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Titelthema: Dachschildkröten

TitelthemaDachschildkrötenPangshura– die Gattung„Wenn von bunten, schön gefärbten Schildkröten gesprochen wird, denkt man vor allem an dieamerikanischen Schmuckschildkröten der Gattungen Pseudemys, Chrysemys und ihre näheren Verwandten,die so häufig in der Pflege von Liebhabern angetroffen werden. Dabei vergisst man oft,dass es auch eine ganze Anzahl Arten von anderen Gruppen gibt, deren Farbenpracht nicht nurdie der Schmuckschildkröten erreichen, sondern sie sogar übertreffen kann“ (Wermuth 1954).Text von Reiner PraschagFotos von Peter & Reiner PraschagDer Name Kachuga wird abgeleitetvom Hindi-Wort „kachua“,was allgemein „Schildkröte“ bedeutet.Kein Wunder, dass die Wissenschaftlerbei den Erstbeschreibungender Dachschildkrötenarten diesen alsGattungsnamen verwendeten. Dasebenfalls als Gattungsname verwendetePangshura, das bengalische Wortfür Schildkröte, wurde lange Zeit alsSynonym geführt und erst 1986 zumheute noch gültigen GattungsnamenSchlupf einer Pangshura sylhetensisfür die Dachschildkröten erhoben(Moll 1986, 1987).Schon Gray erkannte 1856 die Unterschiedlichkeitvon Kachuga undPangshura und stellte sie als „subgenericdivisions“, also als getrennte Untereinheiten,in die Gattung Batagur.Günther (1864) und Gray (1869) erhobendann Kachuga und Pangshura inden Rang eigener Gattungen. Boulenger(1889) wiederum vereinte beide inder Gattung Kachuga. Erst M. Smithhat 1931 mit seiner „Fauna of BritishIndia“ wieder zu mehr Klarheit beigetragen.Daraufhin folgten in dennächsten 50 Jahren nur noch vereinzelteBerichte über Süßwasserschildkrötenin den indischen Journalen.Moll (1986) meint: „Ein großer Teildes Wissens über diesen Artenkomplexresultiert aus den Beschreibungenbritischer Naturforscher des 19.und 20. Jahrhunderts. Diese warengrößtenteils mit Taxonomie befasst.Ihre Angaben zu Lokalitäten warenselten präzise (z. B. Nordindien, indischerSubkontinent), Daten zur Naturgeschichtewurden selten angegeben.Zu weiteren Komplikationen führte,dass ein Großteil der Beschreibungenund Klassifizierungen von Museumskuratorenwie John Edward Gray,Albert Günther und Georg AlbertBoulenger vorgenommen wurden,die niemals in Indien gewesen warenund die sich für ihre Arbeiten oft aufInformationen aus zweiter Hand,Zeichnungen und getrocknete Exemplarestützten“ [alle Übersetzungen vonder Redaktion]. Daraus, so meint Mollweiter, resultiere viel Verwirrung.Wermuth & Mertens (1961) führtenwieder sowohl die groß- wie auchdie kleinwüchsigen Dachschildkrötenunter dem Gattungsnamen Kachuga12

Titelthemaund betrachteten Pangshura als Synonym.Erst die neu gegründete „Tortoise andFreshwater Turtle Specialist Group“der IUCN (Weltnaturschutzunion;International Union for Conservationof Nature and Natural Resources)machte auf den Zustand der natürlichenBestände vieler Tierarten indiesem Raum aufmerksam. „Die einleitendeStatus-Erhebung indischerSchildkröten wurde durch finanzielleUnterstützung des World WildlifeFund an Rom Whitaker und michermöglicht, und sie wurde ausgeführtvon Ms. J. Vijaya in West-Bengalenund angrenzenden Staaten von August1981 bis Februar 1982“ (Moll1986). Moll, Vijaya und Bhaskar unternahmenExkursionen zu 14 Flüssen,besuchten Märkte, befragten dortigeFischer und suchten nach Materialin den Museen (Rajagopalan & Dan1983). Nur wenige der dabei gefangenenSchildkröten wurden in der MadrasCrocodile Bank und im privatenEigentum von Moll lebend gehalten,um sie nachzuzüchten – ein Ziel derSchildkrötenhaltung, das, wie wir Terrarianerwissen, am schwierigsten zuerreichen ist.Moll hat die großwüchsigen Kachuga-Arten– K. dhongoka, K. kachugaund K. trivittata – von den kleinwüchsigen– K. smithii, K. sylhetensis,K. tecta und K. tentoria – getrennt(Moll 1986, 1987). Er beließ dengroßwüchsigen den GattungsnamenKachuga und stellte die kleinwüchsigenin die Gattung Pangshura. „Kachugaist die artenreichste Gattung derasiatischen Batagurinae“, und „zweiunterschiedliche Artengruppen sindinnerhalb der Gattung evident undwerden als Untergattungen Kachugaund Pangshura bezeichnet. Die erstereenthält die größeren Arten (> 40 cmCarapaxlänge, CL), K. dhongoka andK. kachuga; die zweite die kleineren(< 30 cm CL) K. smithii, K. sylhetensis,K. tecta und K. tentoria.“ Weiter: „Vieleder Pangshura–Arten bewohnen sowohlStill- als auch Fließgewässer alsHabitate und nisten in den Wintermonatenvon Oktober bis Januar inunterschiedlichen Situationen“ (Moll1986). Wer danach sein Interesse undJahr der ErstbeschreibungName der Erstbeschreibungheutiger Name1830 Kachuga tecta (Gray) Pangshura tecta1831 Kachuga kachuga (Gray) Batagur kachuga1832 Kachuga dhongoka (Gray) Batagur dhongoka1834 Kachuga tentoria (Gray) Pangshura tentoria1835 Kachuga trivittata (Duméril & Bibron) Batagur trivittata1863 Kachuga smithii (Gray) Pangshura smithii1864 Kachuga flaviventer (Günther) Pangshura tentoria flaviventer1870 Kachuga sylhetensis (Jerdon) Pangshura sylhetensis1969 Kachuga tentoria circumdata (Mertens) Pangshura tentoria circumdata1987 Kachuga smithii pallidipes (Moll) Pangshura smithii pallidipesSchildkröten werden auf Märkten in Bangladesch ohne Betäubung lebendaufgeschnitten und zerteilt. Angeboten werden vorwiegend Lissemys punctataandersoni (Mitte links), am zweithäufigsten Pangshura tecta (rechts oben) unddann Nilssonia hurum (rechts), weniger Morenia petersi. Der Schlächter im Bildlinks zerteilt gerade eine P. tecta, rechts davon liegen ihre Eier.Studium den Schildkröten des indischenSubkontinents widmen wollte,und das gilt auch noch heute, derkommt an den US-amerikanischenBrüdern Don und Edward O. Mollnicht vorbei.Ernst & Barbour (1989) schriebennoch: „Dies ist die größte Gattung derasiatischen Batagurinae, mit siebenArten von Pakistan über Indien undBangladesch bis Burma. Alle sind semiaquatisch,und einige erreichen bis50 cm Länge“. Sie führen also noch siebenKachuga-Arten, wobei sie die 120Jahre zuvor beschriebene Pangshuraflaviventer (Günther, 1864) überhauptnicht erwähnen! Das war vor etwasüber 30 Jahren; doch inzwischen hatdie Wissenschaft nomenklatorischwieder einiges verändert. 2007 habenPraschag et al. die großwüchsigenKachuga der Gattung Batagur zugeordnet;dadurch verblieb, und das giltauch noch heute, der klingende NameKachuga nur mehr einer einzigen Art,namentlich Batagur kachuga, der einstigenKachuga kachuga.Ich möchte mich in dieser Arbeit denkleinwüchsigen ehemaligen Kachuga-Artenwidmen, der heutigen GattungPangshura. Wermuth & Mertens(1961) und auch Ernst & Barbour(1989) unterschieden die großwüchsigenvon den kleinwüchsigen Kachuga13

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