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LERNEN MIT ZUKUNFT September 2020

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Impulsmagazin für Erwachsene - Lebensraum: MENSCH

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information & bewusstsein Im Labyrinth des Lebens: Wegweiser GERADE JENE STEINE, DIE DICH INS STOLPERN BRINGEN, SIND DEINE WEGWEISER (Martin Gerhard Reisenberg) Roswitha Maderthaner Kindergartenleiterin Montessoriepädagogin Akademische Trainerin Dipl.Biografiearbeiterin zur Zeit Studium der Elementarpädagogik Neulich am Pilgerweg im Mühlviertel. Am Morgen des zweiten Tages erreiche ich ein Labyrinth. Mitten am Weg taucht es auf, mit kleinen Steinen gelegt und Lavendel umrandet. In der Mitte steht ein Baum und am Eingang ist ein Schild befestigt, mit dem Hinweis, dass es sich um das Labyrinth von Chartres handelt und von der örtlichen Landjugend angelegt wurde. Ich bin begeistert. Man muss wissen, dass es sich bei einem Labyrinth nicht um einen Irrgarten handelt. Beim Irrgarten muss man den Weg suchen und hinausfinden, dabei wird man in die Irre geführt. Das Labyrinth hingegen hat nur einen Weg, der immer zur Mitte führt. Es ist ein uraltes Menschheitssymbol, das für das Leben selbst und den Lebensweg steht. Macht man sich auf und begeht es, so kann man viel über sein Leben erfahren und sich selbst entdecken. Da steh ich also, voll Vorfreude und dem Gedanken, ob mein Rucksack beim Durchschreiten mitkommen soll. Es ist mein zweiter Pilgertag und der Rucksack drückt schon schwer auf meinen Schultern. Außerdem überlege ich, ob ich diese zusätzlichen Meter wirklich gehen will, liegt doch noch ein ordentlicher Tagesmarsch vor mir. Meine Begeisterung fegt aber alle aufkommenden Zweifel hinweg. Ich stelle den Rucksack ab, und mache beherzt die ersten Schritte in das Labyrinth hinein. Kein Wegweiser zeigt mir, wohin ich muss, anders als am Pilgerweg, wo ich mich immer mit Hilfe solcher Wegweiser orientiere. Nein, das Labyrinth gibt den Weg vor, vorausgesetzt man begeht es. Es gibt nur diesen einen Weg, und der führt ganz bestimmt in die Mitte. Es tut gut sich in solcher Sicherheit zu wissen. Ständig plagt mich nämlich beim Pilgern die Sorge, ob ich am richtigen Weg, und hoffentlich nicht falsch abgebogen bin, oder ein Schild übersehen habe. Dann überkommen mich Zweifel. Hier im Labyrinth ist es einfach. Ich vertraue dem Weg, der vor mir liegt. Ich muss auch nicht den ganzen Weg kennen, sondern immer nur wissen, wohin ich den nächsten Schritt setze. Im Leben, wie im Labyrinth kann man schnell den Überblick verlieren. Wie gut ist es zu wissen, dass es genügt, einfach den nächsten Schritt zu kennen. Leo Tolstoi (1828 – 1910) formulierte es folgendermaßen: „Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt.“ Die Gegenwart als Ausgangsbasis. Fotos © 8926 und Gerd Altmann | pixabay.com

information & bewusstsein Auch die Biografiearbeit setzt immer in der Gegenwart an. Aktuelle Fragestellungen und Anlässe sind dabei der Ausgangspunkt für die Rückschau oder Vorschau auf sein Leben. Die Gegenwart kann Orientierung geben, wenn man nur den nächsten, möglichen Schritt überlegt, nicht den Verlauf des gesamten Weges. Unerwartet tauchen beim Begehen vom Labyrinth Wendungen auf, und ich meistere sie mühelos, da ich immer nur einen Fuß vor den anderen setze. Ich bleibe stehen und stutze, ich denke hier geht es weiter, aber nein der Weg im Labyrinth wechselt nach einer Kurve die Richtung. Wie oft schon dachte ich, zu wissen, wo es in meinem Leben langgeht, um mich kurz darauf mit unvorhersehbaren Wendungen konfrontiert zu sehen. Vertraue! Das Labyrinth kennt den Weg, und das Leben scheinbar auch. Ich finde mein Tempo, gehe sehr bewusst, so wie den ganzen letzten Tag auch, und plötzlich stehe ich in der Mitte. Vor mir ein Baum. Bin ich schon angekommen, bin ich schon am Ziel? Wohin jetzt? Der Weg ist zu Ende, aber ist das auch das Ziel? War es das? Ich drehe mich um, und da ist er wieder. Der Weg hinaus. Der Weg hinaus ist der Weg hinein. Schritt für Schritt. In der Symbolik des Labyrinthes stellt sein Zentrum die Lebensmitte des Menschen dar. Ab hier geht es wieder zurück. Zügiger durchschreite ich nun das Labyrinth, und erlebe es aus einer anderen Perspektive. Ich erreiche den Ausgang, der zuvor mein Eingang war, schultere meinen Rucksack und schreite voran. Schließlich habe ich ein Tagesziel, das ich mit Hilfe der vielen Wegweiser erreichen will. Foto © Roswitha Maderthaner 13 | SEPTEMBER 2020