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2011-1 REISE und PREISE

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FRANZ.-GUAYANA

FRANZ.-GUAYANA DSCHUNGEL-LODGE Von der Pariser Schule heim in den Dschungel Juliette Daniel will den Rest ihres Lebens am Inini verbringen. Die Kreolin hat ihren Job als Schuldirektorin in Paris aufgegeben, um zurückzukommen. Sie hat sich auf viele Jahre verschuldet, um die zehn Hektar Land ihrer »Tolenga Lodge« zu kaufen, wo blank gewaschene Riesenkiesel am Flussufer in der Sonne leuchten. Seitdem hat sie Hibiskus und Bananenstauden gepflanzt, palmstrohgedeckte Hütten Juliette Daniel (ganz oben) betreibt die »Tolenga Lodge« am Ufer des Inini-Flusses für Touristen gebaut – und einen riesigen Hühnerstall, um mit dem Eierverkauf ihre Bilanz zu verbessern. Noch muss sie täglich zwei Stunden Kanu fahren zu ihrem Zweitjob in der Kinderkrippe der Kreishauptstadt Maripasoula, aber irgendwann soll ihre Lodge autonom werden, mit Sonnenenergie, Gemüsegarten und bescheidener Viehzucht. Juliette hat bereits Jobs geschaffen: Bushinengé fahren ihre Gäste in Einbaum-Kanus den Fluss entlang bis zu entlegenen Dörfern, kochen und bebauen das Land. Die Atmosphäre der Lodge ist dörflich-familiär: Da zerstampft der Koch im Mörser Maniok, flicht die Köchin Juliettes Tochter eine kunstvolle Zopffrisur, wird die Wäsche am Fluss gewaschen. Preis: Übernachtung, Vollpension und Ausflüge € 90/Pers.. Buchung: über www.couleursamazone.fr oder direkt unter Tel./Fax 00594-594- 371235, mobil -694-422002 . Stippvisite auf den Teufelsinseln Mehr als 50 Jahre ist es her, seit der letzte von insgesamt rund 50.000 Gefangenen abtransportiert wurde. Kokospalmen sind seitdem auf Saint-Joseph in die Höhe geschossen, Würgfeigen haben manche Zellenmauer in ihre tödlichen Arme geschlossen, und nur der Macheten-Einsatz von ein paar Fremdenlegionären verhindert, dass die Ruinen überwuchert werden. Noch stehen sie, lange Reihen mit 66 Einzelzellen für die verschärfte Schweigehaft: feuchte Verliese, drei knappe Schritte kurz und so schmal, dass mit ausgestreckten Armen beide Wände zu greifen sind. Vorne und oben sind die Zellen vergittert: Darüber dröhnten die Stiefel der Wärter, sengte die Sonne, prasselte der Regen. Bei manchen Häftlingen bis zu sieben Jahren lang. Es scheint, als schweige der Wald bis heute vor Entsetzen, und die Atmosphäre ist so drückend, dass Besuchern das Atmen schwer wird. Vielleicht deswegen gehört Saint-Joseph nicht zur Standard-Besichtigungs-Tour. Die beschränkt sich auf die Hauptinsel Île Royale. Im Verwaltungsgebäude erwartet dort ein Restaurant Ausflügler, in den ehemaligen Zimmern der Aufseher lässt sich komfortabel übernachten, mit Blick aufs Meer und die Île Saint-Joseph. Manche spannen einfach ihre Hängematte zwischen zwei Kokospalmen und lassen sich vom Quaken der Frösche in den Schlaf singen. Das Klima ist auf den Inseln sanfter als auf dem Festland, das Wasser nirgends so klar und türkisblau wie hier, das lockt 50.000 Besucher pro Jahr. Damit gehören die Teufelsinseln zu den meistbesuchten Tourismusattraktionen des Landes. Weitere Touris - tenziele sind die Abschussbasis der Ariadne- Raketen in Kourou, der kreolische Karneval in der Hauptstadt Cayenne und die Naturschönheiten: von eierlegenden blauen Meeresschildkröten über das größte zu sammenhängende Stück Regenwald des Kontinents bis zu Mangrovenwäldern mit schwarzen Krokodilen. Die meisten Touristen kommen aus dem französischen Mutterland, vielen anderen Europäern ist Guayana kaum ein Begriff. Die Zugehörigkeit zu Frankreich zeigt sich an hohen Subventionen aus dem Festland und am guten Empfang von France Inter im Autoradio. Außerdem gelten französische Gesetze, patrouillieren französische Gendarmen, verkaufen die Bäcker französische Baguettes. Bei 32 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Kreolen, deren Kreolisch weiter verbreitet ist als Französisch. Dazu kommen Chinesen, die den Einzelhandel im Griff haben, schwarze Bushinengé, die hervorragende Bootsführer sind und sehr wichtig in einem Land, in dem es nur eine einzige Route nationale, aber reichlich Flusswege gibt. In den Bergen betreiben Einwanderer aus Laos bescheidene Landwirtschaft. Und in die Stammesgebiete der Indios an den großen Flüssen drängen illegale Goldgräber aus Brasilien. Chefs sind in Guayana meistens Weiße. Sie kommen mit hoch dotierten Zeitverträgen aus dem Mutterland, bekommen zum Gehalt 40 Prozent Tropen-Zulage und bleiben meist nicht lange. Metros werden sie genannt, oder – halb neidisch, halb verächtlich – »Zuschuss-Jäger«. Sie leben vor allem in Kourou, der Retortenstadt rund um den Weltraumbahnhof, der Guayanas Wirtschaft und Frankreichs Interesse 74 REISE & PREISE 1/2011

am Überseedépartement am Leben hält. An der Ab schussbasis hängen 1.350 direkte und nahezu 6.000 indirekte Jobs. Kourou sieht beinahe europäisch aus mit seinen schmucken Einfamilienhäusern und sorgsam getrimmten Rasenflächen. Hier stehen Guayanas Campus, die besten Schulen und das schickste 3-Sterne-Hotel. In dem nächtigen vor allem Angestellte des Raumfahrtzentrums – nur wenn ein Ariadne- Ab schuss auf dem Plan steht, ist es garantiert ausgebucht. Vom Weltraumbahnhof zum Indiodorf In Awala-Yalimapo – rund 160 Kilometer weiter im Nordosten – gibt es gar kein Hotel. Das Indio- Dorf mit seinen Palmhäusern, vor denen Oleander blüht, sähe aus wie vor hundert Jahren, wäre nicht die Hauptstraße asphaltiert und ständen nicht moderne Pick-ups herum. Bis heute Gut 2.000 Angehörige des aus Laos stammenden Hmong-Volkes leben heute in Franz.-Gua - yana. Sie kamen in den 70er Jahren als Kriegs - flüchtlinge ins Land In den Tiefen des guayanischen Regenwaldes sind Boote die Hauptverkehrsmittel. Im Bild: Unterwegs auf dem Kamuni-Fluss (ganz links). Ein Jaguar erfrischt sich am Flusswasser (links) sind die Häuser weder abgeschlossen noch um - zäunt. »Nach der Statistik sind bei uns 80 Prozent der Menschen arbeitslos«, sagt Bürgermeis - ter Jean Ferreira. Die Kalini-Indios sind Fischer und Jäger, pflanzen Maniok oder stellen Kunsthandwerk her. Das reicht zum Überleben – für die Anforderungen der neuen Zeit, in der die Kinder studieren wollen, reicht es nicht. Deswegen hofft Ferreira auf ein bisschen mehr Tourismus. Weil Awala-Yalimapo nur ein paar Schritte vom längsten Strand Guayanas entfernt liegt, dessen bräunliches Wasser auf keine Postkarte passt, in dessen weißen Sand aber die blauen Luth-Meeresschildkröten mit Vorliebe ihre Eier vergraben. Zwischen April und Juni kommen 5.000 Schildkröten und mehr als 10.000 Touristen. Frühbucher wohnen in einem der Handvoll Chalets, welche die fortschrittlicheren Indios – unter ihnen der Bürgermeister – gebaut haben. Der Rest muss mit einem Hängemattenplatz in einer der traditionell aus Palmwedeln geflochtenen Gemeinschaftshütten Carbet vorlieb nehmen. Etwa beim Dorf-Chef Michel Thérèse. Der hat seine grauen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, trägt Armbanduhr und Handy, strahlt eine unerschütterliche Ruhe aus und sagt, was indigene Chefs meistens sagen: dass sein Volk in einer Gemeinschaft lebt, in der keiner sein Haus verliert, nur weil er keinen Job hat. Dass ihm Besitzdokumente nichts wert sind, sehr wohl aber die Verfügungsgewalt über sein Land. Weil wir der Erde gehören und nicht sie uns – und deswegen wir auf sie aufpassen müssen. Der Unterschied ist, dass Thérèse auch danach handelt: Über die Raumordnung in Awala-Yalimapo entscheiden er und der Bürgermeister gemeinsam – Ferreira akzeptiert die alte Dorf-Hierarchie. In anderen Dörfern verfolgen nicht-indigene Politiker rücksichtslos wirtschaftliche Interessen, sollen sogar Dorf-Chefs mit Goldgräbern zusammen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Dagegen ist Awala-Yalimapo eine Art gallisches Dorf geblieben, das sich der Welt des Konkurrenzkampfs und Profitdenkens bis heute verschlossen hat. Haute Couture neben Dschungel-Traditionen Wie ein Dorf wirkt auch die Hauptstadt Cayenne mit ihren pastellfarbenen hölzernen Kolonialvillen und bescheidenen 50.000 Einwohnern. Alles ist hier nur einen Block entfernt, jeder kennt jeden, man grüßt cool: »Ça roule?«. Die guayanesische Oberschicht hat in Frankreich studiert, macht in Werbung und Handel, fährt Mercedes, Roadster oder Cherokee und trägt das neueste iPhone als Mindestausstattung. In den Schaufenstern liegt Haute Couture von Dior oder Pierre Cardin. In der Markthalle servieren im Imbiss Vietnamesen Garnelensuppe, bieten Afrikaner Schmuck aus Horn, Holz und Samen an und streng blickende Frauen Heilkräuter und Öle. Guayana ist ein kulturelles Mosaik – das macht seinen Reiz aus. Wo der Wald so dicht ist, dass der Fluss die einzige Verkehrsader ist, haben sich manche Mosaiksteine beinahe unverändert erhalten. Bushinengé Joseph Asaitie und seine Frau Alia leben so abgelegen am Fluss Inini, dass Alia sich ihrer blanken Brüste nicht schämt, die sie unbedeckt über dem traditionellen Wickeltuch trägt. Morgens um sechs steigt der 65-jährige Joseph in sein Kanu und paddelt flussabwärts. Bäume, Büsche und einzelne Wolken spiegeln sich im klaren Wasser. Zielsicher steuert Joseph auf einen trockenen Baumstamm zu und lüftet eine Angelschnur: Ein kapitaler Jamais-gouté (»Niegekostet«) baumelt daran. Drei weitere Fische bringt er später nach Hause, wo Alia sie auf dem offenen Feuer brät. So lebt Joseph, seit er denken kann. So hat er seine Kinder ernährt, so will er alt werden. Wenn die Regierung hoffentlich das Problem der illegalen Goldgräber löst, die ihn immer öfter heimsuchen, Fisch und Maniok zu kaufen verlangen und Werkzeug aus seinem Schuppen mitgehen lassen. INFO Franz. Guayana auf S. 76 REISE & PREISE 1/2011 75

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