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ph_dracula.pdf

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Szene aus dem Film„Nosferatu – Sym<strong>ph</strong>onie desGrauens“ von Fritz Murnau26ben. So gesehen nimmtsich Stokers Erzählweisegar nicht mehr so biederaus. Im Gegenteil: Erstjetzt wird einem auffallen,wie meisterhaft undgekonnt der Autor in seinemBuch eine permanente,die Spannung steigernde Atmos<strong>ph</strong>äre des Unausgesprochenenund lediglich Angedeuteten evoziert, so dass man den Eindruckhat, dass es unter der scheinbar allzu empfindsamen Oberflächegefährlich brodelt. Doch manchmal gibt Stoker diese aus Rücksichtauf seine sensiblen Leser selbst auferlegte Zurückhaltung bewusstauf und gewährt Einblicke ins Innere des Vulkans, in dem ein faszinierendgrausiges Gemisch aus entfesselter Erotik, schwärzestenAlptraumfantasien und brutalster Gewalt auszubrechen droht. DerartigeMomente gehören zweifelsohne zu den Höhepunkten desRomans. Zu diesen zählt etwa die Begegnung Jonathans mit dendrei Vampiren; die rätselhaften Vorgänge auf dem Schiff, mit demsich Dracula nach England einschifft; die Szene, in der man der untotenLucy den Pflock ins Herz rammt; die Vereinigung von Draculaund Mina; und natürlich das große Finale mit dem endgültigen Toddes Vampirs. An diesen Stellen, an denen Stokers Text ganz bewussteindeutig zweideutig wird, kann man erahnen, wie exzessiv des AutorsGewalt-, Macht und Erotikfantasien tatsächlich blühten. DerartigePassagen liefern quasi den Schlüssel für jene Teile des Romans,in denen Stoker die Leidenschaften – und zwar sowohl seine eigenenwie auch die seiner Leser – zügelt und in ruhigere, beschaulicheBahnen zu lenken sucht. Denn natürlich haben die Interpreten vonStokers „Dracula“ sehr wohl recht, die in dieser Erzählung eine mehroder weniger sublimierte Auseinandersetzung mit gerade im damaligenEngland verdrängten oder zumindest klein gehaltenen erotischenBedürfnissen und Sehnsüchten sehen. Man muss sich hier vorAugen halten, dass Stoker seinen Roman zur selben Zeit schrieb, inder Sigmund Freud sein System der Traum- und Triebstrukturen entwickelte.Dementsprechend kann man gerade die am Anfang desBuches beschriebene Fahrt Jonathans in das unwirkliche und düstereTranssilvanien, das von Stoker mit einer Spur westlicher Arroganzals ein Land in einem vorzivilisatorischen Zustand beschrieben wird,

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