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bdw_Tschira_2015_72
bdw_Tschira_2015_72
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<strong>wissenschaft</strong>.<strong>de</strong><br />
plus<br />
Die Preisträger 2015<br />
Eine Son<strong>de</strong>rpublikation in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r<br />
Klaus Tschira Stiftung gGmbH
Ent<strong>de</strong>ckerbücher für Neugierige<br />
ERSCHIENEN IN DER EDITION<br />
KLAUS TSCHIRA STIFTUNG<br />
Schlau kochen<br />
ISBN: 978-3-86528-608-6<br />
Schlau gärtnern<br />
ISBN: 978-3-86528-733-5<br />
Schlau bauen<br />
ISBN: 978-3-86528-752-6<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.klaus-tschira-stiftung.<strong>de</strong>/ent<strong>de</strong>ckerbuecher
Editorial<br />
INHALT<br />
MATHEMATIK<br />
Foto: W. Scheible<br />
Wolfgang Hess, Chefredakteur<br />
Titelgestaltung: Peter Kotzur<br />
Der Preis und seine Kraft<br />
Sie fahren gelegentlich im Linienbus? Telefonieren mit <strong>de</strong>m Handy? Damit das so klappt,<br />
wie Sie sich das wünschen, optimieren Mathematiker Fahrpläne und Frequenzen.<br />
Bald wird es flexible Bildschirme und leuchten<strong>de</strong> Getränkedosen geben. Dahinter<br />
steckt eine Technologie, die etwas mit <strong>de</strong>m Aussterben <strong>de</strong>r Dinosaurier vor 66 Millionen<br />
Jahren zu tun hat.<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>s Universums kann man in <strong>de</strong>r Tiefsee ablesen. Denn explodieren<strong>de</strong><br />
Sterne hinterlassen Reste in <strong>de</strong>n Ozeanen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.<br />
Das sind die Inhalte von drei <strong>de</strong>r sieben Beiträge, die in diesem Jahr von <strong>de</strong>r<br />
Jury <strong>de</strong>s Klaus Tschira Preises für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet wur<strong>de</strong>n.<br />
Dafür erhalten die Autoren ein Preisgeld von je 5000 Euro. Diese Auszeichnung, die im<br />
20. Jubiläumsjahr <strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung zum zehnten Mal weltweit ausgelobt<br />
wur<strong>de</strong>, wird sich auch bei <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong>lichen Karriere <strong>de</strong>r Preisträger positiv<br />
bemerkbar machen.<br />
Wie gut die zwei Frauen und fünf Männer ihre Dissertation allgemeinverständlich<br />
„übersetzen“ konnten, dokumentiert diese Son<strong>de</strong>rausgabe von bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong>:<br />
Alle Siegerbeiträge sind in ihrer Originalfassung abgedruckt.<br />
Ich bin mir sicher, <strong>de</strong>r Stifter <strong>de</strong>s Preises hätte seine Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Darstellungskunst<br />
<strong>de</strong>r sieben gefun<strong>de</strong>n – und auch an <strong>de</strong>r optischen Umsetzung <strong>de</strong>r Forschungsarbeiten<br />
in diesem bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus. Doch Klaus Tschira, einer <strong>de</strong>r größten Mäzene<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaft, ist lei<strong>de</strong>r am 31. März dieses Jahres in Hei<strong>de</strong>lberg im Alter von<br />
74 Jahren verstorben.<br />
Für die Angehörigen, das Team <strong>de</strong>r Stiftung, viele Menschen in <strong>de</strong>r Forschung und<br />
auch für mich ist dies ein schwerer Verlust. Klaus Tschira war ein außergewöhnlicher<br />
Mensch. Über ein gutes Jahrzehnt hinweg hatten wir immer wie<strong>de</strong>r Kontakt. Sowohl<br />
bei <strong>de</strong>n Jurysitzungen als auch bei <strong>de</strong>n Preisverleihungen hatte ich das Vergnügen, <strong>de</strong>n<br />
großen Sohn Ba<strong>de</strong>ns mit all seiner schöpferischen Kraft zu erleben.<br />
Sprachlich gewitzt stellte er je<strong>de</strong>s<br />
Jahr aufs Neue unter Beweis, wie wichtig<br />
es war und wie wichtig es ihm war,<br />
dass er an <strong>de</strong>r Endauswahl <strong>de</strong>r Preisträgerarbeiten<br />
teilnahm. Seine Anmerkungen<br />
zeigten <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Juroren sein<br />
Qualitätsbewusstsein, insbeson<strong>de</strong>re<br />
wenn es um die sprachlich saubere Vermittlung<br />
von Doktorarbeiten ging.<br />
Bei <strong>de</strong>r Verleihung <strong>de</strong>s diesjährigen<br />
Klaus Tschira Preises wird <strong>de</strong>r Stifter<br />
im Geiste <strong>de</strong>r Gäste präsent sein. Mehr<br />
noch: Sein Legat wird dafür sorgen, die<br />
Natur<strong>wissenschaft</strong>en in Deutschland<br />
nachhaltig in die Öffentlichkeit zu tragen.<br />
Foto: T. Wegner<br />
4 Wenn <strong>de</strong>m Nervenkabel die<br />
Isolierung fehlt<br />
Robert Fledrich, Neuro<strong>wissenschaft</strong>en<br />
8 Fresszellen haben <strong>de</strong>n Dreh raus<br />
Ima Avalos Vizcarra, Biologie<br />
12 Ein Bauplan für Hochstapler<br />
Sascha Heitkam, Physik<br />
16 Astronomie unter <strong>de</strong>m Meer<br />
Jenny Feige, Physik<br />
20 Live-Übertragung aus <strong>de</strong>r Lunge<br />
Peter Salz, Informatik<br />
24 Gut geraten<br />
Timo Berthold, Mathematik<br />
28 Licht aus <strong>de</strong>m Drucker<br />
Daniel Volz, Chemie<br />
32 Geprüfte Zutaten für Journalisten<br />
Das neue Science Media Center<br />
35 Impressum<br />
Bis zu seinem Tod<br />
im März 2015 war<br />
<strong>de</strong>r Physiker und<br />
Stifter Klaus Tschira<br />
unermüdlich damit<br />
beschäftigt, I<strong>de</strong>en<br />
für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Natur<strong>wissenschaft</strong>en<br />
zu ersinnen und<br />
mit seiner Stiftung<br />
umzusetzen.<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 3
Dr. Robert Fledrich<br />
1983 geboren in Erlabrunn (Sachsen)<br />
2001 Abitur und Zivildienst<br />
2002 bis 2003 Studium <strong>de</strong>r Bioinformatik<br />
an <strong>de</strong>r Universität Leipzig<br />
2003 bis 2009 Studium <strong>de</strong>r Biologie an <strong>de</strong>r<br />
Georg-August-Universität Göttingen<br />
2009 Diplom in Biologie<br />
seit 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Max-Planck-Institut (MPI) für Experimentelle<br />
Medizin, Göttingen<br />
2010 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>r Neurogenetik<br />
am MPI für Experimentelle Medizin, Göttingen<br />
8.5.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />
seit 2014 Postdoktorand am MPI für<br />
Experimentelle Medizin, Göttingen<br />
Infos: www.em.mpg.<strong>de</strong><br />
Kontakt: fledrich@em.mpg.<strong>de</strong><br />
Eingeschlafene Arme – in <strong>de</strong>r Regel kein<br />
Problem. Für Menschen mit einem chronischen<br />
Nervenlei<strong>de</strong>n allerdings schon. Robert Fledrich<br />
hat die Selbstheilungskräfte verletzter Nerven<br />
untersucht.<br />
4 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
NeurowissenschaFTEN<br />
Wenn <strong>de</strong>m<br />
Nervenkabel<br />
die Isolierung fehlt<br />
Unser Körper ist von Millionen Nervenfasern durchzogen, die Strom leiten wie ein Kabel –<br />
vorausgesetzt, sie sind gut isoliert. Beim Menschen ist eine fehlerhafte Isolierung die Ursache<br />
für viele bisher unheilbare Nervenkrankheiten. Ein Protein mit <strong>de</strong>m Namen Neuregulin könnte<br />
in Zukunft helfen, diese Erkrankungen zu behan<strong>de</strong>ln.<br />
von Robert Fledrich<br />
Fotos: Stefan Kröger für bdw<br />
Falsch gelegen, und man wacht morgens<br />
manchmal mit einer kribbeligen<br />
Taubheit in Armen o<strong>de</strong>r Beinen<br />
auf. Auch ein längeres Verharren in einer<br />
unbequemen Sitzposition verursacht dieses<br />
gelegentlich etwas schmerzhafte Gefühl –<br />
<strong>de</strong>r Arm o<strong>de</strong>r das Bein ist „eingeschlafen“,<br />
heißt es dann umgangssprachlich. Schuld<br />
daran sind abgedrückte Nerven, was nicht<br />
weiter schlimm ist, <strong>de</strong>nn etwas Bewegung<br />
löst <strong>de</strong>n Druck, und die Gliedmaßen wachen<br />
wie<strong>de</strong>r auf. Doch was, wenn sie ewig<br />
schliefen?<br />
Menschen mit chronischen Nervenkrankheiten,<br />
auch Neuropathien genannt,<br />
lei<strong>de</strong>n dauerhaft an <strong>de</strong>m Gefühl<br />
eingeschlafener Arme und Beine. Meist<br />
beginnt die Erkrankung an <strong>de</strong>n Füßen,<br />
die Zehen wer<strong>de</strong>n taub und das Gehen<br />
unsicher. Schreitet die Krankheit weiter<br />
fort, kommen oft starke Schmerzen und<br />
Lähmungen hinzu, und die betroffenen<br />
Menschen können sich nicht mehr ohne<br />
einen Rollstuhl fortbewegen. Ausgelöst<br />
wer<strong>de</strong>n Neuropathien durch genetische<br />
Defekte, Stoffwechselstörungen wie Diabetes<br />
mellitus o<strong>de</strong>r Medikamente. In <strong>de</strong>n<br />
meisten Fällen sind sie nicht heilbar. Im<br />
Gegensatz zu chronischen Nervenerkrankungen<br />
kann <strong>de</strong>r Körper jedoch plötzlich<br />
auftreten<strong>de</strong> akute Nervenverletzungen,<br />
zum Beispiel bei einer Schnittwun<strong>de</strong>,<br />
selbst reparieren. In meiner Doktorarbeit<br />
habe ich untersucht, was genau bei <strong>de</strong>r<br />
Reparatur von akuten Nervenverletzungen<br />
geschieht – mit <strong>de</strong>m Ziel, Möglichkeiten<br />
für die Behandlung von bisher unheilbaren<br />
Neuropathien zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Was aber genau ist eigentlich ein Nerv?<br />
Ein Nerv ist ein Bün<strong>de</strong>l von sehr langen<br />
Zellfortsätzen, <strong>de</strong>n Nervenfasern, die wie<br />
Kabel elektrische Signale weiterleiten. So<br />
können zum Beispiel Muskeln angesteuert<br />
wer<strong>de</strong>n. Wie ein Kabel ist eine Nervenfaser<br />
aber nur leitfähig, wenn sie von einer<br />
Isolationsschicht umgeben ist. Bei Nerven<br />
wird diese Schicht als Myelinschei<strong>de</strong> bezeichnet.<br />
Sie wird jedoch nicht von <strong>de</strong>n<br />
Fasern selbst gebil<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn von benachbarten<br />
Stützzellen, die die Nervenfasern<br />
umgeben. Diese Zellen wer<strong>de</strong>n nach<br />
ihrem Ent<strong>de</strong>cker Theodor Schwann auch<br />
als Schwannzellen bezeichnet.<br />
Schon vor über zehn Jahren hat man<br />
herausgefun<strong>de</strong>n, dass die Nervenfasern<br />
an ihre Stützzellen ein dauerhaftes Signal<br />
aussen<strong>de</strong>n müssen, damit diese sie mit <strong>de</strong>r<br />
benötigten Isolationsschicht versorgen.<br />
Das Signal besteht aus einem Eiweiß o<strong>de</strong>r<br />
Protein namens Neuregulin und ist für<br />
die Funktion <strong>de</strong>r Schwannzelle essenziell.<br />
Nach einer Nervenverletzung ist aber<br />
genau die Versorgung <strong>de</strong>r Schwannzelle<br />
durch das Protein <strong>de</strong>r Nervenfaser das<br />
Problem: Denn die Faser stirbt zunächst<br />
ab und wächst dann, wie ein sprossen<strong>de</strong>r<br />
Ast, erst langsam wie<strong>de</strong>r aus. So lange<br />
warten die Schwannzellen auf die neue<br />
Nervenfaser und müssen sich scheinbar<br />
einige Tage bis Wochen ohne Neuregulin<br />
zurechtfin<strong>de</strong>n. Das Rätsel, wie Schwann-<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 5
Neuro<strong>wissenschaft</strong>en<br />
Forschung und Familie<br />
Robert Fledrich im bdw-Gespräch<br />
Wie lange wird es dauern, bis<br />
mit Ihrer Erkenntnis Menschen<br />
mit neurologischen Störungen<br />
geholfen wer<strong>de</strong>n kann?<br />
Bevor Menschen, die an genetisch<br />
bedingten Neuropathien erkrankt sind,<br />
erfolgreich behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n können, müssen<br />
langjährige klinische Studien geplant<br />
und durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Die Ergebnisse<br />
meiner Doktorarbeit unterstützen das<br />
Design solcher Studien. Die Marktreife einer<br />
Therapie ist aber noch in weiter Ferne.<br />
Für Ihre Arbeit haben Sie Versuche<br />
an Mäusen gemacht. Hatten<br />
Sie dabei Be<strong>de</strong>nken?<br />
Eingangs ja, <strong>de</strong>nn als Biologe liegt mir alles<br />
Leben<strong>de</strong> am Herzen, weswegen ich mich<br />
intensiv mit <strong>de</strong>m Thema auseinan<strong>de</strong>rgesetzt<br />
habe. Mit Alternativen, wie kultivierten<br />
Zellen, lässt sich das hochkomplexe<br />
Zusammenspiel unserer Organe und Zellen<br />
aber lei<strong>de</strong>r nicht simulieren. Ein Verzicht<br />
auf Versuche an leben<strong>de</strong>n Tieren wür<strong>de</strong><br />
somit <strong>de</strong>n biologischen und medizinischen<br />
Erkenntnisgewinn enorm einschränken<br />
und die Heilungschancen für schwerkranke<br />
Menschen <strong>de</strong>utlich schmälern.<br />
Wollen Sie langfristig in <strong>de</strong>r<br />
Wissenschaft bleiben?<br />
Definitiv ja! Das Erforschen spannen<strong>de</strong>r<br />
Fragen, die intellektuelle Freiheit und<br />
die Möglichkeit, sich kreativ entfalten zu<br />
können, sind für mich eine große berufliche<br />
Erfüllung. Oft sitze ich mit meiner Partnerin,<br />
die zugleich meine Kollegin ist, abends<br />
zusammen, um verschie<strong>de</strong>ne <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Dinge zu diskutieren. Wir sind ein<br />
gutes Beispiel dafür, dass Forschung und<br />
Familie sich nicht ausschließen. Unsere<br />
gemeinsame Tochter ist gera<strong>de</strong> ein Jahr<br />
alt gewor<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>m Transmissions-Elektronenmikroskop macht Robert Fledrich Nervenfasern und<br />
<strong>de</strong>ren Isolierschicht Myelin (schwarze Ringe) in 3000-facher Vergrößerung sichtbar.<br />
zellen sich nach einer Verletzung versorgen,<br />
war <strong>de</strong>r Ausgangspunkt meiner<br />
Arbeit. Anfangs habe ich nach an<strong>de</strong>ren<br />
Quellen für Neuregulin gesucht und mir<br />
dafür viele verletzte Nerven im Labor angesehen.<br />
Dazu habe ich in Gewebeproben<br />
spezifische Proteine angefärbt und konnte<br />
zu meiner Überraschung unter <strong>de</strong>m<br />
Mikroskop beobachten, dass Schwannzellen<br />
nach einer Nervenverletzung für<br />
eine kurze Zeit einfach selbst Neuregulin<br />
produzieren. Doch inwiefern ist dieses<br />
Schwannzell-eigene Neuregulin wichtig<br />
für die Reparatur verletzter Nerven?<br />
Die Be<strong>de</strong>utung eines Proteins in einem<br />
bestimmten Zelltyp kann man am besten<br />
untersuchen, in<strong>de</strong>m man es aus <strong>de</strong>r<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Zelle entfernt. Da solche<br />
Experimente bei Menschen nicht möglich<br />
sind, ist man gezwungen, auf Tiermo<strong>de</strong>lle<br />
zurückzugreifen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
Mäuse sind für Wissenschaftler wertvolle<br />
Studienorganismen. Sie vermehren<br />
sich rasch, sind leicht zu halten und <strong>de</strong>m<br />
Menschen sehr ähnlich, da 85 Prozent<br />
ihrer Erbinformation mit <strong>de</strong>r unseren<br />
übereinstimmt. Eine Maus ohne Neuregulin<br />
in Schwannzellen wäre also für<br />
mich sehr nützlich, um etwas über die<br />
Reparatur verletzter Nerven zu lernen.<br />
Doch wie soll das gehen, Neuregulin aus<br />
<strong>de</strong>n Schwannzellen zu entfernen?<br />
Genetiker haben eine sehr elegante und<br />
mittlerweile mit <strong>de</strong>m Nobelpreis ausgezeichnete<br />
Metho<strong>de</strong> entwickelt, um dies zu<br />
ermöglichen. Diese Metho<strong>de</strong> heißt „gezielte<br />
Genmodifikation“ und funktioniert<br />
wie folgt: Das Gen, also die Bauanleitung<br />
für das Protein, welches man entfernen<br />
möchte, wird in allen Zellen <strong>de</strong>s Körpers<br />
an seinem Anfang und En<strong>de</strong> im Erbgut<br />
markiert. Dann benötigt man nur noch<br />
ein Werkzeug, das diese Markierungen<br />
erkennen kann. Ein solches Werkzeug ist<br />
die sogenannte Rekombinase, eine Art<br />
molekularer Schweißbrenner, <strong>de</strong>r beliebig<br />
und ausschließlich in <strong>de</strong>n gewünschten<br />
Zellen markierte Gene herauslösen und<br />
das verbleiben<strong>de</strong> Erbgut wie<strong>de</strong>r zusammenschweißen<br />
kann.<br />
6 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Durch Anwendung dieser Technik<br />
konnte ich Mäuse, in <strong>de</strong>nen Neuregulin<br />
aus Schwannzellen entfernt wur<strong>de</strong>, erzeugen.<br />
Dadurch war es mir möglich, die<br />
Frage nach <strong>de</strong>m Beitrag von Neuregulin<br />
für die Nervenreparatur zu beantworten.<br />
Tatsächlich war <strong>de</strong>r Heilungsprozess in<br />
meinen Mausmutanten massiv beeinträchtigt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r verletzten<br />
Nerven unter <strong>de</strong>m Mikroskop konnte ich<br />
sehen, dass vielen <strong>de</strong>r neu ausgewachsenen<br />
Nervenfasern das isolieren<strong>de</strong> Myelin<br />
fehlte. Das von <strong>de</strong>n Schwannzellen selbst<br />
produzierte Neuregulin ist also für die Reparatur<br />
beschädigter Nerven sehr wichtig.<br />
Hoffnung für Patienten?<br />
Obwohl die Zeit für meine Doktorarbeit<br />
nun schon fast abgelaufen war, wollte<br />
ich unbedingt noch herausfin<strong>de</strong>n, ob<br />
sich meine Ergebnisse auf chronische<br />
Nervenkrankheiten übertragen lassen.<br />
Wie könnte man <strong>de</strong>n Mechanismus <strong>de</strong>r<br />
Neuregulin-Produktion in Schwannzellen<br />
nach einer akuten Nervenverletzung für<br />
eine Behandlung von chronischen Neuropathien<br />
nutzen?<br />
Nervenkrankheiten, die durch einen<br />
Gen<strong>de</strong>fekt verursacht wer<strong>de</strong>n, sind<br />
für die Betroffenen von schicksalhafter<br />
Be<strong>de</strong>utung. Die häufigste genetisch bedingte,<br />
vererbliche Neuropathie ist die<br />
Charcot-Marie-Tooth- o<strong>de</strong>r kurz CMT-<br />
Erkrankung. Allein in Deutschland sind<br />
circa 30 000 Menschen an ihr erkrankt.<br />
Obwohl so viele Menschen unter dieser<br />
chronischen Neuropathie lei<strong>de</strong>n und die<br />
genetische Ursache schon seit 25 Jahren<br />
bekannt ist, gibt es nach wie vor keine<br />
Heilungsmöglichkeit. Das liegt daran,<br />
dass die Mechanismen <strong>de</strong>r Erkrankung<br />
bisher kaum verstan<strong>de</strong>n sind, was eine<br />
wichtige Voraussetzung für die Entwicklung<br />
einer Therapie wäre. Für die Erforschung<br />
von Erkrankungsmechanismen<br />
sind wie<strong>de</strong>rum Tiermo<strong>de</strong>lle unverzichtbare<br />
Helfer. Mein Doktorvater Klaus-<br />
Armin Nave vom Max-Planck-Institut<br />
für Experimentelle Medizin in Göttingen<br />
entwickelte vor einigen Jahren ein Rattenmo<strong>de</strong>ll<br />
für die CMT-Neuropathie,<br />
welches viele Eigenschaften <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Erkrankung wi<strong>de</strong>rspiegelt. Da<br />
die ersten Beschwer<strong>de</strong>n bei betroffenen<br />
Menschen im jungen Erwachsenenalter<br />
auftreten, nahm man bisher an, dass auch<br />
eine Nervenschädigung erst in diesem Alter<br />
beginnt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Untersuchung von CMT-Ratten<br />
konnte ich aber beobachten, dass die<br />
Funktion <strong>de</strong>r Schwannzellen bereits kurz<br />
nach <strong>de</strong>r Geburt erheblich gestört ist. Vor<br />
allem stellte ich fest, dass viel zu wenige<br />
Nervenfasern mit isolieren<strong>de</strong>m Myelin<br />
ummantelt wer<strong>de</strong>n. Dieses Muster kannte<br />
ich bereits aus <strong>de</strong>n Experimenten zur<br />
Nervenreparatur mit Schwannzellen ohne<br />
Neuregulin, wo ebenfalls zu wenige<br />
Nervenfasern mit Myelin neu ummantelt<br />
wur<strong>de</strong>n. Be<strong>de</strong>utet dies im Umkehrschluss,<br />
dass eine Behandlung <strong>de</strong>r CMT-Erkrankung<br />
mit Neuregulin die Myelinbildung<br />
von Schwannzellen för<strong>de</strong>rn könnte?<br />
Diese Hypothese verfolgte ich in einer<br />
ersten Therapiestudie mit CMT-Ratten<br />
und fand heraus, dass bereits eine kurze<br />
Behandlung mit Neuregulin nach <strong>de</strong>r<br />
Geburt ausreichend ist, um die Ausprägung<br />
<strong>de</strong>r Krankheit im Tiermo<strong>de</strong>ll fast<br />
vollständig zu unterbin<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs<br />
vielversprechend war die Beobachtung,<br />
dass dieser therapeutische Effekt bis ins<br />
Erwachsenenalter hinein anhielt. Eine<br />
möglichst frühe Stimulation <strong>de</strong>r Myelinbildung<br />
vermag <strong>de</strong>mnach die später einsetzen<strong>de</strong><br />
Fehlfunktion <strong>de</strong>r Nerven weitestgehend<br />
abzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Mit einem <strong>de</strong>m Körper selbst abgeschauten<br />
Trick scheint es also prinzipiell<br />
möglich, bisher als unheilbar gelten<strong>de</strong><br />
Neuropathien zu behan<strong>de</strong>ln. Damit betroffene<br />
Menschen von <strong>de</strong>r wecken<strong>de</strong>n<br />
Wirkung von Neuregulin auf schlafen<strong>de</strong><br />
Arme und Beine profitieren können, müssen<br />
aber noch viele Studien durchgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n, die die Verträglichkeit einer Behandlung<br />
adressieren. Bis die neu gewonnenen<br />
Erkenntnisse in <strong>de</strong>n Klinikalltag<br />
übertragen wer<strong>de</strong>n können, ist es somit<br />
noch ein weiter Weg. <br />
●<br />
Ab ins Körbchen: Mit <strong>de</strong>m Balanciertest<br />
wer<strong>de</strong>n die motorischen Fähigkeiten <strong>de</strong>r<br />
Ratte überprüft.<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 7
Fresszellen<br />
haben <strong>de</strong>n Dreh raus<br />
Was <strong>de</strong>r Makrophage nicht kennt, das frisst er! Und was nicht passt, wird<br />
passend gedreht – wenn er dabei an die Grenzen seiner Kräfte geht, kann uns<br />
dieses Wissen Hinweise auf neue therapeutische Ansätze geben.<br />
von Ima Avalos Vizcarra<br />
Montag, 12:30 Uhr. In einem<br />
kleinen asiatischen Restaurant<br />
sitzt ein Geschäftsmann vor<br />
seiner Schale Udon-Nu<strong>de</strong>lsuppe. Für einen<br />
winzigen Moment betrachtet er kritisch<br />
<strong>de</strong>n Teller und überlegt sich die beste<br />
Strategie, um <strong>de</strong>n dicken Nu<strong>de</strong>ln zu Leibe<br />
zu rücken. Zerkleinern, aufwickeln o<strong>de</strong>r<br />
an einem Punkt festhalten und stückchenweise<br />
in <strong>de</strong>n Mund beför<strong>de</strong>rn? O<strong>de</strong>r<br />
etwa direkt einschlürfen? Ganz ähnliche<br />
Fragen müssen sich auch Zellen <strong>de</strong>s Immunsystems<br />
stellen, wenn sie <strong>de</strong>n alltäglichen<br />
Kampf gegen potenziell gefährliche<br />
Mikroben aufnehmen – nur dass die Immunzellen<br />
keine Hilfsmittel wie Gabel,<br />
Essstäbchen o<strong>de</strong>r Löffel besitzen. Streng<br />
genommen besitzen Zellen ja nicht einmal<br />
Hän<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>nen sie Objekte festhalten<br />
o<strong>de</strong>r orientieren können.<br />
Trotz<strong>de</strong>m verteidigen spezialisierte<br />
Agenten unseres Immunsystems <strong>de</strong>n Körper<br />
tagtäglich gegen frem<strong>de</strong> und möglicherweise<br />
gefährliche Eindringlinge wie<br />
Bakterien, aber auch Partikel mit Medikamenten<br />
und manchmal sogar ganze<br />
Implantate. Sogenannte Fresszellen spüren<br />
die körperfrem<strong>de</strong>n Objekte auf und<br />
beginnen damit, sie sich einzuverleiben,<br />
um sie in ihrem Inneren mit aggressiven<br />
Chemikalien zu zersetzen. Obwohl Zellen<br />
eben keine Hän<strong>de</strong> haben, so haben<br />
sie doch die Möglichkeit, Kräfte aufzubauen<br />
und ihre Form so zu verän<strong>de</strong>rn,<br />
dass sie trichter-, arm- und fußförmige<br />
Ausstülpungen bil<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen sie sowohl<br />
drücken als auch ziehen und sich<br />
um etwas herum formen können. Dieses<br />
Phänomen <strong>de</strong>r Erkennung und Aufnahme<br />
von unbekanntem Material wird als<br />
Fremdkörperreaktion beschrieben und ist<br />
Teil <strong>de</strong>s angeborenen Immunsystems von<br />
Säugetieren.<br />
Kräfte und Formen spielen bei <strong>de</strong>r<br />
Fremdkörperreaktion eine wichtige Rolle.<br />
Analog zur Udon-Problematik ist beispielsweise<br />
beschrieben wor<strong>de</strong>n, wie die<br />
Fresszellen unseren Körper gegen längliche<br />
Bakterien verteidigen. Dabei können<br />
die Bakterien von doppelt so lang wie<br />
breit zu vielfachen Längen ihrer Breite variieren,<br />
sodass sie entwe<strong>de</strong>r Stäbchen o<strong>de</strong>r<br />
eben Udon-Nu<strong>de</strong>ln ähneln. Die Fresszellen<br />
beginnen jeweils an einem En<strong>de</strong> eines<br />
Bakteriums, bil<strong>de</strong>n einen Trichter o<strong>de</strong>r<br />
eine Schaufel aus, um es aufzunehmen,<br />
und arbeiten sich dann <strong>de</strong>r Länge nach<br />
herum, bis sie es sich komplett einverleibt<br />
haben. Also ganz ähnlich dazu, wie man<br />
eine Nu<strong>de</strong>l zum Beispiel mithilfe von Essstäbchen<br />
von einem En<strong>de</strong> her stückchenweise<br />
in <strong>de</strong>n Mund beför<strong>de</strong>rt. Dabei wird<br />
es für die Fresszellen umso kraft- und zeitaufwendiger,<br />
je länger die Bakterien sind.<br />
Die bakterielle Überlebensstrategie hierzu<br />
wur<strong>de</strong> von Joel Swanson passen<strong>de</strong>rweise<br />
„noodle <strong>de</strong>fense“ (zu Deutsch: Nu<strong>de</strong>lverteidigung)<br />
getauft.<br />
In meiner Arbeit habe ich mich mit<br />
einer bestimmten Art von Fresszellen,<br />
sogenannten Makrophagen (von altgriechisch<br />
makrós, „groß“, und altgriechisch<br />
phagein, „essen“), und stäbchenförmigen<br />
Bakterien beschäftigt. Ich war daran interessiert,<br />
welche Strategien die bei<strong>de</strong>n verfein<strong>de</strong>ten<br />
Seiten bei ihrem Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />
verfolgen. Eines <strong>de</strong>r wichtigsten<br />
Ziele für die Beute ist dabei, überhaupt<br />
zu überleben. Daher war ich zunächst<br />
daran interessiert, ob die Erkennung<br />
durch <strong>de</strong>n Makrophagen – sozusagen <strong>de</strong>r<br />
Fotos: Robert Huber für bdw<br />
8 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Biologie<br />
Dr. Ima Avalos Vizcarra<br />
1983 geboren in Bielefeld<br />
2002 Abitur<br />
2002 bis 2003 Studium <strong>de</strong>r Molekularen<br />
Biotechnologie an <strong>de</strong>r Universität Bielefeld<br />
2003 bis 2008 Studium <strong>de</strong>r Molekularen<br />
Biotechnologie an <strong>de</strong>r Universität Stuttgart<br />
2008 Diplom <strong>de</strong>r Technischen Biologie<br />
seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />
2010 bis 2014 Doktorandin <strong>de</strong>r Mechanobiologie<br />
an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />
Um die Reaktion von Fresszellen auf Eindringlinge<br />
zu untersuchen, hat Ima Avalos Vizcarra sie in die<br />
„magnetische Falle“ gelockt. Darin konfrontierte sie die<br />
Makrophagen mit magnetisch fixierten Mikropartikeln.<br />
3.12.2014 Promotion zum Dr. sc. nat. ETH<br />
seit 2015 Postdoktorandin an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />
Infos: www.appliedmechanobio.ethz.ch/<br />
the-laboratory/people/post-docs/Ima.html<br />
Kontakt: ima.avalos@hest.ethz.ch<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 9
Biologie<br />
Vorturnen als Training<br />
Ima Avalos Vizcarra im bdw-Gespräch<br />
Sie schreiben, dass Ihre<br />
Erkenntnis über das Fressverhalten<br />
von Makrophagen<br />
zur Gestaltung von<br />
Medikamenten genutzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Wird in<br />
diese Richtung schon<br />
geforscht?<br />
Seit einigen Jahren häufen sich<br />
die Beobachtungen, dass geometrische<br />
Faktoren eine wichtige Rolle<br />
in vielen medizinisch relevanten<br />
Prozessen spielen, etwa bei <strong>de</strong>r<br />
Embryoentwicklung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Alterung.<br />
Bisher war bekannt, dass<br />
die Form und Größe von medizinisch<br />
genutzten Mikropartikeln die Aufnahme<br />
von Medikamenten beeinflussen<br />
können. Wir möchten jetzt weiter darauf<br />
aufbauen und die Ergebnisse in direktem<br />
medizinisch relevantem Kontext zeigen.<br />
Sie haben in Deutschland studiert<br />
und arbeiten nun in <strong>de</strong>r<br />
Schweiz. Welche Unterschie<strong>de</strong><br />
gibt es zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn?<br />
Neben <strong>de</strong>n sprachlichen Unterschie<strong>de</strong>n<br />
fällt mir in <strong>de</strong>r Schweiz auf, wie stolz man<br />
hier auf sein Land ist. Die Schweizer Flagge<br />
flattert immer und überall und fungiert<br />
auch als Qualitätssiegel. Ich vermute,<br />
dass man sich in Deutschland stärker<br />
über die Technologie, also zum Beispiel<br />
die Automobilindustrie, als über das Land<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert.<br />
Nebenbei sind Sie Fitnesstrainerin.<br />
Ist das Ihr Ausgleich zum<br />
<strong>wissenschaft</strong>lichen Arbeiten?<br />
Ich brauche die Bewegung, um <strong>de</strong>n Kopf<br />
freizubekommen. Die Entscheidung,<br />
an<strong>de</strong>ren etwas „vorzuturnen“, beruht aber<br />
eher auf <strong>de</strong>m Gedanken, dass dies eine<br />
Art Präsentations- und Kommunikationstraining<br />
ist. Ich übe dabei das routinierte<br />
und professionelle Auftreten genauso<br />
wie authentisch zu sein und auch mal zu<br />
improvisieren – und vor allem, an<strong>de</strong>re für<br />
etwas zu begeistern.<br />
Ersteindruck, <strong>de</strong>n ein Bakterium beim<br />
Makrophagen hinterlässt – eine Rolle für<br />
das Überleben <strong>de</strong>r Beute spielte.<br />
In <strong>de</strong>n ersten Experimenten hierzu<br />
konfrontierte ich Makrophagen mit ihrer<br />
Bakterienbeute, ließ sie diese fressen und<br />
löste nachher die Bakterien wie<strong>de</strong>r aus<br />
<strong>de</strong>n Makrophagen heraus, um zu testen,<br />
ob sie noch lebendig waren. Um <strong>de</strong>n Makrophagen<br />
verschie<strong>de</strong>ne Ersteindrücke zu<br />
geben, nahm ich Bakterien, die beson<strong>de</strong>rs<br />
gut an Makrophagen festhalten konnten,<br />
also beson<strong>de</strong>rs klebrig waren, und solche,<br />
die kaum klebten. In vorherigen Studien<br />
wur<strong>de</strong> schon beobachtet, dass die klebrigen<br />
Bakterien einen Überlebensvorteil<br />
hatten. Durch systematisches Variieren<br />
<strong>de</strong>r Bakterienzahl fand ich heraus, dass<br />
die beson<strong>de</strong>rs klebrigen Bakterien viel<br />
schneller in die Makrophagen aufgenommen<br />
wur<strong>de</strong>n. Interessanterweise<br />
hatte dies <strong>de</strong>n Überlebensvorteil, dass<br />
sie besser vor zugegebenen Antibiotika<br />
geschützt waren. Unklar war noch, ob<br />
die Bakterien durch erhöhte Klebrigkeit<br />
bloß die richtige Voraussetzung für ihre<br />
Wie verleibt man sich am<br />
besten eine asiatische<br />
Nu<strong>de</strong>lsuppe ein? Vor<br />
einer ähnlichen Frage<br />
stehen auch Immunzellen,<br />
die längliche Bakterien<br />
verspeisen.<br />
Aufnahme schufen o<strong>de</strong>r ob sie auch aktiv<br />
daran beteiligt waren, in<strong>de</strong>m sie sich zum<br />
Beispiel in die Makrophagen reinbohrten.<br />
Um dies zu testen, gaben wir <strong>de</strong>n Makrophagen<br />
eine sie lähmen<strong>de</strong> Chemikalie,<br />
Latrunculin B – <strong>de</strong>nn zur aktiven Aufnahme<br />
mussten sie Kräfte aufbauen, um zum<br />
Beispiel eine Bakterienschaufel zu formen.<br />
Makrophagen, die mit Latrunculin B behan<strong>de</strong>lt<br />
wur<strong>de</strong>n, waren aber nur noch bewegungsunfähige,<br />
schlaffe Zellsäckchen.<br />
Auch an diesen gelähmten Makrophagen<br />
klebten weiterhin Bakterien – allerdings<br />
nur außen, wo sie am Antibiotikum starben.<br />
Ich konnte also schlussfolgern, dass<br />
die Makrophagen sich aktiv entschie<strong>de</strong>n,<br />
Bakterien zu fressen. Und das wie<strong>de</strong>rum<br />
wollte ich gern genauer verstehen, insbeson<strong>de</strong>re<br />
die Rolle <strong>de</strong>r ersten Begegnung.<br />
Um <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>n allerersten Reaktionen<br />
von Makrophagen auf Fremdkörper<br />
nachzugehen, arbeitete ich zusammen<br />
mit einer Forschungsgruppe, die<br />
sich mit magnetischen Mikropartikeln<br />
beschäftigte und diese frei bewegen und<br />
steuern konnte. Die Mikropartikel dien-<br />
10 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
ten uns als Mo<strong>de</strong>ll für Fremdkörper – mit<br />
<strong>de</strong>m großen Vorteil, dass wir sie mithilfe<br />
<strong>de</strong>s magnetischen Fel<strong>de</strong>s aktiv durch die<br />
Gegend steuern konnten. Ein wichtiger<br />
Punkt für die Durchführung unserer Experimente<br />
war hierbei, dass <strong>de</strong>r Partikel<br />
nicht von Anfang an mit <strong>de</strong>m Makrophagen<br />
in Berührung war, son<strong>de</strong>rn ein Stück<br />
davon entfernt lag. Nur dadurch konnten<br />
wir annehmen, dass die Entscheidungsfindung<br />
von Kontakt zu Aufnahme nicht<br />
durch uns beeinflusst wur<strong>de</strong>.<br />
Erst weggestupst, dann angebissen<br />
Zu Beginn präsentierten wir <strong>de</strong>n Makrophagen<br />
kugelförmige Partikel. Unsere erste<br />
verblüffen<strong>de</strong> Beobachtung war hierbei,<br />
dass Makrophagen die offerierten Kugeln<br />
erst wegstupsten, bevor sie daran zogen –<br />
etwas, das uns nicht intuitiv erschien. Warum<br />
erst <strong>de</strong>n Teller wegschieben, von <strong>de</strong>m<br />
man essen möchte? Wochen und Monate<br />
verbrachten meine Kollegin Simone und<br />
ich vor <strong>de</strong>m Mikroskop (und nachher<br />
vor <strong>de</strong>n Daten), manövrierten Partikel<br />
vor die Makrophagen und warteten, bis<br />
sie anbissen. Und beharrlich liefen diese<br />
zunächst gegen das Objekt, drückten es<br />
weg und zogen es erst dann zu sich. Außer<strong>de</strong>m<br />
folgten die Partikel oft eher einer<br />
geschwungenen als einer gera<strong>de</strong>n Bahn.<br />
In akribischer Recherche und im Vergleich<br />
mit an<strong>de</strong>ren Studien merkten wir,<br />
dass auch die Daten an<strong>de</strong>rer Forscher<br />
diese nicht-geradlinige Bewegung und ein<br />
erstes Wegschieben zu enthalten schienen,<br />
auch wenn dies nicht diskutiert wur<strong>de</strong>.<br />
Mit unseren hochaufgelösten Zeit-, Ortund<br />
Kraftdaten konnten wir zeigen, dass<br />
Makrophagen durchaus unregelmäßige<br />
und nichtgeradlinige Wege nahmen, um<br />
Partikel zu sich zu ziehen.<br />
Wie kamen diese geschwungenen<br />
Partikelwege zustan<strong>de</strong>? Wir vermuteten,<br />
dass die geschwungene Bewegung <strong>de</strong>r<br />
Kugeln auf <strong>de</strong>m Drücken, aber auch auf<br />
einer Drehung, die vom Makrophagen<br />
ausgelöst wur<strong>de</strong>, beruhte. Mit <strong>de</strong>n Kugeln,<br />
die wir bisher verwen<strong>de</strong>t hatten,<br />
konnten wir diese Vermutung allerdings<br />
nicht testen, da eine Drehung ohne Markierung<br />
aus Bildaufnahmen nicht zu<br />
erkennen war. Dies wäre nur möglich<br />
gewesen, wenn sich wie bei Bowlingkugeln<br />
Markierungen o<strong>de</strong>r Nummern auf<br />
Die Biotechnologin weiß jetzt, wie<br />
viel Kraft und welche Strategie<br />
Makrophagen im Kampf gegen<br />
Bakterien anwen<strong>de</strong>n.<br />
<strong>de</strong>n Kugeln befun<strong>de</strong>n hätten, die sich<br />
mitdrehen. So etwas im Maßstab von<br />
Tausendstel Millimetern herzustellen ist<br />
jedoch ziemlich aufwendig. Um die vermutete<br />
Drehung zu zeigen, brauchten wir<br />
also zum Beispiel Stäbchen, bei <strong>de</strong>nen<br />
man wie bei <strong>de</strong>n Zeigern einer Uhr ihre<br />
Orientierung ablesen kann. Ein wichtiger<br />
Punkt bei unserem experimentellen<br />
Ansatz war, dass die Stäbchen quer vor<br />
<strong>de</strong>n Makrophagen lagen, da wir so untersuchen<br />
konnten, ob die Orientierung<br />
wichtig war.<br />
In <strong>de</strong>r Tat konnten wir beobachten,<br />
dass ein Makrophage ein quer liegen<strong>de</strong>s<br />
Stäbchen so drehte, dass es vom kürzeren<br />
En<strong>de</strong> her aufgenommen wer<strong>de</strong>n<br />
konnte. Schließlich machten wir es <strong>de</strong>n<br />
Makrophagen noch mal schwerer und<br />
legten ein magnetisches Feld an, welches<br />
<strong>de</strong>n Stäbchenmagneten in seiner Orientierung<br />
festhielt. Nur wenn <strong>de</strong>r Makrophage<br />
eine Kraft aufbrachte, die gleich<br />
groß o<strong>de</strong>r größer als die <strong>de</strong>s Magneten<br />
war, konnte er das Stäbchen drehen.<br />
So konnten wir das Drehmoment eines<br />
Makrophagen messen. Mit diesen Experimenten<br />
fan<strong>de</strong>n wir heraus, dass die bevorzugte<br />
Orientierung parallel und nicht<br />
quer zur Zelle war und dass wir die Makrophagen<br />
an ihrem Ziel, <strong>de</strong>r Drehung<br />
<strong>de</strong>s Objekts, hin<strong>de</strong>rn konnten, in<strong>de</strong>m wir<br />
Drehmomente anlegten, die <strong>de</strong>m zehnbis<br />
hun<strong>de</strong>rtfachen Drehmoment entsprachen,<br />
das zum Beispiel schwimmen<strong>de</strong><br />
Bakterien mit ihrem Antrieb aufbringen<br />
können.<br />
Das Wissen um die kulinarischen Vorlieben<br />
von Immunzellen und <strong>de</strong>n Kräften,<br />
die sie aufbringen können, hilft uns zu<br />
verstehen, wie Bakterien es schaffen können,<br />
unser Immunsystem auszutricksen.<br />
Es kann aber auch dazu genutzt wer<strong>de</strong>n,<br />
Partikel mit medizinisch wirksamen Bestandteilen<br />
so zu gestalten, dass sie eben<br />
nicht von Makrophagen gefressen wer<strong>de</strong>n<br />
können. Wenn es gelänge, Medikamente<br />
so zu verpacken, dass sie sich <strong>de</strong>m<br />
Gefressenwer<strong>de</strong>n und Abtransport durch<br />
Makrophagen wi<strong>de</strong>rsetzen, könnten sie<br />
besser zu spezifischen Orten im Körper,<br />
zum Beispiel einer Infektion, gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n und wür<strong>de</strong>n dort bleiben, wo sie<br />
ihre Wirksamkeit entfalten sollen. ●<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 11
Ein Bauplan<br />
für Hochstapler<br />
Haben Sie schon einmal versucht, Tischtennisbälle zu stapeln? Beson<strong>de</strong>rs gut eignet sich eine<br />
Anordnung, die eine gleichseitige Pyrami<strong>de</strong> ergibt. Aber was macht diese Struktur so stabil?<br />
von Sascha Heitkam<br />
Bei einem Spaziergang durch Dres<strong>de</strong>n<br />
begegnen uns viele Beispiele<br />
für dicht gepackte Kugeln. Obsthändler<br />
stapeln Apfelsinen vor ihren Geschäften,<br />
am Dresdner Zwinger fin<strong>de</strong>n<br />
sich Sandsteindarstellungen von Weintrauben,<br />
in <strong>de</strong>r Hand hält man eine Tüte<br />
mit Haselnüssen o<strong>de</strong>r Puffreis, in einem<br />
Springbrunnen stapeln sich glänzen<strong>de</strong><br />
Kugeln, platziert durch die Künstlerin<br />
Yayoi Kusama. Für Wissenschaftler ist<br />
an Kugelpackungen beson<strong>de</strong>rs die Lage<br />
benachbarter Kugeln zueinan<strong>de</strong>r interessant.<br />
Folgt sie bestimmten Regeln? Gibt<br />
es für bestimmte Zwecke optimale o<strong>de</strong>r<br />
ungeeignete Anordnungen?<br />
Schon im Jahre 1611 beschäftigte sich<br />
Johannes Kepler mit <strong>de</strong>m Problem, Kanonenkugeln<br />
möglichst platzsparend in Schiffen<br />
zu verstauen. Er stellte dabei die These<br />
auf, dass regelmäßige Anordnungen, die<br />
auf gleichseitigen Pyrami<strong>de</strong>n basieren, die<br />
platzsparendsten Kugelpackungen darstellen.<br />
Erst 1998 gelang es Thomas Hales<br />
unter Zuhilfenahme mo<strong>de</strong>rner Computer,<br />
diese These zu beweisen.<br />
Tatsächlich gibt es zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />
Anordnungen von Kugeln, die bei<strong>de</strong><br />
die dichtestmögliche Packung aufweisen.<br />
Das sind A, die kubisch flächenzentrierte,<br />
und B, die hexagonal<br />
dichteste Packung. Bei<strong>de</strong> Anordnungen<br />
bestehen aus Schichten von Kugeln. Innerhalb<br />
einer Schicht sind die Kugeln in<br />
Sechsecken angeordnet, so wie die Zellen<br />
einer Bienenwabe. Die Anordnungen A<br />
und B unterschei<strong>de</strong>n sich darin, wie diese<br />
Schichten aufeinan<strong>de</strong>rgestapelt sind.<br />
In vielen Bereichen <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />
wird mit kugelförmigen Objekten gleicher<br />
Größe gearbeitet,<br />
beispielsweise<br />
mit Glaso<strong>de</strong>r<br />
Metallkugeln,<br />
kleinen<br />
Blasen o<strong>de</strong>r<br />
Fetttröpfchen.<br />
Wissenschaftler<br />
Fotos: Jürgen Lösel für bdw<br />
Heureka! Die besten I<strong>de</strong>en kommen bekanntlich beim<br />
Ba<strong>de</strong>n. Sascha Heitkam weiß jetzt, wann Schaum,<br />
o<strong>de</strong>r auch ein Berg aus Bällen, am stabilsten ist.<br />
12 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
PhYSIK<br />
Dr. Sascha Heitkam<br />
1984 geboren in Hoyerswerda<br />
2004 Abitur<br />
2004 bis 2005 Zivildienst/Fernstudium<br />
<strong>de</strong>r Physik an <strong>de</strong>r TU Kaiserslautern<br />
2005 bis 2009 Physik- und Maschinenbaustudium<br />
an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n<br />
2009 Diplom in Energietechnik<br />
2010 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>s<br />
Maschinenbaus an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n sowie<br />
<strong>de</strong>r Physik an <strong>de</strong>r Université Paris_Sud XI<br />
in Orsay, Frankreich<br />
beobachten dabei häufig, dass sich<br />
diese Objekte ganz von allein in<br />
dichten, regelmäßigen Packungen<br />
anordnen. Zum Teil ist dieser Effekt<br />
ungewollt. Man kann ihn jedoch<br />
kaum verhin<strong>de</strong>rn. Etwas Schütteln<br />
o<strong>de</strong>r Rühren wird diese Ordnung<br />
sogar noch verstärken.<br />
Im Alltag kann man das<br />
Phänomen beobachten,<br />
wenn man Mohn in einen<br />
Vorratsbehälter füllt.<br />
Durch Schütteln ordnen<br />
sich die Körner regelmäßig<br />
zueinan<strong>de</strong>r an, und<br />
es passt etwas mehr<br />
Mohn in <strong>de</strong>n<br />
Behälter.<br />
seit 2010 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Strömungsmechanik<br />
an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n<br />
2011 bis 2012 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Laboratoire <strong>de</strong> Physique<br />
<strong>de</strong>s Soli<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>r Université Paris-Sud XI<br />
23.6.2014 Promotion zum Dr.-Ing.<br />
seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Strömungsmechanik an<br />
<strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n, seit August 2015 mit eigenem<br />
DFG-Projekt zu Schaumströmungen<br />
Infos: tu-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong>/die_tu_dres<strong>de</strong>n/<br />
fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/<br />
ism/sm/mitarbeiter/heitkam<br />
Kontakt: sascha.heitkam@tu-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 13
PhYSIK<br />
Zwei ähnliche Pyrami<strong>de</strong>n mit einem<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Unterschied:<br />
Die linke Anordnung ist stabiler<br />
als die rechte.<br />
Fasziniert von SchÄumEN<br />
Sascha Heitkam im bdw-Gespräch<br />
Für Ihre Doktorarbeit haben Sie<br />
erfolgreich mit Computersimulationen<br />
gearbeitet. Wird diese<br />
Forschungsmetho<strong>de</strong> in Zukunft<br />
noch häufiger wer<strong>de</strong>n?<br />
Mit <strong>de</strong>r ständig zunehmen<strong>de</strong>n Leistungsfähigkeit<br />
von Supercomputern wird es<br />
möglich, immer größere und komplexere<br />
Probleme zu simulieren. Daher wird auch<br />
die Anwendung, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r<br />
Industrie, in Zukunft mehr wer<strong>de</strong>n. Man<br />
sollte Computersimulationen aber nicht<br />
ohne Prüfung vertrauen, <strong>de</strong>nn sie beruhen<br />
auf Mo<strong>de</strong>llannahmen. Daher wird man<br />
auch in Zukunft nicht auf Experimente<br />
verzichten können.<br />
Sie haben sich nun zum zweiten<br />
Mal mit Schaum beschäftigt.<br />
Das erste Mal war beim Bun<strong>de</strong>swettbewerb<br />
„Jugend forscht“.<br />
Haben es Ihnen Schäume<br />
angetan?<br />
Auch mein aktuelles DFG-Projekt beschäftigt<br />
sich wie<strong>de</strong>r mit Schäumen. Ich<br />
fin<strong>de</strong> Schäume unglaublich faszinierend.<br />
Ihr Verhalten wird durch eine Vielzahl<br />
von Mechanismen bestimmt. So können<br />
zum Beispiel Ungleichgewichte in <strong>de</strong>r<br />
Verteilung von Tensid-Molekülen das<br />
Platzen von Blasen auslösen, aber nur<br />
wenn gleichzeitig <strong>de</strong>r Flüssigkeitsgehalt<br />
gering genug ist, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum von <strong>de</strong>r<br />
zeitlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Schaums<br />
abhängt.<br />
Sie haben zunächst Physik und<br />
Maschinenbau studiert, sich<br />
dann ganz auf Maschinenbau<br />
konzentriert. Warum?<br />
Die Lehrinhalte <strong>de</strong>s Hauptstudiums Physik<br />
waren für mich zu praxisfern. Die Inhalte<br />
<strong>de</strong>s Maschinenbaus, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />
Strömungsmechanik, kann man hingegen<br />
meist intuitiv verstehen. Je<strong>de</strong>r weiß, dass<br />
eine Fahne im Wind flattert o<strong>de</strong>r dass<br />
Wind hinter einem Hin<strong>de</strong>rnis verwirbelt.<br />
Wissenschaftler, die mit Kugelpackungen<br />
arbeiten, beobachten, dass kugelförmige<br />
Objekte in dichten Packungen<br />
die Anordnung A gegenüber <strong>de</strong>r Anordnung<br />
B bevorzugen. Das ist höchst verwun<strong>de</strong>rlich,<br />
<strong>de</strong>nn bei<strong>de</strong> Anordnungen<br />
sind in <strong>de</strong>r Struktur sehr ähnlich und<br />
insbeson<strong>de</strong>re gleich dicht gepackt. Die<br />
Objekte sparen also keine Energie, wenn<br />
sie Anordnung A bevorzugen. Es existiert<br />
auf <strong>de</strong>n ersten Blick eigentlich kein Grund<br />
für Kugeln, vermehrt Anordnung A auszuwählen.<br />
Die offensichtliche Bevorzugung<br />
von Anordnung A gegenüber B war<br />
daher bisher ein Rätsel.<br />
In meiner Forschung beschäftigte ich<br />
mich mit <strong>de</strong>r Bildung von Schaum aus<br />
kleinen, kugelförmigen Bläschen. Jedoch<br />
führte ich keine Experimente aus, son<strong>de</strong>rn<br />
berechnete mittels Computersimulationen,<br />
wie die Blasen aufsteigen und im<br />
oberen Teil eines Gefäßes Schaum bil<strong>de</strong>n.<br />
Dabei stieß auch ich auf die Bildung von<br />
regelmäßigen Anordnungen von Blasen.<br />
Wie Soldaten bei einer Militärpara<strong>de</strong><br />
ordneten sich die Blasen in einer regelmäßigen<br />
Struktur an. Da ich so etwas noch<br />
nie in meiner Ba<strong>de</strong>wanne beobachtet hatte,<br />
hielt ich es für einen Fehler in meinen<br />
Simulationen. Ich versuchte daher zunächst,<br />
diese Anordnungen zu beseitigen:<br />
Ich erweiterte das mathematische Fundament<br />
meines Computerprogrammes,<br />
beschrieb die Blasen und ihre Umgebung<br />
Mit einer High-Speed-<br />
Kamera misst <strong>de</strong>r<br />
Physiker die Form <strong>de</strong>r<br />
aufsteigen<strong>de</strong>n Blasen.<br />
immer genauer. Jedoch trat die regelmäßige<br />
Anordnung immer wie<strong>de</strong>r auf.<br />
Verunsichert besuchte ich meine Kollegin<br />
Wiebke Drenckhan, Physikerin an<br />
<strong>de</strong>r Universität Paris Sud in Frankreich,<br />
und zeigte ihr die merkwürdigen Resultate.<br />
Sie war sofort begeistert: „Diese<br />
Anordnungen sind kein Unsinn, son<strong>de</strong>rn<br />
ein ungelöstes <strong>wissenschaft</strong>liches Rätsel!<br />
Und du bist <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r sie in dieser<br />
Form am Computer beobachtet. Wir<br />
müssen das unbedingt zusammen näher<br />
untersuchen!“ Also verbrachte ich ein<br />
Auslandsjahr in Paris.<br />
Ich erfuhr, dass man bisher in <strong>de</strong>n Experimenten<br />
nur die Endprodukte, also<br />
die Anordnungen A o<strong>de</strong>r B, beobachten<br />
konnte. Man wusste also, dass am En<strong>de</strong><br />
mehr A als B vorhan<strong>de</strong>n ist, konnte aber<br />
nicht nachverfolgen, wie diese Strukturen<br />
entstan<strong>de</strong>n sind. Der große Vorteil <strong>de</strong>r<br />
Simulationen am Computer ist, dass ich<br />
die Bewegung je<strong>de</strong>r einzelnen Blase nachvollziehen<br />
kann. Dadurch kann ich <strong>de</strong>n<br />
Anordnungen beim Wachsen zusehen.<br />
Ich kann beobachten, welche Kräfte wirken,<br />
wie sich die Blasen verschieben<br />
und wie die Flüssigkeit zwischen<br />
<strong>de</strong>n Blasen fließt.<br />
Auf diese Weise<br />
ent<strong>de</strong>ckte ich, dass<br />
die Anordnung A<br />
stabiler als die<br />
Anordnung B ist.<br />
Von <strong>de</strong>n ersten<br />
Blasen, die oben<br />
ankommen,<br />
wird zunächst<br />
etwa gleich viel A<br />
und B gebil<strong>de</strong>t. Es<br />
steigen jedoch weitere<br />
Blasen auf und<br />
kollidieren mit <strong>de</strong>r<br />
14 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Heitkam hat die Entstehung<br />
von stabilen und instabilen<br />
Kugelpackungen am Computer<br />
simuliert. Dafür nutzte<br />
er einen Superrechner (im<br />
Hintergrund).<br />
bereits gebil<strong>de</strong>ten Packung. Anordnung B<br />
kann diesen Stößen nicht standhalten. Sie<br />
zerfließt. Anordnung A dagegen ist stabiler.<br />
Dadurch überlebt Anordnung A. Die<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Kugeln neigen nun dazu,<br />
sich ebenfalls in die Anordnung A einzuordnen.<br />
Doch warum ist Anordnung A stabiler<br />
als Anordnung B? Um das zu verstehen,<br />
fertigte ich mir Mo<strong>de</strong>lle aus Styroporkugeln<br />
und Strohhalmen. Zum einen<br />
trug das zur Unterhaltung meiner Kollegen<br />
bei. Zum an<strong>de</strong>ren konnte ich so<br />
in die Anordnungen hineinzoomen und<br />
mir anschauen, wie benachbarte Kugeln<br />
zueinan<strong>de</strong>r ausgerichtet sind. In <strong>de</strong>r mechanisch<br />
stabileren Anordnung A sind<br />
die Kugeln auf gera<strong>de</strong>n Linien aufgereiht.<br />
Sie bil<strong>de</strong>n Säulen, welche die Anordnung<br />
durchziehen. Wenn jetzt Kräfte von außen<br />
auf die Packung wirken, wer<strong>de</strong>n sie über<br />
die Säulen abgeleitet, ohne die Packung<br />
zu zerstören. In Anordnung B gibt es diese<br />
Säulen nicht. Drückt man auf diese Struktur,<br />
so kann sie die Kräfte nicht ableiten,<br />
son<strong>de</strong>rn faltet sich wie eine Ziehharmonika<br />
zusammen und zerfließt.<br />
Zunächst war es sehr schwierig, an<strong>de</strong>re<br />
Wissenschaftler von <strong>de</strong>m Stabilitätsargument<br />
und seiner Be<strong>de</strong>utung zu überzeugen.<br />
Das lag vermutlich daran, dass<br />
Experimentatoren ein natürliches und oft<br />
auch begrün<strong>de</strong>tes Misstrauen gegenüber<br />
Computersimulationen haben. Also entwickelte<br />
ich ein kleines Demonstrationsexperiment.<br />
Darin versuchte ich, mit aufsteigen<strong>de</strong>n<br />
Blasen unter einer Glasplatte<br />
eine auf <strong>de</strong>m Kopf stehen<strong>de</strong> Pyrami<strong>de</strong><br />
aufzuschichten. Wählte ich Anordnung A,<br />
so gelang dies. In Anordnung B dagegen<br />
zerfließt die Pyrami<strong>de</strong> durch ihren eigenen<br />
Auftrieb. Auch stapelte ich Pyrami<strong>de</strong>n<br />
aus Metallkugeln und legte diese in<br />
eine mechanische Presse. Die Pyrami<strong>de</strong><br />
in Anordnung B zerfiel schon bei sehr geringen<br />
Kräften. Bei Anordnung A wur<strong>de</strong><br />
die Presskraft entlang <strong>de</strong>r aufgereihten<br />
Kugeln abgeleitet. Schließlich brach <strong>de</strong>r<br />
Rahmen, und die Kugeln schossen durch<br />
das Labor. Diese sehr eindrucksvolle Demonstration<br />
hat letztendlich auch die<br />
Skeptiker überzeugt, und ich konnte meine<br />
Ergebnisse veröffentlichen.<br />
Wie stabil ist Metallschaum?<br />
Im weiteren Verlauf meiner Dissertation<br />
bezog ich die bisherigen Resultate auf<br />
Metallschäume, also Metalle, die im geschmolzenen<br />
Zustand mit Gasblasen<br />
versetzt und dann abgekühlt wer<strong>de</strong>n. Ich<br />
<strong>de</strong>monstrierte, dass mit magnetischen<br />
o<strong>de</strong>r elektromagnetischen Fel<strong>de</strong>rn im<br />
Entstehungsprozess von flüssigem Metallschaum<br />
die Bildung von Blasenpackungen<br />
<strong>de</strong>r Anordnung A o<strong>de</strong>r B gezielt beeinflusst<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Auch betrachtete ich festen<br />
Metallschaum und berechnete die Stabilität<br />
<strong>de</strong>s Schaums, wenn <strong>de</strong>ssen Blasen in<br />
Anordnung A o<strong>de</strong>r B ausgerichtet sind.<br />
Die interessantesten und schönsten Ergebnisse<br />
meiner Dissertation sind jedoch<br />
die Erkenntnisse zur mechanischen Stabilität<br />
verschie<strong>de</strong>ner Anordnungen in Kugelpackungen.<br />
Das Stabilitätsargument<br />
ist sehr simpel, und das macht es äußerst<br />
attraktiv. Für die Herleitung benötigt<br />
man nur Physik- und Mathematikkenntnisse<br />
<strong>de</strong>r 8. Klasse. Auch stellt es keinerlei<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an Material o<strong>de</strong>r Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>r Kugeln. Dadurch ist es universell<br />
einsetzbar. Wie oben beschrieben,<br />
kann man das erhöhte Auftreten<br />
von Anordnung A in sehr verschie<strong>de</strong>nen<br />
Experimenten beobachten. Zwar haben<br />
Glaskugeln mit kleinen Fetttröpfchen<br />
bis auf die run<strong>de</strong> Form sehr wenig gemeinsam.<br />
Doch dass ihre Anordnung B<br />
durch von außen aufgebrachte Kräfte<br />
zerfließt, ist für bei<strong>de</strong> Arten von Kugeln<br />
plausibel. Daher glaube ich, dass das Stabilitätsargument<br />
in vielen Wissenschaftszweigen<br />
von Be<strong>de</strong>utung ist.<br />
Diese Universalität erlaubt es auch, das<br />
Stabilitätsargument auf unser tägliches<br />
Leben zu beziehen. Wenn Obsthändler<br />
vor ihrem La<strong>de</strong>n Orangen o<strong>de</strong>r Äpfel zu<br />
Pyrami<strong>de</strong>n aufstapeln, wer<strong>de</strong>n sie dafür<br />
intuitiv die stabilere Anordnung A wählen.<br />
Und spätestens wenn ein Kun<strong>de</strong> in Eile<br />
gegen <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>ntisch gestoßen ist, wird<br />
sich diese Anordnung bezahlt machen. ●<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 15
Astronomie<br />
unter <strong>de</strong>m Meer<br />
Wie wür<strong>de</strong> man nach Überresten von Sternexplosionen suchen? Mit einem Blick in <strong>de</strong>n Sternenhimmel,<br />
ist die naheliegen<strong>de</strong> Antwort. Jenny Feige schaute statt<strong>de</strong>ssen auf <strong>de</strong>n Meeresgrund, <strong>de</strong>nn die<br />
Tiefseeastronomie kann uns einiges über die Geschichte <strong>de</strong>s Universums verraten.<br />
von Jenny Feige<br />
Je<strong>de</strong>r hat schon einmal von Lucy gehört,<br />
<strong>de</strong>m menschenartigen Wesen,<br />
das vor 3,2 Millionen Jahren die<br />
Er<strong>de</strong> bewohnte. Ein sogenannter Australopithecus<br />
afarensis. Doch was hat Lucy<br />
mit <strong>de</strong>r Astronomie zu tun? Möglicherweise<br />
wur<strong>de</strong> sie Zeuge eines faszinieren<strong>de</strong>n<br />
kosmischen Ereignisses: einer Sternexplosion.<br />
Solch eine Supernova lässt <strong>de</strong>n Stern<br />
für kurze Zeit bis zu einige Milliar<strong>de</strong>n<br />
Male heller erscheinen. Bei <strong>de</strong>r Detonation<br />
wird <strong>de</strong>ssen Sternenhülle in alle Richtungen<br />
<strong>de</strong>s Weltalls geschleu<strong>de</strong>rt. Mit<br />
einer Geschwindigkeit von über tausend<br />
Kilometer pro Sekun<strong>de</strong> fegt sie über alles<br />
hinweg, das sich ihr in <strong>de</strong>n Weg stellt.<br />
Sogar unser eigenes Sonnensystem könnte<br />
sie treffen. Dieses Szenario hat sich vermutlich<br />
zu Lucys Lebzeiten abgespielt,<br />
<strong>de</strong>nn es gibt Hinweise auf eine turbulente<br />
Vergangenheit.<br />
Eine Serie von Supernova-Explosionen<br />
riss in <strong>de</strong>n vergangenen 14 Millionen<br />
Jahren einen gewaltigen Hohlraum<br />
in das uns umgeben<strong>de</strong> interstellare Me-<br />
dium – das Gas und <strong>de</strong>n Staub zwischen<br />
<strong>de</strong>n Sternen unserer Galaxie. Der Hohlraum<br />
hat eine Aus<strong>de</strong>hnung von 300 bis<br />
600 Lichtjahren und beheimatet neben<br />
unserem Sonnensystem auch viele Nachbarsterne.<br />
Um diese Struktur – sie wird<br />
als Lokale Blase bezeichnet – zu erzeugen,<br />
waren min<strong>de</strong>stens 14 bis 20 Sternexplosionen<br />
erfor<strong>de</strong>rlich. Hierfür kommt eine<br />
Sternstromgruppe infrage. Das ist eine<br />
Ansammlung von massereichen Sternen,<br />
von <strong>de</strong>nen jedoch die kurzlebigsten Sterne<br />
fehlen. Diese sind innerhalb <strong>de</strong>r letzten<br />
Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />
Jenny Feige hat Sternenstaub untersucht,<br />
<strong>de</strong>r vor Millionen von Jahren<br />
vom Himmel fiel.<br />
16 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
PhYSIK<br />
14 Millionen Jahre explodiert, was <strong>de</strong>m<br />
Alter <strong>de</strong>r Lokalen Blase entspricht. Die<br />
verbleiben<strong>de</strong>n Sterne gehören heute zur<br />
Scorpius-Centaurus-Assoziation, einer<br />
Sternansammlung, die man am Südsternhimmel<br />
beobachten kann.<br />
Verfolgt man die Bahnen <strong>de</strong>r verbliebenen<br />
Sterne zeitlich zurück, dann stellt<br />
sich heraus, dass die Sternstromgruppe<br />
unserem Sonnensystem vor etwa zwei bis<br />
drei Millionen Jahren mit weniger als 300<br />
Lichtjahren sehr nahe kam. Einige Sterne<br />
könnten in <strong>de</strong>m Zeitraum explodiert sein<br />
und Materie in Form von Staub in unser<br />
Sonnensystem geschleu<strong>de</strong>rt haben. Denn<br />
Supernovae sind wahre Staubfabriken. In<br />
nur wenigen Jahren können sich Staubmengen<br />
vergleichbar mit <strong>de</strong>r Masse unserer<br />
Sonne in <strong>de</strong>n expandieren<strong>de</strong>n Hüllen<br />
bil<strong>de</strong>n. Zwar schützt <strong>de</strong>r Sonnenwind<br />
unser Sonnensystem vor kosmischen Teilchen,<br />
doch ein Teil <strong>de</strong>s Staubs schafft es<br />
trotz<strong>de</strong>m, diese Barriere zu überwin<strong>de</strong>n<br />
und zur Er<strong>de</strong> zu gelangen.<br />
Um Staubspuren einer Supernova auf<br />
<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man einen<br />
möglichst ungestörten Ort: eine Art Archiv,<br />
das die außerirdischen Teilchen<br />
speichern kann. Das Archiv muss zu<strong>de</strong>m<br />
eine Zeitinformation enthalten, um<br />
Rückschlüsse auf die Ankunft <strong>de</strong>r Staubteilchen<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ziehen zu können.<br />
Solche Orte existieren fernab <strong>de</strong>r Kontinente<br />
in <strong>de</strong>r Tiefsee, genauer gesagt<br />
am Meeresgrund. Die Tiefseesedimente<br />
wachsen hier nur extrem langsam, sie bil<strong>de</strong>n<br />
sich hauptsächlich aus <strong>de</strong>m wenigen<br />
kontinentalen Staub, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Wind<br />
weit hinaus in <strong>de</strong>n Ozean transportiert<br />
wird, und aus Überresten von Meerestieren,<br />
die sich auf ihrem langen Weg zum<br />
Meeresbo<strong>de</strong>n noch nicht aufgelöst haben.<br />
Ungestört von äußeren Einflüssen entstehen<br />
nur wenige Meter neuen Sediments in<br />
einer Million Jahre.<br />
Bei <strong>de</strong>m Wachstumsprozess setzen sich<br />
auch ferrimagnetische Mineralien – Partikel,<br />
die sich wie Kompassna<strong>de</strong>ln nach<br />
<strong>de</strong>m Erdmagnetfeld ausrichten – auf <strong>de</strong>r<br />
Sedimentoberfläche ab. Wer<strong>de</strong>n diese Mineralien<br />
von jüngerem Sediment überlagert,<br />
wird ihre magnetische Orientierung<br />
festgehalten. Eine Umpolung <strong>de</strong>s Erdmagnetfel<strong>de</strong>s<br />
wird so zeitlich dokumentiert.<br />
Da Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Magnetfel<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r<br />
Erdgeschichte zufällig erfolgten, entstand<br />
ein einzigartiges Muster im Sediment.<br />
Dieser Fingerabdruck kann über sehr große<br />
Zeiträume, bis zu mehr als einhun<strong>de</strong>rt<br />
Millionen Jahre in die Vergangenheit,<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>s Sediment, das<br />
dieses Muster zeigt, kann mit dieser Metho<strong>de</strong><br />
– <strong>de</strong>r Magnetostratigraphie – datiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Eine weitere Hilfe bietet die<br />
Biostratigraphie: Mit eingelagerten Fossilien<br />
verstorbener Lebewesen können Sedimentbereiche<br />
bestimmten Zeitperio<strong>de</strong>n<br />
zugeordnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Langsam wachsen<strong>de</strong> Tiefseearchive hat<br />
Jenny Feige im Rahmen ihrer Dissertation<br />
DR. JENNY FEIGE<br />
1981 geboren in Rü<strong>de</strong>rsdorf<br />
2002 Abitur<br />
2002 bis 2010 Bakkalaureats- und<br />
Magisterstudium <strong>de</strong>r Astronomie an<br />
<strong>de</strong>r Universität Wien<br />
2010 bis 2014 Promotionsstudium <strong>de</strong>r<br />
Physik an <strong>de</strong>r Universität Wien im Bereich<br />
Isotopenforschung und Kernphysik<br />
27.11.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />
Seit 2015 Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Zentrum für Astronomie<br />
und Astrophysik an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />
Infos: www-astro.physik.tu-berlin.<strong>de</strong><br />
Kontakt: feige@astro.physik.tu-berlin.<strong>de</strong><br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 17
PhYSIK<br />
auf Supernova-Relikte untersucht. Dazu<br />
wur<strong>de</strong>n ihr circa einhun<strong>de</strong>rt Proben aus<br />
vier Sedimentbohrkernen zur Verfügung<br />
gestellt. Diese umfassen hauptsächlich<br />
<strong>de</strong>n Zeitbereich von 1,7 bis 3,2 Millionen<br />
Jahre, als die Sterne mit <strong>de</strong>m geringsten<br />
Abstand zur Er<strong>de</strong> explodierten. Die Sedimente<br />
stammen aus <strong>de</strong>m Indischen Ozean,<br />
etwa 1000 Kilometer südwestlich vor<br />
Australien gelegen, aus einer Meerestiefe<br />
von 4200 Metern. Die Bohrkerne wur<strong>de</strong>n<br />
bereits in <strong>de</strong>n 1970er Jahren auf einer Expedition<br />
<strong>de</strong>s Forschungsschiffs „Eltanin“<br />
entnommen und in <strong>de</strong>r antarktischen<br />
Forschungseinrichtung <strong>de</strong>r Florida State<br />
University aufbewahrt.<br />
18 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus<br />
Keine NachtEule<br />
Jenny Feige im bdw-Gespräch<br />
Sie haben zuerst Astronomie<br />
studiert und sich dann <strong>de</strong>r<br />
Physik zugewandt. Wie kam<br />
es zu diesem Sinneswan<strong>de</strong>l?<br />
Ich habe mir als Jugendliche ein<br />
Teleskop gekauft. Der Verkäufer im<br />
Astronomie-Geschäft meinte, wenn<br />
er noch mal jung wäre, wür<strong>de</strong> er<br />
Astronomie in Wien studieren. Ich<br />
dachte, ich bin ja jung, und habe es<br />
gemacht. Im Laufe <strong>de</strong>s Studiums habe<br />
ich gemerkt, dass ich keine Beobachterin<br />
bin, diese Nachtschichten sind<br />
nicht mein Ding. Dass ich für meine<br />
Doktorarbeit am Beschleuniger Nachtschichten<br />
einlegen musste, damit<br />
habe ich nicht gerechnet.<br />
Welcher Moment in <strong>de</strong>r Zeit<br />
Ihrer Doktorarbeit war beson<strong>de</strong>rs<br />
schön?<br />
Zwischendurch war es sehr mühsam.<br />
Wir haben erwartet, nur in wenigen<br />
Proben unser gesuchtes Isotop zu<br />
fin<strong>de</strong>n. Statt<strong>de</strong>ssen war es in allen<br />
Proben enthalten. Ich habe gedacht,<br />
das kann nicht sein, da stimmt<br />
etwas mit <strong>de</strong>n Messungen<br />
nicht. Dann haben wir<br />
weitere Proben untersucht<br />
und gemerkt: Die Messungen<br />
stimmten doch, das<br />
Ergebnis ist nur an<strong>de</strong>rs<br />
als erwartet. Da sind wir<br />
erst mal Wein trinken<br />
gegangen.<br />
Welches Potenzial<br />
steckt in <strong>de</strong>r Tiefseeastronomie?<br />
Sie verbreitet sich gera<strong>de</strong> sehr stark.<br />
Man kann nicht nur Supernovae<br />
untersuchen, son<strong>de</strong>rn auch die<br />
Sonnenaktivität. Und es wird nach<br />
an<strong>de</strong>ren potenziellen Ereignissen<br />
gesucht, zum Beispiel nach Kometeno<strong>de</strong>r<br />
Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen. Es muss<br />
nicht unbedingt Material aus <strong>de</strong>m<br />
Ozean sein, auch Sedimente aus Seen<br />
können aufschlussreich sein o<strong>de</strong>r<br />
Eisbohrkerne aus <strong>de</strong>r Antarktis. Die<br />
reichen zwar zeitlich nicht so weit zurück,<br />
aber sie haben eine noch höhere<br />
Zeitauflösung.<br />
Die Proben wur<strong>de</strong>n auf das Eisen-<br />
Isotop 60Fe untersucht. Dabei han<strong>de</strong>lt es<br />
sich um eine instabile Form <strong>de</strong>s Eisens,<br />
welches nicht auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> erzeugt wird.<br />
Um 60Fe zu produzieren, braucht es<br />
Temperaturen, die nicht einmal im Inneren<br />
<strong>de</strong>r Sonne herrschen. Zwischen 500<br />
Millionen und 2 Milliar<strong>de</strong>n Grad Celsius<br />
sind dafür erfor<strong>de</strong>rlich. Solche Voraussetzungen<br />
wer<strong>de</strong>n kurz vor und während einer<br />
Supernova erreicht. Nach einer Halbwertszeit<br />
von 2,6 Millionen Jahren ist die<br />
Hälfte <strong>de</strong>r ursprünglichen Menge von<br />
60Fe zerfallen. Somit existiert das 60Fe,<br />
welches sich bei <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
vor 4,5 Milliar<strong>de</strong>n Jahren eingeschlichen<br />
hat, inzwischen nicht mehr. Wird<br />
es trotz<strong>de</strong>m heute auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> nachgewiesen,<br />
dann muss es in jüngerer Zeit<br />
von außerhalb eingetragen wor<strong>de</strong>n sein.<br />
Daher ist 60Fe ein i<strong>de</strong>aler Kandidat, um<br />
nach zwei bis drei Millionen Jahre alten<br />
Supernova-Spuren zu suchen. Kurz nach<br />
In ihrer Hand hält die Astrophysikerin<br />
Sedimentproben aus 4200 Metern Tiefe,<br />
vom Grund <strong>de</strong>s Indischen Ozeans.
Behutsam schiebt Jenny Feige eine aufbereitete Sedimentprobe<br />
in das Beschleuniger-Massenspektrometer.<br />
<strong>de</strong>r Explosion <strong>de</strong>s Sterns bin<strong>de</strong>t es sich an<br />
Staub und kann so ins Sonnensystem gelangen.<br />
Insgesamt wür<strong>de</strong>n nur wenige Kilogramm<br />
60Fe einer nahen Supernova aus<br />
<strong>de</strong>r Scorpius-Centaurus-Assoziation die<br />
Er<strong>de</strong> erreichen. Diese sind – gleichmäßig<br />
verteilt auf die gesamte Erdoberfläche –<br />
beinahe unmöglich nachzuweisen.<br />
Wie fin<strong>de</strong>t man nun diese extrem<br />
geringen Mengen von 60Fe in <strong>de</strong>n Sedimentproben?<br />
Die Metho<strong>de</strong> heißt Beschleuniger-Massenspektrometrie,<br />
mit<br />
<strong>de</strong>r einzelne Atome gezählt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Im ersten Schritt mussten die Proben<br />
chemisch aufbereitet wer<strong>de</strong>n. Aus drei<br />
Gramm je<strong>de</strong>r Probe extrahierte Jenny<br />
Feige ein paar Milligramm Eisenoxid,<br />
welches möglicherweise das gesuchte<br />
Supernova-Eisen enthält. Für die Messung<br />
reisten die Proben nahezu an ihren<br />
Ursprungsort zurück, nach Australien.<br />
An <strong>de</strong>r Australian National University in<br />
Canberra steht eine Beschleunigeranlage,<br />
die leistungsstark genug ist, um 60Fe zu<br />
<strong>de</strong>tektieren. Hier wur<strong>de</strong>n die Atome <strong>de</strong>s<br />
Eisenoxids nach ihrer Masse sortiert. Es<br />
gibt jedoch Moleküle mit gleicher Masse<br />
wie das 60Fe, die viel häufiger auf <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> vorkommen. Um diese Moleküle herauszufiltern,<br />
passierten die Teilchen eine<br />
Folie im Beschleuniger. Sie kollidierten<br />
mit <strong>de</strong>n Folienatomen, und die Moleküle<br />
brachen auseinan<strong>de</strong>r. Die Beschleuniger-<br />
Massenspektrometrie ist so empfindlich,<br />
dass sie selbst unter einer Billiar<strong>de</strong> Eisenatomen<br />
ein einziges 60Fe-Atom i<strong>de</strong>ntifizieren<br />
kann.<br />
1,5 Millionen Jahre Berieselung<br />
Mit dieser Metho<strong>de</strong> gelang es, 60Fe im<br />
Zeitbereich zwischen 1,7 und 3,2 Millionen<br />
Jahren ein<strong>de</strong>utig nachzuweisen. Ältere<br />
und jüngere Sedimentproben zeigten<br />
hingegen keine Spuren außerirdischen<br />
60Fe-Staubs. Verblüffend an diesem Ergebnis<br />
ist die zeitliche Breite <strong>de</strong>r Signatur.<br />
Von einer einzigen Supernova hätte<br />
man erwartet, dass die Berieselung <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> mit Sternenstaub maximal wenige<br />
Hun<strong>de</strong>rttausend Jahre anhält. Vermutlich<br />
haben mehrere Explosionen hier ihre<br />
Spuren hinterlassen.<br />
Spuren, die das Leben auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> beeinflusst<br />
haben? Mit einer Entfernung von<br />
300 Lichtjahren waren die Explosionen<br />
in <strong>de</strong>r Sternstromgruppe keinesfalls nahe<br />
genug, um großen Scha<strong>de</strong>n anzurichten.<br />
Wirklich gefährlich käme eine Supernova<br />
<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> erst in einem Radius von weniger<br />
als 30 Lichtjahren, innerhalb <strong>de</strong>ssen<br />
auch heute keine explosionsgefähr<strong>de</strong>ten<br />
Sterne existieren. Dann wür<strong>de</strong> die Strahlung<br />
unsere Ozonschicht zerstören und<br />
<strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>s UV-Lichts beträchtlich<br />
erhöhen. Das hätten unsere Vorfahren<br />
vermutlich nicht überlebt. Jedoch kam<br />
es in <strong>de</strong>r Zeitperio<strong>de</strong> zwischen zwei und<br />
drei Millionen Jahren zu Verän<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s Erdklimas. Inwieweit die Supernovae<br />
damit im Zusammenhang stehen, bleibt<br />
bislang ungeklärt.<br />
Die Lokale Blase, die Sternstromgruppe<br />
und das außerirdische 60Fe in<br />
irdischen Tiefseesedimenten: Alles <strong>de</strong>utet<br />
darauf hin, dass Lucy einige Wochen lang<br />
neben <strong>de</strong>r Sonne noch ein helles Objekt<br />
am Taghimmel sah. Dieses leuchten<strong>de</strong><br />
Phänomen war erst <strong>de</strong>r Anfang einer langen<br />
Serie von Sternexplosionen, die die<br />
kosmische Nachbarschaft unseres Sonnensystems<br />
nachhaltig verän<strong>de</strong>rte und<br />
über mehr als eine Million Jahre ihre Relikte<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> platzierte. ●<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 19
Live-Übertragung<br />
aus <strong>de</strong>r Lunge<br />
Die Lunge live beim Atmen beobachten und dabei auch noch die<br />
künstliche Beatmung <strong>de</strong>rart an <strong>de</strong>n individuellen Patienten anpassen,<br />
dass seine Lungenschä<strong>de</strong>n repariert wer<strong>de</strong>n können? Informatik und<br />
Medizin arbeiten eng zusammen, um genau das mithilfe mo<strong>de</strong>rner<br />
Computertechnik möglich zu machen. Als Bin<strong>de</strong>glied zwischen diesen<br />
bei<strong>de</strong>n Disziplinen habe ich ein Verfahren entwickelt, das patientenspezifische<br />
Computermo<strong>de</strong>lle erzeugt, mit <strong>de</strong>nen viel präzisere Bil<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Lunge als bisher möglich sind.<br />
von Peter Salz<br />
Eine Lunge aus <strong>de</strong>m 3-D-Drucker.<br />
Die Daten dafür hat Peter Salz mit<br />
seiner neuen Metho<strong>de</strong> aus CT-Aufnahmen<br />
eines Patienten errechnet.<br />
20 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
InformatiK<br />
Dr. Peter Salz<br />
1985 geboren in Mainz<br />
2004 Abitur<br />
2005 bis 2011 Bachelor- und<br />
Masterstudium <strong>de</strong>r Informatik an <strong>de</strong>r<br />
TU Kaiserslautern<br />
Fotos: Thomas Klink für bdw<br />
Was können Ärzte unternehmen,<br />
wenn die Lunge ihre Aufgabe<br />
nicht mehr erfüllen kann, zum<br />
Beispiel durch schwere Unfälle o<strong>de</strong>r eine<br />
Lungenentzündung? Eine wichtige medizinische<br />
Maßnahme im Krankenhaus<br />
ist zunächst die künstliche Beatmung.<br />
Damit ist aber noch mehr möglich: Intensivmediziner<br />
nutzen sie, um geschädigte<br />
Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherzustellen. Das<br />
ist, stark vereinfacht, mit <strong>de</strong>m Aufblasen<br />
eines verschrumpelten Luftballons vergleichbar:<br />
Erst ab einem gewissen Druck<br />
gelingt es, das Volumen <strong>de</strong>s Ballons zu<br />
erhöhen.<br />
Um bei dieser sehr schwierigen Aufgabe<br />
das Beatmungsgerät optimal für <strong>de</strong>n<br />
individuellen Patienten einzustellen, zieht<br />
<strong>de</strong>r Arzt unter an<strong>de</strong>rem Computertomografie-Bil<strong>de</strong>r,<br />
abgekürzt CT, zurate. Der<br />
Name sagt es schon: Hier spielt Informatik<br />
eine große Rolle, <strong>de</strong>nn ohne <strong>de</strong>n<br />
Computer sind solche Bil<strong>de</strong>r nicht möglich.<br />
Bei <strong>de</strong>r Computertomografie wer<strong>de</strong>n<br />
Röntgenstrahlen benutzt, um <strong>de</strong>n Körper<br />
zu durchleuchten. Man kann also direkt<br />
in die Lunge hineinschauen. Lei<strong>de</strong>r hat<br />
dies aber einige schwerwiegen<strong>de</strong> Nachteile:<br />
Die Röntgenstrahlen können Krebs<br />
auslösen, daher sollten sie nur sehr sparsam<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Sie zeigen auch<br />
lediglich ein Standbild <strong>de</strong>s Körpers, die<br />
dynamische Lungenfunktion kann man<br />
damit nicht erfassen.<br />
An dieser spannen<strong>de</strong>n Schnittstelle<br />
zwischen Informatik, Technik und Medizin<br />
setzt meine Arbeit an. Mit Prof. Dr.<br />
Hermann Wrigge, Dr. Andreas Reske<br />
(bei<strong>de</strong> Intensivmediziner und Forscher<br />
am Universitätsklinikum in Leipzig) und<br />
mir (Informatiker an <strong>de</strong>r Technischen<br />
Universität in Kaiserslautern) ist ein interdisziplinäres<br />
Team entstan<strong>de</strong>n, das an<br />
einer Metho<strong>de</strong> arbeitet, mit <strong>de</strong>r man die<br />
Lunge live beim Atmen beobachten kann,<br />
dies sogar ohne schädliche Strahlung,<br />
ohne hohe Kosten und direkt am Krankenbett<br />
<strong>de</strong>s Patienten. Das Schlüsselwort<br />
ist Elektro-Impedanz-Tomografie, kurz<br />
EIT, eine Technologie, die bereits seit drei<br />
Jahrzehnten erforscht wird, aber noch<br />
nicht standardmäßig an Patienten eingesetzt<br />
wird. EIT basiert nicht auf Röntgenstrahlung,<br />
son<strong>de</strong>rn auf Strom. Dabei wird<br />
durch Elektro<strong>de</strong>n ein sehr kleiner, nicht<br />
gesundheitsschädigen<strong>de</strong>r Strom durch<br />
<strong>de</strong>n Körper geleitet. Der Strom nimmt<br />
<strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s geringsten elektrischen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s<br />
und kann an einer an<strong>de</strong>ren<br />
Elektro<strong>de</strong> gemessen wer<strong>de</strong>n.<br />
Weil dieses Verfahren beinahe gleichzeitig<br />
für sehr viele Elektro<strong>de</strong>n rund um<br />
<strong>de</strong>n Brustkorb wie<strong>de</strong>rholt wird, erhält<br />
man Hun<strong>de</strong>rte Spannungsmessungen für<br />
einen einzelnen Zeitpunkt. Aus diesen<br />
lässt sich rekonstruieren, wie sich die<br />
elektrische Leitfähigkeit im Brustkorb<br />
verän<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>nn die gesamte Messung<br />
wird 50 Mal pro Sekun<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt.<br />
Das funktioniert, weil sich die elektrische<br />
Leitfähigkeit <strong>de</strong>r Lunge sehr stark<br />
än<strong>de</strong>rt, je nach<strong>de</strong>m wie viel Luft eingeatmet<br />
wird. Die zahlreichen Einzelbil<strong>de</strong>r<br />
können schließlich zu einem Vi<strong>de</strong>o zusammengesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. So erhalten wir<br />
live Informationen aus <strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s<br />
Körpers darüber, wie die Lunge arbeitet<br />
– ganz ohne Strahlung.<br />
Warum wird die EIT also noch nicht<br />
flächen<strong>de</strong>ckend auf Intensivstationen<br />
2011 Master in Informatik<br />
2011 bis 2014 Doktorand an <strong>de</strong>r<br />
TU Kaiserslautern in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik<br />
& HCI“ mit Forschungsaufenthalten<br />
am Scientific Computing and Imaging<br />
Institute in Salt Lake City (USA) und an<br />
<strong>de</strong>r Uniklinik in Leipzig<br />
31.7.2014 Promotion zum Dr.-Ing.<br />
seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik & HCI“<br />
Infos: gfx.uni-kl.<strong>de</strong><br />
Kontakt: salz@cs.uni-kl.<strong>de</strong><br />
eingesetzt? Eines <strong>de</strong>r Hauptprobleme ist,<br />
dass EIT-Bil<strong>de</strong>r unscharf und von äußerst<br />
geringer Auflösung sind und viele Bildfehler<br />
aufweisen. Das liegt daran, dass es sehr<br />
schwierig ist, die elektrische Leitfähigkeit<br />
im Körper aus <strong>de</strong>n Spannungsmessungen<br />
auf <strong>de</strong>r Haut zu rekonstruieren – so als<br />
klopfte man an eine Tür und müsste dann<br />
anhand <strong>de</strong>s Schalls erraten, wo sich verschie<strong>de</strong>ne<br />
Personen im Raum befin<strong>de</strong>n.<br />
Eine sinnvolle Lösung dieser Aufgabe<br />
ist nur möglich, wenn man weitere Informationen<br />
zur Verfügung hat, zum Beispiel<br />
wie viele Personen im Raum sind, wie<br />
groß <strong>de</strong>r Raum ist und wie er geschnitten<br />
ist. Übertragen auf <strong>de</strong>n menschlichen<br />
Körper sind das beson<strong>de</strong>rs die Form <strong>de</strong>r<br />
Hautoberfläche, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens.<br />
Ohne ein solches Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Brustkorbs<br />
müssen wir uns auf Schätzungen<br />
und generische Mo<strong>de</strong>lle verlassen. Im<br />
obigen Beispiel könnten wir zum Beispiel<br />
annehmen, dass <strong>de</strong>r Raum viereckig und<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 21
INFormatik<br />
Das Dream-Team<br />
Peter Salz im bdw-Gespräch<br />
Sie stan<strong>de</strong>n für Ihre Arbeit in<br />
<strong>de</strong>r Informatik in engem Austausch<br />
mit Medizinern. Wie hat<br />
das funktioniert?<br />
Die Zusammenarbeit von Informatikern und<br />
Medizinern ist tatsächlich nicht so leicht, da<br />
sich die bei<strong>de</strong>n Disziplinen in Vokabular und<br />
Denkweise enorm unterschei<strong>de</strong>n. Das führt<br />
oft zu Missverständnissen. Glücklicherweise<br />
bil<strong>de</strong>n Andreas Reske von <strong>de</strong>r Uniklinik<br />
in Leipzig und ich ein Dream-Team, das<br />
auf technischer, medizinischer wie auch<br />
zwischenmenschlicher Ebene hervorragend<br />
kommunizieren kann.<br />
Wie kam die Zusammenarbeit<br />
zustan<strong>de</strong>?<br />
Mir war früh klar, dass ich im Bereich<br />
medizinische Bildverarbeitung forschen<br />
will, da mich sowohl medizinische Anwendungen<br />
als auch die mathematischen<br />
Aspekte <strong>de</strong>r Bildverarbeitung interessieren.<br />
Ein Kollege <strong>de</strong>r Universität Leipzig bahnte<br />
Anfang 2011 eine Kooperation mit <strong>de</strong>n<br />
Intensivmedizinern <strong>de</strong>r Uniklinik bezüglich<br />
Elektro-Impedanz-Tomografie an. In <strong>de</strong>r Zeit<br />
suchte ich gera<strong>de</strong> ein Promotionsthema.<br />
Nach ersten Recherchen wur<strong>de</strong> mir klar,<br />
dass die ursprüngliche I<strong>de</strong>e ohne intensive<br />
Vorarbeiten nicht umsetzbar war. So entstand<br />
<strong>de</strong>r Fahrplan für meine Dissertation,<br />
um diese Vorarbeiten zu realisieren.<br />
leer ist, sehr ähnlich wird es bis heute in<br />
<strong>de</strong>r EIT auch gemacht. Das lässt sich aber<br />
nicht unmittelbar auf je<strong>de</strong>n einzelnen Patienten<br />
übertragen, was zu einer ungenauen<br />
Rekonstruktion <strong>de</strong>r elektrischen<br />
Leitfähigkeit und damit zu fehlerhaften<br />
Bil<strong>de</strong>rn führt, die in <strong>de</strong>r Praxis nicht sinnvoll<br />
ausgewertet wer<strong>de</strong>n können.<br />
So war mir schnell klar, welchen Beitrag<br />
ich als Informatiker leisten kann, damit<br />
die Elektro-Impedanz-Tomografie in<br />
<strong>de</strong>r klinischen Praxis eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Ich setzte es mir zum Ziel, patientenspezifische<br />
anatomische Informationen<br />
über die dreidimensionale Form <strong>de</strong>s<br />
Brustkorbs, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens<br />
zu gewinnen und diese für die EIT nutzbar<br />
zu machen. Standardmäßig ist eine<br />
<strong>de</strong>taillierte CT-Aufnahme bei je<strong>de</strong>m Lungenpatienten<br />
verfügbar. Der Arzt erkennt<br />
sofort, wo welche Organe liegen und ob<br />
mit ihnen etwas nicht stimmt. Er könnte<br />
also problemlos die Organgrenzen in<br />
<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn nachzeichnen, damit auch <strong>de</strong>r<br />
Computer diese Information bekommt.<br />
Dies wür<strong>de</strong> allerdings viele Stun<strong>de</strong>n dauern.<br />
Ganz alleine kann <strong>de</strong>r Computer diese<br />
Aufgabe aber auch nicht lösen, es geht<br />
Mit künstlicher Beatmung können Ärzte geschädigte<br />
Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherstellen. Dafür bedarf es<br />
eines gewissen Drucks – ähnlich wie wenn man<br />
einen Luftballon aufbläst.<br />
eben nicht ohne die Expertise <strong>de</strong>s Arztes.<br />
Der Hauptbeitrag meiner Forschung ist<br />
daher folgerichtig die Entwicklung eines<br />
Verfahrens, das explizit eine Interaktion<br />
zwischen Arzt und Computer ermöglicht.<br />
Der Computer kann nämlich lernen, wie<br />
es innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />
aussieht, um dann ganz automatisch die<br />
Lungengrenze zu fin<strong>de</strong>n. Dazu markiert<br />
<strong>de</strong>r Arzt an einigen wenigen Stellen in<br />
<strong>de</strong>n CT-Bil<strong>de</strong>rn, ob sich diese Regionen<br />
nun innerhalb o<strong>de</strong>r außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />
befin<strong>de</strong>n.<br />
Der Computer benutzt dieses eben gelernte<br />
Wissen, um versuchsweise die Form<br />
<strong>de</strong>r Lunge zu bestimmen. Oft ist das erste<br />
Ergebnis noch nicht das beste, daher kann<br />
<strong>de</strong>r Arzt nun weitere Markierungen zur<br />
Korrektur hinzufügen, woraufhin <strong>de</strong>r automatische<br />
Prozess von Neuem beginnt.<br />
Das Beson<strong>de</strong>re an diesem Zusammenspiel<br />
ist, dass eine CT-Aufnahme aus ganz vielen<br />
Bil<strong>de</strong>rn besteht, die man zu einer 3-D-<br />
Ansicht zusammenfügen kann. Der Computer<br />
rechnet also in drei Dimensionen,<br />
quasi im ganzen Brustkorb, während <strong>de</strong>r<br />
Arzt ganz bequem nur in zwei Dimensionen<br />
zeichnet. Das spart viel Arbeit!<br />
Ist absehbar, wann Ihr Verfahren<br />
bei Lungenschä<strong>de</strong>n eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann?<br />
Ein Teil meiner Arbeit wird aktuell als<br />
Software implementiert, um sie in <strong>de</strong>r<br />
klinischen Forschung einzusetzen und<br />
sie in einer Benutzerstudie mit <strong>de</strong>m<br />
Stand <strong>de</strong>r Technik zu vergleichen. In<br />
<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren wer<strong>de</strong>n wir<br />
weiter daran arbeiten, die an <strong>de</strong>n<br />
Patienten angepasste Behandlung<br />
von Lungenschä<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n klinischen<br />
Einsatz zu realisieren. Eine<br />
Integration in kommerzielle Produkte<br />
ist jedoch noch nicht absehbar.<br />
22 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Durch mein Verfahren haben wir nun<br />
im Computer ein sehr exaktes anatomisches<br />
dreidimensionales Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Patienten,<br />
welches von <strong>de</strong>r EIT zur Rekonstruktion<br />
<strong>de</strong>r Leitfähigkeitsän<strong>de</strong>rungen<br />
im Körper aus <strong>de</strong>n Spannungsmessungen<br />
auf <strong>de</strong>r Haut verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Damit erhalten wir eine <strong>de</strong>utlich verbesserte<br />
Live-Übertragung aus <strong>de</strong>r Lunge,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Computer weiß schon ziemlich<br />
genau, auf welche Hin<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r Strom<br />
auf seiner Reise durch <strong>de</strong>n Körper treffen<br />
wird und wie diese aussehen.<br />
Bildfehler o<strong>de</strong>r Lungenscha<strong>de</strong>n?<br />
Wir haben mein Verfahren für patientenspezifische<br />
Computermo<strong>de</strong>lle bereits<br />
erfolgreich im Tierversuch angewandt.<br />
Während einer Studie an einem beatmeten<br />
Schwein unter Vollnarkose, das zu<br />
diesem Zeitpunkt eigentlich gesund sein<br />
sollte, zeigten die EIT-Bil<strong>de</strong>r eine ungewöhnliche<br />
Asymmetrie zwischen <strong>de</strong>r<br />
linken und rechten Lunge während <strong>de</strong>r<br />
Beatmung. Mit <strong>de</strong>n bisherigen Brustkorb-<br />
Mo<strong>de</strong>llen konnten wir nicht zuverlässig<br />
beantworten, was diese Anomalie verursachte:<br />
Ist es bloß ein Bildfehler, o<strong>de</strong>r liegt<br />
tatsächlich ein bisher unbekannter Lungenscha<strong>de</strong>n<br />
vor, <strong>de</strong>r eine Seite <strong>de</strong>r Lunge<br />
betrifft?<br />
Mein Verfahren nutzt die präzisen<br />
anatomischen Informationen dieses<br />
Schweins, um die EIT-Vi<strong>de</strong>os zu erzeugen,<br />
daher konnten wir einen Bildfehler<br />
ausschließen. Mit bisherigen Verfahren<br />
kamen solche Fehler dagegen häufig vor.<br />
Um ganz sicherzugehen, dass die Asymmetrie<br />
im EIT-Vi<strong>de</strong>o also wirklich durch<br />
einen geringen Lungenscha<strong>de</strong>n verursacht<br />
wur<strong>de</strong>, schaute ich mir weitere Daten<br />
an und wur<strong>de</strong> fündig. Damit war klar,<br />
dass meine Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>rart präzise Bil<strong>de</strong>r<br />
liefert, dass selbst solch eine kleine Verletzung,<br />
die uns ja vorher entgangen war,<br />
sichtbar gemacht wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Am Menschen wird die Elektro-Impedanz-Tomografie<br />
übrigens auch schon<br />
versuchsweise eingesetzt. In Zukunft<br />
möchte ich mit <strong>de</strong>n Geräteherstellern<br />
zusammenarbeiten, um mein<br />
Verfahren flächen<strong>de</strong>ckend<br />
verfügbar zu machen.<br />
Denn die EIT-Forschungsgemeinschaft<br />
Die CT-Aufnahmen <strong>de</strong>r Lunge dienen Peter Salz als Grundlage für seine 3-D-Mo<strong>de</strong>lle. Form,<br />
Größe und Beschaffenheit <strong>de</strong>r Lunge sind sehr wichtig für die Diagnostik – und auch für die<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r dynamischen Bildgebung.<br />
ist sich einig: Der Nutzen für <strong>de</strong>n Patienten<br />
ist enorm. Der Arzt sieht auf seinem<br />
Bildschirm regionale Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />
Lunge in Echtzeit und kann die Therapie<br />
somit optimal individualisieren – genau<br />
daran arbeiten Prof. Dr. Hermann Wrigge<br />
und Dr. Andreas Reske in Leipzig.<br />
Ich liefere ihnen die computergestützten<br />
Werkzeuge, die sie dafür benötigen.<br />
Die kann ich natürlich nur entwickeln,<br />
wenn ich sehr genau die Arbeitsweise<br />
und die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Ärzte verstehe.<br />
Das ist die Schnittstelle zwischen<br />
Informatik und Medizin, an <strong>de</strong>r ich als<br />
Bin<strong>de</strong>glied <strong>de</strong>r Disziplinen stehe und dafür<br />
sorge, dass alle Seiten gewinnen: Die<br />
Informatik entwickelt sich durch neue<br />
Anwendungsgebiete weiter, die Medizin<br />
nutzt immer mehr Computertechnik für<br />
neue Therapieansätze, und am En<strong>de</strong> profitiert<br />
<strong>de</strong>r Patient, weil er besser behan<strong>de</strong>lt<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
●<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 23
Dr. Timo Berthold<br />
1981 geboren in Berlin<br />
2001 Abitur am Gymnasium auf <strong>de</strong>n<br />
Seelower Höhen<br />
2001 bis 2006 Studium <strong>de</strong>r Mathematik<br />
an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />
2006 Diplom in Mathematik<br />
2007 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>r<br />
Mathematik an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />
2007 bis 2014 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Zuse-Institut Berlin<br />
2010 Mitgrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Firma TASK GbR,<br />
Beratung und Training im Bereich Optimierung<br />
6.11.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />
seit 2014 Software-Entwickler bei<br />
FICO Deutschland<br />
Infos: www.zib.<strong>de</strong>/berthold<br />
Angewandte „Un<strong>de</strong>rcover“-Heuristik: Timo<br />
Berthold zaubert aus einer run<strong>de</strong>n Dose eine<br />
rechteckige Scheibe.<br />
24 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Mathematik<br />
Gut geraten<br />
Busse, Handys, Fußball: Ganzzahlige Optimierungsprobleme<br />
begegnen uns an Stellen, an <strong>de</strong>nen wir sie nicht vermuten.<br />
Um für solche Probleme Lösungen zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man ein<br />
gutes Gespür – und oftmals auch ein Quäntchen Glück.<br />
von Timo Berthold<br />
Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />
Es ist schönes Wetter, und heute<br />
spielt Ihr Lieblingsverein. Sie verabre<strong>de</strong>n<br />
sich per Handy mit einigen<br />
Freun<strong>de</strong>n und fahren mit <strong>de</strong>m Bus<br />
zum Stadion. Bei <strong>de</strong>r Bratwurst vorm<br />
Anpfiff diskutieren Sie noch, ob <strong>de</strong>nn die<br />
Liste <strong>de</strong>r nächsten Gegner eher gut o<strong>de</strong>r<br />
eher schlecht für <strong>de</strong>n eigenen Club sei.<br />
Sie verbringen mithilfe <strong>de</strong>r Mathematik<br />
einen schönen Tag.<br />
Mathematik? Genau, <strong>de</strong>nn Busfahrpläne,<br />
die Zuweisung von Mobilfunk-<br />
Frequenzen zu Sen<strong>de</strong>antennen und <strong>de</strong>r<br />
Spielplan <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga, all das<br />
sind sogenannte ganzzahlige Optimierungsprobleme.<br />
Ein solches Problem setzt<br />
sich aus drei grundlegen<strong>de</strong>n Bestandteilen<br />
zusammen: einer Zielfunktion, Nebenbedingungen<br />
und <strong>de</strong>r Einschränkung auf<br />
ganze Zahlen. Betrachten wir das einmal<br />
anhand <strong>de</strong>r oben aufgezählten Beispiele.<br />
Die Passagiere im Busverkehr wünschen<br />
sich geringe Umsteigezeiten, beim<br />
Mobilfunk soll es möglichst wenig Interferenzen<br />
zwischen benachbarten Antennen<br />
geben, und im Fußball sollen die<br />
Einnahmen aus Fernsehübertragungen<br />
möglichst hoch sein. Das ist die Zielfunktion:<br />
etwas, das man im Rahmen <strong>de</strong>r zulässigen<br />
Möglichkeiten klein halten o<strong>de</strong>r<br />
groß gestalten möchte. Was zulässige<br />
Möglichkeiten sind, das bestimmen die<br />
Nebenbedingungen, also Gesetzmäßigkeiten,<br />
die man auf je<strong>de</strong>n Fall beachten<br />
muss. Es gilt, Pausenregelungen für Fahrer<br />
einzuhalten, die Wahl von Antennenstandorten<br />
unterliegt Einschränkungen,<br />
und Heim- und Auswärtsspiele müssen<br />
sich abwechseln. Diese Nebenbedingungen<br />
lassen sich als ein mathematisches<br />
Gleichungssystem formulieren. Ungefähr<br />
so, wie wir es bei Textaufgaben aus<br />
<strong>de</strong>r Schule kennen, nur eben viel größer.<br />
Anstatt zwei o<strong>de</strong>r drei Variablen und<br />
Gleichungen gibt es oftmals Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong>.<br />
Für diese Gleichungssysteme<br />
möchte man im Sinne <strong>de</strong>r Zielfunktion<br />
möglichst gute Lösungen fin<strong>de</strong>n. Dann<br />
ist da noch die Einschränkung auf ganze<br />
Zahlen. Eine halbe Fußballmannschaft<br />
und zwei Drittel Busfahrer – das funktioniert<br />
nicht. Daher suchen wir Lösungen,<br />
die ganzzahlig sind, also Werte wie null,<br />
eins o<strong>de</strong>r zwei annehmen, aber eben nicht<br />
fünf Dreisiebtel.<br />
Wenn Mathematiker vor eine neue<br />
Optimierungsaufgabe gestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
dann gibt es vereinfacht gesagt zwei Arbeitsschritte.<br />
Erster Schritt: das Erstellen<br />
eines geeigneten Mo<strong>de</strong>lls, also eines Gleichungssystems.<br />
Das geschieht meist mit<br />
Tafel und Krei<strong>de</strong> – und einem Schwamm!<br />
Was sind die Variablen, haben wir alle<br />
Nebenbedingungen beachtet, stellt die<br />
Zielfunktion wirklich das dar, was sie<br />
soll? Hinschreiben, wegwischen, noch<br />
mal. Ist ein brauchbares Mo<strong>de</strong>ll vorhan<strong>de</strong>n,<br />
kommt Schritt zwei: das Fin<strong>de</strong>n einer<br />
Lösung für dieses Mo<strong>de</strong>ll. Da reichen<br />
alle Tafeln <strong>de</strong>r Welt nicht mehr, das geschieht<br />
mithilfe von Computerprogrammen.<br />
An <strong>de</strong>r Entwicklung eines solchen<br />
Programms war ich im Rahmen meiner<br />
Doktorarbeit beteiligt.<br />
Meine Dissertation beschäftigt sich<br />
mit „Heuristiken“ für ganzzahlige Op-<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 25
Mathematik<br />
Der Mathe-Pilot<br />
Timo Berthold im bdw-Gespräch<br />
Sie haben seit Ihrer Diplomarbeit<br />
sehr viel veröffentlicht:<br />
28 Publikationen. Was ist Ihr<br />
Erfolgsgeheimnis?<br />
Kooperation. Ich habe Universitäten in aller<br />
Welt besucht, konnte zu diversen Konferenzen<br />
fahren und habe viel mit Kollegen<br />
aus meiner Abteilung zusammengearbeitet.<br />
Dadurch entstehen oftmals gute I<strong>de</strong>en, auf<br />
die keiner <strong>de</strong>r Beteiligten alleine gekommen<br />
wäre. Außer<strong>de</strong>m lernt man dadurch, wie<br />
Wissenschaft an<strong>de</strong>rswo betrieben wird und<br />
somit, wie man einen Artikel am besten<br />
schreibt, um ein möglichst breites Publikum<br />
zu erreichen.<br />
Jetzt arbeiten Sie für ein<br />
Software-Unternehmen. War<br />
die Forscherlaufbahn keine<br />
Option für Sie?<br />
Jein. Das in Deutschland übliche System,<br />
dass man nach <strong>de</strong>r Doktorarbeit drei bis<br />
vier Mal die Universität wechselt, ist lei<strong>de</strong>r<br />
sehr familienunfreundlich. Ich arbeite aber<br />
weiterhin <strong>wissenschaft</strong>lich. Meine Tätigkeit<br />
bei FICO entspricht genau <strong>de</strong>m, woran ich<br />
für meine Dissertation geforscht habe: die<br />
Entwicklung ganzzahliger Optimierungssoftware.<br />
Mein Büro befin<strong>de</strong>t sich am<br />
Forschungsinstitut ZIB, ich publiziere<br />
weiterhin und kooperiere mit Kollegen aus<br />
Wissenschaft und Industrie.<br />
Wie erklären Sie Ihren<br />
Kin<strong>de</strong>rn, was Sie tun?<br />
Mit Formen und Körpern – Pyrami<strong>de</strong>n,<br />
Würfeln, Kugeln – spielen Kin<strong>de</strong>r intuitiv,<br />
und auch Logikrätsel begeistern sie. Genau<br />
das ist es, worum sich meine Forschung<br />
dreht. Dadurch kann man mit Kin<strong>de</strong>rn<br />
sowie Erwachsenen schnell ins<br />
Gespräch kommen. Im Moment<br />
<strong>de</strong>nken meine Kin<strong>de</strong>r (ein und<br />
drei Jahre) aber vermutlich<br />
noch, dass ich Pilot<br />
bin – weil ich so häufig<br />
mit <strong>de</strong>m Flugzeug zu<br />
Konferenzen reise.<br />
timierungsprobleme. Heuristiken sind<br />
Verfahren, die versuchen, schnell eine<br />
vergleichsweise gute Lösung für ein gegebenes<br />
Problem zu konstruieren, dabei<br />
aber oft nicht die bestmögliche Lösung<br />
fin<strong>de</strong>n. Man könnte auch sagen, Heuristiken<br />
sind intelligente Rateverfahren.<br />
Heuristische Entscheidungen für Optimierungsprobleme<br />
– klingt sperrig,<br />
kennen wir aber alle aus unserem Alltag.<br />
Stellen Sie sich beispielsweise vor,<br />
Sie wollen ein neues Smartphone kaufen.<br />
Nun könnten Sie sich einen vollständigen<br />
Marktüberblick verschaffen und alle<br />
Marken, Mo<strong>de</strong>lle, Versionen und alle<br />
Angebote miteinan<strong>de</strong>r vergleichen. Das<br />
macht kein Mensch, weil es ewig dauern<br />
wür<strong>de</strong>. Ihr Gewinner wäre wahrscheinlich<br />
schon veraltet, wenn Sie Ihre Entscheidung<br />
getroffen haben. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
gehen Sie zielstrebiger und intuitiv vor.<br />
Sie analysieren einige beson<strong>de</strong>rs relevante<br />
Informationen, zum Beispiel einen Testbericht.<br />
Sie treffen eine Vorauswahl infrage<br />
kommen<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle, die Sie genauer<br />
vergleichen. Sie kaufen bei <strong>de</strong>m Händler<br />
ein, <strong>de</strong>r Sie immer gut beraten hat.<br />
So ähnlich ist das auch bei Heuristiken:<br />
Man sammelt Statistiken, anhand<br />
<strong>de</strong>rer man Entscheidungen trifft, probiert<br />
einfach mal aus, ein paar Variablen zu fixieren,<br />
und nutzt bekannte Muster aus.<br />
Bevor ich etwas genauer auf ein Beispiel<br />
für eine solche Heuristik eingehe, möchte<br />
ich noch eine Sache (er)klären. Als Mathematiker<br />
<strong>de</strong>nke ich nicht <strong>de</strong>n ganzen<br />
Tag über Zahlen und Formeln nach. Viel<br />
häufiger beschäftige ich mich mit Formen<br />
und (mathematischen) Körpern. Wie<br />
kann man sie am besten darstellen, bewegen<br />
o<strong>de</strong>r unterteilen? Denn Gleichungen<br />
und die Verfahren, mit <strong>de</strong>nen man sie löst,<br />
lassen sich oftmals geometrisch begreifen.<br />
Die Menge <strong>de</strong>r zulässigen Lösungen eines<br />
Gleichungssystems ist zum Beispiel ein<br />
Würfel, ein Prisma, ein Kegel o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>in<br />
an<strong>de</strong>rer Körper. Dieser kann komplex<br />
und hochdimensional sein, hat aber im<br />
wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes Ecken und<br />
Kanten. Ein Punkt in diesem Körper ist<br />
die ganzzahlige Optimallösung, nach <strong>de</strong>r<br />
wir suchen.<br />
Eine Heuristik aus meiner Dissertation,<br />
die es mir beson<strong>de</strong>rs angetan hat,<br />
nennt sich „Un<strong>de</strong>rcover“. Sie basiert<br />
auf <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, in einem komplizierten<br />
mathematischen Körper einen einfacher<br />
zu handhaben<strong>de</strong>n Teilkörper zu fin<strong>de</strong>n.<br />
O<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs gesagt: ein riesiges, extrem<br />
schweres Gleichungssystem in ein kleineres,<br />
leichter zu lösen<strong>de</strong>s umzuwan<strong>de</strong>ln.<br />
Stellen Sie sich einen Zylin<strong>de</strong>r vor, also<br />
einen Körper in Form einer Konservendose.<br />
Wenn Sie aus diesem eine einzelne,<br />
hauchdünne Scheibe herausschnei<strong>de</strong>n,<br />
was erhalten Sie? Viele <strong>de</strong>nken zuerst an<br />
einen Kreis, das ist aber nicht die einzige<br />
Möglichkeit. Wenn Sie <strong>de</strong>n Zylin<strong>de</strong>r<br />
entlang <strong>de</strong>r Höhe durchtrennen, dann erhalten<br />
Sie ein Rechteck als Schnittfläche.<br />
Das Interessante an dieser Beobachtung<br />
ist, dass Sie mit einem Schnitt aus einem<br />
run<strong>de</strong>n Objekt eines mit geradlinigen Seiten<br />
gemacht haben.<br />
Mathematisch gesehen entspricht dieses<br />
Schnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Fixieren von Variablen.<br />
Der Körper entspricht <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r zulässigen<br />
Lösungen eines Gleichungssys-<br />
26 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus<br />
Ein mathematisches<br />
Mo<strong>de</strong>ll entsteht oft<br />
zunächst an <strong>de</strong>r Tafel<br />
– und in Teamarbeit.
tems. Und interessanterweise ist es <strong>de</strong>utlich<br />
einfacher, über „geradlinig begrenzte“<br />
Bereiche zu optimieren als über „run<strong>de</strong>“.<br />
O<strong>de</strong>r mathematisch ausgedrückt: Lineare<br />
Optimierung ist leichter als nichtlineare.<br />
Die Un<strong>de</strong>rcover-Heuristik geht genauso<br />
vor: Man bestimmt eine möglichst kleine<br />
Menge von Variablen eines gegebenen<br />
Optimierungsproblems, die man fixieren<br />
muss, um ein solches einfacheres Optimierungsproblem<br />
zu erhalten. Dann löst<br />
man dieses kleinere Problem. Je<strong>de</strong> Lösung<br />
davon ist eine Lösung <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />
Problems, aber nicht umgekehrt.<br />
Einfach, schnell, zuverlässig<br />
Es kann allerdings sein, dass die Optimallösung<br />
eben gera<strong>de</strong> nicht in unserem<br />
kleinen Teilproblem liegt o<strong>de</strong>r im schlechtesten<br />
Fall, dass das Teilproblem gar keine<br />
ganzzahlige Lösung besitzt. Un<strong>de</strong>rcover<br />
ist eben eine Heuristik. Durch die Rechenexperimente<br />
meiner Dissertation konnten<br />
drei Dinge gezeigt wer<strong>de</strong>n. Erstens reicht<br />
es oftmals, relativ wenige Variablen zu fixieren,<br />
um alle Nichtlinearitäten zu entfernen,<br />
das heißt, das Problem zu „begradigen“.<br />
Zweitens konnten die entstehen<strong>de</strong>n<br />
Teilprobleme fast immer extrem schnell<br />
gelöst wer<strong>de</strong>n. Drittens konnte Un<strong>de</strong>rcover<br />
in über <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r Fälle eine zulässige<br />
Lösung fin<strong>de</strong>n. Das ist ein sehr guter<br />
Wert für eine einzelne Heuristik.<br />
Was manche bei meinem Forschungsprojekt<br />
vielleicht als Nachteil sehen wür<strong>de</strong>n,<br />
empfin<strong>de</strong> ich persönlich als großen<br />
Vorteil: Es geht nicht um eine ganz spezielle<br />
Anwendung, son<strong>de</strong>rn um die Mathematik,<br />
die sich allgemein hinter <strong>de</strong>r<br />
Planung und Optimierung von Abläufen<br />
verbirgt. Im Umkehrschluss kommen die<br />
entwickelten Metho<strong>de</strong>n dadurch nämlich<br />
bei sehr vielen Anwendungen zum<br />
Einsatz, wenn auch oftmals „hinter <strong>de</strong>r<br />
Kulisse“. Für die Untersuchungen in meiner<br />
Dissertation arbeitete ich mit <strong>de</strong>r Siemens<br />
AG, <strong>de</strong>r SAP SE und <strong>de</strong>r Open Grid<br />
Europe GmbH zusammen. Diese Firmen<br />
sind Kooperationspartner unseres<br />
Instituts und verwen<strong>de</strong>n die von mir<br />
mitentwickelte Software. Auch die drei<br />
Marktführer für mathematische Optimierungssoftware<br />
– FICO Xpress, IBM<br />
Cplex und Gurobi – setzen heuristische<br />
Verfahren ein, die im Rahmen meiner<br />
Wann fährt <strong>de</strong>r Bus? Gegen wen spielt <strong>de</strong>r Lieblingsverein?<br />
Hat das Handy guten Empfang? In vielen<br />
Alltagssituationen steckt ganzzahlige Optimierung.<br />
Dissertation entwickelt wur<strong>de</strong>n. Solche<br />
Software kommt heutzutage bei fast je<strong>de</strong>m<br />
großen Unternehmen zum Einsatz.<br />
Abpfiff. Das große Spiel wur<strong>de</strong> knapp,<br />
aber verdient gewonnen, das gibt ein hübsches<br />
Polster für die Spielpaarungen <strong>de</strong>r<br />
nächsten Wochen. Auf Ihrem kürzlich gekauften<br />
Smartphone schauen Sie, welche<br />
Busverbindung Sie am schnellsten nach<br />
Hause bringt. Das ist das Schöne bei <strong>de</strong>r<br />
ganzzahligen Optimierung: Wir benutzen<br />
ihre Ergebnisse, ohne groß darüber<br />
nach<strong>de</strong>nken zu müssen. Wenn sie uns im<br />
Alltag begegnet, dann wur<strong>de</strong> die Lösung<br />
schon gefun<strong>de</strong>n. Vielleicht mit einer meiner<br />
Heuristiken.<br />
●<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 27
Licht aus<br />
<strong>de</strong>m Drucker<br />
Flexible Bildschirme, leuchten<strong>de</strong> Getränkedosen und lichtspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tapeten – das alles<br />
soll durch Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n möglich wer<strong>de</strong>n. Über eine Zukunftstechnologie, <strong>de</strong>ren<br />
Geschichte mit <strong>de</strong>m Aussterben <strong>de</strong>r Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren begann.<br />
von Daniel Volz<br />
Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
kurz OLEDs lassen die Bildschirme<br />
von Smartphones, Digitaluhren<br />
und Tablet-Computern in hellen<br />
Farben erstrahlen. Wenn Chemiker das<br />
Wort „organisch“ verwen<strong>de</strong>n, bezieht<br />
sich dies nicht auf Organe o<strong>de</strong>r Organismen,<br />
son<strong>de</strong>rn auf Moleküle, die aus<br />
<strong>de</strong>n chemischen Elementen Kohlenstoff<br />
und Wasserstoff aufgebaut sind. OLEDs<br />
funktionieren prinzipiell ähnlich wie<br />
konventionelle Leuchtdio<strong>de</strong>n (LEDs), die<br />
seit Jahrzehnten dazu verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />
um elektrische Energie effizient in Licht<br />
umzuwan<strong>de</strong>ln. Dabei kommen spezielle<br />
Moleküle zum Einsatz, die wie kleine<br />
Maschinen am Reißbrett entworfen und<br />
dann im Syntheselabor hergestellt wer<strong>de</strong>n<br />
können. Läuft alles nach Plan, so können<br />
die winzigen Apparate als Lichtquellen in<br />
Lampen und Bildschirmen zum Einsatz<br />
kommen. Motor dieser neuen Technologie,<br />
und <strong>de</strong>swegen bisher in allen mo<strong>de</strong>rnen<br />
OLED-Molekülen enthalten, ist<br />
neben Kohlenstoff das 77. Element im Perio<strong>de</strong>nsystem<br />
<strong>de</strong>r Elemente, das Iridium.<br />
Dieses sehr seltene Schwermetall ist nicht<br />
nur aufgrund seiner speziellen physikalischen<br />
Eigenschaften unverzichtbarer Bestandteil<br />
von Bildschirmen, son<strong>de</strong>rn auch<br />
Kronzeuge einer <strong>de</strong>r größten Katastrophen<br />
in <strong>de</strong>r Geschichte unseres Planeten,<br />
<strong>de</strong>s Aussterbens <strong>de</strong>r Dinosaurier – dazu<br />
später mehr.<br />
Zur Herstellung von OLEDs wer<strong>de</strong>n<br />
die Leuchtstoffe durch Erwärmen im Vakuum<br />
verdampft und dann, wie Morgentau<br />
auf <strong>de</strong>r Autoscheibe, als dünne Filme<br />
auf Trägermaterialien wie Glas o<strong>de</strong>r Plastikfolie<br />
wie<strong>de</strong>r abgeschie<strong>de</strong>n. So lassen<br />
sich nahezu beliebig große Bauteile herstellen<br />
– die Firma LG stellte beispielsweise<br />
vor einem Jahr einen OLED-Fernseher<br />
mit beinahe zwei Metern Bildschirmdiagonale<br />
vor. In Zukunft könnten in <strong>de</strong>r<br />
industriellen OLED-Produktion auch<br />
nasschemische Verfahren zum Einsatz<br />
kommen, die im Labormaßstab bereits<br />
erprobt sind. Durch Auflösen in Lösungsmitteln<br />
wer<strong>de</strong>n die organischen<br />
Materialien dabei zu Tinten verarbeitet,<br />
die dann mithilfe von Druckmaschinen<br />
aufgebracht wer<strong>de</strong>n können. Derartiges<br />
lässt sich mit klassischen, „nicht-<br />
Fotos: Wolfram Scheible für bdw<br />
28 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
chemie<br />
DR. DANIEL VOLZ<br />
1986 geboren in Malsch<br />
2005 Abitur<br />
2006 bis 2010 Studium <strong>de</strong>r Chemie am<br />
Karlsruher Institut für Technologie<br />
2010 Diplom in Chemie<br />
2011 bis 2014 Doktorand am Institut für<br />
Organische Chemie <strong>de</strong>s Karlsruher Instituts<br />
für Technologie<br />
15.4.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />
Seit 2014 Wissenschaftler in <strong>de</strong>r Forschung<br />
und Entwicklung bei <strong>de</strong>r cynora GmbH, Bruchsal<br />
Infos: www.logos-verlag.<strong>de</strong>/cgi-bin/<br />
buch/isbn/3822<br />
Kontakt: danielvolz@mail.<strong>de</strong><br />
Die Tinten wer<strong>de</strong>n für die Herstellung<br />
von OLEDs verwen<strong>de</strong>t.<br />
Für das Bild hat Daniel Volz sie<br />
mithilfe von Schwarzlicht zum<br />
Leuchten gebracht.<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 29
chemie<br />
In <strong>de</strong>m Aufbau wer<strong>de</strong>n Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n<br />
in Blau, Cyan und Grün getestet.<br />
Der OLED-Sonnenaufgang<br />
Daniel Volz im bdw-Gespräch<br />
Wie kamen Sie darauf, mit<br />
Kupfer in Organischen Leuchtdio<strong>de</strong>n<br />
zu experimentieren?<br />
Die Verwendung von Kupfer in OLEDs<br />
selbst war ein Zufallsfund: Wir suchen als<br />
Synthesechemiker stets nach neuen Katalysatoren,<br />
auch auf Basis von Kupfer. Bei<br />
einem solchen Experiment fiel uns auf,<br />
dass das als Katalysator gedachte Kupfer<br />
zusammen mit an<strong>de</strong>ren Bestandteilen ein<br />
unerwartetes, hell leuchten<strong>de</strong>s Produkt<br />
gebil<strong>de</strong>t hat. Als wir uns genauer angeschaut<br />
haben, was da entstan<strong>de</strong>n ist, war<br />
schnell klar, dass es eine Anwendung<br />
geben könnte.<br />
Was wür<strong>de</strong>n Sie sich mit OLED-<br />
Tinte drucken?<br />
Ich wür<strong>de</strong> mir vermutlich eine großflächige<br />
Leuchttapete drucken, sie im<br />
Schlafzimmer über das Bett hängen, um<br />
mich in <strong>de</strong>r dunklen Jahreszeit von einem<br />
OLED-Sonnenaufgang wecken zu lassen.<br />
Verführerisch erscheint mir auch ein<br />
transparentes OLED in <strong>de</strong>r Windschutzscheibe<br />
meines Autos zum Ablesen von<br />
Tacho, Füllstand <strong>de</strong>s Benzintanks sowie<br />
zur Navigation, um nicht mehr <strong>de</strong>n Blick<br />
vom Geschehen auf <strong>de</strong>r Straße nehmen<br />
zu müssen.<br />
Wie wichtig ist es Ihnen, Laien<br />
Wissenschaft verständlich zu<br />
machen?<br />
Ich habe schon am Anfang meines<br />
Studiums nebenbei bei einer Lokalzeitung<br />
gearbeitet, um mir meine Miete zu verdienen.<br />
In Karlsruhe, wo ich studiert habe,<br />
ist das KIT viel in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit, aber<br />
die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern<br />
und Zeitungsredakteuren ist<br />
nicht immer so einfach. Da war ich eine<br />
gute Schnittstelle. Ich fin<strong>de</strong>, es gehört zu<br />
<strong>de</strong>n Qualitäten eines Wissenschaftlers,<br />
dass er seine Themen verständlich erklären<br />
und herunterbrechen kann.<br />
organischen“ LEDs nicht realisieren: Die<br />
LED-Materialien bestehen im Gegensatz<br />
zu organischen Stoffen nicht aus isolierten<br />
Molekülen, son<strong>de</strong>rn gela<strong>de</strong>nen Bausteinen,<br />
die in dreidimensionalen Gitternetzwerken<br />
fest miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n<br />
sind und sich we<strong>de</strong>r auflösen noch verdampfen<br />
lassen. Die Möglichkeit, OLEDs<br />
durch Drucken herzustellen, bringt viele<br />
Material<strong>wissenschaft</strong>ler zum Träumen.<br />
Schon Tintenstrahldrucker für <strong>de</strong>n Hausgebrauch<br />
schaffen 50 bis 100 DIN-A4-<br />
Seiten pro Minute. So ließen sich OLEDs<br />
in gigantischen Stückzahlen herstellen<br />
und könnten in Zukunft völlig neue Anwendungen<br />
ermöglichen. Beispielsweise<br />
wur<strong>de</strong>n auf Industriemessen Prototypen<br />
von dünnen, rollbaren o<strong>de</strong>r volltransparenten<br />
Bildschirmen vorgestellt. OLEDs<br />
könnten auch bald am laufen<strong>de</strong>n Meter<br />
verkauft und in Leuchttapeten o<strong>de</strong>r lichterzeugen<strong>de</strong>n<br />
Fassa<strong>de</strong>nelementen zum<br />
Einsatz kommen o<strong>de</strong>r als leuchten<strong>de</strong> Etiketten<br />
auf Getränkeflaschen die Kun<strong>de</strong>n<br />
umwerben.<br />
Mit <strong>de</strong>n bisherigen OLED-Leuchtstoffen<br />
aber wer<strong>de</strong>n diese Erfindungen<br />
nie in Serienproduktion gehen können.<br />
Der Grund ist das eingangs erwähnte<br />
Iridium, welches nötig ist, um effizient<br />
Strom in Licht umzuwan<strong>de</strong>ln. Und hier<br />
sind wir zurück bei <strong>de</strong>n Dinos: Das meiste<br />
ursprünglich auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Iridium sank in <strong>de</strong>r Frühgeschichte unseres<br />
Planeten, vor <strong>de</strong>m Erstarren <strong>de</strong>r damals<br />
noch flüssigen Erdkruste aufgrund<br />
seiner hohen Dichte tief ins Erdinnere,<br />
unerreichbar für Bergleute. Dennoch fin<strong>de</strong>t<br />
sich in bestimmten Gesteinsschichten<br />
ein unerwartet hoher Iridium-Anteil. Der<br />
Physik-Nobelpreisträger Luis Alvarez<br />
führte dies auf <strong>de</strong>n Einschlag eines gigantischen<br />
Iridium-reichen Asteroi<strong>de</strong>n<br />
vor 66 Millionen Jahren zurück, <strong>de</strong>n er<br />
außer<strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Auslöser jener Klimakatastrophe<br />
hielt, die damals drei Viertel<br />
aller Tier- und Pflanzenarten und fast alle<br />
Dinosaurier ausrottete. Der in etwa 200<br />
Kilometer breite Einschlagskrater wur<strong>de</strong><br />
bei Chicxulub im Golf von Mexiko gefun<strong>de</strong>n.<br />
Das heute abbaufähige Iridium<br />
stammt von diesem und kleineren Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen.<br />
Wür<strong>de</strong>n alle <strong>de</strong>nkbaren<br />
OLED-Anwendungen mit heutiger<br />
Technologie realisiert, so wäre das wenige<br />
vorhan<strong>de</strong>ne Iridium bald aufgebraucht.<br />
Iridium re cy cel bar?<br />
Dabei ist lei<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Umstand, dass<br />
nur wenige Nanometer dünne Schichten<br />
an Leuchtstoff in OLEDs verwen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n, von Nachteil. Im Vergleich zur<br />
Gesamtmasse eines OLED-Bildschirms ist<br />
die Konzentration an Iridium pro Bauteil<br />
noch kleiner als in Iridium-haltigen Erzen.<br />
Dies sorgt dafür, dass in OLEDs verbautes<br />
Iridium mit heutigen Techniken nicht wie<strong>de</strong>r<br />
zurückgewonnen wer<strong>de</strong>n kann. Wür<strong>de</strong>n<br />
neben Bildschirmen auch leuchten<strong>de</strong><br />
Wan<strong>de</strong>lemente und Verpackungen im Supermarkt<br />
mit OLEDs ausgestattet, wäre<br />
ein signifikanter Teil <strong>de</strong>s jährlich geför<strong>de</strong>rten<br />
Iridiums für immer verloren.<br />
Noch ist unklar, ob das Recycling aus<br />
OLEDs überhaupt jemals möglich sein<br />
wird. Unabhängig davon ist Iridium auch<br />
für an<strong>de</strong>re Hightech-Anwendungen heiß<br />
begehrt, sodass Forscher darüber diskutieren,<br />
neue Quellen im Weltraum zu<br />
erschließen. Dabei wür<strong>de</strong>n erdnahe Asteroi<strong>de</strong>n<br />
mit Raumschiffen angeflogen wer<strong>de</strong>n,<br />
um dort seltene Metalle zu gewinnen<br />
und zu uns auf die Er<strong>de</strong> zu transportieren.<br />
Ob dieses sogenannte Asteroid Mining jemals<br />
funktionieren wird, steht aber buchstäblich<br />
in <strong>de</strong>n Sternen.<br />
Diese entmutigen<strong>de</strong>n Aussichten motivierten<br />
mich und an<strong>de</strong>re Wissenschaftler<br />
dazu, unter <strong>de</strong>n 90 an<strong>de</strong>ren metallischen<br />
Elementen im Perio<strong>de</strong>nsystem nach nachhaltigeren<br />
Alternativen zu suchen. Schon<br />
30 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
früh, im Jahr 1999, i<strong>de</strong>ntifizierten Wissenschaftler<br />
das relativ häufig vorkommen<strong>de</strong><br />
Kupfer als <strong>de</strong>nkbare Alternative.<br />
Bemerkenswerterweise wur<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong><br />
Leuchtstoffklassen – solche mit Kupfer<br />
und solche mit Iridium – nur mit wenigen<br />
Wochen zeitlichem Abstand in <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Fachblättern veröffentlicht.<br />
Dass sich das Iridium früh durchsetzen<br />
konnte, hat zwei Hauptgrün<strong>de</strong>: die geringe<br />
Stabilität <strong>de</strong>r damals vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Kupferverbindungen und die damals<br />
noch <strong>de</strong>utlich schlechtere Effizienz <strong>de</strong>r<br />
Lichterzeugung bei Kupfer. Das Ziel meines<br />
Promotionsprojektes bestand darin,<br />
diese Schwachstellen zu beseitigen. Der<br />
springen<strong>de</strong> Punkt ist dabei die fragile<br />
Struktur <strong>de</strong>r frühen Kupferkomplexe: Sie<br />
enthielten ein einziges, positiv gela<strong>de</strong>nes<br />
Kupferatom, an das weitere Molekülteile<br />
aus Elementen wie Kohlenstoff, Phosphor<br />
und Stickstoff, die sogenannten Ligan<strong>de</strong>n,<br />
angebun<strong>de</strong>n waren. Moleküle aus Metallatomen<br />
und Ligan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n auch als<br />
Metallkomplexe bezeichnet.<br />
Wer<strong>de</strong>n Kupferkomplexe im OLED-<br />
Bauteil mit elektrischer Energie versorgt,<br />
so wird ein Mechanismus in Kraft gesetzt,<br />
bei <strong>de</strong>m ein Elektron zeitweise vom<br />
Kupferatom auf einen Ligan<strong>de</strong>n übertra-<br />
gen wird. Nach sehr kurzer Zeit, typischerweise<br />
einer Mikrosekun<strong>de</strong>, springt<br />
das Elektron wie ein Ball an einem gespannten<br />
Gummiband wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Ursprungsort<br />
zurück, und das Molekül erzeugt<br />
sichtbares Licht. Obwohl alles sehr<br />
schnell geht, ist dieser Vorgang relativ<br />
störanfällig. Anstelle <strong>de</strong>r Lichterzeugung<br />
können die enormen Belastungen durch<br />
das Verschieben <strong>de</strong>r Elektronen auch zur<br />
Verformung <strong>de</strong>r Komplexe führen – die<br />
elektrische Energie wird bei diesem unerwünschten<br />
Vorgang in Wärme anstatt<br />
Licht umgewan<strong>de</strong>lt. Problematisch war<br />
auch die Verarbeitung <strong>de</strong>r Komplexe zu<br />
OLED-Bauteilen. Beim Versuch, eine<br />
Drucktinte herzustellen, fielen die bei<strong>de</strong>n<br />
Ligan<strong>de</strong>n oft einfach vom Kupfer ab<br />
und ordneten sich neu an. In diesem auch<br />
als „Scrambling“ bezeichneten Vorgang<br />
entsteht so sprichwörtlich molekulares<br />
Rührei mit völlig an<strong>de</strong>ren Eigenschaften<br />
– für OLEDs ist diese Mischung nicht<br />
mehr zu gebrauchen.<br />
Um <strong>de</strong>n Kupferkomplexen eine höhere<br />
Effizienz zu verleihen und sie verarbeiten<br />
zu können, musste ich das bisherige<br />
Design <strong>de</strong>r Materialien generalüberholen.<br />
Dem einen, bisher vorhan<strong>de</strong>nen Kupferatom<br />
stellte ich ein zweites zur Seite.<br />
So wird bei <strong>de</strong>r Lichterzeugung die Belastung<br />
auf mehrere Schultern verteilt,<br />
und die Gefahr einer Verformung <strong>de</strong>s<br />
Moleküls wird <strong>de</strong>utlich verringert. Dies<br />
konnte nicht nur im Labor, son<strong>de</strong>rn auch<br />
durch computergestützte Simulationen<br />
bestätigt wer<strong>de</strong>n. Ein weiterer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Schritt war die Anbringung einer<br />
Kette aus Kohlenstoffatomen zwischen<br />
<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ligan<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>r<br />
molekularen Struktur mehr Stabilität zu<br />
verleihen. So zusammengeschnürt können<br />
die Komplexe nicht nur Licht nahezu<br />
verlustfrei – mit einer Effizienz von mehr<br />
als 90 Prozent – erzeugen, son<strong>de</strong>rn sind<br />
auch stabil genug, um zu Tinten verarbeitet<br />
und gedruckt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Nach<strong>de</strong>m Iridium im Effizienz-Wettlauf<br />
mit <strong>de</strong>m Kupfer 15 Jahre lang weit<br />
in Führung lag, sind die bei<strong>de</strong>n Leuchtstoff-Formen<br />
nun gleichauf. Falls noch<br />
bestehen<strong>de</strong> Probleme, darunter die Lebensdauer<br />
<strong>de</strong>r Bauteile, technisch gelöst<br />
wer<strong>de</strong>n können, könnte <strong>de</strong>r ewige Zweite<br />
<strong>de</strong>n Champion doch noch überholen.<br />
Das Problem <strong>de</strong>r Rohstoffverfügbarkeit<br />
ist bei Verwendung von Kupfer je<strong>de</strong>nfalls<br />
gelöst – auch ohne extraterrestrischen<br />
Bergbau und unabhängig von neuerlichen<br />
Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen. ●<br />
Die Tinten für OLEDs müssen frei von<br />
Verunreinigungen sein. Daniel Volz<br />
(rechts) und sein Kollege durchleuchten<br />
die Flüssigkeit zur Kontrolle mit<br />
starkem Licht.<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 31
Science Media Center<br />
Geprüfte Zutaten<br />
für Journalisten<br />
In Köln entsteht <strong>de</strong>rzeit das Science Media Center – eine Schnittstelle zwischen Journalismus und<br />
Wissenschaft, die die Berichterstattung über Forschungsthemen verbessern soll.<br />
von Cornelia Varwig<br />
Schokola<strong>de</strong> macht dünn“, „Gen-<br />
Mais tötet“, „Cholera kann über<br />
Ostsee nach Deutschland kommen“<br />
– mit solchen Sensationsergebnissen<br />
schafft es die Wissenschaft immer<br />
wie<strong>de</strong>r in die Schlagzeilen. Doch viele<br />
dieser Meldungen stimmen so nicht, wie<br />
unter an<strong>de</strong>rem drei renommierte Wissenschaftler<br />
regelmäßig auf ihrer Internetseite<br />
„Unstatistik <strong>de</strong>s Monats“ zeigen.<br />
Den Nachrichten liegen zwar in <strong>de</strong>r Regel<br />
Presseinformationen zugrun<strong>de</strong>, doch<br />
<strong>de</strong>r Teufel steckt im Detail. Fehlerquellen<br />
sind Statistiken, falsch verstan<strong>de</strong>ne<br />
Kausalitäten o<strong>de</strong>r eine undifferenzierte<br />
Darstellung. Mitunter treibt die Autoren<br />
auch ein zu großer Ehrgeiz an, eine packen<strong>de</strong><br />
News zu verkün<strong>de</strong>n – das betrifft<br />
Journalisten ebenso wie die Verfasser <strong>de</strong>r<br />
Pressemitteilungen.<br />
Journalisten bei tagesaktuellen Medien<br />
fehlen zu<strong>de</strong>m oft Zeit und Ressourcen,<br />
einer Sache auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen und<br />
etwa die auf Englisch verfassten und mit<br />
Fachwörtern gespickten Original-Veröffentlichungen<br />
zu studieren. Und <strong>de</strong>r Allroun<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>n Tag an<strong>de</strong>re Themen<br />
auf <strong>de</strong>m Tisch hat, kann sich nicht mit<br />
Details <strong>de</strong>r Biotechnologie, Ökotrophologie<br />
o<strong>de</strong>r Seuchenmedizin auskennen.<br />
Doch Themen mit Wissenschaftsbezug<br />
wer<strong>de</strong>n immer wichtiger. So sind auch<br />
bei Katastrophen wie <strong>de</strong>m Reaktorunfall<br />
von Fukushima o<strong>de</strong>r bei vermeintlichen<br />
Killerviren Journalisten gefor<strong>de</strong>rt, rasch<br />
Fakten und verlässliche Einschätzungen<br />
zu liefern.<br />
Hier kommt das kürzlich gegrün<strong>de</strong>te<br />
Science Media Center Germany (SMC)<br />
ins Spiel, das im Spätsommer seine Arbeit<br />
in Köln aufgenommen hat. Ab Frühjahr<br />
2016 wer<strong>de</strong>n die sechs Mitarbeiter<br />
geprüfte und gefilterte Informationen aus<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaft anbieten – unabhängig<br />
und neutral, von Journalisten für Journalisten.<br />
„Wir haben kein Interesse, bloß<br />
Sprachrohr <strong>de</strong>r Wissenschaft zu sein“,<br />
betont Volker Stollorz, Geschäftsführer<br />
und Redaktionsleiter <strong>de</strong>s SMCs. Es gehe<br />
vielmehr darum, bestmögliche Expertise<br />
für Journalisten bereitzustellen, wenn<br />
Wissenschaft in die Schlagzeilen kommt.<br />
Experten auf Abruf<br />
Das Herzstück wird die Expertendatenbank<br />
sein – zunächst vor allem mit Forschern<br />
aus <strong>de</strong>n Lebens<strong>wissenschaft</strong>en und<br />
<strong>de</strong>r Medizin. „Zu<strong>de</strong>m suchen wir Fachleute,<br />
die zu <strong>de</strong>n großen Dauerthemen<br />
Klimawan<strong>de</strong>l und Energiewen<strong>de</strong> kompetent<br />
Auskunft geben sowie zu <strong>de</strong>n medial<br />
noch unterbelichteten Fel<strong>de</strong>rn Computersicherheit<br />
und Big Data“, sagt Stollorz.<br />
Die Experten sollen neu veröffentlichte<br />
Studien möglichst vorab einordnen, die<br />
darin verwen<strong>de</strong>ten Metho<strong>de</strong>n erläutern<br />
und eine Einschätzung geben, ob es sich<br />
um ein Mosaiksteinchen o<strong>de</strong>r eine weitreichen<strong>de</strong><br />
Erkenntnis han<strong>de</strong>lt. „Bei <strong>de</strong>r<br />
Publikationsflut in <strong>de</strong>r Wissenschaft kann<br />
<strong>de</strong>r Einzelne nicht alles auf <strong>de</strong>m Schirm<br />
haben“, weiß <strong>de</strong>r Wissenschaftsjournalist<br />
Stollorz aus Erfahrung. Das Angebot<br />
heißt „Round-up“ und wird, wenn nötig,<br />
innerhalb von 24 Stun<strong>de</strong>n verfügbar sein.<br />
„Die erste Einschätzung kann mal nur<br />
ein Satz o<strong>de</strong>r Absatz sein“, sagt er. Auch<br />
sen<strong>de</strong>fähige O-Töne sind angedacht. Fertige<br />
Artikel wird es hingegen nicht geben,<br />
allenfalls „Zutaten“ für die Berichte <strong>de</strong>r<br />
Journalisten.<br />
Zu<strong>de</strong>m sind Online-Pressekonferenzen<br />
zu beson<strong>de</strong>ren Themen geplant sowie<br />
sogenannte Rapid Reactions. Darin<br />
geben Experten erste Einschätzungen zu<br />
aktuellen Ereignissen, etwa: Wie hoch ist<br />
das Strahlenrisiko in Fukushima? Welche<br />
Gefahr geht von EHEC aus? O<strong>de</strong>r: War<br />
<strong>de</strong>r Germanwings-Pilot <strong>de</strong>pressiv? Der<br />
Foto: Science Media Center/Thomas Hebler<br />
32 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Die drei Geschäftsführer <strong>de</strong>s Science Media Centers: Volker Stollorz<br />
(links), zugleich Redaktionsleiter, Beate Spiegel, zugleich Geschäftsführerin<br />
<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung und Mirko Meurer, zuständig für<br />
das Kaufmännische.<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 33
Science Media Center<br />
Wenn Wissenschaft Schlagzeilen macht,<br />
stehen die Experten <strong>de</strong>s Science Media<br />
Centers künftig bereit.<br />
Service ist als Orientierung und Arbeitserleichterung<br />
für Allroun<strong>de</strong>r gedacht.<br />
Freilich besteht das kostenfreie Angebot<br />
auch für Fachjournalisten.<br />
Möglich wird die Arbeit in <strong>de</strong>n ersten<br />
drei Jahren durch die Anschubfinanzierung<br />
<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />
in Höhe von 1,5 Millionen Euro. „Ein<br />
wichtiges Anliegen von Klaus Tschira<br />
war es, <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Erkenntnisse zugänglich zu machen.<br />
Mit <strong>de</strong>m Science Media Center<br />
kommen wir diesem Ziel wie<strong>de</strong>r ein<br />
Stück näher“, sagt Beate Spiegel, Geschäftsführerin<br />
<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />
und <strong>de</strong>s SMCs.<br />
Langfristig sollen sich die Kosten<br />
für <strong>de</strong>n Science-Service auf möglichst<br />
viele Schultern verteilen. Die Initiatoren<br />
<strong>de</strong>nken an maximal fünf Prozent<br />
pro För<strong>de</strong>rer – um die Neutralität zu<br />
wahren und keinen zu großen Einfluss<br />
einzelner Interessenvertreter zuzulassen.<br />
Derzeit wer<strong>de</strong>n Gespräche mit diversen<br />
Institutionen aus Wissenschaft, Medien<br />
und Wirtschaft geführt. „Einige große<br />
<strong>de</strong>utsche Wissenschaftsorganisationen<br />
befürworten die Initiative bereits“, berichtet<br />
Mirko Meurer, kaufmännischer<br />
Geschäftsführer. Und auch in <strong>de</strong>r Ver-<br />
lagswelt haben sich laut Meurer bereits<br />
potenzielle Unterstützer gefun<strong>de</strong>n.<br />
Seit Beginn <strong>de</strong>r Planung ist die Wissenschafts-Pressekonferenz<br />
(WPK) als kritischer<br />
Sparringspartner mit an Bord. Der<br />
Verein für Wissenschaftsjournalisten ist<br />
Mitgesellschafter <strong>de</strong>s SMCs und fungiert<br />
auch als Gütesiegel. „Wir kümmern uns<br />
schon seit 1986 um die Qualität im Wissenschaftsjournalismus.<br />
So ist die enge<br />
Verzahnung mit <strong>de</strong>m SMC eine logische<br />
Fortsetzung unserer Arbeit“, sagt <strong>de</strong>r erste<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> Martin Schnei<strong>de</strong>r.<br />
Besseres Standing <strong>de</strong>r Journalisten<br />
Dass das SMC sowohl finanziell als auch<br />
inhaltlich funktioniert, zeigt das Vorbild<br />
in London. Dort steht quasi die Mutter<br />
aller Science Media Center – mit Nachahmern<br />
in Japan, Australien, Neuseeland<br />
und Kanada. In Großbritannien ist<br />
<strong>de</strong>r Hauptgeldgeber <strong>de</strong>r gemeinnützige<br />
„Wellcome Trust“. Daneben steuern über<br />
100 Institutionen ihren Teil zur Finanzierung<br />
bei. Die Erfahrung aus zwölf Jahren<br />
hat laut Stollorz gezeigt, dass sich die Berichterstattung<br />
über Wissenschaft in <strong>de</strong>n<br />
britischen Medien verbessert hat und die<br />
dafür zuständigen Kollegen ein besseres<br />
Standing in <strong>de</strong>n Redaktionen haben. Zu<strong>de</strong>m<br />
hätten Wissenschaftsthemen einen<br />
höheren Stellenwert – und das sei auch<br />
das Ziel für das <strong>de</strong>utsche Pendant.<br />
Damit begegnet Stollorz Be<strong>de</strong>nkenträgern,<br />
die fürchten, infolge <strong>de</strong>r Versorgung<br />
mit Wissen frei Haus wür<strong>de</strong>n Wissenschaftsressorts<br />
in Redaktionen eingespart<br />
und weniger Aufträge an freie Journalisten<br />
vergeben. „Der Journalismus steckt<br />
in einer Krise seiner Erlösmo<strong>de</strong>lle. Stellen<br />
wer<strong>de</strong>n so o<strong>de</strong>r so abgebaut“, meint<br />
Stollorz. Darauf habe das Science Media<br />
Center lei<strong>de</strong>r keinen Einfluss.<br />
Eine weitere Sorge ist, dass immer dieselben<br />
Forscher zu Wort kommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch das Gegenteil wird <strong>de</strong>r Fall<br />
sein, versichert WPK-Chef Schnei<strong>de</strong>r. Es<br />
sollen möglichst viele Experten in die<br />
Datenbank aufgenommen wer<strong>de</strong>n, die<br />
die Journalisten noch gar nicht auf <strong>de</strong>m<br />
Schirm haben – damit eben nicht überall<br />
<strong>de</strong>rselbe Klima- o<strong>de</strong>r EHEC-Experte auftaucht.<br />
Auch verschie<strong>de</strong>ne Standpunkte<br />
bei <strong>wissenschaft</strong>lichen Kontroversen<br />
sollen so sichtbarer wer<strong>de</strong>n. „Es ist viel<br />
Expertise da, die bisher noch gar nicht<br />
angezapft wur<strong>de</strong>“, bekräftigt Stollorz. ●<br />
www.sciencemediacenter.<strong>de</strong><br />
34 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus
Fotos: Zerbor/Fotolia.com; interTOPICS/J. Enoch/ddp images (Foto rechts)<br />
Die Anti-<br />
PR-Maschine<br />
Seit 2002 gibt es in Großbritannien ein<br />
Science Media Center. Es hat für eine<br />
Revolution in <strong>de</strong>r Kommunikationskultur<br />
gesorgt, sagt die Chefin Fiona Fox.<br />
Das Gespräch führte Cornelia Varwig<br />
Wissenschaftler sind vielbeschäftigte<br />
Menschen. Wie<br />
bringen Sie sie dazu, mit <strong>de</strong>m<br />
Science Media Center (SMC)<br />
zusammenzuarbeiten?<br />
Im Prinzip haben Wissenschaftler selbst<br />
das Science Media Center in Großbritannien<br />
initiiert – aus <strong>de</strong>r Erkenntnis<br />
heraus, dass etwas schiefläuft. Es gab<br />
einige Themen auf <strong>de</strong>n Titelseiten,<br />
etwa gentechnisch verän<strong>de</strong>rte Pflanzen,<br />
Impfen o<strong>de</strong>r Tierversuche, bei <strong>de</strong>nen die<br />
<strong>wissenschaft</strong>liche Community nicht gut<br />
eingebun<strong>de</strong>n war. Mehr noch: Sie glänzte<br />
durch Abwesenheit. Jetzt geben Wissenschaftler<br />
ihre Einschätzungen ab, bevor<br />
Journalisten damit an die Öffentlichkeit<br />
gehen. Insgesamt hat eine Revolution in<br />
<strong>de</strong>r Kommunikationskultur stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Heißt das, Sie haben die Mehrheit<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaftler überzeugt?<br />
Ein Großteil <strong>de</strong>r Forscher hat auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall verstan<strong>de</strong>n, dass es zu ihrer Arbeit<br />
gehört, mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu sprechen.<br />
Wir haben über 3000 Wissenschaftler in<br />
unserer Datenbank, die dafür bereitstehen.<br />
Allerdings gibt es jetzt ein neues<br />
Problem: Die Überprofessionalisierung <strong>de</strong>r<br />
Wissenschaftskommunikation. Nach <strong>de</strong>m<br />
wun<strong>de</strong>rbaren Durchbruch kommen jetzt<br />
Pressereferenten dazwischen, die meinen,<br />
die Wissenschaftler sollten nur über Themen<br />
sprechen, die gut für das Image <strong>de</strong>s<br />
eigenen Instituts sind. Das ist ein neuer<br />
Grund, warum Wissenschaftler nicht an<br />
<strong>de</strong>r Kommuniaktion beteiligt sind.<br />
Wie messen Sie Ihren Erfolg?<br />
Die Antwort ist wohl frustrierend: Wir haben<br />
keine Möglichkeit, die Wirkung auf die<br />
Öffentlichkeit zu ermitteln. Wir wissen ja<br />
nicht einmal, ob ganze Zeitungsartikel o<strong>de</strong>r<br />
nur Überschriften gelesen wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
Studie hat gezeigt, dass die Mehrheit <strong>de</strong>r<br />
Leser weiß, dass in Überschriften häufig<br />
übertrieben wird. Und sie halten in <strong>de</strong>n<br />
Texten Ausschau nach Expertenmeinungen.<br />
Wir glauben einfach daran, dass eine<br />
öffentliche Debatte etwa über Fukushima<br />
besser wird, je mehr soli<strong>de</strong> Fakten die<br />
Menschen erhalten. Bei manchen Hype-<br />
Themen bleibt es aber schwierig.<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
Dieses Jahr war es Zucker. Ein US-Forscher<br />
schrieb, dass Zucker ähnlich giftig sei<br />
wie Tabak. Journalisten liebten diese<br />
Schlagzeile. Eine Studie behauptete zu<strong>de</strong>m,<br />
Zucker mache abhängig. All unsere<br />
Experten sagten, dass die Untersuchung<br />
nicht verlässlich sei und dass Zucker okay<br />
ist, wenn man nicht zu viel davon isst. Was<br />
machten Journalisten daraus: Wissenschaftler<br />
sagen, Zucker ist schlecht, essen<br />
Sie nicht zu viel davon!<br />
Bald wird das Science Media<br />
Center in Deutschland seine<br />
Arbeit aufnehmen. Was erwartet<br />
die Journalisten und Wissenschaftler?<br />
Eine unabhängige Stelle für Wissenschaftsthemen.<br />
Kritiker halten unsere<br />
Informationen für Wissenschafts-PR.<br />
Die Journalistin Fiona Fox leitet das Science<br />
Media Center seit seiner Gründung.<br />
Doch eigentlich han<strong>de</strong>lt es sich beinahe<br />
um eine Anti-PR-Maschine. Wir sind zwar<br />
pro Wissenschaft, aber wir unterstützen<br />
keine bestimmte Einrichtung o<strong>de</strong>r Agenda.<br />
Nach 25 Jahren in <strong>de</strong>r Pressearbeit war es<br />
für mich persönlich befreiend, nicht mehr<br />
die Message einer bestimmten Institution<br />
verkün<strong>de</strong>n zu müssen.<br />
Welche Empfehlung geben Sie<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen SMC-Kollegen<br />
auf <strong>de</strong>n Weg?<br />
Das Wichtigste ist ein gutes Verhältnis zu<br />
<strong>de</strong>n Journalisten. Viele publizieren unter<br />
Zeitdruck Dinge, die nicht ganz stimmen.<br />
Wür<strong>de</strong>n wir sie dafür öffentlich verurteilen,<br />
wäre das das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zusammenarbeit.<br />
Es gibt in Großbritannien Blogger, die<br />
schlechte Wissenschaftsberichterstattung<br />
öffentlich ächten. Unsere Aufgabe ist das<br />
nicht. Wir sollten Journalisten helfen, es<br />
besser zu machen.<br />
IMPRESSUM<br />
Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft<br />
Eine Son<strong>de</strong>rpublikation von bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />
Erscheinungstermin: Oktober 2015<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
VerLAG: Konradin Medien GmbH<br />
Ernst-Mey-Straße 8<br />
70771 Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
Chefredakteur: Wolfgang Hess<br />
Projektleitung: Cornelia Varwig<br />
Grafische Gestaltung: Ricardo Martins<br />
Bildredaktion: Ruth Rehbock<br />
schlussRedaktion: Astrid Froese<br />
Redaktion Klaus Tschira Stiftung:<br />
Renate Ries, Agnes Schulze<br />
Vertrieb: Kosta Poulios<br />
Druck: Konradin Druck GmbH<br />
Kohlhammerstr. 1–15<br />
70771 Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen<br />
Weitere Exemplare können Sie anfor<strong>de</strong>rn bei:<br />
Klaus Tschira Stiftung gGmbH<br />
Villa Bosch, Schloss-Wolfsbrunnenweg 33<br />
69118 Hei<strong>de</strong>lberg<br />
www.klaus-tschira-preis.info<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 35
Einsen<strong>de</strong>schluss: 29. Februar 2016<br />
2016<br />
I...<br />
we...<br />
you...<br />
KlarText!<br />
Bewerben Sie sich<br />
um <strong>de</strong>n Klaus Tschira Preis für<br />
verständliche Wissenschaft, kurz:<br />
KlarText!<br />
Je<strong>de</strong>s Jahr zeichnet die Klaus Tschira<br />
Stiftung damit Wissenschaftler aus,<br />
die die Ergebnisse ihrer herausragen<strong>de</strong>n<br />
Dissertation in einem Artikel<br />
erklären — verständlich, spannend,<br />
anschaulich.<br />
Teilnahmebedingungen<br />
• Promotion 2015 in Biologie,<br />
Chemie, Informatik, Mathematik,<br />
Neuro<strong>wissenschaft</strong>en, Physik o<strong>de</strong>r<br />
einem angrenzen<strong>de</strong>n Fachgebiet<br />
• Herausragen<strong>de</strong> Forschungsergebnisse<br />
• Ein allgemein verständlicher<br />
Textbeitrag über die eigene Forschungsarbeit<br />
• Einsen<strong>de</strong>schluss: 29. Februar 2016<br />
Je<strong>de</strong>r gewinnt!<br />
• Je<strong>de</strong>r Teilnehmer kann am zweitägigen<br />
Workshop Wissenschaftskommunikation<br />
teilnehmen<br />
• 5000 Euro Geldpreis pro Gewinner<br />
in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r sechs Fachgebiete<br />
• Veröffentlichung <strong>de</strong>r Siegerbeiträge<br />
in einer KlarText!-Son<strong>de</strong>rbeilage<br />
<strong>de</strong>s Wissenschaftsmagazins bild<br />
<strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong><br />
www.klaus-tschira-preis.info<br />
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