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bdw_Tschira_2015_72
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INFormatik<br />
Das Dream-Team<br />
Peter Salz im bdw-Gespräch<br />
Sie stan<strong>de</strong>n für Ihre Arbeit in<br />
<strong>de</strong>r Informatik in engem Austausch<br />
mit Medizinern. Wie hat<br />
das funktioniert?<br />
Die Zusammenarbeit von Informatikern und<br />
Medizinern ist tatsächlich nicht so leicht, da<br />
sich die bei<strong>de</strong>n Disziplinen in Vokabular und<br />
Denkweise enorm unterschei<strong>de</strong>n. Das führt<br />
oft zu Missverständnissen. Glücklicherweise<br />
bil<strong>de</strong>n Andreas Reske von <strong>de</strong>r Uniklinik<br />
in Leipzig und ich ein Dream-Team, das<br />
auf technischer, medizinischer wie auch<br />
zwischenmenschlicher Ebene hervorragend<br />
kommunizieren kann.<br />
Wie kam die Zusammenarbeit<br />
zustan<strong>de</strong>?<br />
Mir war früh klar, dass ich im Bereich<br />
medizinische Bildverarbeitung forschen<br />
will, da mich sowohl medizinische Anwendungen<br />
als auch die mathematischen<br />
Aspekte <strong>de</strong>r Bildverarbeitung interessieren.<br />
Ein Kollege <strong>de</strong>r Universität Leipzig bahnte<br />
Anfang 2011 eine Kooperation mit <strong>de</strong>n<br />
Intensivmedizinern <strong>de</strong>r Uniklinik bezüglich<br />
Elektro-Impedanz-Tomografie an. In <strong>de</strong>r Zeit<br />
suchte ich gera<strong>de</strong> ein Promotionsthema.<br />
Nach ersten Recherchen wur<strong>de</strong> mir klar,<br />
dass die ursprüngliche I<strong>de</strong>e ohne intensive<br />
Vorarbeiten nicht umsetzbar war. So entstand<br />
<strong>de</strong>r Fahrplan für meine Dissertation,<br />
um diese Vorarbeiten zu realisieren.<br />
leer ist, sehr ähnlich wird es bis heute in<br />
<strong>de</strong>r EIT auch gemacht. Das lässt sich aber<br />
nicht unmittelbar auf je<strong>de</strong>n einzelnen Patienten<br />
übertragen, was zu einer ungenauen<br />
Rekonstruktion <strong>de</strong>r elektrischen<br />
Leitfähigkeit und damit zu fehlerhaften<br />
Bil<strong>de</strong>rn führt, die in <strong>de</strong>r Praxis nicht sinnvoll<br />
ausgewertet wer<strong>de</strong>n können.<br />
So war mir schnell klar, welchen Beitrag<br />
ich als Informatiker leisten kann, damit<br />
die Elektro-Impedanz-Tomografie in<br />
<strong>de</strong>r klinischen Praxis eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Ich setzte es mir zum Ziel, patientenspezifische<br />
anatomische Informationen<br />
über die dreidimensionale Form <strong>de</strong>s<br />
Brustkorbs, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens<br />
zu gewinnen und diese für die EIT nutzbar<br />
zu machen. Standardmäßig ist eine<br />
<strong>de</strong>taillierte CT-Aufnahme bei je<strong>de</strong>m Lungenpatienten<br />
verfügbar. Der Arzt erkennt<br />
sofort, wo welche Organe liegen und ob<br />
mit ihnen etwas nicht stimmt. Er könnte<br />
also problemlos die Organgrenzen in<br />
<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn nachzeichnen, damit auch <strong>de</strong>r<br />
Computer diese Information bekommt.<br />
Dies wür<strong>de</strong> allerdings viele Stun<strong>de</strong>n dauern.<br />
Ganz alleine kann <strong>de</strong>r Computer diese<br />
Aufgabe aber auch nicht lösen, es geht<br />
Mit künstlicher Beatmung können Ärzte geschädigte<br />
Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherstellen. Dafür bedarf es<br />
eines gewissen Drucks – ähnlich wie wenn man<br />
einen Luftballon aufbläst.<br />
eben nicht ohne die Expertise <strong>de</strong>s Arztes.<br />
Der Hauptbeitrag meiner Forschung ist<br />
daher folgerichtig die Entwicklung eines<br />
Verfahrens, das explizit eine Interaktion<br />
zwischen Arzt und Computer ermöglicht.<br />
Der Computer kann nämlich lernen, wie<br />
es innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />
aussieht, um dann ganz automatisch die<br />
Lungengrenze zu fin<strong>de</strong>n. Dazu markiert<br />
<strong>de</strong>r Arzt an einigen wenigen Stellen in<br />
<strong>de</strong>n CT-Bil<strong>de</strong>rn, ob sich diese Regionen<br />
nun innerhalb o<strong>de</strong>r außerhalb <strong>de</strong>r Lunge<br />
befin<strong>de</strong>n.<br />
Der Computer benutzt dieses eben gelernte<br />
Wissen, um versuchsweise die Form<br />
<strong>de</strong>r Lunge zu bestimmen. Oft ist das erste<br />
Ergebnis noch nicht das beste, daher kann<br />
<strong>de</strong>r Arzt nun weitere Markierungen zur<br />
Korrektur hinzufügen, woraufhin <strong>de</strong>r automatische<br />
Prozess von Neuem beginnt.<br />
Das Beson<strong>de</strong>re an diesem Zusammenspiel<br />
ist, dass eine CT-Aufnahme aus ganz vielen<br />
Bil<strong>de</strong>rn besteht, die man zu einer 3-D-<br />
Ansicht zusammenfügen kann. Der Computer<br />
rechnet also in drei Dimensionen,<br />
quasi im ganzen Brustkorb, während <strong>de</strong>r<br />
Arzt ganz bequem nur in zwei Dimensionen<br />
zeichnet. Das spart viel Arbeit!<br />
Ist absehbar, wann Ihr Verfahren<br />
bei Lungenschä<strong>de</strong>n eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann?<br />
Ein Teil meiner Arbeit wird aktuell als<br />
Software implementiert, um sie in <strong>de</strong>r<br />
klinischen Forschung einzusetzen und<br />
sie in einer Benutzerstudie mit <strong>de</strong>m<br />
Stand <strong>de</strong>r Technik zu vergleichen. In<br />
<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren wer<strong>de</strong>n wir<br />
weiter daran arbeiten, die an <strong>de</strong>n<br />
Patienten angepasste Behandlung<br />
von Lungenschä<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n klinischen<br />
Einsatz zu realisieren. Eine<br />
Integration in kommerzielle Produkte<br />
ist jedoch noch nicht absehbar.<br />
22 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus