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sPRingville<br />
Es fehlt nichts<br />
fotos: © Robin Zenner auteur: © alexander schnackenburg Review<br />
… und das, obwohl kaum etwas<br />
vorhanden ist. Miet Warlop<br />
kommt in Springville ohne Sprache,<br />
ohne Geschichte und meist<br />
auch ohne Gesichter aus<br />
Ein bisschen komisch ist es schon, in großen<br />
Worten eine Inszenierung zu würdigen, die<br />
doch gerade zeigt, wie überflüssig Worte sind<br />
– wenigstens hier. Miet Warlops Performance<br />
Springville kommt gänzlich ohne Sprache aus.<br />
Und doch fehlt dem Zuschauer nichts.<br />
Obschon (oder gerade weil?) Warlop nicht<br />
nur auf Worte verzichtet, sondern über weite<br />
Strecken auch auf Gesichter. Sie verbergen<br />
sich unter Pappkartons, Sperrholzkästen oder<br />
auch – in einem besonders bizarrem Fall – unter<br />
einer Tischplatte. Dieser Tisch steht, läuft und<br />
wankt auf zwei schlanken Damenbeinen. So<br />
gesehen handelt es sich noch nicht einmal im<br />
herkömmlichen Sinne um eine ‚Figur‘, eher um<br />
einen Mensch gewordenen Gegenstand, welcher<br />
Review<br />
entsprechend immer wieder in die Interaktionen<br />
auf der Bühne einbezogen wird. Ängstlich etwa<br />
ist dieser Tisch. Wir sehen es daran, wie er zurückweicht,<br />
zittert oder auch davon läuft, wenn<br />
es ihm zu laut wird.<br />
Und das kommt durchaus öfter vor. Dann<br />
etwa, wenn Miet Warlop einen laut brüllenden<br />
‚Riesen‘ über die Bühne rasen lässt: offenbar ein<br />
Mann, welcher einen anderen auf den Schultern<br />
trägt. Das Publikum sieht vom unteren nur<br />
die Beine, vom oberen Kopf und Arme. Alles<br />
dazwischen bildet den gemeinsamen Rumpf des<br />
Riesen – ein gewöhnungbedürftiger Anblick.<br />
Laut wird es auch, wenn das kleine Häuschen<br />
im Zentrum der Bühne auf einmal explodiert<br />
– um ein neues, noch kleineres Häuschen frei<br />
zu legen. Zwischendurch steigt Rauch in allen<br />
erdenklichen Farben aus der Hütte auf; Warlop<br />
geizt nicht mit Überraschungseffekten.<br />
Eine Geschichte aber erzählt er seinem<br />
Publikum nicht. Es ist mit der Geschichte genau<br />
wie mit der Sprache oder den Gesichtern: es<br />
gibt sie nicht, ohne dass sie einem fehlt. Das<br />
ganze surrealistische Spektakel endet so verblüffend<br />
wie es begonnen und eine knappe Stunde<br />
lang ununterbrochen gewesen ist: eine Flutwelle<br />
(oder doch eher ein Erdbeben?) aus einer<br />
mit stetig mehr Luft unterfütterten Plastikfolie<br />
bringt das kleine, ohnehin schon sehr mitgenommen<br />
Häuschen ins Wanken, droht es gar<br />
davon zu tragen. So weit lässt Warlop es dann<br />
aber doch nicht kommen – und löscht einfach<br />
das Licht. Wunderbar.<br />
7 Dinsdag 31 augustus.