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Neue Szene Augsburg 2015-08

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de

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36 FCAMORGEN SULZEMOOS?Die Groundhopper des Fanclubs »Preußen <strong>Augsburg</strong>«Der FC <strong>Augsburg</strong> hat 76 Fanclubs – aber nur einen, der auch der zweiten Mannschaft die Treue hält. Undnicht nur das: Einige Mitglieder von »Preußen <strong>Augsburg</strong>« sind leidenschaftliche GroundhopperFelix, Martin und Markus am Strand von Tallinn 2014 (v.l.)Auch das istFußball: MitteJuli treffen inWestendorf,knappe 30 Kilometernördlich von <strong>Augsburg</strong>,die Kreisklassenvereine VfL Westendorfund VfB Oberndorf in einem Testspiel aufeinander.Die Kreisklasse ist die drittniedrigste Liga imFreistaat, die Klubs müssten neunmal aufsteigen, umauf den FCA zu treffen. Während im Hintergrund dieBundesstraße 2 dröhnt, schenken sich die beidenMannschaften nichts: Die Partie ist trotz der Hitzehart umkämpft, die Zuschauer freuen sich über den3:3-Ausgleich kurz vor Spielende.Freilich sind es nicht allzu viele Zuschauer: Vor demSportheim sitzen rund zehn Männer mit Weizengläsern,eine rüstige ältere Dame gießt die Blumen amVerandageländer. Das Gespräch dreht sich um die anstehendeSaison, allerdings nicht auf dem grünenRasen, sondern im Wald: Es geht um Pilze. Irgendwannin der zweiten Halbzeit wird es mal kurz laut beieiner Auswechslung: »Des is doch dem Vorstand seiSohn!« Der Stadionsprecher stellt sein Getränk ab,wendet sich zur Soundanlage und verkündet denSpielernamen, wie er auch schon die komplette Mannschaftsaufstellungsowie alle Treffer und Torschützeninklusive Vorlagengeber gemeldet hat. Sogar ein kleinerTor-Jingle ist zu hören: »Song Two« von Blur, einKlassiker, der aber nur kurz angespielt wird. Manmuss es ja nicht übertreiben, außerdem wird das Weizenwarm.Ein Spiel alle 1,4 TageYvonne, Martin und Markus vom Fanclub »Preußen<strong>Augsburg</strong>« sind zufrieden. »Es ist schwer genug, zurzeitFußballspiele zu finden, dafür ist das hier dochganz gut«, erklärt Markus. Und Recht hat der 28-jährigeProjektleiter eines regionalen Energieversorgers:Der Bierpreis liegt knapp über zwei Euro, die Wurstsemmelsind okay und man trifft sogar Bekannte, direktam Spielfeldrand sitzt ein befreundeterGroundhopper aus München. Markus packt einenDinA4-Zettel aus und macht ein Kreuzchen: 139 Spielehat er dieses Jahr schon gesehen, das heißt rein statistischalle 1,4 Tage eine Partie. »Ein Ausnahmejahr«,wie er zugibt, und: »Manchmal macht man ja auchmehrere am Tag.«Yvonne, 32, ist Betriebswirtin und arbeitet bei einerVersicherung, Martin, ebenfalls 32, unterrichtetMathe, Physik und Informationstechnik an einer Realschule.Selbstredend sind alle drei FCA-Fans, aber fürsie hört das Fußballleben nicht jenseits der Arenaoder der Bundesliga auf, ganz im Gegenteil. Der naheliegendsteSchritt ist die zweite Mannschaft des FC<strong>Augsburg</strong>, offiziell U23 genannt, oder schlicht FCA II.»Preußen <strong>Augsburg</strong>«, 2005 von zwei Nordlichtern inder Rosenau gegründet und aktuell 25 Mitgliederstark, ist der einzige Fanclub in <strong>Augsburg</strong>, der nachMöglichkeit bei allen Spielen der zweiten Mannschaftdabei ist. Martin und Markus teilen sich darüber hinausden Posten des Fanbeauftragten beim »ÜbergangsbereichU23«, wie es auf der Homepage desVereins heißt. Sie kennen sich also bestens aus in der»Provinz«, die Gegner in der Regionalliga Bayern heißennicht nur Viktoria Aschaffenburg und FC Memmingen,sondern auch SV Schalding-Heining oder TSVBuchbach (der später noch eine Rolle spielen wird).Und es gibt sogar hier sogenannte »Problemspiele«,gegen die Nachwuchsteams der Münchner Clubs Bayernund 1860 etwa.Traumhafte Betonklötze mit MeerblickDie große Leidenschaft der drei sind Expeditionen ineine Welt, die im Verschwinden begriffen ist. Groundhoppingist für sie auch ein Kampf gegen die Zeit, imProfifußball meist als Kommerzialisierung geschmäht.»Wir sind definitiv Fußballromantiker und stehen aufdie Oldschool-Stadien, mit Flair, Geschichte und Tradition«,bekennt Markus. Und diese Perlen finden sichvermehrt im Osten Europas, in ihrem Fahrtenbuch stehenu.a. Finnland, Estland, Lettland, Ungarn, Polen,Tschechien, Slowakei sowie die Länder des früherenJugoslawiens. Alles nachzulesen im Blog ihres KumpelsFelix, in dem sich Bonmots finden wie »traumhafterBetonklotz«, womit das 1953 erbauteNépstadion in Budapest gemeint ist, das demnächstaufwändig umgebaut werden soll.Doch es geht auch noch weiter in die Ferne: Martinkann als Fan des englischen Fußballs unzählige Anekdotenvon Begegnungen auf der Insel erzählen, darunterdie Episode beim Londoner Club FC Millwall, alsihm ein betagter Herr mit einem Augenzwinkern fürdie Bombardierung im Zweiten Weltkrieg dankte. Aufgrunddes dabei entstandenen Lochs in der Stadionmauerhätte er als Kind die Spiele kostenlos sehenkönnen. Und selbst wenn kein Fußballausflug geplantist, stolpert man bisweilen über das runde Leder. Sogeschehen beim Urlaub in Vietnam: »Meine Freundinglaubt mir bis heute nicht, dass es Zufall war«, erzähltMartin lachend. »Für sie wäre es sogar okay gewesen,ein Spiel zu besuchen, aber ich habe imVorfeld keins gefunden.« Bei der Stadtbesichtigungin Hanoi stand trotz allem das alte Nationalstadionauf dem Plan: »Wir kommen ums Eck – und derSchiedsrichter nimmt gerade die Pfeife in den Mund!«Die Partie war im Netz nirgends zu finden und Martinerfährt bald, wieso: »Ministerialliga!« Und so saß ernahezu allein mit seiner Partnerin auf der Haupttribüneim 22.000-Zuschauer-Stadion in Hanoi bei derPartie Finanzministerium I gegen Finanzministerium II,ein unerwarteter »Länderpunkt« von mittlerweile einunddreißig.Markus und Martin haben beide vor Kurzemdie 300er-Marke geknackt, also über 300Stadien weltweit besucht, und doch betonen sie, dasssie zwar für »<strong>Augsburg</strong>er Verhältnisse« viel unterwegs,aber deutschlandweit nur »sehr kleine Fische«sind. »Es gibt viele, die das Groundhoppen wesentlichintensiver betreiben als wir und da wollen wir unsnicht groß aufspielen«, erklärt Markus bescheiden.Trotzdem: Ob es nicht komisch sei, ständig Mannschaftenzu sehen, zu denen man keinerlei Bezug hat,wo es letztlich vollkommen egal ist, wer gewinnt,frage ich – mit Blick auf VfL Westendorf gegen VfBOberndorf. »Wie das ist?« Die beiden Freunde sehensich an und antworten grinsend wie aus einem Mund:»Entspannt!« Im Gegensatz zu Spielen mit <strong>Augsburg</strong>erBeteiligung könne man in aller Ruhe das Stadionerkunden, die Fans beobachten, Leute kennenlernenoder einfach nur aufs Meer schauen wie im kroatischenRijeka. Etwas weniger entspannt dürfte dasgriechische Derby Panathinaikos Athen gegen OlympiakosPiräus 2011 gewesen sein, das Martin als seinbisheriges Highlight nennt. Markus schwärmt hingegenvom Duell HNK Rijeka gegen Dynamo Zagreb oderdem Sieg des Drittligisten Sheffield United gegen denPremier-League-Club Queens Park Rangers im englischenPokal.Lewski? Левски!Das in den Siebzigern im Mutterland des Fußballs aufgekommeneGroundhopping ist in Resteuropa nur bedingtzum Exportschlager geworden, außerhierzulande. »90 Prozent der Leute, die man im Auslandtrifft, sind Deutsche«, bestätigt Markus. Der Legendenach hat die kurz vor der Wiedervereinigungstehende Fußballrepublik bei der WM 1990 in Italienihre Reiseleidenschaft entdeckt. Die Bibel der deutschen<strong>Szene</strong> ist der 1996 zum ersten Mal erschiene,jährlich aktualisierte »Groundhopping-Informer«, vomVerlag ganz bescheiden als »Verzeichnis von ungefährallen Stadien dieser Welt« angepriesen. »Der großeVorteil ist, dass hier die Namen und Adressen in Lan-

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