Sea of Cortez Die Entdeckung der Einsamkeit Schon einmal daran gedacht, das lästige Smartphone im weiten Bogen auf „Lautlos“ zu stellen? Dem ständig überquillenden E-Mail-Postfach mit einem H5N1-Virus ins Data-Nirwana zu „forwarden“? Und ganz sicher stand jeder schon einmal kurz davor, den unkontrolliert aussetzenden Mac mit einem Baseball-Schläger aus bestem Apfelholz zu „rebooten“. Muss man nicht. Besser, man schont seine Nerven und schickt sich selbst auf einen Törn in die mexikanische Wüste. Text und Fotos Tahsin Özen Der Schrei war über die ganze Bucht zu hören. Noch ehe ich den Sandstrand erreiche, schießt kreischend eine nur notdürftig mit einem Badetuch bedeckte Asiatin aus Fernost an mir vorbei – gefolgt von Crew-Mitglied Till, der in bestem Oxford-Englisch auf sie einzureden versucht, aber aufgrund ihres hohen Tempos nicht umhin kommt, ihr den einen oder anderen plattdeutschen Fluch wie ein Lasso nach - zuwerfen. Dass es mit der Zivilisation nach nur knapp 20 Seemeilen vorbei sein würde, hatte uns Ramón Rodriguez, Dream Yacht-Basisleiter in der Marina CostaBaja, bereits vor dem Aus laufen aus La Paz gesagt. Aber der Gedanke, dass dieses Mädel vielleicht schon lange keinen Menschen mehr gesehen hatte, erschien mir nun doch etwas zu weit hergeholt. 15 Minuten und zwei Tequila später, den uns die Japanerin Taiko aus ihrem „Eiskasten“ spendierte, ist alles klar: Till, der als erster am blendend weißen Sandstrand angelandet war, hatte auf der Suche nach einer Bar auch die hinteren Holzverschläge inspiziert und war geradewegs in ihrem „Badezimmer“ gelandet. 34 1/2018
Pia, das dritte Crew-Mitglied an Bord, hatte die Ereignisse mit beneidenswert eidgenössischer Gelassenheit quittiert und sich, nachdem sie so wie ich den Strand schwimmend erreicht hatte, auf einen der klapprigen Liegestühle fallen lassen. Gemeinsam genießen wir nun den traumhaftem Blick in die im Abendrot erglühende Bucht Ense nada Grande auf der Isla Partida. Magische Stille, magische Farben, magischer Tequila. Eine gute Entscheidung, denn es sollte der einzige Strand mit Liegestühlen während des ganzen Törns sein. Tourismus? Nix da! Vor Anker in der Caleta Partida. Die vielleicht schönste, weil von riesigen Felsen gefasste und von Kakteen gesäumte natürliche Badewanne in der südlichen Sea of Cortez. Der Seelöwen-Flüsterer Nachdem Meeresbiologin Taiko ihr wissenschaftliches Camp nur selten verlassen kann und sich quasi aus der Dose ernährt, laden wir sie als Entschädigung für das erlittene Ungemach zum Abendessen an Bord Ob dieser junge Seelöwe nach einem Fisch oder einfach nur nach Luft schnappt? Auf der Jagd war er in der Caleta Partida am frühen Morgen jedenfalls. unserer Catjak. Auf der Lagoon 420 älteren Baujahres haben wir zwar genug Nahrungsmittel für den Törn (Einkaufsmöglich keiten für Waren und Wasser gibt es in der Wüste keine), jedoch nur eine Flasche Tequila. Wieder so eine Till’sche 1/2018 35
360° Wassersport erleben boot.de G
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter