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Auswaertiges Amt 1943 - Roosevelts Weg in den Krieg - Geheimdokumente zur Kriegspolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten

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DIE ENTSTEHUNG DES KRIEGES VON 1939<br />

GEHEIMDOKUMENTE AUS EUROPÄISCHEN ARCHIVEN<br />

HERAUSGEGEBEN VON DER<br />

ARCHIVKOMMISSION DES AUSWÄRTIGEN AMTS<br />

ERSTE SCHRIFT<br />

ROOSEVELTS WEG IN DEN KRIEG<br />

GEHEIMDOKUMENTE<br />

ZUR KRIEGSPOLITIK DES PRÄSIDENTEN<br />

DER VEREINIGTEN STAATEN<br />

Deutscher Verlag - Berl<strong>in</strong> - <strong>1943</strong><br />

VORBEMERKUNG<br />

Die vorliegende Sammlung br<strong>in</strong>gt aus dem <strong>in</strong> deutsche Hände gefallenen Dokumentenmaterial französischer, polnischer,<br />

belgischer und an<strong>der</strong>er Herkunft 33 diplomatische Berichte und Aufzeichnungen, die e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Motive,<br />

Metho<strong>den</strong> und Ziele <strong>der</strong> Außenpolitik <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt gewähren.<br />

Die Sammlung umfaßt im wesentlichen die Zeit vom Herbst 1937, als <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> mit <strong>der</strong><br />

"Quarantäne"-Rede von Chicago se<strong>in</strong>e <strong>Krieg</strong>spolitik entschlossen zu betreiben begann, bis zum Zusammenbruch<br />

Arankreichs, <strong>der</strong> im Sommer 1940 die erste Phase dieser <strong>Krieg</strong>spolitik <strong>Roosevelts</strong> zum Abschluß brachte.<br />

Die Dokumente Nr. 15, 17, 18 und 21 s<strong>in</strong>d aus dem vom Auswärtigen <strong>Amt</strong> im Jahre 1940 herausgegebenen Weißbuch<br />

Nr. 3, "Polnische Dokumente <strong>zur</strong> Vorgeschichte <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es", bekannt. E<strong>in</strong>ige an<strong>der</strong>e Dokumente wur<strong>den</strong> auszugsweise<br />

bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tagespresse veröffentlicht. In <strong>der</strong> Übersicht wurde e<strong>in</strong>iges weiteres Material, <strong>des</strong>sen vollständige<br />

Wie<strong>der</strong>gabe über das Thema h<strong>in</strong>ausgeführt haben würde, ausgewertet und teilweise wörtlich angeführt.<br />

Die hiermit <strong>der</strong> Oeffentlichkeit übergebene Schrift ist die erste e<strong>in</strong>er Reihe, die unter dem Gesamttitel "Die Entstehung<br />

<strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es von 1939" zu diesem Thema Gelieimdokumente aus europäischeii Archiven br<strong>in</strong>gen soll.<br />

Berl<strong>in</strong>, im Frühjahr <strong>1943</strong><br />

Archivkommission<br />

<strong>des</strong> Auswärtigen <strong>Amt</strong>s<br />

ÜBERSICHT<br />

Als Roosevelt im Jahre 1933 se<strong>in</strong> <strong>Amt</strong> als Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> angetreten hatte, galten se<strong>in</strong>e Bemühungen<br />

<strong>in</strong> erstcr L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Lösung schwerwiegen<strong>der</strong> Probleme <strong>in</strong>nerpolitischer Natur. Außenpolitisch lebte das amerikanische<br />

Volk im Zeichen <strong>des</strong> Isolationismus, <strong>den</strong> es mit Hilfe <strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes von 1935 zu sichern suchte, und auch <strong>der</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>t griff zunächst nur selten <strong>in</strong> nicht-nordamerikanische Fragen e<strong>in</strong>. Die Beziehungen zwischen <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> und <strong>den</strong> Westmächten, die ohneh<strong>in</strong> durch das Problem <strong>der</strong> Rückzahlung <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sschul<strong>den</strong> <strong>der</strong> Alliierten stark<br />

gelitten hatten, waren damals noch wenig <strong>in</strong>tensiv.<br />

E<strong>in</strong>stellung gegenüber Deutschland<br />

Von um so größerer Bedeutung ist, was <strong>der</strong> Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Laboulaye, am 26. Januar 1934<br />

über die E<strong>in</strong>stellung <strong>Roosevelts</strong> zu Deutschland berichten kann (Dok. 1). Die Deutsche Regierung sah sich <strong>in</strong> jenen<br />

Wochen gezwungen, gewisse Begrenzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Transferierung von Z<strong>in</strong>szahlungen <strong>in</strong>s Ausland vorzunehmen, um <strong>der</strong><br />

schweren Wirtschaftskrise zu begegnen, die <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Reparationszahlungen und <strong>der</strong> späteren, <strong>in</strong> die Form von


Kreditgewährungen gekleideten Ausbeutungspolitik <strong>der</strong> AngloAmerikaner entstan<strong>den</strong> war. Diese Notmaßnahmen riefen<br />

bei Roosevelt e<strong>in</strong>en Wutausbruch hervor. Er vergaß sich so weit, daß er <strong>in</strong> Gegenwart mehrerer Amerikaner <strong>der</strong> Gatt<strong>in</strong><br />

<strong>des</strong> Französischen Botschafters mit lauter Stimme von se<strong>in</strong>en Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen mit dem Deutschen Botschafter<br />

erzählte und dabei die törichte Behauptung vorbrachte, Deutschland habe sich aus freien Stücken selbst zugrunde<br />

gerichtet.<br />

Botschafter de Laboulaye macht se<strong>in</strong>er Regierung von diesem, die Formen diplomatischer Gepflogenheiten völlig außer<br />

acht lassen<strong>den</strong> "Ausfall <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten" Mitteilung, wenn dieser ihm damit freilich auch, wie er me<strong>in</strong>t, "nichts Neues<br />

über se<strong>in</strong>e Ges<strong>in</strong>nung gegenüber Deutschland" gesagt habe. "Denn", so fährt er fort, "ich kenne ihn seit 21 Jahren, und<br />

ich habe von ihm seither, beson<strong>der</strong>s während <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es, aber auch noch vor dem <strong>Krieg</strong>se<strong>in</strong>tritt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong>, gleichartige, sogar noch stärkere Äußerungen über jene Land zu hören bekommen; aber es schien mir ... nicht<br />

un<strong>in</strong>teressant, daß Herr Roosevelt gerade gegenüber <strong>der</strong> Gatt<strong>in</strong> <strong>des</strong> Französischen Botschdters se<strong>in</strong>e Abneigung nicht<br />

nur gegen das Deutschland, Hitlers, son<strong>der</strong>n gegen Deutschland allgeme<strong>in</strong> zum Ausdruck brachte." Mit diesen Worten<br />

ist die Grunde<strong>in</strong>stellung <strong>Roosevelts</strong>, die se<strong>in</strong>e Außenpolitik von Anfang an bestimmt hat, von e<strong>in</strong>em führen<strong>den</strong><br />

französischen Diplomaten aufs unmißverständlichste gekennzeichnet.<br />

Stützpunktpolitik <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika<br />

Trotz se<strong>in</strong>er zunächst bezeugten außenpolitischen Reserve war <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>in</strong> Wahrheit jedoch we<strong>der</strong> an Europa noch<br />

an Late<strong>in</strong>amerika o<strong>der</strong> an Ostasien un<strong>in</strong>teressiert. Hatten <strong>in</strong> Mittel- und Südarrierika seit <strong>den</strong> neunziger Jahren <strong>des</strong><br />

vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts diplomatische E<strong>in</strong>mischungen <strong>in</strong> die <strong>in</strong>neren Wirren sowie brutale militärische Interventionen die<br />

Haupt<strong>in</strong>strümente <strong>der</strong> imperialistischen Politik <strong>der</strong> USA. gebildet, so wurde nun die Politik <strong>der</strong> "guten Nachbarschaft"<br />

verkündet. Die wirtschaftliche Stellung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> weiten Gebieten Late<strong>in</strong>amerikas war <strong>in</strong>zwischen so<br />

stark gewor<strong>den</strong>, daß ihre Vorherrschaft sich auch unter freundschaftlichen Formen aufrechterhalten ließ. Die Ziele <strong>der</strong><br />

USA. aber blieben die gleichen; <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wurde systematisch an <strong>der</strong> Festigung <strong>der</strong> militärischen Herrschaft über die<br />

<strong>Staaten</strong> <strong>des</strong> karibischen Raumes gearbeitet und die Erweiterung <strong>des</strong> Netzes <strong>der</strong> nordamerikanischen Flotten- und<br />

Luftstützpunkte zunächst imBereich <strong>des</strong>Panamakanals vorbereitet. E<strong>in</strong> französischer Diplomatenberirht zeigt an e<strong>in</strong>em<br />

charakteristischen Beispiel, daß Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt schon 1935 persönlich nachgeeigneten Schlüsselpositionen für die<br />

nordamerikanische Festsetzung Ausschau gehalten hat. Der Französische Geschäftsträger <strong>in</strong> Costarica schil<strong>der</strong>t amüsant<br />

und ironisch, wie Roosevelt e<strong>in</strong>e als Vergnügungsreise getarnte militärische Erkundungsfahrt nach <strong>der</strong> Kokos<strong>in</strong>sel<br />

unternimmt, sich über die völkerrechtliche Selbständigkeit e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Staates h<strong>in</strong>wegsetzt und ganz unabhängig von<br />

<strong>der</strong> später erfun<strong>den</strong>en Legende e<strong>in</strong>er Bedrohung Late<strong>in</strong>amerikas durch die totalitären <strong>Staaten</strong> se<strong>in</strong>e Stützpunktpolitik<br />

betreibt (Dok. 2).<br />

Was die Pläne <strong>des</strong> neuen Präsi<strong>den</strong>ten gegenüber Ostasien betrifft, so war Roosevelt trotz aller nach außen bekundeten<br />

Zurückhaltung von vornhere<strong>in</strong> gewillt, an <strong>der</strong> von dem Außenm<strong>in</strong>ister <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>tschaft Hoovers, Staatssekretär<br />

Stimson, verfolgten Politik festzuhalten und sich <strong>den</strong> japanischen Lebensbedürfnissen im ostasiatischen Raum<br />

gegebenenfalls mit Gewalt entgegenzustellen.<br />

"Quarantäne"-Rede 5. Oktober 1937<br />

Die außenpolitische Grundl<strong>in</strong>ie <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt war somit e<strong>in</strong>erseits durch das Festhalten an traditionellen<br />

Bestrebungen <strong>des</strong> nordarnerikanischen Imperialismus, an<strong>der</strong>erseits durch die Abneigung gegen Deutschland im<br />

allgeme<strong>in</strong>en und gegen das totalitäre Regime im beson<strong>der</strong>en bestimmt. Diese Grundl<strong>in</strong>ie, die sich allerd<strong>in</strong>gs erst dann<br />

erfolgreich <strong>in</strong> <strong>der</strong> großen Politik <strong>zur</strong> Geltung, br<strong>in</strong>gen ließ, wenn es gelang, die starken isolationistischen Ten<strong>den</strong>zen im<br />

amerikanischen Volk auszuschalten o<strong>der</strong> zu übergehen, trat <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Jahren <strong>der</strong> zweiten Präsi<strong>den</strong>tschaft <strong>Roosevelts</strong><br />

deutlicher <strong>in</strong> die Ersche<strong>in</strong>ung. Sie fand zum erstenmal programmatischen Ausdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chicagoer Rede vorn 5.<br />

Oktober 1937, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Roosevelt <strong>in</strong> selbstgewählter, bewußt aufsehenerregen<strong>der</strong> Schärfe gegen die "Epidemie <strong>der</strong><br />

Weltanarchie" zum Kampf aufrief und mit "Quarantäne" drohte. E<strong>in</strong>ige Wochen später verkündete er, daß die<br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gegebenenfalls im Kampfe gegen die "Aggressoren" die Führung übernehmen müßten. Von nun an<br />

greift Roosevelt planmäßig nicht nur <strong>in</strong> die Fragen <strong>der</strong> westlichen Hemisphäre, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> Europa und Ostasien<br />

e<strong>in</strong>. Über die Motive dieser öffentlichen Aktivierung <strong>der</strong> nordamerikanischen Außenpolitik, die e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>s starken<br />

Ausdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufrüstungspolitik f<strong>in</strong>det, gibt <strong>der</strong> Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton <strong>in</strong>teressante Aufschlüsse: e<strong>in</strong><br />

Jahr später berichtet Graf Potocki rückblickend, daß es notwendig gewesen sei, die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> amerikanischen<br />

Volkes von <strong>den</strong> <strong>in</strong>nerpolitischen Problemen, vor allem vorn Problem <strong>des</strong> Kampfes zwischen Kapital und Arbeit und <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit abzulenken, und daß Roosevelt nur durch die Schaffung e<strong>in</strong>er <strong>Krieg</strong>spsychose das amerikanische Volk<br />

<strong>zur</strong> Annahme se<strong>in</strong>es großen, über die Verteidigungsbedürfnisse <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> h<strong>in</strong>ausgehen<strong>den</strong><br />

Aufrüstungsprogramms habe br<strong>in</strong>gen können. Der <strong>Weg</strong> sei dar<strong>in</strong> "ganz e<strong>in</strong>fach" gewesen: man habe nur die<br />

<strong>Krieg</strong>sgefahr, die wegen <strong>des</strong> Kanzlers Hitler über <strong>der</strong> Welt hänge, "richtig <strong>in</strong>szenieren" und das Schreckgespenst e<strong>in</strong>es<br />

Angriffs <strong>der</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> auf die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> die Welt setzen" müssen (Dok. 15).


Frankreich gegen Japan vorgetrieben<br />

Zunächst und am unmittelbarsten war die Drohung <strong>Roosevelts</strong> jedoch gegen Japan gerichtet. Im Verfolg <strong>des</strong><br />

Wie<strong>der</strong>ausbruchs <strong>des</strong> japanisch-ch<strong>in</strong>esischen Konfliktes im Sommer 1937 hatte die Ch<strong>in</strong>esische Regierung an <strong>den</strong><br />

Völkerbund appelliert und überdies die E<strong>in</strong>berufung e<strong>in</strong>er Konferenz <strong>der</strong> Unterzeichnerstaaten <strong>des</strong><br />

Neunmächtevertrages nach Brüssel durchsetzen können. Die USA-Regierung gewährte <strong>den</strong> Ch<strong>in</strong>esen weitgehende<br />

moralische Unterstützung, ohne daß sie sich <strong>in</strong><strong>des</strong>sen - wie gerade die Brüsseler Konferenz zeigen sollte - zu aktivem<br />

E<strong>in</strong>satz entschlossen hätte. Noch im Jahr 1939 ist Roosevelt zwar nicht gewillt, Japan durch eigene Maßnahmen<br />

ernstlich entgegenzutreten, doch versucht er, an<strong>der</strong>e Mächte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Frankreich, gegen Japan vorzuschicken.<br />

E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> ersten Ziele <strong>der</strong> Amerikaner war, alle Maßnahmen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die die Lieferung von Waffen und Munition<br />

an Ch<strong>in</strong>a hätten bee<strong>in</strong>trächtigen können. Als daher die Französische Regierung <strong>den</strong> Bahntransport von Waffen und<br />

Munition aus Indoch<strong>in</strong>a nach Ch<strong>in</strong>a verbietet, läßt Roosevelt <strong>den</strong> Französischen Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton am 22.<br />

Oktober 1937 bitten, dem Französischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten "die Möglichkeit e<strong>in</strong>er nochmaligen Prüfung dieser Frage"<br />

nahezulegen, da er <strong>in</strong> dem Transportverbot e<strong>in</strong>e Benachteiligung Ch<strong>in</strong>as sehen müsse (Dok. 3). Vierzehn Tage später<br />

br<strong>in</strong>gt Roosevelt, <strong>der</strong> sich über <strong>den</strong> ungewöhnlichen Charakter se<strong>in</strong>er For<strong>der</strong>ung völlig klar ist, die Angelegenheit<br />

nochmals <strong>zur</strong> Sprache. Er versucht, die Französische Regierung, die sich bisher zu e<strong>in</strong>er Revision ihrer auf Wahrung <strong>der</strong><br />

Neutralität im Ch<strong>in</strong>akonflikt abzielen<strong>den</strong> Maßnahme nicht hat entschließen können, durch weitgehende Versprechungen<br />

voranzutreiben. "Ich habe <strong>in</strong><strong>des</strong>sen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck", eröffnet er diesmal persönlich dem Französischen Geschäftsträger,<br />

"daß Sie vielleicht übertriebene Befürchtungen hegen, und frage mich, ob Frankreich gut daran tut, unter <strong>den</strong><br />

gegenwärtigen Umstän<strong>den</strong> die politisch gewiß berechtigte Rücksicht auf Sicherheit Erwägungen moralischer Art<br />

voranzustellen ... Ist man sich <strong>den</strong>n <strong>in</strong> Frankreich nicht klar darüber, daß e<strong>in</strong> japanischer Angriff auf Ilongkong o<strong>der</strong><br />

Indoch<strong>in</strong>a o<strong>der</strong> auf Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien e<strong>in</strong>em Angriff auf die Philipp<strong>in</strong>en gleichkommen würde? Sollte dieser Fall<br />

e<strong>in</strong>treten, so wären unsere geme<strong>in</strong>samen Interessen <strong>in</strong> Gefahr, und wir müßten sie geme<strong>in</strong>sam schützen." Im weiteren<br />

Verlauf <strong>der</strong> Unterhaltung rückt <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t deutlich von <strong>der</strong> Neutralitätsgesetzgebung <strong>des</strong> Amerikanischen Kongresses<br />

ab und gibt zu verstehen, daß er die isolationistische E<strong>in</strong>stellung <strong>des</strong> amerikanischen Volkes mit allen Mitteln<br />

bekämpfen werde (Dok. 4).<br />

Der Französische Geschäftsträger glaubt allerd<strong>in</strong>gs, se<strong>in</strong>e Regierung vor e<strong>in</strong>er Überschätzung <strong>der</strong> Zusicherungen<br />

<strong>Roosevelts</strong> warnen zumüssen: "Zweifellos teilt die Mehrheit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> se<strong>in</strong>e persönlichen Ansichten über die<br />

Außenpolitik nicht, wie aus <strong>der</strong> Presse, aus Kundgebungen verschie<strong>den</strong>er Art und <strong>der</strong> Stimmung <strong>des</strong> Kongresses<br />

bervorgeht." Sehr bald stellt sich <strong>den</strong>n auch heraus, daß <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t se<strong>in</strong>e weitgehende Solidaritätserklärung ohne<br />

Wissen <strong>des</strong> Staatsdeparternents abgegeben hat, so daß er von dem leiten<strong>den</strong> Beamten dieses M<strong>in</strong>isteriums,<br />

Unterstaatssekretär Sumner Welles, zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>schränken<strong>den</strong> Richtigstellung veranlaßt wird. Der Französische<br />

Geschäftsträger betrachtet diesen Zwischenfall als so charakteristisch für die Verhältnisse <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, daß er se<strong>in</strong>en<br />

Außenm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vertraulichen Privatbrief auf die häufigen Unstimmigkeiten zwischen <strong>den</strong> weitgehen<strong>den</strong><br />

Äußerungen <strong>Roosevelts</strong> und <strong>der</strong> <strong>zur</strong>ückhalten<strong>der</strong>en amtlichen Stellungnahme <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

h<strong>in</strong>weisen und <strong>zur</strong> Vorsicht mahnen zu müssen glaubt. Auch die Chicagoer Rede sei <strong>in</strong> <strong>den</strong> entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Teilen das<br />

persönliche Werk <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten gewesen, was nach Ansicht <strong>des</strong> Gescbäftsträgers beweist, "wie weit <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong><br />

öffentlichen Me<strong>in</strong>ung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, und sogar se<strong>in</strong>en unmittelbaren Mitarbeitern und <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>er Regierung<br />

voraus ist" (Dok. 5).<br />

Auch weiterh<strong>in</strong> hat Roosevelt se<strong>in</strong>e persönlichen Versuche fortgesetzt, Frankreich zu aktiven antijapanischen<br />

Maßnahmen zu veranlassen. Er müsse <strong>der</strong> Französischen Regierung schwere Vorwürfe machen, erklärt er im Juni 1938<br />

dem Französischen Botschafter de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, daß sie die <strong>in</strong>doch<strong>in</strong>esische Grenze nach Ch<strong>in</strong>a geschlossen habe, und<br />

er fügt sich "nur mit Bedauern" dem französischen Wunsch, Komplikationen mit Japan zu vermei<strong>den</strong> (Dok. 9).<br />

Im Rahmen dieser antijapanischen Politik ist auch Sowjetrußland e<strong>in</strong> wertvoller Faktor, demgegenüber alle<br />

weltanschaulichen und <strong>in</strong>nerpolitischen Be<strong>den</strong>ken <strong>zur</strong>ückgestellt wer<strong>den</strong>. War doch <strong>der</strong> Wunsch, bei e<strong>in</strong>er<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Japan und Deutschland über <strong>den</strong> Russen verfügen zu können, schon für <strong>Roosevelts</strong><br />

Anerkennung <strong>der</strong> Sowjetunion im Jahre 1933 entschei<strong>den</strong>d gewesen." ... Die hiesige Regierung würde gern die Rote<br />

Armee als Sieger aus <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Japan hervorgehen sehen", berichtet im Frühjahr 1939 <strong>der</strong> Polnische<br />

Botschafter <strong>in</strong> <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, Graf Potocki. "Deshalb s<strong>in</strong>d auch die Sympathien <strong>der</strong> Regierung deutlich auf seiten<br />

Ch<strong>in</strong>as. Dieses erhielt letzth<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ansehnliche f<strong>in</strong>anzielle Hilfe <strong>in</strong> Höhe von 25 Millionen Dollar" (Dok. 19). Da die<br />

japanische Regierung schon im April 1934 hatte erklären lassen, daß sie jede fremde Gewährung von Anleihen an Ch<strong>in</strong>a<br />

ablehne, war dieses nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>e unfreundliche Handlung gegenüber Japan. Schließlich versteigt sich<br />

Roosevelt sogar dazu, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit de<strong>in</strong> Französischen Erziehungsm<strong>in</strong>ister, <strong>der</strong> ihn im Juni 1939 besucht, dem<br />

Wunsche Ausdruck zu geben, "Frankreich möge Ch<strong>in</strong>a jede nur mögliche Hilfe leisten". "Er glaubt", berichtet Sa<strong>in</strong>t-<br />

Quent<strong>in</strong>, "daß die ch<strong>in</strong>esische Unabb.ängigkeit gerettet wer<strong>den</strong> könne, wenn Ch<strong>in</strong>a se<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>stand noch e<strong>in</strong> Jahr<br />

lang fortsetze." Auch jetzt nagelt <strong>der</strong> Französische Botschafter die persönliche Verantwortlichkeit <strong>Roosevelts</strong> fest,<br />

<strong>in</strong>dem er betont, daß diese Äußerung wohl kaum vom Staatsdepartement amtlich bestätigt wer<strong>den</strong> würde (Dok. 23).<br />

"Erziehung" <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung


In <strong>der</strong> Tat: <strong>der</strong> Präsidet ist se<strong>in</strong>er Regierung weit "voraus", und um wieviel mehr noch <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>es<br />

Lan<strong>des</strong>! Die Chicagoer Rede war auf schärfste Ablehnung <strong>der</strong> großen Mehrheit <strong>des</strong> amerikanischen Volkes gestoßen.<br />

Somit erhob sich für <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und die ihm trotz gelegentlicher formeller Zurückhaltung auf dem <strong>Weg</strong>e se<strong>in</strong>er<br />

Außenpolitik folgende Regierung das Problem <strong>der</strong> "Erziehung` <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptmittel hierfür<br />

wer<strong>den</strong> die zahlreichen Re<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sich Roosevelt vor allem dar<strong>in</strong> gefällt, die "demokratischen Völker" mit <strong>den</strong><br />

"friedlieben<strong>den</strong>" gleichzusetzen und <strong>den</strong> flaß gegen Faschismus und alle Diktatoren zu predigen.<br />

Hatte sich die Rede von Chicago <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie gegen Japan gerichtet, so sollte sie gleichzeitig, doch auch Deutschland<br />

und Italien treffen. Seit dem Frühjahr 1938 wendet sich <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t Europa noch deutlicher zu. Klar erkennt <strong>der</strong><br />

Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton <strong>Roosevelts</strong> Absicht, Amerika zum beherrschen<strong>den</strong> Faktor <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Politik zu machen: er bediene sich dafür <strong>der</strong> nunmehr e<strong>in</strong>gebrachten, auf <strong>den</strong> Pazifik sowohl wie auf <strong>den</strong> Atlantik<br />

gerichteten großen Flottenvorlage e<strong>in</strong>erseits und <strong>der</strong> mit England geführten Handelsvertragsverhandlungen an<strong>der</strong>erseits.<br />

Die Aufrüstung verfolge <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>den</strong> hochpolitischen Zweck, e<strong>in</strong> Druckmittel beim Durchsetzen politischer<br />

For<strong>der</strong>ungen Amerikas <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Arena zu schaffen. Man wolle sich mit Hilfe <strong>der</strong> Flotte, <strong>der</strong>en Größe jetzt<br />

nicht mehr durch die Verteidigungsbedürfnisse <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> o<strong>der</strong> durch das Verhältnis <strong>zur</strong> japanischen o<strong>der</strong><br />

englischen Mar<strong>in</strong>e bestimmt weide, e<strong>in</strong> absolutes Übergewicht sichern und sich ihrer als e<strong>in</strong>es aktiven politischen<br />

Arguments bedienen (Dok. 7). Hervorzuheben ist, daß diese Politik noch vor dem Anschluß Österreichs mit größtem<br />

Nachdruck e<strong>in</strong>geleitet wurde.<br />

E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Ju<strong>den</strong><br />

Die öffentliche Me<strong>in</strong>ung reagiert zunächst noch immer nicht nach <strong>Roosevelts</strong> Wünschen, aber dem Präsi<strong>den</strong>ten stehen<br />

e<strong>in</strong>flußreiche Helfer bei <strong>der</strong> "Erziehung" <strong>des</strong> amerikanischen Volkes <strong>zur</strong> Verfügung: die Ju<strong>den</strong>. Die Ju<strong>den</strong>, berichtet <strong>der</strong><br />

Polnische Botschafter am g. Februar 1938, also ebenfalls noch vor dem Anschluß Österreichs, seien "die Vorkämpfer<br />

für die Schaffung <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sstimmung ..., welche die ganze Welt <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> stürzen und e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Katastrophe<br />

herbeiführen soll ... Dieser Haß führt <strong>zur</strong> Raserei. Er wird überall und auf jedem Schritt propagiert: im Theater, <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>os, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse. Die Deutschen wer<strong>den</strong> dargestellt als Volk, das unter dem Hochmut Hitlers lebt, <strong>der</strong> die ganze<br />

Welt erobern und die ganze Menschheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Meer von Blut ertränken will" (Dok. 6). Wenn man sich<br />

vergegenwärtigt, daß nach Angabe <strong>des</strong> Polnischen Botschafters Rundfunk, Film, Tagespresse und Zeitschriften zu fast<br />

100% <strong>in</strong> jüdischen Hän<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d (Dok. 15), kann man sich das Ausmaß dieser Propaganda vorstellen. Von dem höchst<br />

e<strong>in</strong>flußreichen F<strong>in</strong>anzmann Bernard Baruch, "<strong>den</strong> je<strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gern urn Rat fragt, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Innen- sowohl wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik", und von se<strong>in</strong>em gleichfalls höchst e<strong>in</strong>flußreichen jüdischen Freunde Herbert<br />

Swope heißt es etwas später, daß sie von rasendem Haß gegen Hitler erfüllt seien und vor allem mit Hitler "abrechnen"<br />

wollten, um "die Gefahr zu beseitigen, die <strong>der</strong> ganzen Welt drohe ... 1)."<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Polnischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, Graf Potocki, an <strong>den</strong> Polnischeb Außenm<strong>in</strong>ister vom 26. Mai<br />

1938.<br />

Als weitere Ju<strong>den</strong> aus <strong>der</strong> Umgebung <strong>Roosevelts</strong> zählt Potocki e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mal Felix Frankfurter, e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Pichter <strong>des</strong><br />

Obersten Gerichtshofes, <strong>den</strong> Schatzsekretär Morgenthau und <strong>den</strong> Gouverneur <strong>des</strong> Staates New York, Lehmann, auf,<br />

über <strong>der</strong>en Treiben er wörtlich folgen<strong>des</strong> sagt: "Für diese jüdische Internationale, die vor allem die Interessen ihrer<br />

Rasse im Auge hat, war das Herausstellen <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> auf diesen 'idealsten' Posten e<strong>in</strong>es<br />

Verteidigers <strong>der</strong> Menschenrechte e<strong>in</strong> genWer Schachzug. Sie haben auf diese Weise e<strong>in</strong>en sehr gefährlichen Herd für<br />

Haß und Fe<strong>in</strong>dseligkeit auf dieser Halbkugel geschaffen und haben die Welt <strong>in</strong> zwei fe<strong>in</strong>dliche Lager geteilt" (Dok. 15).<br />

Bis zu dem Augenblick, da die Ju<strong>den</strong> mit dem Ausbruch <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es ihr vorläufiges Ziel erreicht haben, verstärkt sich<br />

ihre Hetze nach Art e<strong>in</strong>es Trommelfeuers immer mehr, und leitende jüdische Beamte <strong>des</strong> Staatsdepartements, wie <strong>der</strong><br />

Vizeunterstaatssekretär Messersmith, überschlagen sich <strong>in</strong> Angriffen und Anwürfen gegen das deutsche Regime (Dok.<br />

13, 24).<br />

Anschluß Österreichs<br />

In gleichem Maße nimmt RooseveIts Aktivität ständig zu. Nach dem Anschluß Österreichs, <strong>der</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

ja <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise berührte, schiebt Herr Messersmith <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit dem Französischen Botschafter <strong>der</strong><br />

Regierung Chamberla<strong>in</strong> die Hauptverantwortung an dem Gel<strong>in</strong>gen <strong>des</strong> Anschlusses zu 1). Wie e<strong>in</strong> gut <strong>in</strong>formierter<br />

Beobachter berichtet, wurde <strong>in</strong> amerikanischen Regierungskreisen sogar <strong>der</strong> Öffentlichkeit gegenüber die Parole<br />

ausgegeben, das Bündnis <strong>der</strong> Demokratien sei durch das Verhalten <strong>der</strong> neuen Englischen Regierung erschüttert 2).<br />

Roosevelt aber zieht aus diesem Vorgang <strong>den</strong> Schluß, daß es unbed<strong>in</strong>gt nötig sei, die Wi<strong>der</strong>standskraft <strong>der</strong> Westmächte<br />

zu stärken.<br />

1) Telegramm <strong>des</strong> Französischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

vom 12. März 1938.


2) Havas-Telegramm aus Wash<strong>in</strong>gton vom 18. März 1938.<br />

Auf dieser L<strong>in</strong>ie liegt alles, was Roosevelt künftig tut o<strong>der</strong> spricht. Als <strong>der</strong> Botschafter de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong> auf <strong>den</strong><br />

angeblichen diplomatischen Sieg <strong>der</strong> Westmächte vom 21. Mai 1938 zu sprechen kommt - damals wurde bekanntlich<br />

von <strong>den</strong> Westmächten die Lüge von e<strong>in</strong>em deutscherseits geplanten Überfall auf die Tschechoslowakei verbreitet, <strong>der</strong><br />

durch e<strong>in</strong>e englisch-französische Demarche <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> im letzten Augenblick verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wor<strong>den</strong> sei -, ruft Roosevelt<br />

lebhaft aus: "Das war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat gute Arbeit", und gibt durch e<strong>in</strong>e nicht irißzuverstehende Boxergeste se<strong>in</strong>en Wunsch<br />

nach e<strong>in</strong>er Gewaltpolitik gegen die Achsenmächte zu erkennen. Anschließend erzählt er dem Französischen Botschafter<br />

begeistert von e<strong>in</strong>em im Weißen Haus vorgefüWten antideutschen Hetzfilm, <strong>der</strong> gerade <strong>zur</strong> Bearbeitung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> herausgebracht wor<strong>den</strong> war. Schließlich billigt er nachdrücklich die neue<br />

französische Politik, die jetzt e<strong>in</strong> erhebliches <strong>Krieg</strong>srisiko auf sich nehme, und unter stärkster Betonung <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>der</strong> französischen und amerikanischen LebensiDteressen - er geht so weit, zu versichern, daß <strong>der</strong><br />

Untergang Frankreichs auch <strong>den</strong> Untergang Amerikas bedeuten würde - läßt er dem Französischen Botschafter ke<strong>in</strong>en<br />

Zweifel darüber, daß <strong>der</strong> neue Kurs <strong>der</strong> Französischen Regierung <strong>in</strong> jedem Fall die Unterstützung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> f<strong>in</strong><strong>den</strong> werde. Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong> schließt se<strong>in</strong>en Bericht über diese Unterredung mit <strong>der</strong> Feststellung: "Diese Worte<br />

... gestatteten ke<strong>in</strong>en Zweifel über die Ges<strong>in</strong>nung <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und über die Richtung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er die amerikanische<br />

öffentliche Me<strong>in</strong>ung bearbeiten würde, wenn Frankreich an <strong>der</strong> Seite Englands mit <strong>den</strong> faschistisqhen Mächten ... <strong>in</strong><br />

Konflikt geraten würde (Dok. 9, vgl. auch Dok. 8).<br />

Neutralitätsgesetz<br />

Selbstverständlich ließen sich diese Haltung <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und die Folgerungen, die sich im <strong>Krieg</strong>sfall daraus ergaben,<br />

mit dem amerikanischen Neutralitätsgesetz <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen. Das Ernbargo auf <strong>Krieg</strong>smaterial hätte<br />

dem Präsi<strong>den</strong>ten trotz se<strong>in</strong>er vorbehaltlosen Solidaritätserklärungen nicht e<strong>in</strong>mal die Lieferung von Flugzeugen und<br />

Waffen erlaubt. Roosevelt selbst hat das Gesetz, das 1935 geschaffen und <strong>in</strong> <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Jahren abgewandelt und<br />

erneuert wor<strong>den</strong> war, um die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> für <strong>den</strong> Fall e<strong>in</strong>es Konfliktes wirklich neutral zu halten, niemals ernst<br />

genommen. Schon bei <strong>der</strong> Erneuerung <strong>des</strong> Gesetzes im Mai 1937 gel<strong>in</strong>gt es, die Machtbefugnis <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten ganz<br />

erheblich zu erweitern. Aber bereits zwei Monate vorher, als dieser Erfolg noch ganz ungewiß ist, macht Roosevelt dem<br />

Französischen Botschafter gegenüber mit eiskaltem Zynismus ke<strong>in</strong> Hehl daraus, wie er <strong>den</strong> S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> vom Kongreß mit<br />

solchem Nachdruck verteidigten Neutralitätsgesetzgebung zu umgehen ge<strong>den</strong>kt. "Er glaubt", so berichtet Herr de<br />

Laboulaye, , dieses Gesetz werde ihm h<strong>in</strong> länglicheVolknachten geben, um <strong>den</strong> kriegführen<strong>den</strong> Mächten, soweit sie die<br />

Vorherrschaft besäßen, zu erlauben, sich mit Rohstoffen und Fabrikaten e<strong>in</strong>zudecken, die nicht als <strong>Krieg</strong>smaterial<br />

anzusehen seien. Ohne ganz aus sich herausgeben zu wollen, hat Herr Roosevelt zu verstehen gegeben, daß das vom<br />

Kongreß angenommene Gesetz, wie immer es auch aussehen möge, kaum mehr als e<strong>in</strong>en theoretischen Wert habe, da ja<br />

bereits festgestellt wor<strong>den</strong> sei, daß die Ereignisse oft e<strong>in</strong>e unvorhergesehene Wendung nehmen und an<strong>der</strong>erseits die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung im Falle e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en <strong>Krieg</strong>es schwerlich dem Drucke werde wi<strong>der</strong>stehen können, <strong>den</strong> die<br />

amerikanische Industrie und <strong>der</strong> Handel auf sie ausüben wür<strong>den</strong>, um mit ihrer Ermächtigung von <strong>den</strong> Umstän<strong>den</strong> zu<br />

profitieren 1)." Mit diesen Worten bekennt Roosevelt zu allem übrigen auch noch ganz offen plutokratische E<strong>in</strong>flüsse<br />

auf die Regierung.<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Französischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Laboulaye, an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister vom 24.<br />

Februar 1937.<br />

Nicht an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>den</strong>kt se<strong>in</strong>e Regierung über das Neutralitätsgesetz. Im März 1938 erklärt <strong>der</strong><br />

Staatssekretär Cordell Hull, daß es <strong>den</strong> Verhältnissen angepaßt wer<strong>den</strong> müsse. Das bedeute, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

sich ihre Handlungsfreiheit für <strong>den</strong> Fall vorbehielten, daß e<strong>in</strong> <strong>Krieg</strong> <strong>den</strong> <strong>Staaten</strong> drohe, die "gleiche allgeme<strong>in</strong>e<br />

Anschauungen" wie die Amerikaner hätten 2). E<strong>in</strong>ige Monate später versichert die offiziöse "New York Times", daß<br />

ke<strong>in</strong> Neutralitätsgesetz das amerikanische Volk h<strong>in</strong><strong>der</strong>n könne, se<strong>in</strong>e natürlichen Verbündeten zu begünstigen 3), Auf<br />

dem Höhepunkt <strong>der</strong> Sudetenkrise, am 27. September 1938, beruhigt <strong>der</strong> Unterstaatssekretär Sumner Welles <strong>den</strong><br />

Französischen Botschafter, <strong>der</strong> wegen <strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes Sorgen äußert: Die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

habe, obwohl sie über die Entwicklung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung ke<strong>in</strong>e sicheren Voraussagen machen könne, "alle durch<br />

das Neutralitätsgesetz aufgeworfenen Fragen sorgfältig geprüft", und diese Prüfung sei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für die Westmächte<br />

"günstigen S<strong>in</strong>ne durchgeführt wor<strong>den</strong>". Unmißverständlich drängt also die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>zur</strong><br />

kriegerischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Deutschland. Summer Welles lobt im übrigen die im britischen Kab<strong>in</strong>ett erzielte<br />

E<strong>in</strong>stimmigkeit h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es bed<strong>in</strong>gungslosen englischen Beistandsversprechens an Frankreich (Dok. 10), nachdem<br />

e<strong>in</strong>ige Wochen vorher große Sorgen wegen e<strong>in</strong>er etwaigen englischen Kompromißpolitik bestan<strong>den</strong> hatten 4).<br />

2) Rede Cordell Hulls vom 18. März 1938.<br />

3) "New York Times" vom 15. Juni 1938.<br />

4) Bericht <strong>des</strong> Französischen Botschafters In Wash<strong>in</strong>gton, de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister vom<br />

30. August 1939.


München<br />

Nirgends herrschte dann größere Enttäuschung über das Abkommen von München, <strong>den</strong> "fatalen Frie<strong>den</strong> von München",<br />

wie <strong>der</strong> Jude Baruch sich auszudrücken beliebte 1), als im Weißen Hause. Nach <strong>Roosevelts</strong> erbitterten Äußerungen war<br />

München nichts an<strong>der</strong>es als "e<strong>in</strong>e Kapitulation Frankreichs und Englands vor dem kampflustigen deutschen<br />

Militarismus". In Wash<strong>in</strong>gton wurde die Version ausgegeben, Hitler habe Chamberla<strong>in</strong> "die Pistole auf die Brust<br />

gesetzt", und Frankreich und England hätten daher nichts an<strong>der</strong>es tun können als "e<strong>in</strong>en schändlichen Frie<strong>den</strong> schließen"<br />

(Dok. 15).<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Polnischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, Graf Potocki, an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister vom 21.<br />

Oktober 1938.<br />

E<strong>in</strong>e von <strong>der</strong> Deutschen, <strong>der</strong> Italienischen, Englischen und Französischen Regierung geme<strong>in</strong>sam gefun<strong>den</strong>e friedliche<br />

Lösung, die Aussichten für e<strong>in</strong>e weitere europäische Zusammenarbeit eröffnete, war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat alles an<strong>der</strong>e, als was<br />

Roosevelt wollte. Die Beschlüsse von München konnte er nicht mehr rückgängig machen, wohl aber alles e<strong>in</strong>setzen, um<br />

die damit verbun<strong>den</strong>en Zukunftshoffnungen zu sabotieren. So entschloß er sich zu e<strong>in</strong>er endgültigen Zusammenfassung<br />

aller Kräfte auf dieses Ziel h<strong>in</strong>. Late<strong>in</strong>amerika sollte unter Führung Wash<strong>in</strong>gtons zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Block<br />

zusammengeschweißt und zu klarer Frontstellung gegen die totalitären <strong>Staaten</strong> veranlaßt, die <strong>Krieg</strong>sbereitschaft <strong>der</strong><br />

"europäischen Demokratien", zu <strong>den</strong>en jetzt auch Polen gerechnet wurde, durch E<strong>in</strong>wirkung auf die Regierungen und<br />

durch För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> kriegslüsternen Parteien gestärkt und schießlich das eigene Land endgültig für die <strong>Krieg</strong>spohtik<br />

gewonnen wer<strong>den</strong>.<br />

"Politik <strong>des</strong> guten Nachbarn"<br />

Mit dem Jahre 1937 hatte e<strong>in</strong>e verstärkte außenpolitische Tätigkeit <strong>Roosevelts</strong> auch gegenüber Late<strong>in</strong>amerika<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Zu <strong>der</strong> nun auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> nordamerikanischen Publizistik offener erörterten Stützpunktpolitik gegenüber<br />

Mittelamerika kamen Verhandlungen mit südarnerikanischen <strong>Staaten</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en unter dem Motto <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Verteidigung <strong>der</strong> westlichen Hemisphäre die Entsendung nordamerikanischer Militär- und Mar<strong>in</strong>ernissionen und die<br />

"Verpachtung" nordamerikanischer <strong>Krieg</strong>sschiffe <strong>in</strong>s Auge gefaßt wur<strong>den</strong>. Innere Unruhen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

late<strong>in</strong>amerikanischen Län<strong>der</strong>n wur<strong>den</strong> als "Nazi"-Umtriebe h<strong>in</strong>gestellt, gegen die nur die Unterstützung <strong>des</strong> starken<br />

nordamerikanischen Bru<strong>der</strong>s Hilfe br<strong>in</strong>gen könne. Auf wirtschaftlichem Gebiet suchte das Weiße Haus die B<strong>in</strong>dung<br />

auch <strong>der</strong> größeren late<strong>in</strong>arnerikanischen <strong>Staaten</strong> an die nordamerikanischen Interessen durch die von Staatssekretär<br />

Cordell Hull zum weltanschaulichen Dogma erhobene Handelsvertragspolitik zu för<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> Politisch gesteuerte<br />

Anleihevergebungen <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> bereiten sollten. Gegenüber <strong>den</strong> mittelamerikanischen Kle<strong>in</strong>staaten konnte die<br />

Dollardiplomatie offener auftreten; <strong>der</strong> norda<strong>in</strong>erikanische Kolonialimperialismus hat hier se<strong>in</strong>e brutalen<br />

Erpressermetho<strong>den</strong> nicht e<strong>in</strong>mal formell dem Schlagwort <strong>der</strong> "Politik <strong>des</strong> guten Nachbarn" angepaßt. Nichts illustriert z.<br />

B. die völlige f<strong>in</strong>anzielle und damit auch politische Abhängigkeit <strong>der</strong> angeblich souveränen mittelamerikanischen<br />

<strong>Staaten</strong> von ihrem Piesennachbarn besser als <strong>der</strong> Bericht <strong>des</strong> Französischen Gesandten <strong>in</strong> Ciudad Trujillo vorn 11.<br />

Januar 1939, <strong>der</strong> von so grotesken Zustän<strong>den</strong> wie <strong>den</strong> Versuchen <strong>der</strong> Regierung von San Dom<strong>in</strong>go, sich durch<br />

organisierten Warenschmuggel wenigstens teilweise <strong>der</strong> nordamerikanischen F<strong>in</strong>anzdiktatur zu entziehen, e<strong>in</strong><br />

tragikomisches Bild gibt (Dok. 14).<br />

E<strong>in</strong>en erschöpfen<strong>den</strong> Überblick über die wirtschaftliche, kulturelle und militärische Durchdr<strong>in</strong>gungspolitik <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gegenüber Late<strong>in</strong>arnerika hat <strong>der</strong> Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorschau auf die<br />

für Ende Dezember 1938 nach Lima e<strong>in</strong>berufene VIII. Panamerikanische Konferenz gegeben. Der Botschafter er<strong>in</strong>nert<br />

an <strong>den</strong> von <strong>der</strong> Wash<strong>in</strong>gtoner Regierung seit längerer Zeit <strong>in</strong>spirierten "nationalistischen Feldzug panamerikanischer<br />

und sogar imperialistischer Färbung" und hebt beson<strong>der</strong>s die bereits damals auftauchen<strong>den</strong> For<strong>der</strong>ungen nach<br />

"Flottenstützpunkten <strong>in</strong> <strong>den</strong> französischen o<strong>der</strong> britischen Besitzungen <strong>der</strong> Antillen" hervor. Bezeichnen<strong>der</strong>weise<br />

erwähnt dieser vom 9. November 1938 datierte Bericht ausdrücklich, daß solch weitgehende Wünsche von <strong>den</strong><br />

"verantwortlichen Persönlichkeiten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>" mit dem Argument <strong>der</strong> Südarrierika angeblich drohen<strong>den</strong><br />

deutschen und faschistischen Gefahr begründet wur<strong>den</strong>. Über <strong>den</strong> Wahrheitsgehalt dieses <strong>in</strong> Zukunft immer häufiger<br />

auftauchen<strong>den</strong> Tamungsmittels <strong>des</strong> USA.-Imperialismus und <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>shetze vermag auch <strong>der</strong> französische Diplomat<br />

e<strong>in</strong>e skeptische Bemerkung nicht zu unterdrücken. Von <strong>den</strong> Handelsvertragsideen Cordell Hulls wird festgestellt, daß<br />

sie sich mit <strong>den</strong> Wirtschafts<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> USA. aufs beste deckten, <strong>den</strong> Bedürfnissen <strong>der</strong> Südamerikaner aber nicht <strong>in</strong><br />

gleicher Weise Rechnung trügen, da sich die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und die südamerikanischen Län<strong>der</strong> wirtschaftlich<br />

durchaus nicht ergänzten und für Late<strong>in</strong>amerika <strong>der</strong> unmittelbare Tauschhandel (wie er damals bekanntlich mit<br />

Deutschland <strong>in</strong> die <strong>Weg</strong>e geleitet wor<strong>den</strong> war) vorteilhafter sei. Der Botschafter weist weiter auf die immer größere<br />

Ausmaße annehmende Anleihepolitik Wash<strong>in</strong>gtons, auf die als Kulturpropagatida getarnte politische Propaganda und<br />

schließlich auf die für Limageplante Behandlung <strong>der</strong> "militärischen Verteidigung <strong>des</strong> amerikanischen Kont<strong>in</strong>ents" h<strong>in</strong>.<br />

Abschließend faßt er zusammen, daß die Regierung <strong>Roosevelts</strong> sich bei dieser Politik auf e<strong>in</strong> demokratisches Ideal<br />

berufe, "das für die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> selbst <strong>in</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong> panamerikanisches, imperialistisch durchsetztes Ideal


ist" (Dok. 11). Im gleichen S<strong>in</strong>ne äußert Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong> sich. e<strong>in</strong>ige Wochen später über e<strong>in</strong>e Rede Hulis: Der<br />

Staatssekretär habe "dem panamerikanischen Nationalismus Ausdruck" gegeben, und dieser Nationalismus trage "stark<br />

das Gepräge e<strong>in</strong>es Imperialismus, <strong>der</strong> sich schlecht h<strong>in</strong>ter unverdienten Komplimenten an die Schwesterrepubliken<br />

verbirgt 1)."<br />

1) Telegramm <strong>des</strong> Frranzösischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, an <strong>den</strong> französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

vom 10. December 1938.<br />

Lima-konferenz Dezember 1938<br />

Tatsächlich ist es <strong>der</strong> nordarnerikanischen Delegation auf <strong>der</strong> Panamerikanischen Konferenz unter Anwendung aller nur<br />

möglichen Druckmittel gelungen, die Annahme <strong>der</strong> Deklaration von Lima durchzusetzen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sämtliche<br />

late<strong>in</strong>amerikanischeil <strong>Staaten</strong> zum geme<strong>in</strong>samen Garanten <strong>der</strong> Monroe-Doktr<strong>in</strong> erklärt und die Solidarität ganz<br />

Amerikas "gegen alle fremde Intervention und Aktivität" proklamiert wur<strong>den</strong>. Damit war <strong>der</strong> <strong>Weg</strong> zu e<strong>in</strong>er noch engeren<br />

diplomatischen Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und <strong>den</strong> late<strong>in</strong>amerikanischen Län<strong>der</strong>n geebnet und<br />

praktisch <strong>der</strong> Führungsanspruch Wash<strong>in</strong>gtons <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zwischenstaatlichen Urkunde festgelegt.<br />

Im übrigen hat Cordell Hull die Konferenz benutzt, um die late<strong>in</strong>amerikanischen Delegierten offen gegen die<br />

Achsenmächte aufzuhetzen, für die E<strong>in</strong>kreisungspolitik zu werben und <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>spolitik <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> zu bereiten. Den<br />

Ausbau <strong>der</strong> Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und <strong>den</strong> südamerikanischen Län<strong>der</strong>n bemühte er sich zu<br />

stören, <strong>in</strong>dem er nach bereits bewährter Praxis das Gespenst politischer For<strong>der</strong>ungen von seiten Deutschlands jetzt<br />

beson<strong>der</strong>s stark heraufbeschwor. Darüber h<strong>in</strong>aus gab er unter heftigen Beschimpfungen <strong>des</strong> Führers und <strong>des</strong> Duce <strong>den</strong><br />

late<strong>in</strong>amerikanischen <strong>Staaten</strong> deutlich zu verstehen, daß Wash<strong>in</strong>gton bei e<strong>in</strong>em europäischen Konflikt nicht neutral<br />

bleiben, son<strong>der</strong>n sich auf die Seite <strong>der</strong> "liberalen Mächte" stellen würde (Dok. 16).<br />

Die E<strong>in</strong>mischungspolitik <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>in</strong> die europäischen Angelegenheiten bedient sich nun immer deutlicher e<strong>in</strong>er<br />

doppelten Methode: <strong>in</strong> Re<strong>den</strong> und im diplomatischen Verkehr br<strong>in</strong>gt er demonstrativ se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dschaft gegen die<br />

totalitären <strong>Staaten</strong> zum Ausdruck und droht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kongreßbotschaft vom 3. Januar 1939 zum erstenmal mit <strong>den</strong><br />

"methods short of war"; gleichzeitig setzt er alles daran, die demokratischen Län<strong>der</strong> auf die E<strong>in</strong>kreisungspolitik<br />

festzulegen.<br />

Arbeitsmetho<strong>den</strong> <strong>des</strong> Weiße Hauses<br />

Für die Erkenntnis <strong>der</strong> Motive <strong>der</strong> <strong>Roosevelts</strong>chen Politik s<strong>in</strong>d Ausführungen, wie sie Potocki <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bericht vom 7.<br />

März 1939 über die ArbeitsMetho<strong>den</strong> im Weißen Hause und <strong>den</strong> autokratischen Charakter <strong>der</strong> RooseYeltschen<br />

Geschäftsführung macht, beson<strong>der</strong>s aufschlußreich. Als letztes Motiv <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten wird hier seitens <strong>des</strong> polnischen<br />

Diplomaten nichts an<strong>der</strong>es als Geltungsbedürfnis aufgedeckt: "Persönlich sieht <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik se<strong>in</strong>es<br />

Lan<strong>des</strong> e<strong>in</strong> Mittel <strong>zur</strong> Befriedigung <strong>des</strong> eigenen Ehrgeizes, gern hört er aufmerksam auf das Echo, das aus <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Hauptstädten <strong>der</strong> Welt zu ihm wi<strong>der</strong>hallt." In <strong>der</strong> Methode, alle diplomatischen Berichte selbst zu bearbeiten, <strong>in</strong> dem<br />

häufigen persönlich und geheim gepflogenen Gedanken-mtausch mit se<strong>in</strong>en oft nach Wash<strong>in</strong>gton berufenen<br />

Botschaftern, die meist Se<strong>in</strong>e persönlichen Freunde seien, sehe Roosevelt das beste Mittel <strong>zur</strong> Aktirung se<strong>in</strong>er Politik.<br />

Auf diese Weise wür<strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> "auf gefährliche Bahn <strong>der</strong> Weltpolitik geführt" (Dok. 19).<br />

Aufrüstung<br />

Der gleiche Bericht entlarvt das Doppelspiel <strong>der</strong> <strong>Roosevelts</strong>chen Aufrüstungspolitik, die die notwendige Ergänzung<br />

se<strong>in</strong>er Hetzpolitik darstellt: Während Roosevelt, um die Bewilligung <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten Riesensummen zu erreichen, dem<br />

eigenen Volke vorspiegele, daß man nicht etwa rüste, um im Fall <strong>des</strong> als unvermeidbar dargestellten Konfliktes <strong>in</strong><br />

Europa e<strong>in</strong>zugreifen o<strong>der</strong> sich mit England und Frankreich zu verbün<strong>den</strong>, son<strong>der</strong>n nur um die eigene Macht zu stärken,<br />

gebe er durch die Aufrüstungspolitik <strong>der</strong> Welt <strong>in</strong> offiziell zu erkennen, "daß im <strong>Krieg</strong>sfalle die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> mit<br />

ihrer ganzen militärischen und f<strong>in</strong>anziellen Macht auf seiten <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong> stehen" wür<strong>den</strong> (Dok. 19).<br />

Deutsch-polnischer Konflikt. <strong>Krieg</strong>streiberei Bullitts<br />

Nach dem ersten Rückschlag, <strong>den</strong> das Münschener Abkommen für die <strong>Krieg</strong>spolitik <strong>des</strong> Weißen Hauses zu bedeuten<br />

schien, wandte Roosevelt nun mehr se<strong>in</strong>e ganze Aufmerksamkeit <strong>der</strong> immer kritischer wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

deutsch-polnischen Beziehungen zu. Diese Spannungen je<strong>den</strong>fal schienen, wenn man sie entsprechend verstärkte, die<br />

gewünschte Explosion zu versprechen. Die Depeschen <strong>des</strong> Polnischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton bezeugen aufs<br />

unmißverständlichste das Ziel <strong>der</strong> amerikanischen Politik: alles, was Potocki über <strong>Roosevelts</strong> Politik im allgeme<strong>in</strong>en<br />

o<strong>der</strong> über se<strong>in</strong>e Gespräche mit führen<strong>den</strong> Persönlichkeiten im beson<strong>der</strong>en zu berichten hatte, mußte <strong>in</strong> kriegerischem


S<strong>in</strong>ne wirken. Des weiteren verfügte Roosevelt <strong>in</strong> William C. Bullitt über e<strong>in</strong>en Botschafter <strong>in</strong> Paris, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> dieser<br />

Richtung durch beson<strong>der</strong>en Eifer und Initiative auszeichnete. Seit <strong>der</strong> Chicagoer Rede benutzte Bullitt <strong>den</strong> Pariser<br />

Posten, <strong>den</strong> er seit 1936 <strong>in</strong>nehatte, um <strong>den</strong> Franzosen die ihnen von Berl<strong>in</strong> und Rom angeblich drohen<strong>den</strong> Gefahren an<br />

die Wand zu malen. Je stärker Roosevelt se<strong>in</strong>e Europapolitik aktivierte, um so mehr wurde <strong>der</strong> Botschafter, dem<br />

beson<strong>der</strong>e Vollmachten auch gegenüber amerikanischen Missionschefs <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Hauptstädten<br />

übertragen wor<strong>den</strong> waren, zum Sprachrohr <strong>Roosevelts</strong> für ganz Europa.<br />

Bereits im November 1938 erklärte Bullitt bei e<strong>in</strong>em Aufenthalt <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton dem Polnischen Botschafter unter<br />

Haßausbrüchen gegen <strong>den</strong> Führer, "daß nur Gewalt, schließlich e<strong>in</strong> <strong>Krieg</strong>, <strong>der</strong> wahns<strong>in</strong>nigen Expansion Deutschlands <strong>in</strong><br />

Zukunft e<strong>in</strong> Ende machen" könne. Und er scheute sich auch nicht, <strong>den</strong> polnischen Freund zu h<strong>in</strong>tergehen, <strong>in</strong>dem er ihm<br />

vorspiegelte, daß die Stimmung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gegenüber dem Nazismus und Hitlerismus so gespannt sei,<br />

"daß schon heute unter <strong>den</strong> Amerikanern e<strong>in</strong>e ähnliche Psychose" herrsche "wie vor <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>serklärung Amerikas an<br />

Deutschland im Jahre 1917". Zweifellos, versichert er auf die Frage <strong>des</strong> Polen, wür<strong>den</strong> die Amerikaner am <strong>Krieg</strong>e<br />

teaelunen, aber erst, nachdem Frankreich und England ihrerseits losgeschlagen hätten 1).<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Polnischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, Graf Potocki, an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister vom 21.<br />

November 1938 (Weißbuch 3, Nr. 4).<br />

E<strong>in</strong>ige Wochen später gew<strong>in</strong>nt Potocki aus Bullitts Äußerungen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck, daß er von Roosevelt "e<strong>in</strong>e ganz genaue<br />

Def<strong>in</strong>ition <strong>des</strong> Standpunktes erhalten hat, <strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bei <strong>der</strong> heutigen europäischen Krise e<strong>in</strong>nehmen".<br />

Um so bemerkenswerter dürfte es se<strong>in</strong>, daß Bullitt jetzt <strong>den</strong> Polnischen Botschaftern <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton und Paris gegenüber<br />

mehrfach jede Kompromißpolitik mit <strong>den</strong> totalitären <strong>Staaten</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Front er nun auch Italien e<strong>in</strong>bezieht, schärfstens<br />

verdammt und wie<strong>der</strong>um die Versicherung aktiven E<strong>in</strong>greifens auf seiten Englands und Frankreichs gibt; gleichzeitig<br />

erteilt er <strong>der</strong> polnischen Außenpolitik e<strong>in</strong> aufmuntern<strong>des</strong> Lob (Dok. 17, 18). Im März unternimmt er es dann, <strong>in</strong> London<br />

auf <strong>den</strong> Abschluß e<strong>in</strong>es polnischenglischen Bündnisses drängen zu lassen, und er scheut sich nicht, <strong>den</strong> Polnischen<br />

Botschafter darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß man <strong>in</strong> Wasb<strong>in</strong>gton "im Besitz von Mitteln" sei, mit <strong>den</strong>en man "e<strong>in</strong>en wirklichen<br />

Zwang auf England ausüben" könne. "An die Mobilisierung dieser Mittel werde er ernstlich <strong>den</strong>ken." Unter Ausnutzung<br />

<strong>der</strong> "ihm zustehen<strong>den</strong> Rechte" beauftragt er Kennedy, <strong>den</strong> Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> London, die<br />

Angelegenheit bei "kategorischer Betonung <strong>der</strong> Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Englischen Regierung" mit dem<br />

M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Chamberla<strong>in</strong> zu besprechen (Dok. 21). Kennedy, <strong>der</strong> von s . e<strong>in</strong>er weisungsgemäß nachgesuchten<br />

Unterredung mit Charnberla<strong>in</strong> offenbar befriedigt ist, treibt auch se<strong>in</strong>erseits die Polen noch vorwärts, <strong>in</strong>dem er ihnen <strong>den</strong><br />

Rat gibt, möglichst oft <strong>in</strong> London zu wie<strong>der</strong>holen, daß sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Danziger Frage zum Wi<strong>der</strong>stand entschlossen seien 1).<br />

Am 31. März gibt dann bekanntlich die Britische Regierung die verhängnisvolle Garantieerklärung an Polen.<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Polnischen Botschafters <strong>in</strong> London, Graf Raszynski, an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister vom 29. März<br />

1939 (Weißbuch 3, Nr. 12).<br />

Nicht lange vor <strong>Krieg</strong>sausbruch gewährt noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> polnischer Bericht E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die amerikanische Hetze.<br />

Während Warschau im Vertrauen auf die englische Blankovollmacht se<strong>in</strong>e Provokationspolitik durch Drohungen gegen<br />

Danzig und Verfolgung <strong>der</strong> deutschen Volksgruppe auf die Spitze treibt, besche<strong>in</strong>igt Sunmer Welles dem Polnischen<br />

Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton "die großartige Haltung Polens", Gleichzeitig bestärkt Herr Messersmith <strong>in</strong> völliger<br />

Verkennung <strong>der</strong> Tatsachen <strong>den</strong> polnischen Größenwahn. "Die unnachgiebige Haltung <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong>,<br />

darunter auch Polens", erklärt er dem Polnischen Geschäftsträger, würde das verhaßte deutsche Regime zu Fall br<strong>in</strong>gen<br />

(Dok. 24).<br />

Zusammenspiel mit <strong>den</strong> Westmächten<br />

Im Spiel Wash<strong>in</strong>gtons s<strong>in</strong>d alle Figuren recht. Auch dem neutralen Belgien wird unmißverständlich klargemacht, wie die<br />

Gruppierung im Konfliktsfall aussehen wird. Schon <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Monaten <strong>des</strong> Jahres 1939 erklärt Staatssekretär<br />

Cordell Hull dem Belgischen Son<strong>der</strong>gesandten, Botschaftsrat Fürst von Ligne, als die Möglichkeit e<strong>in</strong>es Konflikts <strong>in</strong><br />

Westeuropa erörtert wird: "Wir wür<strong>den</strong> vielleicht drei Tage, drei Wochen o<strong>der</strong> drei Monate brauchen, but we would<br />

move." Die Massen seien jetzt bereits weitgehend erzogen; "vor sechs Wochen wäre es uns niemals möglich gewesen,<br />

so viel <strong>Krieg</strong>smaterial zu liefern, wie wir jetzt Frankreich und England liefern." Die Haltung Wash<strong>in</strong>gtons kennzeichnet<br />

<strong>der</strong> Belgische Beobachter <strong>in</strong> folgen<strong>den</strong> Sätzen: "Auf militärischem Gebiet sche<strong>in</strong>t Amerika e<strong>in</strong>e Aufrüstung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft<br />

und zu Wasser zu beabsichtigen, die bis <strong>zur</strong> Grenze <strong>des</strong> Notwendigen geht. Auf wirtschaftlichem Gebiet faßt es <strong>den</strong><br />

Boykott <strong>des</strong> Handels <strong>der</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong>s Auge; auf diplomatischem Gebiete endlich tritt das E<strong>in</strong>vernehmen mit<br />

England täglich mehr <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung, und das Neutralitätsgesetz wird sicherlich aufgehoben wer<strong>den</strong>, vielleicht sogar<br />

schon, bevor es se<strong>in</strong>e Probe hat bestehen können..." Selbstverständlich wird erwartet, daß Belgien für se<strong>in</strong> eigenes<br />

Verhalten aus diesen Eröffnungen die entsprechen<strong>den</strong> Folgerungen, zieht (Dok. 20).<br />

Druck auf England


Doch auch England wurde <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton ausschließlich als Mittel <strong>zur</strong> Erreichung <strong>der</strong> eigenen Ziele gewertet. War man<br />

<strong>der</strong> Londoner Regierung schon bei <strong>den</strong> Handelsvertragsverhandlungen nur entgegengekommen, um sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gegen<br />

Deutschland gerichtete Politik zu treiben (Dok. 12), so waren die vom Präsi<strong>den</strong>ten darüber h<strong>in</strong>aus beabsichtigten und<br />

von Bullitt mit erstaunlicher Offenheit verkündeten Metho<strong>den</strong> <strong>zur</strong> Erzw<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er aktiven anti-deutschen Politik<br />

Englands verblüffend e<strong>in</strong>deutig. "Die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> verfügen England gegenüber über verschie<strong>den</strong>e und<br />

ungeheuer bedeutsame Zwangsrnittel", hatte Bullitt beispielsweise dem Polnischen Botschafter <strong>in</strong> Paris schon im<br />

Februar dargelegt. "Alle<strong>in</strong> die Drohung ihrer Anwendung dürfte genügen, England von e<strong>in</strong>er Kompromißpolitik auf<br />

Kosten Frankreichs <strong>zur</strong>ückzuhalten" (Dok. 18).<br />

Drahtzieher <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kreisungspolitik<br />

Aber nicht e<strong>in</strong>mal <strong>der</strong> beste Freund, <strong>der</strong> Franzose, ist wirklich zufried mit dem Drahtzieher se<strong>in</strong>er Politik. Im April ist<br />

die französisch-enghsche Garantieerklärung an Griechenland und Rumänien erfolgt, <strong>der</strong> Abschluß von<br />

Beistandsabkommen mit <strong>der</strong> Türkei steht bevor, mit Sowjetrußland wer<strong>den</strong> Verhandlungen geführt. Aus dem Erlaß an<br />

<strong>den</strong> Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton vom 8. Mai 1939 verme<strong>in</strong>t man zu spüren, wie <strong>der</strong> Französische Außenm<strong>in</strong>ister Bonnet<br />

geglaubt hat, se<strong>in</strong>en gefährlichen <strong>Weg</strong> unter <strong>der</strong> Leitung und dem Schutz e<strong>in</strong>es zuverlässigen Freun<strong>des</strong> e<strong>in</strong>geschlagen zu<br />

haben, wie er nun aber, nachdem er sich weit vorgewagt hat, plötzlich die Fragwürdigkeit se<strong>in</strong>er Deckung empf<strong>in</strong>det.<br />

Zwar hat Roosevelt die weitestgehen<strong>den</strong> Versprechungen gemacht, aber verantwortlich und endgültig b<strong>in</strong><strong>den</strong>d hat er sie<br />

nicht geben können. Was sollte wer<strong>den</strong>, wenn entgegen allen von Roosevelt erweckten Erwartungen und trotz <strong>des</strong> von<br />

ihm und se<strong>in</strong>er Regierung seit dem Frühjahr so lebhaft geführten Kampfes für e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Abän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />

Neutralitätsgesetzes <strong>der</strong> Kongreß diese auch weiterh<strong>in</strong> verweigerte? "Wenn die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung<br />

gegenwärtig ihre Blicke tatsächlich nach Europa richtet und ke<strong>in</strong>e Gelegenheit versäumt, um <strong>den</strong> großen Demokratien<br />

e<strong>in</strong>e Politik <strong>des</strong> Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Festigkeit zu empfehlen, so wendet sich an<strong>der</strong>erseits auch die öffentliche<br />

Me<strong>in</strong>ung Frankreichs nach Amerika und erwartet von dort diejenigen Maßnahmen, die die Fortführung <strong>der</strong> Politik, die<br />

Amerika selbst empfiehlt, weitgehend erleichtern wür<strong>den</strong>." Und Bonnet rühmt sieh <strong>der</strong> von Frankreich und England<br />

befolgten E<strong>in</strong>kreisungspolitik, "die nur die volle Zustimmung <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> f<strong>in</strong><strong>den</strong> kann, wie es<br />

übrigens Herr Bullitt <strong>in</strong> Paris und Herr Kennedy <strong>in</strong> London <strong>in</strong> freundschaftlicher Weise oft anerkannt haben". Hier wird<br />

somit beson<strong>der</strong>s deutlich, wie sehr Frankreich trotz dieses vorübergehen<strong>den</strong> Aufbegehrens bereits zum ausführen<strong>den</strong><br />

Organ <strong>Roosevelts</strong> und damit <strong>zur</strong> völligen Abhängigkeit degradiert wor<strong>den</strong> ist (Dok. 22).<br />

Ausbruch <strong>des</strong> europäischen <strong>Krieg</strong>es<br />

Als am 1. September 1939 <strong>der</strong> deutsch-polnische <strong>Krieg</strong> ausbrach und zwei Tage später England und Frankreich dem<br />

Deutschen Reich <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> erklärten, muß im Weißen Hause tiefe Genugtuung geherrscht haben über die Fntschlüsse<br />

<strong>der</strong> von Roosevelt vorwärtsgetriebenen, irregeleiteten Staatsmänner.<br />

Kampfgegen das Neutralitätsgesetz<br />

Am 2. September sucht Sun<strong>in</strong>er Welles die französische Haltung zu versteifen, <strong>in</strong>dem er dem Französischen Botschafter<br />

gegenüber <strong>in</strong> schärfster Form <strong>der</strong> Überzeugung Ausdruck gibt, daß es notwendig sei, "e<strong>in</strong> für allemal mit <strong>der</strong> Hysterie<br />

<strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes Schluß zu machen" und im gegebenen Augenblick die völlige Abschaffung im Kongreß<br />

vorzuschlagen 1). Das Gewicht dieser Äußerung wird noch dadurch verstärkt, daß sie die für <strong>den</strong> nächsten Tag im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er großen Rundfunkrede <strong>Roosevelts</strong> erwarteten Versicherungen, die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> aus dem <strong>Krieg</strong><br />

herauszuhalten, als betrügerisches Manöver enthüllten, auf das man die Westmächte jedoch nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fallen lassen<br />

möchte. Sehr bald nach dem Ausbruch <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es <strong>in</strong> Europa erfolgt die E<strong>in</strong>berufung <strong>des</strong> Kongresses mit dem Ziel <strong>der</strong><br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes. Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong> berichtet se<strong>in</strong>er Regierung erneut über die mit diesem Problem<br />

zusammenhängen<strong>den</strong> Spannungen. Man habe erkennen müssen, daß die Aufhebung <strong>des</strong> Waffenembargos nicht zu<br />

erreichen sei, sofern man nicht <strong>der</strong> Öffentlichen Me<strong>in</strong>ung sichere Garantien für das Herausbleiben <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> aus dem Konflikt biete. So habe die Regierung als Gegenleistung sich <strong>zur</strong> Wie<strong>der</strong><strong>in</strong>kraftsetzung <strong>der</strong><br />

abgelaufenen Bestimmungen aus dem Gesetz von 1937, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Cash-and-Carry-Klausel, entschließen müssen.<br />

Die USA.-Regierung habe nicht h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Opposition <strong>zur</strong>ückstehen können, da das Heraushalten <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> aus dem<br />

<strong>Krieg</strong>e als vaterländische Pflicht verkündet wor<strong>den</strong> sei. Was blieb ihr auch übrig, wenn die letzten Umfragen ergeben<br />

"daß <strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Befürworter e<strong>in</strong>er bewaffneten Intervention <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an <strong>der</strong> Seite Englands und<br />

Frankreichs <strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> letzten Monaten auf weniger als 5% gesunken" und die Bevölkerung von tiefdem Mißtrauen<br />

gegen jedwede Propaganda <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>führen<strong>den</strong> erfüllt war (Dok. 27).<br />

1) Bericht <strong>des</strong> Französischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, an <strong>den</strong> Franzpsichen Außenm<strong>in</strong>ister vom<br />

2. September 1939.<br />

Während <strong>der</strong> Kongreß sich von <strong>der</strong> Cash-and-Carry-Klausel, die die Gewährung von Krediten an <strong>Krieg</strong>führende und die<br />

Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gekauften <strong>Krieg</strong>smaterialien auf amerikanischen Schiffen verbietet, die Ausschaltung von gefährlichen


Zwischenfällen verspricht, ist <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t se<strong>in</strong>em Ziel doch e<strong>in</strong>en erheblichen Schritt nähergekommen, da praktisch<br />

doch nur die Englän<strong>der</strong> und Franzosen als Abnehmer von <strong>Krieg</strong>smaterial <strong>in</strong> Frage kommen. Die Neutralität ist zu e<strong>in</strong>er<br />

bloßen Phrase gewor<strong>den</strong>, die Gegner Deutschlands wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>seitig nun auch materiell unterstützt.<br />

Neutralitätswidrige Maßnahmen<br />

Übrigens hat Roosevelt sich schon gleich <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Wochen nach <strong>Krieg</strong>sausbruch, während er <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

noch Vorsicht und Zurückhaltung vorspiegelt, nicht vor direkten neutralitätswidrigen Maßnahmen gescheut. Im Namen<br />

se<strong>in</strong>er Regierung macht <strong>der</strong> Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> Paris dem Französischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und<br />

Außenm<strong>in</strong>ister Anfang Oktober die "vertrauliche" Mitteilung, daß die Amerikaner bewaffnete Handelsschiffe, soweit sie<br />

nur defensiv bewaffnet seien, nicht als <strong>Krieg</strong>sschiffe anzusehen beabsichtigten (Dok. 25). Der Deutschen Regierung ist<br />

e<strong>in</strong>e entsprechende Mitteilung nicht zugegangen. Im übrigen bedeutete dieses Verfahren, bewaffneten Handelsschiffen<br />

die unbeschränkte Benutzung <strong>der</strong> amerikanischen Häfen zu gestatten, während z.B. für Unterseeboote bald darauf e<strong>in</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>es Anlaufverbot erlassen wurde, praktisch e<strong>in</strong>e schwere Verletzung <strong>des</strong> Völkerrechts. Weiterh<strong>in</strong> verdient<br />

erwähnt zu wer<strong>den</strong>, daß <strong>der</strong> Französische M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Daladier gelegentlich e<strong>in</strong>er Sitzung <strong>des</strong> Obersten Alliierten<br />

<strong>Krieg</strong>srates im Februar 1940 feststellen konnte, Roosevelt verletze <strong>in</strong> Sachen <strong>der</strong> Neutralität auch die eigene<br />

Gesetzgebung. Im Zusammenhang mit Erörterungen zwischen Daladier und Chamberla<strong>in</strong> über die Möglichkeit,<br />

Flugzeuge aus <strong>den</strong> USA. zu beziehen, heißt es wörtlich: "Roosevelt hat dieses Gesetz bereits verletzt, als er erklärte, daß<br />

das amerikanische Heer das Material, das wir wünschten, Dicht brauche, Er ist bereit, es erneut zu tun 1)."<br />

1) Protokoll <strong>der</strong> Sitzung <strong>des</strong> Obersten Alliierten <strong>Krieg</strong>srates vom 5. Februar 1940.<br />

Panama-Konferenz September 1939<br />

Auch auf e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Plattform erweist es sich, daß Roosevelt unter dem Mantel <strong>der</strong> Zurückhaltung, mit dem er sich<br />

vor se<strong>in</strong>em Volke noch umgeben muß, e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er vorgeblichen Politik durchaus entgegengesetzte Aktivität verbirgt.<br />

Noch im September 1939 tritt <strong>in</strong> Panama e<strong>in</strong>e Außeror<strong>den</strong>tliche Panamerikanische Konferenz zusammen, die auf <strong>der</strong><br />

Basis <strong>der</strong> Beschlüsse von Lima die Zusammenarbeit sämtlicher amerikanischer <strong>Staaten</strong> noch enger gestalten soll und die<br />

tatsächlich die Position <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im westlichen Raume bedeutend verstärkt. Der Bericht <strong>des</strong><br />

Französischen Gesandten für Mittelamerika über e<strong>in</strong>e Unterredung mit dem Außenm<strong>in</strong>ister von Guatemala nach <strong>des</strong>sen<br />

Rückkehr aus Pana<strong>in</strong>a (Dok. 26) gibt zunächst wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> Bild von <strong>der</strong> absoluten, auch außenpolitischen<br />

Abhängigkeit e<strong>in</strong>er mittelamerikanischen Republik wie Guaternala von Wash<strong>in</strong>gton: "Wir folgen <strong>der</strong> Regierung von<br />

Wash<strong>in</strong>gton <strong>in</strong> ihrer moralischen Aktion ... wenn sich diese moralische Aktion morgen schon <strong>in</strong> die Tat umsetzen sollte,<br />

so wird unsere Haltung die gleiche se<strong>in</strong>, was immer für Folgen daraus entstehen mögen." Der M<strong>in</strong>ister äußert sich dann<br />

zu <strong>der</strong> Sicherheitszone, die, auf <strong>der</strong> Panamakonferenz proklamiert, im Osten und Westen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und<br />

<strong>der</strong> late<strong>in</strong>amerikanischen Republiken 300 Meilen <strong>in</strong>s Meer h<strong>in</strong>ausreichen soll und <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle kriegerischen Handlungen<br />

<strong>der</strong> kriegführen<strong>den</strong> Streitmächte untersagt se<strong>in</strong> sollen. Beruhigend erklärt er dem Französischen Gesandten, das Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> Sicherheitszone könne, "wenn es <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne angewendet wird, <strong>der</strong> bei se<strong>in</strong>er Festlegung maßgebend war", für die<br />

Alliierten ke<strong>in</strong>erlei Nachteile mit sich br<strong>in</strong>gen. Zur Unterstützung weist er auf sonstiges neutralitätsverletzen<strong>des</strong><br />

Verhalten <strong>der</strong> USA. h<strong>in</strong> und macht auf die schwere Benachteiligung <strong>der</strong> deutschen U-Boote seiteris <strong>der</strong> USA.<br />

aufmerksam, die die Behandlung von U-Booten <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>führen<strong>den</strong> unter Bed<strong>in</strong>gungen gestellt haben, "die e<strong>in</strong>deutig<br />

auf <strong>den</strong> Zweck abgestellt ersche<strong>in</strong>en, <strong>den</strong> Verkehr <strong>der</strong> deutschen U-Boote zu erschweren".<br />

Sicherheitszone<br />

In <strong>der</strong> Tat erreicht RooseveIts Spiel mit doppelten Karten bei se<strong>in</strong>er Behandlung <strong>der</strong> Sicherheitszonenfrage wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Höhepunkt. Wie von <strong>der</strong> Botschaft <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> London <strong>der</strong> dortigen Französischen Botschait<br />

ausdrücklich mitgeteilt wird, hat Roosevelt diesen <strong>zur</strong> Sicherung <strong>der</strong> Neutralität <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Amerika e<strong>in</strong>gebrachten<br />

Vorsclag nur unterstützt, um die öffentliche Me<strong>in</strong>ung im S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>er <strong>Krieg</strong>spolitik zu"erziehen", Angesichts <strong>der</strong><br />

praktischen Unmöglichkeit, e<strong>in</strong>e so umfassende Zone wirklich zu sichern, sollte <strong>der</strong> amerikanischen Öffentlichkeit<br />

klargemacht wer<strong>den</strong>, "daß die bei<strong>den</strong> Amerika sich nicht friedlich mit e<strong>in</strong>er Watteschicht' umgeben könnten". In <strong>der</strong><br />

Zone e<strong>in</strong>getretene Zwischenfälle wären also e<strong>in</strong> willkommenes Mittel <strong>zur</strong> Aufpeitschung <strong>der</strong> Lei<strong>den</strong>schaften gewesen.<br />

Unter diesen Umstän<strong>den</strong> mußte natürlich die ablehnende britische Antwort auf das Sicherheitszonenprojekt, die die<br />

Achsenmächte zu e<strong>in</strong>er ähnlichen Stellungnahme zwang, <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton beson<strong>der</strong>s willkommen se<strong>in</strong>, was man <strong>den</strong><br />

Franzosen dann auch "streng vertraulich" zu verstehen gibt (Dok. 28). Selbst Neutralitätspolitik versteht Roosevelt<br />

unmittelbar <strong>in</strong> <strong>Krieg</strong>spolitik zu verkehren.<br />

Mission 'Sumner Welles' Februar 1940


Aber Roosevelt weiß auch e<strong>in</strong>e als "Frie<strong>den</strong>svermittlung" getarnte Mission se<strong>in</strong>em Ziel <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sausweitung und<br />

<strong>Krieg</strong>sverlängerung dienstbar zu machen. Im Februar 1940 begibt sich <strong>der</strong> Unterstaatssekretär Summer Welles im<br />

Auftrag <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten auf e<strong>in</strong>e Reise nach Europa. In <strong>der</strong> ganzen Welt Wird diese Aktion als Versuch <strong>zur</strong> Erkundung<br />

von Frie<strong>den</strong>smöglichkeiten aufgefaßt. Wie es um diese angebliche Frie<strong>den</strong>svermittlung <strong>in</strong> Wahrheit bestellt war, kann<br />

nunmehr auf Grund von Dokumenten über <strong>den</strong> Aufenthalt <strong>des</strong> Unterstaatssekretärs <strong>in</strong> Paris erschöpfend dargetan<br />

wer<strong>den</strong>. Hatte die Gesamtpolitik <strong>Roosevelts</strong> vor dem <strong>Krieg</strong>e unter <strong>der</strong> Parole gestan<strong>den</strong>: Lieber <strong>Krieg</strong> als<br />

Verständigungspolitik, so ist jetzt oberster Gesichtspunkt: Ke<strong>in</strong> Verständigungsfriede!<br />

Nach Auffassung Bullitts ist die Reise auf <strong>den</strong> persönlichen Ehrgeiz <strong>des</strong> Unterstaatssekretärs 1) <strong>zur</strong>ückzuführen. Bullitt<br />

ist, als er von <strong>der</strong> Mission erfährt, außer sich, da er fürchtet, daß durch sie die Außenpolitik <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

nächsten Wochen e<strong>in</strong>en unklaren Charakter erhalten könne. E<strong>in</strong>em dadurch etwa entstehen<strong>den</strong> schlechten E<strong>in</strong>druck auf<br />

die Franzosen - und was hätte Herrn Bullitt tiefer beunruhigen können als diese Möglichkeit -sucht er sofort<br />

vorzubeugen, <strong>in</strong>dem er noch vor <strong>der</strong> Abreise <strong>des</strong> Unterstaatssekretärs sich von Roosevelt <strong>den</strong> Auftrag geben läßt, Herrn<br />

de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong> zu <strong>in</strong>for<strong>in</strong>ieren. Er kann dem Französischen Botschafter die tröstliche Mitteilung machen, daß <strong>der</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>t "sich niemals dazu hergeben würde, e<strong>in</strong>en Kornpromißfrie<strong>den</strong> mit <strong>den</strong> Diktatoren zu ernpfehlen" (Dok. 29).<br />

Wenige Tage darauf bestätigt <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t diese Mitteilung durch e<strong>in</strong> eigenes Handschreiben, das Surnner Welles dem<br />

Französischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Daladier <strong>in</strong> Paris überreichen soll. Wenn Roosevelt <strong>in</strong> diesem Brief <strong>der</strong> Hoffnung<br />

Ausdruck gibt, daß schließlich e<strong>in</strong> Friede zustande kommen %erde, <strong>der</strong> "we<strong>der</strong> unentschie<strong>den</strong> noch unsicher ist" (Dok.<br />

30), so ist damit völlig unmißverständlich ausgesprochen, <strong>in</strong> welchem S<strong>in</strong>ne er <strong>in</strong> Paris se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß geltend zu<br />

machen wünscht. Mit dem Dank für die Äußerungen Bullitts und gleichartigen Versicherungen auch <strong>des</strong><br />

Unterstaatssekretärs selbst kann man französischerseits dann etwas später <strong>in</strong> Washiiigton mitteilen lassen, daß man an<br />

dieser amerikanischen Haltung nie habe zweifeln können; man bittet jedoch um weitere öffentliche Bekundung dieses<br />

auch bei <strong>der</strong> Kongreßeröffnung im Januar durch Roosevelt bereits e<strong>in</strong>deutig zum Ausdruck gebrachten Standpunktes,<br />

um damit auf die Neutralen zu wirken 2).<br />

1) E<strong>in</strong>e aus Anlaß <strong>des</strong> Pariser Besuchs verfaßte Aufzeichnung <strong>des</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>isteriums charakterisiert die<br />

politische Grunde<strong>in</strong>stellung dieses beson<strong>der</strong>en Günstl<strong>in</strong>gs <strong>Roosevelts</strong> folgen<strong>der</strong>maßen: "Herr Sumner Welles hat sehr<br />

reale Sympathien für Frankreich und ganz allgeme<strong>in</strong> für die Sache <strong>der</strong> Alliierten, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Europa; se<strong>in</strong>e Politik im<br />

Fernen Osten ist reichlich egoistisch, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuen Welt neigt sie zum Imperialismus."<br />

2) Bericht <strong>des</strong> Französischen Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong>, an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister vom<br />

19. Februar 1940.<br />

So sah <strong>in</strong> Wahrheit die amerikanische Aktion aus, die gerade auch von <strong>der</strong> amerikanischen Presse als ehrlicher Versuch<br />

<strong>zur</strong> Anbahnung e<strong>in</strong>es Verständigungsfrie<strong>den</strong>s h<strong>in</strong>gestellt wor<strong>den</strong> warl Und wie Herr Roosevelt die Mission se<strong>in</strong>es<br />

Unterstaatssekretärs geme<strong>in</strong>t hatte, so hat dieser sie ausgeführt. E<strong>in</strong>e Aufzeichnung <strong>des</strong> Abteilungsleiters für die<br />

französische Propaganda <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>, <strong>des</strong> früheren Botschafters <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, de Laboulaye, ist<br />

beson<strong>der</strong>s bezeichnend für die E<strong>in</strong>stellung dieses neutralen "Frie<strong>den</strong>sagenten". E<strong>in</strong>gehend unterhält Surnner Welles sich<br />

mit Herrn de Laboulaye über die Art und Weise, wie die Stimmung <strong>in</strong> Amerika am besten bearbeitet wer<strong>den</strong> könnte.<br />

Dabei scheut er sich nicht, Ratschläge <strong>zur</strong> Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> <strong>in</strong>nera<strong>in</strong>erikanischen Stimmung durch französische Stellen<br />

zu geben. Er wünscht die Propaganda <strong>in</strong> <strong>den</strong> katholischen Kreisen Amerikas verstärkt zu sehen, verweist hierbei auf die<br />

irische Geistlichkeit, die <strong>den</strong> Alliierten fe<strong>in</strong>dlich ges<strong>in</strong>nt Sei, und empfiehlt, "auf die großen Führer <strong>des</strong> Katholizismus <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>" e<strong>in</strong>zuwirken, die er namentlich bezeichnet (Dok. 31). E<strong>in</strong> immerh<strong>in</strong> erstaunlicher Ratschlag<br />

aus dem Munde e<strong>in</strong>es Diplomaten, <strong>der</strong> nicht milde wurde, Deutschland <strong>der</strong> Bildung jener sagenhaften "5. Kolonne" zu<br />

bezichtigen!<br />

Propagandametho<strong>den</strong><br />

Mußte sich Roosevelt <strong>in</strong> jenem ersten <strong>Krieg</strong>sjahr nach außen h<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>e gewisse Zurückhaltung auferlegen, so ist se<strong>in</strong><br />

Pariser Botschafter mit frischer Unbekümmertheit auf dem <strong>Weg</strong>e <strong>zur</strong> offenen E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> vorant<br />

gestürmt. In <strong>den</strong> französischen Akten f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich zahlreiche Aufzeichnungen über die <strong>in</strong> <strong>den</strong> kritischen Zeiten fast<br />

täglichen Besprechungen Bullitts mit dem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten Daladier und später mit <strong>des</strong>sen Nachfolger Reynaud.<br />

Immer wie<strong>der</strong> macht sich Bullitt zum Vermittler <strong>der</strong> französischen Wünsche nach <strong>Krieg</strong>smaterial, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e nach<br />

Flugzeuglieferungen. Durch anp feuernde Re<strong>den</strong> sucht er Frankreichs <strong>Krieg</strong>swillen zu beleben, gleichzeitig aber auch <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Heimat Stimmung für Frankreich zu machen. In se<strong>in</strong>en Mitteln ist er nicht wählerisch, jede Propaganda ist ihm<br />

recht: die Französische Regierung muß ihm sogar Unterlagen über angebliche deutsche Greueltaten anfertigen, "damit<br />

die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> Erregung gebracht und ihre Entwicklung beschleunigt wer<strong>den</strong> könnte" (Dok.<br />

32).<br />

Schließlich hat jedoch auch Roosevelt selbst an dieser Politik <strong>der</strong> Aufstachelung Frankreichs bis <strong>zur</strong> letzten Möglichkeit<br />

festgehalten und dadurch <strong>zur</strong> Fortsetzung <strong>des</strong> bereits völlig aussichtslos gewor<strong>den</strong>en französischen Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong><br />

beigetragen, Wenn Roosevelt am 15. Juni I94o nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahme von Paris zwar zu se<strong>in</strong>em Bedauern das Ersuchen<br />

Reynauds um unmittelbare militärische Unterstützung ablehnen muß, da nur <strong>der</strong> Kongreß e<strong>in</strong>e VerpflichtuDg hierzu


übernehmen könne, so sucht er doch auch jetzt noch Frankreich <strong>zur</strong> Fortführung <strong>des</strong> längst verlorenen Waffenganges<br />

anzutreiben, <strong>in</strong>dem er "Materiallieferungen <strong>in</strong> ständig wachsen<strong>den</strong> Mengen und Arten" zusagt und wenige Tage später<br />

dem französischen <strong>Krieg</strong>streiber Reynaud <strong>in</strong> herzlichsten Worten se<strong>in</strong>e persönliche Sympathie zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen<br />

läßt. Aber es s<strong>in</strong>d Gesten. Und die unmittelbar darauf erfolgende endgültige Nie<strong>der</strong>lage eichs ist e<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>lage auch<br />

<strong>der</strong> <strong>Roosevelts</strong>chen <strong>Krieg</strong>spolitik.<br />

Der <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong><br />

Verhältnismäßig schnell jedoch überw<strong>in</strong>det man im Weißen Haus die Enttäuschung. In <strong>den</strong> Vor<strong>der</strong>grund tritt jetzt die<br />

Frage <strong>der</strong> engsten Zusammenarbeit mit England. Daneben wird <strong>der</strong> Druck auf die late<strong>in</strong>amerikanischen <strong>Staaten</strong><br />

verschärft. Mit Drohungen und Lockungen soll Late<strong>in</strong>amerika <strong>in</strong> die Front <strong>der</strong> Demokratien gepreßt und mit dem<br />

E<strong>in</strong>tritt <strong>des</strong> eigenen Lan<strong>des</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> auch die <strong>Krieg</strong>sgefolgschaft <strong>der</strong> südlichen Trabanten vorbereitet wer<strong>den</strong>.<br />

"...völlige und systematische Mobilisierung <strong>der</strong> nationalen Kräfte... sowohl <strong>der</strong> moralischen als <strong>der</strong> materiellen, <strong>der</strong><br />

amtlichen und <strong>der</strong> privaten..., um das Geme<strong>in</strong>schaftsleben im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er wirklichen Demokratie und e<strong>in</strong>er wirksamen<br />

Zusammenarbeit zum Wohle <strong>der</strong> Verteidigung <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>ents ausel <strong>zur</strong>ichten" (Dok. 33), so lautet die e<strong>in</strong>deutige<br />

Weisung Wash<strong>in</strong>gtons beispielsweise an Ecuador.<br />

Inzwischen s<strong>in</strong>d weitere Schritte <strong>zur</strong> globalen <strong>Krieg</strong>sausweitung unternommen wor<strong>den</strong>. Im Frühjahr 1941: erhalten<br />

Jugoslawien und Griechenland ebenso gefährliche wie unwirksame Unterstützungsversprechungen; im Sommer 1941<br />

wird die Sowjetunion als neuer Partner im Bunde <strong>der</strong> Demokratie willkommen geheißen, im Herbst 1941 die<br />

Provokation Japans auf die Spitze getrieben. Auch die "Erziehung" <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung im Inland macht die<br />

langerschnten Fortschritte; das Leib- und Pachtgesetz ebnet <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zur</strong> massiven Materiallieferung; schließlich fallen<br />

die letzten Reste <strong>der</strong> Neutralitätsgesetzgebung; durch <strong>den</strong> Schießbefehl <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten wird das Volk <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> unmittelbar an die Schwelle <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es herangeführt. Am 8. Dezember 1941 endlich erreicht <strong>der</strong> Herr im<br />

Weißen Haus se<strong>in</strong> vorläufiges Ziel. An <strong>der</strong> Seite Englands und <strong>der</strong> Sowjetunion treten die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Krieg</strong> gegen die jungen Völker. Damit gew<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> - <strong>Roosevelts</strong> <strong>Krieg</strong> - das Ausmaß, das <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t gewollt<br />

hat. Er wird ihn zu verantworten haben.<br />

DOKUMENTE<br />

Nr. 1<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht (Auszug)<br />

Nr. 35<br />

Streng vertraulich<br />

Betrifft: In Wash<strong>in</strong>gton gesammelte Urteile Über Deutschland<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 26. Januar 1934<br />

In <strong>den</strong> letzten Tagen s<strong>in</strong>d mir aus zwei ganz verschie<strong>den</strong>en Quellen zwei <strong>in</strong> gleicher Weise abfällige Urteile über<br />

Deutschland und se<strong>in</strong>e Politik zu Gehör gekommen, worüber ich Eurer Exzellenz streng vertraulich berichten zu müssen<br />

glaube.<br />

...<br />

Das an<strong>der</strong>e Urteil ist noch <strong>in</strong>teressanter, <strong>den</strong>n es stammt vorn Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> selbst. Bei e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>timen Tee im Weißen Haus, vor drei Tagen, bemerkte Herr Roosevelt mit lauter Stimme Madame de Laboulaye<br />

gegenüber, daß er <strong>des</strong> Kampfes überdrüssig sei, <strong>den</strong> er 48 Stun<strong>den</strong> h<strong>in</strong>durch mit dem Deutschen Botschafter zu bestehen<br />

gehabt habe wegen <strong>der</strong> Schlechterstellung, welche die Reichsregierung bei <strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong> privaten Kredite auf<br />

Kosten <strong>der</strong> Amerikaner beabsichtigte. "Glücklicherweise", fügte er h<strong>in</strong>zu, "habe ich die Oberhand behalten, und Sie<br />

können Ihrem Gatten erzählen, daß se<strong>in</strong> Kollege, Herr Luther, jetzt am Bo<strong>den</strong> liegt."<br />

Im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Unterhaltung erklärte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, daß er genug habe von <strong>den</strong> unlauteren Machenschaften <strong>der</strong><br />

Deutschen, die, nachdem sie sich erst aus freien Stücken zugrunde gerichtet und die Bestimmungen <strong>des</strong> Versailler<br />

Vertrages nicht erfüllt hätten, jetzt versuchten, sich <strong>den</strong> Verpflichtungen aus ihren privaten Anleihen zu entziehen.


Alles dies wurde mit <strong>der</strong> bei Mr. Roosevelt üblichen Spontaneität und ÜberZeugung vorgebracht, vor fünf o<strong>der</strong> sechs<br />

Zeugen, hauptsächlich Amerikanern, die sichtlich erstaunt waren, ihn mit solcher Offenheit und solchem Nachdruck zu<br />

<strong>der</strong> Frau <strong>des</strong> Französischen Botschafters über e<strong>in</strong> frem<strong>des</strong> Land re<strong>den</strong> zu hören.<br />

Dieser Ausfall <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten sagt uns nichts Neues über se<strong>in</strong>e Ges<strong>in</strong>nung gegenüber Deutschland. Ich kenne ihn seit<br />

21 Jahren, und ich habe von ihm seither, beson<strong>der</strong>s während <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es, aber auch noch vor dem <strong>Krieg</strong>se<strong>in</strong>tritt I<strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>, gleichartige, sogar noch stärkere Äußerungen über jenes Land zu hören bekommen; aber es schien<br />

mir <strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen heiklen Lage <strong>der</strong> französisch-amerikanischen Beziehungen nicht unessant, daß Herr<br />

Roosevelt gerade gegenüber <strong>der</strong> Gatt<strong>in</strong> <strong>des</strong> Französischen hafters se<strong>in</strong>e Abneigung nicht nur gegen das Deutschland<br />

Hitlers, son<strong>der</strong>n gegen Deutschland allgeme<strong>in</strong> zum Ausdrück brachte.<br />

André de Laboulaye<br />

Nr. 2<br />

Der vranzösische Geschäftsträger <strong>in</strong> Costa Rica<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 18<br />

Vertraulich,<br />

Betrifft: "Vergnügungsfahrt" <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt,<br />

Aufenthalt auf <strong>der</strong> Kokos<strong>in</strong>sel<br />

San José, <strong>den</strong> 30. Oktober 1935<br />

Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt hielt sich im Verlauf e<strong>in</strong>er "Vergnügungsfahrt", die er an Bord <strong>des</strong> Kreuzers "Houston"<br />

unternommen hat, drei Tage - vom g. bis ii. Oktober - auf <strong>der</strong> Kokos<strong>in</strong>sel, e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en zu Costa Rica gehören<strong>den</strong> Insel,<br />

auf, die etwa 350 Meilen von <strong>der</strong> zentralamerikanischen Küste entfernt liegt.<br />

Diese Insel, die - wie man erzählt - e<strong>in</strong>en Schatz beherbergen soll, für <strong>des</strong>sen Hebung sich e<strong>in</strong>e englische Gesellschaft,<br />

die "Treasury Recovery Co.", auf e<strong>in</strong>e recht merkwürdige Art <strong>in</strong>teressiert, wozu sie von <strong>der</strong> Regierung von Costa Rica<br />

e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße Bewilligung erhalten hat, bietet frem<strong>der</strong> Habgier vielleicht nicht nur das Gold und die<br />

Reichtümer, die man früher e<strong>in</strong>mal - <strong>zur</strong> Zeit <strong>der</strong> letzten Seeräuber - dort vergraben haben soll. Es sche<strong>in</strong>t, daß sie auch<br />

noch Begier<strong>den</strong> an<strong>der</strong>er Art weckt, die aus <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Insel gegenüber <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fahrt <strong>in</strong> <strong>den</strong> Panamakanal sehr wohl<br />

erklärlich wären.<br />

Aus diesem Grund hat <strong>der</strong> Aufenthalt, <strong>den</strong> Herr F. Roosevelt unter dem Vorwand, sich se<strong>in</strong>em Liebl<strong>in</strong>gssport, dem<br />

Fischen, widmen zu wollen, <strong>in</strong> diesen Gewässern genommen hat, sicherlich nieman<strong>den</strong> über <strong>den</strong> tatsächlichen Zweck<br />

<strong>der</strong> Reise <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten h<strong>in</strong>wegtäuschen können.<br />

Um <strong>den</strong> Sche<strong>in</strong> zu wahren, ist man allerd<strong>in</strong>gs auf e<strong>in</strong>e sehr sorgfältig organisierte Aufmachung bedacht gewesen: e<strong>in</strong><br />

fast zufälliges E<strong>in</strong>treffen auf <strong>der</strong> Kokos<strong>in</strong>sel, die außer <strong>den</strong> Vorteilen ihrer strategischen Lage die Reize e<strong>in</strong>er herrlichen<br />

Landschaft besitzt; Ansuchen um die Bewilligung, sich zum Fischen von Lachs und Makrelen e<strong>in</strong>ige Tage dort aufhalten<br />

zu dürfen; Austausch von Begrüßungskabeln mit dem Präsi<strong>den</strong>ten Ricardo Jiménez - "Gestatten Sie mir, Sie e<strong>in</strong>fach<br />

Don Ricardo nennen zu dürfen?" - "Aber selbstverständlich, mit Vergnügen!"- Frühstück am Strand <strong>in</strong> Gesellschaft <strong>des</strong><br />

Kommandanten <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Inselgamison, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>em berühmten Gast <strong>zur</strong> Er<strong>in</strong>nerung e<strong>in</strong> Paket Photographien von<br />

diesem <strong>in</strong>teressanten "Fischertreffen" überreicht.<br />

Vielleicht ersche<strong>in</strong>t aber diese Vergnügungsfahrt plötzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Licht, wenn man erfährt, daß <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t<br />

nicht nur auf e<strong>in</strong>er großen E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> amerikanischen Flotte reist son<strong>der</strong>n daß er auch noch von e<strong>in</strong>em Flugzeuge<br />

mitführen<strong>den</strong> Kreuzer begleitet wird. Se<strong>in</strong> Mar<strong>in</strong>ebevollmächtigter Watson und se<strong>in</strong> Ifilitärbevollmächtigter Brown<br />

sowie zahlreiche an<strong>der</strong>e Offiziere begleiten ihn auf se<strong>in</strong>en Ausflügen um die Insel.<br />

Muß man da nicht <strong>in</strong> Versuchung geraten, zwischen zwei Landungen e<strong>in</strong>ige hübsche Erkundungen vorzunehmen?<br />

Während solcher Spaziergänge <strong>in</strong> <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en Buchten <strong>der</strong> Insel und auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bucht von Chatham, die geeignet<br />

ersche<strong>in</strong>t, auch die größten Schiffe aufzunehmen, überfliegen vier Flugzeuge die Kokospalmen <strong>des</strong> Stran<strong>des</strong> o<strong>der</strong><br />

entfernen sich vielmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Richtung <strong>des</strong> offenen Meeres und verschw<strong>in</strong><strong>den</strong> auf viele Stun<strong>den</strong> am Horizont. Am<br />

Abend durchsuchen die Sche<strong>in</strong>werfer <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> <strong>Krieg</strong>sschiffe mit ihren starken Strahlenbündeln die geheimsten W<strong>in</strong>kel<br />

<strong>der</strong> Insel.


Wenn man noch Zweifel über <strong>den</strong> Charakter dieser "Inspektion" <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und se<strong>in</strong>es Gefolges hegen könnte, so<br />

würde e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die arnerikatische Presse genügen, um e<strong>in</strong>es Besseren belehrt zu wer<strong>den</strong>: ich selbst habe e<strong>in</strong>en<br />

Artikel aus e<strong>in</strong>er New-Yorker Zeitung - wahrsche<strong>in</strong>lich vom vergangenen 28. September - <strong>in</strong> die Hand bekommen, von<br />

<strong>der</strong> ich lei<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen konnte, wie sie hieß, da die Überschrift weggeschnitten wor<strong>den</strong> war. In diesem<br />

Artikel wur<strong>den</strong> die Pläne <strong>zur</strong> Verteidigung <strong>des</strong> Panamakanals, die die Regierung von Wash<strong>in</strong>gton im Auge hat,<br />

folgen<strong>der</strong>maßen zusammengefaßt:<br />

"Wash<strong>in</strong>gton, 27. September. - ...Die Tatsache, daß die Japaner das Verteidigungssystern auf <strong>den</strong> östlich <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en<br />

gelegenen Inschl befestigt und im nördlichen Pazifik e<strong>in</strong> ausgedehntes Netz von Funkverb<strong>in</strong>dungen errichtet haben und<br />

daß an<strong>der</strong>erseits die Englän<strong>der</strong> am Ausbau ihres Flottenstützpunktes S<strong>in</strong>gapore arbeiten und im ganzen Pazifik<br />

Flugplätze anlegen, die ihr von Neuseeland und Australien bis nach Indien reichen<strong>des</strong> Luftfahrtsystem ergänzen wer<strong>den</strong>,<br />

hat die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> M<strong>in</strong>isters für nationale Verteidigung gefun<strong>den</strong>, und es ist damit zu rechnen, daß die<br />

Regierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Sitzungsperiade <strong>des</strong> Kongresses bedeutende Kredite verlangen wird, um die Verteidigung <strong>des</strong><br />

Panamakanals und <strong>der</strong> Westküste <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> auszubauen. Wenn dieses Programm angenommen wird, so<br />

wird die Regierung sich bemühen, dieses Verteidigungssystem so weit wie möglich vom Kanal abzusetzen. Zu diesem<br />

Zwecke hat man e<strong>in</strong>e genaue Überprüfung <strong>der</strong> Pläne und Seekarten durchgeführt, die auf Grund <strong>der</strong> letzten Aufnahmen<br />

an diesen Küsten und an an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>teressanten Punkten zwischen Nie<strong>der</strong>kalifornien und Peru festgelegt wur<strong>den</strong>. Die<br />

Durchführung dieser Pläne kann zum Abschluß von Verträgen mit gewissen kont<strong>in</strong>entalen Län<strong>der</strong>n über die Pacht <strong>den</strong><br />

Ankauf von Flottenstützpunkten o<strong>der</strong> Flugplätzen führen. In diesem enhang spricht Zusammenhang spricht man von<br />

eventuellen Übere<strong>in</strong>kommen mit Ecuador, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Salvador und Mexiko. Was Ecuador<br />

betrifft, so würde es sich darum handeln, auf <strong>den</strong> Galapagos-Inseln e<strong>in</strong>e Verteidigungsstellung und e<strong>in</strong>en<br />

Flottenstätzpunkt zu errichten. Costa Rica besitzt die Kokos<strong>in</strong>sel, e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>teressante Mar<strong>in</strong>e- und Rundfunkstation,<br />

die <strong>in</strong> gleicher Weise e<strong>in</strong> Stützpunkt für Flugzeuge wer<strong>den</strong> und die Rolle e<strong>in</strong>es riesigen, unversenkbaren Flugzeugträgers<br />

spielen könnte, <strong>der</strong> auf dem <strong>Weg</strong> zum Kanal verankert ist und die E<strong>in</strong>fahrt <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzteren sehr wohl beherrschen<br />

könnte. Nicaragua, Honduras und Salvador beherrschen <strong>den</strong> Golf von Fünseca, wo schon seit langem von <strong>der</strong> Errichtung<br />

e<strong>in</strong>es Flottenstützpunktes die Rede war. Was Mexiko betrifft, so könnte die ihm gehörende Magdalena-Bai als B<strong>in</strong>de.<br />

glied zwischen <strong>den</strong> Stützpunkten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und <strong>der</strong> Kanalzone dienen."<br />

Es ist vielleicht <strong>in</strong>teressant, h<strong>in</strong>zuzufügen, daß <strong>der</strong> Kreuzer "Houston" nach se<strong>in</strong>er Abfahrt von <strong>der</strong> Kokos<strong>in</strong>sel se<strong>in</strong>en<br />

Kurs auf die "Perlen<strong>in</strong>seln" <strong>in</strong> <strong>den</strong> Gewässern von Panama richtete, wo Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt sich gleichfalls e<strong>in</strong>ige Zeit<br />

zum Fischen aufhielt.<br />

Pigeonneau<br />

Nr. 3<br />

Der Französische Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

Telegramm<br />

Nr. 1075<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 22. Oktober 1937<br />

Für <strong>den</strong> Herrn M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t hat soeben <strong>den</strong> Unterstaatssekretär gebeten, mich zu sich zu rufen, um folgen<strong>des</strong> mit mir zu besprechen:<br />

Der Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> Paris hat se<strong>in</strong>er Regierung berichtet, daß die Französische Regierung <strong>den</strong><br />

Bahntransport von Waffen und Munition von Indoch<strong>in</strong>a nach Ch<strong>in</strong>a verboten habe.<br />

. Herr Roosevelt ist <strong>der</strong> Ansicht und hat mich beauftragt, sie Ihnen re<strong>in</strong> persönlich mitzuteilen, daß durch diese<br />

Maßnahmen Ch<strong>in</strong>a benachteiligt wer<strong>den</strong> und sich bei <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong> Brüsseler Konferenz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ungünstigen Lage<br />

bef<strong>in</strong><strong>den</strong> könnte.<br />

Natürlich habe er nicht die Absicht, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Angelegenheit e<strong>in</strong>zumischen, die ausschließlich die Französische<br />

Regierung angehe, <strong>der</strong>en Beschluß vielleicht durch Gründe <strong>der</strong> nationalen Verteidigung bed<strong>in</strong>gt sei.<br />

Herr Roosevelt hat mich <strong>in</strong><strong>des</strong>sen durch Vermittlung von Herrn Sumner Welles beauftragt, Sie für <strong>den</strong> Fall, daß die<br />

Französische Regierung die Möglichkeit e<strong>in</strong>er nochmaligen Prüfung dieser Frage <strong>in</strong>s Auge fassen sollte, über se<strong>in</strong>e<br />

Auffassung zu unterrichten.


Der Präsi<strong>den</strong>t legt Wert darauf, daß Sie diese Mitteilung als streng vertraulich betrachten.<br />

Ergebenst<br />

Jules Henry<br />

Nr. 4<br />

Der Französische Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 1137-1143<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 7. November 1937<br />

Gestern habe ich geme<strong>in</strong>sam mit Herrn Jacques Stern, <strong>der</strong> schon im Jahre 1933 im Weißen Haus empfangen wor<strong>den</strong> ist,<br />

dem Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt e<strong>in</strong>en Besuch gemacht.<br />

Nachdem <strong>der</strong> ehemalige Kolonialm<strong>in</strong>ister auf e<strong>in</strong>e Frage <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten erklärt hatte, se<strong>in</strong>e Reise verfolge<br />

hauptsächlich <strong>den</strong> Zweck, sich von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage und von <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> amerikanischen Öffentlichkeit<br />

gegenüber dem ch<strong>in</strong>esisch-japanischen <strong>Krieg</strong> e<strong>in</strong> Bild zu machen, wandte sich Herr Roosevelt mir zu und sagte:<br />

"Vor etwa 14 Tagen habe ich Sie mit e<strong>in</strong>er Mission betraut, die Ihnen vielleicht wenig angenehm erschien. Es handelte<br />

sich darum, Herrn Chautemps von me<strong>in</strong>er Auffassung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Folgen <strong>in</strong> Kenntnis zu setzen, die <strong>der</strong> Beschluß<br />

<strong>der</strong> Französischen Regierung, <strong>den</strong> Waffen- und Munitionstransport von Indoch<strong>in</strong>a nach Ch<strong>in</strong>a zu verbieten, nach sich<br />

ziehen könnte."<br />

Ich erwi<strong>der</strong>te, me<strong>in</strong>e Regierung habe sicherlich nicht versäumt, dieser Mitteilung Beachtung zu schenken, und ich fügte<br />

h<strong>in</strong>zu, die fragliche Maßnahme sei zweifellos durch Erwägungen <strong>der</strong> nationalen Verteidigung bed<strong>in</strong>gt gewesen.<br />

Herr Ste<strong>in</strong> pflichtete mir lebhaft bei; <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t gab hierauf folgende sehr wichtige Erklärung ab:<br />

"Ich b<strong>in</strong> mir über Ihren Standpunkt durchaus klar. Ich habe <strong>in</strong><strong>des</strong>sen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck, daß Sie vielleicht übertriebene<br />

Befürchtungen hegen, und frage mich, ob Frankreich gut daran tut, unter <strong>den</strong> gegenwärtigen Umstän<strong>den</strong> die politisch<br />

gewiß berechtigte Rücksicht auf Sicherheit Erwägungen moralischer Art voranzustellen. Doch beherrschen die letzteren<br />

<strong>zur</strong> Zeit die Gesamtlage.<br />

Ist man sich <strong>den</strong>n <strong>in</strong> Frankreich nicht klar darüber, daß e<strong>in</strong> japanischer Angriff auf Hongkong o<strong>der</strong> Indoch<strong>in</strong>a o<strong>der</strong> auf<br />

Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien e<strong>in</strong>em Angriff auf die Philipp<strong>in</strong>en gleichkommen würde?<br />

Sollte dieser Fall e<strong>in</strong>treten, so wären unsere geme<strong>in</strong>samen Interessen <strong>in</strong> Gefahr, und wir müßten sie geme<strong>in</strong>sam<br />

schützen."<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t kam dann auf die <strong>in</strong>ternationale Lage überhaunt und auf die Gefahren zu sprechen, die sie <strong>in</strong> sich schließt,<br />

und fuhr fort:<br />

"Im Jahre i92o haben die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> es abgelehnt, dem Völkerbund beizutreten, weil sie überzeugt waren, daß<br />

sie Gefahr liefen, <strong>in</strong>folge von Beschlüssen, die <strong>in</strong> Genf und nicht <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton gefaßt wür<strong>den</strong>, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en <strong>Krieg</strong><br />

verwickelt zu wer<strong>den</strong>. Die Folge war, daß die öffentliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> Amerika siebzehn Jahre lang mit aller Entschie<br />

<strong>den</strong>heit die Isolierung gefor<strong>der</strong>t hat. Diese E<strong>in</strong>stellung ist dann auch durch <strong>den</strong> Beschluß <strong>der</strong> Ihnen bekannten<br />

Maßnahmen zum Ausdruck gekommen. Aber ist es <strong>den</strong>n sicher, daß e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> Neutralität um je<strong>den</strong> Preis dem<br />

amerikanischen Volk die Sicherheit geben kann, die es verlangt?<br />

Ke<strong>in</strong>eswegs, <strong>den</strong>n sie birgt Gefahren <strong>in</strong> sich und kann zu gefährlichen Situationen, ja sogar zum <strong>Krieg</strong>e führen. Vor<br />

e<strong>in</strong>em Monat ist noch etwas Neues h<strong>in</strong>zugekommen, nämlich me<strong>in</strong>e Rede <strong>in</strong> Chicago.<br />

Ich hielt es für notwendig, e<strong>in</strong>en Appell an me<strong>in</strong> Land zu richten und die öffentliche Me<strong>in</strong>ung aufzuklären. Das ist <strong>der</strong><br />

Zweck me<strong>in</strong>er Ausführungen."


Der Präsi<strong>den</strong>t bestätigte auf diese Weise me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>drücke, die ich <strong>in</strong> Telegramm Nr. 1003 bis 1008 mitgeteilt habe.<br />

Herr Roosevelt sprach sodann von <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerpolitischen Lage Deutschlands.<br />

Was ihn beson<strong>der</strong>s zu <strong>in</strong>teressieren sche<strong>in</strong>t, ist die Stimmung <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung angesichts e<strong>in</strong>er<br />

wirtschaftlichen Lage, die zwar ernst sei, aber, wie er bemerkte, nicht zu <strong>der</strong> bereits seit vier Jahren vorausgesagten<br />

Katai strophe geführt habe.<br />

Er fragt sich, wie weit dieser Zustand die Massen veranlassen könnte, sich vorn Hitler-Regime abzuwen<strong>den</strong>.<br />

Herr Roosevelt gab se<strong>in</strong>er aufrichtigen Freude über die Besserung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Lage und <strong>der</strong> sozialen Verhältnisse<br />

unseres Lan<strong>des</strong> Ausdruck. Er sprach sich sehr lobend über die Arbeit <strong>der</strong> Französischen Regierung aus und fügte h<strong>in</strong>zu:<br />

"Ich begrüße <strong>den</strong> Goldrückfluß nach Frankreich und wünsche Ihnen, daß die französischen Kapitalien <strong>in</strong> weitem<br />

Umfange nach Frankreich <strong>zur</strong>ückströmen mögen. je mehr Geld Sie aus <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> wie<strong>der</strong><br />

here<strong>in</strong>bekommen, um so besser für Sie und für uns."<br />

Im Verlaufe dieser außergewöhnlich herzlichen und offenen Aussprache habe ich wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck<br />

gewonnen, daß Herr Roosevelt hirklich von Gefühlen aufrichtiger Freundschaft für Frankreich beseelt ist.<br />

Die Ereignisse dieser letzten Monate haben übrigens se<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>willen gegen die Diktaturen noch verstärkt.<br />

Zweifellos teilt die Mehrheit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> se<strong>in</strong>e persönlichen Ansichten über die Außenpolitik nicht, wie aus <strong>der</strong> Presse,<br />

aus Kundgebungen verschie<strong>den</strong>er Art und <strong>der</strong> Stimmung <strong>des</strong> Kongresses hervorgeht.<br />

Das s<strong>in</strong>d Tatsachen, die man nicht aus <strong>den</strong> Augen verlieren darf. Aber <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t genießt immer noch e<strong>in</strong><br />

beträchtliches Ansehen, wie se<strong>in</strong>e kürzlich nach dem Westen unternommene Reise beweist.<br />

Er sche<strong>in</strong>t entschlossen zu se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e Politik <strong>in</strong>ternationaler Zusammenarbeit so weit wie möglich anszubauen und die<br />

öffentliche Me<strong>in</strong>ung wachzuhalten. Zu e<strong>in</strong>er Zeit, da se<strong>in</strong> Land uns so viel Interesse und Freundschaft bekundet, wie wir<br />

es seit 1919 nicht mehr erlebt haben, und da es mit Rücksicht auf die <strong>in</strong>ternationale Lage wünschenswert ersche<strong>in</strong>t, daß<br />

diese E<strong>in</strong>stellung erhalten bleibt und verstärkt wird, kann die moralische Unterstützung, die Roosevelt für uns darstellt,<br />

nur ermutigend se<strong>in</strong>.<br />

Jules Henry<br />

Persönlich und vertraulich<br />

Herr M<strong>in</strong>ister,<br />

Nr. 5<br />

Der Französischen Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an sen Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Privatbrief<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 18. November 1937<br />

Ich beehre mich, Ihnen diesen persönlichen Briefzu schreiben, als Ergänzung zu <strong>den</strong> Telegrammen, die ich Ihnen nach<br />

me<strong>in</strong>er Unterredung mit dem Präsi<strong>den</strong>ten zu Beg<strong>in</strong>n dieses Monats sandte 1). Da Herr Jacques Stern bei <strong>der</strong><br />

Unterredung zugegen war, habe ich ihn gebeten, Sie aufzusuchen, um ihnen zu bestätigen, was ich Ihnen berichtet habe.<br />

Ich nehme an, daß er es getan hat.<br />

1) Siehe Nr. 4.<br />

Auf je<strong>den</strong> Fall lege ich aber Wert darauf, Ihnen nochmals zu sagen, daß Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt sich durchaus so<br />

ausgedrückt hat, wie ich es berichtet habe. Zweifellos war Herr Sumner Welles, <strong>der</strong> über me<strong>in</strong>e Unterredung mit dem<br />

Präsi<strong>den</strong>ten nicht auf dem laufen<strong>den</strong> war, etwas überrascht, als Herr Bullitt <strong>den</strong> Bericht über se<strong>in</strong>e Unterredung mit<br />

Ihnen telegraphierte. Ich nehme an, daß auf se<strong>in</strong>en Rat h<strong>in</strong> <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t sich veranlaßt sah, die Richtigstellung<br />

vorzunehmen, die ich Ihnen weitergegeben habe.


Dieser kle<strong>in</strong>e Zwischenfall hat nichts Überraschen<strong>des</strong>. Tatsächlich läßt sich Herr Roosevelt <strong>in</strong> privaten Unterhaltungen<br />

und sogar bei öffentlichen Erklärungen oft zu Worten h<strong>in</strong>reißen, die zwar vielleicht nicht über se<strong>in</strong>e persönlichen<br />

Ansichten, je<strong>den</strong>falls aber über die amtliche Auffassung se<strong>in</strong>er Regierung h<strong>in</strong>ausgehen. Ich habe Ihnen darüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

weniger deutlichen Form telegraphiert; es ist dies aber e<strong>in</strong>e Tatsache. Das gleiche war <strong>der</strong> Fall, als er mit mir von<br />

Indoch<strong>in</strong>a sprach 2).<br />

2) Siehe Nr. 3.<br />

Übrigens habe ich dieser Tage erfahren, daß es bei se<strong>in</strong>er Rede <strong>in</strong> Chicago, die damals solches Aufsehen erregte, ebenso<br />

war. E<strong>in</strong> Freund von mir, e<strong>in</strong> hoher Beamter <strong>des</strong> Staatsdepartements, hat mir vorgestern gesagt, daß diese Rede im<br />

Staatsdepartement ausgearbeitet wor<strong>den</strong> war. Und zwar war sie <strong>in</strong> ihren Grundzügen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>den</strong> abgegebenen<br />

Erklärungen entsprechen<strong>den</strong> S<strong>in</strong>n abgefaßt, doch hatte im letzten Augenblick <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, ohne irgend jemand davon<br />

zu verständigen, die persönliche Note, die Kraft und die Ausdrücke h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gebracht, die ihr erst <strong>den</strong> aufsehenerregen<strong>den</strong><br />

Charakter gaben, über <strong>den</strong> man dann im Departement ansche<strong>in</strong>end etwas überrascht war.<br />

Wenn ich Ihnen diesen Umstand schil<strong>der</strong>e, so möchte ich damit hervor, wie weit <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und sogar se<strong>in</strong>en unmittelbaren Mitarbeitern und <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>er Regierung voraus ist. Er selbst<br />

macht sich e<strong>in</strong> genaues Bild von dem, was sich mit se<strong>in</strong>em Lande e<strong>in</strong>es Tages ereignen kann und welche Rolle es e<strong>in</strong>mal<br />

zu spielen haben könnte; doch haben die Konferenz von Brüssel und neulich <strong>der</strong> Zusammentritt <strong>der</strong> Kammern gezeigt,<br />

daß die Erziehung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> außenpolitischer Ansicht, wie sie dem Präsi<strong>den</strong>ten vorschwebt, noch<br />

nicht so weit durchgedrungen ist. Zweifellos würde sich erst im Laufe e<strong>in</strong>er schweren Krise genau herausstellen, wie<br />

weit Herr Roosevelt gehen würde, sofern ihn nicht die Umstände vorher zu e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ungsän<strong>der</strong>ung veranlaßt haben,<br />

<strong>den</strong>n er ist e<strong>in</strong> verän<strong>der</strong>licher Mensch. Deshalb muß man <strong>in</strong> dieser heiklen Zeit, die für die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> vielleicht<br />

e<strong>in</strong>e Übergangszeit darstellt, realistisch bleiben und darf sich nicht Hoffnungen h<strong>in</strong>geben, die nachher nicht <strong>in</strong> Erfüllung<br />

gehen. Vielleicht behält Herr Birenger mit <strong>der</strong> neulich von ihm zum Ausdruck gebrachten Ansicht recht. Wenn aber die<br />

Amerikaner solche Erklärungen lesen, bil<strong>den</strong> sie sich sofort e<strong>in</strong>, sie könnten zum Spielzeug machiavellistischer Intrigen<br />

seitens Europas wer<strong>den</strong>. Dies ist e<strong>in</strong> wenig <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, <strong>den</strong> gewisse Londoner Meldungen hervorriefen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es<br />

hieß, daß England von Wash<strong>in</strong>gton Initiativen erwarte.<br />

In e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er Telegramme hatte ich Gelegenheit, Ihnen, Herr M<strong>in</strong>ister, zu sagen, daß die Ansichten von Herrn<br />

Norman Davis über die etwaige Verteidigung <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en im Staatsdepartement unbekannt waren. Dies wurde mir<br />

von demselben Freund bestätigt, <strong>der</strong> mir die obige Information über die Rede von Chicago gab. Er wun<strong>der</strong>te sich gar<br />

nicht darüber, da er <strong>der</strong> Ansicht ist, daß Norman Davis oft Gedanken äußert, die nicht diejenigen <strong>des</strong> Departements s<strong>in</strong>d.<br />

Zur Zeit wird jedoch das zukünftige Schicksal <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse erörtert. Dabei wer<strong>den</strong> laufend Me<strong>in</strong>ungen<br />

vertreten, die <strong>den</strong>jenigen von Norman Davis nahekommen und wonach die Verteidigungsl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

nicht bis zu diesen Inseln reicht, die man mehr o<strong>der</strong> weniger ihrem eigenen Schicksal überlassen solle, anstatt Gefahr zu<br />

laufen, sich Schwierigkeiten mit Japan zuzuziehen. Wenn diese Ansicht durchdr<strong>in</strong>gt, was wird dann aus dem Standpunkt<br />

<strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> gewissermaßen e<strong>in</strong>en Angriff gegen die Philipp<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>em Angriff auf Hongkong, Indoch<strong>in</strong>a o<strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien gleichstellt?<br />

Vorstehende Gedankengänge o<strong>der</strong> Informationen hielt ich eher für e<strong>in</strong>en Privatbrief geeignet als für e<strong>in</strong> amtliches<br />

Telegramm. Ich benutze die Gelegenheit, um Sie, Herr M<strong>in</strong>ister, hochachtungsvoll me<strong>in</strong>er größten Ergebenheit zu<br />

versichern.<br />

Jules Henry<br />

Nr. 6<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

3/SZ-tjn-3<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 9. Februar 1938<br />

Geheim<br />

In <strong>der</strong> vergangenen Woche unterhielt ich mich im Staatsdepartement mit Staatssekretär Hull und Unterstaatssekretär<br />

James C. Dunn über das Thema <strong>der</strong> Emigrantenfrage, die uns so sehr <strong>in</strong>teressiert.


Hierbei machte ich die Beobachtung, daß das Interesse um so mehr zunimmt, je mehr man sich mit dieser Sache<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt, welche Hilfe und Lösung auf <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Ebene verlangt. Die Bevölkerungsfrage <strong>in</strong> Polen ist<br />

hier gut bekannt. Für sie <strong>in</strong>teressieren sich nicht nur die staatlichen Faktoren, son<strong>der</strong>n auch die sozialen Organisationen,<br />

vor allem die jüdischen. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> jüdischen Frage steht jetzt fest, daß die Ju<strong>den</strong>, welche das nordöstliche Gebiet<br />

Europas und beson<strong>der</strong>s Polen bewohnen, e<strong>in</strong> seit Jahrhun<strong>der</strong>ten nicht assimiliertes Element s<strong>in</strong>d, das e<strong>in</strong> eigenes Leben<br />

mit mittelalterlichen Traditionen lebt und dadurch e<strong>in</strong>en entzündbaren Herd schafft, <strong>der</strong> sich mit <strong>den</strong> gewöhnlichen<br />

Verwaltungsmaßnahmen nicht bewältigen läßt. Ich konnte <strong>in</strong> diesen Unterhaltungen feststellen, daß die mächtigen<br />

jüdischen Organisationen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> ununterbrochener und ständiger Angst um das Schicksal ihrer<br />

Landsleute <strong>in</strong> Europa leben und daß die letzten antisernitischen Maßnahmen <strong>der</strong> Rumänischen Regierung noch Öl <strong>in</strong>s<br />

Feuer gegossen haben. Der Druck <strong>der</strong> Ju<strong>den</strong> auf <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt und auf das Staatsdepartement wird immer<br />

mächtiger, beson<strong>der</strong>s wegen <strong>der</strong> Wichtigkeit, für die <strong>in</strong> Deutschland, Polen, Rumänien und an<strong>der</strong>en <strong>Staaten</strong> bedrohten<br />

Ju<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Ausreise mit "Beistand" zu erlangen. Zu diesem Beistand ist natürlich e<strong>in</strong> Fragezeichen zu setzen, weil man<br />

nicht weiß, welche Form er annehmen soll. Heute ist das e<strong>in</strong>zige Losungswort dieses aktiven Beistan<strong>des</strong> sowohl bei dem<br />

Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt wie im Staatsdepartement und bei <strong>den</strong> jüdischen Organisationen die Überzeugung, daß die<br />

Emigration <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zi Ausweg aus dieser dr<strong>in</strong>glichen Situation ist. Die Schwierigkeiten türmen sich <strong>in</strong><strong>des</strong>sen hoch auf,<br />

und sie wer<strong>den</strong> immer offensichtlicher von <strong>der</strong>n Auge blick an, wo man an die praktische Verwirklichung <strong>des</strong><br />

Emigrantenplanes geht. Denn es ist e<strong>in</strong>e Tatsache, daß ke<strong>in</strong> Staat Ju<strong>den</strong> <strong>in</strong> größeren Ansammlungen aufnehmen will,<br />

außer Paläst<strong>in</strong>a, das <strong>in</strong><strong>des</strong>sen e<strong>in</strong>em strengen Zwange Großbritanniens unterliegt. Man kann sogar nicht e<strong>in</strong>mal mit<br />

Sicherheit auf die angeblichen Versuche <strong>der</strong> Ansiedlung e<strong>in</strong>iger Familien <strong>in</strong> Madagaskar o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Australien o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

kle<strong>in</strong>eren s amerikanischen <strong>Staaten</strong> rechnen. Das s<strong>in</strong>d viel zu ger<strong>in</strong>ge Ziffern, als daß sie <strong>in</strong> Wirklichkeit für <strong>den</strong><br />

Gesamtbereich dieses Problems e<strong>in</strong>e Erleichterung mit sich br<strong>in</strong>gen könnten.<br />

Angesichts <strong>der</strong> gemachten Angaben konnte ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterhaltung mit Hull und Dunn feststellen, daß die Ju<strong>den</strong>, die im<br />

Augenblick e<strong>in</strong>er Panikstimmung unterliegen, gegenwärtig die Vorkämpfer für die Schaffung <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sstimmung s<strong>in</strong>d,<br />

welche die ganze Welt <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> stürzen und e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Katastrophe herbeiführen soll. Diese Stimmung wird<br />

immer offensichtlicher. Voraussetzung dafür ist die Teilung <strong>der</strong> Welt <strong>in</strong> zwei große Blocks: <strong>den</strong> faschistischen und <strong>den</strong><br />

demokratischen. Zum faschistischen Block rechnen die Ju<strong>den</strong> und die mit ihnen geme<strong>in</strong>same Sache machen<strong>den</strong><br />

Vermittler und Helfer - außer Italien, Deutschland und Rumänien auch noch an<strong>der</strong>e <strong>Staaten</strong>, unter ihnen gleichfalls<br />

Polen; <strong>zur</strong> an<strong>der</strong>en - demokratischen Seite: England, Frankreich, Vere<strong>in</strong>igte <strong>Staaten</strong> und auf dem gleichen Plan auch<br />

Sowjetrußland. Bei <strong>der</strong> Xennzeichnung dieser demokratischen <strong>Staaten</strong> haben die Ju<strong>den</strong> übrigens e<strong>in</strong> wahres Chaos<br />

angerichtet: sie haben die Idee <strong>der</strong> Demokratie und <strong>des</strong> Kommunismus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Topf geworfen und vor allem das<br />

Banner e<strong>in</strong>es glühen<strong>den</strong> Hasses gegen <strong>den</strong> Nazismus aufgepflanzt. Alle <strong>Krieg</strong>smanifestationen <strong>in</strong> Spanien, im Fernen<br />

Osten, die letzten Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Rumänien wer<strong>den</strong> <strong>den</strong> verbrecherischen E<strong>in</strong>flüssen <strong>des</strong> Nazismus zugeschrieben.<br />

Dieser Haß führt <strong>zur</strong> Raserei. Er wird überall und auf jedem Schritt propagiert: <strong>in</strong> Schauspielen, <strong>in</strong> K<strong>in</strong>os, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse.<br />

Die Deutschen wer<strong>den</strong> dargestellt als Volk, das unter dem Hochmut Hitlers lebt, <strong>der</strong> die ganze Welt erobern und die<br />

ganze Menschheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Meer von Blut ertränken will.<br />

In Unterhaltungen mit jüdischen Pressevertretern stieß ich wie<strong>der</strong>holt auf <strong>den</strong> unerbittlich und mit Entschlossenheit<br />

vertretenen Standpunkt, daß <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> unvermeidlich ist. In <strong>der</strong> Propaganda bedient sich dieses <strong>in</strong>ternationale Ju<strong>den</strong>tum<br />

aller Mittel, <strong>in</strong>dem es alles ausschlachtet, was gegen die Ten<strong>den</strong>z zu irgendwelcher Konsolidierung und Verständigung<br />

zwischen <strong>den</strong> <strong>Staaten</strong> ist. Auf diese Weise wächst auf dem hiesigen Bo<strong>den</strong> <strong>in</strong>mitten <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung beständig,<br />

aber sicher die Überzeugung, daß die Deutschen und ihre Satelliten <strong>in</strong> Gestalt <strong>des</strong> Faschismus Fe<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d, welche "die<br />

demokratische Welt" bezw<strong>in</strong>gen muß.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 7<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenim<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 131/SZ-tjn-3<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 14. März 1938<br />

Auf allen Tätigkeitsgebieten von Regierung und Parlament herrscht außergewöhnliche Belebung. E<strong>in</strong>erseits bearbeitet<br />

<strong>der</strong> Kongreß die ihm übermittelten Gesetzesvorlagen, darunter die Budgetverordnung, das Rüstungsprogramm, e<strong>in</strong>e<br />

Reihe öffentlicher Verordnungen und e<strong>in</strong> Projekt <strong>der</strong> Reorganisierung <strong>der</strong> Verwaltung; an<strong>der</strong>erseits bemüht sich die<br />

Regierung auf <strong>den</strong> zwar engen, <strong>in</strong> ihrer Möglichkeit liegen<strong>den</strong> <strong>Weg</strong>en, die L<strong>in</strong>ie ihrer Außenpolitik zu gestalten,<br />

worüber die Botschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>bericht gleichzeitig zu berichten die Ehre hat.


Sowohl mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>nerpolitischen als auch mit <strong>den</strong> außenpolitischen Absichten stößt die Regierung auf e<strong>in</strong>e Reihe mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger ernsthafter E<strong>in</strong>sprüche <strong>der</strong> gesetzgeben<strong>den</strong> Kammern und auf verschie<strong>den</strong>artige Kritik <strong>der</strong> Presse bzw. <strong>der</strong><br />

sozialen Organisationen. Wie bisher, so herrscht auch weiterh<strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundsatz vor, sich nicht <strong>in</strong> fremde<br />

Angelegenheiten e<strong>in</strong>zu-mischen. Doch die Neigung <strong>der</strong> jetzigen Regierung mit dem Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt an <strong>der</strong><br />

Spitze, an <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik tätigen Anteil zu nehmen, dauert an, und oft wer<strong>den</strong> unter verschie<strong>den</strong>en<br />

Vorwän<strong>den</strong> Manöver gemacht, die, wie man annehmen muß, im En<strong>der</strong>gebnis auf dieses Ziel gerichtet s<strong>in</strong>d.<br />

So haben die mit England geführten Handelsvertragsverhandlungen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e politische Annäherung <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an England zum Zweck; die mit <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Sicherung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> vor<br />

e<strong>in</strong>em frem<strong>den</strong> Überfall begründeten Pläne <strong>zur</strong> Mar<strong>in</strong>eaufrüstung, zu e<strong>in</strong>er Verstärkung <strong>der</strong> Küstenbefestigung und <strong>zur</strong><br />

Verstärkung von Armee und Luftwaffe sollen <strong>der</strong> Regierung dazu verhelfen, die verlorene Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>ternationalen Politik wie<strong>der</strong>zugew<strong>in</strong>nen, aktiv zu wer<strong>den</strong>, ja sich unter gewissen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e Vormachtstellung<br />

auf diesem Gebiet zu sichern.<br />

Die weiterh<strong>in</strong> äußerst kriegsfe<strong>in</strong>dlich gestimmte amerikanische Gesellschaft sche<strong>in</strong>t doch ihre Anschauung über die<br />

Notwendigkeit e<strong>in</strong>er starken Militärmacht zu än<strong>der</strong>n, und zwar e<strong>in</strong>er starken Militärmacht, die nicht nur die<br />

a<strong>in</strong>erikanischen Besitzungen wirksam vor e<strong>in</strong>em Angriff schützen kann, son<strong>der</strong>n gelegentlich auch durch die Tatsache<br />

ihres Bestehens als Druckmittel beim Durchsetzen politischer For<strong>der</strong>ungen Amerikas <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Arena<br />

dienen kann.<br />

Auf e<strong>in</strong>e solche Lage <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge wird man jedoch m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens 5 Jahre warten lutissen. So s<strong>in</strong>d <strong>zur</strong> Zeit nirgends Stimmen<br />

zu hören die offen die Möglichkeiten e<strong>in</strong>es bewaffneten Auftretens Amerikas erwägen. Nichts<strong>des</strong>toweniger läßt sich<br />

herausfühlen, daß diese Eventualität durch e<strong>in</strong>e gewisse Gruppierung unter gewissen Bed<strong>in</strong>gungen grundsätzlich <strong>in</strong><br />

fernerer Zukunft e<strong>in</strong>bezogen wird. Inzwischen sche<strong>in</strong>en sich eher die isolationistischen Ten<strong>den</strong>zen und die Neigung,<br />

sich aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik herauszuhalten, zu verstärken.<br />

Der jetzige Stand <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>smar<strong>in</strong>e und <strong>der</strong> Küstenbefestigungen sche<strong>in</strong>t, wie die Botschaft schon berichtet hat, die<br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und auch ihre Besitzungen, mit Ausnahme vielleicht <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en, vor äußeren Überfällen zu<br />

schützen.<br />

Deshalb hat höchstwahrsche<strong>in</strong>lich <strong>der</strong> Rüstungsplan, <strong>der</strong> dem Parlament vorgelegt wurde und Aussichten hat,<br />

angenommen zu wer<strong>den</strong>, hochpolitischen Charakter.<br />

Es ist e<strong>in</strong> großzügiges Projekt, das <strong>den</strong> Fiskus <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im ganzen 1 113 546 000 Dollar kosten soll.<br />

Der jetzige Stand <strong>der</strong> Flotte, wie er <strong>in</strong> dem Buche "Jane's Fight<strong>in</strong>g Ships 1937" <strong>in</strong> London veröffentlicht wurde, und die<br />

durch die Mar<strong>in</strong>ekommission <strong>des</strong> Kongresses vorgeschlagenen Vermehrungen stellen sich wie folgt dar:<br />

Angaben aus dem Jahre 1937 Geplante Stand nach<br />

Vermehrung 5 Jahren<br />

L<strong>in</strong>ienschiffe 17 3 (zu 35 000 t) 20<br />

Schwere Kreuzer 18<br />

9 46<br />

Leichte Kreuzer 19<br />

Torpedobootzerstörer 243 23 266<br />

Flugzeugmutterschiffe 6 2 8<br />

Kanonenboote 12 - 12<br />

Unterseeboote 100 9 109<br />

Küstenpatrouillenschiffe 33 - 33<br />

Flugzeugten<strong>der</strong> 3 11 14<br />

M<strong>in</strong>enleger 2 - 2<br />

Leichte M<strong>in</strong>enleger 8 - 8<br />

Hilfsschiffe 54 29 83<br />

Vermessungsschiffe 1 - 1<br />

M<strong>in</strong>ensuchboote.... 43 - 43<br />

Zielschiffe 3 - 3<br />

Ozeanschleppdampfer 28 - 28<br />

(Die Zurückziehung veralteter E<strong>in</strong>heiten ist nicht berücksichtigt.)<br />

Von <strong>der</strong> oben angegebenen Summe von 1 113 546 000 Dollar, die für <strong>den</strong> Ausbau <strong>der</strong> Flotte bestimmt ist, sollen 8<br />

Millionen für die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> staatlichen Schiffswerften, 30 Millionen für Experimente mit dem neuen Typ


leichter, kle<strong>in</strong>er, schneller Schutzboote, 3 Millionen für <strong>den</strong> Bau von Luftschiffen <strong>des</strong> Typs "Zeppel<strong>in</strong>" verwendet<br />

wer<strong>den</strong>. Wenn <strong>der</strong> Kongreß dieses Projekt, die Flotte zu verstärken, das eigentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em längeren Zeitraum die<br />

Investierung von 3 Milliar<strong>den</strong> vorsieht, annimmt, dann bedeutet das für die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> die<br />

Verpflichtung, zwei vollständige Flotten zu schaffen, nämlich e<strong>in</strong>e im Stillen und e<strong>in</strong>e zweite im Atlantischen Ozean.<br />

Amerika strebt, kurz gesagt, dah<strong>in</strong>, wie ich schon die Ehre hatte, am Anfang zu sagen, e<strong>in</strong>e mächtigere Flotte zu haben<br />

als irgend jemand an<strong>der</strong>s sonst; es geht nicht mehr darum, e<strong>in</strong>e Seemacht zu unterhalten, die größer als die japanische<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> englischen gleich ist, son<strong>der</strong>n darum, <strong>den</strong> Seestreitkräften <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong> absolutes Übergewicht<br />

zu sichern; es geht ganz offenbar nicht darum, die Verteidigung <strong>der</strong> Territorien <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zu sichern,<br />

son<strong>der</strong>n sich <strong>der</strong> Flotte als e<strong>in</strong>es aktiven politischen Argumentes zu bedienen. Dies, zusammen mit <strong>den</strong> jetzt<br />

unternommenen Schritten, gewisse, bisher nicht <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getretene südamerikanische <strong>Staaten</strong> an die Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> durch zweiseitige Verteidigungsverträge zu b<strong>in</strong><strong>den</strong>, sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e neue Periode <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik dieser letzteren<br />

e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Das Projekt e<strong>in</strong>es so riesigen Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sflotte, <strong>der</strong> Mar<strong>in</strong>ebefestigungen bzw. auch <strong>der</strong> Verstärkung <strong>der</strong><br />

Verteidigung zu Lande sche<strong>in</strong>t alle Aussichten zu haben, vom Kongreß angenommen und dann schnell verwirklicht zu<br />

wer<strong>den</strong>. Se<strong>in</strong>e Popularität <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Zeit stützt sich höchstwahrsche<strong>in</strong>lich auf verschie<strong>den</strong>e psychologische<br />

Momente, die von <strong>der</strong> jetzigen Regierung geschickt ausgenützt wer<strong>den</strong>. Indem <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t grundsätzlich beabsichtigt,<br />

durch Verstärkung <strong>der</strong> Streitkräfte die <strong>in</strong>ternationale politische Autorität <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zu heben, entspricht er<br />

gleichzeitig <strong>den</strong> Bemühungen von <strong>der</strong> Regierung nahestehen<strong>den</strong> Gruppierungen <strong>des</strong> Kongresses, zusätzliche Arbeit für<br />

die fortwährend nicht kle<strong>in</strong>er wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Scharen <strong>der</strong> Arbeitslosen zu schaffen, sowie dem Streben <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Gesellschaft, auf diesem <strong>Weg</strong>e alle etwaigen Angreifer von <strong>der</strong> Verwirklichung von Überfällen, die angeblich <strong>den</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> drohen, abzubr<strong>in</strong>gen und <strong>den</strong> bewaffneten Frie<strong>den</strong> zu sichern.<br />

Der japanische Angriff, <strong>der</strong> angeblich droht, die Furcht vor <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es terliegens Englands und davor,<br />

unwillkürlich zum Werkzeug von <strong>des</strong>sen Außenpolitik zu wer<strong>den</strong>, sowie die Absicht, durch Macht E<strong>in</strong>druck zu machen<br />

und so über die Welt e<strong>in</strong>e friedliche Herrschaft zu errichten, haben zweifellos e<strong>in</strong>e <strong>den</strong> Rüstungen günstige Stimmung<br />

geschaffen. Die Ereignisse ereletzten Tage auf dem europäischen Kont<strong>in</strong>ent und die Erfolge Hitlers haben diese<br />

Stimmung dem Regierungsprojekt noch geneigter gemacht.<br />

Das alles geschieht am Vorabend <strong>der</strong> Ergänzungswahlen zum Senat und Kongreß und ist durchdrungen von<br />

<strong>in</strong>nerpolitischen Rücksichten und trägt oft deutlich die Anzeichen e<strong>in</strong>es Wahlkampfes.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 8<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außen<strong>in</strong><strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 513<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 26. Mai 1938<br />

Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt, <strong>der</strong> außer <strong>den</strong> Diplomaten seit mehreren Monaten ke<strong>in</strong>en Auslän<strong>der</strong> empfangen hatte, machte heute<br />

vormittag e<strong>in</strong>e Ausnahme für <strong>den</strong> Pater Jacqu<strong>in</strong>ot aus Schanghai, <strong>den</strong> dortigen Delegierten <strong>des</strong> Internationalen Roten<br />

Kreuzes für die Flüchtl<strong>in</strong>gshilfe.<br />

Er nahm unseren Landsmann, <strong>den</strong> ich vorstellte, sehr gut auf und ermächiigte ihn, sich bei <strong>der</strong> Anrufung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Wohltätigkeit auf se<strong>in</strong>e Schirmherrschaft zu berufen. Übrigens verheimlichte er nicht, daß die amerikanische öffentliche<br />

Me<strong>in</strong>ung bisher <strong>den</strong> Lei<strong>den</strong> <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen Bevölkerung gegenüber ziemlich gleichgültig geblieben sei und daß man<br />

offenbar je<strong>der</strong> Sektion <strong>des</strong> Roten Kreuzes <strong>den</strong> Betrag vorschreiben müsse, <strong>den</strong> sie aufzubr<strong>in</strong>gen hätte.<br />

Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 514<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 26. Mai 1938


Zu me<strong>in</strong>em vorhergehen<strong>den</strong> Telegramm<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t hat se<strong>in</strong>er lebhaften Anteilnahme für die ch<strong>in</strong>esische Sache und se<strong>in</strong>er Mißbilligung <strong>der</strong> von <strong>den</strong><br />

japanischen Truppen begangenen Übergriffe Ausdruck gegeben. Zu <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en Diktatoren übergehend, hat er sehr<br />

offen auf ihre immer größere Kühnheit h<strong>in</strong>gewiesen und bedauert, daß sie schon zu lange straflos ausgegangen s<strong>in</strong>d.<br />

Er freute sich darüber, daß Frankreich und England <strong>in</strong> <strong>der</strong> tschechoslowakischen Angelegenheit Deutschland mit e<strong>in</strong>em<br />

Schlag E<strong>in</strong>halt geboten haben.<br />

Von <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en Äußerungen, <strong>der</strong>en amtliche Bestätigung das Staatsdepartement sicherlich verweigern würde, habe ich<br />

folgende Erklärung behalten, die er mit e<strong>in</strong>er Wendung <strong>des</strong> Kopfes wie für sich selbst und im Tone <strong>in</strong>nerster<br />

Überzeugung äußerte: "Sollte Frankreich untergehen, so wür<strong>den</strong> wir ganz offenbar mit ihm untergehen."<br />

Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 9<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außemn<strong>in</strong>ister<br />

Bericht (Auszug)<br />

Nr. 125<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 11. Juni 1938<br />

Betrifft: Zwei Unterredungen mit<br />

Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt<br />

Ich habe <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zweimal wie<strong>der</strong>gesehen seit jener Unterredung, über die ich <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>em Schreiben Nr. 70 vom 26. März 1938 berichtet habe.<br />

Ich berichte zunächst über das Zusammentreffen vom 17. April. Frau Frankl<strong>in</strong> Roosevelt war bei me<strong>in</strong>er Ankunft von<br />

Wash<strong>in</strong>gton abwesend; gleich nach ihrer Rückkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten AprilhäIfte habe ich die Bitte an sie gerichtet, ihr me<strong>in</strong>e<br />

Aufwartung machen zu dürfen. Ihre Antwort war e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung zum Frühstück im engsten Kreise für <strong>den</strong> ersten<br />

Osterfeiertag.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ist durch se<strong>in</strong> Gebrechen gezwungen, se<strong>in</strong>e Bewegungen auch im Innern se<strong>in</strong>es Hauses auf das äußerste<br />

zu beschränken. Er ersche<strong>in</strong>t erst, weün alle Gäste bereits im Empfangszimmer versammelt s<strong>in</strong>d, drückt ihnen im<br />

Vorbeigehen rasch die Hand und begibt sich unmittelbar zu Tisch. Ebenso kehrt <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t nach Beendigung <strong>des</strong><br />

Mahles, das sich etwas länger ausdehnt, als dies <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> sonst <strong>der</strong> Fall ist, unmittelbar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Gemächer <strong>zur</strong>ück und hält sich dabei nur kurz auf, um von se<strong>in</strong>en Gästen Abschied zu nehmen.<br />

Unter <strong>den</strong> etwa 2o Personen, die an diesem Tage gela<strong>den</strong> waren, befan<strong>den</strong> sich, abgesehen von e<strong>in</strong>em republikanischen<br />

Abgeordneten aus Kansas namens Lambertson mit Gatt<strong>in</strong> und mir selbst, nur e<strong>in</strong>ige enge Freunde, darunter <strong>der</strong><br />

Amerikanische Botschafter <strong>in</strong> Paris, sowie die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie, zumeist junge Leute im Ferienaufenthalt. Der<br />

Präsi<strong>den</strong>t begrüßte <strong>den</strong> Botschafter Bullitt mit e<strong>in</strong>em herzlichen "Da ist er ja, <strong>der</strong> alte Knabe!" Der Abgeordnete<br />

Lambertson, <strong>des</strong>sen schmales und von <strong>der</strong> Sonne gebräuntes Gesicht an das e<strong>in</strong>es normannischen Bauern er<strong>in</strong>nert,<br />

gehört <strong>der</strong> Opposition an. Obwohl er und se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> von dem Umstand, zum erstenmal e<strong>in</strong>er Frühstückse<strong>in</strong>ladung im<br />

Weißen Hause gewürdigt zu wer<strong>den</strong>, völlig benommen waren, h<strong>in</strong><strong>der</strong>te ihre Gegenwart doch e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>gehen<br />

auf außenpolitische Fragen. Die e<strong>in</strong>zige hierauf bezügliche Bemerkung, die <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t bei me<strong>in</strong>er Verabschiedung<br />

machte, bestand dar<strong>in</strong>, daß er mir se<strong>in</strong>e Wünsche für die neue FrauzÖsische Regierung zum Ausdruck brachte, <strong>der</strong>en<br />

glückliche Anfänge ihm e<strong>in</strong>en sehr günstigen E<strong>in</strong>druck gemacht hätten.<br />

Frau Roostvelt, die auf Photographien recht unvorteilhaft aussieht, besitzt e<strong>in</strong>e lebhafte Intelligenz und e<strong>in</strong>en wirklichen<br />

Charme. ihre Liebenswürdigkeit ist sprichwörtlich. Sie übt e<strong>in</strong>e ungewöhnlich regsame Tätigkeit aus, die von manchen<br />

Seiten für übertrieben gehalten wird, um so mehr, als ihre Artikel und die zahlreichen Vorträge sehr gut honoriert<br />

wer<strong>den</strong>. Wie dem auch sei, ich habe je<strong>den</strong>falls nicht versäumt, ihre Memoiren zu lesen. Sie sprach zu mir hauptsächlich<br />

von unserem Lande, wo sie häufig gewesen ist. Sie teilt die Sympathien, welche die meisten gebildeten Amerikaner<br />

Frankreich gegenüber hegen.


Damals beschäftigte sie sich vor allem mit dem Umbau <strong>des</strong> Negerkrankenhauses <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton. Da ich <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck<br />

hatte, sie wolle sich entschuldigen, daß es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>hauptstadt e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e, e<strong>in</strong>er gewissen Bevölkerungsklasse<br />

vorbehaltene Anstalt gäbe, beruhigte ich sie mit dem H<strong>in</strong>weis, daß <strong>in</strong> Nordafrika die wohlhabendsten E<strong>in</strong>geborenen, von<br />

ganz wenigen Ausnahmefällen abgesehen, <strong>den</strong> europäischen Krankenhäusern die Anstalten vorziehen. wo sie sicher<br />

s<strong>in</strong>d, ihre Sitten und Lebensgewohnheiten, die von <strong>den</strong> unserigen sehr abweichen, beibehalten zu können. Frau<br />

Roosevelt zufolge bef<strong>in</strong>det sich das Negerkrankenhaus von Wash<strong>in</strong>gton <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em "schandbaren" Zustand. Sie wandte<br />

sich hierbei an <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> ihr <strong>den</strong> Rat gab, sich mit dem Budget-Direktor <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu setzen. "Er tut, was<br />

er 'kann", fügte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t h<strong>in</strong>zu, "aber wir haben mit dem Wi<strong>der</strong>stand <strong>des</strong> Herrn X. zu rechnen" - hier nannte <strong>der</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>t <strong>den</strong> Namen e<strong>in</strong>es demokratischen Senators aus dem Sü<strong>den</strong> - "wir haben diesen Senator gefragt, ob er damit<br />

e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong> sei, daß wir über se<strong>in</strong>en Protest <strong>zur</strong> Tagesordnung überg<strong>in</strong>gen, nachdem er sich grundsätzlich gegen das<br />

Negerkrankenhaus geäußert habe. Der Senator will aber hiervon nichts wissen, <strong>den</strong>n er muß sich im Oktober d. J. e<strong>in</strong>er<br />

neuen Wahl unterziehen und behauptet, bestimmt geschlagen zu wer<strong>den</strong>, wenn man ihm nachweist, daß er für die Neger<br />

Interesse gezeigt hat..."<br />

Seit e<strong>in</strong>igen Monaten hatte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> völlig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er parlamentarischen Arbeit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

kommen<strong>den</strong> Wahlen aufgeht, außer <strong>den</strong> <strong>in</strong> WashiDgton beglaubigten Diplomaten ke<strong>in</strong>en Auslän<strong>der</strong> empfangen. Von<br />

diesem Grundsatz ist er zugunsten <strong>des</strong> hochwürdigen Paters Jacqu<strong>in</strong>ot aus Schanghai abgewichen.Wie EurerExzellenz<br />

bekannt ist, leitet unser Landsmann das Hilfswerk für die ch<strong>in</strong>esischen Flüchtl<strong>in</strong>ge mit e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>gabe, die ihm neben <strong>der</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>en Anerkennung das Kreuz <strong>der</strong> Ehreillegion e<strong>in</strong>getragen hat. Er ist im Auftrag <strong>des</strong> Internationalen Roten<br />

Kreuzes <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gekommen und hat e<strong>in</strong>e außeror<strong>den</strong>tlich herzliche Empfehlung <strong>des</strong> amerikanischen<br />

Generalkonsuls <strong>in</strong> Schanghai mitgebracht.<br />

Wie ich bereits <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Drahtbericht Nr. 513/14 vom 26. Mai 1) dargelegt habe, hat <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t dem Pater<br />

Jacqu<strong>in</strong>ot, <strong>den</strong> ich bei ihm e<strong>in</strong>führte, <strong>den</strong> herzlichsten Empfang bereitet. Er beglückwünschte unseren Landsmann zu<br />

se<strong>in</strong>er wackeren Haltung und befragte ihn über se<strong>in</strong>e Tätigkeit. Der Präsi<strong>den</strong>t ermächtigte <strong>den</strong> Pater, von se<strong>in</strong>er<br />

Sch<strong>in</strong>nherrschaft Gebrauch zu machen, um die Spendefreudigkeit <strong>des</strong> amerikanischen Publikums anzufeuern. Er brachte<br />

übrigens se<strong>in</strong> Bedauern darüber zum Ausdruck, daß <strong>der</strong> Aufruf <strong>des</strong> Roten Kreuzes bisher ke<strong>in</strong>e große Begeisterung<br />

hervorgerufen habe. Von <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Dollarmillion (36 000 000 Francs) habe man bis jetzt erst 300 000 Dollar<br />

(11 000 000 Francs) zusammengebracht. "Die Leute <strong>den</strong>ken <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an das Elend, das sie umgibt, man wird<br />

jedoch jetzt je<strong>der</strong> Ortsgruppe <strong>des</strong> Roten Kreuzes <strong>den</strong> von ihr zu leisten<strong>den</strong> Beitrag mitteilen. Dies ist hierzulande das<br />

Verfahren <strong>zur</strong> Beschaffung von Geld."<br />

1) Siehe Nr. 8.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t schien über die Lage <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a sehr genau <strong>in</strong>formiert zu se<strong>in</strong>; er verurteilte die von <strong>den</strong> japanischen<br />

Truppen begangenen Ausschreitungen scharf. Dann erklärte er halb ernst, halb scherzhaft und mit e<strong>in</strong>em Augenzw<strong>in</strong>kern<br />

zu mir herüber: "Ich muß übrigens <strong>der</strong> Französischen Regierung schwere Vorwürfe machen." Da sowohl Pater Jacqu<strong>in</strong>ot<br />

als ich selbst Zeichen <strong>der</strong> Überraschung erkennen ließen, fügte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t erläuternd bei: "Ja - weil sie die<br />

<strong>in</strong>doch<strong>in</strong>esische Grenze für Sendungen nach Ch<strong>in</strong>a geschlossen hat." Pater Jacqu<strong>in</strong>ot nahm diese Erklärung mit e<strong>in</strong>er<br />

gewissen Skepsis auf. Ich selbst begnügte mich, dem Präsi<strong>den</strong>ten darzulegen, daß wir vermei<strong>den</strong> müßten, die<br />

japanischen See- und Luftstreitkräfte <strong>in</strong> <strong>den</strong> Golf von Tongk<strong>in</strong>g und <strong>in</strong> die angrenzen<strong>den</strong> Prov<strong>in</strong>zen unserer Kolonie zu<br />

ziehen. "Dies ist mir wohlbekannt", entgegnete <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, womit er zu erkennen gab, daß er sich diesem Argument<br />

<strong>der</strong> höheren Gewalt, wenn auch mit Bedauern, beuge.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t ließ die Gelegenheit nicht vorübergehen, se<strong>in</strong>er Abneigung gegen die totalitären <strong>Staaten</strong> und ihre Politik<br />

brutaler Raubgier freien Lauf zu lassen. Ich erwähnte, daß die Tschechoslowakei soeben e<strong>in</strong>e scharfe Krise<br />

durchgemacht habe und daß <strong>der</strong> entschlossene Wi<strong>der</strong>stand dieses kle<strong>in</strong>en Lan<strong>des</strong>, dank <strong>der</strong> kraftvollen Unterstützung<br />

durch Frankreich und England, erlaubt habe, Deutschland E<strong>in</strong>halt zu gebieten. "Das war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat gute Arbeit", warf<br />

Roosevelt lebhaft e<strong>in</strong>, "<strong>den</strong>n diese Leute kennen nur die Gewalt." Indem er die Hand wie zum Boxen ballte, fügte er<br />

h<strong>in</strong>zu: "So muß man mit ihnen sprechen." Der Präsi<strong>den</strong>t erzählte uns hierauf von e<strong>in</strong>em Film, <strong>der</strong> am Abend zuvor im<br />

Weißen Haus gezeigt wor<strong>den</strong> sei. Dieser Film gebe die europäische Entwicklung seit <strong>Krieg</strong>selide zusammenfassend<br />

wie<strong>der</strong>. Es wird dar<strong>in</strong> zunächst die Unterzeichnung <strong>des</strong> Versailler Vertrages vorgeführt; man sieht die deutschen<br />

Bevollmächtigten <strong>in</strong> tiefster Erniedrigung, und man hört, wie die alliierten Staatsmänner - Präsi<strong>den</strong>t Wilson, Lloyd<br />

George und Clemenceau - ihren Glauben an die Herstellung e<strong>in</strong>es endgültigen Frie<strong>den</strong>s zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen.<br />

Anschließend wird <strong>der</strong> fortschreitende deutsche Wie<strong>der</strong>aufstieg gezeigt. Die Räumung <strong>der</strong> Ruhr, die Räumung <strong>des</strong><br />

l<strong>in</strong>ken Rhe<strong>in</strong>ufers, die Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung <strong>des</strong> Saargebietes, <strong>der</strong> Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, die<br />

Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Wehrpflicht, die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Alitärhobeit auf dem l<strong>in</strong>ken Rhe<strong>in</strong>ufer und schließlich <strong>der</strong><br />

Anschluß Österreichs s<strong>in</strong>d die wichtigsten Etappen auf dem <strong>Weg</strong>e <strong>zur</strong> Vorherrschaft. Was wird uns die nächste Zeit<br />

br<strong>in</strong>gen? - Die Zerstückelung o<strong>der</strong> Versklavung <strong>der</strong> Tschechoslowakei, <strong>den</strong> Zugriff auf Ungarn und Rumänien, <strong>den</strong><br />

Zugang zum Schwarzen Meer und zum Mittelmeer über die Gebiete von <strong>Staaten</strong> h<strong>in</strong>weg, die entwe<strong>der</strong> gute Miene zum<br />

bösen Spiel machen o<strong>der</strong> aus Furcht nicht Wi<strong>der</strong>stand zu leisten wagen.<br />

Ich er<strong>in</strong>nerte diskret daran, daß Frankreich im Verlauf dieser ganzen Entwicklung, nachdem es e<strong>in</strong>ige Jahre <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Furcht vor e<strong>in</strong>er Invasion gelebt hatte, auf Betreiben von Herrn Briand e<strong>in</strong>e entschie<strong>den</strong>e Verständigungspolitik


gegenüber Deutschland e<strong>in</strong>geleitet und diese bis <strong>zur</strong> äußersten Grenze getrieben habe, daß es aber vor kurzem, als ke<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e Wahl übrigblieb, ohne Zögern schwere <strong>Krieg</strong>sgefahren auf sich genommen habe . .. "E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Wahl war nicht<br />

möglich", bemerkte hierzu <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t. Dann, nach e<strong>in</strong>igen Sekun<strong>den</strong> <strong>der</strong> Überlegung, fügte er h<strong>in</strong>zu, <strong>in</strong>dem er <strong>den</strong><br />

Kopf wie im Selbstgespräch beiseite wandte: "Sollte Frankreich untergehen, so wür<strong>den</strong> wir ganz offenbar mit ihm<br />

untergehen!"<br />

Diese Worte wur<strong>den</strong> im Brustton <strong>der</strong> tiefsten Überzeugung ausgesprochen und gestatteten ke<strong>in</strong>en Zweifel über die<br />

Ges<strong>in</strong>nung <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten und über die Richtung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung bearbeiten würde,<br />

wenn Frankreich an <strong>der</strong> Seite Englands mit <strong>den</strong> faschistischen Mächten für die Verteidigung <strong>der</strong> Demokratie und <strong>der</strong><br />

Freiheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Konflikt geraten würde.<br />

R. de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 10<br />

Der FranzÖsische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 1043-1046<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 27, September 1938<br />

Der Unterstaatssekretär erklärte mir, weich tiefen E<strong>in</strong>druck ihm die Kaltblütigkeit <strong>der</strong> französischen Staatsmänner und<br />

das ruhige Verhalten unserer Bevölkerung gemacht hätten. Er äußerte sich sehr befriedigt zu <strong>den</strong> Nachrichten, wonach<br />

im Britischen Kab<strong>in</strong>ett E<strong>in</strong>stimmigkeit erzielt und von England e<strong>in</strong> bed<strong>in</strong>gungsloses Beistandsversprechen für<br />

Frankreich abgegeben wor<strong>den</strong> ist.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Botschaft <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten führte Sumner Welles aus, daß diese an Berl<strong>in</strong>, Prag, London und Paris<br />

geri,htete Botschaft auch <strong>den</strong> Regierungen <strong>in</strong> Warschau und Bukarest mitgeteilt wor<strong>den</strong> sei, nicht dagegen <strong>den</strong><br />

Regierungen <strong>in</strong> Moskau und Rom. Nach <strong>den</strong> Ausführungen <strong>des</strong> Unterstaatssekretärs war es <strong>Roosevelts</strong> Absicht gewesen,<br />

die Anteilnahme <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an <strong>der</strong> europäischen Krise <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en und objektiven Wendungen zu<br />

betonen, um e<strong>in</strong>erseits die Gegner <strong>der</strong> Intervention <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> nicht zu erschrecken und an<strong>der</strong>erseits die<br />

deutsche Fmpf<strong>in</strong>dlichkeit nicht zu verletzen. Die übrigens gemäßigten E<strong>in</strong>wände, die hier von e<strong>in</strong>igen Idealisten<br />

vorgebracht wur<strong>den</strong>, beruhigten <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten über die Rückwirkungen se<strong>in</strong>er Botschaft bei <strong>den</strong> Isolationisten. Die<br />

groben Kommentare e<strong>in</strong>iger deutscher Blätter erschienen ihm als e<strong>in</strong> Anzeichen dafür, daß die Wartung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gehört<br />

wor<strong>den</strong> sei.<br />

Herr Sumner Welles teilte mir mit, daß die französische Antwort beim Präsi<strong>den</strong>ten die lebhafteste Befriedigung<br />

hervorgebracht habe. Er fügte h<strong>in</strong>zu, daß die französisch-englische Haltung nach Berchtesga<strong>den</strong> zahlreichen<br />

amerika.nischen Beobachtern schwach ersche<strong>in</strong>en konnte, daß diese Haltung aber <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Demokratien jetzt, wo<br />

man die Größe <strong>der</strong> deutschen For<strong>der</strong>ungen ermessen könne, die fast e<strong>in</strong>mütige Sympathie <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung<br />

verschafft habe.<br />

Indem ich mich entschuldigte, me<strong>in</strong>e Gedanken laut wer<strong>den</strong> zu lassen, warf ich die Frage auf, ob diese unbestreitbare,<br />

warme Sympathieäußerung gegenüber England und Frankreich nicht mit <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong>artig starker<br />

Isolierungsbestrebungen Hand <strong>in</strong> Hand g<strong>in</strong>ge, daß sie nicht nur die Aufrechterhaltung, son<strong>der</strong>n sogar die Verschärfung<br />

<strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes <strong>zur</strong> Folge haben würde.<br />

Wie Herr Cordell Hull vor drei Tagen, hat auch Herr Sumner Welles erklärt, ke<strong>in</strong>e sicheren Voraussagen über die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung hierzulande abgeben zu können. Er sagte mir jedoch, daß die Regierung alle<br />

durch das Neutralitätsgesetz aufgeworfenen Fragen sorgfältig geprüft habe, und er gab mir deutlich zu verstehen, daß<br />

diese Prüfung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für uns günstigen S<strong>in</strong>ne durchgeführt wor<strong>den</strong> sei. Die Aufnahme, die unser F<strong>in</strong>anzattach6 beim<br />

Schatzamt gefun<strong>den</strong> hat und über die dieser dem Herrn F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Telegramm berichtet, das ich Eurer<br />

Exzellenz geson<strong>der</strong>t überrnittle, bildet übrigens <strong>den</strong> Beweis dieses Wohlwollens.<br />

Am Schluß unserer Unterredung hörten wir uns e<strong>in</strong> Resümee <strong>der</strong> Rede an, die Herr Hitler soeben gehalten hat. Herr<br />

Sumner Welles stellte fest, daß ke<strong>in</strong> nicht wie<strong>der</strong> gut zu machen<strong>des</strong> Wort ausgesprochen wor<strong>den</strong> sei. Er war jedoch<br />

betroffen von dem persönlichen Haß, <strong>den</strong> Herr Hitler gegen Herrn Benesch zum Ausdruck brachte, und warf die Frage<br />

auf, welches im e<strong>in</strong>zelnen die Versprechungen gewesen seien, die vom Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Tschechoslowakischen Republik<br />

abgegeben wor<strong>den</strong> seien und <strong>der</strong>en ErfüHung <strong>der</strong> Reichskanzler gebieterisch verlangte.


Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 11<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 264<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 9. November 1938<br />

Betrifft: Die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und die Konferenz von Lima<br />

Wenn seit e<strong>in</strong>igen wochen die Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Zeitungen und <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> auch<br />

nahezu ausschMeßlicb von <strong>den</strong> bevorstehen<strong>den</strong> Wahlen, dem Vordr<strong>in</strong>gen Japans <strong>in</strong> Ostasien und <strong>der</strong> europäischen Lage<br />

nach Abschluß <strong>des</strong> Münchener Abkommens <strong>in</strong> Anspruch genommen wird, so daß an<strong>der</strong>e Fragen fast ganz im<br />

H<strong>in</strong>tergrund bleiben, so beschäftigen sich zweifellos die Bun<strong>des</strong>regierung und die Bun<strong>des</strong>verwaltung <strong>in</strong> hervorragendem<br />

Maße mit <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> amerikanischen Republiken, die am kommen<strong>den</strong> g. Dezember <strong>in</strong> Lima eröffnet wird.<br />

Bisher wurde we<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse noch <strong>in</strong> Re<strong>den</strong> von Regierungsmitglie<strong>der</strong>n etwas über die Haltung mitgeteilt, die die<br />

amerikanische Delegation bei dieser Zusammenkunft e<strong>in</strong>nehmen wird. Man kann sogar feststellen, wie wenig genaue<br />

Angaben über das Programm und die Ziele dieser Konferenz gemacht wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lande, wo Zeitung und<br />

Zeitschriften auf <strong>der</strong> Jagd nach Informationen s<strong>in</strong>dundmeistwenig Neigungzeigen, auchnurdas Ger<strong>in</strong>gsteim Dunkeln zu<br />

lassen. Dieses Schweigen ist um so auffallen<strong>der</strong>, als es mit dem nationalistischen Feldzug panarnerikanischer und sogar<br />

<strong>in</strong>iperialistischer Färbung, auf <strong>des</strong>sen verschie<strong>den</strong>e Kundgebungen ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Telegrammen h<strong>in</strong>weisen konnte, <strong>in</strong><br />

Wi<strong>der</strong>spruch steht. Vor dem Münchener Abkommen zeigten sich diese Ten<strong>den</strong>zen schon beim Pressefeldzug gegen das<br />

deutsche Vordr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Südamerika. Hitlers politische Erfolge, zusammen mit <strong>den</strong> japanischen Siegen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, haben<br />

sie noch schärfer bervortreten lassen. Bekannte Journalisten, die bisher e<strong>in</strong>e aktive panarnerikanische Politik nicht<br />

befürworteten, wie z. B. Walter Lippmann, sprechen nunmehr vernehmlich von <strong>der</strong> Notwendigkeit, <strong>den</strong> Schutz <strong>des</strong><br />

amerikanischen Kont<strong>in</strong>ents vor <strong>den</strong> Unternehmungen <strong>der</strong> totalitären Mächte sicherzustellen, und gehen bis <strong>zur</strong><br />

For<strong>der</strong>ung von FlottenstÜtzpunkten <strong>in</strong> <strong>den</strong> französischen o<strong>der</strong> britischen Besitzungen <strong>der</strong> Antillen. Bewußt o<strong>der</strong><br />

unbewußt treten diese neuen Anhänger e<strong>in</strong>er amerikanischen Politik mit imperiahstischen Zielen für dieselben<br />

Grundsätze e<strong>in</strong> wie die <strong>der</strong> Mar<strong>in</strong>e nahestehen<strong>den</strong> Kreise; gleichzeitig mußten hier diejenigen <strong>in</strong>dustriellen und<br />

kaufmännischen Kreise, die Interessen <strong>in</strong> Südamerika besitzen, über die Entthüllungen gewisser Personen betroffen se<strong>in</strong>,<br />

vor allem über diejenige <strong>des</strong> Herrn Bernard Baruch. Die Erklärungen, die dieser beim Verlassen <strong>des</strong> Weißen Hauses vor<br />

<strong>der</strong> Presse abgab, sollten zweifellos die Notwendigkeit <strong>des</strong> von <strong>der</strong> Regierung angekündigten Rüstungsprogramms<br />

hervorheben, wobei aber bezeichnen<strong>der</strong>weise als Hauptgrund die Organisation <strong>der</strong> Verteidigung <strong>des</strong> ganzen<br />

amerikanischen Kont<strong>in</strong>ents angeführt wurde.<br />

Unter diesen Umstän<strong>den</strong> wird die bevorstehende Konferenz von an<strong>der</strong>er Art se<strong>in</strong> als ihre Vorgänger<strong>in</strong>nen; dies schon<br />

durch <strong>den</strong> Nachdruck, mit dem ansche<strong>in</strong>end die verantwortlichen Persönlichkeiten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im voraus<br />

auf die Südamerika drohen<strong>den</strong> Gefahren h<strong>in</strong>weisen, über <strong>der</strong>en Ausmaß ich mich nicht äußern kann.<br />

Herr Cordell Hull wird selbst die amerikanische Delegation für diese Konferenz führen. Se<strong>in</strong>e Haltung auf <strong>der</strong><br />

Konferenz wird se<strong>in</strong>en Grundsätzen entsprechen, d. h. se<strong>in</strong>em noch immer unerschütterten Glauben an <strong>den</strong> Nutzen <strong>der</strong><br />

Handelsverträge und an die Entwicklung <strong>des</strong> Welthandels. Dieser Glaube würde, wenn dies nötig wäre, aus <strong>den</strong> von mir<br />

bereits angeführten Grün<strong>den</strong> noch durch <strong>den</strong> Wunsch <strong>der</strong> Geschäftskreise <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>, ihre Stellung <strong>in</strong><br />

Wirtschaft und Handel <strong>in</strong> Südamerika zu verbessern, verstärkt wer<strong>den</strong>. Es besteht somit große Aussicht, daß <strong>in</strong> Lima <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>fluß <strong>des</strong> Staatssekretärs sich geltend macht und daß e<strong>in</strong>e Reihe von Entschließungen und Wünschen angenommen<br />

wird, die die Notwendigkeit <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> dem Handel zwischen <strong>den</strong> amerikanischen Republiken im <strong>Weg</strong>e<br />

stehen<strong>den</strong> H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse anerkennen und <strong>den</strong> Grundsatz <strong>des</strong> freien Güteraustausches bestätigen. Abgesehen von diesen<br />

Entschließungen, die möglicherweise nur platonische Wünsche bleiben, wird wahrsche<strong>in</strong>lich die Delegation <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> Besprechungen e<strong>in</strong>leiten, um zu Verhandlungen über <strong>den</strong> Abschluß von Handelsverträgen zu<br />

kommen, die vom amerikanischen Standpunkt aus mit zu <strong>den</strong> wertvollsten Auswirkungen dieser Tagung gehören<br />

wür<strong>den</strong>. Zweifellos wer<strong>den</strong> vorher ernste Schwierigkeiten überwun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> müssen, da sich die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

<strong>in</strong>sofern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schwierigen Lage bef<strong>in</strong><strong>den</strong>, als sie die meisten Rohstoffe, die ihnen die südamerikanischen Republiken<br />

liefern könnten, bereits selbst besitzen. Diese brauchen wohl Fertigwaren, doch ist für sie das System <strong>des</strong> Tauschhandels<br />

von Vorteil, da dann die Bezahlung <strong>in</strong> Devisen wegfällt, wie <strong>in</strong> letzter Zeit das Beispiel Mexikos und früher das Beispiel<br />

Brasiliens gezeigt haben. Die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> haben bereits versucht, <strong>den</strong> daraus entstehen<strong>den</strong> Gefahren, <strong>zur</strong> Not<br />

auch mittels e<strong>in</strong>es Staatsbeitrages, zu begegnen, wie es <strong>in</strong> neuerer Zeit <strong>in</strong> Haiti <strong>der</strong> Fall war, wo e<strong>in</strong> Programm<br />

öffentlicher Arbeiten durch die "Export Import Bank" f<strong>in</strong>anziert wurde (vgl. das Schreiben dieser Botschaft Nr. 196


vom 12. August 1938)Wie ich seitdem erfahren habe, hatten dieselben Stellen auch für <strong>den</strong> Verkauf von Lokomotiven<br />

und Eisenbahnmaterial nach Brasilien und Chile Kredite gewährt. Schließlich bat sich <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> "Export Import<br />

Bank", Herr H. Lee Pierson, <strong>in</strong> diesem Sommer nach Südamerika begeben, wahrsche<strong>in</strong>lich, um die Möglichkeiten <strong>des</strong><br />

Abschlusses neuer Abkommen zu prüfen. Ferner habe ich erfahren, daß die amerikanische Regierung die Absicht haben<br />

soll, ihre Bemühungen vor allem Brasilien und Chile gegenüber fortzusetzen.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Vertragspolitik würde jedoch erschwert wer<strong>den</strong>, wenn die Streitfragen mit Mexiko <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen<br />

Schärfe weiterbestän<strong>den</strong> und wenn nicht mit <strong>der</strong> Hoffnung auf e<strong>in</strong>e Regelung wenigstens <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Enteignung <strong>des</strong><br />

Nordamerikanern gehörigen Grundbesitzes gerechnet wer<strong>den</strong> könnte. Tatsächlich können die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

schwerlich Abkommen o<strong>der</strong> gar e<strong>in</strong>e stärkere wirtschaftliche Durchdr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Südarnerika <strong>in</strong> Aussicht nehmen, wenn<br />

sie e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e offenkundige Verleugnung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gegangenen Verpflichtungen durch e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Konferenz<br />

beteiligten <strong>Staaten</strong> h<strong>in</strong>nehmen o<strong>der</strong> wenn sie im H<strong>in</strong>blick auf diesen Tatbestand <strong>den</strong> Ansche<strong>in</strong> erwecken, als könnten sie<br />

Vergeltungsmaßnahmen anwen<strong>den</strong> o<strong>der</strong> Gewaltmaßnahrnen ergreifen, was <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> guten Nachbarschaft völlig<br />

zuwi<strong>der</strong>laufen würde. Schließlich könnten die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> Mexiko nicht gestatten, was sie an<strong>der</strong>wärts<br />

bekämpfen, d. h. die Belieferung von Mächten wie Deutschland und Italien mit mexikanischen Erzeugnissen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Form <strong>des</strong> Tauschhandels. Gewiß s<strong>in</strong>d sich die amerikanische Regierung und das Staatsdepartement dieses Zwiespalts<br />

auch jetzt noch bewußt, und die Sorgfalt, mit <strong>der</strong> sie unter Wahrung ihrer grundsätzlichen Stellungnahme versuchen,<br />

ihre Schwierigkeiten mit <strong>der</strong> mexikanischen Regierung noch vor <strong>der</strong> Konferenz von Lima zu beheben, ist durchaus<br />

verständlich. In letzter Zeit waren Gerüchte über e<strong>in</strong>e bevorstehende Regelung <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Grundstücksenteignungen<br />

<strong>in</strong> Umlauf, die aber bisher noch ke<strong>in</strong>erlei Bestätigung gefun<strong>den</strong> haben. Aber auch ohne e<strong>in</strong>e solche Regelung wird die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung wahrsche<strong>in</strong>lich während <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Konferenz vermei<strong>den</strong>, diese dornigen Fragen aufzuwerfen, die<br />

nach ihrer Ansicht nur amerikanische Privat<strong>in</strong>teressen berühren, während ihr das Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse gebietet, <strong>in</strong> Lima<br />

die Politik <strong>der</strong> guten Nachbarschaft zum Erfolg zu führen, und wäre es auch nur sche<strong>in</strong>bar.<br />

Wenn die jetzige Mexikanische Regierung auch bereit ist, das mexikanische Öl an je<strong>der</strong>mann, d. h. an Deutschland, zu<br />

verkaufen, so sche<strong>in</strong>t sie an<strong>der</strong>erseits <strong>in</strong> weltanschaulicher H<strong>in</strong>sicht doch noch mehr als die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> geneigt<br />

zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> nationalsozialistischen Propaganda entgegenzutreten. Die Delegation <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> wird auf <strong>der</strong><br />

Konferenz an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> mexikanischen Delegation <strong>den</strong> Mexikanischen Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, Herrn Najera,<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong>, <strong>der</strong> sich gewiß bemühen wird, alle Reibungsmöglichkeiten zu beseitigen; darüber h<strong>in</strong>aus wird er dazu beitragen,<br />

e<strong>in</strong>e auf dem demokratischen Ideal beruhende geistige und kulturelle Annäherung zu erzielen, die offenbar auch e<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> Konferenzziele <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> ist. Ich habe Eurer Exzellenz von <strong>der</strong> Errichtung e<strong>in</strong>er neuen<br />

Kulturabteilung im Staatsdeparternent <strong>in</strong> Kenntnis gesetzt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Wirklichkeit die Propaganda übertragen ist. Sie wird<br />

zweifellos <strong>in</strong> Südamerika e<strong>in</strong>e äußerst lebhafte Tätigkeit entfalten, und die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> wer<strong>den</strong> voraussichtlich<br />

versuchen, <strong>den</strong> auf die Konferenz von Buenos Aires <strong>zur</strong>ückgehen<strong>den</strong> Stu<strong>den</strong>ten- und Hochschullebreraustausch<br />

zwischen <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und Late<strong>in</strong>amerika stark auszubauen. Auch auf wissenschaftlichem Gebiet und auf<br />

dem Gebiete <strong>des</strong> Rundfunks sche<strong>in</strong>t etwas getan wer<strong>den</strong> zu sollen, und zwar immer unter dem Vorwand <strong>der</strong><br />

Zurückweisung <strong>der</strong> nationalsozialistischen o<strong>der</strong> faschistischen E<strong>in</strong>flüsse.<br />

In Anbetracht dieser Bestrebungen, die nach <strong>den</strong> <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton erhaltenen Auskünften e<strong>in</strong>em gleichgerichteten<br />

Wunsche gewisser Südamerikaner zu entsprechen sche<strong>in</strong>en, kann man sich die Frage vorlegen, ob sich die<br />

Verhandlungen <strong>in</strong> Lima nicht auf <strong>den</strong> Antrag Kolumbiens und <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>ikanischen Republiküber dieFrrichtung e<strong>in</strong>es<br />

amerikanischen Völkerbun<strong>des</strong> konzentrieren wer<strong>den</strong>. Anregungen dieser Art s<strong>in</strong>d bereits gemacht wor<strong>den</strong>, doch war<br />

ihnen wegen <strong>der</strong> Beteiligung gewisser Mächte <strong>des</strong> amerikanischen Kont<strong>in</strong>ents <strong>in</strong> Genf, aber auch wegen <strong>der</strong> Eifersucht,<br />

die sie <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gegenüber hegten, ke<strong>in</strong> Erfolg beschie<strong>den</strong>. Zur Zeit würde <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>des</strong><br />

Völkerbun<strong>des</strong> e<strong>in</strong>em solchen Plan vielleicht größere Aussichten eröffnen; wahrsche<strong>in</strong>lich wird aber die Regierung <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an Stelle e<strong>in</strong>er solchen Gründung die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es konkreteren Verfahrens, wie etwa <strong>den</strong><br />

Ausbau <strong>der</strong> Schiedsverträge durch die Annahme geeigneter Entschließungen, erstreben. Sicherlich arbeitet sie auf die<br />

friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten h<strong>in</strong>, wobei sie ihren E<strong>in</strong>fluß <strong>zur</strong> Geltung br<strong>in</strong>gt, ohne ihn aber allzu<br />

sichtbar wer<strong>den</strong> zu lassen.<br />

Auf Grund <strong>des</strong>selben Pr<strong>in</strong>zips wird auch die Frage <strong>der</strong> militärischen Verteidigung <strong>des</strong> amerikanischen Kont<strong>in</strong>ents<br />

berührt wer<strong>den</strong>, und <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht wird <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> geführte Pressefeldzug, auf <strong>den</strong> ich bereits<br />

h<strong>in</strong>gewiesen habe, Ergebnisse zeitigen können. Es ist angezeigt, bei dieser Gelegenheit an die Vorschläge <strong>des</strong><br />

Staatssekretäxs aus dem Jahre 1937 über die Verpachtung von <strong>Krieg</strong>sschiffen an Brasilien zu er<strong>in</strong>nern. Diese<br />

Vorschläge, die vom Kongreß abgelehnt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, hatten ansche<strong>in</strong>end <strong>in</strong> Brasilien und <strong>in</strong> Chile ziemlich gute<br />

Aufnahme gefun<strong>den</strong>. Es ist zweifelhaft, ob sie <strong>in</strong> Lima öffentlich wie<strong>der</strong> aufgegriffen wer<strong>den</strong> können; je<strong>den</strong>falls machen<br />

hier die unterrichteten Kreise ke<strong>in</strong> Hehl daraus, daß die Konferenz <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> Gelegenheit geben wird, die<br />

Entsendung von Militär- und Mar<strong>in</strong>emissionen nach mehreren Republiken vorzubereiten. Diese Frage kann für uns von<br />

Interesse se<strong>in</strong>, da mit <strong>der</strong> Entsendung dieser Missionen offenbar die Verdrängung <strong>der</strong> Missionen europäischer<br />

faschistischer o<strong>der</strong> nationalsozialistischer Mächte bezweckt wird. Gewiß hat gegenwärtig die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> ke<strong>in</strong>erlei fe<strong>in</strong>dliche Absicht unseren Missionen gegenüber. Sie begibt sich aber auf e<strong>in</strong>en <strong>Weg</strong>, <strong>der</strong> sie e<strong>in</strong>es<br />

Tages zu <strong>der</strong> Ansicht verleiten könnte, daß sie gewissermaßen das ausschließliche Recht auf die militärische<br />

Vorbereitung <strong>des</strong> südamerikanischen Kont<strong>in</strong>ents besitzt.


In <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Errichtung von Flottenstützpunkten hat mir Herr Lippmann vertraulich mitgeteilt, daß Brasilien die<br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> ersucht hat, solche Stützpunkte an se<strong>in</strong>en Küsten zu errichten. Er fügte h<strong>in</strong>zu, daß die Regierung<br />

von Rio, die wegen <strong>der</strong> letzten Putschversuche <strong>der</strong> Nazis <strong>in</strong> Brasilien sehr unzufrie<strong>den</strong> ist, sich gegenwärtig <strong>in</strong><br />

günstigster Stimmung bef<strong>in</strong>de und daß dies e<strong>in</strong> sehr ermutigen<strong>des</strong> Zeichen sei, da die Haltung Brasiliens, das <strong>in</strong><br />

Süda<strong>in</strong>erika e<strong>in</strong>e beherrschende Stellung e<strong>in</strong>nimmt, <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en late<strong>in</strong>amerikariischeu Mächten als Beispiel dienen<br />

könne. Ich weiß nicht, ob dieser Journalist se<strong>in</strong>e Wünsche für Tatsachen nimmt. Ich weiß auch nicht, ob die Vorurteile,<br />

die <strong>in</strong> gewissen Län<strong>der</strong>n Südamerikas wegen <strong>der</strong> Machtgelüste <strong>des</strong> großen nordamerikanischen Nachbars bestehen<br />

könnten, so leicht zu überw<strong>in</strong><strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Man kann nur feststellen, daß die Roosevelt-Verwaltung seit ihrem<br />

Regierungsantritt unaufhörlich bemüht ist, ihnen mit <strong>der</strong> Verkündung und wenigstens sche<strong>in</strong>baren Befolgung e<strong>in</strong>er<br />

Politik <strong>der</strong> guten Nachbarschaft entgegeilzutreten. Heute sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Augenblick verhältnismäßig günstig zu se<strong>in</strong>, um die<br />

Früchte dieser Politik zu ernten. Die Regierung Roosevelt bedient sich hierzu ziemlich geschickt <strong>der</strong> deutschen Gefahr<br />

und beruft sich auf e<strong>in</strong> demokratisches Ideal, dem gewisse süda<strong>in</strong>erikanische Republiken <strong>in</strong> Wahrheit sehr fern stehen<br />

und das für die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> selbst <strong>in</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong> panamerikanisches, imperialistisch durchsetztes Ideal ist.<br />

R. de Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 12<br />

Der Belgische Botschafter <strong>in</strong> London<br />

an <strong>den</strong> Belgischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und Außentn<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Belgische Botschaft<br />

P. 120/1<br />

10593/4114<br />

Betrifft: Englisch-amerikanischer Handelsvertrag<br />

London, <strong>den</strong> 21. November 1938<br />

Ich habe das letzte Wochenende <strong>in</strong> Gesellschaft von wichtigen Persönlichkeiten aus Industrie- und Wirtschaftskreisen<br />

verbracht.' Mehrere von ihnen hatten sogar, wie ich glaube, an <strong>der</strong> Aufstellung <strong>des</strong> ursprünglichen Programms für die<br />

Verhandlungen zwischen Wash<strong>in</strong>gton und London teilgenommen, welche die Aufgabe Lord Runcimans bei se<strong>in</strong>er Reise<br />

nach <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> vor zwei Jahren erleichtert hatten.<br />

Diese Persönlichkeiten, die offenbar über die allerletzten'Entwicklungen nicht auf dem laufen<strong>den</strong> gehalten wor<strong>den</strong><br />

waren, machten ke<strong>in</strong> Hehl aus ihren Befürchtungen, daß die Reaktion <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung bei Bekanntgabe <strong>des</strong><br />

Verhandlurgsergebnisses am Sonnabend, d. h. vorgestern, ungünstig ausfallen werde. Sie waren daher sehr angenehm<br />

überrascht, als sie feststellten, daß ihre Besorgnisse unbegründet waren und daß die englische Wirtschaft an Stelle neuer<br />

Lasten und zusätzlicher Verpflichtungen <strong>in</strong> dem neuen Vertrag viel mehr Vorteile erhielt, als man noch vor e<strong>in</strong>em<br />

Monat zu hoffen gewagt hatte.<br />

So kann beispielsweise die Automobil<strong>in</strong>dustrie, die das Schlimmste befürchten mußte, darauf hoffen, ihre Stellungen zu<br />

behaupten, <strong>den</strong>n die amerikanische Konkurrenz wird sich vor alle<strong>in</strong>, wie ich höre, zum Nachteil <strong>der</strong> deutschen<br />

Konkurrenz auswirken, die sich sowohl hier wie <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kolonien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em äußerst beunruhigen<strong>den</strong> Ausmaß geltend<br />

machte. Die Textil<strong>in</strong>dustrie, die Le<strong>der</strong><strong>in</strong>dustrie sowie die Porzellanmanufakturen, fe<strong>in</strong>er die Destillierbetriebe und<br />

an<strong>der</strong>e britische Spezialitäten haben gleichfalls neue günstige Bed<strong>in</strong>gungen für die E<strong>in</strong>fuhr ihrer Produkte nach <strong>den</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> erhalten.<br />

Herr Bast<strong>in</strong>, <strong>der</strong> hervorragende Wirtschaftsberater <strong>der</strong> Botschaft, hat es sich <strong>zur</strong> Aufgabe gemacht, die Rückwirkungen<br />

gründlich zu prüfen, die <strong>der</strong> anglo-amerikanisch-kanadische Wirtschaftsvertrag für die belgische Wirtschaft mit sich<br />

br<strong>in</strong>gen kann, und ich möchte mich hüten, mich auf se<strong>in</strong> Fachgebiet zu begeben. Es sei mir jedoch gestattet, auf e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>zuweisen, <strong>der</strong>, nach me<strong>in</strong>en gestrigen Besprechungen zu urteilen, hier ziemlich weit verbreitet ist, wonach<br />

die von <strong>der</strong> britischen Wirtschaft bei ihrem <strong>der</strong>zeitigen Vertragsabschluß mit <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> erzielten relativ<br />

günstigen Bed<strong>in</strong>gungen im wesentlichen <strong>den</strong> Bemühungen Herrn Bernard Baruchs, <strong>des</strong> Wirtschaftsberaters <strong>des</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, zu verdanken s<strong>in</strong>d. Der letztere sei zu <strong>der</strong> Überzeugung gelangt, daß, sofern gegenwärtig, wo<br />

man um <strong>den</strong> Weltfrie<strong>den</strong> besorgt sei, wirtschaftliche Opfer gebracht wer<strong>den</strong> müßten, diese <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>den</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> aufzubür<strong>den</strong> seien, um England, <strong>der</strong> großen demokratischen Macht <strong>des</strong> europäischen Kont<strong>in</strong>ents,<br />

die Fortsetzung <strong>des</strong> wirtschaftlichen Kampfes gegen Deutschland mit <strong>den</strong> größtmöglichen Chancen zu erlauben.<br />

Baron de Cartier


Nr. 13<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außentn<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 3/SZ - tjn - 2<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 9. Januar 1939<br />

Am 4. Januar d. J. verlas Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt persönlich das 6. aus <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> Manifeste <strong>in</strong> <strong>den</strong> vere<strong>in</strong>igten bei<strong>den</strong><br />

Kammern <strong>des</strong> Kongresses. Dieses Manifest, das e<strong>in</strong>en Jahresbericht <strong>des</strong> Staatsoberhauptes über <strong>in</strong>ternationale und<br />

<strong>in</strong>ner-politische Angelegenheiten darstellte, wurde im überfüllten Saal <strong>des</strong> Repräsentantenhauses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Atmosphäre<br />

feierlicher Spannung verlesen. Es enthielt e<strong>in</strong>e Reihe radikaler Äußerungen, <strong>in</strong> welchen die Metho<strong>den</strong> <strong>des</strong> diktatorischen<br />

Regimes verdammt wur<strong>den</strong>. Der neue Kongreß reagierte auf diese Äußerungen mit enthusiastischem Beifall, obwohl <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> parteimäßigen Zusammensetzung <strong>der</strong> Kongreß auf Grund <strong>der</strong> Novemberwahlen im Vergleich zum früheren Kongreß<br />

weit unabhängiger von <strong>den</strong> E<strong>in</strong>wirkungen <strong>des</strong> Weißen Hauses ist. Der Ton <strong>des</strong> Manifestes bestätigte noch e<strong>in</strong>mal, daß<br />

<strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t auch weiterh<strong>in</strong> entschlossen ist, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Außenpolitik gegenüber <strong>den</strong> totabtären <strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong>en scharfen<br />

Kurs beizubehalten.<br />

Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt g<strong>in</strong>g von <strong>der</strong> Voraussetzung aus, daß die diktatorischen Regierungen, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Deutschland<br />

und Japan, alle<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik rechnen: <strong>des</strong>halb beschloß er, auf je<strong>den</strong> Schlag <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong><br />

entsprechen<strong>der</strong> Weise zu reagieren. Dies wird durch die letzten Maßnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

bewiesen. Nach <strong>der</strong> demonstrativen Berufung <strong>des</strong> Botschafters Wilson aus Berl<strong>in</strong> nach Wash<strong>in</strong>gton, <strong>der</strong> bekannten<br />

hitlerfe<strong>in</strong>dlichen Rede <strong>des</strong> Staatssekretärs <strong>des</strong> Innern Ickes sowie <strong>der</strong> scharfen Ablehnung <strong>des</strong> deutschen Protestes durch<br />

<strong>den</strong> Unterstaatssekretär Welles (Bericht <strong>der</strong> Botschaft vom 23. Iz. 1938, Nr. 3/SZ - tjn - 28) g<strong>in</strong>g die Regierung <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zu e<strong>in</strong>er weiteren Kampagne über; sie führte gegenüber <strong>den</strong> diktatorischen <strong>Staaten</strong> die "Politik <strong>der</strong><br />

bösen Nachbarschaft" e<strong>in</strong>, im Gegensatz zu de<strong>in</strong> bekannten Grundsatz <strong>Roosevelts</strong> von e<strong>in</strong>er guten Nachbarschaft<br />

zwischen <strong>den</strong> Völkern. Weitere Kennzeichen dieser Politik s<strong>in</strong>d u. a.: <strong>der</strong> Beschluß <strong>der</strong> hiesigen Regierung, <strong>den</strong> durch<br />

die Expansion <strong>der</strong> Diktaturen bedrohten <strong>Staaten</strong> Kredite zu geben - <strong>in</strong> Ausführung dieses Beschlusses gewährte die<br />

"Export Import Bank" <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen Regierung e<strong>in</strong>e Anleihe <strong>in</strong> Höhe von 25 Millionen Dollar -, e<strong>in</strong>e weitere<br />

Verstärkung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> late<strong>in</strong>amerikanischen Republiken im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Beschlüsse<br />

<strong>der</strong> letzten pana<strong>in</strong>erikanischen Konferenz <strong>in</strong> Lima, die materielle Hilfe für Spanien <strong>in</strong> Gestalt von 3 Millionen Bushel<br />

Mehl - dies bedeutet <strong>in</strong> praxi e<strong>in</strong>e Hilfe für die Loyalisten, da diese am meisten unter Lebensmittelmangel lei<strong>den</strong> -, vor<br />

allem aber e<strong>in</strong>e weitere Verstärkung <strong>der</strong> Rüstungen <strong>zur</strong> See und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft <strong>in</strong> großem Stil.<br />

In Ergänzung <strong>des</strong> Rüstungsprogranuns, welches Kredite <strong>in</strong> Höhe von 1 250 000 000 Dollar für die Lan<strong>des</strong>verteidigung<br />

vorsieht, übersandte <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t letzth<strong>in</strong> dem Kongreß e<strong>in</strong>en zusätzlichen Voranschlag, <strong>in</strong> dem die Bewilligung von<br />

noch über 500 000 000 Dollar für die Aufrüstung gefor<strong>der</strong>t wurde. Von dieser Summe s<strong>in</strong>d ungefähr 300 000 000<br />

Dollar für <strong>den</strong> Ankauf von 3500 bis 4000 neuen Flugzeugen vorgesehen. Hierdurch würde im Jahre 1941 die<br />

Effektivstärke <strong>der</strong> amerikanischen Luftwaffe auf ungefähr 6000 Militärflugzeuge vergrößert wer<strong>den</strong>.<br />

Der wichtigste Abschnitt <strong>des</strong> Manifestes ist aber <strong>der</strong> Aufruf an das amerikanische Volk, sich nicht nur militärisch,<br />

son<strong>der</strong>n auch geistig, wirtschaftlich und f<strong>in</strong>anziell zu rüsten. Der Präsi<strong>den</strong>t gab se<strong>in</strong>er Überzeugung Ausdruck, daß e<strong>in</strong>e<br />

Mobilisierung aller Zweige <strong>der</strong> Volkswirtschaft, welche <strong>in</strong> <strong>den</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> mit Gewalt durchgeführt wird, auch <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Demokratien durchführbar sei.<br />

Der Aufruf zu e<strong>in</strong>er Mobilisation <strong>des</strong> Volkes <strong>in</strong> dieser Art beruht auf <strong>der</strong> Annahme, daß e<strong>in</strong>e feste Haltung <strong>der</strong><br />

amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber e<strong>in</strong>er frem<strong>den</strong> Aggression, die es auf die Grundlagen <strong>der</strong> hiesigen<br />

demokratischen E<strong>in</strong>richtungen abgesehen hat, nicht unbed<strong>in</strong>gt zum <strong>Krieg</strong>e führen muß. Im S<strong>in</strong>ne dieser These sollten<br />

sich die großen Demokratien neue Mittel und Metho<strong>den</strong> <strong>der</strong> Verteidigung schaffen, wie auch die totalitären <strong>Staaten</strong> sich<br />

neuer Angriffswerkzeuge und -metho<strong>den</strong> bedienen. Als Metho<strong>den</strong> e<strong>in</strong>er erfolgreichen Verteidigung empfehlen sich <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie wirtschaftliche und f<strong>in</strong>anzielle Repressalien, welche von <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bisher jedoch nicht<br />

angewendet wur<strong>den</strong>, obwohl die Diktaturen mobilisiert und seit e<strong>in</strong>er Reihe von Jahren alle ihnen <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stehen<strong>den</strong> Mittel <strong>zur</strong> Expansion angewandt haben.<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t griff die "neue Philosophie <strong>der</strong> Gewalt" an, welche von <strong>den</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> verkündet wird und welche<br />

immer mehr die zivilisierte Welt bedroht. Er erklärte sich auch für e<strong>in</strong>e Reform <strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes, <strong>der</strong>en<br />

wichtigster Teil, die sogenannte Cash-and-carry-Klausel, mit dem 30. April d. J. außer Kraft tritt. Diese Klausel ist<br />

lebhafter Kritik ausgesetzt; man weist darauf h<strong>in</strong>, daß sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis für <strong>den</strong> Angreifer und gegen <strong>des</strong>sen Opfer<br />

wirksam ist. Die nachfolgende Debatte im Kongreß zeigt, <strong>in</strong> welcher Richtung das erwähnte Gesetz reformiert wird,


<strong>den</strong>n gegenwärtig hört man verschie<strong>den</strong>e Stimmen: die e<strong>in</strong>en wollen die Vollmachten <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, Geheimpolitik zu<br />

treiben, erweitern, die an<strong>der</strong>n wünschen sie zu begrenzen.<br />

Die amerikanische Öffentlichkeit ist e<strong>in</strong>er ständigen alarmieren<strong>den</strong> Propaganda ausgesetzt, welche unter jüdischem<br />

E<strong>in</strong>fluß steht und andauernd das Gespenst <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sgefahr heraufbeschwört; auf diese Weise haben sich im Vergleich<br />

rilit dem vorigen Jahre die Amerikaner <strong>in</strong> ihrer Haltung zu <strong>den</strong> Problemen <strong>der</strong> Außenpolitik stark gewandelt. Als<br />

Versuch, diesen Wandel zu illustrieren, wur<strong>den</strong> vor kürzerer Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Monatsschrift "Fortune" die Ergebnisse e<strong>in</strong>er<br />

Enquete unter <strong>den</strong> breiten Massen <strong>der</strong> hiesigen Bevölkerung veröffentlicht. Das am meisten charakteristische Ergebnis<br />

dieser Umfrage, welche e<strong>in</strong>e Reihe von Fragen an Tausende von Durchschnittsamerikanem richtete, fiel folgen<strong>der</strong>maßen<br />

aus:<br />

Auf die Frage: "Kommt es bald zu e<strong>in</strong>em neuen europäischen <strong>Krieg</strong>?"antworteten 66,4% <strong>der</strong> Befragten mit ja, im<br />

vorigen Jahre 46,9%.<br />

Auf die Frage: "Wer<strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> europäischen <strong>Krieg</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen wer<strong>den</strong>?"<br />

antworteten 50,3% mit ja, im vorigen Jahre 21,8%.<br />

Auf die Frage: "Müßten die demokratischen <strong>Staaten</strong>, zusammen mit <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>, um je<strong>den</strong> Preis dem<br />

weiteren territorialen Druck von Hitler und Mussol<strong>in</strong>i auf Kosten an<strong>der</strong>er <strong>Staaten</strong> entgegenarbeiten ?" antworteten<br />

56,3% mit ja, dagegen 31% mit ne<strong>in</strong>.<br />

Aus <strong>den</strong> obigen Ergebnissen <strong>der</strong> Rundfrage sollte man aber auf ke<strong>in</strong>en Fall schließen, daß die Mehrheit <strong>der</strong><br />

amerikanischen Öffentlichkeit sich tatsächlich für die Politik e<strong>in</strong>es aktiven Gegenangriffes ausspreche. Die Amerikaner<br />

zeichnen sich nämlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat durch die Neigung aus, Handlungen, welche mit ihrem Denksystern <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch<br />

stehen, heftig zu verdammen, aber an<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d sie immer <strong>in</strong> hohem Maße wirklichen Verwicklungen mit frem<strong>den</strong><br />

Völkern abgeneigt. Diese Eigentümlichkeit <strong>der</strong> amerikanischen Mentalität muß man bei allen theoretischen Erwägungen<br />

über die politische E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> amerikanischen Öffentlichkeit im Auge behalten.<br />

In <strong>der</strong> Anlage <strong>der</strong> Text <strong>des</strong> besprochenen Manifestes von Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 14<br />

Der Französische Gesandte In Ciudad Trujillo<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 5<br />

Betrifft: <strong>Amt</strong>licher Schmuggel<br />

Ciudad Trujillo, <strong>den</strong> 11. Januar 1939<br />

Der Generalissimus Trujillo leidet trotz <strong>der</strong> ihm <strong>zur</strong> Verfügung stehen<strong>den</strong> Hilfsmittel an e<strong>in</strong>er starken Geldknappheit,<br />

die zeitweilig für ihn recht h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich ist. Seit se<strong>in</strong>er Machtübernahme s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Ausgaben ständig gestiegen, und zwar<br />

aus Grün<strong>den</strong>, die im großen und ganzen sehr ehrenwert s<strong>in</strong>d, <strong>den</strong>n er verwendet e<strong>in</strong>en großen Teil se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>künfte für<br />

Unterstützungen o<strong>der</strong> <strong>zur</strong> Unterhaltung von Hilfswerken, die er selber begründet hat. Se<strong>in</strong>e persönlichen E<strong>in</strong>nahmen<br />

s<strong>in</strong>d dagegen stark <strong>zur</strong>ückgegangen, seitdem er nicht mehr Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Republik ist.<br />

Diese Lage mag für ihn um so ärgerlicher se<strong>in</strong>, als die Haupte<strong>in</strong>nahmequelle <strong>der</strong> dom<strong>in</strong>ikanischen F<strong>in</strong>anzverwaltung, die<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Zolle<strong>in</strong>gängen besteht, sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> <strong>der</strong> Amerikaner bef<strong>in</strong>det. Wie Eurer Exzellenz bekannt ist, dient die<br />

Verwaltung <strong>der</strong> Zölle <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>ikanischen Republik <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> als Sicherheit für die Rückzahlung<br />

verschie<strong>den</strong>er Anleihen; diese Rückzahlung ist erst zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Teil erfolgt. Das amerikanische Schatzamt ermutigt<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat aus Grün<strong>den</strong>, die Ihr M<strong>in</strong>isterium wird erraten können, die Dom<strong>in</strong>ikanische Republik, sich <strong>in</strong> Schul<strong>den</strong> zu<br />

verstricken. Es ist <strong>des</strong>halb nicht verwun<strong>der</strong>lich, daß <strong>der</strong> Generalissimus versucht hat, wenigstens teilweise die<br />

Unzuträglichkeiten e<strong>in</strong>er solchen Situation zu umgehen. Da er <strong>in</strong> Ermangelung <strong>des</strong> <strong>zur</strong> Rückzahlung erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Betrages nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage war, <strong>der</strong> amerikanischen Zollverwaltung e<strong>in</strong> Ende zu machen, ist er auf <strong>den</strong> Gedanken<br />

gekommen, <strong>den</strong> Offizieren se<strong>in</strong>es Heeres und gewissen an<strong>der</strong>en Persönlichkeiten Zollfreiheit zu gewähren und für sie<br />

e<strong>in</strong>en La<strong>den</strong> beim Sitz <strong>des</strong> Generalstabs e<strong>in</strong><strong>zur</strong>ichten. Die Nutznießer dieser Maßnahme haben auch ihre Freunde an <strong>den</strong><br />

gewährten Vorteilen teilnehmen lassen, und vielleicht haben die letzteren auch ihrerseits die zollfrei e<strong>in</strong>geführten Waren


zu vorteilhaften Preisen an Dritte weitergegeben. je<strong>den</strong>falls hat <strong>der</strong> Mißbrauch dieser Verlührt, daß gunstigungen zu<br />

e<strong>in</strong>em so starken Rückgang <strong>der</strong> Zolle<strong>in</strong>nahmen ge<br />

die amerikanische Verwaltung stark beunruhigt wurde und <strong>des</strong>halb e<strong>in</strong>en Inspektor <strong>in</strong> das Land schickte, <strong>der</strong> dann<br />

alsbald die ganze Bescherung aufdeckte. Als Folge dieser Untersuchung wurde das <strong>den</strong> dorn<strong>in</strong>ikanischen Offizieren<br />

gewährte Vorrecht stark e<strong>in</strong>geschränkt. Daraufh<strong>in</strong> griff <strong>der</strong> Diktator, um die Schwierigkeiten zu umgehen, zu e<strong>in</strong>er List,<br />

die zwar mehr Kosten verursachte, aber auch mehr Erfolg versprach, d. h. er schuf e<strong>in</strong>e staatliche Handelsflotte (ich<br />

wies <strong>in</strong> mei e<strong>in</strong> Schreiben Nr. 121 vom 30. November 1938 schon darauf h<strong>in</strong>), <strong>der</strong>en Hauptaufgabe, nach dem, was im<br />

allgeme<strong>in</strong>en gut unterrichtete Leute sagen, <strong>der</strong> Schmuggel ist. Die bei<strong>den</strong> Schiffe, aus <strong>den</strong>en diese Flotte besteht, lu<strong>den</strong>,<br />

wie es heißt, an verschie<strong>den</strong>en Stellen <strong>der</strong> Küste, <strong>der</strong>en Überwachung sich für die Zollbehör<strong>den</strong> schwierig gestaltete,<br />

heimlich ausländische Waren ab, die dann auf Lastkraftwagen entwe<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Hauptstadt o<strong>der</strong> nach <strong>den</strong> größeren<br />

Städten im Innern beför<strong>der</strong>t wur<strong>den</strong>, und zwar <strong>in</strong> solchen Mengen, daß die amerikanische Zollverwaltung dadurch<br />

erheblich geschädigt wurde.<br />

E<strong>in</strong>e Beseitigung dieses Zustan<strong>des</strong> erschien unerläßlich. Die Wash<strong>in</strong>gtoner Behör<strong>den</strong> wollten, wie es heißt, ganz<br />

beson<strong>der</strong>s brutal vorgehen und sandten <strong>des</strong>halb e<strong>in</strong> Vorpostenboot aus, das an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Hoheitsgewässer an e<strong>in</strong>s<br />

<strong>der</strong> staatlichen dom<strong>in</strong>ikanischen Schiffe heranfahren, dasselbe durchsuchen und se<strong>in</strong>e Ladung beschlagnahmen sollte.<br />

Die genannten Behör<strong>den</strong> sollen Herrn Pulliarn, dem Generalzolle<strong>in</strong>nehmer, Anweisungen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne erteilt haben,<br />

und <strong>der</strong>selbe soll alsbald telegraphisch auf die unangenehmen Folgen, die e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Maßnahme nach sich ziehen<br />

könnte, h<strong>in</strong>gewiesen haben. Um e<strong>in</strong>en Skandal zu vermei<strong>den</strong>, hat dann, wie es heißt, das amerikanische Schatza<strong>in</strong>t auf<br />

diesen Plan verzichtet und sich entschlossen, dem hochgestellten Schmuggler e<strong>in</strong>e diskretere Warnung zu erteilen.<br />

In <strong>der</strong> Tat mel<strong>den</strong> die heutigen Zeitungen, daß <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Anzeige e<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>ikanischer Schoner von <strong>den</strong> Zollbeamten<br />

durchsucht und se<strong>in</strong>e Ladung beschlagnahmt wor<strong>den</strong> sei. Die Schuldigen seien vor Gericht gestellt und zu Strafen<br />

verurteilt wor<strong>den</strong>, die zwischen 3 Monaten Gefängnis und 650 Dollar Geldbuße schwankten.<br />

Es ist anzunehmen, daß die Exekutivgewalt e<strong>in</strong>greifen wird, damit die Schuldigen, die nur auf Befehl <strong>der</strong> Behör<strong>den</strong><br />

gehandelt haben, die ihnen zudiktierten Strafen nicht zu verbüßen brauchen. Diese Episode <strong>des</strong> Kampfes zwischen dem<br />

Schatzamt und dem Generalissimus dürfte wohl nicht die letzte gewesen se<strong>in</strong>.<br />

Nr. 15<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 3/SZ-tjn-3<br />

Geheim<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 12. Januar 1939<br />

Betrifft: Innerbolitische Lage <strong>in</strong> USA.<br />

(Die Stimmung gegen Deutschland, Ju<strong>den</strong>frage)<br />

Die Stimmung, die augenblicklich <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> herrscht, zeichnet sich durch e<strong>in</strong>en immer zunehmen<strong>den</strong><br />

Haß gegen <strong>den</strong> Faschismus aus, beson<strong>der</strong>s gegen die Person <strong>des</strong> Kanzlers Hitler und überhaupt gegen alles, was mit dem<br />

Nationalsozialismus zusammenhängt. Die Propaganda ist vor allem <strong>in</strong> jüdischen Hän<strong>den</strong>, ihnen gehört fast zu ioo<br />

Prozent das Radio, <strong>der</strong> Film, die Presse und Zeitschriften. Obgleich diese Propaganda sehr grob gehandhabt wird und<br />

Deutschland so schlecht wie möglich h<strong>in</strong>stellt - man nutzt vor allem die religiösen Verfolgungen und die<br />

Konzentrationslager aus -, wirkt sie doch so gründlich, da das hiesige Publikum vollständig unwissend ist und ke<strong>in</strong>e<br />

Ahnung hat von <strong>der</strong> Lage <strong>in</strong> Europa. Augenblicklich halten die meisten Amerikaner <strong>den</strong> Kanzler Hitler und <strong>den</strong><br />

Nationalsozialismus für das größte Übel und die größte Gefahr, die über <strong>der</strong> Welt schwebt.<br />

Die Lage hierzulande bildet e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Forum für alle Art Redner und für die Emigranten aus Deutschland und<br />

<strong>der</strong> Tschechoslowakei, die an Worten nicht sparen, um durch die verschie<strong>den</strong>sten Verleumdungen das hiesige Publikum<br />

aufzuhetzen. Sie preisen die amerikanische Freiheit an, im Gegensatz zu <strong>den</strong> totalitären <strong>Staaten</strong>. Es ist sehr <strong>in</strong>teressant,<br />

daß <strong>in</strong> dieser sehr gut durchdachten Kampagne, die hauptsächlich gegen <strong>den</strong> Nationalsozialismus geführt wird,<br />

Sowjetrußland fast ganz ausgeschaltet ist. Wenn es überhaupt erwähnt wird, so tut man es <strong>in</strong> freundlicher Weise und<br />

stellt die D<strong>in</strong>ge so dar, als ob Sowjetrußland mit dem Block <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong> zusammeng<strong>in</strong>ge. Dank e<strong>in</strong>er<br />

geschickten Propaganda ist die Sympathie <strong>des</strong> amerikanischen Publikums ganz auf seiten <strong>des</strong> Roten Spaniens.


Außer dieser Propaganda wird auch noch künstlich e<strong>in</strong>e <strong>Krieg</strong>spsychose geschaffen: Es wird dem amerikanischen Volk<br />

e<strong>in</strong>geredet, daß <strong>der</strong> Friede <strong>in</strong> Europa nur noch an e<strong>in</strong>em Fa<strong>den</strong> hänge, e<strong>in</strong> <strong>Krieg</strong> sei unvermeidlich. Dabei wird dem<br />

amerikanischen Volke unzweideutig klargemacht, daß Amerika im Falle e<strong>in</strong>es Weltkrieges auch aktiv vorgehen müßte,<br />

um die Losungen von Freiheit und Demokratie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt zu verteidigen.<br />

Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt war <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> <strong>den</strong> Haß gegen <strong>den</strong> Faschismus zum Ausdruck brachte. Er verfolgte dabei e<strong>in</strong>en<br />

doppelten Zweck: 1. Er wollte die Auf<strong>in</strong>erksamkeit <strong>des</strong> amerikanischen Volkes von <strong>den</strong> <strong>in</strong>nerpolitischen Problemen<br />

ablenken, vor allem vom Problem <strong>des</strong> Kampfes zwischen Kapital und Arbeit. 2. Durch die Schaffung e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Krieg</strong>sst<strong>in</strong>unung und die Gerüchte e<strong>in</strong>er Europa drohen<strong>den</strong> Gefahr wollte er das amerikanische Volk dazu veranlassen,<br />

das enorrne Aufrüstungsprogranim Amerikas anzunehmen, <strong>den</strong>n es geht über die Verteidigungsbedürfnisse <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> h<strong>in</strong>aus.<br />

Zu dem ersten Punkt muß man sagen, daß die <strong>in</strong>nere Lage auf de<strong>in</strong> Arbeitsrnarkt sich dauernd verschlechtert, die Zahl<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosen beträgt heute schon 12 Millionen. Die Ausgaben <strong>der</strong> Reichs- und Staatsverwaltung nehmen täglich<br />

größere Ausmaße an. Nur die großen Milliar<strong>den</strong>summen, die <strong>der</strong> Staatsschatz für die Notstandsarbeiten ausgibt, erhalten<br />

noch e<strong>in</strong>e gewisse Ruhe im Lande. Bisher kam es nur zu <strong>den</strong> üblichen Streiks und lokalen Unruhen. Wie lange aber<br />

diese Art staatliche Beihilfe durchgehalten wer<strong>den</strong> kann, kann man heute nicht sagen. Die Aufregung und Empörung <strong>der</strong><br />

öffentlichen Me<strong>in</strong>ung und die schweren Konflikte zwischen <strong>den</strong> Privatunternehmungen und enormen Trusts e<strong>in</strong>erseits<br />

und <strong>der</strong> Arbeiterschaft an<strong>der</strong>erseits haben Roosevelt viele Fe<strong>in</strong>de geschaffen und br<strong>in</strong>gen ihm viele schlaflose Nächte.<br />

Zum zweiten Punkt kann ich nur sagen, daß <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt als geschickter politischer Spieler und als Kenner<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Psychologie die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> amerikanischen Publikums sehr bald von <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerpolitischen<br />

Lage abgelenkt hat, um es für die Außenpolitik zu <strong>in</strong>teressieren. Der <strong>Weg</strong> war ganz e<strong>in</strong>fach, e<strong>in</strong>mal mußte man die<br />

<strong>Krieg</strong>sgefahr, die wegen <strong>des</strong> Kanzlers Hitler über <strong>der</strong> Welt hängt, richtig <strong>in</strong>szenieren und dann das Schreckgespenst<br />

e<strong>in</strong>es Angriffs <strong>der</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> auf die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> die Welt setzen. Der Münchener Pakt ist dem<br />

Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt sehr gelegen gekommen. Er stellte ihn als e<strong>in</strong>e Kapitulation Frankreichs und Englands vor dem<br />

kampflustigen deutschen Militarismus h<strong>in</strong>. Wie man hier zu sagen pflegt, hat Hitler Chamberla<strong>in</strong> die Pistole auf die<br />

Brust gesetzt. Frankreich und England hatten also gar ke<strong>in</strong>e Wahl und mußten e<strong>in</strong>en schändlichen Frie<strong>den</strong> schließen.<br />

Ferner s<strong>in</strong>d es das brutale Vorgehen gegen die Ju<strong>den</strong> <strong>in</strong> Deutschland und das Emigrantenproblem, die <strong>den</strong> herrschen<strong>den</strong><br />

Haß immer neu schüren gegen alles, was irgendwie mit dem deutschen Nationalsozialismus zusammenhängt. An dieser<br />

Aktion haben die e<strong>in</strong>zelnen jüdischen Intellektuellen teilgenommen, z. B. Berriard Baruch, <strong>der</strong> Gouverneur <strong>des</strong> Staates<br />

New York, Lehmann, <strong>der</strong> neuernannte Richter <strong>des</strong> Obersten Gerichts, Felix Frankfurter, <strong>der</strong> Schatzsekretär Morgenthau<br />

und an<strong>der</strong>e, die mit dem Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt persönlich befreundet s<strong>in</strong>d. Sie wollen, daß <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t zum<br />

Vorkämpfer <strong>der</strong> Menschenrechte wird, <strong>der</strong> Religions- und Wortfreiheit, und er sog <strong>in</strong> Zukunft die Unruhestifter<br />

bestrafen. Diese Gruppe von Leuten, die die höchsten Stellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Regierung e<strong>in</strong>nehmen und die<br />

als Vertreter <strong>des</strong> "wahren Amerikaiiismus" und als "Verteidiger <strong>der</strong> Demokratie" gelten möchten, ist im Grunde doch<br />

durch unzerreißbare Bande mit dem <strong>in</strong>ternationalen Ju<strong>den</strong>tum verbun<strong>den</strong>. Für diese jüdische Internationale, die vor<br />

allem die Interessen ihrer Rasse im Auge hat, war das Herausstellen <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> auf diesen<br />

"idealsten" Posten e<strong>in</strong>es Verteidigers <strong>der</strong> Menschenrechte e<strong>in</strong> genialer Schachzug. Sie haben auf diese Weise e<strong>in</strong>en sehr<br />

gefährlichen Herd für Haß und Fe<strong>in</strong>dseligkeit auf dieser Halbkugel geschaffen und haben die Welt <strong>in</strong> zwei fe<strong>in</strong>dliche<br />

Lager geteilt. Das Ganze ist als meisterhafte Arbeit aufgemacht wor<strong>den</strong>: Roosevelt s<strong>in</strong>d die Grundlagen <strong>in</strong> die Hand<br />

gegeben wor<strong>den</strong>, um die Außenpolitik Amerikas zu beleben und auf diesem <strong>Weg</strong>e zugleich die kolossalen militärischen<br />

Vorräte zu schaffen für <strong>den</strong> künftigen <strong>Krieg</strong>, dem die Ju<strong>den</strong> mit vollem Bewußtse<strong>in</strong> zustreben. Innerpolitisch ist es sehr<br />

bequem, die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Publikums von dem <strong>in</strong> Amerika immer zunehmen<strong>den</strong> Antisernitis<strong>in</strong>us abzulenken,<br />

<strong>in</strong>dem man von <strong>der</strong> Notwendigkeit spricht, Glauben und <strong>in</strong>dividuelle Freiheit vor <strong>den</strong> Angriffen <strong>des</strong> Faschismus zu<br />

verteidigen.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 16<br />

Der Französische Gesandte <strong>in</strong> Chile<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenra<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 3<br />

Santiago (Chile), <strong>den</strong> 13. Januar 1939<br />

Betrifft: Konferenz von Lima.


Cordell Hull und die europäische Lage<br />

Ich habe im Außenm<strong>in</strong>isterium verschie<strong>den</strong>e Nachrichten über die Äußerungen gesammelt, die Herr Hull gegenüber <strong>den</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> chilenischen Delegation auf <strong>der</strong> Panamerikanischen Konferenz von Lima <strong>zur</strong> europäischen Lage<br />

abgegeben hat.<br />

Herr Hull hat festgestellt, daß Deutschland bereits e<strong>in</strong>en sehr bedeuten<strong>den</strong> Handel mit gewissen kle<strong>in</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

Late<strong>in</strong>amerikas habe.Wenn Deutschlands E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong> Europa weiter zunehme, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> wirtschaftlicher H<strong>in</strong>sicht,<br />

werde se<strong>in</strong> Handel mit diesen late<strong>in</strong>amerikanischen Län<strong>der</strong>n immer mehr anwachsen; Deutschland könne auf diese<br />

Weise <strong>in</strong> <strong>den</strong> Stand gesetzt wer<strong>den</strong>, z. B. durch Drohung mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung se<strong>in</strong>er Käufe <strong>den</strong> genannten Län<strong>der</strong>n ihre<br />

politische L<strong>in</strong>ie vorzuschreiben, was die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> natürlich nicht zulassen könnten.<br />

Herr Hall hat sich heftig über Herrn Hitler und Herrn Mussohni geäußert, <strong>in</strong>dem er sie als gewissenlose Banditen und<br />

<strong>in</strong>ternationale "Gangster" bezeichnete.<br />

Herr Hull hat bei se<strong>in</strong>en Zuhörern <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlassen, daß er sich darüber klar sei, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

sich im Falle e<strong>in</strong>es europäischen Konflikts veranlaßt sehen könnten, nicht neutral zu bleiben, son<strong>der</strong>n sich auf die Seite<br />

<strong>der</strong> liberalen Mächte zu stellen.<br />

Ich vermute, daß Herr Hull sich <strong>den</strong> meisten südarnerikanischen Delegationen gegenüber <strong>in</strong> gleichem S<strong>in</strong>ne geäußert<br />

hat. Die Län<strong>der</strong> dieses Kont<strong>in</strong>ents dürften jetzt die Ansichten <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> über die<br />

europäischen Angelegenheiten kennen. Beson<strong>der</strong>s unter diesem Gesichtspunkt schienen mir die Äußerungen Herrn<br />

Hulls erwähnenswert 1).<br />

1) Die Unterschrift <strong>des</strong> Gesandten fehlt, da es sich um e<strong>in</strong>en Durchschlag <strong>des</strong> Orig<strong>in</strong>alberichts handelt.<br />

Nr. 17<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außentn<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

3/SZ-t<strong>in</strong>-4<br />

16. Januar 1939<br />

Geheim<br />

Betrifft: Unterredung mit dem Botschafter Bullitt<br />

Vorgestern hatte ich e<strong>in</strong>e längere Unterhaltung mit dem Botschafter Bullitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Botschaft, wo er mich besuchte. B.<br />

reist am 21. d. M. nach Paris, nachdem er fast drei Monate abwesend war. Er fährt mit e<strong>in</strong>em ganzen "Koffer" voll<br />

Instruktionen, Unterredungen und Direktiven vom Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, vom Staatsdepartement und von <strong>den</strong><br />

Senatoren, die zu <strong>der</strong> Kommission für Auswärtige Angelegenheiten gehören.<br />

Aus <strong>der</strong> Unterhaltung mit Bullitt hatte ich <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck, daß er vom Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt e<strong>in</strong>e ganz genaue Def<strong>in</strong>ition<br />

<strong>des</strong> Standpunktes erhalten hat, <strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bei <strong>der</strong> heutigen europäischen Krise e<strong>in</strong>nehmen. Er soll<br />

dieses Material am Quai d'Orsay vortragen und soll auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Unterredungen mit europäischen Staatsmännem<br />

davon Gebrauch machen.<br />

Der Inhalt dieser Direktiven, die mir Bullitt im Laufe se<strong>in</strong>er halbstündigen Unterhaltung anführte, ist wie folgt:<br />

1. E<strong>in</strong>e Belebung <strong>der</strong> Außenpolitik unter Führung <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, <strong>der</strong> scharf und unzweideutig die totalitären<br />

<strong>Staaten</strong> verurteilt.<br />

2. Die <strong>Krieg</strong>svorbereitungen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>zur</strong> See, zu Lande und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft, die <strong>in</strong> beschleunigtem Tempo<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong> und die kolossale Summe Von 1 250 000 000 Dollar verschl<strong>in</strong>gen.<br />

3. Die entschie<strong>den</strong>e Ansicht <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, daß Frankreich und England je<strong>der</strong> Kompromißpolitik mit <strong>den</strong> totalitären<br />

<strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong> Ende machen müssen. Sie sollen auf ke<strong>in</strong>e Diskussion mit ihnen e<strong>in</strong>gehen, die irgendwelche<br />

Gebietsverän<strong>der</strong>ungen bezweckt.


4. E<strong>in</strong>e moralische Versicherung, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> die lsolierungspolitik verlassen und bereit s<strong>in</strong>d, im Falle<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Krieg</strong>es aktiv auf seiten Englands und Frankreichs e<strong>in</strong>zugreifen. Amerika ist bereit, se<strong>in</strong> ganzes Material an<br />

F<strong>in</strong>anzen und Rohstoffen zu ihrer Verfügung zu stellen.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Frage, welches Horoskop für 1939 Bullitt vorhersieht, antwortete er, daß er im Frühjahr die Gefahr e<strong>in</strong>es<br />

Konflikts znischen Frankreich und Italien wegen <strong>der</strong> Kolonien befürchtet. Er me<strong>in</strong>t, daß <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Loyalisten 1) <strong>in</strong><br />

Spanien Frankreich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sehr schwere Lage br<strong>in</strong>gen wird, <strong>den</strong>n es ist auf diese Weise von allen Seiten von<br />

faschistischen <strong>Staaten</strong> umr<strong>in</strong>gt. Mussol<strong>in</strong>i wird dann ganz bestimmt auftreten und Frankreich mit <strong>Krieg</strong> bedrohen.<br />

1) So im Orig<strong>in</strong>al.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Frage, ob <strong>den</strong>n Deutschland Mussol<strong>in</strong>i bei diesem Unternehmen helfen wird, antwortete Bullitt, er sei <strong>der</strong><br />

Ansicht, daß es recht zweifelhaft wäre, ob Hitler sich dazu verleiten ließe, außer moralischer Unterstützung auch<br />

tatsächlich an e<strong>in</strong>em solchen Unternehmen teilzunehmen, <strong>den</strong>n dann ist es klar, daß e<strong>in</strong> Weltkrieg unvermeidlich sei.<br />

Bullitt behauptete mit voller Bestimmtheit, Frankreich dürfe überhaupt auf ke<strong>in</strong>erlei Abkommen mit Mussol<strong>in</strong>i<br />

e<strong>in</strong>geben. Seit e<strong>in</strong>igen Monaten hätte sich die Lage <strong>in</strong> Frankreich so weit gebessert, daß es sogar selbst das italienische<br />

Heer und die Flotte besiegen könnte, wenn Italien es unprovoziert angreifen sollte. Das Vorgehen Mussol<strong>in</strong>is<br />

bezeichnete er als ganz gewöhnliches " Gangstertum" und Erpressung, wobei er zu verstehen gab, daß jedoch zwischen<br />

Hitler und Mussol<strong>in</strong>i als Diktatoren e<strong>in</strong> großer Unterschied ist und daß Mussol<strong>in</strong>i im Vergleich zu Hitler nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Bandit ist.<br />

Im weiteren Gespräch kam Bullitt auch auf Osteuropa und Deutschland zu sprechen. Er erklärte dabei, daß die polnische<br />

Außenpolitik unter <strong>der</strong> vorzüglichen Leitung <strong>des</strong> Herrn M<strong>in</strong>isters e<strong>in</strong>e Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit bestan<strong>den</strong> hätte:<br />

aus <strong>der</strong> vorjährigen Herbstkrise wäre Polen nicht nur mit <strong>der</strong> Waffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand, son<strong>der</strong>n als Sieger hervorgegangen.<br />

Er fragte mich gleich nach <strong>den</strong> Beziehungen zwischen Polen und Sowjetrußland und nach dem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Erneuerung<br />

<strong>des</strong> Nichtangriffspaktes zwischen Polen und Rußland. Ich antwortete, daß alles, was die Presse <strong>in</strong> <strong>der</strong> russischen Frage<br />

geschrieben hätte, freie Phantasie wäre. Die Erneuerung <strong>des</strong> Nichtangriffspaktes mit <strong>den</strong> Sowjets war e<strong>in</strong>e<br />

Notwendigkeit <strong>des</strong> Augenblicks, <strong>den</strong>n nach <strong>der</strong> tschechischen Krise haben sich die Beziehungen zwischen Polen und<br />

<strong>den</strong> Sowjets sehr verschlechtert. Es war nur <strong>der</strong> Punkt auf dem i, nicht mehr und nicht weniger. Es g<strong>in</strong>g nur darum, die<br />

Beziehungen, die durch die Ereignisse aus dem Gleichgewicht gekommen waren, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Reihe zu br<strong>in</strong>gen. Über<br />

unser Handelsabkommen mit <strong>den</strong> Sowjets, nach dem er fragte, sagte ich, daß es die Folge unserer Besitzergreifung <strong>des</strong><br />

Olsagebietes und <strong>der</strong> großen Industrien gewesen sei. Polen war gezwungen, neue Absatzmärkte zu suchen, die es zum<br />

Teil <strong>in</strong> Sowjetrußland gefun<strong>den</strong> hat.<br />

Sowjetrußland gegenüber war Bullitt ausgesprochen unfreundlich und wegwerfend gestimmt.<br />

Er me<strong>in</strong>te ferner, daß Deutschland jetzt wohl kaum e<strong>in</strong>en Angriff auf Osteuropa unternehmen würde, <strong>den</strong>n e<strong>in</strong>erseits ist<br />

Polen zu stark - an<strong>der</strong>erseits ist die Sache mit Ungarn, Rumänien und Jugoslawien noch nicht so weit geklärt. Es müssen<br />

noch gewisse Vorbereitungen durchgeführt und die Stellungen gefestigt wer<strong>den</strong>. Übrigens wäre er überzeugt, daß<br />

Deutschland se<strong>in</strong>en Plan mit <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e durchführen werde, aber erst im Jahre 1940.<br />

Ich habe mit Bullitt über diese Aktion nicht diskutiert. Ich fragte nur, ob die Westmächte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Falle aktiv<br />

auftreten wür<strong>den</strong> und ob sie das Reich zum angeblichen Schutz Sowjetrußlands angreifen wür<strong>den</strong>. Bullitt antwortete,<br />

daß die demokratischen <strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong> für allemal alle imag<strong>in</strong>ären bewaffneten Interventionen zum Schutze irgende<strong>in</strong>es<br />

Staates, <strong>der</strong> zum Opfer e<strong>in</strong>es deutschen Angriffes wer<strong>den</strong> sollte, aufgegeben hätten.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 18<br />

Der polnische Botschafter <strong>in</strong> Paris<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außen<strong>in</strong><strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 1/F/10<br />

Politischer Bericht Nr. IV/4<br />

Paris, Februar 1939 1)<br />

1) Das Tagestum fehlt im Orig<strong>in</strong>al.


Streng geheim<br />

Vor e<strong>in</strong>er Woche ist <strong>der</strong> Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> W. Bullitt nach e<strong>in</strong>em dreimonatigen, <strong>in</strong> Amerika<br />

verbrachten Urlaub nach Paris <strong>zur</strong>ückgekehrt. In <strong>der</strong> Zwischenzeit hatte ich mit ihm zwei lange Unterredungen, die es<br />

mir gestatten, Herrn M<strong>in</strong>ister über se<strong>in</strong>e, die europäische Situation betreffen<strong>den</strong> Ansichten zu <strong>in</strong>formieren wie e<strong>in</strong>en<br />

Überblick über die Politik Wash<strong>in</strong>gtons zu geben.<br />

1. E<strong>in</strong>e Außenpolitik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>, <strong>der</strong>en Bestreben es ist, unmittelbar an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Verhältnisse <strong>in</strong><br />

Europa teilzuhaben, gibt es nicht. E<strong>in</strong>e solche Außenpolitik wäre auch nicht möglich, da sie von <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Me<strong>in</strong>ung, die <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht ihre isolationistische E<strong>in</strong>stellung nicht geän<strong>der</strong>t hat, nicht genehmigt wer<strong>den</strong> würde.<br />

Dagegen besteht e<strong>in</strong> außeror<strong>den</strong>tlich verstärktes Interesse <strong>des</strong> amerikanischen Volkes für die europäische Lage.<br />

Demgegenüber treten sogar die <strong>in</strong>neren Angelegenheiten <strong>in</strong> <strong>den</strong> H<strong>in</strong>tergrund und verlieren die Aufmerksamkeit, <strong>der</strong>en<br />

sie sich früher erfreut haben. Die <strong>in</strong>ternationale Situation wird von <strong>den</strong> offiziellen Kreisen als ungeheuer ernst und unter<br />

<strong>der</strong> Gefahr e<strong>in</strong>es bewaffneten Konflikts stehend betrachtet. Die maßgeben<strong>den</strong> Faktoren s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ansicht, daß, wenn es<br />

zwischen England und Frankreich e<strong>in</strong>erseits wie Deutschland und Italien an<strong>der</strong>erseits zum <strong>Krieg</strong>e kommen sollte, <strong>in</strong><br />

dem England und Frankreich e<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>lage erlei<strong>den</strong> könnten, dann die Deutschen <strong>den</strong> realen Interessen <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> auf de<strong>in</strong> amerikanischen Kont<strong>in</strong>ent gefährlich wer<strong>den</strong> wür<strong>den</strong>. Aus diesem Grund könne man die<br />

Teilnahme <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> am <strong>Krieg</strong>e auf seiten Frankreichs und Englands von vornhere<strong>in</strong> voraussehen,<br />

natürlich erst e<strong>in</strong>e gewisse Zeit nach Ausbruch <strong>des</strong> Konfliktes. Botschafter Bullitt drückte das wie folgt aus: "Sollte e<strong>in</strong><br />

<strong>Krieg</strong> ausbrechen, so wer<strong>den</strong> wir sicherlich nicht zu Anfang an ihm teilnehmen, aber wir wer<strong>den</strong> ihn been<strong>den</strong>."<br />

Nach Me<strong>in</strong>ung Botschafter Bullitts ist die obige E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> maßgeben<strong>den</strong> Wash<strong>in</strong>gtoner Kreise jeglicher<br />

ideologischer Elemente bar und ergibt sich ausschließlich aus <strong>der</strong> Notwendigkeit, die realen Interessen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> zu verteidigen, die im Falle e<strong>in</strong>er französisch-englischen Nie<strong>der</strong>lage ernstlich und unmittelbar zneleich vom<br />

Pazifik wie vom Atlantik her bedroht wären.<br />

Botschafter Bulfitt stellte fest, das Gerücht, als ob Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt gesagt habe, die Grenze <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

liege am Rhe<strong>in</strong>, sei falsch. Er gab dagegen se<strong>in</strong>er Überzeugung Ausdruck, <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t habe bestimmt gesagt, er<br />

verkaufe Frankreich Flugzeuge, da die französische Armee die erste Verteidigungsl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> sei.<br />

Dieses entspräche nämlich vollkommen se<strong>in</strong>en Ansichten.<br />

2. Die italienischen Ansprüche gegenüber Frankreich entbehren absolut aller Grundlagen und Argumente, die sie auch<br />

nur teilweise rechtfertigen könnten. Frankreich kann und darf also nicht e<strong>in</strong>mal sche<strong>in</strong>bar Zugeständnisse machen.<br />

Irgende<strong>in</strong> Nachgeben Frankreichs würde die Unterhöhlung se<strong>in</strong>es Prestiges <strong>in</strong> Afrika bedeuten. Man muß daher je<strong>den</strong><br />

eventuellen Kompromiß auf Kosten französiscber Interessen ausschließen.<br />

Theoretisch genommen besteht die Befürchtung, England könnte vielleicht zusammen mit Berl<strong>in</strong> versuchen, Frankreich<br />

im Augenblick irgende<strong>in</strong>er Spannung e<strong>in</strong>en mit se<strong>in</strong>en eigenen Interessen nicht zu vere<strong>in</strong>baren<strong>den</strong> Kompromiß<br />

aufzuzw<strong>in</strong>gen. In diesem Falle jedoch wird Frankreich auf die kräftige Unterstützung Wash<strong>in</strong>gtons rechnen können. Die<br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> verfügen England gegenüber über verschie<strong>den</strong>e und ungeheuer bedeutsame Zwangsmittel. Alle<strong>in</strong><br />

die Drohung ihrer Anwendung dürfte genügen, England von e<strong>in</strong>er Kompromißpolitik auf Kosten Frankreichs<br />

<strong>zur</strong>ückzuhalten.<br />

Man muß damit rechnen, daß das Prestige Englands durch die Ereignisse im Fernen Osten wie die Resultate <strong>der</strong><br />

Münchener Konferenz <strong>in</strong> <strong>der</strong> arnerikanischen öffentlichen Me<strong>in</strong>ung sehr stark gesunken ist. An<strong>der</strong>erseits ist die<br />

amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung sich darüber im klaren, wieviel England heute an e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit mit <strong>den</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> und ihrer Unterstützung gelegen ist.<br />

Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen kann man vermuten, daß Nitler und Mussol<strong>in</strong>i es auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> italienischen<br />

Ansprüche Frankreich gegenüber nicht zu e<strong>in</strong>em offenen Konflik mit England und Frankreich kommen lassen wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e schwache Seite <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> ist es natürlich, daß sie, obwohl sie schon heute ihren Standpunkt im<br />

eventuellen Konfliktsfalle bestimmt haben, gleichzeitig jedoch an <strong>der</strong> positiven Lösung <strong>der</strong> europäischen Probleme<br />

ke<strong>in</strong>en aktiven Anteil nehmen können, da die isolationistisch e<strong>in</strong>gestellte amerikanische Me<strong>in</strong>ung dieses nicht gestatten<br />

würde.<br />

3. Das Verhältnis <strong>der</strong> maßgeben<strong>den</strong> amerikanischen Faktoren zu Italien und Deutschland ist negativ hauptsächlich<br />

<strong>des</strong>halb, weil sie <strong>der</strong> Ansicht s<strong>in</strong>d, daß die neuen Erfolge <strong>der</strong> Achse Rom-Berl<strong>in</strong>, die das Prestige wie die Autorität<br />

Frankreichs und Englands als imperialistische Mächte unterhöhlten, last schon unmittelbar die realen Interessen <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bedrohen. So Wird auch die Außenpolitik Wash<strong>in</strong>gtons e<strong>in</strong>er eventuellen Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

Situation <strong>in</strong> dieser Richtung entgegenwirken.<br />

Die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> verfügen <strong>in</strong> ihren Beziehungen zu Italien und Deutschland über verschie<strong>den</strong>e Zwangsmittel, die<br />

heute schon sehr ernstlich geprüft und aufgestellt wer<strong>den</strong>. Diese überwiegend wirtschaftlichen Mittel s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>art, daß sie


ohne die ger<strong>in</strong>gste Befürchtung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>nerpolitischen Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> angewandt wer<strong>den</strong> können. Sie wer<strong>den</strong> zweifellos<br />

sowohl für Rom wie für Berl<strong>in</strong> genügend ausdrucksvoll und fühlbar se<strong>in</strong>. Botschafter Bullitt ist <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, e<strong>in</strong> von<br />

<strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gleichzeitig auf Italien und Deutschdand e<strong>in</strong>erseits wie England an<strong>der</strong>erseits ausgeübter Druck<br />

könne <strong>in</strong> bedeutendem Maße dem Ausbruch e<strong>in</strong>es bewaffneten Konfliktes vorbeugen bzw. die Entwicklung <strong>der</strong><br />

europäischen Situation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Richtung verhüten, die, vom Standpunkt Wash<strong>in</strong>gtons aus gesehen, unerwünscht wäre.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Bemerkung, es sei bei <strong>der</strong> gegenwärtigen Sachlage jedoch nicht klar, ob die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bereit<br />

wären, sich mit Deutschland und Italien um die französischen Kolonien zu schlagen bzw. gegen gewisse Systeme und<br />

Ideologien zu kämpfen, erklärte Botschafter Bullitt kategorisch, die Haltung Wash<strong>in</strong>gtons würde alle<strong>in</strong> von <strong>den</strong> realen<br />

Interessen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bestimmt, nicht aber von ideologischen Problemen.<br />

Ich muß h<strong>in</strong>zufügen, daß Botschafter Bullitt sich <strong>des</strong> rücksichtslosen Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> Frankreichs gegen die italienischen<br />

Ansprüche gewiß zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz e<strong>in</strong>e eventuell mögliche Vermittlung englischerseits bzw.<br />

englisch-deutscherseits, <strong>der</strong>en Ziel e<strong>in</strong> Kompromiß auf Kosten Frankreichs wäre, ausschließt.<br />

Ich möchte vorläufig von <strong>der</strong> Formulierung me<strong>in</strong>er eigenen, Me<strong>in</strong>ung gegenüber <strong>den</strong> Äußerungen Botschafter Bullitts<br />

Abstand nehmen. Es ist nämlich me<strong>in</strong> Bestreben, vorher von ihm noch e<strong>in</strong>ige zusätzliche Erläuterungen zu erhalten.<br />

E<strong>in</strong>es aber sche<strong>in</strong>t mir sicher, nämlich, daß die Politik Präsi<strong>den</strong>t <strong>Roosevelts</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Zeit dah<strong>in</strong> gehen wird, <strong>den</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stand Frankreichs zu unterstützen, <strong>den</strong> deutsch-italienischen Druck zu hemmen und die Komromißten<strong>den</strong>zen<br />

Englands zu schwächen.<br />

I. Lukasiewiecz<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 18<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

3/SZ-tjn-9<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 7. März 1939<br />

Geheim<br />

Betrifft: Die Außenpolitik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

Die Außenpolitik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> beschäftigt augenblicklich nicht nur die Regierung, son<strong>der</strong>n die ganze<br />

amerikanische Öffentlichkeit. In erster L<strong>in</strong>ie handelt es sich um die Äußerungen <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, welcher fast<br />

<strong>in</strong> je<strong>der</strong> öffentlichen Rede auf die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Aktivierung <strong>der</strong> Außenpolitik gegenüber de<strong>in</strong> Chaos <strong>der</strong> Begriffe<br />

und Strömungen <strong>in</strong> Europa mehr o<strong>der</strong> weniger ausdrücklich h<strong>in</strong>weist. Diese Äußerungen wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong> Presse<br />

aufgenommen und dann <strong>in</strong> geschickter Weise <strong>in</strong> die Gemüter <strong>der</strong> Durchschnittsamerikaner h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>filtriert, um das ganze<br />

Volk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vorgefaßten Me<strong>in</strong>ung zu bestärken. Dabei spielt man immer auf <strong>der</strong>selben Saite, nämlich - <strong>der</strong> Gefahr <strong>des</strong><br />

<strong>Krieg</strong>es <strong>in</strong> Europa und <strong>der</strong> Rettung <strong>der</strong> Demokratien vor <strong>der</strong> Überflutung durch <strong>den</strong> fe<strong>in</strong>dlichen Faschismus. Allen<br />

Äußerungen liegt aber gewöhnlich nur <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Gedanke zugrunde, nämlich <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Gefahr, welche <strong>der</strong><br />

Nazismus und das nazistische Deutschland für <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> <strong>der</strong> Welt darstellen.<br />

Als Folge dieser Re<strong>den</strong> ruft man nach Aufrüstung und for<strong>der</strong>t <strong>den</strong> Aufwand enormer Summen für Flotte und Luftwaffe.<br />

Dah<strong>in</strong>ter steht unzweideutig <strong>der</strong> Gedanke, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im Falle e<strong>in</strong>es bewaffneten Konfliktes nicht<br />

draußen bleiben können, son<strong>der</strong>n an <strong>den</strong> Vorgängen tätigen Anteil nehmen müssen. Das Ergebnis <strong>der</strong> kraftvollen Worte<br />

<strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, <strong>der</strong> sich dabei auf die Presse stützt, ist heute e<strong>in</strong>e bewußte Bearbeitung <strong>der</strong> a<strong>in</strong>er ischen<br />

Öffentlichkeit mit <strong>der</strong> Absicht, Haß gegen alles zu erregen, was nach Faschismus riecht. Dabei ist aber <strong>in</strong>teressant, daß<br />

die UdSSR außerhalb bleibt und daß die amerikanische Öffentlichkeit Rußland zum Lager <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong><br />

rechnet. Dies zeigte sich auch während <strong>des</strong> Spanischen Bürgerkrieges, als man die sogenannten Loyalisten als<br />

Verteidiger <strong>der</strong> demokratischen Ideen ansah.<br />

Das Staatsdepartement arbeitet, ohne großes Aufsehen zu erregen, wenn auch bekannt ist, daß <strong>der</strong> Staatssekretär Hull<br />

<strong>den</strong>selben Ideen huldigt wie Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt; doch zeigt er mehr Zurückhaltung als jener, außerdem liebt er es, <strong>den</strong><br />

Nazismus und <strong>den</strong> Kanzler Hitler vom deutschen Staat zu trennen. Er hält diese Form <strong>der</strong> diktatorischen Regierung für<br />

e<strong>in</strong> vorübergehen<strong>des</strong> "malum iiecessarium". Dabei <strong>in</strong>teressiert sich das Staatsdepartement ungeme<strong>in</strong> für die UdSSR und<br />

für ihre <strong>in</strong>neren Verhältnisse. Ganz offensichtlich grämt es sich wegen ihrer Schwäche und ihres Verfalls. Der


Hauptgrund für das Interesse <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an <strong>den</strong> Russen ist die Lage im Fernen Osten, <strong>den</strong>n die hiesige<br />

Regierung würde gern die Rote Armee als Sieger aus <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Japan hervorgehen sehen. Deshalb<br />

s<strong>in</strong>d auch die Sympathien <strong>der</strong> Regierung deutlich auf seiten Ch<strong>in</strong>as. Dieses erhielt letzth<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ansehnliche f<strong>in</strong>anzielle<br />

Hilfe <strong>in</strong> Höhe von 25 Millionen Dollar.<br />

Alle Informationen <strong>der</strong> diplomatischen Vertretungen sowie <strong>der</strong> speziellen Sendboten <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>in</strong> Gestalt <strong>der</strong><br />

Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> wer<strong>den</strong> vom Staatsdepartement und vom Präsi<strong>den</strong>ten selbst eifrig durchgearbeitet.<br />

Dieser beruft häufig se<strong>in</strong>e Vertreter im Auslande zum persönlichen Me<strong>in</strong>ungsaustausch und zum Empfang beson<strong>der</strong>er<br />

Informationen und Instruktionen nach Wash<strong>in</strong>gton. Die Ankunft <strong>der</strong> Gesandten und Botschafter ist immer <strong>in</strong> Geheimnis<br />

gehüllt, und über das Ergebnis ihrer Besuche sickert nur wenig <strong>in</strong> die Presse durch. Auch das Staatsdepartement<br />

vermeidet es pe<strong>in</strong>lich, über <strong>den</strong> Verlauf dieser Unterredungen irgendwelche Informationen auszugeben. Sicher ist das<br />

die praktischste Art seitens <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, die Außenpolitik zu aktivieren. Dieser gibt se<strong>in</strong>en Vertretern im Ausland,<br />

welche meistens se<strong>in</strong>e persönlichen Freunde s<strong>in</strong>d, persönlich Instruktionen. Auf diese Weise wer<strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> auf die gefährliche Bahn <strong>der</strong> Weltpolitik mit <strong>der</strong> ausdrücklichen Absicht geführt, von <strong>der</strong> bequemen Politik <strong>der</strong><br />

Isolation abzugehen. Persönlich sieht <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik se<strong>in</strong>es Lan<strong>des</strong> e<strong>in</strong> Mittel <strong>zur</strong> Befriedigung <strong>des</strong><br />

eigenen Ehrgeizes, gern hört er aufmerksam auf das Echo, das aus <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en Hauptstädten <strong>der</strong> Welt zu ihm<br />

wi<strong>der</strong>hallt.<br />

Ebenso wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren, so ist auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenpolitik <strong>der</strong> Kongreß <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> das e<strong>in</strong>zige H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis,<br />

das dem Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt und se<strong>in</strong>er Regierung bei <strong>der</strong> Durchführung ihrer schnell gefaßten und ehrgeizigen<br />

Entschlüsse im <strong>Weg</strong>e steht. Die Verfassung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gab vor :i5o Jahren die obersten Prärogativen<br />

dem amerikanischen Parlament <strong>in</strong> die Hand, das vom Weißen Haus ausgehende Gesetze kritisieren und ablehnen kann.<br />

Kürzlich war die Außenpolitik <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt Gegenstand e<strong>in</strong>er lebhaften Diskussion im<br />

Repräsentantenhaus und im Senat. Sie rief dort große Aufregung hervor. Die sogenannten Isolationisten, von <strong>den</strong>en es <strong>in</strong><br />

bei<strong>den</strong> Kammern e<strong>in</strong>e große Zahl gibt, traten scharf gegen <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten auf; vor allem die Bemerkung <strong>des</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>ten, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse bekannt wurde und <strong>in</strong> <strong>der</strong> er sagte, daß die Grenzen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> am Rhe<strong>in</strong><br />

liegen, regte die Abgeordneten und Senatoren auf das lebhafteste auf. Doch ist Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt e<strong>in</strong> ausgezeichneter<br />

politischer Spieler. Er ist sich über die Macht <strong>des</strong> amerikanischen Parlaments durchaus im klaren. Hier hat er se<strong>in</strong>e ihm<br />

ergebenen Leute, und er versteht es, sich im geeigneten AugenbUck aus se<strong>in</strong>er unbequemen Stellung <strong>zur</strong>ückzuziehen.<br />

Sehr klug und geschickt verband er die Frage <strong>der</strong> Außenpolitik mit <strong>der</strong> Aufrüstung Amerikas. Hierbei wies er<br />

nachdrücklich auf die Notwendigkeit h<strong>in</strong>, <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung <strong>des</strong> defensiven Frie<strong>den</strong>s Piesensummen auszugeben. Er<br />

sagte ausdrücklich, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> nicht <strong>des</strong>halb aufrüsten, um e<strong>in</strong>zugreifen o<strong>der</strong> sich im <strong>Krieg</strong>sfall mit<br />

England und Frankreich zu verb<strong>in</strong><strong>den</strong>, son<strong>der</strong>n weil es notwendig ist, im Falle e<strong>in</strong>es bewaffneten Konfliktes <strong>in</strong> Europa<br />

Stärke und militärische Bereitschaft zu zeigen; se<strong>in</strong>er Ansicht nach rückt dieser Konflikt immer näher heran, er ist völlig<br />

unvermeidbar.<br />

Da die Frage <strong>in</strong> dieser Weise dargestellt wurde, so gab sie seitens <strong>der</strong> parlamentarischen Kammern ke<strong>in</strong>en Anlaß zu<br />

E<strong>in</strong>wendungen. Im Gegenteil, die Kammern nahmen das Rüstungsprogramm von über 1 Milliarde Dollar an (das<br />

gewöhnliche Budget 520 Millionen, das außergewöhnliche 552 Millionen Dollar). Unter <strong>der</strong> Parole <strong>der</strong><br />

Aufrüstungspolitik setzt aber Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt se<strong>in</strong>e Außenpolitik fort. In ihr gibt er <strong>der</strong> Welt <strong>in</strong>offiziell zu erkennen,<br />

daß im <strong>Krieg</strong>sfalle die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> mit ihrer ganzen militärischen und f<strong>in</strong>anziellen Macht auf seiten <strong>der</strong><br />

demokratischen <strong>Staaten</strong> stehen.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, daß die technische und moralische Vorbereitung <strong>des</strong> amerikanischen Volkes <strong>zur</strong><br />

Teilnahme an e<strong>in</strong>em <strong>Krieg</strong>e - falls e<strong>in</strong> solcher <strong>in</strong> Europa ausbrechen sollte - rasch vorwärts geht, und es sieht so aus, als<br />

ob gleich nach Beg<strong>in</strong>n die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> Frankreich und Großbritannien mit ihrer ganzen Macht zu Hilfe kommen,<br />

Ich kenne aber die amerikanische Öffentlichkeit und die Gesandten und Senatoren, welche das entschei<strong>den</strong>de Wort<br />

haben, und ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, daß die Chancen, daß Amerika wie 1917 <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> e<strong>in</strong>tritt, sehr ger<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d, <strong>den</strong>n<br />

<strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> <strong>Staaten</strong> im Mittelwesten und Westen, <strong>in</strong> welchen das ländliche Element vorherrscht, will um ke<strong>in</strong>en<br />

Preis <strong>in</strong> die europäischen Unstimmigkeiten verwickelt wer<strong>den</strong>. Diese er<strong>in</strong>nern sich an die Erkärung <strong>des</strong> Versailler<br />

Vertrages sowie an die bekannte Phrase, daß <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> <strong>zur</strong> Sicherung <strong>der</strong> Demokratien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt dienen sollte. We<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Versailler Vertrag noch dieses Schlagwort haben die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> mit dem <strong>Krieg</strong>e ausgesöhnt. Bei <strong>den</strong> vielen<br />

Millionen blieb nur e<strong>in</strong> bitterer Nachgeschmack wegen <strong>der</strong> unbezahlten Müliar<strong>den</strong>summen, welche die europäischen<br />

<strong>Staaten</strong> Amerika noch schul<strong>den</strong>.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 20


Der Belgische Son<strong>der</strong>gesandte Botschaftsrat<br />

Fürst Ligne 1) an <strong>den</strong> Belgischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht (Auszug)<br />

Außenm<strong>in</strong>isterium<br />

Brüssel, <strong>den</strong> 18. März 1939<br />

III. Bericht über e<strong>in</strong>e Unterredung mit Herrn Hull<br />

. . . Herr Hull spielte dann auf die immerh<strong>in</strong> möglichen Verwicklungen an, die zu e<strong>in</strong>em <strong>Krieg</strong> an unseren Grenzen<br />

führen könnten, und sagte mir: "Wir wür<strong>den</strong> vielleicht drei Tage, drei Wochen o<strong>der</strong> drei Monate brauchen ... but we<br />

would move." Er sprach diese Worte mit Nachdruck.<br />

Er versicherte mir dann von neuem, wie sehr er die Gewaltpolitik verabscheue, "die unter Mißacbtung <strong>der</strong> Verträge und<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Moral betrieben wird". Die Bemühungen <strong>der</strong> amerikanischen Regierung seien auf e<strong>in</strong>e Erziehung <strong>der</strong><br />

Massen gerichtet. Nach dieser Richtung h<strong>in</strong> sei e<strong>in</strong> Fortschritt zu verzeichnen. "Vor sechs Monaten wäre es uns niemals<br />

möglich gewesen, so viel <strong>Krieg</strong>smaterial zu liefern, wie wir jetzt Frankreich und England liefern." Er for<strong>der</strong>te mich auf,<br />

se<strong>in</strong>e Auffassung <strong>zur</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Königlichen Regierung zu br<strong>in</strong>gen ...<br />

Auf militärischem Gebiet sche<strong>in</strong>t Amerika e<strong>in</strong>e Aufrüstung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft und zu Wasser zu beabsichtigen, die bis <strong>zur</strong><br />

Grenze <strong>des</strong> Notwendigen geht. Auf wirtschaftlichem Gebiet faßt es <strong>den</strong> Boykott <strong>des</strong> Handels <strong>der</strong> totalitären <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong>s<br />

Auge; auf diplomatischem Gebiete endlich tritt das E<strong>in</strong>vernehmen mit England täglich mehr <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung, und das<br />

Neutralitätsgesetz wird sicherlich aufgehoben wer<strong>den</strong>, vielleicht sogar schon, bevor es se<strong>in</strong>e Probe hat bestehen können<br />

...<br />

gez. Ligne<br />

1) Fürst Ligne wax Anfang 1939 von <strong>der</strong> Belgischen Regierung nach Wash<strong>in</strong>gton entsandt wor<strong>den</strong>, um Verhandlungen<br />

über amerikanische Flugzeuglieferungen an Belgien zu führen und e<strong>in</strong>e Verstärkung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Beziehungen<br />

zwischen Belgien und dem Belgischen Kongo e<strong>in</strong>erseits und <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an<strong>der</strong>erseits zu betreiben. Aus dem<br />

zusammenfassen<strong>den</strong> Schlußbericht über Verlauf und Ergebnisse dieser Mission wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ige Absätze über Gespräche<br />

<strong>des</strong> Belgischen Son<strong>der</strong>beauftragten mit Staatsselaetäx Hull wie<strong>der</strong>gegeben, die von allgeme<strong>in</strong>politischem Interesse<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Nr. 21<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Paris<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

R 2/3<br />

Streng geheim<br />

Paris, <strong>den</strong> 29. März 1939<br />

Am 24. d. M. sagte ich Botschafter Bullitt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er normalen freundschaftlichen Unterredung ungefälir folgen<strong>des</strong>:<br />

Ich kenne we<strong>der</strong> <strong>den</strong> Text <strong>des</strong> englischen Vorschlages h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> vier <strong>Staaten</strong> noch unsere Antwort<br />

darauf (was im übrigen auch <strong>der</strong> Wahrheit entsprach). Indem ich mich jedoch nach Pressemitteilungen richte und <strong>der</strong>en<br />

Echos, die mich von verschie<strong>den</strong>en Seiten ei-reichen, beurteile ich die Situation wie folgt: Der englische Vorschlag<br />

sche<strong>in</strong>t mir <strong>der</strong> Form wie dem Inhalt nach e<strong>in</strong> Manöver zu se<strong>in</strong>, das wenigstens zu drei Vierteln für die englische<br />

Innenpolitik bestimmt ist und das nicht etwa dem Willen entstammt, auf die <strong>in</strong>ternationalen Ereignisse <strong>der</strong> letzten Tage<br />

zu reagieren, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>den</strong> Schwierigkeiten, auf die Cha<strong>in</strong>berla<strong>in</strong> von seiten <strong>des</strong> Parlaments wie <strong>der</strong> englischen<br />

öffentlichen Me<strong>in</strong>ung gestoßen ist.<br />

Es ist k<strong>in</strong>disch, naiv und gleichzeitig unfair, e<strong>in</strong>em Staat, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Lage wie Polen bef<strong>in</strong>det,<br />

vorzuschlagen, er solle se<strong>in</strong>e Beziehungen zu e<strong>in</strong>em so starken Nachbarn wie Deutschland kompromittieren und die<br />

Welt <strong>der</strong> Katastrophe e<strong>in</strong>es <strong>Krieg</strong>es aussetzen, nur um <strong>den</strong> Bedürfnissen <strong>der</strong> Innenpolitik Chamberla<strong>in</strong>s willfährig zu<br />

se<strong>in</strong>. Noch naiver jedoch wäre es, anzunehmen, die Polnische Regierung verstünde nicht <strong>den</strong> wahren S<strong>in</strong>n dieses<br />

Manövers und se<strong>in</strong>e Konsequenzen.


Es ist weiterh<strong>in</strong> im höchsten Grade unvorsichtig, e<strong>in</strong>e Aktion zu unternehmen, wie sie von <strong>der</strong> Englischen Regierung<br />

öffentlich angeregt wurde, und <strong>in</strong> ihr die Teilnahme Rußlands <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vor<strong>der</strong>grund zu schieben, die ebenso das politische<br />

Gesicht <strong>der</strong> <strong>Staaten</strong> verunstaltet, die solidarisch handeln sollen, wie das Ziel ihrer Aktionen. Das ostentative Streben<br />

nach e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit mit Rußland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Form und e<strong>in</strong>em Bereich, <strong>der</strong> lediglich <strong>den</strong> Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

Innenpolitik Chamberla<strong>in</strong>s entspricht, läßt die unbillige Vermutung aufkommen, als handele es sich hier nicht nur um<br />

die Verteidigung <strong>der</strong>jenigen <strong>Staaten</strong>, die durch die neuen Metho<strong>den</strong> <strong>der</strong> deutschen Politik bedroht s<strong>in</strong>d, Son<strong>der</strong>n auch<br />

um e<strong>in</strong>en ideologischen Kampf mit dem Hitlerismus, und daß das Endziel <strong>der</strong> Aktionen nicht <strong>der</strong> Friede ist, son<strong>der</strong>n die<br />

Hervorrufung e<strong>in</strong>es Um,Sturzes <strong>in</strong> Deutschland. Wer die seit langem feststehen<strong>den</strong> Grundsätze <strong>der</strong> polnischen Politik<br />

kennt, kann nicht annehmen, die Polnische Regierung werde sich zu so leichts<strong>in</strong>nigen und gefährlichen Schacbzügen <strong>des</strong><br />

Herrn Chamberla<strong>in</strong> positiv e<strong>in</strong>stellen.<br />

Nach <strong>den</strong> Erfahrungen <strong>der</strong> letzten zwanzig Jahre, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Verlauf England und Frankreich nicht nur ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

<strong>in</strong>ternationale Verpflichtung gehalten haben, son<strong>der</strong>n auch niemals imstande waren, ihre eigenen Interessen auf gehörige<br />

Weise zu verteidigen, ist es völlig unmöglich, zu glauben, irgende<strong>in</strong> Staat <strong>in</strong> Mittel- o<strong>der</strong> Osteuropa - wie ebenso auf <strong>der</strong><br />

entgegengesetzten Seite Berl<strong>in</strong>Rom - könnte auch nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen englischen Vorschlag ernst nehmen, es sei <strong>den</strong>n,<br />

England schw<strong>in</strong>gt sich zu Taten auf, die zweifellos und unabweisbar se<strong>in</strong>en Entschluß bestätigen, die Beziehungen zu<br />

Deutschland aufzugeben.<br />

Hätte die Englische Regierung e<strong>in</strong>ige Tage vor <strong>der</strong> Unterbreitung <strong>der</strong> vorgeschlagenen Deklaration <strong>in</strong> Warschau ihre<br />

Xriegsflotte mobilisiert hie die militärische Dienstpflicht eiDgeführt, und hätte die Französische Regierung <strong>in</strong> größerem<br />

Umfang als bisher die Mobilisierung ihrer Armee angeordnet, dann hätte man sogar solche unzulänglichen englischen<br />

Vorschläge wie die, die uns gemacht wur<strong>den</strong>, als e<strong>in</strong>en Beweis für <strong>den</strong> aufrichtigen und ernsten Willen loyaler<br />

Zusammenarbeit ansehen können. Da es jedoch gerade umgekehrt gekommen ist, muß man annehmen, alle von London<br />

unternommenen diplomatischen Verhandlungen wer<strong>den</strong> so lange ke<strong>in</strong>e Aussicht auf Erfolg haben, bis sich die Englische<br />

Regierung endlich zu dem Entschluß aufrafft, konkrete, präzisierte Verpflichtungen zu übernehmen, die von realen<br />

Maßnahmen auf dem Gebiet <strong>der</strong> Streitkräfte, über die sie verfügt, unterstützt wer<strong>den</strong>.<br />

Traurig, ja fast tragisch ist es, daß es sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen Situation nicht um die Interessen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Lan<strong>des</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n - ohne Übertreibung - um die Vermeidung e<strong>in</strong>es katastrophalen kriegerischen Konflikts handelt. Zum Beispiel<br />

<strong>der</strong> Fall Polen. Ich kenne we<strong>der</strong> <strong>den</strong> Text <strong>des</strong> englischen Vorschlages noch die Absichten Hitlers. Ich mache mir jedoch<br />

auf Grund zweifelloser Aspekte me<strong>in</strong>e eigenen Gedanken Über die wirkliche Lage. Die unvorsichtige, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form<br />

leichts<strong>in</strong>nige, im Inhalt lückenhafte englische <strong>in</strong>itiative läßt die Polnische Regierung zwischen <strong>der</strong> Kompromittierung<br />

<strong>der</strong> Beziehungen zu Deutschland o<strong>der</strong> dem Scheitern <strong>der</strong> Verhandlungen mit London wählen. Im ersten Fall kann Ihtler<br />

sich gezwungen sehen, uns gegenüber die Anwendung von Zwang zu versuchen, worauf wir nicht an<strong>der</strong>s wer<strong>den</strong><br />

antworten können als bewaffnet. Hierdurch wird e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er europäischer Konflikt entstehen, <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen erster<br />

Etappe wir <strong>den</strong> Druck <strong>der</strong> ganzen deutschen Macht wer<strong>den</strong> aushalten müssen. Unsere gesamte <strong>Krieg</strong>s<strong>in</strong>dustrie wird<br />

nicht nur bedroht se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n wir können sie sogar verlieren. Iheraus wer<strong>den</strong> sichschon zu Anfang <strong>des</strong> Konflikts nicht<br />

nur für uns, son<strong>der</strong>n ebenso für Frankreich und England die schlimmsten Bed<strong>in</strong>gungen ergeben. Im zweiten Fan wird<br />

das Scheitern <strong>der</strong> Verhandlungen mit London für Hitler e<strong>in</strong> Beweis <strong>der</strong> Unaufrichtigkeit und Schwäche <strong>der</strong> Politik<br />

Englands und Frankreichs se<strong>in</strong> und ihn zu neuen Expansionsunternehmungen <strong>in</strong> Ost- und Mitteleuropa aufmuntern, die<br />

früher o<strong>der</strong> später <strong>zur</strong> Katastrophe e<strong>in</strong>es <strong>Krieg</strong>es führen müssen. Bei diesem Stand <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge ist es ebenso k<strong>in</strong>disch wie<br />

verbrecherisch, Polen für <strong>Krieg</strong> o<strong>der</strong> Frie<strong>den</strong> verantwortlich machen zu wollen. Es muß e<strong>in</strong> für allemal festgestellt<br />

wer<strong>den</strong>, daß die Verantwortung zum größten Teil bei Frankreich und England liegt, <strong>der</strong>en uns<strong>in</strong>nige o<strong>der</strong> lächerlich<br />

schwache Politik zu <strong>der</strong> Situation und zu <strong>den</strong> Ereignissen führte, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en wir leben. Wenn die EngEsche Regierung<br />

dieses heute nicht e<strong>in</strong>sieht, dann ist e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>-europäischer Konflikt, ja vielleicht sogar e<strong>in</strong> Weltkrieg unvermeidbar<br />

und muß schnell kommen, <strong>den</strong>n die Wahl <strong>des</strong> geeigneten Moments liegt bei Hitler.<br />

Botschafter Bullitt nahm sich me<strong>in</strong>e Ausführungen sehr zu Herzen und bat mich, sie noch e<strong>in</strong>mal zu wie<strong>der</strong>holen. Ich<br />

sah, daß er je<strong>den</strong> Absatz im Gedächtnis festzuhalten suchte.<br />

Später fragte er mich, ob wir e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Bündnis annehmen wür<strong>den</strong>, wenn England und Frankreich uns morgen<br />

e<strong>in</strong> solches vorschlagen sollten. Ich antwortete, ich könne hierauf ke<strong>in</strong>e Antwort geben. Dagegen stellte ich fest, daß <strong>der</strong><br />

Schwerpunkt nicht bei <strong>den</strong> Vorschlägen liege, die uns gemacht wür<strong>den</strong>, son<strong>der</strong>n bei <strong>den</strong> tatsächlichen Maßnahmen, die<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie England ergreifen müsse. Botschafter Bullitt erklärte sich mit me<strong>in</strong>em Standpunkt völlig e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>.<br />

Am folgen<strong>den</strong> Tage, dem 25. d. M., teilte mir Botschafter Bullitt mit, er habe sich me<strong>in</strong>e Anschauungen zu eigen<br />

gemacht und unter Ausnutzung <strong>der</strong> ihm zustehen<strong>den</strong> Rechte dem Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> London,<br />

Kennedy, <strong>den</strong> Auftrag gegeben, sich am heutigen Sonnabend zu M<strong>in</strong>ister-Präsi<strong>den</strong>t Chamberla<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Resi<strong>den</strong>z zu<br />

begeben und ihm dieses alles unter kategorischer Betonung <strong>der</strong> Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Englischen Regierung zu<br />

wie<strong>der</strong>holen.<br />

Am Sonntag, dem 26., erhielt Botschafter Bullitt <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Gegenwart von Botschafter Kennedy e<strong>in</strong>en telephonischen<br />

Bericht über die Unterredung, die dieser mit M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Chamberla<strong>in</strong> gehabt hat. Hierüber habe ich Herrn<br />

M<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Telegramm Bericht erstattet, das sofort nach me<strong>in</strong>em Aufenthalt bei Botschafter Bullitt aufgegeben<br />

war.


Ich verstehe, daß Botschafter Bullitt die Bedeutung <strong>der</strong> Erklärungen, die von se<strong>in</strong>em Kollegen <strong>der</strong> Englischen Regierung<br />

abgegeben wur<strong>den</strong>, sicherlich etwas übertrieben behandelt. Ich erachte es jedoch als me<strong>in</strong>e Pflicht, Herrn M<strong>in</strong>ister über<br />

alles oben Gesagte zu <strong>in</strong>formieren, weil ich glaube, daß die Mitarbeit <strong>des</strong> Botschafters Bullitt <strong>in</strong> so schwierigen und<br />

komplizierten Zeiten uns doch vielleicht gewisse Dienste erweisen kann. Es ist auf je<strong>den</strong> Fall völlig sicher, daß er<br />

unseren Standpunkt restlos teilt und zu e<strong>in</strong>er möglichst weiten loyalen freundschaftlichen Zusammenarbeit bereit ist.<br />

Um übrigens die Aktion <strong>des</strong> Amerikanischen Botschafters <strong>in</strong> London noch zu verstärken, machte ich Botschafter Bullitt<br />

darauf aufmerksam, es sei nicht ausgeschlossen, daß die Englän<strong>der</strong> <strong>den</strong> Schritt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> von<br />

Nordamerika zwar mit gut verborgener, aber <strong>den</strong>noch mit Ger<strong>in</strong>gschätzung behandeln.<br />

Er antwortete mir, ich habe wahrsche<strong>in</strong>lich recht. Dennoch aber seien die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im Besitz von Mitteln, mit<br />

<strong>den</strong>en sie e<strong>in</strong>en wirklichen Zwang auf England ausüben könnten. An die Mobilisierung dieser Mittel werde er ernstlich<br />

<strong>den</strong>ken.<br />

Der Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen 1)<br />

1) Die persönliche Unterschrift <strong>des</strong> Botschafters fehlt, da es sich um e<strong>in</strong>en Durchschlag <strong>des</strong> Orig<strong>in</strong>alberichts handelt.<br />

Der Durchschlag trägt auf <strong>der</strong> ersten Seite die Paraphe <strong>des</strong> polnischen Vizem<strong>in</strong>isters Grafen Szembeck.<br />

Nr. 22<br />

Der Französische Außenm<strong>in</strong>ister an <strong>den</strong><br />

Französischen Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

Telegramm<br />

Nr. 612-615<br />

Paris, <strong>den</strong> 8, Mai 1939<br />

Im "New York Herald" (Pariser Ausgabe) von heute morgen lese ich, es bestehe die ernstliche Aussicht, daß sich die<br />

von Herrn Van<strong>den</strong>berg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede <strong>in</strong> Atlantic City entwickelten Anschauungen bei <strong>der</strong> nächsten Beratung über das<br />

Neutralitätsgesetz im Senat durchsetzen wür<strong>den</strong>. Dieser republikanische Senator ist für die unverän<strong>der</strong>te Beibehaltung<br />

<strong>des</strong> Neutralitätsgesetzes, unter Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Cash-and-Carry-Klausel, e<strong>in</strong>getreten und hat empfohlen, daß<br />

Amerika sich von <strong>den</strong> europäischen Angelegenheiten fernhalten möge.<br />

Ich weiß nicht, welcher Wert diesen Pressevoraussagen beizumessen ist; aber die Äußerungen e<strong>in</strong>es so e<strong>in</strong>flußreichen<br />

Senators wie Herrn Van<strong>den</strong>bergs, <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>den</strong> soeben von Senator K<strong>in</strong>g anläßlich <strong>des</strong> deutsch-italienischeu<br />

Vertrages <strong>der</strong> "United Press" abgegebenen Erklärungen, sche<strong>in</strong>en darauf h<strong>in</strong>zudeuten, daß e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> amerikanischen<br />

öffentlichen Me<strong>in</strong>ung auch weiterh<strong>in</strong> wünscht, daß die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> sich m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens auf strikte<br />

Neutralität, wenn nicht geradezu auf Isolierung festlegen solle.<br />

Ich zweifle nicht daran, daß die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> - wie es übrigens Ihr Telegramm Nr. 777 anzeigt -<br />

alle Anstrengungen macht, um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daß die Anschauungen Van<strong>den</strong>bergs <strong>den</strong> Sieg davontragen.<br />

Sollten diese Anstrengungen aber ke<strong>in</strong>en Erfolg haben, so würde ihr Fehlschlagen <strong>in</strong> Frankreich Erregung und<br />

Enttäuschung hervorrufen. Wenn die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung gegenwärtig ihre Blicke tatsächlich nach<br />

Europa richtet und ke<strong>in</strong>e Gelegenheit versäumt, um <strong>den</strong> großen Demokratien e<strong>in</strong>e Politik <strong>des</strong> Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> und <strong>der</strong><br />

Festigkeit zu empfehlen, so wendet sich an<strong>der</strong>erseits auch die öffentliche Me<strong>in</strong>ung Frankreichs nach Amerika und<br />

erwartet von dort diejenigen Maßnahmen, die die Fortführung <strong>der</strong> Politik, die Amerika selbst empfiehlt, weitgehend<br />

erleichtern wür<strong>den</strong>.<br />

Die Französische und die Britische Regierung haben im Laufe <strong>der</strong> letzten Wochen durch Garantieversprechen an Polen,<br />

Rumänien und die Türkei, durch Verhandlungen über e<strong>in</strong>en Vertragsentwurf mit Sowjetrußland e<strong>in</strong>e Politik verfolgt, die<br />

nur die volle Zustimmung <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> f<strong>in</strong><strong>den</strong> kann, wie es übrigens Herr Bullitt <strong>in</strong> Paris und<br />

Herr Kennedy <strong>in</strong> London <strong>in</strong> freundschaftlicher Weise oft anerkannt haben.<br />

In <strong>der</strong> schweren Krise, die Europa durchmacht, und nach <strong>den</strong> Hoffnungen, die durch die schnelle Wandlung <strong>der</strong><br />

öffentlichen Stimmung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> erweckt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, würde e<strong>in</strong>e lediglich moralische Unterstützung<br />

seitens Amerikas e<strong>in</strong>e grausame Enttäuschung bedeuten; es ist notwendig, daß die öffentliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> Frankreich<br />

wie <strong>in</strong> England h<strong>in</strong>ter dieser moralischen Unterstützung e<strong>in</strong>e mächtige materielle Hilfe zu erkennen vermag.


Ich bitte Sie, ke<strong>in</strong>e Anstrengungen zu unterlassen, um dieses Resultat zu erreichen. Ich zweifle nicht an <strong>der</strong> vollen<br />

Unterstützung von Herrn Cordell Hull und Herrn Simmer Welles, die ebenso wie Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt volles<br />

Verständnis für die Lage haben. Es sche<strong>in</strong>t mir aber unerläßlich, daß Sie auf die parlamentarischen Kreise und auf die<br />

Presse e<strong>in</strong>wirken. Gestützt auf me<strong>in</strong>e eigenen Erfahrungen <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, vertraue ich darauf, daß Sie <strong>in</strong> dieser heiklen<br />

Unternehmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> diskretesten und wirkungsvollsten Weise vorgehen.<br />

Georges Bonnet<br />

Nr. 23<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 938<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 14. Juni 1939<br />

Der Erziehungsm<strong>in</strong>ister, <strong>den</strong> ich begleitete, ist unverzüglich vom Präsi<strong>den</strong>ten empfangen wor<strong>den</strong>, dem er die<br />

Dankbarkeit <strong>des</strong> Herrn M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten und <strong>der</strong> Regierungsmitglie<strong>der</strong> für die unserem Lande bei je<strong>der</strong> Gelegenheit<br />

erwiesene Sympathie zum Ausdruck brachte. Beson<strong>der</strong>s sprach er im Namen <strong>der</strong> Schuljugend, <strong>der</strong>en Gefühle für <strong>den</strong><br />

Leiter <strong>der</strong> großen befreundeten Nation er übern-:iittelte. Der Präsi<strong>den</strong>t antwortete auf diese doppelte Botschaft <strong>in</strong> sehr<br />

herzlichen Worten; Roosevelt erklärte spontan, daß er das von <strong>der</strong> Regierung vollbrachte Werk <strong>der</strong> Neuordnung und <strong>der</strong><br />

nationalen Sammlung aufmerksam verfolge und außeror<strong>den</strong>tlich schätze.<br />

Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 939<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 14. (Februar) 1) 1939<br />

Im Nachgang zu me<strong>in</strong>em vorhergehen<strong>den</strong> Telegramm.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Außenpolitik hat uns <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t zwei H<strong>in</strong>weise gegeben, die sicherlich se<strong>in</strong>er Ansicht nach sehr<br />

geheim se<strong>in</strong> sollten, da ke<strong>in</strong>er von ihnen vom Staatsdepartement bestätigt wer<strong>den</strong> dürfte.<br />

Erstens sagte er uns, daß er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Unterredungen mit König Georg VI. <strong>den</strong> festeren Kurs <strong>der</strong> britischen Außenpolitik<br />

sehr begrüßt habe. Zweitens gab er dem Wunsch Ausdruck, Frankreich möge Ch<strong>in</strong>a jede nur mögliche Hilfe leisten. Er<br />

glaubt, daß die ch<strong>in</strong>esische Unabhängigkeit gerettet wer<strong>den</strong> könne, wenn Ch<strong>in</strong>a se<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>stand noch e<strong>in</strong> Jahr lang<br />

fortsetze.<br />

Sa<strong>in</strong>t- Quent<strong>in</strong><br />

1) Muß natürlich Juni heißen<br />

Nr. 24<br />

Der Polnische Geschäftsträger <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außentn<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

3/SZ - tjn - 23<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 11. Juli 1939<br />

Als ich me<strong>in</strong> <strong>Amt</strong> übernOmmen und dem Staatsdepartement davon Mitteilung gemacht hatte, besuchte ich <strong>den</strong> Herrn<br />

Unterstaatssekretär Sumner Welles sowie die Herren Assistant Seeretaries Messersmith und Sayre.<br />

Herr Sumner WelIes begann damit, mich nach <strong>der</strong> Stimmung <strong>in</strong> Polen zu fragen. Ich erzählte ihm, daß für Polen im<br />

jettzigen Augenblick Ruhe und Vertrauen <strong>in</strong> die eigene Kraft - calm and confi<strong>den</strong>ce - charakteristisch seien; daß,


unabhängig von Überzeugungen und Ansichten, von Herkunft und Stellung, das ganze Volk um die Regierung<br />

gesammelt ist, bereit, se<strong>in</strong>e Pflicht gegenüber dem Lande zu erfüllen. Polen gestattet ke<strong>in</strong>e Beschränkung se<strong>in</strong>er Rechte<br />

und se<strong>in</strong>es Besitzstan<strong>des</strong>. Weiter erzählte ich ihm, daß trotz <strong>des</strong> vollen Verständnisses für die Wichtigkeit <strong>des</strong><br />

Augenblicks und <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bereitschaft zu noch so weitgehen<strong>den</strong> Opfern das Leben <strong>in</strong> Polen se<strong>in</strong>en normalen<br />

Gang gehe und das Land und die Städte ke<strong>in</strong>erlei Anzeichen von Nervosität zeigen.<br />

Herr Sumner Welles erklärte mir daraufh<strong>in</strong>, daß er von dieser großartigen Haltung Polens schon von dort selbst genau<br />

orientiert sei. Weiterh<strong>in</strong> berührte er die großen Kosten von Polens <strong>Krieg</strong>svorbereitungen; er gab se<strong>in</strong>er Befürchtung<br />

Ausdruck, daß sie übermäßig schwer seien. Ich antwortete, daß Polen sich vor Opfern, mögen sie auch noch so groß<br />

se<strong>in</strong>, nicht scbeue und durchhalten könne. Dabei bemerkte ich, daß es aber doch wichtig wäre, Polen die Heranführung<br />

von Rohstoffen zu erleichtern. Hierauf antwortete Herr Sumner Welles, daß diese Frage augenblicklich <strong>der</strong> Gegenstand<br />

französischenglischer Unterhandlungen sei. Weiterh<strong>in</strong> sprach er über die Schwierigkeiten, welche angeblich mit <strong>den</strong><br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> Polen bestehen, worauf ich ihm antwortete, daß es zwar auf diesem Gebiet Fragen gäbe, welche später<br />

e<strong>in</strong>e bestimmte Regelung for<strong>der</strong>n wer<strong>den</strong>, daß aber augenblicklich die Verteidigung <strong>des</strong> Besitzstan<strong>des</strong> Polens und <strong>der</strong><br />

Fragen <strong>des</strong> ganzen Lan<strong>des</strong> an erster Stelle stän<strong>den</strong> und <strong>des</strong>halb die <strong>in</strong>neren Differenzen an Bedeutung verlören und <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> H<strong>in</strong>tergrund träten. Es sei dies wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Schoße man sich wi<strong>der</strong>spricht und sich gegenseitig<br />

kritisiert; wenn aber etwas Frem<strong>des</strong> <strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tritt, schließen sich alle zusammen und bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Front.<br />

Dieser Vergleich schien Herrn Sumner Welles sehr zu gefallen.<br />

Herrn Sayre teilte ich mit, daß ich bereit sei, ihm e<strong>in</strong>e Liste <strong>der</strong> pelnischen Wünsche vorzulegen, doch erwarte ich<br />

vorlier vom Staatsdepartement e<strong>in</strong>e Note über die Haltung <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />

Verhandlungen und über die amerikanischen Wünsche. Daraufh<strong>in</strong> bat Herr Sayre Herrn Hawk<strong>in</strong>s zu sich; dieser teilte<br />

mit, daß die betreffende Note <strong>in</strong> Bearbeitung sei und daß sie <strong>in</strong> diesen Tagen Herrn Sayre <strong>zur</strong> Genehmigung vorgelegt<br />

wer<strong>den</strong> solle. Diese Note soll uns von <strong>der</strong> Bereitwilligkeit <strong>des</strong> Staatsdepartements zu Verhandlungen auf Grund <strong>der</strong><br />

Empfehlung <strong>der</strong> Interm<strong>in</strong>isteriellen Kommission für Verträge sowie <strong>zur</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> "public hear<strong>in</strong>gs"<br />

Mitteilung machen. Außerdem sollen, nach <strong>den</strong> Worten von Herrn Hawk<strong>in</strong>s, allgeme<strong>in</strong> gefaßte amerikanische Wünsche<br />

dieser Note beigefügt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zelne gehende Liste <strong>der</strong> Wünsche kann seitens <strong>der</strong> Amerikaner erst nach <strong>der</strong><br />

Beendigung <strong>der</strong> "public hear<strong>in</strong>gs" vorgelegt wer<strong>den</strong>.<br />

Im weiteren Gespräch betonte Herr Sayre, daß die Frage <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzvollmachten für <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten<br />

Tagen positiv gelöst wor<strong>den</strong> und daß das Problem <strong>des</strong> NeutraIitätsgesetzes noch offen sei. Nach <strong>den</strong> Worten von Herrn<br />

Sayre wer<strong>den</strong> die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im Falle e<strong>in</strong>es bewaffneten Konflikts, se<strong>in</strong>er persönlichen Me<strong>in</strong>ung nach,<br />

unbeschadet e<strong>in</strong>er endgültigen Entscheidung, ihren Standpunkt auf seiten <strong>der</strong> gegen Deutschland kämpfen<strong>den</strong> <strong>Staaten</strong><br />

ausdrücklich erklären.<br />

Ich berührte im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> erhaltenen Instruktionen we<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelheiten <strong>der</strong> Verhandlungen noch die Frage <strong>der</strong> Kredite.<br />

Re<strong>in</strong> technische E<strong>in</strong>zelheiten soll ich dieser Tage mit Herrn Hawk<strong>in</strong>s besprechen.<br />

Herr Messersnüth begann die Unterredung sogleich damit, daß er <strong>den</strong> Ernst <strong>der</strong> Lage <strong>in</strong> Europa besprach und mit se<strong>in</strong>er<br />

ihm eigenen Gehässigkeit das deutsche Regime angriff. Er sagte, daß die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, die augenblickliche,<br />

unerträgliche politische Lage abzuän<strong>der</strong>n, die Vernichtung dieses Regimes sei. Auf me<strong>in</strong>e Frage, wie er sich <strong>den</strong>n dieses<br />

vorstelle, antwortete er mir, daß di unnachgiebige Haltung <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong>, darunter auch Polens, schon das<br />

gewünschte Ergebnis zeitigen wür<strong>den</strong>. Wenn man auf diese Weise dem deutschen Volk zu verstehen gäbe, daß das<br />

augenblickliche Pegime zu se<strong>in</strong>em Untergang führe, so würde es, erklärte Herr Messersmith, schon <strong>zur</strong> Vernichtung<br />

dieses Regimes kommen, <strong>den</strong>n e<strong>in</strong> weitgehen<strong>der</strong> Aball <strong>der</strong> deutschen Öffentlichkeit sei dem gegenwärtigen Regime sehr<br />

zuwi<strong>der</strong>...<br />

Zum Schluß betonte Herr Messersmith, daß dies se<strong>in</strong>e persönliche Anschauung sei.<br />

Als Herr Messersmith vom Neutralitätsgesetz sprach, erklärte er, daß er es für sehr wichtig hielte, daß das Projekt <strong>der</strong><br />

Regierung vom Kongreß an,genommen wer<strong>den</strong> würde; <strong>den</strong>n se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach wäre dies sehr wesentlich, um <strong>der</strong><br />

deutschen öffentlichen Me<strong>in</strong>ung zu zeigen, wie sich die Vere<strong>in</strong>igten en zu ihr stellten; es würde dazu dienen, diese zu<br />

ernüchtern.<br />

Wenn ich me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>drücke, welche ich von me<strong>in</strong>em Besuch im Staatsdepartement mitnahm, und diejenigen, die ich im<br />

Gespräch mit hervorragen<strong>den</strong> Amerikanern und Diplomaten empfangen habe, zusammenfasse, muß ich das große<br />

Verstädnis für Polens Lage und für se<strong>in</strong>e Außenpolitik feststellen sowie überhaupt die außeror<strong>den</strong>tlich günstige<br />

Stimmung, welche für polen <strong>in</strong> <strong>der</strong> hiesigen öffentlichen Me<strong>in</strong>ung herrscht.<br />

W. Warikowicz<br />

Geschäftsträger a. i.


Nr. 25<br />

Der Französische M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t und Außenm<strong>in</strong>ister<br />

an <strong>den</strong> M<strong>in</strong>ister <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>smar<strong>in</strong>e, <strong>den</strong> M<strong>in</strong>ister <strong>der</strong><br />

Handelsmar<strong>in</strong>e und <strong>den</strong> Blockadem<strong>in</strong>ister<br />

Schreiben<br />

Paris, <strong>den</strong> 4. Oktober 1939<br />

Der Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> machte mir soeben im Namen se<strong>in</strong>er Regierung folgende vertrauliche<br />

Mitteilung:<br />

"Als vorübergehende Maßnahme und für so lange, wie sie sich <strong>zur</strong> Än<strong>der</strong>ung ihrer Politik nicht veranlaßt sieht, wild die<br />

Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> die Handelsschiffe <strong>der</strong> kriegführen<strong>den</strong> Län<strong>der</strong>, die bewaffnet s<strong>in</strong>d und <strong>der</strong>en nicht als<br />

<strong>Krieg</strong>sschiffe Bewaffnung e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong> defensiven Charakter hat, nicht als <strong>Krieg</strong>sschiffe behandeln.<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> behält sich die Möglichkeit vor, diesen Beschluß eventuell ohne vorherige<br />

Mitteilun abzuän<strong>der</strong>n."<br />

Ich beeile mich, Ihnen diese Mitteilung <strong>zur</strong> Kenntnis zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Coulondre<br />

Nr. 26<br />

Der Französische Gesandte für Mittelamerika<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht (Auszug)<br />

Nr. 207<br />

Guatemala, am 20. Oktober 1939<br />

Betrifft: Unterredung mit dem Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Me<strong>in</strong>e Antrittsaudienz beim M<strong>in</strong>ister <strong>des</strong> Äußern, Carlos Salazar, hat heute, am 20. Oktober, stattgefun<strong>den</strong>.<br />

Wie ich schon berichtete, ist Herr Carlos Salazar gerade aus Panama <strong>zur</strong>ückgekehrt, wo er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Eigenschaft e<strong>in</strong>es<br />

Delegierten <strong>der</strong> Republik von Guatemala an <strong>der</strong> Panamerikanischen Konferenz teilgenommen hat, die dort vom 23.<br />

September an getagt hat.<br />

Der M<strong>in</strong>ister empf<strong>in</strong>g mich überaus höflich, entbot mir <strong>den</strong> Willkommensgruß se<strong>in</strong>es Lan<strong>des</strong> und brachte <strong>den</strong><br />

aufrichtigen Wunsch zum Ausdruck, mit <strong>der</strong> Französischen Gesandtschaft die engsten Beziehungen fortzusetzen sowohl<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Fragen, die unsere bei<strong>den</strong> Län<strong>der</strong> betreffen, als auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> Fragen mehr allgeme<strong>in</strong>en Charakters.<br />

Aus eigenem Antrieb versicherte er mich <strong>der</strong> herzlichsten Sympathien, die ihn Frankreich gegenüber erfüllen, und hob<br />

hervor, wieviel Guatemala Frankreich für se<strong>in</strong>e Kultur und se<strong>in</strong>en kulturellen E<strong>in</strong>fluß verdanke.<br />

Auf Me<strong>in</strong>e Frage über die Konferenz von Panama teilte er mir <strong>den</strong> vorzüglichen E<strong>in</strong>druck mit, <strong>den</strong> er aus se<strong>in</strong>en<br />

Gesprächen imit <strong>den</strong> Delegierten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en amerikanischen Republiken über die geleistete Zusammenarbeit<br />

empfangen hat, die niemals e<strong>in</strong>en gegen die französisch-britischen Interessen gerichteten Charakter gezeigt habe. Diese<br />

Erklärung stimmt mit <strong>den</strong> ersten Feststellungen übere<strong>in</strong>, über die ich Eurer Exzellenz bereits berichtet habe, und mit <strong>der</strong><br />

folgen<strong>den</strong> Mitteilung, die Mir nach me<strong>in</strong>em Besuche bei Herrn Carlos Salazar e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Mitarbeiter machte: "Unsere<br />

Sympathien s<strong>in</strong>d wirklich auf Ihrer Seite. Was unser Vorgeben betrifft, bleibt es <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit jenem <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong>. Wir folgen <strong>der</strong> Regierung von Wash<strong>in</strong>gton <strong>in</strong> ihrer moralischen Aktion, die im großen und ganzen<br />

<strong>der</strong> Sache <strong>der</strong> Alliierten günstig ist. Selbst wenn sich diese moralische Aktion morgen schon <strong>in</strong> die Tat umsetzen sollte,<br />

wird unsere Haltung die gleiche se<strong>in</strong>, was immer für Folgen daraus entstehen mögen . . ."<br />

Ich fragte Herrn Carlos Salazar, wie er über die Sicberheitszone und über die Wirksamkeit ihrer Überwachung <strong>den</strong>ke.<br />

Über diesen Punkt äußerte er sich mit nicht zu überbieten<strong>der</strong> Entschie<strong>den</strong>heit.


Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Sicherheitszone kann, nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung, wenn es <strong>in</strong> <strong>den</strong>, S<strong>in</strong>ne angewendet wird, <strong>der</strong> bei se<strong>in</strong>er<br />

Festlegung maßgebend war, <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Alliierten <strong>in</strong> <strong>den</strong> amerikanischen Gewässern nicht von Nachteil se<strong>in</strong>, weil<br />

es alle erfor<strong>der</strong>lichen Möglichkeiten für die Schiffahrt und für <strong>den</strong> Handelsverkehr offen läßt. Die Regierung <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> hat ja das E<strong>in</strong>laufen von U-Booten <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>führen<strong>den</strong> <strong>in</strong> die Häfen <strong>der</strong> Union unter Bed<strong>in</strong>gungen<br />

geregelt, die e<strong>in</strong>deutig auf <strong>den</strong> Zweck abgestellt ersche<strong>in</strong>en, <strong>den</strong> Verkehr <strong>der</strong> deutschen U-Boote zu erschweren.<br />

Der M<strong>in</strong>ister bestreitet, daß an <strong>den</strong> Küsten von Guatemala und, fügte er h<strong>in</strong>zu, an <strong>den</strong> Küsten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

mittelamerikanischen <strong>Staaten</strong> Stützpunkte für fe<strong>in</strong>dliche U-Boote bestehen könnten. In Guatemala selbst bef<strong>in</strong>det sich<br />

ke<strong>in</strong>erlei Brennstoffreserve, die ihnen dienen könnte.<br />

Was die Überwachung <strong>der</strong> Küsten betrifft, so wird sie durchgeführt, und zwar gut durchgeführt. Nicht nur die Regierung<br />

von Guatemala hat e<strong>in</strong>en überwachungsdienst e<strong>in</strong>gerichtet, son<strong>der</strong>n auch die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> übt<br />

durch ihre Schiffe und ihre Flugzeuge (me<strong>in</strong> Bericht Nr. 193 vom 18. Oktober) e<strong>in</strong>e Kontrolle über das ganze Gebiet<br />

aus. Und so ist es gekommen, daß ich,'nachdem ich mehrere Tage ohne Nachrichten über das deutsche Handelsschiff<br />

"Havelland" (me<strong>in</strong> Bericht Nr. 204 vom ig. Oktober 1939) war, von Herrn Carlos Salazar erfahren habe, daß dieses<br />

Schiff sich <strong>in</strong> sehr langsamer Fahrt auf <strong>der</strong> Route längs <strong>der</strong> Küste von Mexiko, gegen Kalifornien zu, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Entfernung von ungefähr 130 Meilen von San José de Guatemala bef<strong>in</strong>det und täglich mehrmals von amerikanischen<br />

Flugzeugen überflogen und gewissermaßen e<strong>in</strong>gekreist wird.<br />

Als ich mich vom M<strong>in</strong>ister verabschiedete, versicherte er mir, daß von dieser Seite absolut nichts geschehen könne. "Sie<br />

können beruhigt se<strong>in</strong> über das Schicksal Ihrer Schiffe", sagte er mir.<br />

Dessenungeachtet betonte ich ihm gegenüber, daß <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht unsere Interessen geme<strong>in</strong>same seien, daß <strong>der</strong><br />

ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Verkehr <strong>der</strong> Handelsschiffe auf dieser Seite für uns beide von Vorteil sei und daß ich damit rechne, daß er<br />

mich entgegenkommen<strong>der</strong>weise unverzüglich von jedem Umstande verständigen werde, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folgezeit diese<br />

Freiheit bedrohen könnte.<br />

Er versprach mir dies ausdrücklich.<br />

Gaston Bradier<br />

Nr. 27<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 1979-83<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 4. November 1939<br />

Wie ich bereits berichtete, hätte die Regierung es gern gesehen, wenn das Neutralitätsgesetz vom 1. Mai 1937 ganz<br />

aufgehoben wor<strong>den</strong> und man <strong>zur</strong> Anwendung <strong>der</strong> Regeln <strong>des</strong> Völkerrechts <strong>zur</strong>ückgekehrt wäre. Aus dieser E<strong>in</strong>stellung<br />

heraus hatte sie zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeiten neben dem Gesetznoch mehrere Proklamationen erlassen, die die<br />

Neutralitätsbestimmungen bis <strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zelne festlegten.<br />

Die Regierung hat aber bald e<strong>in</strong>sehen müssen, daß sie das wesentliche Ergebnis, nämlich die Aufhebung <strong>des</strong><br />

Waffenembargos, nicht erreichen würde, ohne <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung Unterpfän<strong>der</strong> dafür zu geben, daß sie gewillt<br />

ist, die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> aus dem Konflikt herauszuhalten.<br />

Deshalb hat sie sich mit <strong>der</strong> Beibehaltung o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong><strong>in</strong>kraftsetzung <strong>der</strong> übrigen Bestimmungen <strong>des</strong> Gesetzes von 1937<br />

- von <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>ige am 39. April <strong>des</strong> Jahres außer Kraft getreten s<strong>in</strong>d - e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong> erklärt; diese Bestimmungen<br />

untersagten <strong>den</strong> amerikanischen Handelsschiffen die Fahrt <strong>in</strong> die kriegführen<strong>den</strong> Län<strong>der</strong> und die Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> für<br />

diese Län<strong>der</strong> bestimmten Waren, um jede Möglichkeit von Zwischenfällen zu vermei<strong>den</strong>.<br />

Überdies wollte die Regierung nicht h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Opposition <strong>zur</strong>ückbleiben, wo es galt, zu proklamieren, daß die erste<br />

Pflicht <strong>des</strong> amerikanischen Patrioten dar<strong>in</strong> bestehe, e<strong>in</strong>en <strong>Krieg</strong> zu vermei<strong>den</strong>. Damit hat sie dazu beigetragen, daß sich<br />

e<strong>in</strong> moralisch und religiös gefärbter Pazifismus entwickelte. Die vorgenornmerien Umfragen im Publikum ergeben, daß<br />

<strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Befürworter e<strong>in</strong>er bewaffneten Intervention <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> an <strong>der</strong> Seite Englands und<br />

Frankreichs <strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> letzten Monaten auf weniger als 5% gesunken ist.


In vielen Universitäten neigt die Mehrheit <strong>der</strong> Studieren<strong>den</strong> dazu, <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong>sdienst aus Gewissensgrün<strong>den</strong> zu<br />

verweigern. Der Präsi<strong>den</strong>t und die Regierung dagegen, unterstützt von <strong>den</strong> wichtigsten Zeitungen, haben mit Nachdruck<br />

betont, die Neutralitätspflicht sei mit Me<strong>in</strong>ungs- und Ges<strong>in</strong>nungsfreiheit nicht unvere<strong>in</strong>bar. Die Anzahl <strong>der</strong> Menschen,<br />

die beim H<strong>in</strong>zukommen e<strong>in</strong>es Franzosen o<strong>der</strong> Englän<strong>der</strong>s verstummen, ist heute entschie<strong>den</strong> ger<strong>in</strong>ger als vor e<strong>in</strong> paar<br />

Wochen. Man darf hoffen, daß die Abstimmung über das Neutralitätsgesetz zu weiteren Sympathiebekundungen für die<br />

Alliierten führen wird.<br />

Man darf sich nicht darüber täuschen, welch tiefes Mißtrauen gegenüber je<strong>der</strong> Propaganda besteht, ganz gleich, woher<br />

sie kommt. England, das als beson<strong>der</strong>s geschickt gilt, wird überwacht. Unter <strong>den</strong> letzten Weißbüchern hat beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong><br />

Schriftwechsel von Sir Nevile Hen<strong>der</strong>son als Dokument von großem Interesse e<strong>in</strong>e gute Aufnahme gefun<strong>den</strong>. Aber die<br />

Berichte über die deutschen Konzentrationslager s<strong>in</strong>d als ten<strong>den</strong>ziös sehr stark kritisiert wor<strong>den</strong>, selbst von <strong>den</strong><br />

Zeitungen, die dem Nationalsozialismus so wenig günstig ges<strong>in</strong>nt s<strong>in</strong>d wie <strong>der</strong> "Christian Science Monitor".<br />

Roosevelt persönlich tragen die Debatten über die Neutralität e<strong>in</strong>en Zuwachs an Prestige und Volkstümlichkeit e<strong>in</strong>.<br />

Selbst die Führer <strong>der</strong> Republikanischen Partei, die im vergangenen Juli glaubten, sie "hätten" ihn, zollen se<strong>in</strong>er<br />

Meisterschaft Beifall und geben zu, daß ihr Sieg bei <strong>den</strong> Wahlen <strong>des</strong> kommen<strong>den</strong> Jahres jetzt <strong>in</strong> Frage gestellt sei. Sie<br />

werfen aber die Fl<strong>in</strong>te nicht <strong>in</strong>s Korn, und man muß damit rechnen, daß sie <strong>in</strong> <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> Monaten ke<strong>in</strong>e<br />

Gelegenheit versäumen wer<strong>den</strong>, die Regierung und ganz beson<strong>der</strong>s <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten anzugreifen, nicht nur auf dem<br />

Gebiet <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Politik, son<strong>der</strong>n auch auf dem <strong>der</strong> Außenpolitik, wenn die Neutralitätsbestimmungen, wie sie sich aus<br />

dem neuen Gesetz ergeben, nicht strikt angewendet wer<strong>den</strong>.<br />

Sa<strong>in</strong>t- Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 28<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> London<br />

an <strong>den</strong> Französischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Telegramm<br />

Nr. 271<br />

Geheim<br />

Streng vertraulich<br />

London, <strong>den</strong> 22. Januar 1940<br />

E<strong>in</strong> Mitglied <strong>der</strong> Botschaft <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>in</strong> London hat sich mit e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er Mitarbeiter über die<br />

Dreihun<strong>der</strong>t-Meilen-Zone unterhalten.<br />

Wie dieser Kollege berichtet, soll die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> <strong>den</strong> durch Vermittlung <strong>der</strong> Regierung von<br />

Panama formulierten Vorschlag nur unterstützt haben, um angesichts <strong>der</strong> praktischen Unmöglichkeit <strong>der</strong> Errichtung<br />

e<strong>in</strong>er so umfassen<strong>den</strong> Zone <strong>der</strong> amerikanischen öffentlichen Me<strong>in</strong>ung zu zeigen, daß <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>e Realität<br />

sei und daß die bei<strong>den</strong> Amerika sich nicht friedlich mit e<strong>in</strong>er "Watteschicht" umgeben könnten. Nach Auffassung<br />

Wash<strong>in</strong>gtons sollten die trügerischen Illusionen, die sich die isolationistischen Kreise machen, zerstreut wer<strong>den</strong>.<br />

Die ebenso bestimmte wie höfliche britische Antwort soll im Staatsdepartement <strong>den</strong> erwünschten E<strong>in</strong>druck gemacht<br />

haben.<br />

Hätten sich die Englän<strong>der</strong> <strong>zur</strong>ückhalten<strong>der</strong> und allzu bestrebt gezeigt, die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zu schonen, so wäre<br />

Wash<strong>in</strong>gton dadurch <strong>in</strong> Verlegenheit geraten.<br />

Ich wäre dem M<strong>in</strong>isterium dankbar, wenn es die vorstehen<strong>den</strong> Angaben streng vertraulich behandeln würde.<br />

Corb<strong>in</strong><br />

Nr. 29<br />

Der Französische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an das Französische Außenm<strong>in</strong>isterium<br />

Telegramm


Nr. 235/37<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 10. Februar 1940<br />

Herr Bullitt, mit dem ich soeben e<strong>in</strong>e lange und vertrauensvolle Unterhaltung gehabt habe, hat mich ersucht, Eure<br />

Exzellenz wissen zu lassen, daß er von <strong>der</strong> Mission <strong>des</strong> Herrn Sumner Welles erst gestern beim Verlassen <strong>des</strong><br />

Flugzeuges gehört habe und daß er sich <strong>der</strong>selben wi<strong>der</strong>setzt hätte, wenn er vorher von ihr Kenntnis erhalten hätte.<br />

Er schreibt die Hauptverantwortung für diesen Schritt Herrn Sumner Welles selbst zu, <strong>der</strong> <strong>den</strong> Wunsch hat, die erste<br />

Geige zu spielen, ehe <strong>in</strong> Verfolg <strong>der</strong> Wahlen o<strong>der</strong> sogar vor diesem Zeitpunkt <strong>der</strong> Posten <strong>des</strong> Staatssekretärs frei wird,<br />

falls Herr Cordell Hull Präsi<strong>den</strong>tschaftskandidat <strong>der</strong> Partei se<strong>in</strong> würde. Der Präsi<strong>den</strong>t, <strong>der</strong> gegenwärtig sehr erschöpft<br />

sei, wie immer vor dem vierteljährlichen Urlaub, <strong>den</strong> er aus Gesundheitsrücksichten nehmen müsse, hätte sich von<br />

Erwägungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Politik leiten lassen, ohne auf die Gefahr Rücksicht zu nehmen, daß <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Außenpolitik <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> nächsten Wochen dadurch e<strong>in</strong>e unklare L<strong>in</strong>ie kommen könnte.<br />

Diese Erklärung ersche<strong>in</strong>t mir glaubwürdig, obgleich die engeren Mitarbeiter <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten diesen, wenn er e<strong>in</strong>e<br />

Unklugheit begeht, dadurch zu decken suchen, daß sie sich gegenseitig die Schuld zuschieben.<br />

Wie dem auch sei, je<strong>den</strong>falls hat Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt Herrn Bullitt, <strong>der</strong> ihn gestern abend aufsuchte, beauftragt, mir zu<br />

sagen, daß er sich niemals dazu hergeben würde, e<strong>in</strong>en Kompromißfrie<strong>den</strong> mit <strong>den</strong> Diktatoren zu empfehlen.<br />

Was die Besprechung mit <strong>den</strong> Neutralen über die Nachkriegsprobleme betrifft, so handelt es sich nach Angabe <strong>des</strong><br />

Herrn Bullitt um e<strong>in</strong>en sehr allgeme<strong>in</strong> gehaltenen Plan, <strong>der</strong> von Herrn Cordell Hull entworfen wor<strong>den</strong> sei und <strong>den</strong><br />

dieser, um nicht im H<strong>in</strong>tergrund zu bleiben, notgedrungen unter dem durch die Mission Sumner Welles' geschaffenen<br />

falschen E<strong>in</strong>druck vorlegen würde. Es sei noch ke<strong>in</strong>e Fühlung mit <strong>den</strong> ausländischen Regierungen genommen wor<strong>den</strong>,<br />

aber das Staatsdepartement arbeite heute lebhaft an e<strong>in</strong>em Run<strong>der</strong>laß, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Tagen <strong>der</strong> nächsten Woche<br />

abgesandt wer<strong>den</strong> Soll. Der ursprüngliche Entwurf enthielt wenig Greifbares, aber nachdem das Staatsdepartement<br />

e<strong>in</strong>mal diesen <strong>Weg</strong> e<strong>in</strong>geschlagen hätte, würde es veranlaßt se<strong>in</strong>, ihn e<strong>in</strong>ige Zeit lang weiterzuverfolgen, selbst wenn die<br />

Umstände wenig stig wären. So sei es auch mit <strong>der</strong> unglücklichen Erklärung von Panama gegangen.<br />

Ich möchte h<strong>in</strong>zufügen, daß die politischen Kreise Wash<strong>in</strong>gtons, die <strong>den</strong> theatralischen Charakter <strong>der</strong> Politik <strong>des</strong><br />

Präsi<strong>den</strong>ten gewohnt s<strong>in</strong>d, diese letzten Kundgebungen weiterh<strong>in</strong> mit Gleichmut und e<strong>in</strong>iger Skepsis beurteilen. Die<br />

öffentliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> New York, die durch die sehr abgewogenen Kommentare <strong>der</strong> großen Zeitungen geleitet wird,<br />

sche<strong>in</strong>t sich ebenfalls wie<strong>der</strong> beruhigt zu haben; die aus Paris und London e<strong>in</strong>gegangenen halbamtlichen Kommentare<br />

haben übrigens <strong>in</strong> sehr glücklicher Weise dazu beigetragen, die D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong><strong>zur</strong>enken.<br />

Sa<strong>in</strong>t-Quent<strong>in</strong><br />

Nr. 30<br />

Der Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

an <strong>den</strong> Französischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

Eigenhändiges Ilandschreiben<br />

Weißes Haus, Wash<strong>in</strong>gton<br />

14. Februar 1940<br />

Lieber Herr Präsi<strong>den</strong>t!<br />

Me<strong>in</strong> Jugendfreund, Sumner Welles, wird Ihnen diese Zeilen übergeben. - Was Sie ihm sagen, wird er streng vertraulich<br />

behandeln und es nur mir und Herrn Hull mitteilen. -<br />

In diesem ernsten Augenblick hoffe ich aus ganzem Herzen, daß dieser Gedankenaustausch von wirklichem Wert se<strong>in</strong><br />

möge - und daß die Welt schließlich e<strong>in</strong>en Frie<strong>den</strong> erlangen wird, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> "unentschie<strong>den</strong>" noch "imsicher" ist.<br />

Bill Bullitt ist soeben <strong>zur</strong>ückgekommen und überbr<strong>in</strong>gt mir Ihre Botschaften, die ich ganz beson<strong>der</strong>s zu schätzen weiß. -<br />

Ich sende "me<strong>in</strong>em Freunde Daladier" me<strong>in</strong>e herzlichsten Grüße.<br />

Ihr getreuer<br />

Frankl<strong>in</strong> D. Roosevelt


Herrn Daladier durch freundliche Vermittlung <strong>des</strong> Herrn Sumner Welles.<br />

Nr. 31<br />

Aufzeichnung <strong>des</strong> Abteilungsleiters für Nordamerika<br />

im Französischen Generalkommissariat für Informationswesen<br />

Vertraulich<br />

Paris, <strong>den</strong> 11. März 1940<br />

Herr Sumner Welles und das französische Nachrichtenwesen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

Im Laufe <strong>des</strong> Höflichkeits- und Freundschaftsbesuches, <strong>den</strong> ich Herrn Sumner Welles am 8. März gemacht habe, wandte<br />

sich die Unterhaltung e<strong>in</strong>en Augenblick <strong>der</strong> Lage Frankreichs <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zu.<br />

Auf se<strong>in</strong>e Frage nach me<strong>in</strong>er Tätigkeit habe ich erklärt, daß ich im Generalkommissariat für Informationswesen mit <strong>der</strong><br />

französischen Aufklärungstätigkeit <strong>in</strong> Nordamerika betraut sei. Ich hätte mich mitunter mit zahlreichen Klagen von<br />

amerikanischer und französischer Seite zu befassen, daß die <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Presse ersche<strong>in</strong>en<strong>den</strong> Mitteilungen<br />

über die Tätigkeit unseres Lan<strong>des</strong> ungenügend seien, wenn. man sie mit <strong>den</strong> überaus zahlreichen Unterlagen über<br />

Deutschland und sogar über England vergliche, die man <strong>in</strong> <strong>den</strong> amerikanischen Zeitungen f<strong>in</strong><strong>den</strong> könne.<br />

Ohne Zögern versicherte mir Herr Sumner Welles, daß es ke<strong>in</strong>en Grund gebe, sich über <strong>der</strong>artige Kritiken auf<strong>zur</strong>egen.<br />

"Die Stellung Frankreichs <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> ist ausgezeichnet", erklärte er wörtlich, "sie ist besser als die<br />

Englands. Sie brauchen also nichts <strong>in</strong> Ihrer Haltung zu än<strong>der</strong>n. Alles was Sie mehr zu tun versuchen wür<strong>den</strong>, könnte<br />

Ihrer Sache nur scha<strong>den</strong>."<br />

Der Unterstaatssekretär gab jedoch zu verstehen, daß wir versuchen könnten, unsere Tätigkeit auf e<strong>in</strong>en Punkt<br />

h<strong>in</strong>zulenken, nämlich auf die amerikanischen katholischen Kreise, die unter dem E<strong>in</strong>fluß <strong>des</strong> irischen Klerus England<br />

und <strong>in</strong>folge<strong>des</strong>sen auch Frankreich sehr fe<strong>in</strong>dselig gegenüberstehen. Ich habe ihm <strong>in</strong> diesem Zusammenhange mitgeteilt,<br />

was wir <strong>in</strong> dieser Beziehung bereits getan hätten: die Entsendung <strong>der</strong> Herren Gilson, Marita<strong>in</strong>, <strong>des</strong> Paters Ducatillon<br />

usw. Er zeigte sich über die von uns <strong>in</strong> dieser Form ergriffenen Maßnahmen erfreut und billigte sie lebhaft. Um<br />

dieselben zu ergänzen, müsse man se<strong>in</strong>er Ansicht nach auf die großen Führer <strong>des</strong> Katholizismus <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong>wirken; er erwähnte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>den</strong> neuen Erzbischof von New York, Mgr. Spellmann, e<strong>in</strong>en nahen Freund<br />

Papst Pius' XII., sowie <strong>den</strong> neuen Erzbischof von Chicago. Ich habe ihm versichert, daß diese Anregung berücksichtigt<br />

und zu unserem Nutzen verwertet wer<strong>den</strong> würde.<br />

Am Schluß <strong>der</strong> Unterredung kam <strong>der</strong> Unterstaatssekretär auf die E<strong>in</strong>wirkung <strong>zur</strong>ück, die wir unter <strong>den</strong> gegenwärtigen<br />

Umstän<strong>den</strong> berechtigterweise auf die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung auszuüben wünschten, er<strong>in</strong>nerte an unseren<br />

Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton während <strong>des</strong> letzten <strong>Krieg</strong>es und erklärte, Herr Jusserand habe <strong>in</strong> vollkommener Weise die<br />

Haltung Umschrieben, die Frankreich <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gegenüber <strong>in</strong> <strong>Krieg</strong>szeiten e<strong>in</strong>zunehmen hätte. Er ist <strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>er Weise e<strong>in</strong> Gegner <strong>der</strong> Übersendung reichlicher Nachrichten, aber er verurteilt ausdrücklich je<strong>den</strong><br />

Propagandaversuch unsererseits. "Sie haben das nicht nötig", versicherte er, "wenn Sie versuchen wür<strong>den</strong>, Propaganda<br />

zu machen, so könnte Ihnen das nur scha<strong>den</strong>!"<br />

Obgleich <strong>der</strong> Unterstaatssekretär se<strong>in</strong>er Freude über die enge und feste Verbun<strong>den</strong>heit <strong>der</strong> gegenwärtigen Beziehungen<br />

zwischen Frankreich und England Ausdruck gab, wies er doch darauf h<strong>in</strong>, daß dieses herzliche E<strong>in</strong>vernehmen <strong>der</strong><br />

bei<strong>den</strong> großen europäischen Demokratien nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Aktion <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> zum Ausdruck<br />

kommen dürfe.<br />

"Sie wissen ebensogut wie ich", sagte er, "daß <strong>in</strong> vielen amerikanischen Kreisen England nicht sehr beliebt ist, und Sie<br />

wür<strong>den</strong> Ihren Kredit verlieren, <strong>der</strong> groß, aber zum Teil gefühlsmäßigen Charakters ist, wenn Sie sich zu vollständig mit<br />

<strong>den</strong> Englän<strong>der</strong>n gleichstellten!'<br />

Ich war von dieser Wahrheit seit langem zu sehr überzeugt, um nicht <strong>den</strong> Worten <strong>des</strong> Herrn Welles beizustimmen.<br />

Diese freundschaftlichen Erklärimgen <strong>des</strong> Amerikanischen Unterstaatssekretärs s<strong>in</strong>d ohne Zweifel dazu angetan, die<br />

Befürchtungen über die Haltung <strong>der</strong> Nordamerika-Abteilung <strong>des</strong> Generalkommissariats für Informationswesen zu<br />

beseitigen, die von verschie<strong>den</strong>en Seiten geäußert wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d.<br />

Bestärkt durch die von Herrn Welles so offen ausgesprochenen Ansichten, wird diese Abteilung auch <strong>in</strong> Zukunft jede<br />

Propaganda entschie<strong>den</strong> ablehnen und weiterh<strong>in</strong> ihr Bestes tun, um <strong>den</strong> amerikanischen Korrespon<strong>den</strong>ten <strong>in</strong> Frankreich


und unseren Vertretern <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> die umfassendsten Nachrichten über die verschie<strong>den</strong>en Tätigkeiten<br />

Frankreichs während <strong>des</strong> <strong>Krieg</strong>es zukommen zu lassen.<br />

Der Botschafter <strong>der</strong> Französischen Republik<br />

Abteilungsleiter<br />

Andre dé Laboulaye<br />

Nr. 32<br />

Aufzeichnung aus dem Französischen Außenm<strong>in</strong>isterium<br />

Paris, <strong>den</strong> 24. Mai 1940<br />

Der Botschafter <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> klagte heute Herrn Charles-Roux über die Unzulänglichkeiten, ja sogar, wie er<br />

sich ausdrückte, <strong>den</strong> Mangel an Informationen, unter dem sowohlerselbst als auch das Ausland im allgeme<strong>in</strong>en<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> von <strong>den</strong> Deutschen begangenen Greuel, wie z. B. Bombenangriffe auf offene Städte und Krankenhäuser,<br />

Opfer dieser Bombenangriffe bei <strong>der</strong> Zivilbevölkerung, Beschießung von Flüchtl<strong>in</strong>gstransporten o<strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gszügen<br />

mit Masch<strong>in</strong>engewehren usw. usw., Ette. Er bestand hartnäckig darauf, daß ihm persönlich sowie <strong>den</strong> Presseagenturen<br />

baldmöglichst Mitteilungen über diesen Gegenstand zugehen sollten, damit die amerikanische öffentliche Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong><br />

Erregung gebracht und ihre Entwicklung beschleunigt wer<strong>den</strong> könnte.<br />

Nr. 33<br />

Der F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister von Ecua<strong>der</strong><br />

an <strong>den</strong> Staatssekretär <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Verwaltung<br />

Schreiben<br />

Dienstschreiben Nr. 3106<br />

Quito, <strong>den</strong> 5. September 1941<br />

In Ausführung <strong>der</strong> vom Herrn M<strong>in</strong>ister dieses Ressorts empfangenen Weisungen teile ich Ihnen ergebenst <strong>den</strong> Inhalt <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Bed<strong>in</strong>gungen mit, die vom Staatsdepartement <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> von Amerika als Voraussetzung für die<br />

Aufnahme von Verhandlungen über e<strong>in</strong>e zwischenstaatliche Anleihe gestellt wur<strong>den</strong>, und zwar ohne vorherige<br />

Festsetzung <strong>der</strong> Höhe und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong>selben.<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> von Amerika würde die völlige und systematische Mobilisierung <strong>der</strong> nationalen<br />

Kräfte Ecuadors, sowohl <strong>der</strong> moralischen als <strong>der</strong> materiellen, <strong>der</strong> amtlichen und <strong>der</strong> privaten, begrüßen, um das<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsleben im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er wirklichen Demokratie und e<strong>in</strong>er wirksamen Zusammenarbeit zum Wohle <strong>der</strong><br />

Verteidigung <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>ents aus<strong>zur</strong>ichten.<br />

Im Zusammenhang hiem-iit wird es als unumgänglich notwendig erachtet, <strong>den</strong> totalitären E<strong>in</strong>fluß im öffentlichen Leben<br />

<strong>der</strong> Nation mit allen Mitteln zu bekämpfen, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en kollektiven Zusammenschlüssen, wie es die<br />

Nationalsozialistische Partei <strong>in</strong> ihren sichtbaren und getarnten Formen ist, und die subventionierte und von<br />

antidemokratischen Elementen geleitete Presse - seien diese In- o<strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> -, aber auch die frem<strong>den</strong> Vertretungen,<br />

die sich unter irgende<strong>in</strong>em Vorwand damit befassen, Ideologien zu för<strong>der</strong>n, die unserem amerikanischen Denken<br />

zuwi<strong>der</strong>laufen.<br />

Die Regierung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> von Amerika erwartet seitens <strong>der</strong> Regierung von Ecuador unwi<strong>der</strong>legbare<br />

Beweise im obengenannten S<strong>in</strong>ne.<br />

Der Herr F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister o<strong>der</strong> se<strong>in</strong> Delegierter wer<strong>den</strong> ihre Bemühungen wie<strong>der</strong> aufnehmen, um e<strong>in</strong>e Anleihe von<br />

größerer Bedeutung abzuschließen" was durch die Innen- und Außenpolitik unterstützt wer<strong>den</strong> muß, damit ke<strong>in</strong> Anlaß<br />

zu Zweifeln gegeben wird, daß die Fusion unserer Republik mit <strong>den</strong> demokratischen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

<strong>Staaten</strong> von Amerika vollzogen ist.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne und dem Wunsche <strong>des</strong> Herrn M<strong>in</strong>isters dieses Ressorts Ausdruck gebend, bitte ich Sie, dies zum<br />

Gegenstand e<strong>in</strong>er Diskussion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kab<strong>in</strong>ettssitzung zu machen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das Staatssekretariat hierüber unter Vorlage<br />

von Beleg<strong>in</strong>aterial Bericht erstatten wird.


Ergebenst<br />

Für <strong>den</strong> M<strong>in</strong>ister:<br />

<strong>der</strong> Unterstaatssekretär<br />

C. Endara

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