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Krankenpflege

Krankenpflege ist die meistgelesene Fachzeitschrift für Pflege in der Schweiz und offizielles Organ des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und -männer SBK. Die Leserschaft setzt sich zusammen aus dipl. Pflege- und Kaderpersonal aller Bereiche in Spitälern, Kliniken, Alters und Pflegeheimen, der Spitex sowie aus freiberuflich Pflegenden, Gesundheitspolitikerinnen und -politikern und sämtlichen National und Ständeräten.

Krankenpflege ist die meistgelesene Fachzeitschrift für Pflege in der Schweiz und offizielles Organ des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und -männer SBK. Die Leserschaft setzt sich zusammen aus dipl. Pflege- und Kaderpersonal aller Bereiche in Spitälern, Kliniken, Alters und Pflegeheimen, der Spitex sowie aus freiberuflich Pflegenden, Gesundheitspolitikerinnen und -politikern und sämtlichen National und Ständeräten.

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Die dunkle Seite der Pflege<br />

Keine Anerkennung und fehlende Wertschätzung<br />

Systemrelevant, aber ausgenutzt<br />

20 Jahre nach ihrem ersten Praktikum ertrug die Autorin dieses Beitrags die unzumutbaren<br />

Arbeitsbedingungen nicht mehr. Wegen der fehlenden Wertschätzung und dem<br />

schlechten Gewissen, die Pflege nicht mehr professionell, verantwortungsbewusst und<br />

liebevoll durchführen zu können, ist sie aus dem Beruf ausgestiegen.<br />

Text: Jasmina Robl<br />

Was muss geschehen, damit der Staat<br />

endlich wirksam gegen den Pflegenotstand<br />

vorgeht? Seit Einreichung der<br />

Pflegeinitiative sind schon wieder mehrere<br />

Jahre vergangen; dem Parlament<br />

scheinen deren Anliegen immer noch<br />

nicht vorrangig und es bastelt endlos an<br />

einem mickrigen Gegenvorschlag zur<br />

Initiative herum.<br />

Vor 20 Jahren habe ich mein erstes<br />

Praktikum im KiSpi in Zürich absolviert.<br />

Die Pflege streikte gegen Lohndiskriminierung.<br />

Wir reduzierten den Betrieb<br />

soweit es ging, ohne Patienten zu gefährden.<br />

Wir gingen für Lohngleichheit<br />

auch vor Gericht – und errangen einen<br />

Riesenerfolg: Der Kanton musste uns<br />

280 Millionen Franken nachzahlen! Das<br />

Urteil zeigte das ganze Ausmass unserer<br />

Unterbezahlung (was sich auch<br />

bei unseren Renten zeigen wird – auch<br />

das macht mich grausam wütend).<br />

Von der Pflege verabschiedet<br />

Ich habe die erlebte Diskriminierung<br />

nicht mehr ertragen und mich vor einem<br />

Jahr entschieden, mich von der Pflege<br />

zu verabschieden – von meinem geliebten<br />

Beruf, dem ich so lange so viel<br />

Herzblut gewidmet habe. Grund: Die<br />

unzumutbaren Arbeitsbedingungen,<br />

das schlechte Gewissen, körperlich<br />

Beispiele aus der Praxis<br />

Inputs gesucht<br />

Gibt es Missstände, über die sie<br />

berichten möchten? Schreiben<br />

Sie an: redaktion@sbk-asi.ch<br />

und seelisch schwer belasteten Patienten<br />

und Familien nicht gerecht werden<br />

zu können. Ich arbeite mit Menschen,<br />

nicht mit Maschinen; und allzu häufig<br />

fehlt die Zeit, um meine Pflege professionell,<br />

verantwortungsbewusst und<br />

liebevoll durchzuführen.<br />

Kürzlich habe ich P.-A. Wagners Artikel<br />

«Nettigkeit bringt uns nicht weiter» in<br />

der «<strong>Krankenpflege</strong>» 05/2019 gelesen:<br />

Herzlichen Dank, dass sich der SBK so<br />

sehr für unsere Berufsgruppe einsetzt<br />

und ihr eine Stimme gibt! Dieser Text<br />

spricht mir aus dem Herzen. Ich verstehe<br />

den Zynismus der Politik nicht und<br />

ich will Gerechtigkeit!<br />

Fehlende Wertschätzung<br />

Die Löhne sind das eine; vor allem geht<br />

es aber um die Wertschätzung unserer<br />

Arbeit. Was gehört (mindestens) dazu?<br />

• Zeichen der Anerkennung wie Vergünstigung<br />

für ÖV, reservierte Parkplätze,<br />

verbilligte Krankenkassenbeiträge,<br />

eine Aufmerksamkeit zu<br />

Weihnachten, Boni für ausserordentlichen<br />

Einsatz, adäquate Lohnerhöhungen<br />

...;<br />

• Erholungszeiten, Schichtsysteme und<br />

Dienstpläne, die uns nicht nötigen,<br />

unser Pensum zu reduzieren (und damit<br />

auch tiefere Renten in Kauf zu<br />

nehmen!) oder den Beruf ganz an den<br />

Nagel zu hängen;<br />

• Stellenschlüssel, die die zunehmende<br />

Komplexität der Pflege berücksichtigen.<br />

Die Wissenschaft beweist, dass<br />

ein Mangel an qualifiziertem Personal<br />

zu mehr Komplikationen führt, die<br />

viel mehr kosten als das Personal,<br />

das nötig wäre, um sie zu verhindern.<br />

Ist das so kompliziert zu verstehen?<br />

• Löhne und Entwicklungsmöglichkeiten,<br />

die die zunehmenden Anforderungen<br />

des Pflegeberufes – und<br />

deren Marktwert! – abbilden. Kein<br />

Männerberuf würde diese Diskrepanz<br />

zwischen Lohn und Leistung akzeptieren!<br />

• Die Gesundheit des Pflegepersonals<br />

gehört geschützt – bedingungslos!<br />

Nach einem Jahr Coronapandemie<br />

fehlt es immer noch an Schutzma<br />

terial und verletzen zahlreiche<br />

Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht.<br />

Ich habe so viele fachlich hochstehende,<br />

unentbehrliche und wundervolle Pflegefachleute<br />

in meinen 20 Jahren in der<br />

Pflege kennen gelernt; davon sind viele<br />

ausgestiegen, weil ihr Beruf sie krank<br />

gemacht hat – oder um nicht krank zu<br />

werden. Es ist ein Armutszeugnis, wie<br />

heute frisch Diplomierte überfordert<br />

und ins Burnout getrieben werden – ich<br />

kenne so viele, denen ihr Berufsalltag<br />

Alpträume bereitet und die täglich<br />

Angst haben, zur Arbeit zu gehen.<br />

Die Stimme erheben<br />

Ist es denn, 20 Jahre nach dem Zürcher<br />

Streik und nach dem Jahr der Pflege<br />

und der Hebammen, nicht an der Zeit,<br />

uns wieder zu erheben? Systemrelevant,<br />

aber ausgenutzt und erschöpft:<br />

Schluss damit! Es ist Zeit, dass wir alle<br />

in der Pflege damit Schluss machen!<br />

Dass wir uns zusammen stark machen<br />

für eine Gold werte Pflege und gemeinsam<br />

die Stimme aller Pflegenden in der<br />

Schweiz erheben. Ich hoffe zutiefst,<br />

dass die Pflege bald – also nicht erst in<br />

weiteren 20 Jahren! – an einem besseren<br />

Ort stehen und die verdiente Wertschätzung,<br />

Fairness und Anerkennung<br />

errungen haben wird – eigentlich eine<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

38 <strong>Krankenpflege</strong> | Soins infirmiers | Cure infermieristiche 03 2021

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