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InformatiK<br />

Dr. Peter Salz<br />

1985 geboren in Mainz<br />

2004 Abitur<br />

2005 bis 2011 Bachelor- und<br />

Masterstudium <strong>de</strong>r Informatik an <strong>de</strong>r<br />

TU Kaiserslautern<br />

Fotos: Thomas Klink für bdw<br />

Was können Ärzte unternehmen,<br />

wenn die Lunge ihre Aufgabe<br />

nicht mehr erfüllen kann, zum<br />

Beispiel durch schwere Unfälle o<strong>de</strong>r eine<br />

Lungenentzündung? Eine wichtige medizinische<br />

Maßnahme im Krankenhaus<br />

ist zunächst die künstliche Beatmung.<br />

Damit ist aber noch mehr möglich: Intensivmediziner<br />

nutzen sie, um geschädigte<br />

Lungenbereiche wie<strong>de</strong>rherzustellen. Das<br />

ist, stark vereinfacht, mit <strong>de</strong>m Aufblasen<br />

eines verschrumpelten Luftballons vergleichbar:<br />

Erst ab einem gewissen Druck<br />

gelingt es, das Volumen <strong>de</strong>s Ballons zu<br />

erhöhen.<br />

Um bei dieser sehr schwierigen Aufgabe<br />

das Beatmungsgerät optimal für <strong>de</strong>n<br />

individuellen Patienten einzustellen, zieht<br />

<strong>de</strong>r Arzt unter an<strong>de</strong>rem Computertomografie-Bil<strong>de</strong>r,<br />

abgekürzt CT, zurate. Der<br />

Name sagt es schon: Hier spielt Informatik<br />

eine große Rolle, <strong>de</strong>nn ohne <strong>de</strong>n<br />

Computer sind solche Bil<strong>de</strong>r nicht möglich.<br />

Bei <strong>de</strong>r Computertomografie wer<strong>de</strong>n<br />

Röntgenstrahlen benutzt, um <strong>de</strong>n Körper<br />

zu durchleuchten. Man kann also direkt<br />

in die Lunge hineinschauen. Lei<strong>de</strong>r hat<br />

dies aber einige schwerwiegen<strong>de</strong> Nachteile:<br />

Die Röntgenstrahlen können Krebs<br />

auslösen, daher sollten sie nur sehr sparsam<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Sie zeigen auch<br />

lediglich ein Standbild <strong>de</strong>s Körpers, die<br />

dynamische Lungenfunktion kann man<br />

damit nicht erfassen.<br />

An dieser spannen<strong>de</strong>n Schnittstelle<br />

zwischen Informatik, Technik und Medizin<br />

setzt meine Arbeit an. Mit Prof. Dr.<br />

Hermann Wrigge, Dr. Andreas Reske<br />

(bei<strong>de</strong> Intensivmediziner und Forscher<br />

am Universitätsklinikum in Leipzig) und<br />

mir (Informatiker an <strong>de</strong>r Technischen<br />

Universität in Kaiserslautern) ist ein interdisziplinäres<br />

Team entstan<strong>de</strong>n, das an<br />

einer Metho<strong>de</strong> arbeitet, mit <strong>de</strong>r man die<br />

Lunge live beim Atmen beobachten kann,<br />

dies sogar ohne schädliche Strahlung,<br />

ohne hohe Kosten und direkt am Krankenbett<br />

<strong>de</strong>s Patienten. Das Schlüsselwort<br />

ist Elektro-Impedanz-Tomografie, kurz<br />

EIT, eine Technologie, die bereits seit drei<br />

Jahrzehnten erforscht wird, aber noch<br />

nicht standardmäßig an Patienten eingesetzt<br />

wird. EIT basiert nicht auf Röntgenstrahlung,<br />

son<strong>de</strong>rn auf Strom. Dabei wird<br />

durch Elektro<strong>de</strong>n ein sehr kleiner, nicht<br />

gesundheitsschädigen<strong>de</strong>r Strom durch<br />

<strong>de</strong>n Körper geleitet. Der Strom nimmt<br />

<strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s geringsten elektrischen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s<br />

und kann an einer an<strong>de</strong>ren<br />

Elektro<strong>de</strong> gemessen wer<strong>de</strong>n.<br />

Weil dieses Verfahren beinahe gleichzeitig<br />

für sehr viele Elektro<strong>de</strong>n rund um<br />

<strong>de</strong>n Brustkorb wie<strong>de</strong>rholt wird, erhält<br />

man Hun<strong>de</strong>rte Spannungsmessungen für<br />

einen einzelnen Zeitpunkt. Aus diesen<br />

lässt sich rekonstruieren, wie sich die<br />

elektrische Leitfähigkeit im Brustkorb<br />

verän<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>nn die gesamte Messung<br />

wird 50 Mal pro Sekun<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt.<br />

Das funktioniert, weil sich die elektrische<br />

Leitfähigkeit <strong>de</strong>r Lunge sehr stark<br />

än<strong>de</strong>rt, je nach<strong>de</strong>m wie viel Luft eingeatmet<br />

wird. Die zahlreichen Einzelbil<strong>de</strong>r<br />

können schließlich zu einem Vi<strong>de</strong>o zusammengesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. So erhalten wir<br />

live Informationen aus <strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s<br />

Körpers darüber, wie die Lunge arbeitet<br />

– ganz ohne Strahlung.<br />

Warum wird die EIT also noch nicht<br />

flächen<strong>de</strong>ckend auf Intensivstationen<br />

2011 Master in Informatik<br />

2011 bis 2014 Doktorand an <strong>de</strong>r<br />

TU Kaiserslautern in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik<br />

& HCI“ mit Forschungsaufenthalten<br />

am Scientific Computing and Imaging<br />

Institute in Salt Lake City (USA) und an<br />

<strong>de</strong>r Uniklinik in Leipzig<br />

31.7.2014 Promotion zum Dr.-Ing.<br />

seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

in <strong>de</strong>r AG „Computergrafik & HCI“<br />

Infos: gfx.uni-kl.<strong>de</strong><br />

Kontakt: salz@cs.uni-kl.<strong>de</strong><br />

eingesetzt? Eines <strong>de</strong>r Hauptprobleme ist,<br />

dass EIT-Bil<strong>de</strong>r unscharf und von äußerst<br />

geringer Auflösung sind und viele Bildfehler<br />

aufweisen. Das liegt daran, dass es sehr<br />

schwierig ist, die elektrische Leitfähigkeit<br />

im Körper aus <strong>de</strong>n Spannungsmessungen<br />

auf <strong>de</strong>r Haut zu rekonstruieren – so als<br />

klopfte man an eine Tür und müsste dann<br />

anhand <strong>de</strong>s Schalls erraten, wo sich verschie<strong>de</strong>ne<br />

Personen im Raum befin<strong>de</strong>n.<br />

Eine sinnvolle Lösung dieser Aufgabe<br />

ist nur möglich, wenn man weitere Informationen<br />

zur Verfügung hat, zum Beispiel<br />

wie viele Personen im Raum sind, wie<br />

groß <strong>de</strong>r Raum ist und wie er geschnitten<br />

ist. Übertragen auf <strong>de</strong>n menschlichen<br />

Körper sind das beson<strong>de</strong>rs die Form <strong>de</strong>r<br />

Hautoberfläche, <strong>de</strong>r Lunge und <strong>de</strong>s Herzens.<br />

Ohne ein solches Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Brustkorbs<br />

müssen wir uns auf Schätzungen<br />

und generische Mo<strong>de</strong>lle verlassen. Im<br />

obigen Beispiel könnten wir zum Beispiel<br />

annehmen, dass <strong>de</strong>r Raum viereckig und<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 21

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