WIR ONLINE MAGAZIN vom 4. September 2023
Das Online Magazin für über 20'000 WIR-Verrechner
Das Online Magazin für über 20'000 WIR-Verrechner
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
<strong>WIR</strong> <strong>ONLINE</strong> <strong>MAGAZIN</strong> |<strong>WIR</strong> aktuell<br />
Symbolische Früchte:<br />
Um zu Beginn gleich reinen Wein<br />
einzuschenken: Über die Traube<br />
reden, heißt <strong>vom</strong> Wein reden. Das<br />
Lianengewächs wird seit Urzeiten<br />
<strong>vom</strong> Menschen kultiviert. Traubenkernfunde<br />
aus der Bronzezeit<br />
und bildliche Darstellungen des<br />
Weinbaus um 3500 vor Christus in<br />
Ägypten erzählen davon. Die Griechen<br />
und Römer kelterten bereits<br />
mithilfe eines Hefepilzes, den heutige<br />
Winzer noch kennen. Sie tranken<br />
den Wein meist verdünnt und<br />
würzten ihn mit Honig oder Pfeffer.<br />
Gelagert wurde er in Amphoren.<br />
Beim Leeren der Amphor floss<br />
zuerst reiner Wein, am Ende kam<br />
der trübe Bodensatz mit. Das sei,<br />
fand der Philosoph Seneca, wie im<br />
Leben, wo das Beste zuerst<br />
komme.<br />
Die Traube<br />
Um zu Beginn gleich reinen Wein einzuschenken:<br />
Über die Traube reden,<br />
heißt <strong>vom</strong> Wein reden. Das Lianengewächs<br />
wird seit Urzeiten <strong>vom</strong> Menschen<br />
kultiviert. Traubenkernfunde<br />
aus der Bronzezeit und bildliche Darstellungen<br />
des Weinbaus um 3500<br />
vor Christus in Ägypten erzählen<br />
davon. Die Griechen und Römer kelterten<br />
bereits mithilfe eines Hefepilzes,<br />
den heutige Winzer noch kennen.<br />
Sie tranken den Wein meist<br />
verdünnt und würzten ihn mit Honig<br />
oder Pfeffer. Gelagert wurde er in<br />
Amphoren. Beim Leeren der Amphore<br />
floss zuerst reiner Wein, am Ende<br />
kam der trübe Bodensatz mit. Das<br />
sei, fand der Philosoph Seneca, wie<br />
im Leben, wo das Beste zuerst<br />
komme.<br />
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die<br />
Reben“, sagt Jesus im Johannesevangelium<br />
– denn ohne den Weinstock<br />
sprießt und reift keine Frucht.<br />
In der christlichen Symbolik ist dies<br />
ein elementares Bild. Der Weinstock<br />
steht für die geistige Quelle des<br />
Christseins. Auf ihn lässt sich alles<br />
zurückführen; sei es das Volk Israel,<br />
die „Wurzel Jesse“, also der Stammbaum<br />
Christi oder sei es Gott selbst.<br />
Die Traube an sich ist ein Symbol für<br />
das verheißene Gelobte Land der<br />
Bibel. Und wenn die mittelalterliche<br />
Kunst Jesus zeigt, der barfuß die Kelter<br />
tritt (wie es zu Zeiten vor der Einführung<br />
der mechanischen Weinpresse<br />
üblich war), so ist damit der<br />
sich Opfernde gemeint, der sein Blut<br />
wie den Saft der Trauben vergießt.<br />
Die Traube ist die christliche Frucht<br />
par excellence: Jeder Christ kennt<br />
den Symbolgehalt des roten Weins<br />
als Blut Christi <strong>vom</strong> Abendmahl.<br />
In vino veritas – im Wein liegt Wahrheit.<br />
Diese Redewendung hat gewiss<br />
kein Abstinenzler geprägt, denn es<br />
bedarf schon einiger Tropfen Rebensaft,<br />
um die Zunge zu lösen und dann<br />
womöglich Dinge auszusprechen,<br />
die in nüchternem Zustand verborgen<br />
bleiben. Regen lässt das Gras<br />
wachsen, sagt man in Schweden,<br />
und Wein das Gespräch. Solange<br />
man den Wein nicht wie Wasser<br />
trinkt, ist das anregende Getränk<br />
durchaus geeignet, gesellig zu stimmen.<br />
Wenn, was die alten Griechen glaubten,<br />
ein Gott wie Dionysos den Menschen<br />
den Wein gebracht hat, verwundert<br />
nicht, dass er auch die<br />
Trunkenheit im Schlepptau hinterherzieht.<br />
Dem Weingott, der bei den<br />
Römern Bacchus heißt, huldigte man<br />
vor allem im Frühjahr mit rauschenden<br />
Festen, wo auch die Weinfässer<br />
geöffnet wurden. Zwar war die dionysische<br />
Ekstase durchaus kein Alkoholrausch,<br />
doch der religiöse Hintergrund<br />
verblasste, und Dionysos<br />
wurde zum mehr oder weniger harmlosen<br />
Weingott. Harmlos allerdings<br />
nur für den, der weiß, wie „schändlich<br />
es ist, mehr in sich hineinzufüllen, als<br />
man vertragen kann“, wie Seneca<br />
anmahnt. Dicht an die Freuden des<br />
Weins grenzt die maßlose Trunkenheit<br />
bis zur bewusstlosen Betäubung<br />
– für beides stehen die Traube und ihr<br />
Saft.<br />
Voll des süßen Weins, also trunken,<br />
seien die Apostel, als sie als Pfingstwunder<br />
in Zungen sprachen – so<br />
dachten die Ungläubigen. Weinkenner<br />
wissen: Ein guter Wein ist in seiner<br />
Jugend herb und rauh und wird<br />
später süß. Übertragen auf das<br />
Leben, soll diese Weisheit die Jungen<br />
<strong>vom</strong> kommenden Lohn ihrer Mühsal<br />
überzeugen, der sich im Alter einstellt.<br />
Zuvor muss der Weinberg aber<br />
bestellt sein.<br />
Autor: Muthesius/DEIKE<br />
59