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E_1940_Zeitung_Nr.024

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t AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 11. Juni <strong>1940</strong> — N° 24<br />

Ich sitze in einem Cafe und betrachte eine<br />

volle Stunde die Leute, welche ein- und ausgehen.<br />

Ich betrachte nicht ihr Schuhwerk, noch<br />

ihre Kleidung oder die Ringe an den Fingern,<br />

sondern ich habe es auf die Hüte abgesehen,<br />

und zwar auf die Herrenhüte, Ich beobachte<br />

zuerst genau die verschiedenen Formen der<br />

Kopfbedeckungen, und dann bringe ich sie<br />

mählich mit den darunter figurierenden Gesichtern<br />

in Beziehung. Wie ich so genau hinsehe<br />

und Vergleiche zwischen diesem und jenem<br />

Hut anstelle, überzeuge ich mich von der<br />

Tatsache, dass der Hut eigentlich den ganzen<br />

Charakter eines Mannes ausdrückt. Schliess-<br />

HcH gelingt es mir, die gesamte Mannschaft in<br />

vier Typen zu kategorisieren, nämlich in den<br />

Zylinder, in die Baskenmütze, in den Helm<br />

und in den Typus «Ohnehut» — das revolutionäre<br />

Gegenstück zu den Sansculotten von<br />

1792.<br />

Der Zylindermann ist der klassische Gentleman<br />

bis in die Fingerspitzen, Der Baskentypus<br />

ist eher fragwürdig, er ist ein Bastard<br />

aus tapferer Bürgerlichkeit und rebellischem<br />

Künstlertum. Der Helm ist der Held an sich,<br />

und der Ohnehut ist der rein Unmögliche, der<br />

Gesellschaftsunfähige, der Unanständige.<br />

Sie werden staunen, dass ich den Filzhut<br />

nicht in meihe Liste aufgenommen habe. In<br />

seiner Allgemeinheit ist er gar keine Erscheinung<br />

mehr. Er ist zu sehr Mode, und darum<br />

existiert er überhaupt nicht. Man hat keine<br />

Achtung vor ihm, man dreht sich nicht nach<br />

ihm um, und wenn er sich in schönem Bogen<br />

zum Grusse neigt, so findet jedermann, dass<br />

das einfach so sei — so Brauch und Laster sei<br />

seit Julius Caesar, der übrigens eine Glatze<br />

trug, denn er war bekanntlich ein Genie und<br />

hatte somit die Vorrechte des Individuums,<br />

Aber der Hut stammt weder aus Rom, noch<br />

aus der Renaissance, noch aus dem Rokoko,<br />

wo man Perücken trug, sondern von Robert<br />

Fulton, dem Erfinder des Dampfschiffes. Sie<br />

werden lachen, aber es ist wahr. Die Rohre<br />

seiner Dampfmaschine inspirierten die Engländer<br />

zur Kreation des Zylinders. Weil sie befürchteten,<br />

dass der plötzliche Aufstand des<br />

Geistes der Aufklärung sie um ihre Weltmacht<br />

bringen könnte, setzten sie einfach eine geschlossene<br />

Röhre aufs Haupt und verhinderten<br />

ein für allemal eine freie, mächtige Ausdünstung<br />

des Menschengeistes. So schufen sie<br />

die Mode, welche immer dazu da ist, die Extravaganzen<br />

und Skurrilitäten ruchloser Individualisten<br />

lächerlich und unmöglich zu machen.<br />

Sie reguliert die Weltanschauung und<br />

bringt sie auf eine annehmbare Mitte,<br />

Der Helm nun ist später geboren. Er war<br />

die Reaktion auf den Zylinder. Wurde der<br />

Zylinder zum Schütze nach aussen erschaffen,<br />

so wurde es der Helm zur Hut des Innern,<br />

nämlich des Hirns, welches ein Versteck suchte<br />

vor den Pfeifenden und krachenden Früchten<br />

des trotz des Zylinders ins Freie gelangten<br />

Geistes der Aufklärung — dank Berchtold<br />

Schwarz, des mittelalterlichen Schiesspulvermagnaten,<br />

Das Barret basque kam von Frankreich, wo<br />

es der Filou wie der freie Künstler, der Arbeiter<br />

und der Direktor trägt. Es ist die schiefgestellte<br />

Weltanschauung, die auf dem einen<br />

Ohr Platz hat und dem andern völlige Freiheit<br />

verschafft. An einer Hochzeit darf es nicht getragen<br />

werden, nicht nur weil es nicht Mode<br />

ist, sondern weil dort der Zylinder verlangt<br />

wird, der den Geist nach aussen schützt.<br />

Endlich wäre noch die Partei der Hutlosen,<br />

welche weit und breit im Lande herum verpönt<br />

ist, besonders bei den Frauen, da sie in<br />

der Geste des Hutlüftens und Wiederaufsetzens<br />

den Ausbund der Höflichkeit sehen<br />

und demgemäss sich geehrt fühlen. Wie will<br />

Berufe, die durch ihre Eigenart das Staunerr<br />

der Zeitgenossen herausfordern, hat es schon immer<br />

gegeben. Unzweifelhaft aber eine der sonderbarsten<br />

Beschäftigungen wird von dem Amerikaner<br />

Robert Lowery ausgeübt, dessen Tätigkeit sich darauf<br />

beschränkt, mehr oder minder leidenschaftliche<br />

Küsse zu geben, die — nicht zum Leidwesen dieses<br />

einmaligen Arbeiters — nicht den geringsten Anspruch<br />

erheben, als Liebesbeteuerung ernst genommen<br />

zu werden.<br />

Seit neunzehn Monaten ist Lowery bei einer<br />

grossen Filmgesellschaft in Hollywood als männlicher<br />

Partner für Probeaufnahmen angestellt und<br />

erhält in dieser Eigenschaft ein wöchentliches Gehalt<br />

von 250 Dollar.<br />

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