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bdw_Tschira_2015_72

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PhYSIK<br />

Zwei ähnliche Pyrami<strong>de</strong>n mit einem<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Unterschied:<br />

Die linke Anordnung ist stabiler<br />

als die rechte.<br />

Fasziniert von SchÄumEN<br />

Sascha Heitkam im bdw-Gespräch<br />

Für Ihre Doktorarbeit haben Sie<br />

erfolgreich mit Computersimulationen<br />

gearbeitet. Wird diese<br />

Forschungsmetho<strong>de</strong> in Zukunft<br />

noch häufiger wer<strong>de</strong>n?<br />

Mit <strong>de</strong>r ständig zunehmen<strong>de</strong>n Leistungsfähigkeit<br />

von Supercomputern wird es<br />

möglich, immer größere und komplexere<br />

Probleme zu simulieren. Daher wird auch<br />

die Anwendung, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r<br />

Industrie, in Zukunft mehr wer<strong>de</strong>n. Man<br />

sollte Computersimulationen aber nicht<br />

ohne Prüfung vertrauen, <strong>de</strong>nn sie beruhen<br />

auf Mo<strong>de</strong>llannahmen. Daher wird man<br />

auch in Zukunft nicht auf Experimente<br />

verzichten können.<br />

Sie haben sich nun zum zweiten<br />

Mal mit Schaum beschäftigt.<br />

Das erste Mal war beim Bun<strong>de</strong>swettbewerb<br />

„Jugend forscht“.<br />

Haben es Ihnen Schäume<br />

angetan?<br />

Auch mein aktuelles DFG-Projekt beschäftigt<br />

sich wie<strong>de</strong>r mit Schäumen. Ich<br />

fin<strong>de</strong> Schäume unglaublich faszinierend.<br />

Ihr Verhalten wird durch eine Vielzahl<br />

von Mechanismen bestimmt. So können<br />

zum Beispiel Ungleichgewichte in <strong>de</strong>r<br />

Verteilung von Tensid-Molekülen das<br />

Platzen von Blasen auslösen, aber nur<br />

wenn gleichzeitig <strong>de</strong>r Flüssigkeitsgehalt<br />

gering genug ist, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum von <strong>de</strong>r<br />

zeitlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Schaums<br />

abhängt.<br />

Sie haben zunächst Physik und<br />

Maschinenbau studiert, sich<br />

dann ganz auf Maschinenbau<br />

konzentriert. Warum?<br />

Die Lehrinhalte <strong>de</strong>s Hauptstudiums Physik<br />

waren für mich zu praxisfern. Die Inhalte<br />

<strong>de</strong>s Maschinenbaus, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Strömungsmechanik, kann man hingegen<br />

meist intuitiv verstehen. Je<strong>de</strong>r weiß, dass<br />

eine Fahne im Wind flattert o<strong>de</strong>r dass<br />

Wind hinter einem Hin<strong>de</strong>rnis verwirbelt.<br />

Wissenschaftler, die mit Kugelpackungen<br />

arbeiten, beobachten, dass kugelförmige<br />

Objekte in dichten Packungen<br />

die Anordnung A gegenüber <strong>de</strong>r Anordnung<br />

B bevorzugen. Das ist höchst verwun<strong>de</strong>rlich,<br />

<strong>de</strong>nn bei<strong>de</strong> Anordnungen<br />

sind in <strong>de</strong>r Struktur sehr ähnlich und<br />

insbeson<strong>de</strong>re gleich dicht gepackt. Die<br />

Objekte sparen also keine Energie, wenn<br />

sie Anordnung A bevorzugen. Es existiert<br />

auf <strong>de</strong>n ersten Blick eigentlich kein Grund<br />

für Kugeln, vermehrt Anordnung A auszuwählen.<br />

Die offensichtliche Bevorzugung<br />

von Anordnung A gegenüber B war<br />

daher bisher ein Rätsel.<br />

In meiner Forschung beschäftigte ich<br />

mich mit <strong>de</strong>r Bildung von Schaum aus<br />

kleinen, kugelförmigen Bläschen. Jedoch<br />

führte ich keine Experimente aus, son<strong>de</strong>rn<br />

berechnete mittels Computersimulationen,<br />

wie die Blasen aufsteigen und im<br />

oberen Teil eines Gefäßes Schaum bil<strong>de</strong>n.<br />

Dabei stieß auch ich auf die Bildung von<br />

regelmäßigen Anordnungen von Blasen.<br />

Wie Soldaten bei einer Militärpara<strong>de</strong><br />

ordneten sich die Blasen in einer regelmäßigen<br />

Struktur an. Da ich so etwas noch<br />

nie in meiner Ba<strong>de</strong>wanne beobachtet hatte,<br />

hielt ich es für einen Fehler in meinen<br />

Simulationen. Ich versuchte daher zunächst,<br />

diese Anordnungen zu beseitigen:<br />

Ich erweiterte das mathematische Fundament<br />

meines Computerprogrammes,<br />

beschrieb die Blasen und ihre Umgebung<br />

Mit einer High-Speed-<br />

Kamera misst <strong>de</strong>r<br />

Physiker die Form <strong>de</strong>r<br />

aufsteigen<strong>de</strong>n Blasen.<br />

immer genauer. Jedoch trat die regelmäßige<br />

Anordnung immer wie<strong>de</strong>r auf.<br />

Verunsichert besuchte ich meine Kollegin<br />

Wiebke Drenckhan, Physikerin an<br />

<strong>de</strong>r Universität Paris Sud in Frankreich,<br />

und zeigte ihr die merkwürdigen Resultate.<br />

Sie war sofort begeistert: „Diese<br />

Anordnungen sind kein Unsinn, son<strong>de</strong>rn<br />

ein ungelöstes <strong>wissenschaft</strong>liches Rätsel!<br />

Und du bist <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r sie in dieser<br />

Form am Computer beobachtet. Wir<br />

müssen das unbedingt zusammen näher<br />

untersuchen!“ Also verbrachte ich ein<br />

Auslandsjahr in Paris.<br />

Ich erfuhr, dass man bisher in <strong>de</strong>n Experimenten<br />

nur die Endprodukte, also<br />

die Anordnungen A o<strong>de</strong>r B, beobachten<br />

konnte. Man wusste also, dass am En<strong>de</strong><br />

mehr A als B vorhan<strong>de</strong>n ist, konnte aber<br />

nicht nachverfolgen, wie diese Strukturen<br />

entstan<strong>de</strong>n sind. Der große Vorteil <strong>de</strong>r<br />

Simulationen am Computer ist, dass ich<br />

die Bewegung je<strong>de</strong>r einzelnen Blase nachvollziehen<br />

kann. Dadurch kann ich <strong>de</strong>n<br />

Anordnungen beim Wachsen zusehen.<br />

Ich kann beobachten, welche Kräfte wirken,<br />

wie sich die Blasen verschieben<br />

und wie die Flüssigkeit zwischen<br />

<strong>de</strong>n Blasen fließt.<br />

Auf diese Weise<br />

ent<strong>de</strong>ckte ich, dass<br />

die Anordnung A<br />

stabiler als die<br />

Anordnung B ist.<br />

Von <strong>de</strong>n ersten<br />

Blasen, die oben<br />

ankommen,<br />

wird zunächst<br />

etwa gleich viel A<br />

und B gebil<strong>de</strong>t. Es<br />

steigen jedoch weitere<br />

Blasen auf und<br />

kollidieren mit <strong>de</strong>r<br />

14 bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus

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