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Beschaffung aktuell 04.2024

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» MANAGEMENT Analyse,

» MANAGEMENT Analyse, Steuerung und Performance-Booster Wie die EVN AG ihre Warengruppen strukturiert Die österreichische EVN AG hat ihr strategisches Warengruppenmanagement neu aufgestellt. Für dieses Projekt gab es im Oktober den Award des BMÖ. Wir stellen Ihnen wesentliche Schritte und Ergebnisse vor. Die börsennotierte EVN AG (Energieversorgung Niederösterreich) ist der größte Strom-, Gas- und Wärmeversorger in Niederösterreich. Die Abteilung Beschaffung und Einkauf ist ab einer definierten Wertgrenze für alle Beschaffungsfälle der 14 Gesellschaften zuständig (ausgenommen Primärenergie). Bild: EVN/Imre Antal Implementierung eines Warengruppenmanagements im Rahmen des strategischen Lieferantenmanagements im Beschaffungswesen des EVN Konzerns – so lautet der etwas sperrige Titel eines interessanten beispielgebenden Maßnahmenpakets, das der Versorger der BMÖ-Jury vorgestellt hatte. Mit Erfolg! „Damit wurde ein wesentlicher Schritt zur Digitalisierung von Prozessschritten gesetzt und auch ein Fundament für diverse ESG-Vorgaben geschaffen“, befand Prof. Dr. Helmut Zsifkovits von der Montanuniversität Leoben im Namen der „Gutachter“. Auch beim BME war das Konzept für den Procurement Excellence Award (Großunternehmen) nominiert. Im Rahmen des Projekts „Strategisches Lieferantenmanagement“ (SLM) hat EVN eine große Anzahl Arbeitspakete umgesetzt. Im Folgenden wird das Paket „Warengruppenmanagement“ (WGM) beschrieben. Herausforderung bei der EVN Auch bei EVN kam es durch die bekannten kritischen Ereignissen zu Materialengpässen, Preissteigerungen und Lieferverzögerungen. Zudem hat man sich an neuen gesetzlichen Anforderungen auszurichten, sowohl national als auch international. Stichworte: österreichisches NIS-Gesetz; Pflichten zur nicht finanziellen Berichterstattung entsprechend der Global Reporting Initiative (GRI-Standards); Lieferkettengesetze und Bestrebungen von Nachbarstaaten und EU (CSRD, CSDDD); EU-Taxonomie-Verordnung; Sanktionsvorgaben etc. Hinzu kommt: Als Versorger muss EVN stets einen möglichen Blackout im Blick behalten. Die Mannschaft um Projektleiter Oliver Augustin hatte die gesamte äußerst komplexe Gemengelage zeitnah unter Berücksichtigung bzw. Zielsetzung hinsichtlich erhöhter Qualitätsanforderungen, Reduktion der Fertigungstiefe und Erweiterung sowie Aufbau langfristiger und sicherer Lieferantenbeziehung zu managen. Das SLM sollte folgende Herausforderungen angehen: • steigende Kosten • Gefahr für die Versorgungssicherheit durch Materialengpässe • Pönale aufgrund Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben • Risiko eines Reputationsverlustes • erweiterte (auch tiefergehende) nichtfinanzielle Berichtspflichten (GRI Reporting) • erweiterte Sorgfaltspflichten in Bezug auf Lieferanten (EU-Taxonomie) Hauptziel des WGM war, Einkäufern und Bedarfsträgern je Warengruppe ein Analyse- und Lenkungstool zur Verfügung zu stellen. Das sollte eine einheitliche standardisierte Methodik für die Analyse, Bewertung und Performanceverbesserung gewährleisten und das Wissen über die Lieferketten verdichten bzw. vertiefen. Um konzernweite Akzeptanz zu schaffen, setzte sich das Projektteam neben der Konzernfunktion „Beschaffung und Einkauf“ aus Mitarbeitern der Bereiche INU (Innovation, Nachhaltigkeit, Umweltschutz), Technik, IT, IT-Security, Finanzwesen und CCM (Corporate Compliance Management) zusammen. 36 Beschaffung aktuell » 04 | 2024

Für das WGM und das gesamte Projekt SLM wurden zwei Steuerungsansätze verfolgt: der PDCA-Zyklus (= Plan, Do, Check, Act; universelles Modell zur Optimierung des Qualitätsmanagements) sowie die EVN Group-Strategie 2030. Der Zeitplan: 4. Quartal 2021 bis 1. Quartal 2023. Die Analysephase ergab, dass es in der EVN-Gruppe kein strategisches WGM gab. Eine Zielvorgabe war, pro Warengruppe einen „Score“ zu ermitteln und diese dann konzernweit in Beziehung zu setzen. Das erfolgte in drei Schritten: (1) Bewertung der Haupt- und Unterkriterien durch den jeweiligen Einkaufsexperten und Fachbereichsverantwortlichen, (2) Gewichtung durch Führungskräfte und (3) Bildung des finalen Scores pro Warengruppe mit Abbildung im WGM. Mit einzelnen Projektteammitgliedern und konzernweit repräsentativen Stakeholdern des Beschaffungsprozesses führte man jeweils Workshops zu „Kriterien für die Klassifikation von Warengruppen“ durch. Gemeinsam wurden 23 Kriterien zur Beurteilung formuliert, die man – zur besseren Handhabung im Daily Business – zu vier Hauptkategorien zusammenführte: Markt, ESG, rechtliche Anforderungen, Versorgungssicherheit. In der zweiten Phase wurde mit einer internen Online-Befragung des Top-Managements die Gewichtung der vier Kategorie konzernweit ermittelt. In der Evaluierungsphase wurden die Arbeitspakete „Warengruppenstrukturierung“, „Digitalisierung“ und „Warengruppenklassifikation“ definiert. Dabei stellte sich auch heraus, dass das CPV-System bereits alle Anforderungen der EVN-Gruppe erfüllt – im Gegensatz zu zwei anderen evaluierten Systemen: E-Class und NACE/ EVN AG Die börsennotierte EVN AG (Energieversorgung Niederösterreich) ist der größte Strom-, Gas- und Wärmeversorger in Niederösterreich und bedeutender Stromversorger in Mazedonien und Bulgarien. Die Abteilung Beschaffung und Einkauf ist ab einer definierten Wertgrenze für alle Beschaffungsfälle der 14 Gesellschaften zuständig (ausgenommen Primärenergie). EVN-Beschaffungsportal: www.evn.at/home/beschaffung Oliver Augustin, Projektleiter bei EVN »Aus der EU-standardisierten Warengruppenstruktur können wir Maßnahmen zur Risiko reduktion ableiten und Chancen in konkrete Verbesserungen umwandeln« CPA. Die bestehende Source-to-Contract- Softwarelösung QAD-SRM erwies sich zur Abbildung des WGM im Echtbetrieb als geeignet; noch fehlende Funktionen lassen sich in Microsoft Excel mittels Power BI erfüllen. Für das Wissensmanagement und die Unterstützung des Change-Management-Prozesses wählte man das Tool „Confluence“ von Atlassian. In der zweiten Analysephase wurde eine Handlungsanleitung zur Klassifikation der Warengruppen erstellt und erneut mittels „Do“, „Check“ und schließlich „Act“ konzernweit für die österreichischen Gesellschaften verbindlich vorgegeben. Daraus folgt zum Beispiel: Die Evaluierung der Warengruppenwerte findet künftig einmal pro Jahr durch den jeweiligen Einkaufsexperten und Fachbereichsverantwortlichen statt. Bei einem Warengruppen-Score „größer als 20“ findet alle sechs Monate eine Bewertung statt. „Bereits während des laufenden Projekts haben wir eine kontinuierliche Optimierung und Verbesserung des Beschaffungsprozesses erzielt, und das unter Beibehaltung der Personalressourcen“, berichtet Projektleiter Oliver Augustin. Der gewonnene Mehrwert vor allem im Bereich Beschaffung und Einkauf lassen sich mit konkreten Zahlen belegen: Oliver Augustin, Projektleiter bei EVN • Anteil nachhaltiger Ausschreibungen: von 0 % auf 33,4 % gesteigert • Beschaffungsvolumen: pro Jahr um über die Hälfte gesteigert • Verhandlungserfolg: im Schnitt auf 10,0 % gesteigert Darüberhinausgehend zeigten sich weitere Erfolge: • Kompensation der dynamischen Beschaffungs märkte • erweiterte bzw. sicherere Gestaltung der Lieferantenbeziehungen • Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben • Bereitstellung wirtschaftlicher Auswahlkriterien: (Preis, Qualität, Lieferzeit etc.) sowie Sozial-, Umwelt- und Unternehmensführungskriterien (ESG) • Sammlung von Lieferantendaten diverser Quellen direkt im Supplier Management des Beschaffungsportals der Gruppe „Das strategische Lieferantenmanagement schafft im Zuge des WGM eine EU-standardisierte Warengruppenstruktur. Aus den Ergebnissen der Bewertung können wir Maßnahmen zur Risikoreduktion ableiten und Chancen in konkrete Verbesserungen umwandeln“, so Projektleiter Augustin. Sabine Ursel, Fachjournalistin, Wiesbaden Bild: EVN / Rumpler Beschaffung aktuell » 04 | 2024 37

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