Auswaertiges Amt 1943 - Roosevelts Weg in den Krieg - Geheimdokumente zur Kriegspolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten
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ohne die ger<strong>in</strong>gste Befürchtung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>nerpolitischen Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> angewandt wer<strong>den</strong> können. Sie wer<strong>den</strong> zweifellos<br />
sowohl für Rom wie für Berl<strong>in</strong> genügend ausdrucksvoll und fühlbar se<strong>in</strong>. Botschafter Bullitt ist <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, e<strong>in</strong> von<br />
<strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> gleichzeitig auf Italien und Deutschdand e<strong>in</strong>erseits wie England an<strong>der</strong>erseits ausgeübter Druck<br />
könne <strong>in</strong> bedeutendem Maße dem Ausbruch e<strong>in</strong>es bewaffneten Konfliktes vorbeugen bzw. die Entwicklung <strong>der</strong><br />
europäischen Situation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Richtung verhüten, die, vom Standpunkt Wash<strong>in</strong>gtons aus gesehen, unerwünscht wäre.<br />
Auf me<strong>in</strong>e Bemerkung, es sei bei <strong>der</strong> gegenwärtigen Sachlage jedoch nicht klar, ob die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bereit<br />
wären, sich mit Deutschland und Italien um die französischen Kolonien zu schlagen bzw. gegen gewisse Systeme und<br />
Ideologien zu kämpfen, erklärte Botschafter Bullitt kategorisch, die Haltung Wash<strong>in</strong>gtons würde alle<strong>in</strong> von <strong>den</strong> realen<br />
Interessen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> bestimmt, nicht aber von ideologischen Problemen.<br />
Ich muß h<strong>in</strong>zufügen, daß Botschafter Bullitt sich <strong>des</strong> rücksichtslosen Wi<strong>der</strong>stan<strong>des</strong> Frankreichs gegen die italienischen<br />
Ansprüche gewiß zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz e<strong>in</strong>e eventuell mögliche Vermittlung englischerseits bzw.<br />
englisch-deutscherseits, <strong>der</strong>en Ziel e<strong>in</strong> Kompromiß auf Kosten Frankreichs wäre, ausschließt.<br />
Ich möchte vorläufig von <strong>der</strong> Formulierung me<strong>in</strong>er eigenen, Me<strong>in</strong>ung gegenüber <strong>den</strong> Äußerungen Botschafter Bullitts<br />
Abstand nehmen. Es ist nämlich me<strong>in</strong> Bestreben, vorher von ihm noch e<strong>in</strong>ige zusätzliche Erläuterungen zu erhalten.<br />
E<strong>in</strong>es aber sche<strong>in</strong>t mir sicher, nämlich, daß die Politik Präsi<strong>den</strong>t <strong>Roosevelts</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Zeit dah<strong>in</strong> gehen wird, <strong>den</strong><br />
Wi<strong>der</strong>stand Frankreichs zu unterstützen, <strong>den</strong> deutsch-italienischen Druck zu hemmen und die Komromißten<strong>den</strong>zen<br />
Englands zu schwächen.<br />
I. Lukasiewiecz<br />
Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />
Nr. 18<br />
Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />
an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />
Bericht<br />
3/SZ-tjn-9<br />
Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 7. März 1939<br />
Geheim<br />
Betrifft: Die Außenpolitik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />
Die Außenpolitik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> beschäftigt augenblicklich nicht nur die Regierung, son<strong>der</strong>n die ganze<br />
amerikanische Öffentlichkeit. In erster L<strong>in</strong>ie handelt es sich um die Äußerungen <strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, welcher fast<br />
<strong>in</strong> je<strong>der</strong> öffentlichen Rede auf die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Aktivierung <strong>der</strong> Außenpolitik gegenüber de<strong>in</strong> Chaos <strong>der</strong> Begriffe<br />
und Strömungen <strong>in</strong> Europa mehr o<strong>der</strong> weniger ausdrücklich h<strong>in</strong>weist. Diese Äußerungen wer<strong>den</strong> von <strong>der</strong> Presse<br />
aufgenommen und dann <strong>in</strong> geschickter Weise <strong>in</strong> die Gemüter <strong>der</strong> Durchschnittsamerikaner h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>filtriert, um das ganze<br />
Volk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vorgefaßten Me<strong>in</strong>ung zu bestärken. Dabei spielt man immer auf <strong>der</strong>selben Saite, nämlich - <strong>der</strong> Gefahr <strong>des</strong><br />
<strong>Krieg</strong>es <strong>in</strong> Europa und <strong>der</strong> Rettung <strong>der</strong> Demokratien vor <strong>der</strong> Überflutung durch <strong>den</strong> fe<strong>in</strong>dlichen Faschismus. Allen<br />
Äußerungen liegt aber gewöhnlich nur <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Gedanke zugrunde, nämlich <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Gefahr, welche <strong>der</strong><br />
Nazismus und das nazistische Deutschland für <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> <strong>der</strong> Welt darstellen.<br />
Als Folge dieser Re<strong>den</strong> ruft man nach Aufrüstung und for<strong>der</strong>t <strong>den</strong> Aufwand enormer Summen für Flotte und Luftwaffe.<br />
Dah<strong>in</strong>ter steht unzweideutig <strong>der</strong> Gedanke, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> im Falle e<strong>in</strong>es bewaffneten Konfliktes nicht<br />
draußen bleiben können, son<strong>der</strong>n an <strong>den</strong> Vorgängen tätigen Anteil nehmen müssen. Das Ergebnis <strong>der</strong> kraftvollen Worte<br />
<strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten Roosevelt, <strong>der</strong> sich dabei auf die Presse stützt, ist heute e<strong>in</strong>e bewußte Bearbeitung <strong>der</strong> a<strong>in</strong>er ischen<br />
Öffentlichkeit mit <strong>der</strong> Absicht, Haß gegen alles zu erregen, was nach Faschismus riecht. Dabei ist aber <strong>in</strong>teressant, daß<br />
die UdSSR außerhalb bleibt und daß die amerikanische Öffentlichkeit Rußland zum Lager <strong>der</strong> demokratischen <strong>Staaten</strong><br />
rechnet. Dies zeigte sich auch während <strong>des</strong> Spanischen Bürgerkrieges, als man die sogenannten Loyalisten als<br />
Verteidiger <strong>der</strong> demokratischen Ideen ansah.<br />
Das Staatsdepartement arbeitet, ohne großes Aufsehen zu erregen, wenn auch bekannt ist, daß <strong>der</strong> Staatssekretär Hull<br />
<strong>den</strong>selben Ideen huldigt wie Präsi<strong>den</strong>t Roosevelt; doch zeigt er mehr Zurückhaltung als jener, außerdem liebt er es, <strong>den</strong><br />
Nazismus und <strong>den</strong> Kanzler Hitler vom deutschen Staat zu trennen. Er hält diese Form <strong>der</strong> diktatorischen Regierung für<br />
e<strong>in</strong> vorübergehen<strong>des</strong> "malum iiecessarium". Dabei <strong>in</strong>teressiert sich das Staatsdepartement ungeme<strong>in</strong> für die UdSSR und<br />
für ihre <strong>in</strong>neren Verhältnisse. Ganz offensichtlich grämt es sich wegen ihrer Schwäche und ihres Verfalls. Der