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Compendium Volume 9 German

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Generation Cuvées aus

Generation Cuvées aus der an die Höhenlage angepassten Rebsorte Nerello Mascalese, die an der kühlen Nordflanke des Vulkans angebaut wird. In Argentinien gilt der Malbec der Bodega Catena Zapata – produziert aus den Trauben des extrem hoch gelegenen Weinbergs (1.500 Meter) des Weinguts – als der Grand Cru Südamerikas. Das möglicherweise nächste ganz große Weingut des Landes stößt hingegen in andere Extreme vor. Zweitausend Flugkilometer trennen den Winzer Juan Pablo Murgia aus Mendoza von Patagonien, wo 2010 Otronia gegründet wurde – auf 45,33° südlicher Breite das wohl südlichste Weingut der Erde. Da die Temperaturen hier im Frühjahr unter den Gefrierpunkt sinken und die Knospen ruinieren können, entwickelte Murgia ein System zu deren Schutz: Bevor Frost einsetzt, besprüht er sie mit Wasser, wodurch sich eine isolierende Eisschicht um die empfindlichen Knospen legt. Die Wertschätzung für die Pinots von Otronia sind Beleg für die Grenzverschiebungen in der Weinwelt. Auch hoch im Norden entstehen heute charaktervolle Weine. Gusbourne Estate in Kent (deren 2018er Blanc de Blancs der Liebling bei den Decanter World Wine Awards 2023 war) bündelt alle Qualitäten, die Englands Aufstieg zu einem der herausragenden Schaumweinproduzenten in der Welt begründen. „Das Klima ist noch gemäßigt und die Reifephase daher länger“, weiß Master Sommelière Laura Rhys. „So entwickeln die Trauben eine wunderbare phenolische Reife, ohne die Säure zu verlieren.“ Viele ambitionierte Weingüter haben sich der Nachhaltigkeit und Klimainnovation verschrieben. In der neuseeländischen Region Central Otago, die sich in den letzten Jahrzehnten einen Namen als südlichste Weinregion der Welt gemacht hat, beziehen zukunftsorientierte Winzer die globale Erwärmung in ihre Anbaustrategien mit ein. „Maßnahmen von biodynamischem Anbau bis hin zur hohen Anbaudichte zielen darauf ab, die Wurzeln in tiefe Erdschichten vordringen zu lassen, damit die Reben eine Einheit mit dem Boden bilden und widerstandsfähiger gegen die trockenen Bedingungen werden“, so Claire Mulholland, Winzerin auf dem 2002 gegründeten Weingut Burn Cottage. Deren Rezept für hochklassigen Pinot Noir setzt bei der Biodiversität an und integriert neben dem Weinanbau auch Olivenbäume, Schafe, Hühner, Bienen und Hochlandrinder. Mulholland ergänzt: „Es ist heute viel von ‚regenerativer Landwirtschaft‘ als neuem Weg hin zu klimaneutralen Weingütern die Rede. Bioanbau und Biodynamik sind die Spitze dieser Entwicklung.“ Der vom Rodale Institute geprägte Begriff der „regenerativen Landwirtschaft“ beinhaltet den Verzicht auf Pestizide sowie eine Reduktion der Bodenbearbeitung, um die Regeneration des Bodenlebens zu fördern. „Es ist eine ganzheitliche Herangehensweise an den Weinbau, die nicht nur die Kohlenstoffeinlagerung im Boden fördert, sondern auch ein gesünderes Ökosystem, was die Reben widerstandsfähiger macht“, so Michelle Bouffard. „Das macht Hoffnung.“ E in weiteres Paradebeispiel ist das 1593 gegründete Château d’Yquem. Der Manager des Weinguts, Lorenzo Pasquini, fand über Argentinien, Kalifornien und das Médoc seinen Weg nach Yquem. „Ich hatte das Glück, überall auf der Welt Wein produzieren und verschiedene Landschaften, Kulturen und Geschichten kennenlernen zu dürfen. Das lässt mich für die Zukunft hoffen, denn ich habe gesehen, wie wir den Herausforderungen begegnen können. Die Welt wandelt sich. Die Frage, ob man die richtige Richtung einschlagen soll, stellt sich nicht. Es geht um das Wie.“ Um den Auswirkungen des Klimawandels zuvorzukommen, werden im Château d’Yquem Rebstöcke auf neue, trockenheitsresistente Wurzelstöcke gepfropft, wird das Blattwerk anders gestutzt als bisher üblich, um die Früchte vor Hitze zu schützen, und werden Bodendecker zwischen den Rebstockreihen eingebracht, um die Mikroben im Boden zu bewahren und der Erosion vorzubeugen. Die Qualität der Weine wie jener aus Yquem geht nicht allein auf die Trauben zurück, auch das Mikroklima spielt eine Rolle: Feuchtigkeit, Wind und Wärme bieten einen idealen Nährboden für den Wunderpilz Botrytis, der reife Trauben angreift und als Edelfäule ihren Zuckergehalt in himmlische Sphären hebt. Der Schutz der umgebenden Landschaft ist daher für Yquem von größter Bedeutung. Im Jahr 2022 wurde das gesamte Weingut biozertifiziert. Mittlerweile hat sich Yquem mit vielen Hektar naturbelassener Landschaft, Kiefern- und Akazienwäldern nach außen hin abgrenzt. Ein solcher Puffer erhöht die Dichte an Insekten und Vögeln, die das Ungeziefer unter Kontrolle halten, und kann laut Klimawissenschaftlern tatsächlich auch kühlend auf ein Mikroklima wirken. Für Pasquini ist Wein „der reinste Ausdruck sowohl einer Lage als auch der Harmonie zwischen Mensch und Ökosystem“ – oder in anderen Worten, in Flaschen abgefüllte Hoffnung. 58

SPITZENREITER „Es gibt viele schlimme Nachrichten rund um den Klimawandel“, sagt die Sommelière Michelle Bouffard, Gründerin der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz Tasting Climate Change. „Deshalb müssen wir die Hoffnung feiern, wenn wir sie finden.“ Hier sind 15 Weine von großer Schönheit und von innovativen Winzern, die aus den Bedingungen das Beste heraus holen. ARGENTINIEN BELGIEN KANADA ILLUSTRATIONEN JULIA ILKOVA BODEGA OTRONIA PINOT NOIR BLOCK 1 2018 Argentinien verfügt weltweit über die größte Konzentration an hoch gelegenen Weinbergen, da Mendoza-Erzeuger neue, kühle Lagen in Grand-Cru-Qualität auf 1.500 Metern und höher entdeckt haben, um außergewöhnlich frische Weine zu erzeugen. Doch der visionäre Geschäftsmann Alejandro Bulgheroni ist davon überzeugt, dass Argentiniens vielversprechendstes kühles Anbaugebiet woanders liegt. Im Jahr 2010 gründete er das vielleicht südlichste Weingut der Welt – Otronia Patagonien. Sein Winzer Juan Pablo Murgia pendelt 2.000 Kilometer aus Mendoza. Das kalte Klima Patagoniens ist ideal für die typischen früh reifenden Rebsorten (Chardonnay, Pinot Noir), aber die intensive Sonneneinstrahlung, die extremen täglichen Temperaturschwankungen und die komplexen Böden bringen ganz besondere Ausdrucksformen hervor. Nach einer Verkostung des Otronia-Sortiments im Jahr 2021 ernannte Tim Atkin MW Murgia zu Argentiniens „Jungwinzer des Jahres“ und bewertete seinen 2018er Pinot Noir aus Block 1 - dem kalkhaltigsten der 50 Hektar von Otronia - mit 95 Punkten und schrieb: „Ein hervorragender, biologisch angebauter Pinot Noir. Frisch und fokussiert, mit subtiler Reduktion, würziger Walderdbeerfrucht, kerniger Säure und zarten Tanninen.“ DOMAINE LA FALIZE CHARDONNAY Belgien hat eine stolze Brautradition, war aber nie für den Weinbau bekannt, da es außerhalb der Breitengrade liegt, die historisch gesehen für den Weinbau infrage kommen. Durch die globale Erwärmung ist die Reifung von Trauben in diesem Land heute jedoch realistisch. In Wallonien hat die Domaine La Falize seit 2012 mehrere Hektar Chardonnay und Pinot Noir gepflanzt. Das Weingut, das von einem Eigentümer des Brauereikonzerns AB InBev gegründet wurde, produziert bereits von der Kritik gefeierte Weine, die in Michelin-Sternerestaurants wie L’Air du Temps serviert werden. Ihre Qualität verdanken sie nicht nur den hochmodernen Anlagen, sondern auch den Produzenten: Belgiens berühmtestem Winzer Peter Colemont – bekannt für seinen Chardonnay Clos d’Opleeuw – und Sylvain Pellegrinelli, Weinbergsverwalter der Domaine Leflaive in Burgund, der die biodynamische Umstellung des Guts überwacht hat. Stéphane Dardenne, Gault&Millau’s Bester Sommelier 2020 in Belgien, ist ein Fan: „Die Domaine La Falize hat die Messlatte für die Weinherstellung in Belgien gesetzt. Die präzise, burgundische Herangehensweise bringt Chardonnay hervor, der an die schönsten Ausdrucksformen der Côte d’Or erinnert.“ VIGNOBLE LES PERVENCHES CHARDONNAY „LES ROSIERS“ 2018 In den letzten Jahrzehnten hat Kanadas Weinbau einen guten Ruf erlangt: Die Benjamin Bridge Winery in Nova Scotia wurde von Weinkritikerin Jancis Robinson für ihren soliden Schaumwein gelobt, und Mission Hill Family Estate in British Columbia wurde bei den Decanter World Wine Awards 2013 als World’s Best Pinot Noir (Kategorie unter 15 £) ausgezeichnet. Jahrelang war das kühle Quebec nicht zu dieser Party eingeladen. „Das ändert sich jetzt“, sagt die kanadische Sommelière Michelle Bouffard. Nicht jeder Jahrgang ist ein Segen, aber mit den steigenden Temperaturen wachsen die Chancen. Vorreiter ist Vignoble Les Pervenches, ein Pionier der biodynamischen Landwirtschaft in Quebec. „Die Besitzer Michael und Véronique fragen sich ständig, was sie verbessern können. Sie haben ein System entwickelt, um die Reben zu ziehen und sie im Winter mit Geotextilien zu schützen, und sie haben eine Welle junger Winzer inspiriert.“ Als der Londoner Weinautor Jamie Goode das Weingut im Jahr 2020 besuchte, lobte er die „atemberaubenden Naturweine“ von Les Pervenches, wie den Chardonnay Les Rosiers: „feinkörnige Textur. Salzigkeit. Zitronen, Birnen. So raffiniert. 94/100“. 59

CENTURION