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Beschaffung aktuell 4.2022

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» MANAGEMENT André Schommer, Chief Procurement Officer, Dürr Systems Den Einkauf völlig umgekrempelt André Schommer hat den Einkauf des Lackier- und Anlagenspezialisten Dürr Systems modernisiert und neu aufgestellt. Vom OEM kommend, brachte Schommer die Kundensicht in den Einkauf und baute eine Matrixorganisation auf. Welche Ziele der neue CPO für den Dürr-Einkauf verfolgt und wie er die Transformation vorantreibt, schildert er im Interview mit Beschaffung aktuell. »Aus dem Procurement Engineering begleiten wir den Produktentstehungsprozess deutlich enger als bislang.« Herr Schommer, Glückwunsch zur neu geschaffenen Position eines CPO von Dürr Systems! Ihr Einstieg bei Dürr im März 2020 war nicht eben einfach. Sie starteten in der Division Lackieranlagen ja quasi gleichzeitig mit der Pandemie. André Schommer: Das stimmt. Im März 2020 erlebten wir zwei Wochen Business as usual und seitdem ist Krise. Für uns waren die Grenzschließungen das erste Fiasko, weil wir ja die Monteure aus ganz Europa auf unsere Baustellen bringen mussten. Also mutierte der Einkauf sehr schnell zum Spezialisten in Grenzfragen. Die Organisation hat die Situation damals sehr schnell angenommen und das hat mir gezeigt: Wir haben ein hoch motiviertes, ausgesprochen flexibles Team, das in der Lage ist, auch ohne Blaupause neue Herausforderungen bravourös zu meistern. Sie haben sich trotzdem entschieden, den Dürr- Einkauf umzukrempeln. Warum? Schommer: Das hat mehrere Gründe. Zunächst habe ich von meinen früheren Tätigkeiten beim OEM den Kundenblick auf den Einkauf eines Tier-1 ins Unternehmen gebracht. Das heißt, ich wusste durch meine Tätigkeit unter anderem im Daimler-Einkauf sehr genau, wie Automobilhersteller die Leistungsfähigkeit ihrer Lieferanten bewerten. Ich hatte also die André Schommer, Chief Procurement Officer, Dürr Systems Bild: Dürr 14 Beschaffung aktuell » 04 | 2022

»Wir haben bewusst nicht mit einem Big Bang begonnen, sondern mit einem methodischen Schulterschluss.« Audit-Brille auf und ich kannte die OEM-Anforderungen an die Lieferantenbasis als Innovationstreiber, wozu nach heutigem Verständnis ein leistungsfähiger, moderner Einkauf gehört. Versteht sich der Einkauf als Bestellorganisation oder als aktiver Part der Wertschöpfung? Das war die Frage, mit der ich an meine Aufgabe von Anfang an herangegangen bin. Und wie lautete Ihre Antwort? Schommer: Auf dem Weg dorthin gab es zwei Trigger. Grundsätzlich versuche ich bei einer neuen Herausforderung stets sehr schnell die Essenz der Aufgabe zu erkennen, das Wichtige vom weniger Wichtigen zu trennen und die richtigen Leute zu mobilisieren. Und ich war bestrebt, vom Management sehr schnell das Signal zu erhalten: Sind wir für das Unternehmen mit diesem Ansatz auf dem richtigen Weg? Hierfür habe ich ein 100 Tage Programm entwickelt mit einer Reifegradbewertung des Einkaufs. Was wir dabei erkannt haben, war: Wir hatten großen Nachholbedarf sowohl in der crossdivisionalen Zusammenarbeit der drei Geschäftsbereiche von Dürr Systems als auch bei den für den Wertbeitrag entscheidenden Hebeln im Einkauf, nämlich Prozesse, Strategie und Methodik. Aus dieser Bestandsaufnahme entstand die Initiative, die wir mittlerweile auf alle Divisionen von Dürr Systems ausgerollt haben. Zuvor war der Einkauf nicht nur mit einem vor allem operativen Fokus unterwegs, sondern auch rein divisional und das galt es zu verändern. thodik für die Beschaffung sehr schnell erkannt. Auch die Schmerzpunkte wurden offengelegt. Mal war das Engineering der Flaschenhals, mal der Einkauf. Das war ein Wachrütteln, ja ein Wachküssen. Alle haben gesehen: Wir haben sehr viel mehr gemeinsam, als wir dachten und wir erreichen über eine enge Zusammenarbeit und die richtigen Methoden im Einkauf sehr viel mehr, als wenn wir nur möglichst schnell und effektiv unsere Bestellungen abarbeiten. Aus dieser Erkenntnis entstand die High-Performance-Procurement-Initiative, mit der wir vor einem Jahr, im April 2021 gestartet sind. Wie sieht die Einkaufswelt bei Dürr Systems im April 2022 aus? Schommer: Wir arbeiten seit einem Monat in einer Matrixorganisation. Zu den Zentralbereichen gehört der Projekteinkauf, mit klarem Fokus auf Pro- Für Dürr Systems ist André Schommer seit März 2020 tätig. Bild: Dürr Das hört sich nach einem großen Rundumschlag an. Wie sind Sie vorgegangen? Schommer: Wir haben bewusst nicht mit einem Big Bang begonnen, sondern mit einem methodischen Schulterschluss. Hierfür haben wir im Einkauf zunächst ein Center of Excellence für spieltheoretische Vergabemethoden geschaffen. Die spieltheoretisch gestützten Vergaben (am Anfang haben wir das ganz simpel über unsere Mobiltelefone gesteuert, heute haben wir hierfür ein Tool), wurden crossdivisional aufgesetzt – mit sehr schnellen Erfolgen auf den Beschaffungsmärkten und über alle Warengruppen hinweg. Dadurch hat das divisionale Management das Potenzial der Zusammenarbeit und der Me- André Schommer Der Maschinenbauingenieur und MBA startete seine Karriere in den USA beim Karosserieentwickler EDAG. 2003 erfolgte der Wechsel zur Daimler AG unter anderem in China und Russland sowie zurück in Deutschland als Head of Supplier Evaluation & Best Cost Country Sourcing der Lkw- Sparte. Für Dürr Systems ist André Schommer seit März 2020 tätig, zunächst als Vice President im Einkauf der Division für Lackieranlagen und jüngst in der Funktion des Chief Procurement Officer der Dürr Systems AG. Beschaffung aktuell » 04 | 2022 15

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