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Mathematik<br />

Gut geraten<br />

Busse, Handys, Fußball: Ganzzahlige Optimierungsprobleme<br />

begegnen uns an Stellen, an <strong>de</strong>nen wir sie nicht vermuten.<br />

Um für solche Probleme Lösungen zu fin<strong>de</strong>n, benötigt man ein<br />

gutes Gespür – und oftmals auch ein Quäntchen Glück.<br />

von Timo Berthold<br />

Fotos: Dietmar Gust für bdw<br />

Es ist schönes Wetter, und heute<br />

spielt Ihr Lieblingsverein. Sie verabre<strong>de</strong>n<br />

sich per Handy mit einigen<br />

Freun<strong>de</strong>n und fahren mit <strong>de</strong>m Bus<br />

zum Stadion. Bei <strong>de</strong>r Bratwurst vorm<br />

Anpfiff diskutieren Sie noch, ob <strong>de</strong>nn die<br />

Liste <strong>de</strong>r nächsten Gegner eher gut o<strong>de</strong>r<br />

eher schlecht für <strong>de</strong>n eigenen Club sei.<br />

Sie verbringen mithilfe <strong>de</strong>r Mathematik<br />

einen schönen Tag.<br />

Mathematik? Genau, <strong>de</strong>nn Busfahrpläne,<br />

die Zuweisung von Mobilfunk-<br />

Frequenzen zu Sen<strong>de</strong>antennen und <strong>de</strong>r<br />

Spielplan <strong>de</strong>r Fußball-Bun<strong>de</strong>sliga, all das<br />

sind sogenannte ganzzahlige Optimierungsprobleme.<br />

Ein solches Problem setzt<br />

sich aus drei grundlegen<strong>de</strong>n Bestandteilen<br />

zusammen: einer Zielfunktion, Nebenbedingungen<br />

und <strong>de</strong>r Einschränkung auf<br />

ganze Zahlen. Betrachten wir das einmal<br />

anhand <strong>de</strong>r oben aufgezählten Beispiele.<br />

Die Passagiere im Busverkehr wünschen<br />

sich geringe Umsteigezeiten, beim<br />

Mobilfunk soll es möglichst wenig Interferenzen<br />

zwischen benachbarten Antennen<br />

geben, und im Fußball sollen die<br />

Einnahmen aus Fernsehübertragungen<br />

möglichst hoch sein. Das ist die Zielfunktion:<br />

etwas, das man im Rahmen <strong>de</strong>r zulässigen<br />

Möglichkeiten klein halten o<strong>de</strong>r<br />

groß gestalten möchte. Was zulässige<br />

Möglichkeiten sind, das bestimmen die<br />

Nebenbedingungen, also Gesetzmäßigkeiten,<br />

die man auf je<strong>de</strong>n Fall beachten<br />

muss. Es gilt, Pausenregelungen für Fahrer<br />

einzuhalten, die Wahl von Antennenstandorten<br />

unterliegt Einschränkungen,<br />

und Heim- und Auswärtsspiele müssen<br />

sich abwechseln. Diese Nebenbedingungen<br />

lassen sich als ein mathematisches<br />

Gleichungssystem formulieren. Ungefähr<br />

so, wie wir es bei Textaufgaben aus<br />

<strong>de</strong>r Schule kennen, nur eben viel größer.<br />

Anstatt zwei o<strong>de</strong>r drei Variablen und<br />

Gleichungen gibt es oftmals Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong>.<br />

Für diese Gleichungssysteme<br />

möchte man im Sinne <strong>de</strong>r Zielfunktion<br />

möglichst gute Lösungen fin<strong>de</strong>n. Dann<br />

ist da noch die Einschränkung auf ganze<br />

Zahlen. Eine halbe Fußballmannschaft<br />

und zwei Drittel Busfahrer – das funktioniert<br />

nicht. Daher suchen wir Lösungen,<br />

die ganzzahlig sind, also Werte wie null,<br />

eins o<strong>de</strong>r zwei annehmen, aber eben nicht<br />

fünf Dreisiebtel.<br />

Wenn Mathematiker vor eine neue<br />

Optimierungsaufgabe gestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

dann gibt es vereinfacht gesagt zwei Arbeitsschritte.<br />

Erster Schritt: das Erstellen<br />

eines geeigneten Mo<strong>de</strong>lls, also eines Gleichungssystems.<br />

Das geschieht meist mit<br />

Tafel und Krei<strong>de</strong> – und einem Schwamm!<br />

Was sind die Variablen, haben wir alle<br />

Nebenbedingungen beachtet, stellt die<br />

Zielfunktion wirklich das dar, was sie<br />

soll? Hinschreiben, wegwischen, noch<br />

mal. Ist ein brauchbares Mo<strong>de</strong>ll vorhan<strong>de</strong>n,<br />

kommt Schritt zwei: das Fin<strong>de</strong>n einer<br />

Lösung für dieses Mo<strong>de</strong>ll. Da reichen<br />

alle Tafeln <strong>de</strong>r Welt nicht mehr, das geschieht<br />

mithilfe von Computerprogrammen.<br />

An <strong>de</strong>r Entwicklung eines solchen<br />

Programms war ich im Rahmen meiner<br />

Doktorarbeit beteiligt.<br />

Meine Dissertation beschäftigt sich<br />

mit „Heuristiken“ für ganzzahlige Op-<br />

bild <strong>de</strong>r <strong>wissenschaft</strong> plus 25

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