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WIR ONLINE MAGAZIN vom 4. September 2023

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<strong>WIR</strong> <strong>ONLINE</strong> <strong>MAGAZIN</strong> |<strong>WIR</strong> aktuell<br />

Symbolische Früchte:<br />

Um zu Beginn gleich reinen Wein<br />

einzuschenken: Über die Traube<br />

reden, heißt <strong>vom</strong> Wein reden. Das<br />

Lianengewächs wird seit Urzeiten<br />

<strong>vom</strong> Menschen kultiviert. Traubenkernfunde<br />

aus der Bronzezeit<br />

und bildliche Darstellungen des<br />

Weinbaus um 3500 vor Christus in<br />

Ägypten erzählen davon. Die Griechen<br />

und Römer kelterten bereits<br />

mithilfe eines Hefepilzes, den heutige<br />

Winzer noch kennen. Sie tranken<br />

den Wein meist verdünnt und<br />

würzten ihn mit Honig oder Pfeffer.<br />

Gelagert wurde er in Amphoren.<br />

Beim Leeren der Amphor floss<br />

zuerst reiner Wein, am Ende kam<br />

der trübe Bodensatz mit. Das sei,<br />

fand der Philosoph Seneca, wie im<br />

Leben, wo das Beste zuerst<br />

komme.<br />

Die Traube<br />

Um zu Beginn gleich reinen Wein einzuschenken:<br />

Über die Traube reden,<br />

heißt <strong>vom</strong> Wein reden. Das Lianengewächs<br />

wird seit Urzeiten <strong>vom</strong> Menschen<br />

kultiviert. Traubenkernfunde<br />

aus der Bronzezeit und bildliche Darstellungen<br />

des Weinbaus um 3500<br />

vor Christus in Ägypten erzählen<br />

davon. Die Griechen und Römer kelterten<br />

bereits mithilfe eines Hefepilzes,<br />

den heutige Winzer noch kennen.<br />

Sie tranken den Wein meist<br />

verdünnt und würzten ihn mit Honig<br />

oder Pfeffer. Gelagert wurde er in<br />

Amphoren. Beim Leeren der Amphore<br />

floss zuerst reiner Wein, am Ende<br />

kam der trübe Bodensatz mit. Das<br />

sei, fand der Philosoph Seneca, wie<br />

im Leben, wo das Beste zuerst<br />

komme.<br />

„Ich bin der Weinstock, ihr seid die<br />

Reben“, sagt Jesus im Johannesevangelium<br />

– denn ohne den Weinstock<br />

sprießt und reift keine Frucht.<br />

In der christlichen Symbolik ist dies<br />

ein elementares Bild. Der Weinstock<br />

steht für die geistige Quelle des<br />

Christseins. Auf ihn lässt sich alles<br />

zurückführen; sei es das Volk Israel,<br />

die „Wurzel Jesse“, also der Stammbaum<br />

Christi oder sei es Gott selbst.<br />

Die Traube an sich ist ein Symbol für<br />

das verheißene Gelobte Land der<br />

Bibel. Und wenn die mittelalterliche<br />

Kunst Jesus zeigt, der barfuß die Kelter<br />

tritt (wie es zu Zeiten vor der Einführung<br />

der mechanischen Weinpresse<br />

üblich war), so ist damit der<br />

sich Opfernde gemeint, der sein Blut<br />

wie den Saft der Trauben vergießt.<br />

Die Traube ist die christliche Frucht<br />

par excellence: Jeder Christ kennt<br />

den Symbolgehalt des roten Weins<br />

als Blut Christi <strong>vom</strong> Abendmahl.<br />

In vino veritas – im Wein liegt Wahrheit.<br />

Diese Redewendung hat gewiss<br />

kein Abstinenzler geprägt, denn es<br />

bedarf schon einiger Tropfen Rebensaft,<br />

um die Zunge zu lösen und dann<br />

womöglich Dinge auszusprechen,<br />

die in nüchternem Zustand verborgen<br />

bleiben. Regen lässt das Gras<br />

wachsen, sagt man in Schweden,<br />

und Wein das Gespräch. Solange<br />

man den Wein nicht wie Wasser<br />

trinkt, ist das anregende Getränk<br />

durchaus geeignet, gesellig zu stimmen.<br />

Wenn, was die alten Griechen glaubten,<br />

ein Gott wie Dionysos den Menschen<br />

den Wein gebracht hat, verwundert<br />

nicht, dass er auch die<br />

Trunkenheit im Schlepptau hinterherzieht.<br />

Dem Weingott, der bei den<br />

Römern Bacchus heißt, huldigte man<br />

vor allem im Frühjahr mit rauschenden<br />

Festen, wo auch die Weinfässer<br />

geöffnet wurden. Zwar war die dionysische<br />

Ekstase durchaus kein Alkoholrausch,<br />

doch der religiöse Hintergrund<br />

verblasste, und Dionysos<br />

wurde zum mehr oder weniger harmlosen<br />

Weingott. Harmlos allerdings<br />

nur für den, der weiß, wie „schändlich<br />

es ist, mehr in sich hineinzufüllen, als<br />

man vertragen kann“, wie Seneca<br />

anmahnt. Dicht an die Freuden des<br />

Weins grenzt die maßlose Trunkenheit<br />

bis zur bewusstlosen Betäubung<br />

– für beides stehen die Traube und ihr<br />

Saft.<br />

Voll des süßen Weins, also trunken,<br />

seien die Apostel, als sie als Pfingstwunder<br />

in Zungen sprachen – so<br />

dachten die Ungläubigen. Weinkenner<br />

wissen: Ein guter Wein ist in seiner<br />

Jugend herb und rauh und wird<br />

später süß. Übertragen auf das<br />

Leben, soll diese Weisheit die Jungen<br />

<strong>vom</strong> kommenden Lohn ihrer Mühsal<br />

überzeugen, der sich im Alter einstellt.<br />

Zuvor muss der Weinberg aber<br />

bestellt sein.<br />

Autor: Muthesius/DEIKE<br />

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