11.10.2015 Views

Auswaertiges Amt 1943 - Roosevelts Weg in den Krieg - Geheimdokumente zur Kriegspolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Dieser kle<strong>in</strong>e Zwischenfall hat nichts Überraschen<strong>des</strong>. Tatsächlich läßt sich Herr Roosevelt <strong>in</strong> privaten Unterhaltungen<br />

und sogar bei öffentlichen Erklärungen oft zu Worten h<strong>in</strong>reißen, die zwar vielleicht nicht über se<strong>in</strong>e persönlichen<br />

Ansichten, je<strong>den</strong>falls aber über die amtliche Auffassung se<strong>in</strong>er Regierung h<strong>in</strong>ausgehen. Ich habe Ihnen darüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

weniger deutlichen Form telegraphiert; es ist dies aber e<strong>in</strong>e Tatsache. Das gleiche war <strong>der</strong> Fall, als er mit mir von<br />

Indoch<strong>in</strong>a sprach 2).<br />

2) Siehe Nr. 3.<br />

Übrigens habe ich dieser Tage erfahren, daß es bei se<strong>in</strong>er Rede <strong>in</strong> Chicago, die damals solches Aufsehen erregte, ebenso<br />

war. E<strong>in</strong> Freund von mir, e<strong>in</strong> hoher Beamter <strong>des</strong> Staatsdepartements, hat mir vorgestern gesagt, daß diese Rede im<br />

Staatsdepartement ausgearbeitet wor<strong>den</strong> war. Und zwar war sie <strong>in</strong> ihren Grundzügen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>den</strong> abgegebenen<br />

Erklärungen entsprechen<strong>den</strong> S<strong>in</strong>n abgefaßt, doch hatte im letzten Augenblick <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t, ohne irgend jemand davon<br />

zu verständigen, die persönliche Note, die Kraft und die Ausdrücke h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gebracht, die ihr erst <strong>den</strong> aufsehenerregen<strong>den</strong><br />

Charakter gaben, über <strong>den</strong> man dann im Departement ansche<strong>in</strong>end etwas überrascht war.<br />

Wenn ich Ihnen diesen Umstand schil<strong>der</strong>e, so möchte ich damit hervor, wie weit <strong>der</strong> Präsi<strong>den</strong>t <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und sogar se<strong>in</strong>en unmittelbaren Mitarbeitern und <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>er Regierung voraus ist. Er selbst<br />

macht sich e<strong>in</strong> genaues Bild von dem, was sich mit se<strong>in</strong>em Lande e<strong>in</strong>es Tages ereignen kann und welche Rolle es e<strong>in</strong>mal<br />

zu spielen haben könnte; doch haben die Konferenz von Brüssel und neulich <strong>der</strong> Zusammentritt <strong>der</strong> Kammern gezeigt,<br />

daß die Erziehung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> außenpolitischer Ansicht, wie sie dem Präsi<strong>den</strong>ten vorschwebt, noch<br />

nicht so weit durchgedrungen ist. Zweifellos würde sich erst im Laufe e<strong>in</strong>er schweren Krise genau herausstellen, wie<br />

weit Herr Roosevelt gehen würde, sofern ihn nicht die Umstände vorher zu e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ungsän<strong>der</strong>ung veranlaßt haben,<br />

<strong>den</strong>n er ist e<strong>in</strong> verän<strong>der</strong>licher Mensch. Deshalb muß man <strong>in</strong> dieser heiklen Zeit, die für die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> vielleicht<br />

e<strong>in</strong>e Übergangszeit darstellt, realistisch bleiben und darf sich nicht Hoffnungen h<strong>in</strong>geben, die nachher nicht <strong>in</strong> Erfüllung<br />

gehen. Vielleicht behält Herr Birenger mit <strong>der</strong> neulich von ihm zum Ausdruck gebrachten Ansicht recht. Wenn aber die<br />

Amerikaner solche Erklärungen lesen, bil<strong>den</strong> sie sich sofort e<strong>in</strong>, sie könnten zum Spielzeug machiavellistischer Intrigen<br />

seitens Europas wer<strong>den</strong>. Dies ist e<strong>in</strong> wenig <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, <strong>den</strong> gewisse Londoner Meldungen hervorriefen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es<br />

hieß, daß England von Wash<strong>in</strong>gton Initiativen erwarte.<br />

In e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er Telegramme hatte ich Gelegenheit, Ihnen, Herr M<strong>in</strong>ister, zu sagen, daß die Ansichten von Herrn<br />

Norman Davis über die etwaige Verteidigung <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en im Staatsdepartement unbekannt waren. Dies wurde mir<br />

von demselben Freund bestätigt, <strong>der</strong> mir die obige Information über die Rede von Chicago gab. Er wun<strong>der</strong>te sich gar<br />

nicht darüber, da er <strong>der</strong> Ansicht ist, daß Norman Davis oft Gedanken äußert, die nicht diejenigen <strong>des</strong> Departements s<strong>in</strong>d.<br />

Zur Zeit wird jedoch das zukünftige Schicksal <strong>der</strong> Philipp<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse erörtert. Dabei wer<strong>den</strong> laufend Me<strong>in</strong>ungen<br />

vertreten, die <strong>den</strong>jenigen von Norman Davis nahekommen und wonach die Verteidigungsl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong><br />

nicht bis zu diesen Inseln reicht, die man mehr o<strong>der</strong> weniger ihrem eigenen Schicksal überlassen solle, anstatt Gefahr zu<br />

laufen, sich Schwierigkeiten mit Japan zuzuziehen. Wenn diese Ansicht durchdr<strong>in</strong>gt, was wird dann aus dem Standpunkt<br />

<strong>des</strong> Präsi<strong>den</strong>ten, <strong>der</strong> gewissermaßen e<strong>in</strong>en Angriff gegen die Philipp<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>em Angriff auf Hongkong, Indoch<strong>in</strong>a o<strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien gleichstellt?<br />

Vorstehende Gedankengänge o<strong>der</strong> Informationen hielt ich eher für e<strong>in</strong>en Privatbrief geeignet als für e<strong>in</strong> amtliches<br />

Telegramm. Ich benutze die Gelegenheit, um Sie, Herr M<strong>in</strong>ister, hochachtungsvoll me<strong>in</strong>er größten Ergebenheit zu<br />

versichern.<br />

Jules Henry<br />

Nr. 6<br />

Der Polnische Botschafter <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

3/SZ-tjn-3<br />

Wash<strong>in</strong>gton, <strong>den</strong> 9. Februar 1938<br />

Geheim<br />

In <strong>der</strong> vergangenen Woche unterhielt ich mich im Staatsdepartement mit Staatssekretär Hull und Unterstaatssekretär<br />

James C. Dunn über das Thema <strong>der</strong> Emigrantenfrage, die uns so sehr <strong>in</strong>teressiert.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!