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Redaktion Beratung Korrektur Aufsicht

Schülerzeitung - Robert-Koch-Oberschule

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I WANT TO GO INTO THE LIGHT<br />

Ihre helle Stimme hob sich, sodass sie bis zur hintersten Ecke des lichtdurchfluteten<br />

Klassenraumes drang; voll mit Leben erzählte sie von Abenteuern, drängte sich in mein Ohr -<br />

und verabschiedete sich in Sekundenschnelle. Ich erinnere mich, wie mir das linke Auge in<br />

Intervallen zuckte und die Stimme der Lehrerin wie das lästige Summen der Biene in mein<br />

Ohr einsickerte und bald monoton wurde. Wie mich das anödete, wenn sie die<br />

Vorlesungsstunden ankündete! Am liebsten hätte ich meinen Kopf mit dem Tisch bekannt<br />

gemacht und dabei wäre es auch geblieben. Es wäre eine interessante und laute Bekanntschaft<br />

gewesen. Mein Kopf und der Tisch gesellen sich zusammen, und ich bin Gott weiß wo. Bin<br />

ich ein Müßiggänger? Habe ich keine Beschäftigung? – Ja, es ist traurig ... („Leonce und<br />

Lena“ von Georg Büchner)<br />

Nach ein paar Seiten würde sie immer wieder für sechs Sekunden (Was die Leute nicht Alles<br />

aus Langeweile treiben!) schweigen, aufblicken, mit ihren grauen, um die Winkel sanft<br />

gealterten Augen in die Runde blicken und fragen: „Was habt ihr mit geschlossenen Augen<br />

gesehen, während ich die paar Seiten gelesen habe?“<br />

Ich an ihrer Stelle hätte gefragt, ob jemand eingeschlafen sei, denn wahrlich, durch die darauf<br />

folgende Stille hätte man doch meinen können, alle wären mit Freddy in der Traumwelt<br />

friedlich spazieren gegangen. Fast alle. Ein schmächtiger Arm mit weitem, dunklem Ärmel<br />

hob sich stets schüchtern empor und beantwortete die Frage mit einer erstaunlich detaillierten<br />

Wiedergabe, und ich fragte mich, ob er insgeheim das gleiche Exemplar des Buches unter<br />

dem Tisch versteckt aufgeschlagen habe. Streber. Wie oft ich doch versuchte, den Jungen mit<br />

Blicken aufzuspießen! Nicht nur, dass er ein super Gedächtnis besaß, nein, er sah auch<br />

komplett wie ein Idiot aus. Kaum zu glauben, dass jemand sich mit dermaßen in alle<br />

Himmelsrichtungen zerstrubbeltem, kurzem, nachtschwarzem Haar auf die Straße traute, mit<br />

einer drei Nummern zu großen Jeans und grünem Pulli. Zu allem Überfluss trug er auch noch<br />

eine runde Brille, deren Bügel tatsächlich mit Klebeband befestigt waren. „Streber.<br />

Bücherwurm.“ Das und ähnliches waren immer meine Gedanken, wenn ich Florian durch<br />

einen unglücklichen Zufall begegnen musste. Dass er the splitting image of my to-be-hero<br />

sein würde, kam mir nicht in den Sinn. Kann mir auch kaum jemand verübeln. Denn wer<br />

konnte schon ahnen, dass die Bücherhasserin in rund drei Jahren selber das Buch, das die<br />

Lehrerin so oft in den Händen hielt und von dem sie nur Schnee und einen fliegenden Zug<br />

(später sollte er sich als ein fliegendes Auto entpuppen) in Erinnerung hatte, an einem<br />

einzigen Tag verschlingen und binnen kurzem ein(e) Harry-Potter-Fan(atikerin) werden<br />

würde?<br />

Dass ich den ersten Band der Potter-Reihe aufgeschlagen hatte, war nur einer äußersten<br />

Notwendigkeit zu verdanken. Während einer der Wandertage in der 7. Klasse ging man in den<br />

1. Film der Serie. Ich täuschte Erkältung vor und blieb zu Hause. Im nächsten Jahr war Film<br />

Nummero 2 dran, und ich konnte dieselbe Nummer nicht noch einmal durchziehen.<br />

Deswegen durchkämmte ich alle Videotheken nach Film 1 - mit null Resultaten. Mit<br />

Ausweis und polizeilicher Anmeldung ausgestattet, stampfte ich zur AGB, ließ mir<br />

einen Bibliotheksausweis aushändigen und lieh mir das verhasste Buch „Harry Potter<br />

und der Stein der Weisen“ aus. Am darauf folgenden Tag rannte ich wie eine<br />

Besessene zur Bibliothek und war vor Mitternacht noch mit Band 2 „Harry Potter und<br />

die Kammer des Schreckens“ fertig. Innerhalb einer Woche hatte ich alle bis dahin vier<br />

erschienenen Bände durch und ein Hunger erwachte in mir, den ich bis heute kaum zu<br />

stillen vermag.<br />

Wolfgang und Heike Hohlbeins Romane, dick und mit schwarzem Bucheinband, der<br />

alle Farben und Blicke zu verschlingen schien, waren neben die Potter-Bände<br />

aufgereiht, und wie es dem Zufall beliebte, waren sie ebenfalls Fantasy-Romane. Band<br />

1 der Märchenmond-Trilogie erinnerte mich stark an die Potter-Welt und sehr bald fand

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