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Zeitschrift des Vierländer Kultur- und Heimatvereins De Latücht von 1987 e.V

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Winter auf Vierlandens Höfen<br />

<strong>von</strong> Prof. Dr. Ernst Finder (1865 bis 1940)<br />

Fortsetzung aus „<strong>Latücht</strong>“ 70, Seite 7<br />

<strong>De</strong>r Großknecht nahm wohl auf einem<br />

alten Lehnstuhl am oberen Ende <strong>des</strong><br />

nur an Sonn- <strong>und</strong> Festtagen mit einer<br />

groben „Dischweel“ gedeckten Tisches<br />

Platz, rechts <strong>von</strong> ihm auf der Bank saßen<br />

nach ihrem Dienstalter die Knechte<br />

<strong>und</strong> der Junge, links die Mädchen<br />

<strong>und</strong> Tagelöhner. <strong>De</strong>r Großknecht hatte<br />

auf Ordnung zu sehen; für sich, die<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen schnitt er Brot<br />

<strong>und</strong> Fleisch ab, die andern bedienten<br />

Die Tagelöhner waren zum Teil<br />

arbeitslose Handwerker<br />

sich selbst. Die Tagelöhner waren auf<br />

dem Hofe teils ständig tätige Arbeiter,<br />

teils in ihrem Berufe zeitweilig beschäftigungslose<br />

Bauhandwerker, Maurer <strong>und</strong><br />

Zimmerer, die um geringen Lohn, nicht<br />

selten nur für die Kost, droschen, damit<br />

der Erwerb <strong>des</strong> Sommers in der winterlichen<br />

Zeit nicht völlig aufging.<br />

Die Herrschaft aß schon um 1840 im allgemeinen<br />

nicht mehr mit den Dienstboten<br />

an einem Tische, nur auf kleineren<br />

Höfen hatte sich der Brauch erhalten.<br />

Zu Beginn <strong>des</strong> Essens zog nun jeder<br />

Messer <strong>und</strong> Gabel, die er in einem Lederfutteral<br />

bei sich trug, hervor, langte<br />

sich seinen Holzlöffel - seit den siebziger<br />

Jahren wurden sie durch zinnerne Löffel<br />

verdrängt - aus der Lederöse an der Wand<br />

oder vom Fensterhaken <strong>und</strong> aß, nachdem<br />

der Großknecht begonnen hatte, das Gebotene<br />

mit Drescherappetit. Neben der<br />

schon erwähnten „Büdelwust“, zu der<br />

ein Stück trockenes Schwarzbrot gegessen<br />

wurde, erfreute sich „kurzer Kohl“,<br />

der als „Lepelkost“ aus einer irdenen<br />

Schüssel gelöffelt wurde, besonderer Beliebtheit.<br />

Er ward, nachdem er gepflückt<br />

war, gereinigt <strong>und</strong> dann „afroit“, d.h.<br />

leicht angekocht, <strong>und</strong> hiernach <strong>von</strong> dem<br />

Jungen oft auf 14 Tage <strong>und</strong> länger im<br />

voraus gestoßen. Er sollte so fein sein,<br />

daß man ihn durch einen Strohhalm blasen<br />

konnte. Hineingekocht wurde <strong>von</strong><br />

der Hausfrau Hafergrütze, etwas Roggenmehl,<br />

Schweinemagen <strong>und</strong> „de Steek“,<br />

das Halsstück, wo das Schwein beim<br />

Schlachten gestochen war; es wurde<br />

auch wohl Grützwurst dazu geboten, neben<br />

diesen Speisen war auch Schwarzsauer<br />

ein oft vorgesetztes Morgengericht.<br />

Doch ließ es sich das Gesinde<br />

nur bis Fastnacht gefallen, nach diesem<br />

Zeitpunkte wies man es zurück. War der<br />

kurze Kohl ausgefallen, wurde zum<br />

Schluß eine Schüssel Süß- oder Sauermilch<br />

mit eingebrocktem Schwarzbrot<br />

gegessen, <strong>und</strong> zwar wieder aus einer<br />

großen, allen gemeinsamen Schüssel,<br />

während man sonst die festen Speisen,<br />

Fleisch, Klöße usw. sich mit der Gabel auf<br />

einen hölzernen Teller nahm, <strong>von</strong> dem<br />

man sie aß. Bis in die sechziger Jahre<br />

<strong>und</strong> vereinzelt noch länger ist vielfach<br />

auch noch bei Familienfestlichkeiten<br />

<strong>von</strong> solchen Tellern gegessen worden.<br />

Nach der Volksmeinung sollten die<br />

Speisen <strong>von</strong> ihnen genossen besser<br />

schmecken als aus irdenen Tellern <strong>und</strong><br />

auch die Messer sich nicht so leicht<br />

abnutzen. Kaffee, d.h. ein Aufguß <strong>von</strong><br />

Erbsen, Gerste, Weizen oder Roggen in<br />

geröstetem Zustande mit einem Zusatz<br />

<strong>von</strong> selbstgebauten, gleichfalls gerösteten<br />

Zichorien (Korbblütergattung, Wegwarte),<br />

mit Schwarzbrot nebst Butter<br />

oder Schmalz, gab es nur <strong>des</strong> Sonntags.<br />

<strong>De</strong>r satte Großknecht<br />

beendete das Mahl<br />

War der Großknecht mit dem Essen<br />

fertig <strong>und</strong> legte seine Gabel hin, war<br />

dies zugleich das Zeichen für alle<br />

Tischgenossen, aufzuhören. Man begab<br />

sich sofort wieder an die Arbeit.<br />

Es ging nun an das Tränken <strong>und</strong> Füttern<br />

<strong>des</strong> Viehs. Das erstere erfolgte<br />

zweimal am Tage am Sood, im Sommer<br />

um 8 Uhr <strong>des</strong> Morgens <strong>und</strong> um 5 Uhr<br />

<strong>des</strong> Nachmittags, im Winter um 9 bzw.<br />

4 Uhr. Die während dieser Zeit zu leistende<br />

Arbeit - während <strong>des</strong> Tränkens<br />

wurden die Ställe mit frischem Stroh<br />

versehen - fielen im Kuhstall der Großmagd<br />

<strong>und</strong> der Kleinmagd, im Pfer<strong>des</strong>tall<br />

dem Großknecht <strong>und</strong> dem Jungen<br />

zu. War diese Arbeit am Morgen erledigt,<br />

wurde die Diele gemacht, d.h. das<br />

Getreide ward abgeharkt <strong>und</strong> mit<br />

einem Strohbesen „affwoipt“. Das<br />

„Afharkels“ wurde den Pferden gern als<br />

Abendfutter auf die Raufe gesteckt.<br />

Nachdem das oberflächlich gereinigte<br />

Getreide an die Seite geworfen war,<br />

wurde die Diele aufs neue mit Garben<br />

angelegt. Wenn die Drescher sich recht<br />

heranhielten, konnten sie bis 12 Uhr<br />

mittags mit ihrem Tagewerk fertig sein.<br />

Wurde mehr gedroschen, erfolgte<br />

dafür besondere Entlohnung. Die Festsetzung<br />

der Arbeitsleistung war <strong>von</strong> der<br />

Obrigkeit in den Mandaten <strong>von</strong> 1760<br />

<strong>und</strong> 1772 erfolgt. Nach erledigter Arbeit<br />

säuberten sich die Drescher, die<br />

Knechte zogen besseres Zeug an, <strong>und</strong><br />

Die Obrigkeit legte<br />

die Arbeitsleistung fest<br />

nachdem man das Mittagessen eingenommen<br />

hatte, das einzige <strong>von</strong> den drei<br />

täglichen Mahlzeiten bei Tageslicht,<br />

gingen sie zu ihren Eltern, falls diese in<br />

der Nachbarschaft wohnten, um diesen<br />

zu helfen, vereinzelt waren sie auch gegen<br />

Entgelt benachbarten Gemüsegärtnern<br />

behilflich. Zuweilen ritten sie<br />

auch zum Vergnügen mit besonderer<br />

Erlaubnis <strong>des</strong> Hufners auf <strong>des</strong>sen<br />

Pferden ums Land - sie hatten dabei<br />

Gelegenheit zu zeigen, daß die Pferde<br />

<strong>von</strong> ihnen gut gefüttert, überhaupt in<br />

gutem Zustande gehalten waren -, oder<br />

sie verbrachten die Freizeit in einem <strong>von</strong><br />

einem Handwerker, meistens einem<br />

Schuster, gehaltenen Winkelkrug,<br />

Die Tagelöhner gingen<br />

mittags nach Hause<br />

„Krüselkrog“. Um 5 Uhr stellten sie sich<br />

zum Aben<strong>des</strong>sen <strong>und</strong> zum Viehfüttern<br />

wieder ein. Die Tagelöhner begaben<br />

sich nach dem Mittagessen nach Hause,<br />

um für sich zu arbeiten. Diese Arbeit<br />

bestand in Holzhacken, Stubbenroden,<br />

Buschhauen im Felde, in Korbflechten<br />

<strong>und</strong>, ebenso wie dieses eine oft geübte<br />

Tätigkeit, in der Herstellung <strong>von</strong> tressenartigen<br />

„Flechtels“ aus „Meddel“, d. i.<br />

gemeiner Windhalm (Agrestis spica<br />

venti), der an Grabenrändern, auf<br />

Wiesen <strong>und</strong> am <strong>De</strong>iche gef<strong>und</strong>en wird,<br />

oder aus Roggen-halmen, die um die<br />

Es gab drei unterschiedliche<br />

Qualitäten <strong>von</strong> „Flechtels<br />

Zeit der Heuernte gleich nach der Blüte<br />

aus der Hülse gezogen waren. Aus diesen<br />

Flechtels, <strong>von</strong> denen man je nach<br />

der Güte drei Sorten unterschied, stellte<br />

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