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Quality Engineering 01.2021

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IM FOKUS » Künstliche

IM FOKUS » Künstliche Intelligenz Bild: auremar/stock.adobe.com Reklamationen sind teuer und schaden dem Ruf von Unternehmen. Bei Medizinprodukten und Arz - neimitteln sind mit Produktmängeln zusätzlich Risiken für die Sicherheit und die Gesundheit von Patienten verbunden. Es gelten daher strenge Anforderungen an die Dokumentation, die Abwicklung und die behördliche Meldung von Reklamationen Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Reklamationsmanagement Mehr Zeit, mehr Ressourcen und mehr Sicherheit Das Reklamationsmanagement ist ein oft repetitiver Prozess mit signifikanten Fallzahlen. Hierin liegt ein hohes Potenzial für Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Prozessschritte. In einem Forschungsprojekt wurde nun der KI-Einsatz bei Reklamationen erprobt. Das Reklamationsmanagement ist ein Kernprozess in Unternehmen. Er umfasst die strukturierte Bearbeitung von negativen Rückmeldungen aus dem Anwendungskontext zur Qualität eines Produkts oder einer Dienstleistung zwecks Behebung oder Beseitigung eines Mangels. Kundenfeedback in Form von Reklamationen kann – über den speziellen Einzelfall hinaus – auch zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Produkte oder Dienstleistungen beitragen. Ein effizientes Reklamationsmanagement dient sowohl der Kundenzufriedenheit als auch der Produktentwicklung und -sicherheit; es fördert den wirtschaftlichen Erfolg. Das Reklamationsmanagement ist ein oft repetitiver Prozess mit signifikanten Fallzahlen. Darin liegt ein hohes Potenzial für Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Prozessschritte. Im Forschungsprojekt „Reklamation 4.0 – Datengetriebene Verbesserung des Reklamationsmanagements im Kontext von Industrie 4.0“ wurde der KI-Einsatz bei Reklamationen anhand von Anwendungsfällen in der Medizintechnik erprobt. Förderung kam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen von „KMU innovativ“. KI kann in Form von Deep Learning und auf Basis von Vergangenheitsdaten beziehungsweise jeweils aktuellen Prozessdaten eingesetzt werden. Die Daten stammen aus früheren Reklamationen oder Produktionsprozessen. Es geht um Prozessausführungsdaten, Sensordaten, Maschinendaten etc. Damit wird ein neuronales Netz trainiert und für mögliche Anwendungsszenarien vorbereitet. Ein Anwendungsszenario ist die Qualifizierung von Reklamationen: Reklamationen werden aufgrund von Entscheidungen aus der Vergangenheit automatisch etwa hinsichtlich ihrer Berechtigung, Relevanz und Kritikalität qualifiziert. Sie werden Fehlercodes zugeordnet. Die KI führt also eine Vorklassifizierung von Reklamationen durch. Dies verkürzt die Dauer bis eine Reklamation bei den zuständigen Mitarbeitern 26 Quality Engineering » 01|2021

Bild: DHC KI kann oder soll den Menschen nicht ohne weiteres ersetzen. Sie kann ihn aber bei vielen Aufgaben entlasten bearbeitet wird. Ein weiteres Anwendungsszenario ist die Ergänzung von Reklamationsdaten: Diese werden mit zusätzlichen Informationen zur möglichen Bearbeitungszeit, zur Zuständigkeit, zu passenden Maßnahmen und erforderlichen Ressourcen etc. angereichert. Auch hier wird auf historische Daten und Erfahrungswerte zurückgegriffen. Möglich ist der Einsatz von KI auch bei der Automatisierung der Reklamationsabwicklung: Reklamationsprozesse können automatisiert ablaufen; eine Massenbearbeitung von Reklamationen ist möglich. Reklamationen, die mit einer hohen Frequenz auftreten, werden so ohne Wartezeit sortiert und weiterbearbeitet. Kunden erhalten zum Beispiel eine automatische Benachrichtigung über die voraussichtliche Bearbeitungszeit. An die KI-basierte Auswertung schließen sich Folgeaktion an: Fehlermeldungen werden in einem digitalen Managementsystem angelegt und über vorhandene Workflows weiterbearbeitet. Beispielhaft wurde dies im integrierten Managementsystem DHC Vision realisiert: Maßnahmen zur Reklamationsbehebung werden automatisch eingeleitet, 8D-Reports automatisch vorbefüllt, Capa-Prozesse (Corrective and Preventive Action) angestoßen etc. Auch können Auswertungsergebnisse an ein ERP-System weitergegeben werden, wo dann beispielsweise der von der Reklamation betroffene Batch gesperrt wird. Eine weitere mögliche Anwendung ist die Vorhersage von Reklamationen: Reklamationsrelevante Abweichungen werden bereits im Produktionsprozess erkannt und über Frühwarnprozesse verhindert. Schon auf der Produktionsebene kann vorhergesagt werden, ob zum Beispiel eine Charge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Reklamationen führen wird, weil es zu Abweichungen bei der Temperatur kam. Grundlage für dieses präventive Reklamationsmanagement liefern Maschinen- oder Sensordaten, also Daten aus den produktionsnahen Prozessen. Werden multiple Datenquellen in den Vorhersagemodellen berücksichtigt, stärkt dies die Objektivität der Voraussage. Daten oder Kombinationen von Parametern, deren Relevanz nicht offen ersichtlich ist, können erkannt und einbezogen werden. Hohe Qualität der Daten ist eine wesentliche Voraussetzung Voraussetzungen für den KI-Einsatz betreffen insbesondere die verwendeten Daten und ihre Qualität. So müssen Reklamationen in Freitextform von der KI analysiert werden. Die Spracherkennung erfolgt durch ein neuronales Netz, das mit bereits klassifizierten Reklamationstexten trainiert wird. Dafür ist eine hinreichende Anzahl an Texten notwendig. Sie ist abhängig von der Anzahl der Klassen (Fehlercodes), der Schärfe der Abgrenzung der Codes und der Datenqualität. Wie viele historische Reklamationen benötigt werden, lässt sich nicht allgemein, sondern nur durch Tests beantworten. Wahrscheinlich braucht es eine hohe vierstellige Zahl (etwa bei binärer Klas- Kein Ersatz für Menschen Das Projekt zeigt: Sofern eine qualitativ wie quantitativ ausreichende Menge an Daten vorhanden ist, ist ein KIgestützter Reklamationsprozess möglich. Es können deutliche Mehrwerte beispielsweise hinsichtlich Zeit, Ressourcen und Sicherheit erzielt werden. Klar muss sein, dass eine KI den Menschen nicht ohne weiteres ersetzen kann oder soll. Zielführend ist ein Vier-Augen- Prinzip, das Mensch und Maschine sowie Sicherheit und Effizienz zusammenführt und Datenschutzvorgaben berücksichtigt. Sachkundige Begleitung beim Implementieren und Validieren einer KI-Lösung ist unerlässlich. Quality Engineering » 01|2021 27

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