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mav 07-08.2017

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Aus der Branche

Aus der Branche Schäfer: Sie spielen eine große Rolle. Unternehmen können auf eine etablierte Forschungslandschaft zurückgreifen, von der vorwettbewerblichen Gemeinschaftsforschung, in der beispielsweise das VDW-Forschungsinstitut sehr aktiv ist, bis hin zu bilateralen Kooperationen einzelner Hersteller mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Solche Netzwerke und Beziehungen bieten Unternehmen die Möglichkeit, schnell auf neue technologische Anforderungen zu reagieren, wissenschaftliche Erkenntnisse rasch zu adaptieren und die eigenen Entwicklungskapazitäten temporär zu erweitern. mav: Wird das Thema Industrie 4.0 auch neue Akteure anlocken, die bislang nicht auf einer EMO vertreten waren, zum Beispiel aus der IT-Branche? Schäfer: Das ist mit Sicherheit der Fall. Viele IT-Unternehmen versuchen, sich mit Anwendungen in der industriellen Produktion zu etablieren. Die EMO Hannover bietet ihnen ein hochattraktives Zielpublikum. Auf der diesjährigen Messe sind diese Firmen erst vereinzelt vertreten. Wir erwarten allerdings für die Folgeveranstaltung 2019 bereits einen deutlichen Zuwachs. Eine ganz andere Entwicklung greift ebenfalls um sich: Werkzeugmaschinenhersteller bauen selbst vermehrt IT-Kompetenz auf. mav: Wie fortgeschritten ist die Werkzeugmaschinenbranche aus Ihrer Sicht beim Thema Industrie 4.0? Wo ist man bereits weit, wo hinkt man hinterher? Schäfer: Digitalisierung ist nichts Neues für die Werkzeugmaschinenindustrie. Spätestens seit Einführung der CNC-Steuerung sind Werkzeugmaschinen digital. Die Weiterentwicklung im Hinblick auf Industrie 4.0 orientiert sich grundsätzlich an den Anforderungen der Kunden. Motivation ist also immer der Mehrwert für den Anwender, zum Beispiel mehr Effizienz. Voraussetzung ist allerdings auch, dass der Kunde gewillt ist, den Zugang zu seinen Daten zu ermöglichen. mav: Wie steht die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie bezüglich Digitalisierung im internationalen Vergleich da, etwa mit Japan? Schäfer: Alle nationalen Werkzeugmaschinenindustrien arbeiten an Industrie-4.0-Lösungen. Den einen Ansatz, der für alle Kunden passt, gibt es nicht, da sich die Anforderungen verschiedener Anwenderbranchen, aber auch einzelner Unternehmen einer Branche stark unterscheiden. Entsprechend summieren sich unter dem Industrie-4.0-Dach eine Vielzahl technischer Lösungen. Ob am Ende eine Herstellernation den Königsweg finden kann und welcher das sein wird, lässt sich heute noch nicht beantworten. Auf jeden Fall besteht derzeit eine große technologische Heterogenität zwischen den „Das volle Potenzial von Industrie 4.0 wird sich erst mit einer vollständigen, intelligenten Ver - netzung durch die gesamte Wertschöpfungskette erschließen lassen – und das über die Produktion und selbst die Unter - nehmensgrenzen hinaus.“ verschiedenen geografischen Regionen. Zwar wird im eigenen Umfeld, so in Deutschland und auch in den USA, eine Standardisierung vorangetrieben. International ist es jedoch noch ein langer Prozess zu einer technologischen Harmonisierung. mav: Was sind für die Werkzeugmaschinenhersteller die wichtigsten Aspekte von Industrie 4.0? Schäfer: So vielfältig wie die Unternehmen der Branche sind auch die Industrie-4.0-Lösungen. Grundsätzlich steht immer die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen im Raum. Sicherlich sind Systeme zur Wartung, Simulation und Prozessanalyse einzelner Maschinen Ansätze, die vergleichsweise einfach zu implementieren sind und für fast alle Anwender einen Nutzen bieten. Das volle Potenzial von Industrie 4.0 wird sich aber erst mit einer vollständigen, intelligenten Vernetzung durch die gesamte Wertschöpfungskette erschließen lassen, und das über die Produktion und selbst die Unternehmensgrenzen hinaus. Gefragt sind also Konzepte zum intelligenten Austausch großer Datenmengen – vertikal von der Produktion in die Cloud wie auch horizontal entsprechend dem Auftragsdurchlauf. mav: Inwieweit sehen Sie neue Geschäftsmodelle auf die Branche zukommen? Sind solche bereits in der Planung oder Umsetzung? Schäfer: Neue Geschäftsmodelle werden sich entwickeln, beispielsweise Pay-per-Use oder Software as a Service. Sehr viel größere Bedeutung hat aber aktuell die Verbesserung bestehender Leistungen und Produkte. Al- 18 Juli/August 2017

len voran wird Industrie 4.0 die Effizienz und Qualität der Produktionsprozesse auf ein ganz neues Niveau heben können. mav: Welche Rolle werden künstliche Intelligenz und Machine Learning im Werkzeugmaschinenbereich spielen? Schäfer: In der Wunschvorstellung soll die intelligente Maschine ihre eigenen Prozesse analysieren, optimieren und ein stückweit selbst bewerten können. Allerdings sprechen wir hier von hochkomplexen Prozessen, die noch lange auf das Erfahrungswissen von Menschen zurückgreifen werden. Beim Machine Learning in der Produktion bestehen Hindernisse, für die sich bisher noch keine Lösungen abzeichnen. Oder anders formuliert: Wie „Big“ ist Big Data? Bei den Werkzeugmaschinen, die vielfach individuell angepasst werden, ist der verfügbare Datenbestand vergleichsweise klein. Im Lebenszyklus der Maschine treten längst nicht alle theoretisch denkbaren Ereignisse ein, aus denen gelernt werden könnte. Nicht einmal bei allen Maschinen einer Produktreihe, wenn die Einsatzbedingungen überhaupt übertragbar wären. Zudem kann die Maschine nur aus Daten lernen, die ihr digital zur Verfügung stehen. Hier spielt wieder der Mensch eine große Rolle: Wenn der Anwender mit seinem Erfindergeist Veränderungen vornimmt, die sich außerhalb der vordefinierten Zugänglichkeit für die Maschine bewegen, kann es keinen Lerneffekt geben. mav: Wann wird es die „intelligente“ Werkzeugmaschine geben, die sich selbst optimiert und dabei Erfahrungen über Netz und Cloud austauscht? Schäfer: Im Ansatz gibt es solche Systeme bereits. Predictive Maintenance geht ja beispielsweise in diese Richtung. Doch angesichts der bereits genannten Probleme erscheint diese Zukunft noch zu weit entfernt, um darüber zu spekulieren. mav: Wie unterstützt der VDW Hersteller beim digitalen Transformationsprozess? Schäfer: Der VDW engagiert sich seit vielen Jahrzehnten in der industriellen Forschung und Entwicklung, ob in eigenen Arbeitskreisen, in Forschungsnetzwerken, Verbandskooperationen oder öffentlichen Projekten. Allen voran ist hier das VDW-Forschungsinstitut aktiv. Dort greifen wir im Dialog mit den Mitgliedern aktuelle Fragestellung auf. ■ EMO Hannover 2017 www.emo-hannover.de Erwarten eine erfolgreiche Messe (v. li.): Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des EMO-Veranstalters VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), Carl Martin Welcker, Generalkommissar der EMO Hannover, und Dr. Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Messe, Hannover. Bild: Deutsche Messe Weltleitmesse der Metallbearbeitung in den Startlöchern Nach vierjähriger Pause öffnet die Weltleitmesse für die Metallbearbeitung ihre Tore wieder in Hannover, vom 18. bis 23. September 2017. Mit dem Motto „Connecting systems for intelligent production“ rückt die EMO Hannover 2017 die Themen Digitalisierung und Vernetzung für die Produktion in den Fokus. Bereits Anfang Juni hatten sich über 2050 Firmen aus 45 Ländern angemeldet. Allein aus Europa waren es über 1400 Aussteller. Der Anteil asiatischer Teilnehmer hat sich von 21 auf 25 Prozent erhöht. „Damit liegt der aktuelle Anmeldestand deutlich über dem Vergleichsergebnis der Vorveranstaltung“, erläuterte Welcker anlässlich einer EMO-Preview-Veranstaltung am 21. Juni 2017 in Hannover. Vieles spreche dafür, dass die EMO Hannover 2017 wieder auf eine Rekordbeteiligung zusteuert. Zum Vergleich: Die letzte EMO Hannover 2013 hatte über 2130 Aussteller und rund 143 000 Fachbesucher aus über 100 Ländern angezogen. Ein besonderes Highlight wird heuer die feierliche Eröffnung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Wir freuen uns ganz außerordentlich, dass unser Staatsoberhaupt der EMO Hannover die Ehre gibt und damit auch ein klares Zeichen für den hohen Stellenwert der Industrie in Deutschland setzt“, sagt Welcker. Als Innovationsforum und Trendsetter präsentiert die EMO Hannover 2017 auch ein breites Rahmenprogramm zu wirtschaftlichen und technischen Themen. Stichworte sind Industrie 4.0, die Produktion von morgen, additive Fertigungsverfahren, Zerspanung in der Luft- und Raumfahrtindustrie, Sicherheit von Werkzeugmaschinen, die Entwicklung der Märkte USA, Mexiko, Indien, Start-ups für die intelligente Produktion und Nachwuchswerbung. Juli/August 2017 19

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