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bdw_Tschira_2015_72
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Mathematik<br />
Gut geraten<br />
Busse, Handys, Fußball: Ganzzahlige Optimierungsprobleme<br />
begegnen uns an Stellen, an <strong>de</strong>nen wir sie nicht vermuten.<br />
Um für solche Probleme Lösungen zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man ein<br />
gutes Gespür – und oftmals auch ein Quäntchen Glück.<br />
von Timo Berthold<br />
Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />
Es ist schönes Wetter, und heute<br />
spielt Ihr Lieblingsverein. Sie verabre<strong>de</strong>n<br />
sich per Handy mit einigen<br />
Freun<strong>de</strong>n und fahren mit <strong>de</strong>m Bus<br />
zum Stadion. Bei <strong>de</strong>r Bratwurst vorm<br />
Anpfiff diskutieren Sie noch, ob <strong>de</strong>nn die<br />
Liste <strong>de</strong>r nächsten Gegner eher gut o<strong>de</strong>r<br />
eher schlecht für <strong>de</strong>n eigenen Club sei.<br />
Sie verbringen mithilfe <strong>de</strong>r Mathematik<br />
einen schönen Tag.<br />
Mathematik? Genau, <strong>de</strong>nn Busfahrpläne,<br />
die Zuweisung von Mobilfunk-<br />
Frequenzen zu Sen<strong>de</strong>antennen und <strong>de</strong>r<br />
Spielplan <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga, all das<br />
sind sogenannte ganzzahlige Optimierungsprobleme.<br />
Ein solches Problem setzt<br />
sich aus drei grundlegen<strong>de</strong>n Bestandteilen<br />
zusammen: einer Zielfunktion, Nebenbedingungen<br />
und <strong>de</strong>r Einschränkung auf<br />
ganze Zahlen. Betrachten wir das einmal<br />
anhand <strong>de</strong>r oben aufgezählten Beispiele.<br />
Die Passagiere im Busverkehr wünschen<br />
sich geringe Umsteigezeiten, beim<br />
Mobilfunk soll es möglichst wenig Interferenzen<br />
zwischen benachbarten Antennen<br />
geben, und im Fußball sollen die<br />
Einnahmen aus Fernsehübertragungen<br />
möglichst hoch sein. Das ist die Zielfunktion:<br />
etwas, das man im Rahmen <strong>de</strong>r zulässigen<br />
Möglichkeiten klein halten o<strong>de</strong>r<br />
groß gestalten möchte. Was zulässige<br />
Möglichkeiten sind, das bestimmen die<br />
Nebenbedingungen, also Gesetzmäßigkeiten,<br />
die man auf je<strong>de</strong>n Fall beachten<br />
muss. Es gilt, Pausenregelungen für Fahrer<br />
einzuhalten, die Wahl von Antennenstandorten<br />
unterliegt Einschränkungen,<br />
und Heim- und Auswärtsspiele müssen<br />
sich abwechseln. Diese Nebenbedingungen<br />
lassen sich als ein mathematisches<br />
Gleichungssystem formulieren. Ungefähr<br />
so, wie wir es bei Textaufgaben aus<br />
<strong>de</strong>r Schule kennen, nur eben viel größer.<br />
Anstatt zwei o<strong>de</strong>r drei Variablen und<br />
Gleichungen gibt es oftmals Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong>.<br />
Für diese Gleichungssysteme<br />
möchte man im Sinne <strong>de</strong>r Zielfunktion<br />
möglichst gute Lösungen fin<strong>de</strong>n. Dann<br />
ist da noch die Einschränkung auf ganze<br />
Zahlen. Eine halbe Fußballmannschaft<br />
und zwei Drittel Busfahrer – das funktioniert<br />
nicht. Daher suchen wir Lösungen,<br />
die ganzzahlig sind, also Werte wie null,<br />
eins o<strong>de</strong>r zwei annehmen, aber eben nicht<br />
fünf Dreisiebtel.<br />
Wenn Mathematiker vor eine neue<br />
Optimierungsaufgabe gestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
dann gibt es vereinfacht gesagt zwei Arbeitsschritte.<br />
Erster Schritt: das Erstellen<br />
eines geeigneten Mo<strong>de</strong>lls, also eines Gleichungssystems.<br />
Das geschieht meist mit<br />
Tafel und Krei<strong>de</strong> – und einem Schwamm!<br />
Was sind die Variablen, haben wir alle<br />
Nebenbedingungen beachtet, stellt die<br />
Zielfunktion wirklich das dar, was sie<br />
soll? Hinschreiben, wegwischen, noch<br />
mal. Ist ein brauchbares Mo<strong>de</strong>ll vorhan<strong>de</strong>n,<br />
kommt Schritt zwei: das Fin<strong>de</strong>n einer<br />
Lösung für dieses Mo<strong>de</strong>ll. Da reichen<br />
alle Tafeln <strong>de</strong>r Welt nicht mehr, das geschieht<br />
mithilfe von Computerprogrammen.<br />
An <strong>de</strong>r Entwicklung eines solchen<br />
Programms war ich im Rahmen meiner<br />
Doktorarbeit beteiligt.<br />
Meine Dissertation beschäftigt sich<br />
mit „Heuristiken“ für ganzzahlige Op-<br />
bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 25