Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
«Der Bartgeier kommt mit einer sehr ruhigen Art durchs Leben –<br />
das fasziniert mich», sagt Jürg Paul Müller. Der Churer Biologe gilt<br />
als einer der Vorkämpfer für die Wiederansiedlung des Bartgeiers<br />
in den Alpen. Zusammen mit seinem Team von der Stiftung Pro<br />
Bartgeier sorgt er dafür, dass die bedächtigen Vögel, die Ende des<br />
19. Jahrhunderts ausgerottet wurden, wieder durch die Lüfte unserer<br />
Gefilde schweben.<br />
Jürg Müller, wieso interessieren Sie sich für Bartgeier?<br />
Der Bartgeier hat nicht nur eine eindrückliche Erscheinung, sondern bewegt<br />
sich auch ganz oben in der Nahrungskette: Er hat, abgesehen vom<br />
Menschen, keine Feinde. Der Bartgeier ist ein sehr gemächliches Tier, er jagt<br />
nicht, sondern ist ein Aasfresser, und er kann auch tagelang ohne Nahrung<br />
auskommen. Er wird spät geschlechtsreif – beim Bartgeier braucht also alles<br />
seine Zeit. Diese Entschleunigung, diese ruhige Lebensart empfinde ich<br />
als sehr schönen Gegensatz zu unserer rastlosen Gesellschaft.<br />
Warum sind denn die Bartgeier aus den Alpen verschwunden?<br />
Ende des 19. Jahrhunderts wurden die grossen Raubtiere wie Wolf, Luchs<br />
und Bär in den Alpen eliminiert. Auch fast alle frei lebenden Huftiere –<br />
ausser der Gämse –, waren zu diesem Zeitpunkt ausgerottet. Der Bartgeier<br />
ist für seine Ernährung auf diese Tiere – besser: deren Kadaver – angewiesen.<br />
Doch er wurde auch bewusst gejagt. Wissen Sie, früher hatte man<br />
ein schlechtes Bild vom Bartgeier: Man nannte ihn Kinderfresser oder auch<br />
Lämmergeier. Und als Aasfresser ist der Bartgeier leicht anzulocken. Zirka<br />
1885 haben in Graubünden die letzten Bartgeier gebrütet.<br />
Sie setzen sich mit der Stiftung Pro<br />
Bartgeier dafür ein, den Bartgeier wieder<br />
in den Alpen anzusiedeln. Warum?<br />
Ich habe verschiedene Gründe: Erstens ist<br />
es ethisch, weil wir schlicht kein Recht dazu<br />
haben, eine andere Art auszurotten. Zweitens<br />
ist es ökologisch: Bartgeier sind Aasfresser<br />
und leisten deshalb einen Beitrag<br />
28<br />
www.rhb.ch/contura