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Quality Guide 01.2019

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:: Messen / Events Roundtable zur Bildverarbeitung in der Food-&-Beverage-Branche Hightech für komplexe Aufgaben Die Anforderungen an die Bildverarbeitung sind in der Lebensmittelindustrie besonders hoch, erklären Experten von JAI, EVT und dem Fraunhofer IPA. Für neue Technologien wie Hyperspektral, Deep Learning und Polarisation bieten sich große Anwendungsmöglichkeiten. Doch nicht immer ist der Einsatz wirtschaftlich. :: Was sind die besonderen Herausforderungen im Bereich Food & Beverage für die Bildverarbeitung? Björn Milsch: Gerade in der Food-&-Beverage-Industrie herrschen teilweise sehr extreme Umgebungsbedingungen – zum Beispiel starke Kälte und Hitze. Daher müssen die Kameras und Bildverarbeitungssysteme, die eingesetzt werden, extrem robust sein. Der andere Punkt ist: Die Aufgabenbereiche sind extrem vielfältig. Das heißt, man sollte schon ein Bildverarbeitungssystem haben, das viele verschiedene Prüfalgorithmen bietet, um alle Aufgaben abdecken zu können. :: Welche Aufgaben sind das? Milsch: Das fängt an bei der Vermessung und Klassifizierung im Wareneingang und geht dann über die Aussortierung von Fremdkörpern weiter in die Prozesskette. Bis hin zu Anwendungen, in denen Backwaren in 3D vermessen werden. Markus Hüttel: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zur industriellen Bildverarbeitung. Dort geht es in der Regel um Produkte, die von Maschinen mit hoher Wiederholgenauigkeit hergestellt werden. Das heißt: Die Aufgabenstellung, wenn es um das Prüfen oder Messen geht, ist ziemlich klar beschrieben. Das ist im Bereich natürlicher Produkte anders. Hier gibt es keine exakten Vorgaben. Äpfel beispielsweise vari- Der Roundtable der QE zu Vision-Technologien in der Lebensmittelbranche – von links nach rechts: Markus Strehlitz, Björn Milsch, Michal Beising, Markus Hüttel und Sabine Koll Bilder: Harald Frater

ieren in ihrem Aussehen. Dadurch sind die Aufgabenstellungen für den Bildverarbeiter komplexer und komplizierter. Häufig geht es auch gar nicht um klassische Qualitätsmerkmale, sondern um die Ästhetik – also ob die Kartoffel jetzt rund oder länglich ist. Und diese ästhetischen Qualitätsmerkmale zu beschreiben, ist relativ schwierig. Michael Beising: Eigentlich produziert man im Food-&-Beverage-Bereich keine gleichen Teile, sondern nur ähnliche. Und dann muss man abwägen, ob die Ähnlichkeit eines Teils noch in Ordnung ist. Das ist das, was man in der klassischen Bildverarbeitung eigentlich eher nicht haben möchte. Hüttel: Bei Produkten aus dem Lebensmittelbereich interessiert auch die chemische Zusammensetzung. Also zum Beispiel die Frage: Ist das Produkt noch in dem Zustand, dass es verkauft werden kann? Und dabei spielt dann die multispektrale beziehungsweise hyperspektrale Bildverarbeitung eine zunehmend wichtige Rolle. :: Hyperspektral-Bildverarbeitung ist zur Zeit eines der großen Trendthemen. Wie verbreitet ist denn der Einsatz der Technologie überhaupt? Beising: Die Technologie wird eingesetzt. Aber das Problem bei der Hyperspektraltechnik ist, dass es zu wenige Hersteller von Sensoren gibt. Jeder Kamerahersteller setzt praktisch die gleichen Sensoren ein. Und deren Preis ist relativ hoch. So können die Kameras insgesamt nicht günstiger werden. Hüttel: Die Technologie ist noch relativ neu und recht teuer. Beising: Wir brauchen mehr Wettbewerb, damit die Preise für Hyperspektralkameras runter gehen. Dann hätte die Bildverarbeitung Möglichkeiten ohne Ende. Die Diskussionsteilnehmer :: Markus Hüttel, Abteilungsleiter Bild- und Signalverarbeitung, Fraunhofer IPA :: Björn Milsch, Regional Sales Manager, JAI :: Michael Beising, Geschäftsführer, EVT Hüttel: Die Hersteller von Hyperspektralkameras gibt es vielleicht seit 15 oder 20 Jahren. Zunächst hatte man zu wenige Anwendungsfälle. Jetzt zeigt sich aber, dass die chemische Charakterisierung von Objekten zunehmend interessanter wird. :: Das heißt, es gibt also zunehmend mehr Anwendungsmöglichkeiten? Hüttel: Es gibt tatsächlich relativ viele Anwendungen – speziell im Bereich, wenn Objekte sortiert werden sollen. Wenn zum Beispiel eine Packung Linsen danach untersucht wird, ob in ihr Steine enthalten sind. Milsch: Da muss ich einhaken. Um Steine von Obst oder Gemüse zu trennen, brauche ich keine Hyperspektralkamera. Dafür reicht eine Infrarotkamera oder eine Prismakamera mit zwei Sensoren. Mit dieser kann man sowohl die Qualitäten farbanalysieren als auch die Fremdkörper detektieren. Beising: Klar, es muss nicht immer Hyperspektral sein. Aber wenn ich mit Hyperspektral arbeite, muss ich mir nicht überlegen, ob das Merkmal, um das es geht, noch in mein Spektrum fällt. Dann habe ich eine Technologie, die alles kann. Milsch: Aber man muss es natürlich auch wirtschaftlich sehen. Häufig sagen Unternehmen: „Wir brauchen eine Hyperspektralkamera, um dieses oder jenes zu detektieren.“ Aber häufig benötigen sie für ihre Anwendung nur ein paar Wellenlängen. Wenn ich dem Kunden dann eine Kamera anbiete, mit der er zwei, drei oder vier Wellenlängen ermitteln kann, und die nur 20 % oder 25 % einer Hyperspektralkamera kostet, dann wird er sich für diese entscheiden. Beising: Meistens weiß der Kunde gar nicht, was man mit der jeweiligen Technologie alles machen kann. Und wenn er sieht, was möglich ist, möchte er noch mehr Merkmale prüfen. Milsch: Deswegen ist es wirklich essenziell, am Anfang die Anforderungen zu definieren. :: Erhöht sich der Aufwand durch den Einsatz neuer Technologien wie der Hyperspektralbildverarbeitung. Sind vom Anwender neue Kompetenzen gefordert? Beising: Man musste sich auch früher schon viele Gedanken machen, wenn man Bildverarbeitung eingesetzt hat. Bei der Hyperspektral-Technik kommen aber noch mehr Dimensionen hinzu. Der Nutzer ist mit Dingen konfrontiert, die er zunächst gar nicht verstehen kann. Ein Mensch hat ja kein Gefühl für mehrere Spektren. Da benötigt man einen Mitarbeiter, der sich zumindest eine Zeit lang in das Thema einarbeitet. Das ist schon sehr anspruchsvoll. Hüttel: In der Bildverarbeitung haben wir es ja mit mehreren Disziplinen zu tun: Physik, Optik, Elektronik, Softwareherstellung, Algorithmen, Computertechnik. Bei der Multispektralen- oder Hyperspektral-Technik bedarf es nun auch chemischer Kenntnisse. Also zum Beispiel: Wie verhalten sich Moleküle bei Lichteinfall? Letztendlich geht es um die chemische Materialcharakteristik. :: Auch die Fülle an Daten, die durch moderne Bildverarbeitung generiert wird, macht die Anwendungen komplexer. Kann Machine Learning dabei helfen, dieser Komplexität Herr zu werden? Hüttel: Die Menge der Daten als solche ist es eigentlich nicht einmal. Maschine Learning ergibt dann Sinn, wenn Ursachen- Wirkzusammenhänge nicht mehr analytisch oder nur ganz schwer beschrieben werden können. Wenn ich zum Beispiel den Wirkzusammenhang von einem Spektrum und dem Alter einer Banane betrachte und dies nicht mehr analytisch abbilden kann. Dann verwende ich maschinelles Lernen. Das System erzeugt dabei ein Modell, das am Ende die Eingangsdaten – also die Fragestellung – und dazu die Ausgangsdaten abbildet. :: In der Lebensmittelbranche gibt es ja häufig solche komplexen Zusammenhänge. Hüttel: Ja – zum Beispiel die Beurteilung, ob Äpfel schön oder nicht schön aussehen. :: Wie geht man dabei genau vor? Hüttel: Man nimmt eine Menge von Äpfeln und sortiert diese in solche, die schön aussehen, und jene, die nicht schön aussehen. Dann nimmt man von jedem Apfel ein oder mehrere Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven auf und merkt sich zu jedem Bild das Attribut „schön“ beziehungs - weise „nicht schön“. Mit diesen Bildern wird dann von einem Computer mit Hilfe eines Lernalgorithmus ein künstliches Neu - ronales Netz so modifiziert, dass dieses am Ende des Trainings zum Bild eines schönen Apfels das Attribut „schön“ und zum Bild eines nicht schönen Apfels das Quality Guide 01.2019 13

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