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Centurion Germany Spring 2022

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Style & Beauty En Vogue

Style & Beauty En Vogue Als sich in den 1980er-Jahren japanische Designer erstmals auf Modeschauen in Paris präsentierten, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass gerade sie einmal dem Main stream ihren Stempel aufdrücken würden. Zu versponnen war der Ansatz, dem Körper nicht schmeicheln zu wollen, sondern stattdessen auf seltsam geometrische, ja architektonisch anmutende Kreationen zu setzen, die mit neuartigen Schnitten nicht selten alles verhüllten und sich einer begrenzten Palette an Farben bedienten. „Lumps and bumps“ von Rei Kawakubo (Comme des Garçons) oder die stets schwarzen, ebenso epischen wie apokalyptischen Kollektionen von Yohji Yamamoto fanden zwar ebenso wie Issey Miyakes Experimente mit unkonventionellem Plissee großen Anklang in der Kunstwelt, vermochten den Einzelhandel jedoch nur selten zu begeistern. Im Uhrzeigersinn von oben links: Ensemble des polnischen Labels LeBrand; Brunello Cucinellis Mix aus Tönen und Texturen; ein grüner Look von Petar Petrov; vorherige Seite: Die britische Marke Joseph, die in den 1980er-Jahren zu den ersten Minimalisten gehörte, ist nach wie vor ein Verfechter raffinierter Schlichtheit Doch sie waren nicht allein: In Belgien standen Martin Margiela und Ann Demeulemeester an der Spitze des Dekonstruktivismus, während sich Jil Sander und Calvin Klein in Hamburg und New York stärker am Markt orientierten und ihre Kleidung mit Fokus auf makellose Schnittführung und edle Stoffe auf einfache, klare Formen reduzierten. Margiela und Yamamoto setzten Vintage-Bekleidung und üblicherweise für Business-Outfits verwendete Stoffe in einen neuen Kontext. Bei allen lag der Vergleich mit der modernistischen, im Zeichen funktionaler Ästhetik stehenden FOTOS IM UHRZEIGERSINN VON LINKS OBEN: © LEBRAND, ALISTAIR TAYLOR-YOUNG, © PETAR PETROV 36 CENTURION-MAGAZINE.COM

FOTOS IM UHRZEIGERSINN VON OBEN: FILIPPO FIOR, THOMAS CONCORDIA, © JIL SANDER Bauhaus-Bewegung der 1920er-Jahre, die eine Abkehr vom überladenen Stil markierte, auf der Hand. Analog dazu stand der Minimalismus im Kontrast zu den glitzernden Exzessen der 1980er-Jahre, als auch Architekten wie John Pawson mit ruhigen, aufgeräumten und in Weiß gehaltenen Raumkonzepten den Stil von Inneneinrichtungen veränderten. Was auf Papier großartig aussah, erwies sich allerdings im Gegensatz zu waschbaren Kleidungsstücken im Alltag oft als problematisch. Irgendwann galt Minimalismus als das Maß aller Dinge – bis Grunge und Nostalgie-Chic das Zepter übernahmen. Doch verschwunden ist er nie. Viele, deren Leben in den vergangenen zwei Jahren von Homeoffice bestimmt war, erlagen den Reizen eines weiten, edlen Kaschmirpullovers in Kombination mit einer bequemen Hose – klassischen minimalistischen Basics. Dann kamen die Lockerungen im Sommer, und wer am Puls der Zeit war, tauschte den Kaschmir gegen eine lockere weiße Bluse, einen Trench- oder Camel Coat sowie Riemchensandalen mit Blockabsatz und trug den Stil nach draußen. Vor allem junge Modeschaffende griffen dieses Understatement mit dem gewissen Etwas auf. Das Resultat? Ein fantasievoller Look mit Klasse und Stil für den Frühling. Einer der kreativsten britischen Designer, Jonathan Anderson, befasste sich bereits vor drei Jahren mit dem Vermächtnis der japanischen Minimalisten. Dies insbesondere im Rahmen seiner Frühjahrskollektion für die LVMH-Marke Loewe, deren lange Kleider mit 3-D-Strukturen und organisch wirkenden Brustplatten aus Metall seiner Schilderung nach aus einem postpandemischen experimentellen Moment heraus entstanden. Gewagt, sicherlich, wie auch bei Roksanda Ilinčić, die eine minimalistische Dimension greller Farbkombinationen in ihre Kollektion fließender und von rituellen Tänzen inspirierter Entwürfe einbringt. Christopher Kane erklärt, dass er mit einem minimalistischeren Ansatz arbeite, „weil ich das Bedürfnis nach klaren Strukturen und Volumen verspüre, weil er in die Zeit passt und der Frau das Gefühl von Sicherheit, Selbstvertrauen und Sinnlichkeit vermittelt“. Klare Silhouetten, gerne auch mit 3-D-Nähten und Details wie Aluminiumplatten, evozieren einen kraftvollen Look. Der Farbfunke von Ilinčić sprang auch auf andere Designer über. So liebt der bul- Im Uhrzeigersinn von oben: monochromatische Outfits von Hermès, Peter Do und Jil Sander CENTURION-MAGAZINE.COM 37

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