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wd Winter 2021

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BUSINESS „Niemand muss

BUSINESS „Niemand muss eine Rampensau sein.“ Vetternwirtschaft – allein das Wort löst ungute Gefühle in uns aus. Es erinnert an elitäre Grüppchen, Nasenfaktor und „Du-kommst-hiernicht-rein“. Etwas, das die Allgäuer Macherinnen entschieden ablehnen. Trotzdem haben sie ein Netzwerk gegründet. Allerdings keines, das im Verborgenen klüngelt, sondern eines, deren Mitgliederinnen sich offen begegnen und unterstützen – ganz ohne Rivalität und Ellenbogenmentalität. Wir haben uns mit den beiden Initiatorinnen Julia Leeflang und Katharina Hamm unterhalten. Ein Gespräch über die wunderbare Kraft des Austauschs und warum Begriffe wie „Girl-Boss“ oder „Powerfrau“ kein Mensch braucht. Ihr lebt und arbeitet erst seit ein paar Jahren in Kempten. Wie und wann habt ihr euch kennengelernt? Julia: Wir haben uns 2019 durch unsere Männer kennengelernt, die Arbeitskollegen waren. Es war deren Idee, uns zu vernetzen, denn wir steckten damals beide in der Gründungsphase – ich mit der Werbeagentur und Katharina mit dem Malort. Katharina: Wir haben uns erst einmal über Instagram beschnuppert und Nachrichten ausgetauscht: „Wie läuft es bei dir?“, „Wie weit bist du mit dem Gründungszuschuss?“, „Hast du schon einen Steuerberater?“. Da war schnell klar, dass wir uns mal treffen sollten. Bild: © Katja Zschau 102

BUSINESS … um euch übers Gründen auszutauschen. Katharina: Genau. Damals gab es hier schon vereinzelt Angebote für Gründer, die wir auch wahrgenommen haben. Aber so richtig wohlgefühlt haben wir uns da nicht. Gerade ich mit meiner Idee zum Malort hatte das Gefühl, nicht wirklich ernstgenommen zu werden. Das passiert schnell, wenn man etwas im kreativen Bereich plant, worunter sich viele erst einmal nichts vorstellen können. Julia: Da stehen dann die Männer auf der Bühne, präsentieren sich und ihre Ideen rund um IT oder Technik. Wenn du dann als Frau auftrittst, die etwas im öko-sozialen Bereich machen möchte, wird dir oftmals nicht richtig zugehört. Also dachten wir, dass wir etwas eigenes gründen sollten. Etwas, wo sich Frauen mit ihren Themen wohlfühlen, sich trauen und nicht versuchen müssen, besonders männlich daherzukommen, um gehört zu werden. Und das war der Startschuss für die Allgäuer Macherinnen? Julia: Genau. Wir haben sehr schnell festgestellt, dass Gründerinnen – egal in welcher Branche – mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben und dachten, dass es da draußen bestimmt noch mehr Frauen gibt, denen es ähnlich geht. Frauen, die vielleicht schon lange gründen wollen, die frisch aus der Elternzeit kommen oder die sich gerade die Sinnfrage stellen. Katharina: Also haben wir für zwei Stunden einen Raum gemietet, um ein Get-together für Frauen zu organisieren. Ehrlich gesagt hatten wir keine großen Erwartungen, weil wir gerade einmal drei Tage vorher bei Instagram und Facebook darauf aufmerksam gemacht hatten. Julia: Und dann standen da plötzlich rund 30 Frauen und ein Kamerateam von Allgäu TV. Es gab lediglich eine Vorstellungsrunde und danach haben wir gesagt „Unterhaltet euch!“. Das Treffen war letztlich ein Selbstläufer und das Feedback der Frauen überwältigend. Dabei haben wir gar nichts gemacht, außer eine Plattform für gegenseitigen Austausch zu bieten. Ich strahle heute noch, wenn ich an den Tag zurückdenke. Katharina: Allein bei diesem ersten Treffen hat sich gezeigt, dass hier ein ganz großes Bedürfnis nach einer solchen Plattform besteht. Die Frauen waren regelrecht beseelt nach diesem Gettogether, haben sich selbstständig untereinander vernetzt, Nummern ausgetauscht, sich gleich unterstützt. Danach wussten wir: Wir können das nicht bei diesem einen Treffen belassen. Seitdem treffen sich die Allgäuer Macherinnen regelmäßig. Wie laufen eure Treffen ab und wieviele Frauen sind inzwischen dabei? Julia: Während der Pandemie haben wir uns meist online getroffen. Das soll sich jetzt aber wieder ändern. Wir haben Treffen, die unter einem bestimmten Thema stehen, aber auch ganz allgemeine Zusammenkünfte. Für uns war es von vornherein wichtig, keine feste Mitgliedschaft einzuführen. Das hätte nur unnötige Barrieren geschaffen. Katharina: Eine genaue Mitgliederzahl können wir daher gar nicht nennen. Wer vorbeikommen mag, kommt vorbei. Das ist ganz zwanglos. Meist sind es zwischen 40 und 50 Frauen, die an den Treffen teilnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man berufstätig oder arbeitslos ist, ob man sich in Festanstellung befindet oder selbständig ist. Wenn man eine Idee im Kopf hat, Feedback wünscht, Unterstützung beim Businessplan braucht, nicht weiß, wie der nächste Schritt aussehen soll, dann sind die Allgäuer Macherinnen eine gute Anlaufstelle. Macherin – das klingt so gewaltig; nach großen Taten und wichtigen Projekten. Schreckt das vielleicht sogar einige Frauen ab, weil sie sich gar nicht als „Macherin“ sehen? Was ist eine Macherin genau? Julia: Leider lassen sich tatsächlich einige von dem Begriff „Macherin“ verunsichern – völlig zu Unrecht. Wir finden, jede Frau, die etwas mit Leidenschaft verfolgt und ihren Weg geht, ist eine Macherin. Wir wollen das Selbstvertrauen dieser Frauen stärken. Brust raus und mit Stolz hinter dem stehen, was man tut. Das mussten wir selbst auch lernen. Dabei ist es egal, ob man Socken strickt, als Schreinerin arbeitet oder eine Agentur betreibt. Nur, wenn wir Selbstvertrauen haben, werden wir auch von anderen wahr- und ernstgenommen. Daher fragen wir die Frauen, die wir bei Instagram vorstellen, auch immer nach drei persönlichen Stärken. Etwas, das den meisten Frauen unglaublich schwer fällt, weil sie sich ungern selbst loben. Katharina: So überschaubar das Allgäu auch ist – man weiß oft nicht, was die Menschen links und rechts in all den weit verstreuten Dörfern tun. Wenn man sich immer nur Feedback im kleinen Kreis holt, werden gute Ideen oft zerredet und man zweifelt unter Umständen schnell an sich. Daher ist es wichtig, mit seinen Ideen auch mal nach draußen zu gehen. Ihr wollt euch entschieden abheben von den herkömmlichen Clübchen und Gruppierungen, die sich oft den Vorwurf der Klüngelei und Vetternwirtschaft gefallen lassen müssen. Warum seid ihr anders? Julia: Das Netzwerk trägt sich quasi von selbst. Wir müssen nichts anmoderieren oder aktiv werden, um alle zu verbinden. Das machen die Frauen untereinander, ganz unprätentiös. Keiner muss in den Vordergrund treten. Katharina: Es fühlt sich ein bisschen an wie in einer guten Nachbarschaft, bei der man nebenan klingelt und fragt „Hast du mal Zucker für mich?“. Hattet ihr Vorbilder in anderen Städten, in denen es ähnliche Plattformen gibt? Julia: Ja, allerdings war da nichts, was uns zu 100 Prozent zugesagt hätte. Außerdem wollten wir die Macherinnen regional begrenzen. Wir können beispielsweise mit Begriffen wie „Girl-Boss“ oder „Female-Boss“ nichts anfangen. Diese Überbetonung des Weiblichen gefällt uns nicht und ist unserer Meinung nach kontraproduktiv. Man muss nicht die Attribute eines Mannes kopieren, um stark und erfolgreich zu sein. Katharina: Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Powerfrau“. Das wertet andere Frauen ab und suggeriert, dass Frauen, die beruflich erfolgreich sind oder sich selbstständig machen, etwas ganz Außergewöhnliches sind. >>> 103