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Beschaffung Aktuell 07-08.2018

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Themen C-Teile-Management, Energie, E-Procurement, Management und Einkauf, Zulieferung

RECHT Brexit und

RECHT Brexit und Beschaffung Auswirkungen des Brexits auf bestehende und zukünftige Verträge Mit dem Brexit kommt die Unsicherheit. Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird vielfältige Auswirkungen auf bestehende und zukünftige Verträge haben. Es gilt, bereits geschlossene Verträge unter die Lupe zu nehmen und in laufenden Vertragsverhandlungen vorausschauend zu agieren. Am 23. Juni 2016 stimmten 51,89 Prozent der Wähler für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Bis heute sind die Einzel - heiten des Austritts noch nicht geklärt. Klar scheint jedoch, dass das Vereinigte Königreich die EU mit Ablauf des 23. März 2019 verlassen wird. Und sicher ist: Der Brexit wird gravierende Auswirkungen auf die politische und wirtschaftliche Architektur Europas haben. Das führt bereits heute zu Unsicherheiten bei den Akteuren in der Wirtschaft. Es zeigt sich, dass der Brexit nicht nur zur strategischen Herausforderung für die Chefetagen wird, sondern auch für diejenigen, die tagtäglich in der Vertragsgestaltung von Beschaffungs- und Vertriebsverträgen aktiv sind. Große Unsicherheiten bei Territorialklauseln Mit dem endgültigen Vollzug des Brexits ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des Territoriums der Europäischen Union. Nun nehmen aber viele Beschaffungsverträge, die häufig weit vor dem Referendum abgeschlossen wurden, Bezug auf das „Territorium der EU“, sei es in Wettbewerbs-, Liefergebietsoder Exklusivitätsklauseln. In der Auslegung entsprechender Klauseln gibt es mit dem Brexit nun erhebliche Unschärfen: Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann damit der damals aktuelle Bestand der EU-Mitgliedstaaten gemeint gewesen sein oder aber auch der jeweils aktuelle Bestand der EU- Mitgliedstaaten. Letzteres würde dann gelten, wenn die Klausel im Sinne einer dynamischen Verweisung zu verstehen ist. Mit Vollzug des Brexits würde dann das Vereinigte Königreich im ersten Fall sehr wohl, im zweiten Fall nicht mehr als Teil des Vertragsgebiets gelten. Die Auslegung bestehender Verträge ist dabei stets sehr einzelfallabhängig und verschließt Auswirkungen des Brexits • Wirtschaftliche Kalkulationen können obsolet sein • Ältere Verträge sind streitanfällig • Erhebliche Rechtsunsicherheiten zu erwarten • Grenzüberschreitender Rechtsverkehr wird komplizierter Was ist zu tun? • Brexit-Check-up bei bestehenden Verträgen • Vorsicht bei vorgegebenen Brexit-Klauseln • Entwicklung im Blick behalten • Fachkundige Beratung einholen Info sich allgemeinverbindlichen Aussagen. Entscheidend wird dabei zunächst sein, welchen Kenntnishorizont die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatten. War der Brexit nach menschlichem Ermessen nicht absehbar, so dürfte einiges dafür sprechen, dass mit „Territorium der EU“ das Gebiet des Vereinigten Königreichs auch nach einem Brexit noch umfasst ist. War hingegen der Brexit bereits am Horizont zu erkennen, so dürfte ein solches Auslegungs ergebnis nicht ganz so eindeutig sein. Zudem ist auch der Vertragsgegenstand selbst im Wege der Auslegung zu betrachten: Ist der Vertragszweck nur unter der Voraussetzung der Zugehörigkeit eines bestimmten Marktes oder Territoriums zum gemeinsamen Markt der Europäischen Union zu erreichen, so dürfte eher eine dynamische Verweisung vorliegen. Im Zweifel sind die Vertragsparteien aufgefordert, aktiv zu werden und Unsicherheiten durch entsprechende Klarstellungsvereinbarungen zu beseitigen. Dabei kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Interessenlagen der Vertragsparteien im Hinblick auf ein für sie jeweils „nützlicheres“ Auslegungsergebnis ganz unterschiedlich sein können. Sperrt sich ein Vertragspartner – etwa aus Eigennutz – gegen eine Klarstellungsvereinbarung, so stellt sich für die andere Partei die Frage nach dem richtigen Vorgehen. Bestandskraft des Vertrags Der Brexit kann für eine Partei vorteilhaft, für die andere jedoch nachteilig sein. Zu denken 26 Beschaffung aktuell 2018 7-8

Der Brexit wird nicht nur zur Herausforderung für die Chefetagen, sondern auch für diejenigen, die mit Beschaffungs- und Vertriebsverträgen aktiv sind. Bild: bluedesign/Fotolia ist dabei an die Möglichkeit des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion, was jegliche wirtschaftliche Kalkulation in Beschaffungsverträgen zunichtemachen würde. Es sind also Fälle denkbar, in denen der Brexit den geschäftlichen Nutzen eines bestehenden Beschaffungsvertrags schwer nachteilig beeinflussen oder sogar gänzlich vernichten wird. Der betroffene Vertragspartner wird dann die Frage stellen, ob er sich vom Vertrag lösen kann oder zumindest ein Recht auf Anpassung hat. Grundsätzlich gilt, dass Verträge auch bei gravierenden Änderungen der Umstände bindend sind. Deshalb wird eine Kündigung aus wichtigem Grund unter Verweis auf den Brexit im Regelfall nicht ausreichen. Im Idealfall zeigt aber der Blick in den betreffenden Vertrag, dass der Fall des Brexits bei Vertragsschluss bedacht wurde und entsprechende Vorkehrungen wie etwa durch Sonderkündigungsrechte getroffen wurden. Ist dies nicht der Fall – was bei älteren Verträgen die Regel sein dürfte – können unter Umständen sogenannte „Force- Majeur-Klauseln“ Abhilfe schaffen. Diese Klauseln sollen Fälle höherer Gewalt abdecken. Im Normalfall sind damit Naturkatastrophen, Krieg oder schwere Terroranschläge gemeint. Ob der Brexit nun als solcher Fall höherer Gewalt gesehen wird, hängt von der Beschaffung aktuell 2018 7-8 27

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