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Auswaertiges Amt 1943 - Roosevelts Weg in den Krieg - Geheimdokumente zur Kriegspolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten

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4. E<strong>in</strong>e moralische Versicherung, daß die Vere<strong>in</strong>igten <strong>Staaten</strong> die lsolierungspolitik verlassen und bereit s<strong>in</strong>d, im Falle<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Krieg</strong>es aktiv auf seiten Englands und Frankreichs e<strong>in</strong>zugreifen. Amerika ist bereit, se<strong>in</strong> ganzes Material an<br />

F<strong>in</strong>anzen und Rohstoffen zu ihrer Verfügung zu stellen.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Frage, welches Horoskop für 1939 Bullitt vorhersieht, antwortete er, daß er im Frühjahr die Gefahr e<strong>in</strong>es<br />

Konflikts znischen Frankreich und Italien wegen <strong>der</strong> Kolonien befürchtet. Er me<strong>in</strong>t, daß <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Loyalisten 1) <strong>in</strong><br />

Spanien Frankreich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sehr schwere Lage br<strong>in</strong>gen wird, <strong>den</strong>n es ist auf diese Weise von allen Seiten von<br />

faschistischen <strong>Staaten</strong> umr<strong>in</strong>gt. Mussol<strong>in</strong>i wird dann ganz bestimmt auftreten und Frankreich mit <strong>Krieg</strong> bedrohen.<br />

1) So im Orig<strong>in</strong>al.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Frage, ob <strong>den</strong>n Deutschland Mussol<strong>in</strong>i bei diesem Unternehmen helfen wird, antwortete Bullitt, er sei <strong>der</strong><br />

Ansicht, daß es recht zweifelhaft wäre, ob Hitler sich dazu verleiten ließe, außer moralischer Unterstützung auch<br />

tatsächlich an e<strong>in</strong>em solchen Unternehmen teilzunehmen, <strong>den</strong>n dann ist es klar, daß e<strong>in</strong> Weltkrieg unvermeidlich sei.<br />

Bullitt behauptete mit voller Bestimmtheit, Frankreich dürfe überhaupt auf ke<strong>in</strong>erlei Abkommen mit Mussol<strong>in</strong>i<br />

e<strong>in</strong>geben. Seit e<strong>in</strong>igen Monaten hätte sich die Lage <strong>in</strong> Frankreich so weit gebessert, daß es sogar selbst das italienische<br />

Heer und die Flotte besiegen könnte, wenn Italien es unprovoziert angreifen sollte. Das Vorgehen Mussol<strong>in</strong>is<br />

bezeichnete er als ganz gewöhnliches " Gangstertum" und Erpressung, wobei er zu verstehen gab, daß jedoch zwischen<br />

Hitler und Mussol<strong>in</strong>i als Diktatoren e<strong>in</strong> großer Unterschied ist und daß Mussol<strong>in</strong>i im Vergleich zu Hitler nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Bandit ist.<br />

Im weiteren Gespräch kam Bullitt auch auf Osteuropa und Deutschland zu sprechen. Er erklärte dabei, daß die polnische<br />

Außenpolitik unter <strong>der</strong> vorzüglichen Leitung <strong>des</strong> Herrn M<strong>in</strong>isters e<strong>in</strong>e Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit bestan<strong>den</strong> hätte:<br />

aus <strong>der</strong> vorjährigen Herbstkrise wäre Polen nicht nur mit <strong>der</strong> Waffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand, son<strong>der</strong>n als Sieger hervorgegangen.<br />

Er fragte mich gleich nach <strong>den</strong> Beziehungen zwischen Polen und Sowjetrußland und nach dem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Erneuerung<br />

<strong>des</strong> Nichtangriffspaktes zwischen Polen und Rußland. Ich antwortete, daß alles, was die Presse <strong>in</strong> <strong>der</strong> russischen Frage<br />

geschrieben hätte, freie Phantasie wäre. Die Erneuerung <strong>des</strong> Nichtangriffspaktes mit <strong>den</strong> Sowjets war e<strong>in</strong>e<br />

Notwendigkeit <strong>des</strong> Augenblicks, <strong>den</strong>n nach <strong>der</strong> tschechischen Krise haben sich die Beziehungen zwischen Polen und<br />

<strong>den</strong> Sowjets sehr verschlechtert. Es war nur <strong>der</strong> Punkt auf dem i, nicht mehr und nicht weniger. Es g<strong>in</strong>g nur darum, die<br />

Beziehungen, die durch die Ereignisse aus dem Gleichgewicht gekommen waren, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Reihe zu br<strong>in</strong>gen. Über<br />

unser Handelsabkommen mit <strong>den</strong> Sowjets, nach dem er fragte, sagte ich, daß es die Folge unserer Besitzergreifung <strong>des</strong><br />

Olsagebietes und <strong>der</strong> großen Industrien gewesen sei. Polen war gezwungen, neue Absatzmärkte zu suchen, die es zum<br />

Teil <strong>in</strong> Sowjetrußland gefun<strong>den</strong> hat.<br />

Sowjetrußland gegenüber war Bullitt ausgesprochen unfreundlich und wegwerfend gestimmt.<br />

Er me<strong>in</strong>te ferner, daß Deutschland jetzt wohl kaum e<strong>in</strong>en Angriff auf Osteuropa unternehmen würde, <strong>den</strong>n e<strong>in</strong>erseits ist<br />

Polen zu stark - an<strong>der</strong>erseits ist die Sache mit Ungarn, Rumänien und Jugoslawien noch nicht so weit geklärt. Es müssen<br />

noch gewisse Vorbereitungen durchgeführt und die Stellungen gefestigt wer<strong>den</strong>. Übrigens wäre er überzeugt, daß<br />

Deutschland se<strong>in</strong>en Plan mit <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e durchführen werde, aber erst im Jahre 1940.<br />

Ich habe mit Bullitt über diese Aktion nicht diskutiert. Ich fragte nur, ob die Westmächte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Falle aktiv<br />

auftreten wür<strong>den</strong> und ob sie das Reich zum angeblichen Schutz Sowjetrußlands angreifen wür<strong>den</strong>. Bullitt antwortete,<br />

daß die demokratischen <strong>Staaten</strong> e<strong>in</strong> für allemal alle imag<strong>in</strong>ären bewaffneten Interventionen zum Schutze irgende<strong>in</strong>es<br />

Staates, <strong>der</strong> zum Opfer e<strong>in</strong>es deutschen Angriffes wer<strong>den</strong> sollte, aufgegeben hätten.<br />

Jerzy Potocki<br />

Botschafter <strong>der</strong> Republik Polen<br />

Nr. 18<br />

Der polnische Botschafter <strong>in</strong> Paris<br />

an <strong>den</strong> Polnischen Außen<strong>in</strong><strong>in</strong>ister<br />

Bericht<br />

Nr. 1/F/10<br />

Politischer Bericht Nr. IV/4<br />

Paris, Februar 1939 1)<br />

1) Das Tagestum fehlt im Orig<strong>in</strong>al.

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