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<strong>wissenschaft</strong>.<strong>de</strong><br />

plus<br />

Die Preisträger 2015<br />

Eine Son<strong>de</strong>rpublikation in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r<br />

Klaus Tschira Stiftung gGmbH


Ent<strong>de</strong>ckerbücher für Neugierige<br />

ERSCHIENEN IN DER EDITION<br />

KLAUS TSCHIRA STIFTUNG<br />

Schlau kochen<br />

ISBN: 978-3-86528-608-6<br />

Schlau gärtnern<br />

ISBN: 978-3-86528-733-5<br />

Schlau bauen<br />

ISBN: 978-3-86528-752-6<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.klaus-tschira-stiftung.<strong>de</strong>/ent<strong>de</strong>ckerbuecher


Editorial<br />

INHALT<br />

MATHEMATIK<br />

Foto: W. Scheible<br />

Wolfgang Hess, Chefredakteur<br />

Titelgestaltung: Peter Kotzur<br />

Der Preis und seine Kraft<br />

Sie fahren gelegentlich im Linienbus? Telefonieren mit <strong>de</strong>m Handy? Damit das so klappt,<br />

wie Sie sich das wünschen, optimieren Mathematiker Fahrpläne und Frequenzen.<br />

Bald wird es flexible Bildschirme und leuchten<strong>de</strong> Getränkedosen geben. Dahinter<br />

steckt eine Technologie, die etwas mit <strong>de</strong>m Aussterben <strong>de</strong>r Dinosaurier vor 66 Millionen<br />

Jahren zu tun hat.<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>s Universums kann man in <strong>de</strong>r Tiefsee ablesen. Denn explodieren<strong>de</strong><br />

Sterne hinterlassen Reste in <strong>de</strong>n Ozeanen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.<br />

Das sind die Inhalte von drei <strong>de</strong>r sieben Beiträge, die in diesem Jahr von <strong>de</strong>r<br />

Jury <strong>de</strong>s Klaus Tschira Preises für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet wur<strong>de</strong>n.<br />

Dafür erhalten die Autoren ein Preisgeld von je 5000 Euro. Diese Auszeichnung, die im<br />

20. Jubiläumsjahr <strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung zum zehnten Mal weltweit ausgelobt<br />

wur<strong>de</strong>, wird sich auch bei <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong>lichen Karriere <strong>de</strong>r Preisträger positiv<br />

bemerkbar machen.<br />

Wie gut die zwei Frauen und fünf Männer ihre Dissertation allgemeinverständlich<br />

„übersetzen“ konnten, dokumentiert diese Son<strong>de</strong>rausgabe von bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong>:<br />

Alle Siegerbeiträge sind in ihrer Originalfassung abgedruckt.<br />

Ich bin mir sicher, <strong>de</strong>r Stifter <strong>de</strong>s Preises hätte seine Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Darstellungskunst<br />

<strong>de</strong>r sieben gefun<strong>de</strong>n – und auch an <strong>de</strong>r optischen Umsetzung <strong>de</strong>r Forschungsarbeiten<br />

in diesem bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus. Doch Klaus Tschira, einer <strong>de</strong>r größten Mäzene<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaft, ist lei<strong>de</strong>r am 31. März dieses Jahres in Hei<strong>de</strong>lberg im Alter von<br />

74 Jahren verstorben.<br />

Für die Angehörigen, das Team <strong>de</strong>r Stiftung, viele Menschen in <strong>de</strong>r Forschung und<br />

auch für mich ist dies ein schwerer Verlust. Klaus Tschira war ein außergewöhnlicher<br />

Mensch. Über ein gutes Jahrzehnt hinweg hatten wir immer wie<strong>de</strong>r Kontakt. Sowohl<br />

bei <strong>de</strong>n Jurysitzungen als auch bei <strong>de</strong>n Preisverleihungen hatte ich das Vergnügen, <strong>de</strong>n<br />

großen Sohn Ba<strong>de</strong>ns mit all seiner schöpferischen Kraft zu erleben.<br />

Sprachlich gewitzt stellte er je<strong>de</strong>s<br />

Jahr aufs Neue unter Beweis, wie wichtig<br />

es war und wie wichtig es ihm war,<br />

dass er an <strong>de</strong>r Endauswahl <strong>de</strong>r Preisträgerarbeiten<br />

teilnahm. Seine Anmerkungen<br />

zeigten <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Juroren sein<br />

Qualitätsbewusstsein, insbeson<strong>de</strong>re<br />

wenn es um die sprachlich saubere Vermittlung<br />

von Doktorarbeiten ging.<br />

Bei <strong>de</strong>r Verleihung <strong>de</strong>s diesjährigen<br />

Klaus Tschira Preises wird <strong>de</strong>r Stifter<br />

im Geiste <strong>de</strong>r Gäste präsent sein. Mehr<br />

noch: Sein Legat wird dafür sorgen, die<br />

Natur<strong>wissenschaft</strong>en in Deutschland<br />

nachhaltig in die Öffentlichkeit zu tragen.<br />

Foto: T. Wegner<br />

4 Wenn <strong>de</strong>m Nervenkabel die<br />

Isolierung fehlt<br />

Robert Fledrich, Neuro<strong>wissenschaft</strong>en<br />

8 Fresszellen haben <strong>de</strong>n Dreh raus<br />

Ima Avalos Vizcarra, Biologie<br />

12 Ein Bauplan für Hochstapler<br />

Sascha Heitkam, Physik<br />

16 Astronomie unter <strong>de</strong>m Meer<br />

Jenny Feige, Physik<br />

20 Live-Übertragung aus <strong>de</strong>r Lunge<br />

Peter Salz, Informatik<br />

24 Gut geraten<br />

Timo Berthold, Mathematik<br />

28 Licht aus <strong>de</strong>m Drucker<br />

Daniel Volz, Chemie<br />

32 Geprüfte Zutaten für Journalisten<br />

Das neue Science Media Center<br />

35 Impressum<br />

Bis zu seinem Tod<br />

im März 2015 war<br />

<strong>de</strong>r Physiker und<br />

Stifter Klaus Tschira<br />

unermüdlich damit<br />

beschäftigt, I<strong>de</strong>en<br />

für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Natur<strong>wissenschaft</strong>en<br />

zu ersinnen und<br />

mit seiner Stiftung<br />

umzusetzen.<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 3


Dr. Robert Fledrich<br />

1983 geboren in Erlabrunn (Sachsen)<br />

2001 Abitur und Zivildienst<br />

2002 bis 2003 Studium <strong>de</strong>r Bioinformatik<br />

an <strong>de</strong>r Universität Leipzig<br />

2003 bis 2009 Studium <strong>de</strong>r Biologie an <strong>de</strong>r<br />

Georg-August-Universität Göttingen<br />

2009 Diplom in Biologie<br />

seit 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Max-Planck-Institut (MPI) für Experimentelle<br />

Medizin, Göttingen<br />

2010 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>r Neurogenetik<br />

am MPI für Experimentelle Medizin, Göttingen<br />

8.5.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

seit 2014 Postdoktorand am MPI für<br />

Experimentelle Medizin, Göttingen<br />

Infos: www.em.mpg.<strong>de</strong><br />

Kontakt: fledrich@em.mpg.<strong>de</strong><br />

Eingeschlafene Arme – in <strong>de</strong>r Regel kein<br />

Problem. Für Menschen mit einem chronischen<br />

Nervenlei<strong>de</strong>n allerdings schon. Robert Fledrich<br />

hat die Selbstheilungskräfte verletzter Nerven<br />

untersucht.<br />

4 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


NeurowissenschaFTEN<br />

Wenn <strong>de</strong>m<br />

Nervenkabel<br />

die Isolierung fehlt<br />

Unser Körper ist von Millionen Nervenfasern durchzogen, die Strom leiten wie ein Kabel –<br />

vorausgesetzt, sie sind gut isoliert. Beim Menschen ist eine fehlerhafte Isolierung die Ursache<br />

für viele bisher unheilbare Nervenkrankheiten. Ein Protein mit <strong>de</strong>m Namen Neuregulin könnte<br />

in Zukunft helfen, diese Erkrankungen zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

von Robert Fledrich<br />

Fotos: Stefan Kröger für bdw<br />

Falsch gelegen, und man wacht morgens<br />

manchmal mit einer kribbeligen<br />

Taubheit in Armen o<strong>de</strong>r Beinen<br />

auf. Auch ein längeres Verharren in einer<br />

unbequemen Sitzposition verursacht dieses<br />

gelegentlich etwas schmerzhafte Gefühl –<br />

<strong>de</strong>r Arm o<strong>de</strong>r das Bein ist „eingeschlafen“,<br />

heißt es dann umgangssprachlich. Schuld<br />

daran sind abgedrückte Nerven, was nicht<br />

weiter schlimm ist, <strong>de</strong>nn etwas Bewegung<br />

löst <strong>de</strong>n Druck, und die Gliedmaßen wachen<br />

wie<strong>de</strong>r auf. Doch was, wenn sie ewig<br />

schliefen?<br />

Menschen mit chronischen Nervenkrankheiten,<br />

auch Neuropathien genannt,<br />

lei<strong>de</strong>n dauerhaft an <strong>de</strong>m Gefühl<br />

eingeschlafener Arme und Beine. Meist<br />

beginnt die Erkrankung an <strong>de</strong>n Füßen,<br />

die Zehen wer<strong>de</strong>n taub und das Gehen<br />

unsicher. Schreitet die Krankheit weiter<br />

fort, kommen oft starke Schmerzen und<br />

Lähmungen hinzu, und die betroffenen<br />

Menschen können sich nicht mehr ohne<br />

einen Rollstuhl fortbewegen. Ausgelöst<br />

wer<strong>de</strong>n Neuropathien durch genetische<br />

Defekte, Stoffwechselstörungen wie Diabetes<br />

mellitus o<strong>de</strong>r Medikamente. In <strong>de</strong>n<br />

meisten Fällen sind sie nicht heilbar. Im<br />

Gegensatz zu chronischen Nervenerkrankungen<br />

kann <strong>de</strong>r Körper jedoch plötzlich<br />

auftreten<strong>de</strong> akute Nervenverletzungen,<br />

zum Beispiel bei einer Schnittwun<strong>de</strong>,<br />

selbst reparieren. In meiner Doktorarbeit<br />

habe ich untersucht, was genau bei <strong>de</strong>r<br />

Reparatur von akuten Nervenverletzungen<br />

geschieht – mit <strong>de</strong>m Ziel, Möglichkeiten<br />

für die Behandlung von bisher unheilbaren<br />

Neuropathien zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Was aber genau ist eigentlich ein Nerv?<br />

Ein Nerv ist ein Bün<strong>de</strong>l von sehr langen<br />

Zellfortsätzen, <strong>de</strong>n Nervenfasern, die wie<br />

Kabel elektrische Signale weiterleiten. So<br />

können zum Beispiel Muskeln angesteuert<br />

wer<strong>de</strong>n. Wie ein Kabel ist eine Nervenfaser<br />

aber nur leitfähig, wenn sie von einer<br />

Isolationsschicht umgeben ist. Bei Nerven<br />

wird diese Schicht als Myelinschei<strong>de</strong> bezeichnet.<br />

Sie wird jedoch nicht von <strong>de</strong>n<br />

Fasern selbst gebil<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn von benachbarten<br />

Stützzellen, die die Nervenfasern<br />

umgeben. Diese Zellen wer<strong>de</strong>n nach<br />

ihrem Ent<strong>de</strong>cker Theodor Schwann auch<br />

als Schwannzellen bezeichnet.<br />

Schon vor über zehn Jahren hat man<br />

herausgefun<strong>de</strong>n, dass die Nervenfasern<br />

an ihre Stützzellen ein dauerhaftes Signal<br />

aussen<strong>de</strong>n müssen, damit diese sie mit <strong>de</strong>r<br />

benötigten Isolationsschicht versorgen.<br />

Das Signal besteht aus einem Eiweiß o<strong>de</strong>r<br />

Protein namens Neuregulin und ist für<br />

die Funktion <strong>de</strong>r Schwannzelle essenziell.<br />

Nach einer Nervenverletzung ist aber<br />

genau die Versorgung <strong>de</strong>r Schwannzelle<br />

durch das Protein <strong>de</strong>r Nervenfaser das<br />

Problem: Denn die Faser stirbt zunächst<br />

ab und wächst dann, wie ein sprossen<strong>de</strong>r<br />

Ast, erst langsam wie<strong>de</strong>r aus. So lange<br />

warten die Schwannzellen auf die neue<br />

Nervenfaser und müssen sich scheinbar<br />

einige Tage bis Wochen ohne Neuregulin<br />

zurechtfin<strong>de</strong>n. Das Rätsel, wie Schwann-<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 5


Neuro<strong>wissenschaft</strong>en<br />

Forschung und Familie<br />

Robert Fledrich im bdw-Gespräch<br />

Wie lange wird es dauern, bis<br />

mit Ihrer Erkenntnis Menschen<br />

mit neurologischen Störungen<br />

geholfen wer<strong>de</strong>n kann?<br />

Bevor Menschen, die an genetisch<br />

bedingten Neuropathien erkrankt sind,<br />

erfolgreich behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n können, müssen<br />

langjährige klinische Studien geplant<br />

und durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Die Ergebnisse<br />

meiner Doktorarbeit unterstützen das<br />

Design solcher Studien. Die Marktreife einer<br />

Therapie ist aber noch in weiter Ferne.<br />

Für Ihre Arbeit haben Sie Versuche<br />

an Mäusen gemacht. Hatten<br />

Sie dabei Be<strong>de</strong>nken?<br />

Eingangs ja, <strong>de</strong>nn als Biologe liegt mir alles<br />

Leben<strong>de</strong> am Herzen, weswegen ich mich<br />

intensiv mit <strong>de</strong>m Thema auseinan<strong>de</strong>rgesetzt<br />

habe. Mit Alternativen, wie kultivierten<br />

Zellen, lässt sich das hochkomplexe<br />

Zusammenspiel unserer Organe und Zellen<br />

aber lei<strong>de</strong>r nicht simulieren. Ein Verzicht<br />

auf Versuche an leben<strong>de</strong>n Tieren wür<strong>de</strong><br />

somit <strong>de</strong>n biologischen und medizinischen<br />

Erkenntnisgewinn enorm einschränken<br />

und die Heilungschancen für schwerkranke<br />

Menschen <strong>de</strong>utlich schmälern.<br />

Wollen Sie langfristig in <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaft bleiben?<br />

Definitiv ja! Das Erforschen spannen<strong>de</strong>r<br />

Fragen, die intellektuelle Freiheit und<br />

die Möglichkeit, sich kreativ entfalten zu<br />

können, sind für mich eine große berufliche<br />

Erfüllung. Oft sitze ich mit meiner Partnerin,<br />

die zugleich meine Kollegin ist, abends<br />

zusammen, um verschie<strong>de</strong>ne <strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Dinge zu diskutieren. Wir sind ein<br />

gutes Beispiel dafür, dass Forschung und<br />

Familie sich nicht ausschließen. Unsere<br />

gemeinsame Tochter ist gera<strong>de</strong> ein Jahr<br />

alt gewor<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>m Transmissions-Elektronenmikroskop macht Robert Fledrich Nervenfasern und<br />

<strong>de</strong>ren Isolierschicht Myelin (schwarze Ringe) in 3000-facher Vergrößerung sichtbar.<br />

zellen sich nach einer Verletzung versorgen,<br />

war <strong>de</strong>r Ausgangspunkt meiner<br />

Arbeit. Anfangs habe ich nach an<strong>de</strong>ren<br />

Quellen für Neuregulin gesucht und mir<br />

dafür viele verletzte Nerven im Labor angesehen.<br />

Dazu habe ich in Gewebeproben<br />

spezifische Proteine angefärbt und konnte<br />

zu meiner Überraschung unter <strong>de</strong>m<br />

Mikroskop beobachten, dass Schwannzellen<br />

nach einer Nervenverletzung für<br />

eine kurze Zeit einfach selbst Neuregulin<br />

produzieren. Doch inwiefern ist dieses<br />

Schwannzell-eigene Neuregulin wichtig<br />

für die Reparatur verletzter Nerven?<br />

Die Be<strong>de</strong>utung eines Proteins in einem<br />

bestimmten Zelltyp kann man am besten<br />

untersuchen, in<strong>de</strong>m man es aus <strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Zelle entfernt. Da solche<br />

Experimente bei Menschen nicht möglich<br />

sind, ist man gezwungen, auf Tiermo<strong>de</strong>lle<br />

zurückzugreifen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

Mäuse sind für Wissenschaftler wertvolle<br />

Studienorganismen. Sie vermehren<br />

sich rasch, sind leicht zu halten und <strong>de</strong>m<br />

Menschen sehr ähnlich, da 85 Prozent<br />

ihrer Erbinformation mit <strong>de</strong>r unseren<br />

übereinstimmt. Eine Maus ohne Neuregulin<br />

in Schwannzellen wäre also für<br />

mich sehr nützlich, um etwas über die<br />

Reparatur verletzter Nerven zu lernen.<br />

Doch wie soll das gehen, Neuregulin aus<br />

<strong>de</strong>n Schwannzellen zu entfernen?<br />

Genetiker haben eine sehr elegante und<br />

mittlerweile mit <strong>de</strong>m Nobelpreis ausgezeichnete<br />

Metho<strong>de</strong> entwickelt, um dies zu<br />

ermöglichen. Diese Metho<strong>de</strong> heißt „gezielte<br />

Genmodifikation“ und funktioniert<br />

wie folgt: Das Gen, also die Bauanleitung<br />

für das Protein, welches man entfernen<br />

möchte, wird in allen Zellen <strong>de</strong>s Körpers<br />

an seinem Anfang und En<strong>de</strong> im Erbgut<br />

markiert. Dann benötigt man nur noch<br />

ein Werkzeug, das diese Markierungen<br />

erkennen kann. Ein solches Werkzeug ist<br />

die sogenannte Rekombinase, eine Art<br />

molekularer Schweißbrenner, <strong>de</strong>r beliebig<br />

und ausschließlich in <strong>de</strong>n gewünschten<br />

Zellen markierte Gene herauslösen und<br />

das verbleiben<strong>de</strong> Erbgut wie<strong>de</strong>r zusammenschweißen<br />

kann.<br />

6 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Durch Anwendung dieser Technik<br />

konnte ich Mäuse, in <strong>de</strong>nen Neuregulin<br />

aus Schwannzellen entfernt wur<strong>de</strong>, erzeugen.<br />

Dadurch war es mir möglich, die<br />

Frage nach <strong>de</strong>m Beitrag von Neuregulin<br />

für die Nervenreparatur zu beantworten.<br />

Tatsächlich war <strong>de</strong>r Heilungsprozess in<br />

meinen Mausmutanten massiv beeinträchtigt.<br />

Bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r verletzten<br />

Nerven unter <strong>de</strong>m Mikroskop konnte ich<br />

sehen, dass vielen <strong>de</strong>r neu ausgewachsenen<br />

Nervenfasern das isolieren<strong>de</strong> Myelin<br />

fehlte. Das von <strong>de</strong>n Schwannzellen selbst<br />

produzierte Neuregulin ist also für die Reparatur<br />

beschädigter Nerven sehr wichtig.<br />

Hoffnung für Patienten?<br />

Obwohl die Zeit für meine Doktorarbeit<br />

nun schon fast abgelaufen war, wollte<br />

ich unbedingt noch herausfin<strong>de</strong>n, ob<br />

sich meine Ergebnisse auf chronische<br />

Nervenkrankheiten übertragen lassen.<br />

Wie könnte man <strong>de</strong>n Mechanismus <strong>de</strong>r<br />

Neuregulin-Produktion in Schwannzellen<br />

nach einer akuten Nervenverletzung für<br />

eine Behandlung von chronischen Neuropathien<br />

nutzen?<br />

Nervenkrankheiten, die durch einen<br />

Gen<strong>de</strong>fekt verursacht wer<strong>de</strong>n, sind<br />

für die Betroffenen von schicksalhafter<br />

Be<strong>de</strong>utung. Die häufigste genetisch bedingte,<br />

vererbliche Neuropathie ist die<br />

Charcot-Marie-Tooth- o<strong>de</strong>r kurz CMT-<br />

Erkrankung. Allein in Deutschland sind<br />

circa 30 000 Menschen an ihr erkrankt.<br />

Obwohl so viele Menschen unter dieser<br />

chronischen Neuropathie lei<strong>de</strong>n und die<br />

genetische Ursache schon seit 25 Jahren<br />

bekannt ist, gibt es nach wie vor keine<br />

Heilungsmöglichkeit. Das liegt daran,<br />

dass die Mechanismen <strong>de</strong>r Erkrankung<br />

bisher kaum verstan<strong>de</strong>n sind, was eine<br />

wichtige Voraussetzung für die Entwicklung<br />

einer Therapie wäre. Für die Erforschung<br />

von Erkrankungsmechanismen<br />

sind wie<strong>de</strong>rum Tiermo<strong>de</strong>lle unverzichtbare<br />

Helfer. Mein Doktorvater Klaus-<br />

Armin Nave vom Max-Planck-Institut<br />

für Experimentelle Medizin in Göttingen<br />

entwickelte vor einigen Jahren ein Rattenmo<strong>de</strong>ll<br />

für die CMT-Neuropathie,<br />

welches viele Eigenschaften <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Erkrankung wi<strong>de</strong>rspiegelt. Da<br />

die ersten Beschwer<strong>de</strong>n bei betroffenen<br />

Menschen im jungen Erwachsenenalter<br />

auftreten, nahm man bisher an, dass auch<br />

eine Nervenschädigung erst in diesem Alter<br />

beginnt.<br />

Bei <strong>de</strong>r Untersuchung von CMT-Ratten<br />

konnte ich aber beobachten, dass die<br />

Funktion <strong>de</strong>r Schwannzellen bereits kurz<br />

nach <strong>de</strong>r Geburt erheblich gestört ist. Vor<br />

allem stellte ich fest, dass viel zu wenige<br />

Nervenfasern mit isolieren<strong>de</strong>m Myelin<br />

ummantelt wer<strong>de</strong>n. Dieses Muster kannte<br />

ich bereits aus <strong>de</strong>n Experimenten zur<br />

Nervenreparatur mit Schwannzellen ohne<br />

Neuregulin, wo ebenfalls zu wenige<br />

Nervenfasern mit Myelin neu ummantelt<br />

wur<strong>de</strong>n. Be<strong>de</strong>utet dies im Umkehrschluss,<br />

dass eine Behandlung <strong>de</strong>r CMT-Erkrankung<br />

mit Neuregulin die Myelinbildung<br />

von Schwannzellen för<strong>de</strong>rn könnte?<br />

Diese Hypothese verfolgte ich in einer<br />

ersten Therapiestudie mit CMT-Ratten<br />

und fand heraus, dass bereits eine kurze<br />

Behandlung mit Neuregulin nach <strong>de</strong>r<br />

Geburt ausreichend ist, um die Ausprägung<br />

<strong>de</strong>r Krankheit im Tiermo<strong>de</strong>ll fast<br />

vollständig zu unterbin<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs<br />

vielversprechend war die Beobachtung,<br />

dass dieser therapeutische Effekt bis ins<br />

Erwachsenenalter hinein anhielt. Eine<br />

möglichst frühe Stimulation <strong>de</strong>r Myelinbildung<br />

vermag <strong>de</strong>mnach die später einsetzen<strong>de</strong><br />

Fehlfunktion <strong>de</strong>r Nerven weitestgehend<br />

abzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Mit einem <strong>de</strong>m Körper selbst abgeschauten<br />

Trick scheint es also prinzipiell<br />

möglich, bisher als unheilbar gelten<strong>de</strong><br />

Neuropathien zu behan<strong>de</strong>ln. Damit betroffene<br />

Menschen von <strong>de</strong>r wecken<strong>de</strong>n<br />

Wirkung von Neuregulin auf schlafen<strong>de</strong><br />

Arme und Beine profitieren können, müssen<br />

aber noch viele Studien durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, die die Verträglichkeit einer Behandlung<br />

adressieren. Bis die neu gewonnenen<br />

Erkenntnisse in <strong>de</strong>n Klinikalltag<br />

übertragen wer<strong>de</strong>n können, ist es somit<br />

noch ein weiter Weg. <br />

●<br />

Ab ins Körbchen: Mit <strong>de</strong>m Balanciertest<br />

wer<strong>de</strong>n die motorischen Fähigkeiten <strong>de</strong>r<br />

Ratte überprüft.<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 7


Fresszellen<br />

haben <strong>de</strong>n Dreh raus<br />

Was <strong>de</strong>r Makrophage nicht kennt, das frisst er! Und was nicht passt, wird<br />

passend gedreht – wenn er dabei an die Grenzen seiner Kräfte geht, kann uns<br />

dieses Wissen Hinweise auf neue therapeutische Ansätze geben.<br />

von Ima Avalos Vizcarra<br />

Montag, 12:30 Uhr. In einem<br />

kleinen asiatischen Restaurant<br />

sitzt ein Geschäftsmann vor<br />

seiner Schale Udon-Nu<strong>de</strong>lsuppe. Für einen<br />

winzigen Moment betrachtet er kritisch<br />

<strong>de</strong>n Teller und überlegt sich die beste<br />

Strategie, um <strong>de</strong>n dicken Nu<strong>de</strong>ln zu Leibe<br />

zu rücken. Zerkleinern, aufwickeln o<strong>de</strong>r<br />

an einem Punkt festhalten und stückchenweise<br />

in <strong>de</strong>n Mund beför<strong>de</strong>rn? O<strong>de</strong>r<br />

etwa direkt einschlürfen? Ganz ähnliche<br />

Fragen müssen sich auch Zellen <strong>de</strong>s Immunsystems<br />

stellen, wenn sie <strong>de</strong>n alltäglichen<br />

Kampf gegen potenziell gefährliche<br />

Mikroben aufnehmen – nur dass die Immunzellen<br />

keine Hilfsmittel wie Gabel,<br />

Essstäbchen o<strong>de</strong>r Löffel besitzen. Streng<br />

genommen besitzen Zellen ja nicht einmal<br />

Hän<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>nen sie Objekte festhalten<br />

o<strong>de</strong>r orientieren können.<br />

Trotz<strong>de</strong>m verteidigen spezialisierte<br />

Agenten unseres Immunsystems <strong>de</strong>n Körper<br />

tagtäglich gegen frem<strong>de</strong> und möglicherweise<br />

gefährliche Eindringlinge wie<br />

Bakterien, aber auch Partikel mit Medikamenten<br />

und manchmal sogar ganze<br />

Implantate. Sogenannte Fresszellen spüren<br />

die körperfrem<strong>de</strong>n Objekte auf und<br />

beginnen damit, sie sich einzuverleiben,<br />

um sie in ihrem Inneren mit aggressiven<br />

Chemikalien zu zersetzen. Obwohl Zellen<br />

eben keine Hän<strong>de</strong> haben, so haben<br />

sie doch die Möglichkeit, Kräfte aufzubauen<br />

und ihre Form so zu verän<strong>de</strong>rn,<br />

dass sie trichter-, arm- und fußförmige<br />

Ausstülpungen bil<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen sie sowohl<br />

drücken als auch ziehen und sich<br />

um etwas herum formen können. Dieses<br />

Phänomen <strong>de</strong>r Erkennung und Aufnahme<br />

von unbekanntem Material wird als<br />

Fremdkörperreaktion beschrieben und ist<br />

Teil <strong>de</strong>s angeborenen Immunsystems von<br />

Säugetieren.<br />

Kräfte und Formen spielen bei <strong>de</strong>r<br />

Fremdkörperreaktion eine wichtige Rolle.<br />

Analog zur Udon-Problematik ist beispielsweise<br />

beschrieben wor<strong>de</strong>n, wie die<br />

Fresszellen unseren Körper gegen längliche<br />

Bakterien verteidigen. Dabei können<br />

die Bakterien von doppelt so lang wie<br />

breit zu vielfachen Längen ihrer Breite variieren,<br />

sodass sie entwe<strong>de</strong>r Stäbchen o<strong>de</strong>r<br />

eben Udon-Nu<strong>de</strong>ln ähneln. Die Fresszellen<br />

beginnen jeweils an einem En<strong>de</strong> eines<br />

Bakteriums, bil<strong>de</strong>n einen Trichter o<strong>de</strong>r<br />

eine Schaufel aus, um es aufzunehmen,<br />

und arbeiten sich dann <strong>de</strong>r Länge nach<br />

herum, bis sie es sich komplett einverleibt<br />

haben. Also ganz ähnlich dazu, wie man<br />

eine Nu<strong>de</strong>l zum Beispiel mithilfe von Essstäbchen<br />

von einem En<strong>de</strong> her stückchenweise<br />

in <strong>de</strong>n Mund beför<strong>de</strong>rt. Dabei wird<br />

es für die Fresszellen umso kraft- und zeitaufwendiger,<br />

je länger die Bakterien sind.<br />

Die bakterielle Überlebensstrategie hierzu<br />

wur<strong>de</strong> von Joel Swanson passen<strong>de</strong>rweise<br />

„noodle <strong>de</strong>fense“ (zu Deutsch: Nu<strong>de</strong>lverteidigung)<br />

getauft.<br />

In meiner Arbeit habe ich mich mit<br />

einer bestimmten Art von Fresszellen,<br />

sogenannten Makrophagen (von altgriechisch<br />

makrós, „groß“, und altgriechisch<br />

phagein, „essen“), und stäbchenförmigen<br />

Bakterien beschäftigt. Ich war daran interessiert,<br />

welche Strategien die bei<strong>de</strong>n verfein<strong>de</strong>ten<br />

Seiten bei ihrem Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />

verfolgen. Eines <strong>de</strong>r wichtigsten<br />

Ziele für die Beute ist dabei, überhaupt<br />

zu überleben. Daher war ich zunächst<br />

daran interessiert, ob die Erkennung<br />

durch <strong>de</strong>n Makrophagen – sozusagen <strong>de</strong>r<br />

Fotos: Robert Huber für bdw<br />

8 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Biologie<br />

Dr. Ima Avalos Vizcarra<br />

1983 geboren in Bielefeld<br />

2002 Abitur<br />

2002 bis 2003 Studium <strong>de</strong>r Molekularen<br />

Biotechnologie an <strong>de</strong>r Universität Bielefeld<br />

2003 bis 2008 Studium <strong>de</strong>r Molekularen<br />

Biotechnologie an <strong>de</strong>r Universität Stuttgart<br />

2008 Diplom <strong>de</strong>r Technischen Biologie<br />

seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />

2010 bis 2014 Doktorandin <strong>de</strong>r Mechanobiologie<br />

an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />

Um die Reaktion von Fresszellen auf Eindringlinge<br />

zu untersuchen, hat Ima Avalos Vizcarra sie in die<br />

„magnetische Falle“ gelockt. Darin konfrontierte sie die<br />

Makrophagen mit magnetisch fixierten Mikropartikeln.<br />

3.12.2014 Promotion zum Dr. sc. nat. ETH<br />

seit 2015 Postdoktorandin an <strong>de</strong>r ETH Zürich<br />

Infos: www.appliedmechanobio.ethz.ch/<br />

the-laboratory/people/post-docs/Ima.html<br />

Kontakt: ima.avalos@hest.ethz.ch<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 9


Biologie<br />

Vorturnen als Training<br />

Ima Avalos Vizcarra im bdw-Gespräch<br />

Sie schreiben, dass Ihre<br />

Erkenntnis über das Fressverhalten<br />

von Makrophagen<br />

zur Gestaltung von<br />

Medikamenten genutzt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Wird in<br />

diese Richtung schon<br />

geforscht?<br />

Seit einigen Jahren häufen sich<br />

die Beobachtungen, dass geometrische<br />

Faktoren eine wichtige Rolle<br />

in vielen medizinisch relevanten<br />

Prozessen spielen, etwa bei <strong>de</strong>r<br />

Embryoentwicklung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Alterung.<br />

Bisher war bekannt, dass<br />

die Form und Größe von medizinisch<br />

genutzten Mikropartikeln die Aufnahme<br />

von Medikamenten beeinflussen<br />

können. Wir möchten jetzt weiter darauf<br />

aufbauen und die Ergebnisse in direktem<br />

medizinisch relevantem Kontext zeigen.<br />

Sie haben in Deutschland studiert<br />

und arbeiten nun in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz. Welche Unterschie<strong>de</strong><br />

gibt es zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn?<br />

Neben <strong>de</strong>n sprachlichen Unterschie<strong>de</strong>n<br />

fällt mir in <strong>de</strong>r Schweiz auf, wie stolz man<br />

hier auf sein Land ist. Die Schweizer Flagge<br />

flattert immer und überall und fungiert<br />

auch als Qualitätssiegel. Ich vermute,<br />

dass man sich in Deutschland stärker<br />

über die Technologie, also zum Beispiel<br />

die Automobilindustrie, als über das Land<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert.<br />

Nebenbei sind Sie Fitnesstrainerin.<br />

Ist das Ihr Ausgleich zum<br />

<strong>wissenschaft</strong>lichen Arbeiten?<br />

Ich brauche die Bewegung, um <strong>de</strong>n Kopf<br />

freizubekommen. Die Entscheidung,<br />

an<strong>de</strong>ren etwas „vorzuturnen“, beruht aber<br />

eher auf <strong>de</strong>m Gedanken, dass dies eine<br />

Art Präsentations- und Kommunikationstraining<br />

ist. Ich übe dabei das routinierte<br />

und professionelle Auftreten genauso<br />

wie authentisch zu sein und auch mal zu<br />

improvisieren – und vor allem, an<strong>de</strong>re für<br />

etwas zu begeistern.<br />

Ersteindruck, <strong>de</strong>n ein Bakterium beim<br />

Makrophagen hinterlässt – eine Rolle für<br />

das Überleben <strong>de</strong>r Beute spielte.<br />

In <strong>de</strong>n ersten Experimenten hierzu<br />

konfrontierte ich Makrophagen mit ihrer<br />

Bakterienbeute, ließ sie diese fressen und<br />

löste nachher die Bakterien wie<strong>de</strong>r aus<br />

<strong>de</strong>n Makrophagen heraus, um zu testen,<br />

ob sie noch lebendig waren. Um <strong>de</strong>n Makrophagen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Ersteindrücke zu<br />

geben, nahm ich Bakterien, die beson<strong>de</strong>rs<br />

gut an Makrophagen festhalten konnten,<br />

also beson<strong>de</strong>rs klebrig waren, und solche,<br />

die kaum klebten. In vorherigen Studien<br />

wur<strong>de</strong> schon beobachtet, dass die klebrigen<br />

Bakterien einen Überlebensvorteil<br />

hatten. Durch systematisches Variieren<br />

<strong>de</strong>r Bakterienzahl fand ich heraus, dass<br />

die beson<strong>de</strong>rs klebrigen Bakterien viel<br />

schneller in die Makrophagen aufgenommen<br />

wur<strong>de</strong>n. Interessanterweise<br />

hatte dies <strong>de</strong>n Überlebensvorteil, dass<br />

sie besser vor zugegebenen Antibiotika<br />

geschützt waren. Unklar war noch, ob<br />

die Bakterien durch erhöhte Klebrigkeit<br />

bloß die richtige Voraussetzung für ihre<br />

Wie verleibt man sich am<br />

besten eine asiatische<br />

Nu<strong>de</strong>lsuppe ein? Vor<br />

einer ähnlichen Frage<br />

stehen auch Immunzellen,<br />

die längliche Bakterien<br />

verspeisen.<br />

Aufnahme schufen o<strong>de</strong>r ob sie auch aktiv<br />

daran beteiligt waren, in<strong>de</strong>m sie sich zum<br />

Beispiel in die Makrophagen reinbohrten.<br />

Um dies zu testen, gaben wir <strong>de</strong>n Makrophagen<br />

eine sie lähmen<strong>de</strong> Chemikalie,<br />

Latrunculin B – <strong>de</strong>nn zur aktiven Aufnahme<br />

mussten sie Kräfte aufbauen, um zum<br />

Beispiel eine Bakterienschaufel zu formen.<br />

Makrophagen, die mit Latrunculin B behan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>n, waren aber nur noch bewegungsunfähige,<br />

schlaffe Zellsäckchen.<br />

Auch an diesen gelähmten Makrophagen<br />

klebten weiterhin Bakterien – allerdings<br />

nur außen, wo sie am Antibiotikum starben.<br />

Ich konnte also schlussfolgern, dass<br />

die Makrophagen sich aktiv entschie<strong>de</strong>n,<br />

Bakterien zu fressen. Und das wie<strong>de</strong>rum<br />

wollte ich gern genauer verstehen, insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Rolle <strong>de</strong>r ersten Begegnung.<br />

Um <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>n allerersten Reaktionen<br />

von Makrophagen auf Fremdkörper<br />

nachzugehen, arbeitete ich zusammen<br />

mit einer Forschungsgruppe, die<br />

sich mit magnetischen Mikropartikeln<br />

beschäftigte und diese frei bewegen und<br />

steuern konnte. Die Mikropartikel dien-<br />

10 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


ten uns als Mo<strong>de</strong>ll für Fremdkörper – mit<br />

<strong>de</strong>m großen Vorteil, dass wir sie mithilfe<br />

<strong>de</strong>s magnetischen Fel<strong>de</strong>s aktiv durch die<br />

Gegend steuern konnten. Ein wichtiger<br />

Punkt für die Durchführung unserer Experimente<br />

war hierbei, dass <strong>de</strong>r Partikel<br />

nicht von Anfang an mit <strong>de</strong>m Makrophagen<br />

in Berührung war, son<strong>de</strong>rn ein Stück<br />

davon entfernt lag. Nur dadurch konnten<br />

wir annehmen, dass die Entscheidungsfindung<br />

von Kontakt zu Aufnahme nicht<br />

durch uns beeinflusst wur<strong>de</strong>.<br />

Erst weggestupst, dann angebissen<br />

Zu Beginn präsentierten wir <strong>de</strong>n Makrophagen<br />

kugelförmige Partikel. Unsere erste<br />

verblüffen<strong>de</strong> Beobachtung war hierbei,<br />

dass Makrophagen die offerierten Kugeln<br />

erst wegstupsten, bevor sie daran zogen –<br />

etwas, das uns nicht intuitiv erschien. Warum<br />

erst <strong>de</strong>n Teller wegschieben, von <strong>de</strong>m<br />

man essen möchte? Wochen und Monate<br />

verbrachten meine Kollegin Simone und<br />

ich vor <strong>de</strong>m Mikroskop (und nachher<br />

vor <strong>de</strong>n Daten), manövrierten Partikel<br />

vor die Makrophagen und warteten, bis<br />

sie anbissen. Und beharrlich liefen diese<br />

zunächst gegen das Objekt, drückten es<br />

weg und zogen es erst dann zu sich. Außer<strong>de</strong>m<br />

folgten die Partikel oft eher einer<br />

geschwungenen als einer gera<strong>de</strong>n Bahn.<br />

In akribischer Recherche und im Vergleich<br />

mit an<strong>de</strong>ren Studien merkten wir,<br />

dass auch die Daten an<strong>de</strong>rer Forscher<br />

diese nicht-geradlinige Bewegung und ein<br />

erstes Wegschieben zu enthalten schienen,<br />

auch wenn dies nicht diskutiert wur<strong>de</strong>.<br />

Mit unseren hochaufgelösten Zeit-, Ortund<br />

Kraftdaten konnten wir zeigen, dass<br />

Makrophagen durchaus unregelmäßige<br />

und nichtgeradlinige Wege nahmen, um<br />

Partikel zu sich zu ziehen.<br />

Wie kamen diese geschwungenen<br />

Partikelwege zustan<strong>de</strong>? Wir vermuteten,<br />

dass die geschwungene Bewegung <strong>de</strong>r<br />

Kugeln auf <strong>de</strong>m Drücken, aber auch auf<br />

einer Drehung, die vom Makrophagen<br />

ausgelöst wur<strong>de</strong>, beruhte. Mit <strong>de</strong>n Kugeln,<br />

die wir bisher verwen<strong>de</strong>t hatten,<br />

konnten wir diese Vermutung allerdings<br />

nicht testen, da eine Drehung ohne Markierung<br />

aus Bildaufnahmen nicht zu<br />

erkennen war. Dies wäre nur möglich<br />

gewesen, wenn sich wie bei Bowlingkugeln<br />

Markierungen o<strong>de</strong>r Nummern auf<br />

Die Biotechnologin weiß jetzt, wie<br />

viel Kraft und welche Strategie<br />

Makrophagen im Kampf gegen<br />

Bakterien anwen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>de</strong>n Kugeln befun<strong>de</strong>n hätten, die sich<br />

mitdrehen. So etwas im Maßstab von<br />

Tausendstel Millimetern herzustellen ist<br />

jedoch ziemlich aufwendig. Um die vermutete<br />

Drehung zu zeigen, brauchten wir<br />

also zum Beispiel Stäbchen, bei <strong>de</strong>nen<br />

man wie bei <strong>de</strong>n Zeigern einer Uhr ihre<br />

Orientierung ablesen kann. Ein wichtiger<br />

Punkt bei unserem experimentellen<br />

Ansatz war, dass die Stäbchen quer vor<br />

<strong>de</strong>n Makrophagen lagen, da wir so untersuchen<br />

konnten, ob die Orientierung<br />

wichtig war.<br />

In <strong>de</strong>r Tat konnten wir beobachten,<br />

dass ein Makrophage ein quer liegen<strong>de</strong>s<br />

Stäbchen so drehte, dass es vom kürzeren<br />

En<strong>de</strong> her aufgenommen wer<strong>de</strong>n<br />

konnte. Schließlich machten wir es <strong>de</strong>n<br />

Makrophagen noch mal schwerer und<br />

legten ein magnetisches Feld an, welches<br />

<strong>de</strong>n Stäbchenmagneten in seiner Orientierung<br />

festhielt. Nur wenn <strong>de</strong>r Makrophage<br />

eine Kraft aufbrachte, die gleich<br />

groß o<strong>de</strong>r größer als die <strong>de</strong>s Magneten<br />

war, konnte er das Stäbchen drehen.<br />

So konnten wir das Drehmoment eines<br />

Makrophagen messen. Mit diesen Experimenten<br />

fan<strong>de</strong>n wir heraus, dass die bevorzugte<br />

Orientierung parallel und nicht<br />

quer zur Zelle war und dass wir die Makrophagen<br />

an ihrem Ziel, <strong>de</strong>r Drehung<br />

<strong>de</strong>s Objekts, hin<strong>de</strong>rn konnten, in<strong>de</strong>m wir<br />

Drehmomente anlegten, die <strong>de</strong>m zehnbis<br />

hun<strong>de</strong>rtfachen Drehmoment entsprachen,<br />

das zum Beispiel schwimmen<strong>de</strong><br />

Bakterien mit ihrem Antrieb aufbringen<br />

können.<br />

Das Wissen um die kulinarischen Vorlieben<br />

von Immunzellen und <strong>de</strong>n Kräften,<br />

die sie aufbringen können, hilft uns zu<br />

verstehen, wie Bakterien es schaffen können,<br />

unser Immunsystem auszutricksen.<br />

Es kann aber auch dazu genutzt wer<strong>de</strong>n,<br />

Partikel mit medizinisch wirksamen Bestandteilen<br />

so zu gestalten, dass sie eben<br />

nicht von Makrophagen gefressen wer<strong>de</strong>n<br />

können. Wenn es gelänge, Medikamente<br />

so zu verpacken, dass sie sich <strong>de</strong>m<br />

Gefressenwer<strong>de</strong>n und Abtransport durch<br />

Makrophagen wi<strong>de</strong>rsetzen, könnten sie<br />

besser zu spezifischen Orten im Körper,<br />

zum Beispiel einer Infektion, gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n und wür<strong>de</strong>n dort bleiben, wo sie<br />

ihre Wirksamkeit entfalten sollen. ●<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 11


Ein Bauplan<br />

für Hochstapler<br />

Haben Sie schon einmal versucht, Tischtennisbälle zu stapeln? Beson<strong>de</strong>rs gut eignet sich eine<br />

Anordnung, die eine gleichseitige Pyrami<strong>de</strong> ergibt. Aber was macht diese Struktur so stabil?<br />

von Sascha Heitkam<br />

Bei einem Spaziergang durch Dres<strong>de</strong>n<br />

begegnen uns viele Beispiele<br />

für dicht gepackte Kugeln. Obsthändler<br />

stapeln Apfelsinen vor ihren Geschäften,<br />

am Dresdner Zwinger fin<strong>de</strong>n<br />

sich Sandsteindarstellungen von Weintrauben,<br />

in <strong>de</strong>r Hand hält man eine Tüte<br />

mit Haselnüssen o<strong>de</strong>r Puffreis, in einem<br />

Springbrunnen stapeln sich glänzen<strong>de</strong><br />

Kugeln, platziert durch die Künstlerin<br />

Yayoi Kusama. Für Wissenschaftler ist<br />

an Kugelpackungen beson<strong>de</strong>rs die Lage<br />

benachbarter Kugeln zueinan<strong>de</strong>r interessant.<br />

Folgt sie bestimmten Regeln? Gibt<br />

es für bestimmte Zwecke optimale o<strong>de</strong>r<br />

ungeeignete Anordnungen?<br />

Schon im Jahre 1611 beschäftigte sich<br />

Johannes Kepler mit <strong>de</strong>m Problem, Kanonenkugeln<br />

möglichst platzsparend in Schiffen<br />

zu verstauen. Er stellte dabei die These<br />

auf, dass regelmäßige Anordnungen, die<br />

auf gleichseitigen Pyrami<strong>de</strong>n basieren, die<br />

platzsparendsten Kugelpackungen darstellen.<br />

Erst 1998 gelang es Thomas Hales<br />

unter Zuhilfenahme mo<strong>de</strong>rner Computer,<br />

diese These zu beweisen.<br />

Tatsächlich gibt es zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Anordnungen von Kugeln, die bei<strong>de</strong><br />

die dichtestmögliche Packung aufweisen.<br />

Das sind A, die kubisch flächenzentrierte,<br />

und B, die hexagonal<br />

dichteste Packung. Bei<strong>de</strong> Anordnungen<br />

bestehen aus Schichten von Kugeln. Innerhalb<br />

einer Schicht sind die Kugeln in<br />

Sechsecken angeordnet, so wie die Zellen<br />

einer Bienenwabe. Die Anordnungen A<br />

und B unterschei<strong>de</strong>n sich darin, wie diese<br />

Schichten aufeinan<strong>de</strong>rgestapelt sind.<br />

In vielen Bereichen <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />

wird mit kugelförmigen Objekten gleicher<br />

Größe gearbeitet,<br />

beispielsweise<br />

mit Glaso<strong>de</strong>r<br />

Metallkugeln,<br />

kleinen<br />

Blasen o<strong>de</strong>r<br />

Fetttröpfchen.<br />

Wissenschaftler<br />

Fotos: Jürgen Lösel für bdw<br />

Heureka! Die besten I<strong>de</strong>en kommen bekanntlich beim<br />

Ba<strong>de</strong>n. Sascha Heitkam weiß jetzt, wann Schaum,<br />

o<strong>de</strong>r auch ein Berg aus Bällen, am stabilsten ist.<br />

12 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


PhYSIK<br />

Dr. Sascha Heitkam<br />

1984 geboren in Hoyerswerda<br />

2004 Abitur<br />

2004 bis 2005 Zivildienst/Fernstudium<br />

<strong>de</strong>r Physik an <strong>de</strong>r TU Kaiserslautern<br />

2005 bis 2009 Physik- und Maschinenbaustudium<br />

an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n<br />

2009 Diplom in Energietechnik<br />

2010 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>s<br />

Maschinenbaus an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n sowie<br />

<strong>de</strong>r Physik an <strong>de</strong>r Université Paris_Sud XI<br />

in Orsay, Frankreich<br />

beobachten dabei häufig, dass sich<br />

diese Objekte ganz von allein in<br />

dichten, regelmäßigen Packungen<br />

anordnen. Zum Teil ist dieser Effekt<br />

ungewollt. Man kann ihn jedoch<br />

kaum verhin<strong>de</strong>rn. Etwas Schütteln<br />

o<strong>de</strong>r Rühren wird diese Ordnung<br />

sogar noch verstärken.<br />

Im Alltag kann man das<br />

Phänomen beobachten,<br />

wenn man Mohn in einen<br />

Vorratsbehälter füllt.<br />

Durch Schütteln ordnen<br />

sich die Körner regelmäßig<br />

zueinan<strong>de</strong>r an, und<br />

es passt etwas mehr<br />

Mohn in <strong>de</strong>n<br />

Behälter.<br />

seit 2010 Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Strömungsmechanik<br />

an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n<br />

2011 bis 2012 Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Laboratoire <strong>de</strong> Physique<br />

<strong>de</strong>s Soli<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>r Université Paris-Sud XI<br />

23.6.2014 Promotion zum Dr.-Ing.<br />

seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für Strömungsmechanik an<br />

<strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n, seit August 2015 mit eigenem<br />

DFG-Projekt zu Schaumströmungen<br />

Infos: tu-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong>/die_tu_dres<strong>de</strong>n/<br />

fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/<br />

ism/sm/mitarbeiter/heitkam<br />

Kontakt: sascha.heitkam@tu-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 13


PhYSIK<br />

Zwei ähnliche Pyrami<strong>de</strong>n mit einem<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Unterschied:<br />

Die linke Anordnung ist stabiler<br />

als die rechte.<br />

Fasziniert von SchÄumEN<br />

Sascha Heitkam im bdw-Gespräch<br />

Für Ihre Doktorarbeit haben Sie<br />

erfolgreich mit Computersimulationen<br />

gearbeitet. Wird diese<br />

Forschungsmetho<strong>de</strong> in Zukunft<br />

noch häufiger wer<strong>de</strong>n?<br />

Mit <strong>de</strong>r ständig zunehmen<strong>de</strong>n Leistungsfähigkeit<br />

von Supercomputern wird es<br />

möglich, immer größere und komplexere<br />

Probleme zu simulieren. Daher wird auch<br />

die Anwendung, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r<br />

Industrie, in Zukunft mehr wer<strong>de</strong>n. Man<br />

sollte Computersimulationen aber nicht<br />

ohne Prüfung vertrauen, <strong>de</strong>nn sie beruhen<br />

auf Mo<strong>de</strong>llannahmen. Daher wird man<br />

auch in Zukunft nicht auf Experimente<br />

verzichten können.<br />

Sie haben sich nun zum zweiten<br />

Mal mit Schaum beschäftigt.<br />

Das erste Mal war beim Bun<strong>de</strong>swettbewerb<br />

„Jugend forscht“.<br />

Haben es Ihnen Schäume<br />

angetan?<br />

Auch mein aktuelles DFG-Projekt beschäftigt<br />

sich wie<strong>de</strong>r mit Schäumen. Ich<br />

fin<strong>de</strong> Schäume unglaublich faszinierend.<br />

Ihr Verhalten wird durch eine Vielzahl<br />

von Mechanismen bestimmt. So können<br />

zum Beispiel Ungleichgewichte in <strong>de</strong>r<br />

Verteilung von Tensid-Molekülen das<br />

Platzen von Blasen auslösen, aber nur<br />

wenn gleichzeitig <strong>de</strong>r Flüssigkeitsgehalt<br />

gering genug ist, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum von <strong>de</strong>r<br />

zeitlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Schaums<br />

abhängt.<br />

Sie haben zunächst Physik und<br />

Maschinenbau studiert, sich<br />

dann ganz auf Maschinenbau<br />

konzentriert. Warum?<br />

Die Lehrinhalte <strong>de</strong>s Hauptstudiums Physik<br />

waren für mich zu praxisfern. Die Inhalte<br />

<strong>de</strong>s Maschinenbaus, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Strömungsmechanik, kann man hingegen<br />

meist intuitiv verstehen. Je<strong>de</strong>r weiß, dass<br />

eine Fahne im Wind flattert o<strong>de</strong>r dass<br />

Wind hinter einem Hin<strong>de</strong>rnis verwirbelt.<br />

Wissenschaftler, die mit Kugelpackungen<br />

arbeiten, beobachten, dass kugelförmige<br />

Objekte in dichten Packungen<br />

die Anordnung A gegenüber <strong>de</strong>r Anordnung<br />

B bevorzugen. Das ist höchst verwun<strong>de</strong>rlich,<br />

<strong>de</strong>nn bei<strong>de</strong> Anordnungen<br />

sind in <strong>de</strong>r Struktur sehr ähnlich und<br />

insbeson<strong>de</strong>re gleich dicht gepackt. Die<br />

Objekte sparen also keine Energie, wenn<br />

sie Anordnung A bevorzugen. Es existiert<br />

auf <strong>de</strong>n ersten Blick eigentlich kein Grund<br />

für Kugeln, vermehrt Anordnung A auszuwählen.<br />

Die offensichtliche Bevorzugung<br />

von Anordnung A gegenüber B war<br />

daher bisher ein Rätsel.<br />

In meiner Forschung beschäftigte ich<br />

mich mit <strong>de</strong>r Bildung von Schaum aus<br />

kleinen, kugelförmigen Bläschen. Jedoch<br />

führte ich keine Experimente aus, son<strong>de</strong>rn<br />

berechnete mittels Computersimulationen,<br />

wie die Blasen aufsteigen und im<br />

oberen Teil eines Gefäßes Schaum bil<strong>de</strong>n.<br />

Dabei stieß auch ich auf die Bildung von<br />

regelmäßigen Anordnungen von Blasen.<br />

Wie Soldaten bei einer Militärpara<strong>de</strong><br />

ordneten sich die Blasen in einer regelmäßigen<br />

Struktur an. Da ich so etwas noch<br />

nie in meiner Ba<strong>de</strong>wanne beobachtet hatte,<br />

hielt ich es für einen Fehler in meinen<br />

Simulationen. Ich versuchte daher zunächst,<br />

diese Anordnungen zu beseitigen:<br />

Ich erweiterte das mathematische Fundament<br />

meines Computerprogrammes,<br />

beschrieb die Blasen und ihre Umgebung<br />

Mit einer High-Speed-<br />

Kamera misst <strong>de</strong>r<br />

Physiker die Form <strong>de</strong>r<br />

aufsteigen<strong>de</strong>n Blasen.<br />

immer genauer. Jedoch trat die regelmäßige<br />

Anordnung immer wie<strong>de</strong>r auf.<br />

Verunsichert besuchte ich meine Kollegin<br />

Wiebke Drenckhan, Physikerin an<br />

<strong>de</strong>r Universität Paris Sud in Frankreich,<br />

und zeigte ihr die merkwürdigen Resultate.<br />

Sie war sofort begeistert: „Diese<br />

Anordnungen sind kein Unsinn, son<strong>de</strong>rn<br />

ein ungelöstes <strong>wissenschaft</strong>liches Rätsel!<br />

Und du bist <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r sie in dieser<br />

Form am Computer beobachtet. Wir<br />

müssen das unbedingt zusammen näher<br />

untersuchen!“ Also verbrachte ich ein<br />

Auslandsjahr in Paris.<br />

Ich erfuhr, dass man bisher in <strong>de</strong>n Experimenten<br />

nur die Endprodukte, also<br />

die Anordnungen A o<strong>de</strong>r B, beobachten<br />

konnte. Man wusste also, dass am En<strong>de</strong><br />

mehr A als B vorhan<strong>de</strong>n ist, konnte aber<br />

nicht nachverfolgen, wie diese Strukturen<br />

entstan<strong>de</strong>n sind. Der große Vorteil <strong>de</strong>r<br />

Simulationen am Computer ist, dass ich<br />

die Bewegung je<strong>de</strong>r einzelnen Blase nachvollziehen<br />

kann. Dadurch kann ich <strong>de</strong>n<br />

Anordnungen beim Wachsen zusehen.<br />

Ich kann beobachten, welche Kräfte wirken,<br />

wie sich die Blasen verschieben<br />

und wie die Flüssigkeit zwischen<br />

<strong>de</strong>n Blasen fließt.<br />

Auf diese Weise<br />

ent<strong>de</strong>ckte ich, dass<br />

die Anordnung A<br />

stabiler als die<br />

Anordnung B ist.<br />

Von <strong>de</strong>n ersten<br />

Blasen, die oben<br />

ankommen,<br />

wird zunächst<br />

etwa gleich viel A<br />

und B gebil<strong>de</strong>t. Es<br />

steigen jedoch weitere<br />

Blasen auf und<br />

kollidieren mit <strong>de</strong>r<br />

14 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Heitkam hat die Entstehung<br />

von stabilen und instabilen<br />

Kugelpackungen am Computer<br />

simuliert. Dafür nutzte<br />

er einen Superrechner (im<br />

Hintergrund).<br />

bereits gebil<strong>de</strong>ten Packung. Anordnung B<br />

kann diesen Stößen nicht standhalten. Sie<br />

zerfließt. Anordnung A dagegen ist stabiler.<br />

Dadurch überlebt Anordnung A. Die<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Kugeln neigen nun dazu,<br />

sich ebenfalls in die Anordnung A einzuordnen.<br />

Doch warum ist Anordnung A stabiler<br />

als Anordnung B? Um das zu verstehen,<br />

fertigte ich mir Mo<strong>de</strong>lle aus Styroporkugeln<br />

und Strohhalmen. Zum einen<br />

trug das zur Unterhaltung meiner Kollegen<br />

bei. Zum an<strong>de</strong>ren konnte ich so<br />

in die Anordnungen hineinzoomen und<br />

mir anschauen, wie benachbarte Kugeln<br />

zueinan<strong>de</strong>r ausgerichtet sind. In <strong>de</strong>r mechanisch<br />

stabileren Anordnung A sind<br />

die Kugeln auf gera<strong>de</strong>n Linien aufgereiht.<br />

Sie bil<strong>de</strong>n Säulen, welche die Anordnung<br />

durchziehen. Wenn jetzt Kräfte von außen<br />

auf die Packung wirken, wer<strong>de</strong>n sie über<br />

die Säulen abgeleitet, ohne die Packung<br />

zu zerstören. In Anordnung B gibt es diese<br />

Säulen nicht. Drückt man auf diese Struktur,<br />

so kann sie die Kräfte nicht ableiten,<br />

son<strong>de</strong>rn faltet sich wie eine Ziehharmonika<br />

zusammen und zerfließt.<br />

Zunächst war es sehr schwierig, an<strong>de</strong>re<br />

Wissenschaftler von <strong>de</strong>m Stabilitätsargument<br />

und seiner Be<strong>de</strong>utung zu überzeugen.<br />

Das lag vermutlich daran, dass<br />

Experimentatoren ein natürliches und oft<br />

auch begrün<strong>de</strong>tes Misstrauen gegenüber<br />

Computersimulationen haben. Also entwickelte<br />

ich ein kleines Demonstrationsexperiment.<br />

Darin versuchte ich, mit aufsteigen<strong>de</strong>n<br />

Blasen unter einer Glasplatte<br />

eine auf <strong>de</strong>m Kopf stehen<strong>de</strong> Pyrami<strong>de</strong><br />

aufzuschichten. Wählte ich Anordnung A,<br />

so gelang dies. In Anordnung B dagegen<br />

zerfließt die Pyrami<strong>de</strong> durch ihren eigenen<br />

Auftrieb. Auch stapelte ich Pyrami<strong>de</strong>n<br />

aus Metallkugeln und legte diese in<br />

eine mechanische Presse. Die Pyrami<strong>de</strong><br />

in Anordnung B zerfiel schon bei sehr geringen<br />

Kräften. Bei Anordnung A wur<strong>de</strong><br />

die Presskraft entlang <strong>de</strong>r aufgereihten<br />

Kugeln abgeleitet. Schließlich brach <strong>de</strong>r<br />

Rahmen, und die Kugeln schossen durch<br />

das Labor. Diese sehr eindrucksvolle Demonstration<br />

hat letztendlich auch die<br />

Skeptiker überzeugt, und ich konnte meine<br />

Ergebnisse veröffentlichen.<br />

Wie stabil ist Metallschaum?<br />

Im weiteren Verlauf meiner Dissertation<br />

bezog ich die bisherigen Resultate auf<br />

Metallschäume, also Metalle, die im geschmolzenen<br />

Zustand mit Gasblasen<br />

versetzt und dann abgekühlt wer<strong>de</strong>n. Ich<br />

<strong>de</strong>monstrierte, dass mit magnetischen<br />

o<strong>de</strong>r elektromagnetischen Fel<strong>de</strong>rn im<br />

Entstehungsprozess von flüssigem Metallschaum<br />

die Bildung von Blasenpackungen<br />

<strong>de</strong>r Anordnung A o<strong>de</strong>r B gezielt beeinflusst<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Auch betrachtete ich festen<br />

Metallschaum und berechnete die Stabilität<br />

<strong>de</strong>s Schaums, wenn <strong>de</strong>ssen Blasen in<br />

Anordnung A o<strong>de</strong>r B ausgerichtet sind.<br />

Die interessantesten und schönsten Ergebnisse<br />

meiner Dissertation sind jedoch<br />

die Erkenntnisse zur mechanischen Stabilität<br />

verschie<strong>de</strong>ner Anordnungen in Kugelpackungen.<br />

Das Stabilitätsargument<br />

ist sehr simpel, und das macht es äußerst<br />

attraktiv. Für die Herleitung benötigt<br />

man nur Physik- und Mathematikkenntnisse<br />

<strong>de</strong>r 8. Klasse. Auch stellt es keinerlei<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen an Material o<strong>de</strong>r Eigenschaften<br />

<strong>de</strong>r Kugeln. Dadurch ist es universell<br />

einsetzbar. Wie oben beschrieben,<br />

kann man das erhöhte Auftreten<br />

von Anordnung A in sehr verschie<strong>de</strong>nen<br />

Experimenten beobachten. Zwar haben<br />

Glaskugeln mit kleinen Fetttröpfchen<br />

bis auf die run<strong>de</strong> Form sehr wenig gemeinsam.<br />

Doch dass ihre Anordnung B<br />

durch von außen aufgebrachte Kräfte<br />

zerfließt, ist für bei<strong>de</strong> Arten von Kugeln<br />

plausibel. Daher glaube ich, dass das Stabilitätsargument<br />

in vielen Wissenschaftszweigen<br />

von Be<strong>de</strong>utung ist.<br />

Diese Universalität erlaubt es auch, das<br />

Stabilitätsargument auf unser tägliches<br />

Leben zu beziehen. Wenn Obsthändler<br />

vor ihrem La<strong>de</strong>n Orangen o<strong>de</strong>r Äpfel zu<br />

Pyrami<strong>de</strong>n aufstapeln, wer<strong>de</strong>n sie dafür<br />

intuitiv die stabilere Anordnung A wählen.<br />

Und spätestens wenn ein Kun<strong>de</strong> in Eile<br />

gegen <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>ntisch gestoßen ist, wird<br />

sich diese Anordnung bezahlt machen. ●<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 15


Astronomie<br />

unter <strong>de</strong>m Meer<br />

Wie wür<strong>de</strong> man nach Überresten von Sternexplosionen suchen? Mit einem Blick in <strong>de</strong>n Sternenhimmel,<br />

ist die naheliegen<strong>de</strong> Antwort. Jenny Feige schaute statt<strong>de</strong>ssen auf <strong>de</strong>n Meeresgrund, <strong>de</strong>nn die<br />

Tiefseeastronomie kann uns einiges über die Geschichte <strong>de</strong>s Universums verraten.<br />

von Jenny Feige<br />

Je<strong>de</strong>r hat schon einmal von Lucy gehört,<br />

<strong>de</strong>m menschenartigen Wesen,<br />

das vor 3,2 Millionen Jahren die<br />

Er<strong>de</strong> bewohnte. Ein sogenannter Australopithecus<br />

afarensis. Doch was hat Lucy<br />

mit <strong>de</strong>r Astronomie zu tun? Möglicherweise<br />

wur<strong>de</strong> sie Zeuge eines faszinieren<strong>de</strong>n<br />

kosmischen Ereignisses: einer Sternexplosion.<br />

Solch eine Supernova lässt <strong>de</strong>n Stern<br />

für kurze Zeit bis zu einige Milliar<strong>de</strong>n<br />

Male heller erscheinen. Bei <strong>de</strong>r Detonation<br />

wird <strong>de</strong>ssen Sternenhülle in alle Richtungen<br />

<strong>de</strong>s Weltalls geschleu<strong>de</strong>rt. Mit<br />

einer Geschwindigkeit von über tausend<br />

Kilometer pro Sekun<strong>de</strong> fegt sie über alles<br />

hinweg, das sich ihr in <strong>de</strong>n Weg stellt.<br />

Sogar unser eigenes Sonnensystem könnte<br />

sie treffen. Dieses Szenario hat sich vermutlich<br />

zu Lucys Lebzeiten abgespielt,<br />

<strong>de</strong>nn es gibt Hinweise auf eine turbulente<br />

Vergangenheit.<br />

Eine Serie von Supernova-Explosionen<br />

riss in <strong>de</strong>n vergangenen 14 Millionen<br />

Jahren einen gewaltigen Hohlraum<br />

in das uns umgeben<strong>de</strong> interstellare Me-<br />

dium – das Gas und <strong>de</strong>n Staub zwischen<br />

<strong>de</strong>n Sternen unserer Galaxie. Der Hohlraum<br />

hat eine Aus<strong>de</strong>hnung von 300 bis<br />

600 Lichtjahren und beheimatet neben<br />

unserem Sonnensystem auch viele Nachbarsterne.<br />

Um diese Struktur – sie wird<br />

als Lokale Blase bezeichnet – zu erzeugen,<br />

waren min<strong>de</strong>stens 14 bis 20 Sternexplosionen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Hierfür kommt eine<br />

Sternstromgruppe infrage. Das ist eine<br />

Ansammlung von massereichen Sternen,<br />

von <strong>de</strong>nen jedoch die kurzlebigsten Sterne<br />

fehlen. Diese sind innerhalb <strong>de</strong>r letzten<br />

Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />

Jenny Feige hat Sternenstaub untersucht,<br />

<strong>de</strong>r vor Millionen von Jahren<br />

vom Himmel fiel.<br />

16 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


PhYSIK<br />

14 Millionen Jahre explodiert, was <strong>de</strong>m<br />

Alter <strong>de</strong>r Lokalen Blase entspricht. Die<br />

verbleiben<strong>de</strong>n Sterne gehören heute zur<br />

Scorpius-Centaurus-Assoziation, einer<br />

Sternansammlung, die man am Südsternhimmel<br />

beobachten kann.<br />

Verfolgt man die Bahnen <strong>de</strong>r verbliebenen<br />

Sterne zeitlich zurück, dann stellt<br />

sich heraus, dass die Sternstromgruppe<br />

unserem Sonnensystem vor etwa zwei bis<br />

drei Millionen Jahren mit weniger als 300<br />

Lichtjahren sehr nahe kam. Einige Sterne<br />

könnten in <strong>de</strong>m Zeitraum explodiert sein<br />

und Materie in Form von Staub in unser<br />

Sonnensystem geschleu<strong>de</strong>rt haben. Denn<br />

Supernovae sind wahre Staubfabriken. In<br />

nur wenigen Jahren können sich Staubmengen<br />

vergleichbar mit <strong>de</strong>r Masse unserer<br />

Sonne in <strong>de</strong>n expandieren<strong>de</strong>n Hüllen<br />

bil<strong>de</strong>n. Zwar schützt <strong>de</strong>r Sonnenwind<br />

unser Sonnensystem vor kosmischen Teilchen,<br />

doch ein Teil <strong>de</strong>s Staubs schafft es<br />

trotz<strong>de</strong>m, diese Barriere zu überwin<strong>de</strong>n<br />

und zur Er<strong>de</strong> zu gelangen.<br />

Um Staubspuren einer Supernova auf<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man einen<br />

möglichst ungestörten Ort: eine Art Archiv,<br />

das die außerirdischen Teilchen<br />

speichern kann. Das Archiv muss zu<strong>de</strong>m<br />

eine Zeitinformation enthalten, um<br />

Rückschlüsse auf die Ankunft <strong>de</strong>r Staubteilchen<br />

auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ziehen zu können.<br />

Solche Orte existieren fernab <strong>de</strong>r Kontinente<br />

in <strong>de</strong>r Tiefsee, genauer gesagt<br />

am Meeresgrund. Die Tiefseesedimente<br />

wachsen hier nur extrem langsam, sie bil<strong>de</strong>n<br />

sich hauptsächlich aus <strong>de</strong>m wenigen<br />

kontinentalen Staub, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Wind<br />

weit hinaus in <strong>de</strong>n Ozean transportiert<br />

wird, und aus Überresten von Meerestieren,<br />

die sich auf ihrem langen Weg zum<br />

Meeresbo<strong>de</strong>n noch nicht aufgelöst haben.<br />

Ungestört von äußeren Einflüssen entstehen<br />

nur wenige Meter neuen Sediments in<br />

einer Million Jahre.<br />

Bei <strong>de</strong>m Wachstumsprozess setzen sich<br />

auch ferrimagnetische Mineralien – Partikel,<br />

die sich wie Kompassna<strong>de</strong>ln nach<br />

<strong>de</strong>m Erdmagnetfeld ausrichten – auf <strong>de</strong>r<br />

Sedimentoberfläche ab. Wer<strong>de</strong>n diese Mineralien<br />

von jüngerem Sediment überlagert,<br />

wird ihre magnetische Orientierung<br />

festgehalten. Eine Umpolung <strong>de</strong>s Erdmagnetfel<strong>de</strong>s<br />

wird so zeitlich dokumentiert.<br />

Da Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Magnetfel<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r<br />

Erdgeschichte zufällig erfolgten, entstand<br />

ein einzigartiges Muster im Sediment.<br />

Dieser Fingerabdruck kann über sehr große<br />

Zeiträume, bis zu mehr als einhun<strong>de</strong>rt<br />

Millionen Jahre in die Vergangenheit,<br />

beobachtet wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>s Sediment, das<br />

dieses Muster zeigt, kann mit dieser Metho<strong>de</strong><br />

– <strong>de</strong>r Magnetostratigraphie – datiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Eine weitere Hilfe bietet die<br />

Biostratigraphie: Mit eingelagerten Fossilien<br />

verstorbener Lebewesen können Sedimentbereiche<br />

bestimmten Zeitperio<strong>de</strong>n<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Langsam wachsen<strong>de</strong> Tiefseearchive hat<br />

Jenny Feige im Rahmen ihrer Dissertation<br />

DR. JENNY FEIGE<br />

1981 geboren in Rü<strong>de</strong>rsdorf<br />

2002 Abitur<br />

2002 bis 2010 Bakkalaureats- und<br />

Magisterstudium <strong>de</strong>r Astronomie an<br />

<strong>de</strong>r Universität Wien<br />

2010 bis 2014 Promotionsstudium <strong>de</strong>r<br />

Physik an <strong>de</strong>r Universität Wien im Bereich<br />

Isotopenforschung und Kernphysik<br />

27.11.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

Seit 2015 Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Zentrum für Astronomie<br />

und Astrophysik an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />

Infos: www-astro.physik.tu-berlin.<strong>de</strong><br />

Kontakt: feige@astro.physik.tu-berlin.<strong>de</strong><br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 17


PhYSIK<br />

auf Supernova-Relikte untersucht. Dazu<br />

wur<strong>de</strong>n ihr circa einhun<strong>de</strong>rt Proben aus<br />

vier Sedimentbohrkernen zur Verfügung<br />

gestellt. Diese umfassen hauptsächlich<br />

<strong>de</strong>n Zeitbereich von 1,7 bis 3,2 Millionen<br />

Jahre, als die Sterne mit <strong>de</strong>m geringsten<br />

Abstand zur Er<strong>de</strong> explodierten. Die Sedimente<br />

stammen aus <strong>de</strong>m Indischen Ozean,<br />

etwa 1000 Kilometer südwestlich vor<br />

Australien gelegen, aus einer Meerestiefe<br />

von 4200 Metern. Die Bohrkerne wur<strong>de</strong>n<br />

bereits in <strong>de</strong>n 1970er Jahren auf einer Expedition<br />

<strong>de</strong>s Forschungsschiffs „Eltanin“<br />

entnommen und in <strong>de</strong>r antarktischen<br />

Forschungseinrichtung <strong>de</strong>r Florida State<br />

University aufbewahrt.<br />

18 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus<br />

Keine NachtEule<br />

Jenny Feige im bdw-Gespräch<br />

Sie haben zuerst Astronomie<br />

studiert und sich dann <strong>de</strong>r<br />

Physik zugewandt. Wie kam<br />

es zu diesem Sinneswan<strong>de</strong>l?<br />

Ich habe mir als Jugendliche ein<br />

Teleskop gekauft. Der Verkäufer im<br />

Astronomie-Geschäft meinte, wenn<br />

er noch mal jung wäre, wür<strong>de</strong> er<br />

Astronomie in Wien studieren. Ich<br />

dachte, ich bin ja jung, und habe es<br />

gemacht. Im Laufe <strong>de</strong>s Studiums habe<br />

ich gemerkt, dass ich keine Beobachterin<br />

bin, diese Nachtschichten sind<br />

nicht mein Ding. Dass ich für meine<br />

Doktorarbeit am Beschleuniger Nachtschichten<br />

einlegen musste, damit<br />

habe ich nicht gerechnet.<br />

Welcher Moment in <strong>de</strong>r Zeit<br />

Ihrer Doktorarbeit war beson<strong>de</strong>rs<br />

schön?<br />

Zwischendurch war es sehr mühsam.<br />

Wir haben erwartet, nur in wenigen<br />

Proben unser gesuchtes Isotop zu<br />

fin<strong>de</strong>n. Statt<strong>de</strong>ssen war es in allen<br />

Proben enthalten. Ich habe gedacht,<br />

das kann nicht sein, da stimmt<br />

etwas mit <strong>de</strong>n Messungen<br />

nicht. Dann haben wir<br />

weitere Proben untersucht<br />

und gemerkt: Die Messungen<br />

stimmten doch, das<br />

Ergebnis ist nur an<strong>de</strong>rs<br />

als erwartet. Da sind wir<br />

erst mal Wein trinken<br />

gegangen.<br />

Welches Potenzial<br />

steckt in <strong>de</strong>r Tiefseeastronomie?<br />

Sie verbreitet sich gera<strong>de</strong> sehr stark.<br />

Man kann nicht nur Supernovae<br />

untersuchen, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

Sonnenaktivität. Und es wird nach<br />

an<strong>de</strong>ren potenziellen Ereignissen<br />

gesucht, zum Beispiel nach Kometeno<strong>de</strong>r<br />

Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen. Es muss<br />

nicht unbedingt Material aus <strong>de</strong>m<br />

Ozean sein, auch Sedimente aus Seen<br />

können aufschlussreich sein o<strong>de</strong>r<br />

Eisbohrkerne aus <strong>de</strong>r Antarktis. Die<br />

reichen zwar zeitlich nicht so weit zurück,<br />

aber sie haben eine noch höhere<br />

Zeitauflösung.<br />

Die Proben wur<strong>de</strong>n auf das Eisen-<br />

Isotop 60Fe untersucht. Dabei han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um eine instabile Form <strong>de</strong>s Eisens,<br />

welches nicht auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> erzeugt wird.<br />

Um 60Fe zu produzieren, braucht es<br />

Temperaturen, die nicht einmal im Inneren<br />

<strong>de</strong>r Sonne herrschen. Zwischen 500<br />

Millionen und 2 Milliar<strong>de</strong>n Grad Celsius<br />

sind dafür erfor<strong>de</strong>rlich. Solche Voraussetzungen<br />

wer<strong>de</strong>n kurz vor und während einer<br />

Supernova erreicht. Nach einer Halbwertszeit<br />

von 2,6 Millionen Jahren ist die<br />

Hälfte <strong>de</strong>r ursprünglichen Menge von<br />

60Fe zerfallen. Somit existiert das 60Fe,<br />

welches sich bei <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />

vor 4,5 Milliar<strong>de</strong>n Jahren eingeschlichen<br />

hat, inzwischen nicht mehr. Wird<br />

es trotz<strong>de</strong>m heute auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> nachgewiesen,<br />

dann muss es in jüngerer Zeit<br />

von außerhalb eingetragen wor<strong>de</strong>n sein.<br />

Daher ist 60Fe ein i<strong>de</strong>aler Kandidat, um<br />

nach zwei bis drei Millionen Jahre alten<br />

Supernova-Spuren zu suchen. Kurz nach<br />

In ihrer Hand hält die Astrophysikerin<br />

Sedimentproben aus 4200 Metern Tiefe,<br />

vom Grund <strong>de</strong>s Indischen Ozeans.


Behutsam schiebt Jenny Feige eine aufbereitete Sedimentprobe<br />

in das Beschleuniger-Massenspektrometer.<br />

<strong>de</strong>r Explosion <strong>de</strong>s Sterns bin<strong>de</strong>t es sich an<br />

Staub und kann so ins Sonnensystem gelangen.<br />

Insgesamt wür<strong>de</strong>n nur wenige Kilogramm<br />

60Fe einer nahen Supernova aus<br />

<strong>de</strong>r Scorpius-Centaurus-Assoziation die<br />

Er<strong>de</strong> erreichen. Diese sind – gleichmäßig<br />

verteilt auf die gesamte Erdoberfläche –<br />

beinahe unmöglich nachzuweisen.<br />

Wie fin<strong>de</strong>t man nun diese extrem<br />

geringen Mengen von 60Fe in <strong>de</strong>n Sedimentproben?<br />

Die Metho<strong>de</strong> heißt Beschleuniger-Massenspektrometrie,<br />

mit<br />

<strong>de</strong>r einzelne Atome gezählt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Im ersten Schritt mussten die Proben<br />

chemisch aufbereitet wer<strong>de</strong>n. Aus drei<br />

Gramm je<strong>de</strong>r Probe extrahierte Jenny<br />

Feige ein paar Milligramm Eisenoxid,<br />

welches möglicherweise das gesuchte<br />

Supernova-Eisen enthält. Für die Messung<br />

reisten die Proben nahezu an ihren<br />

Ursprungsort zurück, nach Australien.<br />

An <strong>de</strong>r Australian National University in<br />

Canberra steht eine Beschleunigeranlage,<br />

die leistungsstark genug ist, um 60Fe zu<br />

<strong>de</strong>tektieren. Hier wur<strong>de</strong>n die Atome <strong>de</strong>s<br />

Eisenoxids nach ihrer Masse sortiert. Es<br />

gibt jedoch Moleküle mit gleicher Masse<br />

wie das 60Fe, die viel häufiger auf <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong> vorkommen. Um diese Moleküle herauszufiltern,<br />

passierten die Teilchen eine<br />

Folie im Beschleuniger. Sie kollidierten<br />

mit <strong>de</strong>n Folienatomen, und die Moleküle<br />

brachen auseinan<strong>de</strong>r. Die Beschleuniger-<br />

Massenspektrometrie ist so empfindlich,<br />

dass sie selbst unter einer Billiar<strong>de</strong> Eisenatomen<br />

ein einziges 60Fe-Atom i<strong>de</strong>ntifizieren<br />

kann.<br />

1,5 Millionen Jahre Berieselung<br />

Mit dieser Metho<strong>de</strong> gelang es, 60Fe im<br />

Zeitbereich zwischen 1,7 und 3,2 Millionen<br />

Jahren ein<strong>de</strong>utig nachzuweisen. Ältere<br />

und jüngere Sedimentproben zeigten<br />

hingegen keine Spuren außerirdischen<br />

60Fe-Staubs. Verblüffend an diesem Ergebnis<br />

ist die zeitliche Breite <strong>de</strong>r Signatur.<br />

Von einer einzigen Supernova hätte<br />

man erwartet, dass die Berieselung <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong> mit Sternenstaub maximal wenige<br />

Hun<strong>de</strong>rttausend Jahre anhält. Vermutlich<br />

haben mehrere Explosionen hier ihre<br />

Spuren hinterlassen.<br />

Spuren, die das Leben auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> beeinflusst<br />

haben? Mit einer Entfernung von<br />

300 Lichtjahren waren die Explosionen<br />

in <strong>de</strong>r Sternstromgruppe keinesfalls nahe<br />

genug, um großen Scha<strong>de</strong>n anzurichten.<br />

Wirklich gefährlich käme eine Supernova<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> erst in einem Radius von weniger<br />

als 30 Lichtjahren, innerhalb <strong>de</strong>ssen<br />

auch heute keine explosionsgefähr<strong>de</strong>ten<br />

Sterne existieren. Dann wür<strong>de</strong> die Strahlung<br />

unsere Ozonschicht zerstören und<br />

<strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>s UV-Lichts beträchtlich<br />

erhöhen. Das hätten unsere Vorfahren<br />

vermutlich nicht überlebt. Jedoch kam<br />

es in <strong>de</strong>r Zeitperio<strong>de</strong> zwischen zwei und<br />

drei Millionen Jahren zu Verän<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>s Erdklimas. Inwieweit die Supernovae<br />

damit im Zusammenhang stehen, bleibt<br />

bislang ungeklärt.<br />

Die Lokale Blase, die Sternstromgruppe<br />

und das außerirdische 60Fe in<br />

irdischen Tiefseesedimenten: Alles <strong>de</strong>utet<br />

darauf hin, dass Lucy einige Wochen lang<br />

neben <strong>de</strong>r Sonne noch ein helles Objekt<br />

am Taghimmel sah. Dieses leuchten<strong>de</strong><br />

Phänomen war erst <strong>de</strong>r Anfang einer langen<br />

Serie von Sternexplosionen, die die<br />

kosmische Nachbarschaft unseres Sonnensystems<br />

nachhaltig verän<strong>de</strong>rte und<br />

über mehr als eine Million Jahre ihre Relikte<br />

auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> platzierte. ●<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 19


Live-Übertragung<br />

aus <strong>de</strong>r Lunge<br />

Die Lunge live beim Atmen beobachten und dabei auch noch die<br />

künstliche Beatmung <strong>de</strong>rart an <strong>de</strong>n individuellen Patienten anpassen,<br />

dass seine Lungenschä<strong>de</strong>n repariert wer<strong>de</strong>n können? Informatik und<br />

Medizin arbeiten eng zusammen, um genau das mithilfe mo<strong>de</strong>rner<br />

Computertechnik möglich zu machen. Als Bin<strong>de</strong>glied zwischen diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Disziplinen habe ich ein Verfahren entwickelt, das patientenspezifische<br />

Computermo<strong>de</strong>lle erzeugt, mit <strong>de</strong>nen viel präzisere Bil<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Lunge als bisher möglich sind.<br />

von Peter Salz<br />

Eine Lunge aus <strong>de</strong>m 3-D-Drucker.<br />

Die Daten dafür hat Peter Salz mit<br />

seiner neuen Metho<strong>de</strong> aus CT-Aufnahmen<br />

eines Patienten errechnet.<br />

20 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


InformatiK<br />

Dr. Peter Salz<br />

1985 geboren in Mainz<br />

2004 Abitur<br />

2005 bis 2011 Bachelor- und<br />

Masterstudium <strong>de</strong>r Informatik an <strong>de</strong>r<br />

TU Kaiserslautern<br />

Fotos: Thomas Klink für bdw<br />

Was können Ärzte unternehmen,<br />

wenn die Lunge ihre Aufgabe<br />

nicht mehr erfüllen kann, zum<br />

Beispiel durch schwere Unfälle o<strong>de</strong>r eine<br />

Lungenentzündung? Eine wichtige medizinische<br />

Maßnahme im Krankenhaus<br />

ist zunächst die künstliche Beatmung.<br />

Damit ist aber noch mehr möglich: Intensivmediziner<br />

nutzen sie, um geschädigte<br />

Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherzustellen. Das<br />

ist, stark vereinfacht, mit <strong>de</strong>m Aufblasen<br />

eines verschrumpelten Luftballons vergleichbar:<br />

Erst ab einem gewissen Druck<br />

gelingt es, das Volumen <strong>de</strong>s Ballons zu<br />

erhöhen.<br />

Um bei dieser sehr schwierigen Aufgabe<br />

das Beatmungsgerät optimal für <strong>de</strong>n<br />

individuellen Patienten einzustellen, zieht<br />

<strong>de</strong>r Arzt unter an<strong>de</strong>rem Computertomografie-Bil<strong>de</strong>r,<br />

abgekürzt CT, zurate. Der<br />

Name sagt es schon: Hier spielt Informatik<br />

eine große Rolle, <strong>de</strong>nn ohne <strong>de</strong>n<br />

Computer sind solche Bil<strong>de</strong>r nicht möglich.<br />

Bei <strong>de</strong>r Computertomografie wer<strong>de</strong>n<br />

Röntgenstrahlen benutzt, um <strong>de</strong>n Körper<br />

zu durchleuchten. Man kann also direkt<br />

in die Lunge hineinschauen. Lei<strong>de</strong>r hat<br />

dies aber einige schwerwiegen<strong>de</strong> Nachteile:<br />

Die Röntgenstrahlen können Krebs<br />

auslösen, daher sollten sie nur sehr sparsam<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Sie zeigen auch<br />

lediglich ein Standbild <strong>de</strong>s Körpers, die<br />

dynamische Lungenfunktion kann man<br />

damit nicht erfassen.<br />

An dieser spannen<strong>de</strong>n Schnittstelle<br />

zwischen Informatik, Technik und Medizin<br />

setzt meine Arbeit an. Mit Prof. Dr.<br />

Hermann Wrigge, Dr. Andreas Reske<br />

(bei<strong>de</strong> Intensivmediziner und Forscher<br />

am Universitätsklinikum in Leipzig) und<br />

mir (Informatiker an <strong>de</strong>r Technischen<br />

Universität in Kaiserslautern) ist ein interdisziplinäres<br />

Team entstan<strong>de</strong>n, das an<br />

einer Metho<strong>de</strong> arbeitet, mit <strong>de</strong>r man die<br />

Lunge live beim Atmen beobachten kann,<br />

dies sogar ohne schädliche Strahlung,<br />

ohne hohe Kosten und direkt am Krankenbett<br />

<strong>de</strong>s Patienten. Das Schlüsselwort<br />

ist Elektro-Impedanz-Tomografie, kurz<br />

EIT, eine Technologie, die bereits seit drei<br />

Jahrzehnten erforscht wird, aber noch<br />

nicht standardmäßig an Patienten eingesetzt<br />

wird. EIT basiert nicht auf Röntgenstrahlung,<br />

son<strong>de</strong>rn auf Strom. Dabei wird<br />

durch Elektro<strong>de</strong>n ein sehr kleiner, nicht<br />

gesundheitsschädigen<strong>de</strong>r Strom durch<br />

<strong>de</strong>n Körper geleitet. Der Strom nimmt<br />

<strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s geringsten elektrischen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s<br />

und kann an einer an<strong>de</strong>ren<br />

Elektro<strong>de</strong> gemessen wer<strong>de</strong>n.<br />

Weil dieses Verfahren beinahe gleichzeitig<br />

für sehr viele Elektro<strong>de</strong>n rund um<br />

<strong>de</strong>n Brustkorb wie<strong>de</strong>rholt wird, erhält<br />

man Hun<strong>de</strong>rte Spannungsmessungen für<br />

einen einzelnen Zeitpunkt. Aus diesen<br />

lässt sich rekonstruieren, wie sich die<br />

elektrische Leitfähigkeit im Brustkorb<br />

verän<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>nn die gesamte Messung<br />

wird 50 Mal pro Sekun<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt.<br />

Das funktioniert, weil sich die elektrische<br />

Leitfähigkeit <strong>de</strong>r Lunge sehr stark<br />

än<strong>de</strong>rt, je nach<strong>de</strong>m wie viel Luft eingeatmet<br />

wird. Die zahlreichen Einzelbil<strong>de</strong>r<br />

können schließlich zu einem Vi<strong>de</strong>o zusammengesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. So erhalten wir<br />

live Informationen aus <strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s<br />

Körpers darüber, wie die Lunge arbeitet<br />

– ganz ohne Strahlung.<br />

Warum wird die EIT also noch nicht<br />

flächen<strong>de</strong>ckend auf Intensivstationen<br />

2011 Master in Informatik<br />

2011 bis 2014 Doktorand an <strong>de</strong>r<br />

TU Kaiserslautern in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik<br />

& HCI“ mit Forschungsaufenthalten<br />

am Scientific Computing and Imaging<br />

Institute in Salt Lake City (USA) und an<br />

<strong>de</strong>r Uniklinik in Leipzig<br />

31.7.2014 Promotion zum Dr.-Ing.<br />

seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik & HCI“<br />

Infos: gfx.uni-kl.<strong>de</strong><br />

Kontakt: salz@cs.uni-kl.<strong>de</strong><br />

eingesetzt? Eines <strong>de</strong>r Hauptprobleme ist,<br />

dass EIT-Bil<strong>de</strong>r unscharf und von äußerst<br />

geringer Auflösung sind und viele Bildfehler<br />

aufweisen. Das liegt daran, dass es sehr<br />

schwierig ist, die elektrische Leitfähigkeit<br />

im Körper aus <strong>de</strong>n Spannungsmessungen<br />

auf <strong>de</strong>r Haut zu rekonstruieren – so als<br />

klopfte man an eine Tür und müsste dann<br />

anhand <strong>de</strong>s Schalls erraten, wo sich verschie<strong>de</strong>ne<br />

Personen im Raum befin<strong>de</strong>n.<br />

Eine sinnvolle Lösung dieser Aufgabe<br />

ist nur möglich, wenn man weitere Informationen<br />

zur Verfügung hat, zum Beispiel<br />

wie viele Personen im Raum sind, wie<br />

groß <strong>de</strong>r Raum ist und wie er geschnitten<br />

ist. Übertragen auf <strong>de</strong>n menschlichen<br />

Körper sind das beson<strong>de</strong>rs die Form <strong>de</strong>r<br />

Hautoberfläche, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens.<br />

Ohne ein solches Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Brustkorbs<br />

müssen wir uns auf Schätzungen<br />

und generische Mo<strong>de</strong>lle verlassen. Im<br />

obigen Beispiel könnten wir zum Beispiel<br />

annehmen, dass <strong>de</strong>r Raum viereckig und<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 21


INFormatik<br />

Das Dream-Team<br />

Peter Salz im bdw-Gespräch<br />

Sie stan<strong>de</strong>n für Ihre Arbeit in<br />

<strong>de</strong>r Informatik in engem Austausch<br />

mit Medizinern. Wie hat<br />

das funktioniert?<br />

Die Zusammenarbeit von Informatikern und<br />

Medizinern ist tatsächlich nicht so leicht, da<br />

sich die bei<strong>de</strong>n Disziplinen in Vokabular und<br />

Denkweise enorm unterschei<strong>de</strong>n. Das führt<br />

oft zu Missverständnissen. Glücklicherweise<br />

bil<strong>de</strong>n Andreas Reske von <strong>de</strong>r Uniklinik<br />

in Leipzig und ich ein Dream-Team, das<br />

auf technischer, medizinischer wie auch<br />

zwischenmenschlicher Ebene hervorragend<br />

kommunizieren kann.<br />

Wie kam die Zusammenarbeit<br />

zustan<strong>de</strong>?<br />

Mir war früh klar, dass ich im Bereich<br />

medizinische Bildverarbeitung forschen<br />

will, da mich sowohl medizinische Anwendungen<br />

als auch die mathematischen<br />

Aspekte <strong>de</strong>r Bildverarbeitung interessieren.<br />

Ein Kollege <strong>de</strong>r Universität Leipzig bahnte<br />

Anfang 2011 eine Kooperation mit <strong>de</strong>n<br />

Intensivmedizinern <strong>de</strong>r Uniklinik bezüglich<br />

Elektro-Impedanz-Tomografie an. In <strong>de</strong>r Zeit<br />

suchte ich gera<strong>de</strong> ein Promotionsthema.<br />

Nach ersten Recherchen wur<strong>de</strong> mir klar,<br />

dass die ursprüngliche I<strong>de</strong>e ohne intensive<br />

Vorarbeiten nicht umsetzbar war. So entstand<br />

<strong>de</strong>r Fahrplan für meine Dissertation,<br />

um diese Vorarbeiten zu realisieren.<br />

leer ist, sehr ähnlich wird es bis heute in<br />

<strong>de</strong>r EIT auch gemacht. Das lässt sich aber<br />

nicht unmittelbar auf je<strong>de</strong>n einzelnen Patienten<br />

übertragen, was zu einer ungenauen<br />

Rekonstruktion <strong>de</strong>r elektrischen<br />

Leitfähigkeit und damit zu fehlerhaften<br />

Bil<strong>de</strong>rn führt, die in <strong>de</strong>r Praxis nicht sinnvoll<br />

ausgewertet wer<strong>de</strong>n können.<br />

So war mir schnell klar, welchen Beitrag<br />

ich als Informatiker leisten kann, damit<br />

die Elektro-Impedanz-Tomografie in<br />

<strong>de</strong>r klinischen Praxis eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Ich setzte es mir zum Ziel, patientenspezifische<br />

anatomische Informationen<br />

über die dreidimensionale Form <strong>de</strong>s<br />

Brustkorbs, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens<br />

zu gewinnen und diese für die EIT nutzbar<br />

zu machen. Standardmäßig ist eine<br />

<strong>de</strong>taillierte CT-Aufnahme bei je<strong>de</strong>m Lungenpatienten<br />

verfügbar. Der Arzt erkennt<br />

sofort, wo welche Organe liegen und ob<br />

mit ihnen etwas nicht stimmt. Er könnte<br />

also problemlos die Organgrenzen in<br />

<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn nachzeichnen, damit auch <strong>de</strong>r<br />

Computer diese Information bekommt.<br />

Dies wür<strong>de</strong> allerdings viele Stun<strong>de</strong>n dauern.<br />

Ganz alleine kann <strong>de</strong>r Computer diese<br />

Aufgabe aber auch nicht lösen, es geht<br />

Mit künstlicher Beatmung können Ärzte geschädigte<br />

Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherstellen. Dafür bedarf es<br />

eines gewissen Drucks – ähnlich wie wenn man<br />

einen Luftballon aufbläst.<br />

eben nicht ohne die Expertise <strong>de</strong>s Arztes.<br />

Der Hauptbeitrag meiner Forschung ist<br />

daher folgerichtig die Entwicklung eines<br />

Verfahrens, das explizit eine Interaktion<br />

zwischen Arzt und Computer ermöglicht.<br />

Der Computer kann nämlich lernen, wie<br />

es innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />

aussieht, um dann ganz automatisch die<br />

Lungengrenze zu fin<strong>de</strong>n. Dazu markiert<br />

<strong>de</strong>r Arzt an einigen wenigen Stellen in<br />

<strong>de</strong>n CT-Bil<strong>de</strong>rn, ob sich diese Regionen<br />

nun innerhalb o<strong>de</strong>r außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />

befin<strong>de</strong>n.<br />

Der Computer benutzt dieses eben gelernte<br />

Wissen, um versuchsweise die Form<br />

<strong>de</strong>r Lunge zu bestimmen. Oft ist das erste<br />

Ergebnis noch nicht das beste, daher kann<br />

<strong>de</strong>r Arzt nun weitere Markierungen zur<br />

Korrektur hinzufügen, woraufhin <strong>de</strong>r automatische<br />

Prozess von Neuem beginnt.<br />

Das Beson<strong>de</strong>re an diesem Zusammenspiel<br />

ist, dass eine CT-Aufnahme aus ganz vielen<br />

Bil<strong>de</strong>rn besteht, die man zu einer 3-D-<br />

Ansicht zusammenfügen kann. Der Computer<br />

rechnet also in drei Dimensionen,<br />

quasi im ganzen Brustkorb, während <strong>de</strong>r<br />

Arzt ganz bequem nur in zwei Dimensionen<br />

zeichnet. Das spart viel Arbeit!<br />

Ist absehbar, wann Ihr Verfahren<br />

bei Lungenschä<strong>de</strong>n eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n kann?<br />

Ein Teil meiner Arbeit wird aktuell als<br />

Software implementiert, um sie in <strong>de</strong>r<br />

klinischen Forschung einzusetzen und<br />

sie in einer Benutzerstudie mit <strong>de</strong>m<br />

Stand <strong>de</strong>r Technik zu vergleichen. In<br />

<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren wer<strong>de</strong>n wir<br />

weiter daran arbeiten, die an <strong>de</strong>n<br />

Patienten angepasste Behandlung<br />

von Lungenschä<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n klinischen<br />

Einsatz zu realisieren. Eine<br />

Integration in kommerzielle Produkte<br />

ist jedoch noch nicht absehbar.<br />

22 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Durch mein Verfahren haben wir nun<br />

im Computer ein sehr exaktes anatomisches<br />

dreidimensionales Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Patienten,<br />

welches von <strong>de</strong>r EIT zur Rekonstruktion<br />

<strong>de</strong>r Leitfähigkeitsän<strong>de</strong>rungen<br />

im Körper aus <strong>de</strong>n Spannungsmessungen<br />

auf <strong>de</strong>r Haut verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Damit erhalten wir eine <strong>de</strong>utlich verbesserte<br />

Live-Übertragung aus <strong>de</strong>r Lunge,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Computer weiß schon ziemlich<br />

genau, auf welche Hin<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r Strom<br />

auf seiner Reise durch <strong>de</strong>n Körper treffen<br />

wird und wie diese aussehen.<br />

Bildfehler o<strong>de</strong>r Lungenscha<strong>de</strong>n?<br />

Wir haben mein Verfahren für patientenspezifische<br />

Computermo<strong>de</strong>lle bereits<br />

erfolgreich im Tierversuch angewandt.<br />

Während einer Studie an einem beatmeten<br />

Schwein unter Vollnarkose, das zu<br />

diesem Zeitpunkt eigentlich gesund sein<br />

sollte, zeigten die EIT-Bil<strong>de</strong>r eine ungewöhnliche<br />

Asymmetrie zwischen <strong>de</strong>r<br />

linken und rechten Lunge während <strong>de</strong>r<br />

Beatmung. Mit <strong>de</strong>n bisherigen Brustkorb-<br />

Mo<strong>de</strong>llen konnten wir nicht zuverlässig<br />

beantworten, was diese Anomalie verursachte:<br />

Ist es bloß ein Bildfehler, o<strong>de</strong>r liegt<br />

tatsächlich ein bisher unbekannter Lungenscha<strong>de</strong>n<br />

vor, <strong>de</strong>r eine Seite <strong>de</strong>r Lunge<br />

betrifft?<br />

Mein Verfahren nutzt die präzisen<br />

anatomischen Informationen dieses<br />

Schweins, um die EIT-Vi<strong>de</strong>os zu erzeugen,<br />

daher konnten wir einen Bildfehler<br />

ausschließen. Mit bisherigen Verfahren<br />

kamen solche Fehler dagegen häufig vor.<br />

Um ganz sicherzugehen, dass die Asymmetrie<br />

im EIT-Vi<strong>de</strong>o also wirklich durch<br />

einen geringen Lungenscha<strong>de</strong>n verursacht<br />

wur<strong>de</strong>, schaute ich mir weitere Daten<br />

an und wur<strong>de</strong> fündig. Damit war klar,<br />

dass meine Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>rart präzise Bil<strong>de</strong>r<br />

liefert, dass selbst solch eine kleine Verletzung,<br />

die uns ja vorher entgangen war,<br />

sichtbar gemacht wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Am Menschen wird die Elektro-Impedanz-Tomografie<br />

übrigens auch schon<br />

versuchsweise eingesetzt. In Zukunft<br />

möchte ich mit <strong>de</strong>n Geräteherstellern<br />

zusammenarbeiten, um mein<br />

Verfahren flächen<strong>de</strong>ckend<br />

verfügbar zu machen.<br />

Denn die EIT-Forschungsgemeinschaft<br />

Die CT-Aufnahmen <strong>de</strong>r Lunge dienen Peter Salz als Grundlage für seine 3-D-Mo<strong>de</strong>lle. Form,<br />

Größe und Beschaffenheit <strong>de</strong>r Lunge sind sehr wichtig für die Diagnostik – und auch für die<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r dynamischen Bildgebung.<br />

ist sich einig: Der Nutzen für <strong>de</strong>n Patienten<br />

ist enorm. Der Arzt sieht auf seinem<br />

Bildschirm regionale Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Lunge in Echtzeit und kann die Therapie<br />

somit optimal individualisieren – genau<br />

daran arbeiten Prof. Dr. Hermann Wrigge<br />

und Dr. Andreas Reske in Leipzig.<br />

Ich liefere ihnen die computergestützten<br />

Werkzeuge, die sie dafür benötigen.<br />

Die kann ich natürlich nur entwickeln,<br />

wenn ich sehr genau die Arbeitsweise<br />

und die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Ärzte verstehe.<br />

Das ist die Schnittstelle zwischen<br />

Informatik und Medizin, an <strong>de</strong>r ich als<br />

Bin<strong>de</strong>glied <strong>de</strong>r Disziplinen stehe und dafür<br />

sorge, dass alle Seiten gewinnen: Die<br />

Informatik entwickelt sich durch neue<br />

Anwendungsgebiete weiter, die Medizin<br />

nutzt immer mehr Computertechnik für<br />

neue Therapieansätze, und am En<strong>de</strong> profitiert<br />

<strong>de</strong>r Patient, weil er besser behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

●<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 23


Dr. Timo Berthold<br />

1981 geboren in Berlin<br />

2001 Abitur am Gymnasium auf <strong>de</strong>n<br />

Seelower Höhen<br />

2001 bis 2006 Studium <strong>de</strong>r Mathematik<br />

an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />

2006 Diplom in Mathematik<br />

2007 bis 2014 Doktorand <strong>de</strong>r<br />

Mathematik an <strong>de</strong>r TU Berlin<br />

2007 bis 2014 Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Zuse-Institut Berlin<br />

2010 Mitgrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Firma TASK GbR,<br />

Beratung und Training im Bereich Optimierung<br />

6.11.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

seit 2014 Software-Entwickler bei<br />

FICO Deutschland<br />

Infos: www.zib.<strong>de</strong>/berthold<br />

Angewandte „Un<strong>de</strong>rcover“-Heuristik: Timo<br />

Berthold zaubert aus einer run<strong>de</strong>n Dose eine<br />

rechteckige Scheibe.<br />

24 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Mathematik<br />

Gut geraten<br />

Busse, Handys, Fußball: Ganzzahlige Optimierungsprobleme<br />

begegnen uns an Stellen, an <strong>de</strong>nen wir sie nicht vermuten.<br />

Um für solche Probleme Lösungen zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man ein<br />

gutes Gespür – und oftmals auch ein Quäntchen Glück.<br />

von Timo Berthold<br />

Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />

Es ist schönes Wetter, und heute<br />

spielt Ihr Lieblingsverein. Sie verabre<strong>de</strong>n<br />

sich per Handy mit einigen<br />

Freun<strong>de</strong>n und fahren mit <strong>de</strong>m Bus<br />

zum Stadion. Bei <strong>de</strong>r Bratwurst vorm<br />

Anpfiff diskutieren Sie noch, ob <strong>de</strong>nn die<br />

Liste <strong>de</strong>r nächsten Gegner eher gut o<strong>de</strong>r<br />

eher schlecht für <strong>de</strong>n eigenen Club sei.<br />

Sie verbringen mithilfe <strong>de</strong>r Mathematik<br />

einen schönen Tag.<br />

Mathematik? Genau, <strong>de</strong>nn Busfahrpläne,<br />

die Zuweisung von Mobilfunk-<br />

Frequenzen zu Sen<strong>de</strong>antennen und <strong>de</strong>r<br />

Spielplan <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga, all das<br />

sind sogenannte ganzzahlige Optimierungsprobleme.<br />

Ein solches Problem setzt<br />

sich aus drei grundlegen<strong>de</strong>n Bestandteilen<br />

zusammen: einer Zielfunktion, Nebenbedingungen<br />

und <strong>de</strong>r Einschränkung auf<br />

ganze Zahlen. Betrachten wir das einmal<br />

anhand <strong>de</strong>r oben aufgezählten Beispiele.<br />

Die Passagiere im Busverkehr wünschen<br />

sich geringe Umsteigezeiten, beim<br />

Mobilfunk soll es möglichst wenig Interferenzen<br />

zwischen benachbarten Antennen<br />

geben, und im Fußball sollen die<br />

Einnahmen aus Fernsehübertragungen<br />

möglichst hoch sein. Das ist die Zielfunktion:<br />

etwas, das man im Rahmen <strong>de</strong>r zulässigen<br />

Möglichkeiten klein halten o<strong>de</strong>r<br />

groß gestalten möchte. Was zulässige<br />

Möglichkeiten sind, das bestimmen die<br />

Nebenbedingungen, also Gesetzmäßigkeiten,<br />

die man auf je<strong>de</strong>n Fall beachten<br />

muss. Es gilt, Pausenregelungen für Fahrer<br />

einzuhalten, die Wahl von Antennenstandorten<br />

unterliegt Einschränkungen,<br />

und Heim- und Auswärtsspiele müssen<br />

sich abwechseln. Diese Nebenbedingungen<br />

lassen sich als ein mathematisches<br />

Gleichungssystem formulieren. Ungefähr<br />

so, wie wir es bei Textaufgaben aus<br />

<strong>de</strong>r Schule kennen, nur eben viel größer.<br />

Anstatt zwei o<strong>de</strong>r drei Variablen und<br />

Gleichungen gibt es oftmals Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong>.<br />

Für diese Gleichungssysteme<br />

möchte man im Sinne <strong>de</strong>r Zielfunktion<br />

möglichst gute Lösungen fin<strong>de</strong>n. Dann<br />

ist da noch die Einschränkung auf ganze<br />

Zahlen. Eine halbe Fußballmannschaft<br />

und zwei Drittel Busfahrer – das funktioniert<br />

nicht. Daher suchen wir Lösungen,<br />

die ganzzahlig sind, also Werte wie null,<br />

eins o<strong>de</strong>r zwei annehmen, aber eben nicht<br />

fünf Dreisiebtel.<br />

Wenn Mathematiker vor eine neue<br />

Optimierungsaufgabe gestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

dann gibt es vereinfacht gesagt zwei Arbeitsschritte.<br />

Erster Schritt: das Erstellen<br />

eines geeigneten Mo<strong>de</strong>lls, also eines Gleichungssystems.<br />

Das geschieht meist mit<br />

Tafel und Krei<strong>de</strong> – und einem Schwamm!<br />

Was sind die Variablen, haben wir alle<br />

Nebenbedingungen beachtet, stellt die<br />

Zielfunktion wirklich das dar, was sie<br />

soll? Hinschreiben, wegwischen, noch<br />

mal. Ist ein brauchbares Mo<strong>de</strong>ll vorhan<strong>de</strong>n,<br />

kommt Schritt zwei: das Fin<strong>de</strong>n einer<br />

Lösung für dieses Mo<strong>de</strong>ll. Da reichen<br />

alle Tafeln <strong>de</strong>r Welt nicht mehr, das geschieht<br />

mithilfe von Computerprogrammen.<br />

An <strong>de</strong>r Entwicklung eines solchen<br />

Programms war ich im Rahmen meiner<br />

Doktorarbeit beteiligt.<br />

Meine Dissertation beschäftigt sich<br />

mit „Heuristiken“ für ganzzahlige Op-<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 25


Mathematik<br />

Der Mathe-Pilot<br />

Timo Berthold im bdw-Gespräch<br />

Sie haben seit Ihrer Diplomarbeit<br />

sehr viel veröffentlicht:<br />

28 Publikationen. Was ist Ihr<br />

Erfolgsgeheimnis?<br />

Kooperation. Ich habe Universitäten in aller<br />

Welt besucht, konnte zu diversen Konferenzen<br />

fahren und habe viel mit Kollegen<br />

aus meiner Abteilung zusammengearbeitet.<br />

Dadurch entstehen oftmals gute I<strong>de</strong>en, auf<br />

die keiner <strong>de</strong>r Beteiligten alleine gekommen<br />

wäre. Außer<strong>de</strong>m lernt man dadurch, wie<br />

Wissenschaft an<strong>de</strong>rswo betrieben wird und<br />

somit, wie man einen Artikel am besten<br />

schreibt, um ein möglichst breites Publikum<br />

zu erreichen.<br />

Jetzt arbeiten Sie für ein<br />

Software-Unternehmen. War<br />

die Forscherlaufbahn keine<br />

Option für Sie?<br />

Jein. Das in Deutschland übliche System,<br />

dass man nach <strong>de</strong>r Doktorarbeit drei bis<br />

vier Mal die Universität wechselt, ist lei<strong>de</strong>r<br />

sehr familienunfreundlich. Ich arbeite aber<br />

weiterhin <strong>wissenschaft</strong>lich. Meine Tätigkeit<br />

bei FICO entspricht genau <strong>de</strong>m, woran ich<br />

für meine Dissertation geforscht habe: die<br />

Entwicklung ganzzahliger Optimierungssoftware.<br />

Mein Büro befin<strong>de</strong>t sich am<br />

Forschungsinstitut ZIB, ich publiziere<br />

weiterhin und kooperiere mit Kollegen aus<br />

Wissenschaft und Industrie.<br />

Wie erklären Sie Ihren<br />

Kin<strong>de</strong>rn, was Sie tun?<br />

Mit Formen und Körpern – Pyrami<strong>de</strong>n,<br />

Würfeln, Kugeln – spielen Kin<strong>de</strong>r intuitiv,<br />

und auch Logikrätsel begeistern sie. Genau<br />

das ist es, worum sich meine Forschung<br />

dreht. Dadurch kann man mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

sowie Erwachsenen schnell ins<br />

Gespräch kommen. Im Moment<br />

<strong>de</strong>nken meine Kin<strong>de</strong>r (ein und<br />

drei Jahre) aber vermutlich<br />

noch, dass ich Pilot<br />

bin – weil ich so häufig<br />

mit <strong>de</strong>m Flugzeug zu<br />

Konferenzen reise.<br />

timierungsprobleme. Heuristiken sind<br />

Verfahren, die versuchen, schnell eine<br />

vergleichsweise gute Lösung für ein gegebenes<br />

Problem zu konstruieren, dabei<br />

aber oft nicht die bestmögliche Lösung<br />

fin<strong>de</strong>n. Man könnte auch sagen, Heuristiken<br />

sind intelligente Rateverfahren.<br />

Heuristische Entscheidungen für Optimierungsprobleme<br />

– klingt sperrig,<br />

kennen wir aber alle aus unserem Alltag.<br />

Stellen Sie sich beispielsweise vor,<br />

Sie wollen ein neues Smartphone kaufen.<br />

Nun könnten Sie sich einen vollständigen<br />

Marktüberblick verschaffen und alle<br />

Marken, Mo<strong>de</strong>lle, Versionen und alle<br />

Angebote miteinan<strong>de</strong>r vergleichen. Das<br />

macht kein Mensch, weil es ewig dauern<br />

wür<strong>de</strong>. Ihr Gewinner wäre wahrscheinlich<br />

schon veraltet, wenn Sie Ihre Entscheidung<br />

getroffen haben. Statt<strong>de</strong>ssen<br />

gehen Sie zielstrebiger und intuitiv vor.<br />

Sie analysieren einige beson<strong>de</strong>rs relevante<br />

Informationen, zum Beispiel einen Testbericht.<br />

Sie treffen eine Vorauswahl infrage<br />

kommen<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle, die Sie genauer<br />

vergleichen. Sie kaufen bei <strong>de</strong>m Händler<br />

ein, <strong>de</strong>r Sie immer gut beraten hat.<br />

So ähnlich ist das auch bei Heuristiken:<br />

Man sammelt Statistiken, anhand<br />

<strong>de</strong>rer man Entscheidungen trifft, probiert<br />

einfach mal aus, ein paar Variablen zu fixieren,<br />

und nutzt bekannte Muster aus.<br />

Bevor ich etwas genauer auf ein Beispiel<br />

für eine solche Heuristik eingehe, möchte<br />

ich noch eine Sache (er)klären. Als Mathematiker<br />

<strong>de</strong>nke ich nicht <strong>de</strong>n ganzen<br />

Tag über Zahlen und Formeln nach. Viel<br />

häufiger beschäftige ich mich mit Formen<br />

und (mathematischen) Körpern. Wie<br />

kann man sie am besten darstellen, bewegen<br />

o<strong>de</strong>r unterteilen? Denn Gleichungen<br />

und die Verfahren, mit <strong>de</strong>nen man sie löst,<br />

lassen sich oftmals geometrisch begreifen.<br />

Die Menge <strong>de</strong>r zulässigen Lösungen eines<br />

Gleichungssystems ist zum Beispiel ein<br />

Würfel, ein Prisma, ein Kegel o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>in<br />

an<strong>de</strong>rer Körper. Dieser kann komplex<br />

und hochdimensional sein, hat aber im<br />

wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes Ecken und<br />

Kanten. Ein Punkt in diesem Körper ist<br />

die ganzzahlige Optimallösung, nach <strong>de</strong>r<br />

wir suchen.<br />

Eine Heuristik aus meiner Dissertation,<br />

die es mir beson<strong>de</strong>rs angetan hat,<br />

nennt sich „Un<strong>de</strong>rcover“. Sie basiert<br />

auf <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, in einem komplizierten<br />

mathematischen Körper einen einfacher<br />

zu handhaben<strong>de</strong>n Teilkörper zu fin<strong>de</strong>n.<br />

O<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs gesagt: ein riesiges, extrem<br />

schweres Gleichungssystem in ein kleineres,<br />

leichter zu lösen<strong>de</strong>s umzuwan<strong>de</strong>ln.<br />

Stellen Sie sich einen Zylin<strong>de</strong>r vor, also<br />

einen Körper in Form einer Konservendose.<br />

Wenn Sie aus diesem eine einzelne,<br />

hauchdünne Scheibe herausschnei<strong>de</strong>n,<br />

was erhalten Sie? Viele <strong>de</strong>nken zuerst an<br />

einen Kreis, das ist aber nicht die einzige<br />

Möglichkeit. Wenn Sie <strong>de</strong>n Zylin<strong>de</strong>r<br />

entlang <strong>de</strong>r Höhe durchtrennen, dann erhalten<br />

Sie ein Rechteck als Schnittfläche.<br />

Das Interessante an dieser Beobachtung<br />

ist, dass Sie mit einem Schnitt aus einem<br />

run<strong>de</strong>n Objekt eines mit geradlinigen Seiten<br />

gemacht haben.<br />

Mathematisch gesehen entspricht dieses<br />

Schnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Fixieren von Variablen.<br />

Der Körper entspricht <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r zulässigen<br />

Lösungen eines Gleichungssys-<br />

26 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus<br />

Ein mathematisches<br />

Mo<strong>de</strong>ll entsteht oft<br />

zunächst an <strong>de</strong>r Tafel<br />

– und in Teamarbeit.


tems. Und interessanterweise ist es <strong>de</strong>utlich<br />

einfacher, über „geradlinig begrenzte“<br />

Bereiche zu optimieren als über „run<strong>de</strong>“.<br />

O<strong>de</strong>r mathematisch ausgedrückt: Lineare<br />

Optimierung ist leichter als nichtlineare.<br />

Die Un<strong>de</strong>rcover-Heuristik geht genauso<br />

vor: Man bestimmt eine möglichst kleine<br />

Menge von Variablen eines gegebenen<br />

Optimierungsproblems, die man fixieren<br />

muss, um ein solches einfacheres Optimierungsproblem<br />

zu erhalten. Dann löst<br />

man dieses kleinere Problem. Je<strong>de</strong> Lösung<br />

davon ist eine Lösung <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Problems, aber nicht umgekehrt.<br />

Einfach, schnell, zuverlässig<br />

Es kann allerdings sein, dass die Optimallösung<br />

eben gera<strong>de</strong> nicht in unserem<br />

kleinen Teilproblem liegt o<strong>de</strong>r im schlechtesten<br />

Fall, dass das Teilproblem gar keine<br />

ganzzahlige Lösung besitzt. Un<strong>de</strong>rcover<br />

ist eben eine Heuristik. Durch die Rechenexperimente<br />

meiner Dissertation konnten<br />

drei Dinge gezeigt wer<strong>de</strong>n. Erstens reicht<br />

es oftmals, relativ wenige Variablen zu fixieren,<br />

um alle Nichtlinearitäten zu entfernen,<br />

das heißt, das Problem zu „begradigen“.<br />

Zweitens konnten die entstehen<strong>de</strong>n<br />

Teilprobleme fast immer extrem schnell<br />

gelöst wer<strong>de</strong>n. Drittens konnte Un<strong>de</strong>rcover<br />

in über <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r Fälle eine zulässige<br />

Lösung fin<strong>de</strong>n. Das ist ein sehr guter<br />

Wert für eine einzelne Heuristik.<br />

Was manche bei meinem Forschungsprojekt<br />

vielleicht als Nachteil sehen wür<strong>de</strong>n,<br />

empfin<strong>de</strong> ich persönlich als großen<br />

Vorteil: Es geht nicht um eine ganz spezielle<br />

Anwendung, son<strong>de</strong>rn um die Mathematik,<br />

die sich allgemein hinter <strong>de</strong>r<br />

Planung und Optimierung von Abläufen<br />

verbirgt. Im Umkehrschluss kommen die<br />

entwickelten Metho<strong>de</strong>n dadurch nämlich<br />

bei sehr vielen Anwendungen zum<br />

Einsatz, wenn auch oftmals „hinter <strong>de</strong>r<br />

Kulisse“. Für die Untersuchungen in meiner<br />

Dissertation arbeitete ich mit <strong>de</strong>r Siemens<br />

AG, <strong>de</strong>r SAP SE und <strong>de</strong>r Open Grid<br />

Europe GmbH zusammen. Diese Firmen<br />

sind Kooperationspartner unseres<br />

Instituts und verwen<strong>de</strong>n die von mir<br />

mitentwickelte Software. Auch die drei<br />

Marktführer für mathematische Optimierungssoftware<br />

– FICO Xpress, IBM<br />

Cplex und Gurobi – setzen heuristische<br />

Verfahren ein, die im Rahmen meiner<br />

Wann fährt <strong>de</strong>r Bus? Gegen wen spielt <strong>de</strong>r Lieblingsverein?<br />

Hat das Handy guten Empfang? In vielen<br />

Alltagssituationen steckt ganzzahlige Optimierung.<br />

Dissertation entwickelt wur<strong>de</strong>n. Solche<br />

Software kommt heutzutage bei fast je<strong>de</strong>m<br />

großen Unternehmen zum Einsatz.<br />

Abpfiff. Das große Spiel wur<strong>de</strong> knapp,<br />

aber verdient gewonnen, das gibt ein hübsches<br />

Polster für die Spielpaarungen <strong>de</strong>r<br />

nächsten Wochen. Auf Ihrem kürzlich gekauften<br />

Smartphone schauen Sie, welche<br />

Busverbindung Sie am schnellsten nach<br />

Hause bringt. Das ist das Schöne bei <strong>de</strong>r<br />

ganzzahligen Optimierung: Wir benutzen<br />

ihre Ergebnisse, ohne groß darüber<br />

nach<strong>de</strong>nken zu müssen. Wenn sie uns im<br />

Alltag begegnet, dann wur<strong>de</strong> die Lösung<br />

schon gefun<strong>de</strong>n. Vielleicht mit einer meiner<br />

Heuristiken.<br />

●<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 27


Licht aus<br />

<strong>de</strong>m Drucker<br />

Flexible Bildschirme, leuchten<strong>de</strong> Getränkedosen und lichtspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tapeten – das alles<br />

soll durch Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n möglich wer<strong>de</strong>n. Über eine Zukunftstechnologie, <strong>de</strong>ren<br />

Geschichte mit <strong>de</strong>m Aussterben <strong>de</strong>r Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren begann.<br />

von Daniel Volz<br />

Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

kurz OLEDs lassen die Bildschirme<br />

von Smartphones, Digitaluhren<br />

und Tablet-Computern in hellen<br />

Farben erstrahlen. Wenn Chemiker das<br />

Wort „organisch“ verwen<strong>de</strong>n, bezieht<br />

sich dies nicht auf Organe o<strong>de</strong>r Organismen,<br />

son<strong>de</strong>rn auf Moleküle, die aus<br />

<strong>de</strong>n chemischen Elementen Kohlenstoff<br />

und Wasserstoff aufgebaut sind. OLEDs<br />

funktionieren prinzipiell ähnlich wie<br />

konventionelle Leuchtdio<strong>de</strong>n (LEDs), die<br />

seit Jahrzehnten dazu verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />

um elektrische Energie effizient in Licht<br />

umzuwan<strong>de</strong>ln. Dabei kommen spezielle<br />

Moleküle zum Einsatz, die wie kleine<br />

Maschinen am Reißbrett entworfen und<br />

dann im Syntheselabor hergestellt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Läuft alles nach Plan, so können<br />

die winzigen Apparate als Lichtquellen in<br />

Lampen und Bildschirmen zum Einsatz<br />

kommen. Motor dieser neuen Technologie,<br />

und <strong>de</strong>swegen bisher in allen mo<strong>de</strong>rnen<br />

OLED-Molekülen enthalten, ist<br />

neben Kohlenstoff das 77. Element im Perio<strong>de</strong>nsystem<br />

<strong>de</strong>r Elemente, das Iridium.<br />

Dieses sehr seltene Schwermetall ist nicht<br />

nur aufgrund seiner speziellen physikalischen<br />

Eigenschaften unverzichtbarer Bestandteil<br />

von Bildschirmen, son<strong>de</strong>rn auch<br />

Kronzeuge einer <strong>de</strong>r größten Katastrophen<br />

in <strong>de</strong>r Geschichte unseres Planeten,<br />

<strong>de</strong>s Aussterbens <strong>de</strong>r Dinosaurier – dazu<br />

später mehr.<br />

Zur Herstellung von OLEDs wer<strong>de</strong>n<br />

die Leuchtstoffe durch Erwärmen im Vakuum<br />

verdampft und dann, wie Morgentau<br />

auf <strong>de</strong>r Autoscheibe, als dünne Filme<br />

auf Trägermaterialien wie Glas o<strong>de</strong>r Plastikfolie<br />

wie<strong>de</strong>r abgeschie<strong>de</strong>n. So lassen<br />

sich nahezu beliebig große Bauteile herstellen<br />

– die Firma LG stellte beispielsweise<br />

vor einem Jahr einen OLED-Fernseher<br />

mit beinahe zwei Metern Bildschirmdiagonale<br />

vor. In Zukunft könnten in <strong>de</strong>r<br />

industriellen OLED-Produktion auch<br />

nasschemische Verfahren zum Einsatz<br />

kommen, die im Labormaßstab bereits<br />

erprobt sind. Durch Auflösen in Lösungsmitteln<br />

wer<strong>de</strong>n die organischen<br />

Materialien dabei zu Tinten verarbeitet,<br />

die dann mithilfe von Druckmaschinen<br />

aufgebracht wer<strong>de</strong>n können. Derartiges<br />

lässt sich mit klassischen, „nicht-<br />

Fotos: Wolfram Scheible für bdw<br />

28 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


chemie<br />

DR. DANIEL VOLZ<br />

1986 geboren in Malsch<br />

2005 Abitur<br />

2006 bis 2010 Studium <strong>de</strong>r Chemie am<br />

Karlsruher Institut für Technologie<br />

2010 Diplom in Chemie<br />

2011 bis 2014 Doktorand am Institut für<br />

Organische Chemie <strong>de</strong>s Karlsruher Instituts<br />

für Technologie<br />

15.4.2014 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

Seit 2014 Wissenschaftler in <strong>de</strong>r Forschung<br />

und Entwicklung bei <strong>de</strong>r cynora GmbH, Bruchsal<br />

Infos: www.logos-verlag.<strong>de</strong>/cgi-bin/<br />

buch/isbn/3822<br />

Kontakt: danielvolz@mail.<strong>de</strong><br />

Die Tinten wer<strong>de</strong>n für die Herstellung<br />

von OLEDs verwen<strong>de</strong>t.<br />

Für das Bild hat Daniel Volz sie<br />

mithilfe von Schwarzlicht zum<br />

Leuchten gebracht.<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 29


chemie<br />

In <strong>de</strong>m Aufbau wer<strong>de</strong>n Organische Leuchtdio<strong>de</strong>n<br />

in Blau, Cyan und Grün getestet.<br />

Der OLED-Sonnenaufgang<br />

Daniel Volz im bdw-Gespräch<br />

Wie kamen Sie darauf, mit<br />

Kupfer in Organischen Leuchtdio<strong>de</strong>n<br />

zu experimentieren?<br />

Die Verwendung von Kupfer in OLEDs<br />

selbst war ein Zufallsfund: Wir suchen als<br />

Synthesechemiker stets nach neuen Katalysatoren,<br />

auch auf Basis von Kupfer. Bei<br />

einem solchen Experiment fiel uns auf,<br />

dass das als Katalysator gedachte Kupfer<br />

zusammen mit an<strong>de</strong>ren Bestandteilen ein<br />

unerwartetes, hell leuchten<strong>de</strong>s Produkt<br />

gebil<strong>de</strong>t hat. Als wir uns genauer angeschaut<br />

haben, was da entstan<strong>de</strong>n ist, war<br />

schnell klar, dass es eine Anwendung<br />

geben könnte.<br />

Was wür<strong>de</strong>n Sie sich mit OLED-<br />

Tinte drucken?<br />

Ich wür<strong>de</strong> mir vermutlich eine großflächige<br />

Leuchttapete drucken, sie im<br />

Schlafzimmer über das Bett hängen, um<br />

mich in <strong>de</strong>r dunklen Jahreszeit von einem<br />

OLED-Sonnenaufgang wecken zu lassen.<br />

Verführerisch erscheint mir auch ein<br />

transparentes OLED in <strong>de</strong>r Windschutzscheibe<br />

meines Autos zum Ablesen von<br />

Tacho, Füllstand <strong>de</strong>s Benzintanks sowie<br />

zur Navigation, um nicht mehr <strong>de</strong>n Blick<br />

vom Geschehen auf <strong>de</strong>r Straße nehmen<br />

zu müssen.<br />

Wie wichtig ist es Ihnen, Laien<br />

Wissenschaft verständlich zu<br />

machen?<br />

Ich habe schon am Anfang meines<br />

Studiums nebenbei bei einer Lokalzeitung<br />

gearbeitet, um mir meine Miete zu verdienen.<br />

In Karlsruhe, wo ich studiert habe,<br />

ist das KIT viel in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit, aber<br />

die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern<br />

und Zeitungsredakteuren ist<br />

nicht immer so einfach. Da war ich eine<br />

gute Schnittstelle. Ich fin<strong>de</strong>, es gehört zu<br />

<strong>de</strong>n Qualitäten eines Wissenschaftlers,<br />

dass er seine Themen verständlich erklären<br />

und herunterbrechen kann.<br />

organischen“ LEDs nicht realisieren: Die<br />

LED-Materialien bestehen im Gegensatz<br />

zu organischen Stoffen nicht aus isolierten<br />

Molekülen, son<strong>de</strong>rn gela<strong>de</strong>nen Bausteinen,<br />

die in dreidimensionalen Gitternetzwerken<br />

fest miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n<br />

sind und sich we<strong>de</strong>r auflösen noch verdampfen<br />

lassen. Die Möglichkeit, OLEDs<br />

durch Drucken herzustellen, bringt viele<br />

Material<strong>wissenschaft</strong>ler zum Träumen.<br />

Schon Tintenstrahldrucker für <strong>de</strong>n Hausgebrauch<br />

schaffen 50 bis 100 DIN-A4-<br />

Seiten pro Minute. So ließen sich OLEDs<br />

in gigantischen Stückzahlen herstellen<br />

und könnten in Zukunft völlig neue Anwendungen<br />

ermöglichen. Beispielsweise<br />

wur<strong>de</strong>n auf Industriemessen Prototypen<br />

von dünnen, rollbaren o<strong>de</strong>r volltransparenten<br />

Bildschirmen vorgestellt. OLEDs<br />

könnten auch bald am laufen<strong>de</strong>n Meter<br />

verkauft und in Leuchttapeten o<strong>de</strong>r lichterzeugen<strong>de</strong>n<br />

Fassa<strong>de</strong>nelementen zum<br />

Einsatz kommen o<strong>de</strong>r als leuchten<strong>de</strong> Etiketten<br />

auf Getränkeflaschen die Kun<strong>de</strong>n<br />

umwerben.<br />

Mit <strong>de</strong>n bisherigen OLED-Leuchtstoffen<br />

aber wer<strong>de</strong>n diese Erfindungen<br />

nie in Serienproduktion gehen können.<br />

Der Grund ist das eingangs erwähnte<br />

Iridium, welches nötig ist, um effizient<br />

Strom in Licht umzuwan<strong>de</strong>ln. Und hier<br />

sind wir zurück bei <strong>de</strong>n Dinos: Das meiste<br />

ursprünglich auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Iridium sank in <strong>de</strong>r Frühgeschichte unseres<br />

Planeten, vor <strong>de</strong>m Erstarren <strong>de</strong>r damals<br />

noch flüssigen Erdkruste aufgrund<br />

seiner hohen Dichte tief ins Erdinnere,<br />

unerreichbar für Bergleute. Dennoch fin<strong>de</strong>t<br />

sich in bestimmten Gesteinsschichten<br />

ein unerwartet hoher Iridium-Anteil. Der<br />

Physik-Nobelpreisträger Luis Alvarez<br />

führte dies auf <strong>de</strong>n Einschlag eines gigantischen<br />

Iridium-reichen Asteroi<strong>de</strong>n<br />

vor 66 Millionen Jahren zurück, <strong>de</strong>n er<br />

außer<strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Auslöser jener Klimakatastrophe<br />

hielt, die damals drei Viertel<br />

aller Tier- und Pflanzenarten und fast alle<br />

Dinosaurier ausrottete. Der in etwa 200<br />

Kilometer breite Einschlagskrater wur<strong>de</strong><br />

bei Chicxulub im Golf von Mexiko gefun<strong>de</strong>n.<br />

Das heute abbaufähige Iridium<br />

stammt von diesem und kleineren Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen.<br />

Wür<strong>de</strong>n alle <strong>de</strong>nkbaren<br />

OLED-Anwendungen mit heutiger<br />

Technologie realisiert, so wäre das wenige<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Iridium bald aufgebraucht.<br />

Iridium re cy cel bar?<br />

Dabei ist lei<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Umstand, dass<br />

nur wenige Nanometer dünne Schichten<br />

an Leuchtstoff in OLEDs verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n, von Nachteil. Im Vergleich zur<br />

Gesamtmasse eines OLED-Bildschirms ist<br />

die Konzentration an Iridium pro Bauteil<br />

noch kleiner als in Iridium-haltigen Erzen.<br />

Dies sorgt dafür, dass in OLEDs verbautes<br />

Iridium mit heutigen Techniken nicht wie<strong>de</strong>r<br />

zurückgewonnen wer<strong>de</strong>n kann. Wür<strong>de</strong>n<br />

neben Bildschirmen auch leuchten<strong>de</strong><br />

Wan<strong>de</strong>lemente und Verpackungen im Supermarkt<br />

mit OLEDs ausgestattet, wäre<br />

ein signifikanter Teil <strong>de</strong>s jährlich geför<strong>de</strong>rten<br />

Iridiums für immer verloren.<br />

Noch ist unklar, ob das Recycling aus<br />

OLEDs überhaupt jemals möglich sein<br />

wird. Unabhängig davon ist Iridium auch<br />

für an<strong>de</strong>re Hightech-Anwendungen heiß<br />

begehrt, sodass Forscher darüber diskutieren,<br />

neue Quellen im Weltraum zu<br />

erschließen. Dabei wür<strong>de</strong>n erdnahe Asteroi<strong>de</strong>n<br />

mit Raumschiffen angeflogen wer<strong>de</strong>n,<br />

um dort seltene Metalle zu gewinnen<br />

und zu uns auf die Er<strong>de</strong> zu transportieren.<br />

Ob dieses sogenannte Asteroid Mining jemals<br />

funktionieren wird, steht aber buchstäblich<br />

in <strong>de</strong>n Sternen.<br />

Diese entmutigen<strong>de</strong>n Aussichten motivierten<br />

mich und an<strong>de</strong>re Wissenschaftler<br />

dazu, unter <strong>de</strong>n 90 an<strong>de</strong>ren metallischen<br />

Elementen im Perio<strong>de</strong>nsystem nach nachhaltigeren<br />

Alternativen zu suchen. Schon<br />

30 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


früh, im Jahr 1999, i<strong>de</strong>ntifizierten Wissenschaftler<br />

das relativ häufig vorkommen<strong>de</strong><br />

Kupfer als <strong>de</strong>nkbare Alternative.<br />

Bemerkenswerterweise wur<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong><br />

Leuchtstoffklassen – solche mit Kupfer<br />

und solche mit Iridium – nur mit wenigen<br />

Wochen zeitlichem Abstand in <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Fachblättern veröffentlicht.<br />

Dass sich das Iridium früh durchsetzen<br />

konnte, hat zwei Hauptgrün<strong>de</strong>: die geringe<br />

Stabilität <strong>de</strong>r damals vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Kupferverbindungen und die damals<br />

noch <strong>de</strong>utlich schlechtere Effizienz <strong>de</strong>r<br />

Lichterzeugung bei Kupfer. Das Ziel meines<br />

Promotionsprojektes bestand darin,<br />

diese Schwachstellen zu beseitigen. Der<br />

springen<strong>de</strong> Punkt ist dabei die fragile<br />

Struktur <strong>de</strong>r frühen Kupferkomplexe: Sie<br />

enthielten ein einziges, positiv gela<strong>de</strong>nes<br />

Kupferatom, an das weitere Molekülteile<br />

aus Elementen wie Kohlenstoff, Phosphor<br />

und Stickstoff, die sogenannten Ligan<strong>de</strong>n,<br />

angebun<strong>de</strong>n waren. Moleküle aus Metallatomen<br />

und Ligan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n auch als<br />

Metallkomplexe bezeichnet.<br />

Wer<strong>de</strong>n Kupferkomplexe im OLED-<br />

Bauteil mit elektrischer Energie versorgt,<br />

so wird ein Mechanismus in Kraft gesetzt,<br />

bei <strong>de</strong>m ein Elektron zeitweise vom<br />

Kupferatom auf einen Ligan<strong>de</strong>n übertra-<br />

gen wird. Nach sehr kurzer Zeit, typischerweise<br />

einer Mikrosekun<strong>de</strong>, springt<br />

das Elektron wie ein Ball an einem gespannten<br />

Gummiband wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Ursprungsort<br />

zurück, und das Molekül erzeugt<br />

sichtbares Licht. Obwohl alles sehr<br />

schnell geht, ist dieser Vorgang relativ<br />

störanfällig. Anstelle <strong>de</strong>r Lichterzeugung<br />

können die enormen Belastungen durch<br />

das Verschieben <strong>de</strong>r Elektronen auch zur<br />

Verformung <strong>de</strong>r Komplexe führen – die<br />

elektrische Energie wird bei diesem unerwünschten<br />

Vorgang in Wärme anstatt<br />

Licht umgewan<strong>de</strong>lt. Problematisch war<br />

auch die Verarbeitung <strong>de</strong>r Komplexe zu<br />

OLED-Bauteilen. Beim Versuch, eine<br />

Drucktinte herzustellen, fielen die bei<strong>de</strong>n<br />

Ligan<strong>de</strong>n oft einfach vom Kupfer ab<br />

und ordneten sich neu an. In diesem auch<br />

als „Scrambling“ bezeichneten Vorgang<br />

entsteht so sprichwörtlich molekulares<br />

Rührei mit völlig an<strong>de</strong>ren Eigenschaften<br />

– für OLEDs ist diese Mischung nicht<br />

mehr zu gebrauchen.<br />

Um <strong>de</strong>n Kupferkomplexen eine höhere<br />

Effizienz zu verleihen und sie verarbeiten<br />

zu können, musste ich das bisherige<br />

Design <strong>de</strong>r Materialien generalüberholen.<br />

Dem einen, bisher vorhan<strong>de</strong>nen Kupferatom<br />

stellte ich ein zweites zur Seite.<br />

So wird bei <strong>de</strong>r Lichterzeugung die Belastung<br />

auf mehrere Schultern verteilt,<br />

und die Gefahr einer Verformung <strong>de</strong>s<br />

Moleküls wird <strong>de</strong>utlich verringert. Dies<br />

konnte nicht nur im Labor, son<strong>de</strong>rn auch<br />

durch computergestützte Simulationen<br />

bestätigt wer<strong>de</strong>n. Ein weiterer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Schritt war die Anbringung einer<br />

Kette aus Kohlenstoffatomen zwischen<br />

<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ligan<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>r<br />

molekularen Struktur mehr Stabilität zu<br />

verleihen. So zusammengeschnürt können<br />

die Komplexe nicht nur Licht nahezu<br />

verlustfrei – mit einer Effizienz von mehr<br />

als 90 Prozent – erzeugen, son<strong>de</strong>rn sind<br />

auch stabil genug, um zu Tinten verarbeitet<br />

und gedruckt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Nach<strong>de</strong>m Iridium im Effizienz-Wettlauf<br />

mit <strong>de</strong>m Kupfer 15 Jahre lang weit<br />

in Führung lag, sind die bei<strong>de</strong>n Leuchtstoff-Formen<br />

nun gleichauf. Falls noch<br />

bestehen<strong>de</strong> Probleme, darunter die Lebensdauer<br />

<strong>de</strong>r Bauteile, technisch gelöst<br />

wer<strong>de</strong>n können, könnte <strong>de</strong>r ewige Zweite<br />

<strong>de</strong>n Champion doch noch überholen.<br />

Das Problem <strong>de</strong>r Rohstoffverfügbarkeit<br />

ist bei Verwendung von Kupfer je<strong>de</strong>nfalls<br />

gelöst – auch ohne extraterrestrischen<br />

Bergbau und unabhängig von neuerlichen<br />

Asteroi<strong>de</strong>neinschlägen. ●<br />

Die Tinten für OLEDs müssen frei von<br />

Verunreinigungen sein. Daniel Volz<br />

(rechts) und sein Kollege durchleuchten<br />

die Flüssigkeit zur Kontrolle mit<br />

starkem Licht.<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 31


Science Media Center<br />

Geprüfte Zutaten<br />

für Journalisten<br />

In Köln entsteht <strong>de</strong>rzeit das Science Media Center – eine Schnittstelle zwischen Journalismus und<br />

Wissenschaft, die die Berichterstattung über Forschungsthemen verbessern soll.<br />

von Cornelia Varwig<br />

Schokola<strong>de</strong> macht dünn“, „Gen-<br />

Mais tötet“, „Cholera kann über<br />

Ostsee nach Deutschland kommen“<br />

– mit solchen Sensationsergebnissen<br />

schafft es die Wissenschaft immer<br />

wie<strong>de</strong>r in die Schlagzeilen. Doch viele<br />

dieser Meldungen stimmen so nicht, wie<br />

unter an<strong>de</strong>rem drei renommierte Wissenschaftler<br />

regelmäßig auf ihrer Internetseite<br />

„Unstatistik <strong>de</strong>s Monats“ zeigen.<br />

Den Nachrichten liegen zwar in <strong>de</strong>r Regel<br />

Presseinformationen zugrun<strong>de</strong>, doch<br />

<strong>de</strong>r Teufel steckt im Detail. Fehlerquellen<br />

sind Statistiken, falsch verstan<strong>de</strong>ne<br />

Kausalitäten o<strong>de</strong>r eine undifferenzierte<br />

Darstellung. Mitunter treibt die Autoren<br />

auch ein zu großer Ehrgeiz an, eine packen<strong>de</strong><br />

News zu verkün<strong>de</strong>n – das betrifft<br />

Journalisten ebenso wie die Verfasser <strong>de</strong>r<br />

Pressemitteilungen.<br />

Journalisten bei tagesaktuellen Medien<br />

fehlen zu<strong>de</strong>m oft Zeit und Ressourcen,<br />

einer Sache auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen und<br />

etwa die auf Englisch verfassten und mit<br />

Fachwörtern gespickten Original-Veröffentlichungen<br />

zu studieren. Und <strong>de</strong>r Allroun<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>n Tag an<strong>de</strong>re Themen<br />

auf <strong>de</strong>m Tisch hat, kann sich nicht mit<br />

Details <strong>de</strong>r Biotechnologie, Ökotrophologie<br />

o<strong>de</strong>r Seuchenmedizin auskennen.<br />

Doch Themen mit Wissenschaftsbezug<br />

wer<strong>de</strong>n immer wichtiger. So sind auch<br />

bei Katastrophen wie <strong>de</strong>m Reaktorunfall<br />

von Fukushima o<strong>de</strong>r bei vermeintlichen<br />

Killerviren Journalisten gefor<strong>de</strong>rt, rasch<br />

Fakten und verlässliche Einschätzungen<br />

zu liefern.<br />

Hier kommt das kürzlich gegrün<strong>de</strong>te<br />

Science Media Center Germany (SMC)<br />

ins Spiel, das im Spätsommer seine Arbeit<br />

in Köln aufgenommen hat. Ab Frühjahr<br />

2016 wer<strong>de</strong>n die sechs Mitarbeiter<br />

geprüfte und gefilterte Informationen aus<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaft anbieten – unabhängig<br />

und neutral, von Journalisten für Journalisten.<br />

„Wir haben kein Interesse, bloß<br />

Sprachrohr <strong>de</strong>r Wissenschaft zu sein“,<br />

betont Volker Stollorz, Geschäftsführer<br />

und Redaktionsleiter <strong>de</strong>s SMCs. Es gehe<br />

vielmehr darum, bestmögliche Expertise<br />

für Journalisten bereitzustellen, wenn<br />

Wissenschaft in die Schlagzeilen kommt.<br />

Experten auf Abruf<br />

Das Herzstück wird die Expertendatenbank<br />

sein – zunächst vor allem mit Forschern<br />

aus <strong>de</strong>n Lebens<strong>wissenschaft</strong>en und<br />

<strong>de</strong>r Medizin. „Zu<strong>de</strong>m suchen wir Fachleute,<br />

die zu <strong>de</strong>n großen Dauerthemen<br />

Klimawan<strong>de</strong>l und Energiewen<strong>de</strong> kompetent<br />

Auskunft geben sowie zu <strong>de</strong>n medial<br />

noch unterbelichteten Fel<strong>de</strong>rn Computersicherheit<br />

und Big Data“, sagt Stollorz.<br />

Die Experten sollen neu veröffentlichte<br />

Studien möglichst vorab einordnen, die<br />

darin verwen<strong>de</strong>ten Metho<strong>de</strong>n erläutern<br />

und eine Einschätzung geben, ob es sich<br />

um ein Mosaiksteinchen o<strong>de</strong>r eine weitreichen<strong>de</strong><br />

Erkenntnis han<strong>de</strong>lt. „Bei <strong>de</strong>r<br />

Publikationsflut in <strong>de</strong>r Wissenschaft kann<br />

<strong>de</strong>r Einzelne nicht alles auf <strong>de</strong>m Schirm<br />

haben“, weiß <strong>de</strong>r Wissenschaftsjournalist<br />

Stollorz aus Erfahrung. Das Angebot<br />

heißt „Round-up“ und wird, wenn nötig,<br />

innerhalb von 24 Stun<strong>de</strong>n verfügbar sein.<br />

„Die erste Einschätzung kann mal nur<br />

ein Satz o<strong>de</strong>r Absatz sein“, sagt er. Auch<br />

sen<strong>de</strong>fähige O-Töne sind angedacht. Fertige<br />

Artikel wird es hingegen nicht geben,<br />

allenfalls „Zutaten“ für die Berichte <strong>de</strong>r<br />

Journalisten.<br />

Zu<strong>de</strong>m sind Online-Pressekonferenzen<br />

zu beson<strong>de</strong>ren Themen geplant sowie<br />

sogenannte Rapid Reactions. Darin<br />

geben Experten erste Einschätzungen zu<br />

aktuellen Ereignissen, etwa: Wie hoch ist<br />

das Strahlenrisiko in Fukushima? Welche<br />

Gefahr geht von EHEC aus? O<strong>de</strong>r: War<br />

<strong>de</strong>r Germanwings-Pilot <strong>de</strong>pressiv? Der<br />

Foto: Science Media Center/Thomas Hebler<br />

32 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Die drei Geschäftsführer <strong>de</strong>s Science Media Centers: Volker Stollorz<br />

(links), zugleich Redaktionsleiter, Beate Spiegel, zugleich Geschäftsführerin<br />

<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung und Mirko Meurer, zuständig für<br />

das Kaufmännische.<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 33


Science Media Center<br />

Wenn Wissenschaft Schlagzeilen macht,<br />

stehen die Experten <strong>de</strong>s Science Media<br />

Centers künftig bereit.<br />

Service ist als Orientierung und Arbeitserleichterung<br />

für Allroun<strong>de</strong>r gedacht.<br />

Freilich besteht das kostenfreie Angebot<br />

auch für Fachjournalisten.<br />

Möglich wird die Arbeit in <strong>de</strong>n ersten<br />

drei Jahren durch die Anschubfinanzierung<br />

<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />

in Höhe von 1,5 Millionen Euro. „Ein<br />

wichtiges Anliegen von Klaus Tschira<br />

war es, <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Erkenntnisse zugänglich zu machen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Science Media Center<br />

kommen wir diesem Ziel wie<strong>de</strong>r ein<br />

Stück näher“, sagt Beate Spiegel, Geschäftsführerin<br />

<strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />

und <strong>de</strong>s SMCs.<br />

Langfristig sollen sich die Kosten<br />

für <strong>de</strong>n Science-Service auf möglichst<br />

viele Schultern verteilen. Die Initiatoren<br />

<strong>de</strong>nken an maximal fünf Prozent<br />

pro För<strong>de</strong>rer – um die Neutralität zu<br />

wahren und keinen zu großen Einfluss<br />

einzelner Interessenvertreter zuzulassen.<br />

Derzeit wer<strong>de</strong>n Gespräche mit diversen<br />

Institutionen aus Wissenschaft, Medien<br />

und Wirtschaft geführt. „Einige große<br />

<strong>de</strong>utsche Wissenschaftsorganisationen<br />

befürworten die Initiative bereits“, berichtet<br />

Mirko Meurer, kaufmännischer<br />

Geschäftsführer. Und auch in <strong>de</strong>r Ver-<br />

lagswelt haben sich laut Meurer bereits<br />

potenzielle Unterstützer gefun<strong>de</strong>n.<br />

Seit Beginn <strong>de</strong>r Planung ist die Wissenschafts-Pressekonferenz<br />

(WPK) als kritischer<br />

Sparringspartner mit an Bord. Der<br />

Verein für Wissenschaftsjournalisten ist<br />

Mitgesellschafter <strong>de</strong>s SMCs und fungiert<br />

auch als Gütesiegel. „Wir kümmern uns<br />

schon seit 1986 um die Qualität im Wissenschaftsjournalismus.<br />

So ist die enge<br />

Verzahnung mit <strong>de</strong>m SMC eine logische<br />

Fortsetzung unserer Arbeit“, sagt <strong>de</strong>r erste<br />

Vorsitzen<strong>de</strong> Martin Schnei<strong>de</strong>r.<br />

Besseres Standing <strong>de</strong>r Journalisten<br />

Dass das SMC sowohl finanziell als auch<br />

inhaltlich funktioniert, zeigt das Vorbild<br />

in London. Dort steht quasi die Mutter<br />

aller Science Media Center – mit Nachahmern<br />

in Japan, Australien, Neuseeland<br />

und Kanada. In Großbritannien ist<br />

<strong>de</strong>r Hauptgeldgeber <strong>de</strong>r gemeinnützige<br />

„Wellcome Trust“. Daneben steuern über<br />

100 Institutionen ihren Teil zur Finanzierung<br />

bei. Die Erfahrung aus zwölf Jahren<br />

hat laut Stollorz gezeigt, dass sich die Berichterstattung<br />

über Wissenschaft in <strong>de</strong>n<br />

britischen Medien verbessert hat und die<br />

dafür zuständigen Kollegen ein besseres<br />

Standing in <strong>de</strong>n Redaktionen haben. Zu<strong>de</strong>m<br />

hätten Wissenschaftsthemen einen<br />

höheren Stellenwert – und das sei auch<br />

das Ziel für das <strong>de</strong>utsche Pendant.<br />

Damit begegnet Stollorz Be<strong>de</strong>nkenträgern,<br />

die fürchten, infolge <strong>de</strong>r Versorgung<br />

mit Wissen frei Haus wür<strong>de</strong>n Wissenschaftsressorts<br />

in Redaktionen eingespart<br />

und weniger Aufträge an freie Journalisten<br />

vergeben. „Der Journalismus steckt<br />

in einer Krise seiner Erlösmo<strong>de</strong>lle. Stellen<br />

wer<strong>de</strong>n so o<strong>de</strong>r so abgebaut“, meint<br />

Stollorz. Darauf habe das Science Media<br />

Center lei<strong>de</strong>r keinen Einfluss.<br />

Eine weitere Sorge ist, dass immer dieselben<br />

Forscher zu Wort kommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Doch das Gegenteil wird <strong>de</strong>r Fall<br />

sein, versichert WPK-Chef Schnei<strong>de</strong>r. Es<br />

sollen möglichst viele Experten in die<br />

Datenbank aufgenommen wer<strong>de</strong>n, die<br />

die Journalisten noch gar nicht auf <strong>de</strong>m<br />

Schirm haben – damit eben nicht überall<br />

<strong>de</strong>rselbe Klima- o<strong>de</strong>r EHEC-Experte auftaucht.<br />

Auch verschie<strong>de</strong>ne Standpunkte<br />

bei <strong>wissenschaft</strong>lichen Kontroversen<br />

sollen so sichtbarer wer<strong>de</strong>n. „Es ist viel<br />

Expertise da, die bisher noch gar nicht<br />

angezapft wur<strong>de</strong>“, bekräftigt Stollorz. ●<br />

www.sciencemediacenter.<strong>de</strong><br />

34 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus


Fotos: Zerbor/Fotolia.com; interTOPICS/J. Enoch/ddp images (Foto rechts)<br />

Die Anti-<br />

PR-Maschine<br />

Seit 2002 gibt es in Großbritannien ein<br />

Science Media Center. Es hat für eine<br />

Revolution in <strong>de</strong>r Kommunikationskultur<br />

gesorgt, sagt die Chefin Fiona Fox.<br />

Das Gespräch führte Cornelia Varwig<br />

Wissenschaftler sind vielbeschäftigte<br />

Menschen. Wie<br />

bringen Sie sie dazu, mit <strong>de</strong>m<br />

Science Media Center (SMC)<br />

zusammenzuarbeiten?<br />

Im Prinzip haben Wissenschaftler selbst<br />

das Science Media Center in Großbritannien<br />

initiiert – aus <strong>de</strong>r Erkenntnis<br />

heraus, dass etwas schiefläuft. Es gab<br />

einige Themen auf <strong>de</strong>n Titelseiten,<br />

etwa gentechnisch verän<strong>de</strong>rte Pflanzen,<br />

Impfen o<strong>de</strong>r Tierversuche, bei <strong>de</strong>nen die<br />

<strong>wissenschaft</strong>liche Community nicht gut<br />

eingebun<strong>de</strong>n war. Mehr noch: Sie glänzte<br />

durch Abwesenheit. Jetzt geben Wissenschaftler<br />

ihre Einschätzungen ab, bevor<br />

Journalisten damit an die Öffentlichkeit<br />

gehen. Insgesamt hat eine Revolution in<br />

<strong>de</strong>r Kommunikationskultur stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Heißt das, Sie haben die Mehrheit<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaftler überzeugt?<br />

Ein Großteil <strong>de</strong>r Forscher hat auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall verstan<strong>de</strong>n, dass es zu ihrer Arbeit<br />

gehört, mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu sprechen.<br />

Wir haben über 3000 Wissenschaftler in<br />

unserer Datenbank, die dafür bereitstehen.<br />

Allerdings gibt es jetzt ein neues<br />

Problem: Die Überprofessionalisierung <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaftskommunikation. Nach <strong>de</strong>m<br />

wun<strong>de</strong>rbaren Durchbruch kommen jetzt<br />

Pressereferenten dazwischen, die meinen,<br />

die Wissenschaftler sollten nur über Themen<br />

sprechen, die gut für das Image <strong>de</strong>s<br />

eigenen Instituts sind. Das ist ein neuer<br />

Grund, warum Wissenschaftler nicht an<br />

<strong>de</strong>r Kommuniaktion beteiligt sind.<br />

Wie messen Sie Ihren Erfolg?<br />

Die Antwort ist wohl frustrierend: Wir haben<br />

keine Möglichkeit, die Wirkung auf die<br />

Öffentlichkeit zu ermitteln. Wir wissen ja<br />

nicht einmal, ob ganze Zeitungsartikel o<strong>de</strong>r<br />

nur Überschriften gelesen wer<strong>de</strong>n. Eine<br />

Studie hat gezeigt, dass die Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

Leser weiß, dass in Überschriften häufig<br />

übertrieben wird. Und sie halten in <strong>de</strong>n<br />

Texten Ausschau nach Expertenmeinungen.<br />

Wir glauben einfach daran, dass eine<br />

öffentliche Debatte etwa über Fukushima<br />

besser wird, je mehr soli<strong>de</strong> Fakten die<br />

Menschen erhalten. Bei manchen Hype-<br />

Themen bleibt es aber schwierig.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Dieses Jahr war es Zucker. Ein US-Forscher<br />

schrieb, dass Zucker ähnlich giftig sei<br />

wie Tabak. Journalisten liebten diese<br />

Schlagzeile. Eine Studie behauptete zu<strong>de</strong>m,<br />

Zucker mache abhängig. All unsere<br />

Experten sagten, dass die Untersuchung<br />

nicht verlässlich sei und dass Zucker okay<br />

ist, wenn man nicht zu viel davon isst. Was<br />

machten Journalisten daraus: Wissenschaftler<br />

sagen, Zucker ist schlecht, essen<br />

Sie nicht zu viel davon!<br />

Bald wird das Science Media<br />

Center in Deutschland seine<br />

Arbeit aufnehmen. Was erwartet<br />

die Journalisten und Wissenschaftler?<br />

Eine unabhängige Stelle für Wissenschaftsthemen.<br />

Kritiker halten unsere<br />

Informationen für Wissenschafts-PR.<br />

Die Journalistin Fiona Fox leitet das Science<br />

Media Center seit seiner Gründung.<br />

Doch eigentlich han<strong>de</strong>lt es sich beinahe<br />

um eine Anti-PR-Maschine. Wir sind zwar<br />

pro Wissenschaft, aber wir unterstützen<br />

keine bestimmte Einrichtung o<strong>de</strong>r Agenda.<br />

Nach 25 Jahren in <strong>de</strong>r Pressearbeit war es<br />

für mich persönlich befreiend, nicht mehr<br />

die Message einer bestimmten Institution<br />

verkün<strong>de</strong>n zu müssen.<br />

Welche Empfehlung geben Sie<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen SMC-Kollegen<br />

auf <strong>de</strong>n Weg?<br />

Das Wichtigste ist ein gutes Verhältnis zu<br />

<strong>de</strong>n Journalisten. Viele publizieren unter<br />

Zeitdruck Dinge, die nicht ganz stimmen.<br />

Wür<strong>de</strong>n wir sie dafür öffentlich verurteilen,<br />

wäre das das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zusammenarbeit.<br />

Es gibt in Großbritannien Blogger, die<br />

schlechte Wissenschaftsberichterstattung<br />

öffentlich ächten. Unsere Aufgabe ist das<br />

nicht. Wir sollten Journalisten helfen, es<br />

besser zu machen.<br />

IMPRESSUM<br />

Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft<br />

Eine Son<strong>de</strong>rpublikation von bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Klaus Tschira Stiftung<br />

Erscheinungstermin: Oktober 2015<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

VerLAG: Konradin Medien GmbH<br />

Ernst-Mey-Straße 8<br />

70771 Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Chefredakteur: Wolfgang Hess<br />

Projektleitung: Cornelia Varwig<br />

Grafische Gestaltung: Ricardo Martins<br />

Bildredaktion: Ruth Rehbock<br />

schlussRedaktion: Astrid Froese<br />

Redaktion Klaus Tschira Stiftung:<br />

Renate Ries, Agnes Schulze<br />

Vertrieb: Kosta Poulios<br />

Druck: Konradin Druck GmbH<br />

Kohlhammerstr. 1–15<br />

70771 Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen<br />

Weitere Exemplare können Sie anfor<strong>de</strong>rn bei:<br />

Klaus Tschira Stiftung gGmbH<br />

Villa Bosch, Schloss-Wolfsbrunnenweg 33<br />

69118 Hei<strong>de</strong>lberg<br />

www.klaus-tschira-preis.info<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 35


Einsen<strong>de</strong>schluss: 29. Februar 2016<br />

2016<br />

I...<br />

we...<br />

you...<br />

KlarText!<br />

Bewerben Sie sich<br />

um <strong>de</strong>n Klaus Tschira Preis für<br />

verständliche Wissenschaft, kurz:<br />

KlarText!<br />

Je<strong>de</strong>s Jahr zeichnet die Klaus Tschira<br />

Stiftung damit Wissenschaftler aus,<br />

die die Ergebnisse ihrer herausragen<strong>de</strong>n<br />

Dissertation in einem Artikel<br />

erklären — verständlich, spannend,<br />

anschaulich.<br />

Teilnahmebedingungen<br />

• Promotion 2015 in Biologie,<br />

Chemie, Informatik, Mathematik,<br />

Neuro<strong>wissenschaft</strong>en, Physik o<strong>de</strong>r<br />

einem angrenzen<strong>de</strong>n Fachgebiet<br />

• Herausragen<strong>de</strong> Forschungsergebnisse<br />

• Ein allgemein verständlicher<br />

Textbeitrag über die eigene Forschungsarbeit<br />

• Einsen<strong>de</strong>schluss: 29. Februar 2016<br />

Je<strong>de</strong>r gewinnt!<br />

• Je<strong>de</strong>r Teilnehmer kann am zweitägigen<br />

Workshop Wissenschaftskommunikation<br />

teilnehmen<br />

• 5000 Euro Geldpreis pro Gewinner<br />

in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r sechs Fachgebiete<br />

• Veröffentlichung <strong>de</strong>r Siegerbeiträge<br />

in einer KlarText!-Son<strong>de</strong>rbeilage<br />

<strong>de</strong>s Wissenschaftsmagazins bild<br />

<strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong><br />

www.klaus-tschira-preis.info<br />

Medienpartner

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