle y ∈ M (überdecke dazu einen Weg von x nach y durch kleine<br />

offene Kugeln in M). Nach der Eindeutigkeit von α gilt also α = α + c und<br />

somit c = 0.<br />

Um den zweiten Teil von Satz 8.6 zu zeigen, sei c �= 0 ∈ Hn(M; Z). Offensichtlich<br />

definieren die Einschränkungen von c auf Hn(M|x; Z), x ∈ M,<br />

eine verallgemeinerte Z-Orientierung von M. Nach Proposition 8.7 genügt<br />

es zu zeigen, dass es ein p ∈ M gibt, so dass die Einschränkung von c<br />

auf Hn(M|p; Z) ungleich 0 ist. Wäre dies aber nicht der Fall, so würde<br />

aus der EindeutigkeitsAussage des Lemmas (mit der verallgemeinerten Z-<br />

Orientierung x ↦→ 0 ∈ Hn(M|x; Z) für alle x ∈ M) folgen, dass c = 0, im<br />

Widerspruch <strong>zur</strong> Annahme.<br />

Der dritte Teil des Satzes folgt aus dem Lemma und der Beobachtung,<br />

dass die Abbildung, die x ∈ M auf das eindeutige von 0 verschiedene<br />

Element µx ∈ Hn(M|x; Z/2) ∼ = Z/2 abbildet, eine verallgemeinerte Z/2-<br />

Orientierung von M definiert (die lokale Konsistenz ist leicht zu zeigen).<br />

Man kann dann nämlich ähnlich zu vorhin zeigen, dass für alle x ∈ M die<br />

Restriktionssabbildung Hn(M; Z/2) → Hn(M|x; Z/2) ∼ = Z/2 ein Isomorphismus<br />

ist.<br />

Der vierte Teil des Satzes folgt direkt aus dem Lemma (mit A := M).


TOPOLOGIE I 65<br />

Beweis. Der Beweis läuft in mehreren Schritten. Für gewisse Details verweisen<br />

wir auf die Argumente in Hatcher, S. 236 f. Wir lassen im folgenden die<br />

Koeffizienten G in unserer Notation weg. Zunächst beobachtet man: Falls<br />

A, B ⊂ M kompakte Teilmengen sind, so dass das Lemma für A, B und A∩B<br />

gilt, dann auch für A∪B. Dazu betrachtet man die (relative) Mayer-Vietoris<br />

Sequenz<br />

0 → Hn(M|A ∪ B) φ → Hn(M|A) ⊕ Hn(M|B) ψ → Hn(M|A ∩ B)<br />

wobei links 0 steht wegen der Annahme, dass das Lemma für A ∩ B gilt.<br />

Wenn wir die Abbildungen in Homologie, die von Inklusionen herkommen,<br />

unterdrücken, ist φ(a) = (a, a) und ψ(x, y) = x − y. Diese Sequenz zeigt<br />

sofort, dass Hi(M|A ∪ B) = 0, falls i > n. Die erste Aussage des Lemmas<br />

(für A ∪ B) zeigt man mit Diagrammjagd.<br />

In einem zweiten Schritt zeigt man, dass es genügt, den Fall M = R n zu<br />

untersuchen. Wir nehmen also an, dieser Fall sei bereits gezeigt. Sei nun wieder<br />

M beliebig. Dann ist jede kompakte Teilmenge A endliche Vereinigung<br />

von kompakten Teilmengen A1, . . . , Am, von denen jede in einer offenen Teilmenge<br />

≈ R n in M enthalten ist. Man macht nun Induktion nach m. Falls<br />

m = 1 (d.h. A = A1 ist in einer offenen Teilmenge ≈ R n enthalten), so<br />

ist die Aussage des Lemmas für dieses A klar, denn nach Ausschneidung<br />

ist dann H∗(M|A) ∼ = H∗(R n |A). Es sei nun das Lemma für alle kompakten<br />

Teilmengen in M gezeigt, die Vereinigung von m − 1 Mengen A1, . . . , Am−1<br />

der obigen Art sind. Ist nun A ⊂ M kompakt und Vereinigung von m Mengen<br />

A1, . . . , Am dieser Art, wenden wir den ersten Schritt des Beweises auf<br />

A1 ∪ . . . ∪ Am−1 und Am an. Diese beiden Kompakta erfüllen das Lemma<br />

nach Voraussetzung. Aber der Schnitt dieser beiden Mengen stimmt mit<br />

(A1 ∩ Am) ∪ . . . ∪ (Am−1 ∩ Am) überein und ist damit wieder Vereinigung<br />

von m − 1 kompakten Teilmengen, von denen jede in einer offenen Umgebung<br />

≈ R n enthalten ist. Wir können also auch auf diesen Schnitt die<br />

Induktionsvoraussetzung anwenden.<br />

Im dritten Schritt zeigen wir das Lemma im Falle M = R n und falls A<br />

Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer Mengen ist. Da der Schnitt<br />

je zweier kompakter konvexer Mengen wieder eine solche ist, kann man sich<br />

induktiv, ähnlich wie vorher, auf den Fall beschränken, dass A ⊂ R n eine<br />

kompakte konvexe Teilmenge ist. Dafür kann man aber das Lemma durch<br />

eine direkte Rechnung beweisen, denn dann ist die Restriktionssabbildung<br />

Hi(M|A) → Hi(M|x) für alle x ∈ A und alle i ≥ 0 ein Isomorphismus (dies<br />

folgt aus der Konvexität von A). Dies liefert den zweiten Teil des Lemmas.<br />

Für den ersten Teil findet man mit dem eben Gesagten für ein festes x ∈ A<br />

genau eine Klasse αA ∈ Hn(M|A), deren Einschränkung in Hn(M|x) mit<br />

µx übereinstimmt. Aus der lokalen Konsistenz von µ folgt nun, dass die<br />

Einschänkungen von αA mit µy für alle y ∈ A übereinstimmt.<br />

Es sei nun A ⊂ R n eine beliebige kompakte Teilmenge. Man zeigt das<br />

Lemma durch Betrachtung expliziter singulärer Ketten. Es sei α ∈ Hi(R n |A)


66 BERNHARD HANKE<br />

repräsentiert durch einen relativen singulären Zykel z. Dann ist ∂z eine Kette<br />

in R n − A, es sei C ⊂ R n − A die Vereinigung der Bilder der singulären<br />

Simplizes in dieser Kette. Da C als Vereinigung endlich vieler kompakter<br />

Teilmengen selbst kompakt ist, hat C positiven Abstand von A. Wir können<br />

daher A durch endlich viele abgeschlossene Kugeln überdecken, die C nicht<br />

treffen. Es sei K die Vereinigung dieser Kugeln. Dann definiert z auch einen<br />

relativen Zykel in Ci(R n |K) und damit ein Element β ∈ Hi(R n |K), das sich<br />

auf α einschränkt. Da K Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer<br />

Mengen ist, haben wir Hi(R n |K) = 0 für i > n (siehe den dritten Schnitt),<br />

daher ist β = 0, also auch α = 0. Ist die Einschränkgung von α auf alle<br />

Hn(R n |x) mit x ∈ A gleich 0, dann auch die Einschränkung von β auf alle<br />

Hn(R n |x) mit x ∈ K. Denn jedes x ∈ K liegt in einem abgeschlossenen<br />

Ball B ⊂ R n , der A berührt und damit ist bereits die Einschränkung von<br />

β auf Hn(R n |B) = 0, da - mit einem beliebigen y ∈ B - die Abbildung<br />

Hn(R n |B) → Hn(R n |y) ein Isomorphismus ist. Aus dem dritten Schritt (K<br />

ist ja Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer Mengen) folgt nun,<br />

dass β = 0, also auch α = 0. Dies zeigt die Eindeutigkeit im ersten Punkt<br />

des Lemmas. Für die ExistenzAussagen beachten wir, dass A in einer kompakten,<br />

konvexen Teilmenge B ⊂ R n (z.B. ein einer abgeschlossenen Kugel)<br />

enthalten ist. Damit gibt es nach dem dritten Schritt ein α ∈ Hn(R n |B)<br />

mit den richtigen Restriktionen auf Hn(R n |x), x ∈ B. Dieses Element α<br />

schränken wir nun einfach auf Hn(R n |A) ein. �<br />

Korollar 8.9. Es sei M eine zusammenhängende kompakte n-dimensionale<br />

Mannigfaltigkeit. Dann gilt: M ist genau dann orientierbar, falls<br />

Hn(M; Z) �= 0. In diesem Fall gilt Hn(M; Z) ∼ = Z und jeder Erzeuger dieser<br />

Gruppe entspricht auf kanonische Weise einer Orientierung von M.<br />

Falls M orientierbar ist, so nennen wir jeden Erzeuger von Hn(M; Z) ∼ = Z<br />

eine Fundamentalklasse von M. Es existieren dann genau zwei Fundamentalklassen<br />

und diese entsprechen genau den beiden Orientierungen von M.<br />

Proposition 8.10. Es sei M eine nichtkompakte zusammenhängende ndimensionale<br />

Mannigfaltigkeit. Dann gilt Hi(M; G) = 0 für alle i ≥ n und<br />

beliebige Koeffizienten G.<br />

Zum Beweis verweisen wir auf Hatcher, S. 239. Das folgende Resultat ist<br />

ebenfalls grundlegend für die Theorie der Mannigfaltigkeiten:<br />

Satz 8.11. Es sei M eine kompakte Mannigfaltigkeit. Dann ist für alle i ≥ 0<br />

die Homologie Hi(M; Z) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe (und gleich<br />

0, falls i > dim M).<br />

Insbesondere können wir also für kompakte Mannigfaltigkeiten M die<br />

Eulercharakteristik<br />

χ(M) :=<br />

dim �M<br />

i=0<br />

rk Hi(M; Z)(=<br />

dim �M<br />

i=0<br />

bi)


definieren.<br />

TOPOLOGIE I 67<br />

Definition. Ein topologischer Raum X heißt lokal zusammenziehbar, falls<br />

für jeden Punkt x ∈ X folgendes gilt: Ist U eine Umgebung von x, so existiert<br />

eine weitere Umgebung V ⊂ X von x mit V ⊂ U und so dass die Inklusion<br />

V ↩→ U homotop zu einer konstanten Abbildung ist.<br />

Es ist nicht schwer zu zeigen, dass topologische Mannigfaltigkeiten lokal<br />

zusammenziehbar sind.<br />

Satz 8.12. Es sei K ⊂ R n eine lokal zusammenziehbare abgeschlossene Teilmenge.<br />

Dann gibt es eine Umgebung U ⊂ R n von K, so dass die Inklusion<br />

K ↩→ U ein Retrakt ist (d.h es existiert eine stetige Abbildung r : U → K<br />

mit r|K = idK).<br />

Es gilt auch die Umkehrung dieses Satzes: Ist K ⊂ R n eine (nicht unbedingt<br />

abgeschlossene Teilmenge) und Retrakt einer Umgebung in R n , so ist<br />

K lokal zusammenziehbar. Diese Umkehrung werden wir aber nicht beweisen,<br />

sondern verweisen dazu auf Hatcher, S. 526 unten f.<br />

Wir nennen einen topologischen Raum X einen Euklidischen Umgebungsretrakt,<br />

falls folgendes gilt: Es existiert eine topologische Einbettung<br />

X ↩→ R n in einen Euklidischen Raum und für jede solche Einbettung ist<br />

das Bild Retrakt einer Umgebung in R n . Zusammen mit der Einbettbarkeit<br />

kompakter Mannigfaltigkeiten in Euklidische Räume (siehe Übungsblatt 12)<br />

haben wir also:<br />

Korollar 8.13. Kompakte topologische Mannigfaltigkeiten sind Euklidische<br />

Umgebungsretrakte.<br />

Beweis von Satz 8.11: Es sei M ⊂ R n eine kompakte Mannigfaltigkeit.<br />

Es sei U ⊂ R n eine Umgebung von M, so dass eine Retraktion r : U → M<br />

existiert. Da M kompakt ist, existiert ein k > 0 mit der folgenden Eigenschaft:<br />

Es sei W ⊂ R n ein n-dimensionaler Würfel mit Seitenlänge 1/2 k und<br />

Eckenkoordinaten von der Form z/2 k , z ∈ Z. Falls dann W ∩ M �= ∅, so gilt<br />

W ⊂ U. Wir wählen ein solches k und betrachten die Vereinigung V aller<br />

1/2 k Würfel im R n , die M berühren. Nach Wahl von k ist M ⊂ V . Da M<br />

kompakt ist, ist W ein endlicher CW-Komplex und hat somit endlich erzeuge<br />

Homologiegruppen. Die Einschränkung r|V : V → M ist ebenfalls eine<br />

Retraktion. Wir können also M als Retrakt eines endlichen CW-Komplexes<br />

schreiben. Durch Anwenden der Funktorialität des Homologiefunktors sieht<br />

man, dass r∗ : H∗(V ) → H∗(M) surjektiv ist (mit beliebigen Koeffizienten).<br />

Somit hat M endlich erzeuge Homologiegruppen.<br />

Bevor wir Theorem 8.12 beweisen, noch eine Bemerkung <strong>zur</strong> Fortsetzung<br />

von stetigen Abbildungen auf CW-Komplexen.<br />

Proposition 8.14. Es sei X ein CW-Komplex und Y ein topologischer<br />

Raum. Es sei f : X n−1 → Y eine stetige Abbildung. Dann sind äquivalent:<br />

• f lässt sich zu einer stetigen Abbildung X n → Y fortsetzen.


68 BERNHARD HANKE<br />

• Es sei<br />

X n = X n−1 ∪ (φα)α∈I<br />

α∈I Dn α<br />

Dann sind alle Kompositionen f ◦ φα : ∂D n → Y homotop zu konstanten<br />

Abbildungen.<br />

Beweis. Der Beweis folgt aus der folgenden Beobachtung: Ist φ : ∂D n → Y<br />

eine stetige Abbildung, so lässt sich φ genau dann auf D n fortsetzen, falls φ<br />

homotop zu einer konstanten Abbildung ist. �<br />

Wir kommen nun zum Beweis von Theorem 8.11. In einem ersten Schritt<br />

konstruieren wir eine CW-Struktur auf X := R n \ K, mit immer kleineren<br />

Zellen, wenn wir uns K nähern: Für k ≥ 0 sei Ck die Menge der ndimensionalen<br />

abgeschlossenen Würfel im R n mit Seitenlänge 1/2 k , deren<br />

Eckenkoordinaten alle von der Form z/2 k mit z ∈ Z sind. Jeder Würfel in<br />

Ck wird also in 2n Würfel aus der Menge Ck+1 zerlegt. Es sei nun A0 ⊂ C0<br />

die Menge der von K disjunkten Würfel und dann induktiv Ak+1 ⊂ Ck+1<br />

die Menge der von K disjunkten Würfel, die nicht ganz in einem Würfel aus<br />

A0 ∪ . . . ∪ Ak enthalten sind. Die Vereinigung<br />

∞�<br />

A =<br />

i=0<br />

überdeckt dann X (da X offen in R n ist) und induziert eine offensichtliche<br />

n-dimensionale CW-Struktur auf X (die entsprechenden Zellen identifiziert<br />

man am besten in einem Bild).<br />

Wir erhalten auf diese Weise zwei <strong>Topologie</strong>n auf X: Die Unterraumtopologie<br />

von R n und die CW-<strong>Topologie</strong>. Wir behaupten, dass diese <strong>Topologie</strong>n<br />

übereinstimmen (diese Diskussion ist für den weiteren Beweis wichtig, wird<br />

aber im Hatcher nicht geführt). Jede abgeschlossene Zelle der CW-Struktur<br />

ist ein abgeschlossener Würfel in R N und somit auch abgeschlossen in X.<br />

Also ist jede in X abgeschlossene Menge auch abgeschlossen bezüglich der<br />

CW-<strong>Topologie</strong> (da dann der Schnitt mit jeder abgeschlossen Zelle abgeschlossen<br />

ist). Es sei umgekehrt C ⊂ X eine Teilmenge, so dass der Schnitt<br />

von C mit jeder abgeschlossene Zelle abgeschlossen ist. Wir wollen zeigen,<br />

dass C auch bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen ist. Sei dazu<br />

(ci)i∈N eine Folge von Punkten in C, die bezüglich der Unterraumtopologie<br />

gegen einen Punkt x ∈ X konvergiert. Wir müssen zeigen, dass x ∈ C. Nach<br />

dem eben Gesagten gibt es eine offene Umgebung von x in X, die in einem<br />

endlichen Teilkomplex E der CW-Struktur enthalten ist. E ist als endlicher<br />

CW-Komplex kompakt, daher hat (ci) eine bzgl. der CW-<strong>Topologie</strong> konvergente<br />

Teilfolge in E, wir nehmen an, (ci) konvergiert selbst. Es sei c ∈ E<br />

der Grenzwert. Da C ∩ E abgeschlossen in (E, CW − <strong>Topologie</strong>) ist (nach<br />

Voraussetzung an C), gilt c ∈ C. Wir müssen also nur noch zeigen, dass<br />

c = x. Dies folgt aber daraus, dass die Identität<br />

(E, CW − <strong>Topologie</strong>) → (E, Unterraumtopologie)<br />

Ai<br />

˙�


TOPOLOGIE I 69<br />

stetig (und damit auch folgenstetig) ist, denn jede Teilmenge in E, die<br />

bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen ist, ist abgeschlossen in<br />

R n (E ⊂ R n ist ja als Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Würfel<br />

bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen), also auch abgeschlossen<br />

in X, damit auch bezüglich der CW-<strong>Topologie</strong> auf X und damit auch abgeschlossen<br />

in (E, CW − <strong>Topologie</strong>).<br />

Wir definieren nun induktiv einen Unterkomplex Z ⊂ X (wobei X mit<br />

der gerade konstruierten CW-Struktur versehen ist) und eine (bzgl. der CW-<br />

<strong>Topologie</strong> auf Z) stetige Abbildung r : Z → K wie folgt: Z 0 := X 0 und r<br />

bildet x ∈ Z 0 auf einen beliebigen Punkt r(x) ∈ K, ab mit<br />

dist(x, r(x)) = min(y,<br />

x)<br />

y∈K<br />

(man sieht leicht, dass dieses Minimum angenommen wird). Angenommen,<br />

Z k und r : Z k → K sind schon definiert. Eine (k + 1)-Zelle e k+1 ⊂ X k+1<br />

soll nun genau dann in Z k+1 liegen, wenn sich r| ∂e k+1 : ∂e k+1 → K auf<br />

e k+1 fortsetzen lässt (d.h. homotop zu einer konstanten Abbildung ist). In<br />

diesem Fall wählen wir als r| e k+1 so eine Fortsetzung, und zwar eine, deren<br />

Bild in K einen Durchmesser hat, der kleiner ist als zweimal das Infimum der<br />

Durchmesser der Bilder aller möglichen Fortsetzungen. Wir fahren induktiv<br />

fort und setzen Z := Z n .<br />

Wir zeigen nun die folgenden beiden Tatsachen:<br />

• Definieren wir r auf K als die Identität, so erhalten wir eine stetige<br />

Abbildung r : Z ∪K → K (wobei Z ∪K mit der Unterraumtopologie<br />

versehen ist).<br />

• Z ∪ K ist eine Umgebung von K ⊂ R n .<br />

Offensichtlich ist r an jedem Punkt in Z stetig, denn die Unterraumtopologie<br />

von Z stimmt mit der CW-<strong>Topologie</strong> überein. Es sei nun p ∈ K.<br />

Wir zeigen, dass r in p stetig ist und dass eine Umgebung von p in Z ∪ K<br />

enthalten ist. Sei dazu ɛ > 0 beliebig. Es sei Bɛ ⊂ K der offene Ball um x<br />

mit Radius ɛ (bzgl. der von R n induzierten Metrik). Aufgrund der lokalen<br />

Kontrahierbarkeit gibt es eine Folge von offenen Umgebungen<br />

Bɛ =: Un ⊃ Vn ⊃ Un−1 ⊃ Vn−1 ⊃ . . . ⊃ U0 ⊃ V0<br />

von p in K, so dass jede Inklusion Vi ↩→ Ui homotop zu einer konstanten<br />

Abbildung ist und außerdem 2·diamUi < diamVi+1 für alle 0 ≤ i ≤ n−1. Es<br />

sei η > 0 so klein, dass der offene η-Ball (in K) um p in U0 enthalten ist. Nun<br />

sei W ⊂ X der Unterkomplex bestehend aus denjenigen abgeschlossenen<br />

Zellen, die ganz im η/2-Ball (in R n ) um p enthalten sind. Dann ist r auf<br />

ganz W definiert und bildet jede Zelle in W nach Bɛ ab. Dafür zeigt man<br />

zunächst, dass r(W 0 ) ⊂ V0 und macht Induktion über die Gerüste von W<br />

(unter Ausnutzung der obigen Eigenschaften der Mengen Ui und Vi). Da<br />

W ∪ K eine Umgebung von p in R n ist und p beliebig gewählt war, ist somit<br />

Z ∪ K eine Umgebung von K. Da ɛ beliebig war und W im η/2-Ball um


70 BERNHARD HANKE<br />

p enthalten ist, ist aber r auch stetig in p. Dies schließt den Beweis von<br />

Theorem 8.12 ab.

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