Weindorfzeitung
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4<br />
Die Geschichte des Kirchheimer Weindorfes<br />
Weinfeste sind so alt wie der Weinbau selbst.<br />
In der Antike wurde dem Gott Bacchus zu<br />
Ehren gebechert, später feierte man die<br />
Winzer und ihre Arbeit. Das berühmteste<br />
Winzerfest in Kirchheim richtete Herzogin<br />
Henriette 1852 anlässlich des Besuchs König<br />
Georg V. von Hannover aus.<br />
Die Tradition der modernen Weindörfer ist<br />
nicht ganz so alt. Im Ländle gibt es sie etwa<br />
seit den 1970er und 80er Jahren. Mitte der<br />
80er trieb der Gedanke an ein Kirchheimer<br />
Weindorf dann auch Peter Bissinger vom<br />
Alten Haus um. Doch das Echo bei seinen<br />
Kollegen vom Wirtsverein war eher gering.<br />
Allein der Vorsitzende Rudolf Kübler vom<br />
Fuchsen und Reinhard Segatz vom<br />
Restaurantservice ließen sich sofort begeistern.<br />
1989 ö nete dann das Kirchheimer<br />
Weindorf erstmals seine Flaschen und<br />
Fässer. Ein langes Wochenende lang wurden<br />
auf dem Rollschuhplatz Württembergische<br />
Weine und schwäbische Spezialitäten kredenzt.<br />
Das Weindorfviertele kostete 4,50<br />
Mark!<br />
Nicht alle Kirchheimer Wirte waren begeistert<br />
vom 1. Weindorf. Manche fühlten<br />
sich übergangen und starteten per Anzeige<br />
am 16. September 89 im Teckboten sogar eine<br />
Gegenkampagne. Auch die Umweltschützer<br />
traten auf den Plan. In der Presse prangerten<br />
sie Schupfnudeln mit Lachs au plat du<br />
plastic an. Ab dem zweiten Jahr wurde<br />
entsprechend auf Porzellan serviert.<br />
Im Lauf der Jahre hatten viele Kirchheimer<br />
Gastronomen ihren Anteil am Erfolg des<br />
Weindorfes. Neben den drei Gründungsvätern<br />
auch Arnd Riewe vom Schinderhannes,<br />
Alfredo Pocaro vom Alfredo, Alex<br />
Huber von der Sonder-Bar, Oliver Sagrati<br />
vom Gasthaus, Michael Holz vom Bären,<br />
Robert Ruthenberg vom Wilder Mann,<br />
Walter Brackenhammer und Uwe Burk vom<br />
Pssst. Jeder der Wirte hat das Weindorf<br />
mitgeprägt.<br />
Nicht wenige Musikanten haben in 25 Jahren<br />
zur Unterhaltung beigetragen. Um hier nur<br />
ein paar zu nennen: Martin Stark & friends,<br />
Kir Royal, das Swingtett Franz Stiegler,<br />
die Mississippi Mudsharks, Ron Williams,<br />
Werner Dannemann und Miller Anderson<br />
(Woodstocklegende) und natürlich der<br />
Weindorfbarde Lothar Wolf.<br />
Seit 2010, dem ersten Kirchheimer Weindorf<br />
mit S-Bahn-Anschluss, kommen vermehrt<br />
auch Aus ügler aus der Region Stuttgart, die<br />
gern ihren Aufenthalt in Kirchheim mit<br />
einem Weindorf-Besuch krönen.<br />
2012 erklärte unsere Oberbürgermeisterin<br />
Angelika Matt-Heidecker das Weindorf bei<br />
der o ziellen Erö nung sogar kurzerhand<br />
zum fünften Kirchheimer Ortsteil. In der Tat<br />
übertrumpft das Fest in Sachen Besucherzahlen<br />
des Öfteren so manche kleine Teil-<br />
Gemeinde.<br />
Abgesehen von der zu frühen Sperrstunde<br />
und kleineren Handgrei ichkeiten, gab es<br />
bisher nie ernsthafte Probleme. Dass das so<br />
bleibt, dafür sorgt an den Wochenenden auch<br />
die Weindorfpatrouille.<br />
Im Lauf der Jahre wurden aus einer<br />
Wochenendveranstaltung ein großes Fest das<br />
über mehr als zwei Wochen geht und aus dem<br />
Kirchheimer Festkalender nicht mehr wegzudenken<br />
ist. Highlights, wie die kostenlose,<br />
historische Weinführung durch die Stadt von<br />
Stadtrat Andreas Kenner, sind inzwischen<br />
fester Bestandteil des Festprogramms. Das<br />
Weindorf ist noch lange nicht am Ende seiner<br />
Entwicklung. Es wird immer wieder Neues<br />
geben. Nur eines wird es auf dem Weindorf<br />
nie geben: Bier.<br />
Das Weindorf ist in seinem 26. Jahr nicht nur<br />
eine den Kirchheimern lieb gewordene<br />
Tradition, sondern die 5. Kirchheimer Jahreszeit<br />
im 5. Kirchheimer Stadtteil.<br />
Noch mehr Wissenswertes und Kurioses zum<br />
Weindorf nden Sie auf unserer<br />
Internetseite: www.weindorf.tv<br />
Text: Angelika Kröninger<br />
Bildergalerie auf Seite 6
25 Jahre Kirchheimer Weindorf<br />
4.September ´90<br />
6<br />
1992<br />
2010<br />
2002<br />
Wirte 1990: v.l.n.r. Reinhard Segatz,<br />
Frau Kübler, Peter Bissinger, Arnd Riewe<br />
2006<br />
2003<br />
Wirte 13/14: Robert Ruthenberg,<br />
Micha Holz, Walter Brackenhammer<br />
Wirte 2005: v.l.n.r. Oliver Sagrati OB<br />
Matt-Heidecker, Alex Huber, Micha Holz<br />
2006<br />
2011<br />
2006 2013<br />
2010<br />
Fotos und Anzeigen wurden uns freundlicherweise bereitgestellt von: Der Teckbote, Reinhard Segatz, Kurt Nuber
16<br />
Die Geschichte des Weins in Kirchheim/Teck und Umgebung.<br />
Ob bereits die Römer in Kirchheim Weinbau<br />
betrieben haben ist nicht überliefert, aber<br />
dass sie ihn hier getrunken haben, dürfen wir<br />
annehmen. Denn im 1. Jahrhundert n. Chr.<br />
trafen in Kirchheim zwei Römerstraßen<br />
aufeinander. Römische Siedlungsspuren aus<br />
jenerZeitsindinKirchheimnachgewiesen<br />
und der Fund eines römischen Rebmessers in<br />
Lau en ist Beleg dafür, dass zumindest im<br />
mittleren Neckarraum Weinbau betrieben<br />
wurde.<br />
Wein galt im Altertum als Grundnahrungsmittel.<br />
Allerdings wurde er ganz anders aufbereitet<br />
als heute. Um ihm einen herben Geschmack<br />
zu verleihen wurden Harz und Pech;<br />
für milden Geschmack Gips und Salze zugefügt,<br />
aber auch Zimt, Fichtennadeln und SafranfürAromaundFarbe.DurchBeigabevon<br />
Aloe wurde der Wein zudem öliger, wodurch<br />
er auch haltbarer wurde.<br />
Im 6. und 7. Jh., zur Zeit der Völkerwanderung,<br />
haben die Alemannen dann den<br />
Weinkonsum von den Römern übernommen.<br />
Aber immer noch handelte es sich vermutlich<br />
weitestgehend um Importware. Das dürfen<br />
wir auch für den Messwein annehmen,<br />
welcher in der im Jahre 960 n. Chr. erstmalig<br />
erwähnten Martinskirche, Verwendung fand.<br />
Wein wurde sicher auch an den Markttagen<br />
getrunken, nachdem Kaiser Otto Mitte I. des<br />
11. Jh. den Kirchheimern das Marktrecht<br />
verliehen hatte. Das Mittelalter kannte<br />
zudem vielfältige medizinische<br />
Anwendungen für mit allerlei Kräutern und<br />
anderen Ingredienzien versetzten Wein.<br />
Weinkonsum gab es in Kirchheim also durchgehend<br />
von der Antike bis heute. Weinanbau<br />
ist für unsere Gegend aber erst ab dem 12. Jh.<br />
belegt. 1112 wurden in Jesingen, am Südhang<br />
des Schafhofes Traubenstöcke gep anzt. In<br />
einer Kirchheimer Urkunde aus dem Jahr<br />
1275 ist die Rede von de vineis sitis in monte<br />
versus Atelingen (Wein auf dem Berge gegen<br />
Ötlingen). Zwischen dem 12. und dem 17. Jh.<br />
(bis zum 30jährigen Krieg) gewann der<br />
Weinbau kontinuierlich an Bedeutung. Die<br />
Weingärtner bildeten bald eine eigene<br />
Bruderschaft. 1406 wurden maister und die<br />
schower der wingarten zu kirchain, die von<br />
dem gericht dazu erwelt sint erwähnt. Wein<br />
wurde in der Kirchheimer Markung an den<br />
Steilhängen der Halden angebaut. Ötlinger-<br />
Wanger-, Jesinger Halde. Ab 1420 sind die<br />
Weingärten bei Westerbach (östlich des<br />
Schafhofs) nachgewiesen. Die Weinberge<br />
jener Zeit gehörten weitgehend dem Adel/der<br />
Herrschaft, der Kirche oder den Klöstern. Die<br />
Weingärtner waren auf den geliehenen Gütern<br />
abgabep ichtig. Entweder in Form von<br />
Geldbeträgen, oder in Form von Ertragsanteilen.<br />
Wurde der Wein gekeltert elen<br />
weitere Abgaben an. Üblich waren 2 Imi (= 36<br />
Liter) von jedem Fuder (=1763 Liter) an die<br />
Kelterknechte. 1/24 des gekelterten Weins<br />
als Kelterwein und 1/10 als Zehnt bekam die<br />
Herrschaft. 1485 betrug der Zehnt 200 Eimer<br />
12 Imi 7 Maß (= 59013 Liter).<br />
Im 15. und 16. Jh. gab es im Kirchheimer<br />
Stadtbereich fünf Keltern. Die Stadtkelter im<br />
heutigen Bereich Widerholtplatz/Marktplatz<br />
war die einzige Kelter innerhalb der Stadtmauer<br />
und el dem Stadtbrand von 1690 zum<br />
Opfer. Bei Bauarbeiten 1999 kamen die<br />
Fundamente wieder zu Tage. Die Mittelkelter,<br />
auch Große Kelter genannt, stand auf dem<br />
Gelände Alleenstraße 126. 1902 kaufte sie<br />
der Bierbrauer Schimming. Er riss sie ab und<br />
baute an dieser Stelle das Gasthaus Lamm,<br />
das 1945 im Krieg zerstört wurde. Die Äußere<br />
Kelter, auch Totenkelter genannt, befand sich<br />
im Bereich Friedhofsweg 2. Sie wurde 1902<br />
abgerissen. Heute steht hier die Friedhofskapelle.<br />
Die Magerskelter, vor 1397 erbaut<br />
undnachdem<br />
weiter auf Seite 18