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Beschaffung aktuell 4.2022

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» MANAGEMENT Dürr Systems Die Dürr Systems AG hat ihren Sitz in Bietigheim- Bissingen im Headquarter des Dürr-Konzerns. Das Unternehmen plant und realisiert schlüsselfertige Lackier- und Endmontageanlagen sowie Maschinen- und Robotertechnik für die Automobilindustrie. Hinzu kommen Systeme zur Abluftreinigung und Lackiertechnik. jektmanagement und der Vertretung der Einkaufsinteressen im Projektteam sowie das Procurement Engineering Management als Schnittstelle zur Technik. Ebenfalls zentral organisiert ist das crossdivisionale Warengruppenmanagement sowie der Bereich Procurement Excellence für Methoden und Prozesse. Parallel laufen die Stränge des divisionalen Einkaufs mit seinen operativen Verantwortlichkeiten. Wir haben uns einige Organisationsmodelle angeschaut und uns sehr bewusst für diesen Mittelweg aus dezentralem und zentralem Einkauf entschieden. Warum ist die Matrix für Dürr optimal? Schommer: Zum einen, weil wir wissen, dass das P2P-Business in den Divisionen sehr gut aufgehoben ist. Das funktioniert, da wollen wir nicht eingreifen. Wir setzen zentral die Standards, harmonisieren und digitalisieren die Bestellprozesse. Aber die operative Verantwortung bleibt in den Divisionen, die nah dran sind am Business. Gleichzeitig macht es Sinn, strategisch in der Beschaffung für die gesamte Dürr Systems zu agieren und mit den Lieferanten übergreifend zu verhandeln. Hierfür schaffen wir die notwendige Transparenz, harmonisieren unsere Warengruppenlogik, die Lieferantenbewertung, das Onboarding, die Rahmenverträge und konsolidieren die Lieferantenbasis. Und wir können die aktuell knappen Kapazitäten bei den Lieferanten für die gesamte Gruppe ganz anders steuern und verteilen anstatt uns gegenseitig die Kapazitäten „wegzukaufen“. Welches Zielbild verfolgen Sie für den Einkauf? Schommer: Der Einkauf war bei Dürr Systems viele Jahre eher Mittel zum Zweck im Rahmen der Projektabwicklung. Dabei macht das Einkaufsvolumen zwei Drittel unseres Umsatzes aus. Dieses Bewusstsein bestimmt unsere Vision „Driving the Value Chain“, passend zum Förderbusiness, die Vision eines Einkaufs als Wert- und Innovationstreiber. Um dieses Zielbild zu erreichen, genügt es nicht, sich einfach nur neu aufzustellen. Dafür müssen wir unsere Ablauforganisation verändern und unseren methodischen Werkzeugkasten erweitern. Ziel ist eine Balance in der globalen Beschaffung, eine Ausgewogenheit zwischen regionalen und globalen Strategien. Hierfür rollen wir ein gruppenweites SRM-System aus, das uns systemseitig unterstützt. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Potenziale? Schommer: Zum einen liegen große Hebel in den Vergabemethoden, in der Vertragsgestaltung, der Harmonisierung der Zahlungsbedingungen, im globalen Warengruppenmanagement, in der konsequenten Für den CPO André Schommer ist wichtig, nicht nur alle zu informieren , sondern alle zu involvieren. Bild: Dürr 16 Beschaffung aktuell » 04 | 2022

Bündelung und dem Multisourcing. Zum anderen aber auch in der engen Zusammenarbeit mit der Fachseite. Im Maschinenbau, in den Divisionen, in denen wir anders als im Anlagengeschäft Lastenhefte entwickeln, bringen wir Einkauf und Technik näher und früher zusammen. Es gilt Spezifikationen aus der Entwicklung nicht mehr ungefragt zu übernehmen, sondern die Kollegen und Kolleginnen der Technik aus dem Einkauf heraus in Bezug auf kostenoptimierte Fertigungsverfahren, Lokalisierung oder Fertigungsumfänge mit unserem Einkaufs-Know-how zu beraten und zu begleiten. Dazu gehört das Scouting neuer Lieferanten genauso wie Beschaffungsmarktanalysen, die Ermittlung optimaler Losgrößen oder die Reduktion von Komplexität in der Lieferkette. Aus dem Procurement Engineering begleiten wir den Produktentstehungsprozess deutlich enger als das bislang der Fall war. Wie sieht es mit Tools und Systemen aus? Schommer: Auch hier haben wir eine Roadmap entwickelt, arbeiten im operativen Einkauf für den Übergang mit RPA-Applikationen und durchforsten mittels Processmining unsere Abläufe. Für das avisierte SRM-System starten wir 2022 einen Piloten und wollen den Vernetzungsgrad innerhalb der Dürr- Gruppe erhöhen. Die neu geschaffene Einheit Procurement Excellence setzt dabei die Standards und betreut die Implementierung. Automatisiert werden soll auch die operative Beschaffung in den Divisionen. Welche Spielräume hat Dürr in den angespannten Beschaffungsmärkten? Schommer: Wir verfolgen bereits Multisourcing- Strategien. Aber Re-Sourcing braucht Zeit. Durch neue Automobilwerke, die wir mit unseren Anlagen und Applikationstechnik ausstatten, etwa in der Türkei, konnten wir zum Beispiel neue Lieferanten aufbauen und etablieren, die unser Lieferantennetzwerk erweitern. Die Preisentwicklung müssen wir im Auge behalten und durch Preisgleitklauseln in unseren Verträgen abfedern. Wir arbeiten zunehmend mit Rahmenverträgen, um mehr Stabilität und Verlässlichkeit in unsere Lieferbeziehungen zu bringen. Im Bereich Rohmaterialien und Halbzeuge gibt es verschiedene Initiativen und eine Tool-Unterstützung, die uns erlaubt, sehr granular den Einfluss zum Beispiel der Stahlpreisentwicklung auf unsere Produkte fortzuschreiben. Im Anlagenbau liegen zwischen der Angebotsabgabe und der Auftragsvergabe und damit dem Start der Beschaffung zwischen neun und zwölf Monate. Durch Modelle und Szenarien bilden wir die volatile Preisentwicklung für diesen langen Zeitraum verlässlicher ab. »Re-Sourcing braucht Zeit.« Neben der Lieferkrise sind das neue Lieferkettengesetz und die Anforderungen an eine nachhaltige Beschaffung Themen, die den Einkauf 2022 beschäftigen. Wie sieht es bei Dürr aus? Schommer: Im vergangenen Jahr haben wir mit unserem Sustainability Council in Bezug auf diese Themen sehr gut Fahrt aufgenommen und wir haben unsere Lieferketten analysiert. Wir haben untersucht, wo wir stehen und definiert, auf was wir mindestens hinauswollen. Mit Blick auf das Lieferkettengesetz sehen wir uns deshalb im Einkauf gut vorbereitet. Es gibt eine durchgängige Governance-Struktur, wir haben Risikoklassen zugeteilt und führen Lieferantenbewertungen mit Fokus auf Nachhaltigkeitskriterien durch. Wir planen Lieferantenschulungen zu Arbeitsbedingungen und Sozialstandards, schaffen Anreizsysteme für bessere Nachhaltigkeit und führen für Vergaben ein Bonus/Malus-System für nachhaltige Kriterien ein. Wir bieten schon heute eine CO 2 -neutrale Lackieranlage und haben uns im Einkauf auf die Reduktion der Scope-3-Emissionen um 15 Prozent bis 2030 verständigt. Dies wird nur gelingen in der Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten. Alles in allem ein toughes Programm. Was wünschen Sie sich, Herr Schommer? Schommer: Wir brauchen weitere fähige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir suchen Warengruppenmanager und Managerinnen, Projekteinkäufer und Einkäuferinnen sowie Fachleute für Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ich kann nur so viel sagen: Wir sind zukunftsfähig aufgestellt und bieten spannende Aufgaben und Karrierepfade. Das Gespräch führte Annette Mühlberger. André Schommer hat bei Dürr den Einkauf völlig umstrukturiert, davon waren 80 Einkäuferinnen und Einkäufer betroffen. Bild: Dürr Beschaffung aktuell » 04 | 2022 17

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