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Contra emag Nr. 15/14

Magazin Nummer 15 mit insgesamt 46 Seiten Umfang. Titelthema: Chinas Aufstieg zur Weltmacht. Insbesondere im Wirtschafts- und Finanzbereich stößt das Reich der Mitte in immer höhere Sphären vor und setzt damit insbesondere den US-Dollar und dadurch die USA unter Druck. Weitere Themen sind die nach wie vor schwelende Ukraine-Krise und die damit einhergehenden Angriffe des Westens auf Russland, sowie die aktuellen Querelen in der EU.

Magazin Nummer 15 mit insgesamt 46 Seiten Umfang. Titelthema: Chinas Aufstieg zur Weltmacht. Insbesondere im Wirtschafts- und Finanzbereich stößt das Reich der Mitte in immer höhere Sphären vor und setzt damit insbesondere den US-Dollar und dadurch die USA unter Druck. Weitere Themen sind die nach wie vor schwelende Ukraine-Krise und die damit einhergehenden Angriffe des Westens auf Russland, sowie die aktuellen Querelen in der EU.

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4 – Editorial<br />

4 – Impressum<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Titelthema: Weltmacht<br />

China<br />

5 – Bank of China: Yuan könnte<br />

Weltwirtschaft stabilisieren<br />

7 – Schluss mit der US-Dominanz:<br />

China plant Gegenstück zu Weltbank<br />

und IWF<br />

8 – China schafft den Dollar ab:<br />

Yuan-Handelsvolumen steigt um 57<br />

Prozent<br />

9 – China und sein böser Nachbar<br />

10 – Chinas Energiewirtschaft am<br />

Wendepunkt<br />

USA – Terror, Armut und<br />

Intrigen<br />

11 – USA im Irak: Spionage gut –<br />

Politik mangelhaft<br />

13 – USA im Irak: Luftschläge vorbehalten<br />

<strong>14</strong> – US-Propaganda: So blamiert<br />

man sich<br />

<strong>15</strong> – Trainieren die USA islamistische<br />

ISIS-Kämpfer?<br />

17 – USA: Bevölkerung verarmt –<br />

Wirtschaft schrumpft<br />

20 – Irak-Politik der USA: gescheitert<br />

zu sagen wäre geschmeichelt<br />

21 – US-Drohnenkrieg: Der Schuss<br />

ins eigene Knie<br />

22 – Sind die USA ein gescheiterter<br />

Staat?<br />

24 – Warnung oder Drohung: Cheney<br />

warnt vor neuen Terroranschlägen<br />

in den USA<br />

Ukraine-Krise & Russland<br />

25 – Ukraine: Hilfe aus Russland<br />

nötig, aber unerwünscht<br />

27 – US-Unternehmerverbände kritisieren<br />

Russland-Sanktionen<br />

28 – EU-Assoziierungsabkommen:<br />

Aus für Zollfreiheit zwischen Ukraine<br />

und Russland<br />

30 – Ukraine: Das perfide Spiel der<br />

USA gegen Russland<br />

31 – Konstruktive Diplomatie: Wladimir<br />

Putin besucht Wien<br />

33 – Poroschenko: Eile mit Plan B<br />

34 – Kiew kündigt “Filtrationslager”<br />

in Ostukraine an<br />

36 – Kiew will 49 Prozent seines<br />

Gastransportsystems an US- und EU-<br />

Investoren übergeben<br />

Europas Krise ist noch<br />

lange nicht vorbei<br />

38 – Spanien: Staatsschulden steigen<br />

20<strong>14</strong> auf 99,5 Prozent des BIP<br />

40 – EU-Schulden: Italien will Verschuldung<br />

weiter vorantreiben<br />

42 – EU-Gipfel: Juncker nominiert –<br />

Cameron droht mit “Brexit”<br />

43 – Werden Le Pen und Farage<br />

zum Sprengsatz für die EU?<br />

45 – Euro & Europa: Nach der Krise<br />

ist vor der Krise<br />

3


Editorial<br />

Die Volksrepublik China ist inzwischen nicht nur die zweitgrößte<br />

Volkswirtschaft der Welt, sondern auch der größte<br />

Teilnehmer im Welthandel. Angesichts der Ankündigungen<br />

Pekings, die chinesische Währung zur Weltreservewährung aufzubauen,<br />

darf man auf die Entwicklungen der kommenden ein bis zwei Jahrzehnte<br />

gespannt sein.<br />

Doch nicht nur China lässt aufhorchen. In den Vereinigten Staaten machen<br />

sich erste Zerfallserscheinungen bemerkbar, so dass sich dessen Establishment<br />

wie ein waidwundes Tier verhält. Bemerkbar wird dies an immer mehr<br />

Schauplätzen rund um den Globus.<br />

Die Ukraine-Krise samt Russland-Sanktionen und die aktuellen Probleme<br />

mit den von den USA hochgezüchteten Islamisten in Syrien und im Irak sind<br />

hierbei nur die Paradebeispiele. Aber auch in der Europäischen Union läuft<br />

längst nicht alles rund. Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Frankreich<br />

müssen nach wie vor zittern. Hinzu kommt das Dilemma mit der Wahl<br />

Junckers zum Kommissionschef. Wie Sie sehen, haben wir uns einiger wichtiger<br />

Themen angenommen und hoffen, dass sie Ihnen zusagen.<br />

Ihr, Marco Maier<br />

4


Bank of China: Yuan könnte<br />

Weltwirtschaft stabilisieren<br />

Der Vorstandsvorsitzende der Bank of China, Tian Guoli,<br />

sagte laut Angaben der chinesischen Zeitung "People's<br />

Daily" kürzlich während eines Besuchs in London, dass<br />

der Renminbi Yuan eine stabile Währung sei und zukünftig eine<br />

wichtige Rolle im globalen Handel übernehmen solle. Die Entwicklung<br />

spricht für sich.<br />

Als nunmehr zweitgrößte<br />

Volkswirtschaft<br />

und größte Handelsnation<br />

der Welt soll China<br />

den Worten Tians zufolge<br />

auch dessen Währung<br />

eine deutlich stärkere<br />

Rolle als Handelsund<br />

Reservewährung erhalten.<br />

Dies, so der Manager,<br />

könnte sich stabilisierend<br />

auf die globale<br />

Wirtschaft auswirken, da<br />

China inzwischen 12,4<br />

Prozent des Weltsozialprodukts<br />

erwirtschafte<br />

und<br />

dessen<br />

Anteil<br />

am globalen<br />

Handelsvolumen<br />

11,4<br />

Prozent<br />

betrage.<br />

Nach<br />

Angaben<br />

der Chinesischen<br />

Zentralbank flossen im<br />

ersten Quartal des laufenden<br />

Jahres ganze<br />

340 Milliarden Yuan<br />

(rund 39 Milliarden<br />

Euro) aus China ab. Damit<br />

wurden Ende März<br />

schon 2,4 Billionen Yuan<br />

auf ausländischen Konten<br />

gehalten, was etwa<br />

1,51 Prozent aller Gelder<br />

auf Fremdwährungskonten<br />

weltweit entspricht.<br />

Zwischen dem<br />

Von Marco Maier<br />

letzten Quartal 2013<br />

und dem ersten Quartal<br />

20<strong>14</strong> hat sich der Betrag<br />

von im Ausland gehandelten<br />

Yuan, so die veröffentlichten<br />

Daten, sogar<br />

vervierfacht.<br />

Dank des intensiven<br />

Handels der Volksrepublik<br />

ist der Yuan schon<br />

jetzt ein wichtiger Bestandteil<br />

der Fremdwährungsportfolios<br />

einiger<br />

südostasiatischer, lateinamerikanischer<br />

und afri-<br />

5


kanischer Länder. Zudem<br />

nimmt die chinesische<br />

Währung laut Daten<br />

der Society for<br />

Worldwide Interbank Financial<br />

Telecommunication<br />

(SWIFT) bei den<br />

Zahlungsvorgängen<br />

einen wachsenden Anteil<br />

in Anspruch. Lag dieser<br />

im April noch bei 1,43<br />

Prozent aller Zahlungen,<br />

so stieg er im Mai schon<br />

auf 1,47 Prozent. Infolge<br />

der Bemühungen Pekings<br />

die internationale<br />

Rolle des Yuan zu stärken,<br />

dürfte die Marke<br />

von 2 Prozent wohl bald<br />

schon geknackt werden.<br />

Einer Umfrage der<br />

Bank of China zufolge<br />

erwarten deren Kunden,<br />

dass das Volumen des<br />

grenzüberschreitenden<br />

Zahlungsverkehrs in<br />

Yuan in den nächsten<br />

fünf Jahren um 20 bis<br />

30 Prozent steigen werde.<br />

61 Prozent der ausländischen<br />

Kunden sagten<br />

zudem aus, dass sie<br />

künftig ihre Geschäfte<br />

verstärkt in der chinesischen<br />

Währung abwickeln<br />

wollen.<br />

Dai Xianglong, der<br />

ehemalige Gouverneur<br />

der Chinesischen Zentralbank,<br />

geht nach Angaben<br />

der CIIC davon<br />

aus, dass es etwa 10 bis<br />

<strong>15</strong> Jahre dauern wird,<br />

bis der Renminbi einen<br />

hohen Grad der Internationalisierung<br />

erreichen<br />

kann. Mit dazu beitragen<br />

werden die intensiveren<br />

Handelsbeziehungen mit<br />

Russland und den anderen<br />

BRICS-Staaten, diversen<br />

anderen afrikanischen,<br />

lateinamerikanischen<br />

und asiatischen<br />

Ländern, sowie die beiden<br />

Verrechnungsbanken<br />

in London (via China<br />

Construction Bank) und<br />

Frankfurt (Bank of China).<br />

6


Schluss mit der US-Dominanz:<br />

China plant Gegenstück zu<br />

Weltbank und IWF<br />

Mit einer eigenen "Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank"<br />

will die Volksrepublik China ein Gegengewicht<br />

zur von der USA und anderen westlichen Kapitalgebern<br />

dominierten Weltbank schaffen. Damit erfolgt der<br />

nächste Schlag gegen die westliche Finanzoligarchie, deren Aktionen<br />

stets lediglich den "Big Playern" zugute kommen.<br />

Wie die Financial Times<br />

berichtet, plant China ein<br />

"östliches Gegenstück"<br />

zur westlich dominierten<br />

Weltbank und der japanisch<br />

dominierten Asiatischen<br />

Entwicklungsbank.<br />

Quasi als "Startgeld"<br />

stellt das Reich der Mitte<br />

dafür ganze 100 Milliarden<br />

Dollar bereit, mit denen<br />

finanziell angeschlagenen<br />

Ländern unter die<br />

Arme gegriffen werden<br />

soll. Damit will Peking<br />

selbst das Ruder in die<br />

Hand nehmen, nachdem<br />

man in der Weltbank<br />

trotz großer finanzieller<br />

Beteiligung nur ein zweitklassiges<br />

Mitglied ist.<br />

Da die Dominanz der<br />

größten direkten Rivalen,<br />

nämlich der USA (<strong>15</strong>,7<br />

Prozent der Weltbank-Anteile)<br />

und Japans (<strong>15</strong>,6<br />

Prozent), dem 5,5-Prozent-Anteilhaber<br />

China<br />

sauer aufstößt, will man<br />

nun eigene Wege gehen.<br />

Angesichts der Unmengen<br />

an Dollarreserven<br />

kann sich China diesen<br />

Schritt durchaus leisten,<br />

während die hochverschuldeten<br />

Länder USA<br />

und Japan ihre Beiträge<br />

selbst auf Kredit zusammenkratzen<br />

müssen.<br />

Bisher haben 22 Staaten<br />

ihr Interesse an der<br />

Mitwirkung bekundet. Neben<br />

den ölexportierenden<br />

Staaten des Nahen und<br />

Mittleren Ostens, des<br />

Irans, sowie der EU, interessanterweise<br />

auch<br />

Japan und die USA. Offenbar<br />

wollen insbesondere<br />

Letztere damit zumindest<br />

einen kleinen<br />

Einfluss auf die Arbeit der<br />

neuen Organisation ausüben.<br />

7<br />

Den FT-Berichten nach<br />

möchte China mittels der<br />

"Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank"<br />

als<br />

erstes Großprojekt die<br />

alte "Seidenstraße" wiederbeleben<br />

und zudem<br />

eine Eisenbahnstrecke<br />

von Peking bis nach Bag-<br />

Von Marco Maier<br />

dad realisieren. Damit<br />

könnte die wirtschaftliche<br />

Entwicklung in der Region<br />

einen deutlichen Aufschwung<br />

erleben, wovon<br />

nicht nur die Menschen<br />

vor Ort, sondern im Zuge<br />

der bilateralen Beziehungen<br />

Chinas mit den Ländern<br />

auch die Volksrepublik.<br />

Besonders interessant:<br />

neben diesem Projekt ist<br />

China auch an den Planungen<br />

zur BRICS-Entwicklungsbank<br />

beteiligt,<br />

die bis zum Jahr 20<strong>15</strong><br />

ebenfalls mit 100 Milliarden<br />

Dollar Startkapital<br />

loslegen soll. Dadurch<br />

können immer mehr Projekte<br />

in den ärmeren<br />

Weltgegenden in Angriff<br />

genommen werden, ohne<br />

dass diese sich dem Diktat<br />

des großen Finanzkapitals<br />

unterwerfen müssen.<br />

Damit entstehen<br />

neue Chancen, die ansonsten<br />

nicht möglich<br />

wären.


China schafft den Dollar ab: Yuan-<br />

Handelsvolumen steigt um 57 Prozent<br />

Wie die Chinesische Volksbank mitteilte, wuchs das in<br />

Renminbi-Yuan abgewickelte Handelsvolumen Chinas<br />

mit dem Ausland um satte 57 Prozent. Damit zeigen<br />

sich erste Erfolge in der Entkoppelung der chinesischen Außenwirtschaft<br />

von der Abhängigkeit gegenüber dem US-Dollar.<br />

Im Laufe des vergangenen<br />

Jahres konnte das<br />

in chinesischer Landeswährung<br />

abgewickelte<br />

Geschäftsvolumen gegenüber<br />

2012 um ganze<br />

57 Prozent auf 4,6 Billionen<br />

Renminbi-Yuan erhöht<br />

werden. Das entspricht<br />

einer Summe von<br />

ungefähr 550 Milliarden<br />

Euro. Von diesen 4,6 Billionen<br />

entfielen zwar nur<br />

3 Milliarden Yuan (rund<br />

360 Millionen Euro) auf<br />

den Warenhandel, doch<br />

auch dort konnte man ein<br />

Plus von 47 Prozent gegenüber<br />

2012 erzielen.<br />

Damit beschreitet das<br />

Reich der Mitte weiterhin<br />

seinen Weg, sich schrittweise<br />

von der unnatürlichen<br />

Dominanz des US-<br />

Dollars im internationalen<br />

Handel zu lösen.<br />

Auch wenn das Volumen<br />

im Vergleich zu den<br />

internationalen Finanzströmen<br />

infolge des globalen<br />

Handels noch recht<br />

gering erscheint, offenbart<br />

dies den Beginn einer<br />

neuen Ära. Durch die<br />

neuen Yuan-Handelsplätze<br />

in London und Frankfurt<br />

werden Kontrakte auf<br />

Yuan-Basis auch für europäische<br />

Firmen interessanter,<br />

weshalb das<br />

diesjährige Wachstum<br />

wohl deutlich über jenem<br />

des vorigen Jahres liegen<br />

dürfte. Die jüngst abgeschlossenen<br />

russisch-chinesischen<br />

Handelsverträge<br />

mit eingeschlossen.<br />

Für China bedeutet<br />

dies, dass der Außenwert<br />

des Renminbi-Yuan deutlich<br />

gestärkt wird, während<br />

der US-Dollar unter<br />

Druck gerät. Umso wichtiger<br />

wird es für Peking,<br />

8<br />

Von Marco Maier<br />

die vorhandenen Dollarreserven<br />

schrittweise zu<br />

reduzieren. Dazu nutzte<br />

die chinesische Zentralbank<br />

schon die Möglichkeit,<br />

sich mittels der Aufstockung<br />

von Euroreserven<br />

von einem Teil der<br />

Dollarbestände zu trennen.<br />

Damit untergräbt sie<br />

jedoch die Bemühungen<br />

der EZB, mittels Geldschwemme<br />

den Eurokurs<br />

zur Stützung der südlichen<br />

Eurostaaten zu senken.


China und sein böser Nachbar<br />

Wenn in Peking ein Mann wie Vizeadmiral Sun Jianguo,<br />

der stellvertretende Chef des Generalstabes der<br />

Volksbefreiungsarmee, eine politische Äußerung tut,<br />

und das auch noch zu einem sehr brisanten Thema, dann ist das<br />

so gut, als hätte der Staatspräsident selbst gesprochen. Beiläufige<br />

Äußerungen von Offiziellen sind dort nicht der Brauch, dafür<br />

ist das politische Konstrukt der KPCh viel zu fein austariert.<br />

Es geht vordergründig<br />

um den Nachbarn Japan.<br />

Sun hat, ein erstaunliches<br />

Pathos nicht<br />

scheuend, alle friedliebenden<br />

Menschen weltweit<br />

dazu aufgefordert,<br />

auf die Politik Tokios<br />

achtzugeben, die geradewegs<br />

zur „Wiederbelebung<br />

des japanischen<br />

Militarismus“ führen<br />

könne. „Alle Länder“,<br />

mahnt Sun, „sollten aus<br />

ihrer Geschichte lernen<br />

und lieber nach Frieden<br />

und Entwicklung streben,<br />

als an den Ideen<br />

vergangener Tage festzuhalten<br />

oder gegen den<br />

Strom der Menschheitsgeschichte<br />

zu schwimmen.“<br />

Ein überaus inhaltsschwerer<br />

Satz voller Anspielungen,<br />

wie sie in<br />

China beliebt sind. Mit<br />

den „vergangenen Tagen“<br />

erinnert Sun nicht<br />

nur an den chinesisch-japanischen<br />

Krieg<br />

sondern vor allem auch<br />

an den Zweiten Weltkrieg<br />

und die Gräuel, die<br />

damals Japan als Besatzungsmacht<br />

in China<br />

verübt hat. Dort hat das<br />

Wunden hinterlassen,<br />

die bis heute nicht verheilt<br />

sind, daher darf<br />

Sun mit großer Aufmerksamkeit<br />

rechnen.<br />

Mit dem „Strom der<br />

Menschheitsgeschichte“<br />

verhält es sich so, dass<br />

immer derjenige ihren<br />

angeblichen Verlauf definiert,<br />

der sich überlegen<br />

fühlt. Zu Deutsch heißt<br />

das also nichts anderes<br />

als: „Früher oder später<br />

kriegen wir euch, wenn<br />

ihr nicht spurt.“<br />

Japan, klagt Sun weiter,<br />

ehre aber nicht nur<br />

Kriegsverbrecher, sondern<br />

ändere auch die eigentlich<br />

pazifistische<br />

Verfassung des Landes.<br />

„Japan stockt seine militärischen<br />

Kräfte auf, um<br />

die Nachkriegsordnung<br />

zu verändern.“ Daher<br />

habe es auch den Streit<br />

Von Florian Stumfall<br />

um die Inseln im Südchinesischen<br />

Meer begonnen.<br />

Soweit die Vorwürfe<br />

an Tokio. Berücksichtigt<br />

man aber, dass seit<br />

1945 die japanische Verfassung,<br />

jedenfalls in<br />

Militärdingen, die Rüstung<br />

des Landes und vor<br />

allem die in den letzten<br />

Jahren erfolgte Militarisierung<br />

ausschließlich<br />

nach dem Willen der<br />

USA konzipiert und vorgenommen<br />

worden sind,<br />

dann wird klar, an welche<br />

Adresse der Vorwurf<br />

des Vizeadmirals Sun eigentlich<br />

gerichtet ist: an<br />

das Pentagon, US-<br />

Kriegsministerium, Arlington,<br />

Virginia, USA.<br />

Dort ist es, wo der böse<br />

Nachbar wohnt, der eigentlich<br />

gemeint ist.<br />

9


Chinas Energiewirtschaft am<br />

Wendepunkt<br />

Die deutsche Außenhandelskammer in Peking ist zuversichtlich.<br />

„Die Rekonstruierung der chinesischen Wirtschaft“,<br />

so sagt einer ihrer Offiziellen, „wird eine neue<br />

Ära der deutschen Direktinvestitionen in China einleiten. Automatisierung,<br />

Digitalisierung, Umwelt#technologien und neue<br />

Energien stehen dabei im Zentrum des Interesses.“ Die Kammer<br />

ermittelte bei einer Umfrage zum Geschäftsklima „robuste Ergebnisse“,<br />

trotz der wirtschaftlichen Delle im Reich der Mitte.<br />

Was im Speziellen die<br />

Umwelttechnologien und<br />

den Energiesektor angeht,<br />

so kommt diesen<br />

Bereichen eine Initiative<br />

des Staatspräsidenten Xi<br />

Jinping entgegen. Er hat<br />

vor einigen Tagen eine<br />

„chinesische Energie-Revolution“<br />

ausgerufen. Xi<br />

bekundete die Absicht,<br />

die Produktion von Energie<br />

zu beschleunigen, dabei<br />

auf Diversifikation zu<br />

setzen – was eine Ergänzung<br />

der bisherigen Kohle-Verstromung<br />

bedeutet<br />

– und bei allem die Energieeffizienz<br />

zu erhöhen.<br />

„Jetzt muss die Revolution<br />

bei der Energieproduktion<br />

und Energieeffizienz<br />

geplant werden“, forderte<br />

Xi vor der Zentralen Führungs-<br />

und Reformgruppe<br />

des Staatsrates, dessen<br />

Experten dem Staatspräsidenten<br />

pflichtschuldigst<br />

zustimmten.<br />

Um die Abhängigkeit<br />

von der Kohle zu mindern,<br />

wird China entlang<br />

seiner Ostküste eine Reihe<br />

von Kernkraftwerken<br />

errichten, die den höchsten<br />

Sicherheitsstandards<br />

entsprechen sollen. Es<br />

wird angenommen, dass<br />

die Regierung dabei auch<br />

für Privatunternehmen<br />

den Weg auf den chinesischen<br />

Energiemarkt freimachen<br />

wird. Lin Boqiang,<br />

Direktor des Zentrums<br />

für Energiewirtschafts-Forschung<br />

an der<br />

Xiamen-Universität, unterstützte<br />

die Rede des<br />

Staatspräsidenten.<br />

In einer Zeit, so argumentierte<br />

er, in der die<br />

USA durch ihre Fracking-<br />

Technologie ihre Energie-Importe<br />

zurückfahren<br />

könnten, müsse China<br />

seine Gas- und Öl-Einfuhren<br />

ausweiten. Deshalb<br />

sei es höchste Zeit, eine<br />

Initiative zu starten. Nach<br />

den Worten von Lothar<br />

Herrmann von der deutschen<br />

Handelskammer<br />

Von Florian Stumfall<br />

passen Struktur und Wissensbasis<br />

der deutschen<br />

Industrie "sehr, sehr gut<br />

zur Reformagenda Chinas<br />

für die nächsten Jahre“.<br />

Die notwendige Einfuhr<br />

von Mineral-Brennstoffen<br />

ist nicht nur dem Staatspräsidenten<br />

umso mehr<br />

ein Dorn im Auge, als das<br />

Land eigentlich selbst<br />

über große Vorkommen<br />

verfügt. Woran es hapert,<br />

ist die Förderung. Han<br />

Xiaoping von China Energy<br />

Net Consulting, bestätigt<br />

die umfangreichen<br />

Vorräte, „doch“ schränkte<br />

er ein, „deren Förderung<br />

läuft nicht gut, da der<br />

Markt von einigen großen<br />

Staatsunternehmen dominiert<br />

wird und es somit<br />

ein Oligopol gibt“. Eine<br />

Lösung des Problems erhofft<br />

er sich durch mehr<br />

Wettbewerb, der die<br />

Energiewirtschaft von den<br />

„Ketten der Lobby- und<br />

Interessengruppen“ befreien<br />

könne.<br />

10


USA im Irak: Spionage gut –<br />

Politik mangelhaft<br />

Erhöhte Geheimdienst-Aktivitäten kann man manchmal allein<br />

an der Größe einer diplomatischen Vertretung ablesen.<br />

So beherbergte beispielsweise während des Kalten<br />

Kriegs das sowjetische Generalkonsulat in Salzburg 300 Mitarbeiter<br />

– drei hätten die anfallenden konsularischen Aufgaben an<br />

vier Vormittagen die Woche locker erledigt. Der Rest ging spionieren,<br />

weniger im neutralen Österreich, als im benachbarten<br />

Bayern, wo sich in Freilassing der BND ein geräumiges Nest eingerichtet<br />

hatte. Ein Beispiel aus der Gegenwart bietet die US-<br />

Botschaft im Irak.<br />

Die Zahl löst auch bei<br />

hartgesottenen Beobachtern<br />

Befremden, bei Kennern<br />

immer noch Erstaunen<br />

aus: In der US-Botschaft<br />

in Bagdad sind<br />

5.000 Diplomaten gemeldet.<br />

Nicht 500, nicht<br />

1.000, nein, 5.000. Die<br />

groteske Höhe dieser<br />

Zahl erlaubt den Schluss,<br />

dass es dort von Agenten<br />

nur so wimmeln muss.<br />

Denn, analog zum Salzburger<br />

Verhältnis, kann<br />

man annehmen, dass<br />

Von Florian Stumfall<br />

sich bei 250 Botschaftsangehörigen<br />

keiner überarbeiten<br />

würde, wenn es<br />

denn nur um diplomatische<br />

Angelegenheiten<br />

ginge. Der Rest, wie gesagt,<br />

geht spionieren.<br />

Allerdings ist es mit<br />

11


den angenommenen<br />

4.750 nicht getan. Denn<br />

von ihnen sind, sagen<br />

wir, niedrig gegriffen,<br />

2.500 Führungsagenten,<br />

das heißt, jeder von ihnen<br />

hat zwei, drei oder<br />

eine ganze Handvoll Iraker,<br />

Informanten, Zuträger,<br />

Spitzel und Ganoven<br />

aller Art, oder aber Angehörige<br />

anderer Botschaften<br />

und<br />

Dienste sowie<br />

Vertreter<br />

aller möglichen<br />

örtlich<br />

ansässigen<br />

Wirtschaftsunternehmen<br />

und Verbände<br />

aus der<br />

ganzen Welt<br />

am Bandl.<br />

Das bedeutet:<br />

Der gesamte<br />

Irak<br />

war bis zu<br />

dem jetzigen<br />

Augenblick,<br />

da er in Trümmer fällt,<br />

von einem dichten Netz<br />

überzogen, geflochten<br />

von US-Agenten, hauptsächlich<br />

natürlich der<br />

CIA.<br />

Die unselige Regierung<br />

Maliki in Bagdad weiß das<br />

natürlich, mehr noch, sie<br />

hat es geduldet oder dulden<br />

müssen. Denn nach<br />

dem Wiener Übereinkommen<br />

über diplomatische<br />

Beziehungen steht es jedem<br />

Empfängerland, in<br />

dem Fall also dem Irak,<br />

frei, ohne Angabe von<br />

Gründen die Zahl ausländischer<br />

Botschaftsangehöriger<br />

zu begrenzen.<br />

Dass das Bagdad nicht<br />

getan hat zeigt, dass<br />

man schon seit dem<br />

Sturz Saddam Husseins<br />

und dem Einzug der GI<br />

nicht mehr Herr im eigenen<br />

Haus ist.<br />

US-Soldaten im Irak. Bild: Flickr / USASOC News<br />

Service CC-BY 2.0<br />

Die USA hatten damit<br />

einen Zustand wiederhergestellt,<br />

wie er zunächst<br />

von 1963 an bestand, als<br />

die CIA den Machthaber<br />

Kassem stürzte und Saddam<br />

Hussein installiert<br />

hatte. Damals bekannte<br />

der neue Innenminister<br />

Ali Saleh: „Wir sind mit<br />

einem Zug der CIA an die<br />

Macht gekommen.“ Die<br />

Freundschaft hielt allerdings<br />

nicht lang. 1967<br />

brach der Irak die Beziehungen<br />

zu den USA ab<br />

und orientierte sich mehr<br />

und mehr nach Moskau.<br />

Die Unterstützung, die<br />

die USA jetzt den Islamisten<br />

im Lande, ISIS<br />

und anderen, zukommen<br />

ließ, wurde auch aus dem<br />

Grunde gewährt, den<br />

Schnitzer von damals<br />

wieder auszubügeln. Aber<br />

auch diesmal läuft die<br />

amerikanische Taktik aus<br />

dem Ruder.<br />

Denn sie<br />

war darauf<br />

ausgerichtet,<br />

den<br />

Irak zu<br />

fragmentieren,<br />

doch<br />

stattdessen<br />

hat man<br />

Kräfte stark<br />

werden lassen,<br />

die<br />

sich daranmachen,<br />

eine Großmacht<br />

zu<br />

errichten, die sich früher<br />

oder später gegen Israel<br />

richten wird.<br />

So lernen die USA nicht<br />

nur, dass es leichter ist,<br />

einen Krieg zu beginnen<br />

als ihn zu beenden, sondern<br />

auch, dass man<br />

zwar ohne Probleme die<br />

halbe Welt ausspionieren<br />

kann, ohne deshalb fähig<br />

zu sein, einen vernünftigen<br />

politischen Plan zu<br />

verfolgen.<br />

12


USA im Irak: Luftschläge<br />

vorbehalten<br />

Friedensnobelpreisträger Barack Obama verkündete es<br />

persönlich: Washington ist bereit, die ISIS-Kämpfer im<br />

Irak militärisch anzugreifen. Die Rede ist von „gezielten<br />

Militärschlägen“. Zwar steckt dem Präsidenten die Erfahrung des<br />

Zweiten Golfkriegs offenbar noch derart in den Knochen, dass er<br />

allen Gedanken an den Einsatz von Bodentruppen abschwört.<br />

Doch Bekenntnisse dieser Art haben, wie bekannt, eine sehr geringe<br />

Halbwertszeit.<br />

Genau genommen folgt<br />

dem „Zwar“ das „Aber“<br />

auf dem Fuß. Zwar will<br />

Obama keine Bodentruppen<br />

einsetzen, aber die<br />

Nachrichtendienste stärken<br />

und 300 Mann Spezialeinsatzkräfte<br />

in den<br />

Irak schicken, das will er<br />

schon. Das ist zweieinhalb<br />

Jahre nach dem offiziellen<br />

Abschluss der US-<br />

Intervention schon mehr<br />

als nichts. Vorerst. Und<br />

ISIS sei Dank für den fabelhaften<br />

Vorwand. Doch<br />

in der Hauptsache dürfen<br />

die Luftwaffe und hier vor<br />

allem die Drohnen-Flotte<br />

nicht vergessen werden.<br />

Für alle Fälle hat das<br />

Pentagon auch bereits<br />

einen Flugzeugträger,<br />

Stichwort Marschflugkörper,<br />

nämlich die USS „George<br />

H. W. Bush“, in den<br />

Persischen Golf geschickt,<br />

der von einem Raketenkreuzer<br />

und einem Zerstörer<br />

begleitet wird.<br />

Das Auftreten und die<br />

Erfolge von ISIS, so Sergej<br />

Michejew, Generaldirektor<br />

des russischen<br />

„Zentrums für politische<br />

Konjunktur“, lasse das<br />

völlige Scheitern der<br />

westlichen Nahost-Politik<br />

erkennen. Seine Analyse<br />

ist schonungslos: „Die<br />

USA spielen dabei die<br />

führende Rolle. Im Grunde<br />

genommen haben die<br />

USA den ganzen Nahen<br />

Osten in das Chaos eines<br />

permanenten Mordens<br />

gestürzt und allen erklärt,<br />

dies sei eben die<br />

Demokratie.<br />

Von Florian Stumfall<br />

Nicht genug, dass die<br />

Amerikaner Saddam Hussein<br />

gestürzt und die<br />

ganzen Jahre im Irak angeblich<br />

mit dem Aufbau<br />

einer Demokratie beschäftigt<br />

waren – sie waren<br />

es ja, die diese illegalen<br />

Kämpfer aus dem 'Islamischen<br />

Staat im Irak<br />

und in der Levante' begünstigt<br />

haben, welche<br />

jetzt auf Bagdad vorrücken.<br />

Diese Menschen<br />

haben in Syrien gegen<br />

Baschar al-Assad gekämpft,<br />

Amerika wie Europa<br />

haben gerade sie<br />

unterstützt, sie mit Geld<br />

und Waffen versorgt. Nun<br />

haben sich diese Menschen<br />

vorgenommen, die<br />

proamerikanische Regierung<br />

in Bagdad zu stürzen.<br />

Es ist mindestens<br />

ein blutiger Fehler der<br />

Amerikaner, maximal<br />

aber die Fortsetzung desselben<br />

Abenteuers.“<br />

Was nun Obamas Irak-<br />

Konzept "No boots on the<br />

ground" angeht, so stößt<br />

er in Washington bereits<br />

auf Widerspruch. Natürlich<br />

ist es allen voran der<br />

unvermeidliche John Mc-<br />

Cain, der dem Mann im<br />

Weißen Haus zusetzt:<br />

„Der Präsident der Vereinigten<br />

Staaten geht<br />

Spenden sammeln und<br />

Golf spielen, und tändelt<br />

herum, während der Irak<br />

brennt.“<br />

13


US-Propaganda: So blamiert<br />

man sich<br />

Im Streit um die Frage, ob denn Russland die Aufständischen<br />

in der südöstlichen Ukraine nun mit Waffen versorgt<br />

oder nicht, hat sich die US-Propaganda eine Blöße<br />

gegeben, die zwischen peinlich und lächerlich anzusiedeln ist.<br />

Es geht um das Bild eines<br />

Schützenpanzers der<br />

durch die Straßen von<br />

Sneschnoje oder Tores<br />

fährt, wo, das ist nicht<br />

erkennbar, und dabei<br />

eine russische Fahne<br />

zeigt. Auf dem Bild ist<br />

diese Fahne mit einem<br />

roten Stift eingekreist<br />

und ein Pfeil, der darauf<br />

hinweist, verbindet den<br />

roten Kreis mit der<br />

Schrift „russian flag“. Damit<br />

es sogar ein Yankee<br />

in Washington kapiert,<br />

was damit gesagt werden<br />

soll.<br />

Die US-Propagandisten<br />

machen damit gleich zwei<br />

Fehler. Zum einen sollten<br />

sie wissen, dass die<br />

Volksmilizen häufig russische<br />

Fahnen führen, um<br />

ihre Sympathie auszudrücken,<br />

auch dann,<br />

wenn sie nicht auf einem<br />

Panzer sitzen. Zum anderen<br />

halten sie die Russen<br />

für außerordentlich<br />

dumm. Denn sie unterstellen,<br />

dass ein russischer<br />

Panzer, der entgegen<br />

allen Beteuerungen<br />

aus Moskau heimlich über<br />

die Grenze in die Ukraine<br />

geschleust worden sei,<br />

dann dort für jedermann<br />

sichtbar die Fahne seines<br />

Herkunftslandes hissen<br />

würde.<br />

Der Parlamentspräsident<br />

der „Volksrepublik<br />

Donezk“ jedenfalls, Denis<br />

Puschilin, dementiert zum<br />

wiederholten Male, dass<br />

die Volksmilizen, wie behauptet,<br />

drei Panzer aus<br />

Russland bekommen hätten.<br />

„Diese Panzer stammen<br />

aus ukrainischer<br />

Produktion“, sagte er,<br />

„ziehen Sie also ihre<br />

Schlüsse daraus.“ Dies ist<br />

als Hinweis darauf zu<br />

verstehen, dass ganze<br />

ukrainische Armee-Einheiten<br />

zu den Volksmilizen<br />

übergelaufen sind,<br />

samt Waffen und Ausrüstung<br />

und eben auch mit<br />

drei Panzern. Und Puschilin<br />

setzte spöttisch hinzu:<br />

„Wären die Panzer (aus<br />

Russland) hereingefahren,<br />

so wären es 300<br />

Stück gewesen.“<br />

<strong>14</strong><br />

Von Florian Stumfall<br />

Inzwischen hat gewissermaßen<br />

der ukrainische<br />

Geheimdienst SBU versehentlich<br />

bestätigt, dass<br />

die Volksmilizen ihre Waffen<br />

nicht aus Russland<br />

bekommen. Er wirft nämlich<br />

der Kommunistischen<br />

Partei der Ukraine vor,<br />

diese habe die Kämpfer<br />

für Unabhängigkeit mit<br />

Waffen versorgt. Dabei<br />

beruft sich der Dienst auf<br />

die Aussagen von zwei<br />

Gefangenen aus dem Gebiet<br />

von Lugansk. Diese<br />

hatten Waffen bei sich,<br />

unter anderem russische<br />

Panzerabwehr-Lenkwaffen<br />

vom Typ Fagot, was<br />

aber über die Herkunft<br />

gar nichts aussagt. Denn<br />

dieses System war im<br />

Ostblock weit verbreitet,<br />

so auch bei der NVA der<br />

DDR. Allenfalls kann der<br />

Fund frühere Meldungen<br />

bestätigen, dass in der<br />

Ukraine sowohl die Armee<br />

als auch die Volksmilizen<br />

in großem Umfang<br />

mit alten Waffen<br />

kämpfen. Russland jedenfalls<br />

hätte neuere<br />

Produktionen anzubieten.


Trainieren die USA islamistische<br />

ISIS-Kämpfer?<br />

Im Kampf gegen den syrischen Präsidenten al-Assad<br />

scheint den Vereinigen Staaten von Amerika jedes Mittel<br />

recht zu sein. Um die Aufständischen in Syrien und deren<br />

ausländischen Helfer zu unterstützen, haben die US-Militärs Berichten<br />

zufolge auch die islamistischen Kämpfer des "Islamischen<br />

Staates im Irak und der Levante" (ISIS) trainiert.<br />

Der Feind meines Feindes<br />

ist mein Freund. So<br />

ungefähr könnte man die<br />

Situation beschreiben,<br />

wenn die US-Regierung<br />

für die militärische Ausbildung<br />

islamistischer<br />

Kräfte im Nahen Osten<br />

sorgt. Im gleichen Atemzug,<br />

wie die amerikanische<br />

Regierung die eigene<br />

Bevölkerung auf den<br />

"Kampf gegen den Terror"<br />

einstimmt und mit<br />

Drohnen Jagd auf angebliche<br />

Terroristen macht,<br />

sorgt sie in einem Trainingslager<br />

für entsprechenden<br />

Nachschub.<br />

Beinahe scheint es so,<br />

als ob sich der Militärisch-Industrielle-Komplex<br />

in Sachen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

für später üben würde.<br />

Das dies funktioniert,<br />

zeigt der Aufbau der al-<br />

Kaida, die damals von<br />

der CIA zur Bekämpfung<br />

der Sowjettruppen in Afghanistan<br />

gegründet<br />

wurde. Auch Saddam<br />

Hussein wurde zuerst unterstützt,<br />

um dann hernach<br />

als Feind bekämpft<br />

zu werden. Mit der ISIS<br />

scheint nun wieder ein<br />

solches Spiel abzulaufen.<br />

Wie nämlich die jordanischen<br />

Behörden bestätigten,<br />

unterhielten die<br />

USA im Jahr 2012 auf deren<br />

Boden ein Ausbildungslager<br />

für die ISIS,<br />

in der US-Ausbildner dutzende<br />

ISIS-Kämpfer für<br />

den Kampf gegen<br />

Baschar al-Assad trainierten.<br />

Dies war Teil es Programms,<br />

um den Assad-<br />

Gegnern verdeckte Hilfe<br />

zu leisten.<br />

Insgesamt sollen dabei<br />

rund 200 von ursprünglich<br />

geplanten 1.200<br />

Männern vornehmlich im<br />

Anti-Panzer-Kampf ausgebildet<br />

worden sein. Ziel<br />

war es, der Freien Syrischen<br />

Armee (FSA) einen<br />

gut ausgebildeten Kader<br />

zu verschaffen, indem die<br />

Assad-Gegner in zwei jordanischen<br />

Trainingscamps<br />

auf den Kampf gegen<br />

die syrische Armee<br />

<strong>15</strong><br />

Von Marco Maier<br />

vorbereiten. Sowohl der<br />

"Spiegel" als auch der<br />

"Guardian" berichteten<br />

darüber, wenngleich der<br />

Guardian noch zusätzliche<br />

Ausbilder aus Frankreich<br />

und Großbritannien<br />

erwähnte.<br />

Zwar haben die US-<br />

Stellen die trainierten<br />

Kämpfer zuvor auf Verbindungen<br />

zur al-Kaida<br />

und anderen extremistischen<br />

Gruppierungen<br />

überprüft, doch diese<br />

Maßnahme scheint nicht<br />

erfolgreich gewesen zu<br />

sein. Nicht wenige der<br />

ausgebildeten Männer<br />

kämpfen nämlich für die<br />

ISIS, welche vom US-<br />

Verbündeten Saudi-Arabien<br />

und anderen arabischen<br />

Staaten bewaffnet<br />

und finanziert wird. Saudi-Arabien<br />

ist übrigens<br />

ein wichtiger Empfänger<br />

deutscher Waffenlieferungen.<br />

Inzwischen hat ISIS<br />

auch Trainingscamps in<br />

der Türkei errichtet. In<br />

der Nähe der Incirlik Air


Bild: Flickr / isafmedia CC-BY 2.0<br />

Base bei Adana, wo sich<br />

auch US-Einheiten befinden,<br />

bildet die islamistische<br />

Gruppe neue Kämpfer<br />

aus. Angesichts der<br />

unrühmlichen Geschichte<br />

der USA in Sachen Gründung,<br />

Finanzierung und<br />

Ausbildung von Terrorgruppen,<br />

insbesondere<br />

im Zusammenhang mit<br />

den jüngsten Erkenntnissen<br />

über die Trainingscamps<br />

in Jordanien, sollte<br />

man das Naheliegende<br />

nicht unterschätzen.<br />

Wie oft schon musste<br />

man erkennen, dass die<br />

ganzen US-Administrationen<br />

der vergangenen<br />

Jahrzehnte ihr eigenes<br />

Land und dessen Verbündete<br />

in Kriege stürzten,<br />

die sie durch die umfangreiche<br />

Unterstützung der<br />

angeblichen Feinde erst<br />

haben ausbrechen lassen?<br />

Von der Finanzierung<br />

der Nationalsozialisten<br />

vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg, über die Gründung<br />

der al-Kaida in Afghanistan,<br />

bis hin zu den<br />

Golfkriegen und anderer<br />

Schauplätze der Gewalt –<br />

überall zeigt sich das vorangegangene<br />

US-Engagement.<br />

Für die Saudis und andere<br />

"US-Verbündete"<br />

muss sich deren Establishment<br />

irgendwann die<br />

Frage stellen, wie lange<br />

es wohl noch dauert, bis<br />

16<br />

die Amerikaner auch sie<br />

wie eine heiße Kartoffel<br />

fallen lassen und den bisherigen<br />

"Freunden" in<br />

den Rücken fallen. Hussein<br />

und Gaddafi, einst<br />

US-Verbündete, können<br />

sie jedoch leider nicht<br />

mehr fragen – jedoch<br />

einen Blick auf die heutigen<br />

Zustände werfen.<br />

Vielleicht haben sie nämlich<br />

auch bald von den<br />

USA gegründete und finanzierte<br />

"Rebellen" im<br />

eigenen Land.


USA: Bevölkerung verarmt –<br />

Wirtschaft schrumpft<br />

Die US-Wirtschaft schwächelt. Im ersten Quartal sank die<br />

amerikanische Wirtschaftsleistung trotz aller Beschönigungen<br />

um ordentliche 2,9 Prozent. Indessen zeigt sich,<br />

dass selbst die angeblichen Erfolge der letzten Jahre nach dem<br />

Finanzkollaps 2007/2008 nichts weiter als ein Luftschloss waren,<br />

zumal weite Teile der Bevölkerung drastische Vermögensverluste<br />

hinnehmen mussten.<br />

Langsam sollte sich<br />

das US-Establishment<br />

Sorgen machen. Die<br />

massiv geschönten Wirtschaftsdaten<br />

und die<br />

kreative Berechnung bei<br />

den Arbeitslosenzahlen<br />

können nämlich nicht<br />

mehr darüber hinwegtäuschen,<br />

dass es mit der<br />

angeblichen "Wirtschaftsmacht<br />

Nummer 1"<br />

bergab geht.<br />

Profitierte bis zum Ausbruch<br />

der Finanzkrise<br />

noch rund die Hälfte der<br />

Bevölkerung zumindest<br />

einigermaßen von der<br />

Washingtoner Wirtschaftspolitik,<br />

die insbesondere<br />

nach den Anschlägen<br />

vom 11. September<br />

2001 mit umfangreichen<br />

Kriegseinsätzen<br />

reagierte, geht es<br />

seitdem fast nur noch<br />

bergab. Besonders interessant<br />

dabei ist die Vermögensentwicklung<br />

der<br />

oberen Schichten, die offenbar<br />

besonders stark<br />

von den Kriegen im Irak<br />

und in Afghanistan profitiert<br />

haben.<br />

Düster sieht es für die<br />

ärmsten 25 Prozent aus,<br />

die seit 2002 immer ärmer<br />

wurden. Nimmt man<br />

das Medianvermögen her,<br />

bei dem die Hälfte der<br />

Haushalte mehr und die<br />

andere Hälfte weniger<br />

Vermögen besitzt, so<br />

liegt dieser Wert seit<br />

2009 deutlich unter dem<br />

Wert von 1984.<br />

17<br />

Von Marco Maier<br />

Interessant ist auch ein<br />

Blick auf die letzten 10<br />

Jahre. Von 2003 auf 2013<br />

sank das US-Durchschnittsvermögen<br />

– nach<br />

einem rasanten Anstieg<br />

bis 2007 – um etwa 8,6<br />

Prozent. Ein Blick auf das<br />

5. Perzentil zeigt, wie<br />

sich die Armen drastisch<br />

verschuldeten – selbst in<br />

den Wachstumsjahren.<br />

Das 25. Perzentil (immer<br />

noch Unterschicht) hatte<br />

ebenfalls mit dramatischen<br />

Vermögensverlus-


ten zu kämpfen und besitzt<br />

heute gerade einmal<br />

noch ein knappes Drittel<br />

jenes Vermögens von<br />

2003. Selbst beim Median<br />

liegt der Verlust nach<br />

einem anfänglichen<br />

Wachstum bei etwas<br />

mehr als einem Drittel.<br />

Selbst die obere Mittelschicht<br />

(75. Perzentil)<br />

musste einen Vermögensverlust<br />

von etwa <strong>14</strong><br />

Prozent zuzüglich der Inflationsverluste<br />

hinnehmen.<br />

Doch wer dachte,<br />

dass zumindest die "upper<br />

class" (90. und 95.<br />

Perzentil) glimpflich davon<br />

kam, der irrt. Zwar<br />

liegt das Durchschnittsvermögen<br />

dieser Gruppe<br />

immer noch über dem<br />

Wert des Jahres 2003<br />

(+3,56 bzw. #<strong>14</strong>,44 Prozent),<br />

doch unter Berücksichtigung<br />

der Inflation<br />

ist auch das ein reales<br />

Minus, wenngleich die<br />

wirklich Reichen noch am<br />

besten dastehen.<br />

Hierbei muss man berücksichtigen,<br />

dass die<br />

Erwerbstätigenquote mit<br />

aktuell etwa 59 Prozent<br />

deutlich unter den<br />

Höchstwerten der<br />

1990er-Jahre liegt. Damit<br />

steigt die Verarmung<br />

ganzer Bevölkerungsschichten<br />

weiter an. Vor<br />

allem wenn man bedenkt,<br />

dass sich viele Beschäftigte<br />

mit dem Mindestlohn<br />

durchschlagen,<br />

der bei weitem nicht zum<br />

leben ausreicht. Das Phänomen<br />

der "working<br />

poor" ist nach wie vor aktuell.<br />

Damit wird auch die<br />

offizielle Arbeitslosenrate<br />

zur Farce, da unzählige<br />

Menschen einfach aus der<br />

18<br />

Statistik fallen und nicht<br />

mehr mitgezählt werden.<br />

Wirft man nun einen<br />

Blick auf die gesamtwirtschaftliche<br />

Entwicklung<br />

der USA, wird die Sache<br />

erst wirklich interessant.<br />

So weist die US-Volkswirtschaft<br />

offiziell zwar<br />

seit dem 2. Quartal 2011<br />

wieder durchwegs ein<br />

Wachstum auf, welches<br />

jedoch im 1. Quartal<br />

20<strong>14</strong> einen drastischen<br />

Einbruch erlitt. Die Zerohedge-Grafik<br />

mit den einzelnen<br />

BIP-Komponenten<br />

verdeutlicht in anschaulicher<br />

Weise, Insbesondere,<br />

da die Daten zwei Mal<br />

nach unten revidiert werden<br />

mussten.<br />

Betrachtet man sich<br />

die Grafik links, und berücksichtigt<br />

man hierbei<br />

sowohl die Inflation als<br />

auch den Umstand der<br />

Beschönigungen bei der<br />

Berechnung, sieht es<br />

durchwegs nicht beson-


ders positiv für die US-<br />

Wirtschaft aus. Selbst<br />

wenn sich die Wirtschaft<br />

in den folgenden Quartalen<br />

leicht erholt, müssen<br />

die Amerikaner insgesamt<br />

mit einem sehr<br />

schwachen Jahr rechnen.<br />

Darunter leiden werden<br />

jedoch wieder einmal vor<br />

allem die unteren<br />

Einkommenschichten.<br />

Sollte es<br />

auch im 2.<br />

Quartal 20<strong>14</strong><br />

zu einem offiziellen<br />

Minus<br />

kommen,<br />

steigt jedoch<br />

die Gefahr eines<br />

neuen USinduzierten<br />

Krieges. Immerhin<br />

gilt es<br />

heutzutage als<br />

Grafiken unten und oben: zerohedge.com<br />

19<br />

Binsenweisheit, dass die<br />

USA Rezessionen am<br />

liebsten mittels eines<br />

neuen Feldzugs bekämpfen.<br />

Die Frage ist nur,<br />

welches Land nun daran<br />

glauben muss. Die Geplänkel<br />

mit der ISIS im<br />

Irak sind nebensächlich<br />

und Syrien bringt zu wenig<br />

ein. Bleiben noch der<br />

Iran, Venezuela – und im<br />

schlimmsten Fall über<br />

den Umweg der Ukraine<br />

gar Russland. Wobei<br />

Letzteres schon ein extrem<br />

dramatisches Worst-Case-Szenario<br />

darstellt.


Irak-Politik der USA: gescheitert<br />

zu sagen wäre geschmeichelt<br />

Die Irak-Politik der USA als gescheitert zu bezeichnen,<br />

grenzt an ein Kompliment, wenn man davon absieht,<br />

dass es Washington zu gelingen scheint, den Staat in<br />

drei Trümmer zu zerschlagen. Schaut man sich aber an, zu welchem<br />

Preis und mit welchen Methoden sie dieses Ziel verfolgen,<br />

kommen einem grundlegende Zweifel.<br />

Schon die Berufung<br />

des Nuri al-Maliki zum<br />

irakischen Regierungschef<br />

war der erste Fehlgriff,<br />

der an die von den<br />

USA verschuldeten Katastrophe<br />

des Zweiten Golfkrieges<br />

anschloss. Mit al-<br />

Maliki an der Spitze hat<br />

man die Sunniten vor den<br />

Kopf gestoßen, die radikalen<br />

Kräfte in ihren Reihen<br />

herausgefordert und<br />

gleichzeitig gestützt. Man<br />

nennt das „auf zwei<br />

Schultern tragen“. Jetzt,<br />

wo die ISIS so stark geworden<br />

ist, dass sie ihrerseits<br />

die US-Winkelzüge<br />

zu durchkreuzen<br />

scheint, braucht al-Maliki<br />

dringend Hilfe, und schon<br />

wieder versagen die USA.<br />

Zwar hatten sie mit<br />

dem Irak die Lieferung<br />

von F-16 Kampfflugzeugen<br />

vereinbart, sich aber<br />

nicht daran gehalten. Als<br />

jetzt in Bagdad die ersten<br />

Su 27 SM und Su 30K<br />

aus Russland angekommen<br />

sind, hatten es die<br />

Amerikaner plötzlich eilig,<br />

jedenfalls mit dem Versprechen,<br />

auch bald zu<br />

liefern und zwar nicht nur<br />

die Falcon, sondern binnen<br />

einer Woche dazu<br />

200 Hellfire-Raketen.<br />

Was die USA geschickt<br />

haben, sind eine 300<br />

Mann starke Elite-Truppe<br />

und CIA, ungeachtet der<br />

Beteuerung, US-Kampfkräfte<br />

würden irakischen<br />

Boden nicht mehr betreten.<br />

Von Florian Stumfall<br />

Doch wahrscheinlich<br />

wird es auf sie gar nicht<br />

ankommen. Im Irak stehen<br />

nämlich längst iranische<br />

Soldaten vom Korps<br />

der Revolutionswächter,<br />

und ihr General befehligt<br />

die Verteidigung von Bagdad,<br />

wie die „Sunday Times“<br />

berichtet. So müssen<br />

die USA mit ihrem<br />

„Todfeind“ Iran zusammenarbeiten,<br />

um einen<br />

gemeinsamen Feind zu<br />

bekämpfen. Doch diese<br />

Zusammenarbeit ist brüchig.<br />

Pjotr Topytschkanow<br />

vom Moskauer Institut<br />

für Weltwirtschaft und<br />

internationale Beziehungen<br />

sagt: „Es gibt keine<br />

Gründe, von einem neuen<br />

Dialog dieser beiden<br />

Staaten über den Irak zu<br />

sprechen, das umso<br />

mehr, als man in Washington<br />

und Teheran die<br />

Ereignisse im Irak unterschiedlich<br />

interpretiert<br />

und unterschiedliche Vorstellungen<br />

von den Gefahren<br />

hat.“<br />

Nach Lage der Dinge<br />

müssen sich die USA zumindest<br />

vorübergehend<br />

mit dem Iran arrangieren<br />

und dabei den gewachsenen<br />

Einfluss Russlands<br />

hinnehmen, zwei Dinge,<br />

die beide ihren erklärten<br />

Absichten zuwiderlaufen.<br />

Doch die Welt weiß, wie<br />

sich Washington aus diesem<br />

Dilemma herauswinden<br />

wird: mit Marschflugkörpern<br />

und Raketen.<br />

20


US-Drohnenkrieg: Der Schuss<br />

ins eigene Knie<br />

Sage niemand, in den USA gebe es ausschließlich gleichgeschaltete<br />

politische Meinungsäußerungen und Analysen.<br />

Natürlich – abweichende Stellungnahmen muss man<br />

mit der Lupe suchen, doch wenn man fündig geworden ist, so<br />

verdient das dann auch die entsprechende Aufmerksamkeit. Diese<br />

gebührt beispielsweise dem „Stimson Center“ in Washington,<br />

das eine offenbar tatsächlich unabhängige Denkfabrik ist, die<br />

sich im wesentlichen mit Fragen der globalen Sicherheit beschäftigt.<br />

In diesem Zusammenhang hat sie kürzlich Obamas Drohnen-Praxis<br />

ins Auge genommen.<br />

Die Angriffe zahlloser<br />

US-Drohnen auf beliebig<br />

ausgesuchte Ziele in aller<br />

Welt können einen Zustand<br />

des permanenten<br />

Krieges herbeiführen. Die<br />

Experten, die das schreiben,<br />

kommen keineswegs<br />

aus der pazifistischen<br />

Ecke, im Gegenteil.<br />

„Stimson“ hatte eine<br />

Kommission gebildet, die<br />

sich mit den Drohnen beschäftigte,<br />

und dieser<br />

Kommission gehörten<br />

ehemalige US-Militärs<br />

und CIA-Mitarbeiter an.<br />

Wenn es Fachleute gibt,<br />

die etwas vom Kriegführen<br />

auf offene oder verdeckte<br />

Weise verstehen,<br />

dann sind es diese Männer.<br />

Sie halten der Obama-<br />

Administration vor, dass<br />

sie noch kein einziges Mal<br />

analysiert hat, inwieweit<br />

die pausenlosen Drohnenangriffe<br />

tatsächlich<br />

dem Interesse der USA<br />

dienen. Die Studie selbst<br />

nämlich kommt zu der<br />

Auffassung, dass der<br />

Drohnenkrieg für die Terrorbekämpfung<br />

keineswegs<br />

nützlich ist. Wörtlich<br />

heißt es: „Es gibt keine<br />

Anzeichen dafür, dass<br />

die US-Strategie zur Vernichtung<br />

von Al Kaida<br />

eine Zunahme von Extremismus<br />

unter Sunniten<br />

gestoppt, die Bildung<br />

schiitischer Gruppierungen<br />

gebremst oder irgendwie<br />

sonst den langfristigen<br />

Sicherheitsinteressen<br />

der USA gedient<br />

hätte“.<br />

Ein wesentlicher Grund<br />

hierfür liegt darin, dass<br />

die kaltschäuzig so genannten<br />

„Kollateralschäden“<br />

unter der Zivilbevölkerung<br />

zu Empörung und<br />

der erhöhten Bereitschaft<br />

Von Florian Stumfall<br />

führen, sich auf die Seite<br />

der tatsächlichen oder<br />

angeblichen Terroristen<br />

zu schlagen bis hin zum<br />

Beitritt in die Reihen der<br />

Kämpfer. Mit einem Wort:<br />

US-Drohnen helfen jedem<br />

Islamisten bei der<br />

Rekrutierung neuer<br />

Kämpfer.<br />

Die Autoren der Studie<br />

verweisen auch auf die<br />

rechtliche Seite des Problems<br />

und schlagen vor,<br />

dafür international gültige<br />

Regeln auszuarbeiten.<br />

Außerdem empfehlen sie<br />

der US-Administration,<br />

die Zahlen der getöteten<br />

Terroristen und der zivilen<br />

Opfer zu veröffentlichen.<br />

Hier allerdings<br />

scheint die Analyse etwas<br />

an Realismus einzubüßen.<br />

21


Sind die USA ein gescheiterter<br />

Staat?<br />

Geht es nach den Untersuchungen des "Fund for Peace",<br />

dürfen sich die USA zu den Top 10 der "meist fragilen<br />

Staaten" zählen. Die Organisation selbst bezeichnet ihren<br />

"Fragile State Index" (FSI) selbst gerne auch als "Failed<br />

State Index", da dieser die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Erosion misst.<br />

Eigentlich würde man<br />

in so einem Index vor allem<br />

Staaten wie die<br />

Ukraine, Libyen, den Irak<br />

oder Afghanistan vermuten,<br />

doch auch Frankreich<br />

(Rang 7) und die USA<br />

(gemeinsam mit Singapur<br />

und Thailand auf<br />

Rang 8) haben ihre Aufnahme<br />

in den Index gefunden.<br />

Grund dafür ist<br />

die langwierige Aufbereitung<br />

von 40 Millionen Datensätzen<br />

die über Monate<br />

aufbereitet werden<br />

und die regulären Entwicklungen<br />

für das folgende<br />

Jahr berücksichtigen.<br />

Insgesamt betrachtet<br />

schreitet die Erosion der<br />

USA unaufhaltsam voran.<br />

Während die Infrastruktur<br />

zerfällt und der Staat<br />

sein Geld lieber für Kriege<br />

und die Unterstützung<br />

von Terroristen ausgibt,<br />

leben rund 45 Millionen<br />

Menschen von Lebensmittelmarken.<br />

Die fragile<br />

politische Lage des überholten<br />

Zweiparteiensystems<br />

erwies sich bei den<br />

jüngsten Budgetstreitigkeiten<br />

samt Government<br />

Shutdown, welche die<br />

"größte Wirtschaftsmacht<br />

der Welt" (die jedoch<br />

massiv auf Pump lebt)<br />

auch künftig noch in<br />

große politische Zerreißproben<br />

führen werden.<br />

Immer mehr zeigt sich,<br />

wie die Geldpolitik der<br />

Fed und das verantwortungslose<br />

Handeln der<br />

US-Politik lediglich der<br />

amerikanischen Finanzoligarchie<br />

dient, während<br />

die Mittelschicht zusehends<br />

zerbröselt und sich<br />

ein unvorstellbares Millionenheer<br />

von neuen Mitgliedern<br />

der Unterschicht<br />

bildet. Dies ist ein gewaltiger<br />

sozialer Sprengsatz,<br />

der das Land zu einem<br />

Herd politischer Unruhen<br />

machen wird.<br />

Von Marco Maier<br />

Infolge der massiven<br />

Verschuldung der USA,<br />

die lediglich durch ein um<br />

rund 30 Prozent aufgeblähtes<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

noch halb so dramatisch<br />

erscheint, sind substanzielle<br />

Reformen unumgänglich<br />

geworden.<br />

Das politische Establishment<br />

jedoch, welches<br />

dank des US-Wahlsystems<br />

von den Wahlkampfspenden<br />

der Finanzoligarchen<br />

lebt, kann<br />

und wird sich dieser Aufgabe<br />

nicht stellen können.<br />

Erst vor wenigen Monaten<br />

schrieb ich in meinem<br />

Buch "USA – Eine<br />

Supermacht zerfällt" über<br />

die Moral des politischen<br />

Establishments der USA,<br />

die nicht am Wohl der<br />

Bürger interessiert ist:<br />

„Welchen Politiker interessieren<br />

schon die Sicherheitsvorkehrungen<br />

auf Ölplattformen im<br />

Meer, oder das saubere<br />

Grundwasser, welches<br />

durch die Frackingtechnologie<br />

für Jahrhunderte<br />

verseucht wird, wenn er<br />

im Wahlkampf ein paar<br />

22


fette Schecks von diversen<br />

Ölkonzernen in die<br />

Hand gedrückt bekommen<br />

hat? Welcher Politiker<br />

interessiert<br />

sich schon für<br />

die möglichen<br />

Gesundheitsgefahren<br />

durch<br />

genmanipuliertes<br />

Essen, wenn<br />

Agrarkonzerne<br />

wie z.B.<br />

Monsanto mit<br />

dem Scheckbuch<br />

wedeln?<br />

Wollen Sie wirklich<br />

die Antwort<br />

wissen, oder<br />

haben Sie sich<br />

diese Fragen<br />

schon selbst beantwortet?<br />

Egal.<br />

Ich sage es Ihnen:<br />

Kaum ein<br />

Politiker in den<br />

Vereinigten<br />

Staaten schert<br />

sich wirklich<br />

darum. Das<br />

würde ja bedeuten,<br />

beim<br />

nächsten Wahlkampf<br />

womöglich<br />

zu wenig<br />

Geld einzusammeln,<br />

und dann durch<br />

einen willfährigeren Kontrahenten<br />

ins politische<br />

Abseits befördert zu werden.<br />

Aus diesem Grund<br />

müssen die amerikanischen<br />

Politiker auch<br />

großartige Verkaufstalente<br />

sein. Nicht nur, um<br />

das Volk für dumm zu<br />

verkaufen, sondern auch<br />

deshalb, weil sie jene<br />

Grafik: Fund for Peace<br />

Entscheidungen die für<br />

die breite Bevölkerung<br />

schlecht sind, als »große<br />

Chance« verkaufen müssen.<br />

Jawohl – unzureichende<br />

Sicherheitsvorkehrungen,<br />

das verseuchte<br />

Grundwasser<br />

durch Fracking, und natürlich<br />

tonnenweise genmanipuliertes<br />

Essen sind<br />

Chancen und keine Risiken.<br />

Zumindest keine Risiken,<br />

die man öffentlich<br />

eingestehen würde.“<br />

Die USA sind<br />

auf dem besten<br />

Wege hin zu einem<br />

"failed<br />

state", auch<br />

wenn sich das<br />

derzeit viele Menschen<br />

noch nicht<br />

vorstellen können.<br />

Ein gewaltiger<br />

militärischer<br />

Apparat schützt<br />

nicht vor dem<br />

Volkszorn, wie<br />

auch schon der<br />

(von den USA<br />

hochgerüstete)<br />

persische Schah<br />

damals feststellen<br />

musste. Die<br />

Frage ist nur,<br />

wann die US-Amerikaner<br />

endlich<br />

merken, wie viel<br />

Macht sie eigentlich<br />

besitzen und<br />

sich nicht von<br />

den angeblichen<br />

"Terrorgefahren"<br />

(welche vom Establishment<br />

selbst verursacht<br />

werden) einschüchtern<br />

lassen.<br />

23


Warnung oder Drohung: Cheney<br />

warnt vor neuen<br />

Terroranschlägen in den USA<br />

Im US-Radio warnte der ehemalige republikanische US-Vizepräsident<br />

Dick Cheney davor, dass den USA noch in diesem<br />

Jahrzehnt ein Terroranschlag bevorstehen würde,<br />

der jene vom 11. September 2001 weit in den Schatten stellen<br />

wird. Angesichts der zweifelhaften Rolle der Bush-Regierung bei<br />

den damaligen Vorgängen muss man sich die Frage stellen, ob<br />

dies eine Warnung oder gar eine Drohung ist.<br />

Während seiner Amtszeit<br />

als Vizepräsident bekleckerte<br />

sich Dick Cheney<br />

nicht gerade mit<br />

Ruhm. Eine der von ihm<br />

verbreiteten Lügen die<br />

zum Krieg gegen Saddam<br />

Hussein und den Irak<br />

führten, war das angebliche<br />

Atomprogramm. Davon<br />

abgesehen, dass er<br />

der Hauptkriegstreiber<br />

der damaligen Bush-Regierung<br />

war. Dass Cheney<br />

jedoch schon 2001 in<br />

einem Papier darauf hinwies,<br />

dass die USA die<br />

irakischen Ölfelder strategisch<br />

absichern müsse<br />

um noch im Jahr 2020<br />

genügend Erdöl zu erhalten,<br />

wird weitestgehend<br />

verschwiegen.<br />

In der "Hugh Hewitt<br />

Show" des gleichnamigen<br />

konservativen Radiomoderators<br />

antwortete Cheney<br />

auf dessen Frage, ob<br />

die USA dieses Jahrzehnt<br />

ohne Terroranschläge<br />

überstehen würde damit,<br />

dass er es bezweifle. "Ich<br />

denke, es wird einen weiteren<br />

Angriff geben",<br />

sagte Cheney zu Hewitt,<br />

"und nächstes Mal wird er<br />

weitaus tödlicher als<br />

beim letzten Mal sein.<br />

Stellen Sie sich vor, was<br />

passiert, wenn jemand<br />

einen atomaren Sprengsatz<br />

schmuggeln könnte,<br />

ihn in einen Schiffscontainer<br />

steckt und mit ihm<br />

dann auf die Ringautobahn<br />

um Washington<br />

fährt."<br />

Diese Worte muss man<br />

sich auf der Zunge zergehen<br />

lassen. Insbesondere<br />

deshalb, weil er von Kritikern<br />

der offiziellen 9/11-<br />

Theorie als wichtige<br />

Schlüsselperson in der<br />

Inszenierung der Anschläge<br />

auf das World<br />

Trade Center und das<br />

Pentagon genannt wird.<br />

Immerhin hatte er 3 Monate<br />

vor den Anschlägen<br />

24<br />

Von Marco Maier<br />

das Kommando des nordamerikanischen<br />

Luftverteidigungssystems<br />

übernommen<br />

und 3 Monate<br />

nach den Anschlägen<br />

wieder abgegeben. Ebenso<br />

wollte Bush jr. nur gemeinsam<br />

mit Cheney vor<br />

der Untersuchungskommission<br />

aussagen – und<br />

das ohne einen Eid ablegen<br />

zu müssen.<br />

Beinahe wäre man geneigt<br />

zu glauben, dass<br />

Cheney mit seiner Aussage<br />

sogar eine Art Blaupause<br />

für eine neue False-Flag-Operation<br />

geliefert<br />

hat. Doch, wer soll<br />

dieses Mal als Feind herhalten?<br />

Syrien, Iran oder<br />

Nordkorea gelten durchaus<br />

als denkbar. An Russland<br />

oder China werden<br />

sie sich (noch) nicht heranwagen.


Ukraine: Hilfe aus Russland nötig,<br />

aber unerwünscht<br />

Viel diplomatischer Kontakt besteht ja nicht zwischen<br />

Moskau und Kiew. Aber das russische Angebot abzulehnen,<br />

für die Ost-Ukraine humanitäre Hilfe zu leisten,<br />

war dem ukrainischen Außenamt dann doch eine Äußerung<br />

wert. „Am Samstag wurde eine Antwort-Note an die russische<br />

Seite gerichtet, in der auf die Unmöglichkeit verwiesen wird,<br />

diese ‚humanitäre Hilfe‘ entgegenzunehmen, weil nicht klar ist,<br />

wer der Endabnehmer dieser Sendung sein soll“, teilt das ukrainische<br />

Außenministerium mit. Dabei hatte Moskau sein Angebot<br />

keineswegs auf Donezk und Lugansk beschränkt, sondern es<br />

umfasst alle Gebiete, in denen sich viele Flüchtlinge aufhalten.<br />

Wer nicht will, hat<br />

schon, dürfte man sich<br />

in Moskau gedacht haben<br />

und schlug einen<br />

anderen Weg ein. Man<br />

setzte zwölf Lastzüge in<br />

Marsch, die über 90<br />

Tonnen Hilfsgüter von<br />

Noginsk bei Moskau<br />

nach Süden in Richtung<br />

Rostow am Don geladen<br />

hatten, hauptsächlich<br />

Nahrungsmittel und Gegenstände<br />

des täglichen<br />

Von Florian Stumfall<br />

Bedarfs. Diese gesamte<br />

Ladung wird nun weiter<br />

zur ukrainischen Grenze<br />

gebracht, wo sie auf<br />

dem Wege des kleinen<br />

Grenzverkehrs an die<br />

ukrainische Bevölkerung<br />

25


verteilt wird. So hat die<br />

Regierung in Kiew noch<br />

weniger Einfluss darauf,<br />

wer aus der Lieferung<br />

Nutzen ziehen wird und<br />

obendrein muss sie zusehen,<br />

wie auf ebenen<br />

Wegen, auf denen sie<br />

ständig in paranoider<br />

Weise russische Panzer<br />

die Seite wechseln sieht,<br />

Hilfsgüter für Menschen<br />

spendiert werden, die<br />

unter dem militärischen<br />

Angriff der Kiewer Armee<br />

zu leiden haben.<br />

Die Diskussion zwischen<br />

Moskau und Kiew<br />

über humanitäre Hilfe ist<br />

nicht neu. Schon im Mai<br />

hatte sich die ukrainische<br />

Regierung geweigert,<br />

Unterstützung anzunehmen.<br />

Das Moskauer<br />

Außenamt reagierte<br />

befremdet: „Das Außenministerium<br />

der Ukraine<br />

hat das Thema humanitäre<br />

Hilfe und die Leiden<br />

der Menschen in den<br />

östlichen Regionen der<br />

Ukraine, wo wegen der<br />

von Kiew eingeleiteten<br />

Militäroperation täglich<br />

Menschen sterben und<br />

die Zahl der Verletzten<br />

und Betroffenen weiter<br />

zunimmt, völlig ignoriert<br />

und ist zynisch auf die<br />

Situation auf der Krim<br />

eingegangen, die laut<br />

Meinung der ukrainischen<br />

Seite, die auf gewißen<br />

‚zahlreichen Signalen<br />

der Weltgemeinschaft‘<br />

basiert, angeblich<br />

‚am Rande einer humanitären<br />

Katastrophe<br />

steht‘“.<br />

26<br />

Im Hinblick darauf,<br />

dass Kiew die Kampfhandlungen<br />

gegen die<br />

Bevölkerung der östlichen<br />

Regionen der<br />

Ukraine weiter führe, so<br />

heißt es weiter, sei der<br />

Bedarf der Zivilisten an<br />

sofortiger humanitärer<br />

Hilfe weiterhin höchst<br />

aktuell. Ausgehend von<br />

den allgemein geltenden<br />

Normen der menschlichen<br />

Moral, rufe man<br />

die ukrainischen Behörden<br />

auf, dennoch Fragen<br />

der Hilfeleistung für diejenigen<br />

zu erörtern, die<br />

sie dringendst nötig hätten,<br />

so das russische<br />

Außenministerium.


US-Unternehmerverbände<br />

kritisieren Russland-<br />

Sanktionen<br />

In kurzen Abständen wird sowohl in Washington als auch<br />

in Brüssel und den nachgeordneten Hauptstädten über<br />

Sanktionen gegen Russland beraten und verhandelt, neue<br />

Ideen werden hervorgebracht, es wird damit gedroht und Druck<br />

ausgeübt. Doch mehr und mehr verspüren den Druck solche<br />

Adressaten, die eigentlich nicht gemeint waren.<br />

Die „United States<br />

Chamber of Commerce“<br />

und die „National Association<br />

of Manufacturers“<br />

(NAM) sind einer Meinung:<br />

Würden weitere<br />

US-Sanktionen gegen<br />

Russland wirksam, so<br />

wäre das zum Schaden<br />

amerikanischer Hersteller<br />

und zum Nutzen ihrer<br />

Konkurrenten, die man<br />

kurioserweise in Europa<br />

vermutet. Diese Befürchtung<br />

äußerten die beiden<br />

Verbände nun in einer<br />

gemeinsamen Stellungnahme.<br />

Wenn dem Präsidenten<br />

Obama die Politik der<br />

Russen nicht gefalle, so<br />

der Tenor, so solle er damit<br />

die Geschäftswelt<br />

unbehelligt lassen. Der<br />

NAM gehören <strong>14</strong>.000<br />

führende Unternehmen<br />

an, die insgesamt mehr<br />

als zwölf Millionen Menschen<br />

beschäftigen.<br />

Neben der Mahnung<br />

an den eigenen Präsidenten<br />

beinhaltet der<br />

Aufruf also auch ein gehöriges<br />

Misstrauen in die<br />

Europäer. Es heißt, diese<br />

würden kein „drittes Paket“<br />

von Sanktionen auflegen,<br />

sondern zuerst<br />

die Amerikaner vorpreschen<br />

lassen und sich<br />

selbst im Hintergrund<br />

halten, um dann eine<br />

bessere Position auf dem<br />

Markt zu haben.<br />

Von Florian Stumfall<br />

Endgültig heikel, meint<br />

Juri Solosobow vom russischen<br />

„Institut für nationale<br />

Strategie“, würde<br />

die Frage nach Sanktionen<br />

dann, wenn der<br />

Energiesektor ins Spiel<br />

käme. „Solche Sanktionen<br />

würden Europa<br />

einen Schaden von rund<br />

einer Billion Euro zufügen,<br />

wenn man alle Folgen<br />

mitrechnet. Die<br />

USA, die eine Freihandelszone<br />

mit einem<br />

schwachen Partner gründen<br />

wollen, würden zwar<br />

davon profitieren, doch<br />

die EU begreift, dass<br />

man sie dadurch in die<br />

Knie zwingt.“ Vielleicht.<br />

Doch die Frage ist, ob<br />

sie sich dagegen wehrt.<br />

27


Der ukrainische Interimspremierminister Arsenij Jazenjuk. Bild: Amt der<br />

ukrainischen Regierung<br />

EU-Assoziierungsabkommen: Aus<br />

für Zollfreiheit zwischen<br />

Ukraine und Russland<br />

Es droht das Ende mit der Zollfreiheit für Exporte nach<br />

Russland, sollte die Ukraine das Freihandelsabkommen<br />

mit der Ukraine unterschreiben. So lautet die klare<br />

Botschaft Wladimir Putins an die ukrainische Interimsregierung.<br />

Gründe für diese Entscheidung gibt es einige.<br />

Von Daniela Disterheft<br />

„Daraus könnten zwar<br />

ein paar ökonomische<br />

Probleme für uns entstehen,<br />

aber wir sehen uns<br />

nicht in der Lage, die<br />

Zollfreiheit für ukrainische<br />

Importe zu garantieren.“<br />

erklärte das russische<br />

Staatsoberhaupt<br />

am späten Mittwoch vergangener<br />

Woche während<br />

einer Sitzung zum<br />

Thema landwirtschaftliche<br />

Entwicklung. In erster<br />

Linie bedeute das<br />

eine Verringerung des<br />

Imports landwirtschaftlicher<br />

Produkte erklärte<br />

Putin. Hinzu kommt der<br />

Umstand, dass EU-Firmen<br />

die Ukraine als<br />

28


Transitland nutzen könnten,<br />

um nach einer Umdeklarierung<br />

die Waren<br />

zollfrei nach Russland zu<br />

senden.<br />

Wie berichtet, planen<br />

die EU und die Ukraine<br />

am 27.06.20<strong>14</strong> auf dem<br />

EU-Gipfel in Brüssel ein<br />

Freihandels- und Assoziierungsabkommen<br />

zu<br />

unterzeichnen. Dieser<br />

Schritt würde die Handelsbeziehungen<br />

zwischen<br />

Russland und der<br />

Ukraine noch stärker belasten,<br />

welche gerade<br />

erst durch die Entscheidung<br />

Russlands, die Belieferung<br />

des ukrainischen<br />

Gaskonzern Naftogaz<br />

nur noch per Vorkasse<br />

durchzuführen,<br />

erschüttert wurden.<br />

Der politische Teil des<br />

Abkommens zwischen<br />

Europa und der Ukraine<br />

wurde bereits am 21.<br />

März unterzeichnet. Der<br />

wirtschaftliche Teil beinhaltet,<br />

dass die Ukraine<br />

zollfreien Zugang zum<br />

EU-Markt sowie zu europäischen<br />

Waren bekommt.<br />

Dies wird, so<br />

kalkuliert die EU, die Investitionen,<br />

den Handel<br />

und den Zufluss von Arbeitskräften<br />

verstärken.<br />

Derzeit beträgt die<br />

durchschnittliche Arbeitslosenquote<br />

in der<br />

Europäischen Union 12<br />

Prozent.<br />

Das Assoziierungsabkommen<br />

mit der EU war<br />

der Hauptgrund für die<br />

gewaltigen Unruhen,<br />

welche die Ukraine seit<br />

einem halben Jahr erschüttern.<br />

Gleich nachdem<br />

der damalige Präsident<br />

Janukowitsch die finale<br />

Entscheidung – Assoziierungsabkommen<br />

ja<br />

oder nein – verschoben<br />

hatte, stürmten die<br />

Menschen den Maidan.<br />

Janukowitsch hatte damals<br />

erklärt, Zeit zu<br />

brauchen um die tatsächlichen<br />

Gewinne und<br />

Verluste, die mit einem<br />

solchen Abkommen für<br />

die Ukraine einhergehen<br />

würden, zu überdenken.<br />

Was tatsächlich geschehen<br />

wird, kann sich<br />

jeder an zehn Fingern<br />

abzählen: Die EU wird<br />

die Ukraine mit ihren<br />

Waren überschwemmen.<br />

Das wird dazu führen,<br />

dass die Ukrainer die eigenen<br />

Waren im eigenen<br />

Lande im Regal stehen<br />

lassen. Die Arbeitslosigkeit<br />

wird rapide steigen,<br />

da die Ukraine hauptsächlich<br />

Agrarprodukte<br />

exportiert. In der EU<br />

wird aber auch niemand<br />

ukrainische Produkte anrühren.<br />

Die Ukrainer<br />

werden weiterhin, noch<br />

stärker als jetzt, fluchtartig<br />

das Land verlassen,<br />

weil sie nicht mehr<br />

wissen, wovon sie im eigenen<br />

Land leben sollen,<br />

und in Europa werden<br />

sie als Billiglöhner ausgebeutet<br />

werden.<br />

Oh, Ukraine! Wenn du<br />

einst erkennst, was deine<br />

Regierenden dir angetan<br />

haben.<br />

29


Ukraine: Das perfide Spiel der<br />

USA gegen Russland<br />

Je länger der ukrainische Bürgerkrieg anhält, umso dringlicher<br />

ist es, sich dann und wann vor Augen zu führen, dass<br />

es die USA waren, die das Land ins Unglück gestoßen haben.<br />

Denn obwohl es unmissverständliche Bekundungen dazu<br />

gibt – Victoria Nuland: „Wir haben fünf Milliarden Dollar investiert“<br />

– gelingt es der US-Propaganda und den ihr angeschlossenen<br />

Medien in Europa in gewissem Umfang, Russland die Schuld<br />

zuzuschieben. Dieses Vorgehen unverfroren zu nennen, scheint<br />

nicht übertrieben. US-Präsident Obama führt die Propaganda an<br />

und treibt sie gnadenlos weiter.<br />

In einem Telefongespräch<br />

mit Russlands<br />

Präsidenten Putin erklärte<br />

Obama, die USA<br />

könnten den Druck auf<br />

Russland erhöhen, wenn<br />

sich die Lage in der<br />

Ukraine nicht bessere<br />

und Putin nicht seine<br />

„persönliche Autorität“<br />

zur Regelung der Krise<br />

nutze, so ein Sprecher<br />

des Weißen Hauses.<br />

Der Sprecher führte<br />

fort: „Obama rief Putin<br />

erneut auf, den Frieden<br />

aufrechtzuerhalten anstatt<br />

Lieferungen von<br />

Waffen und Kampftechnik<br />

durch die Grenze zuzulassen<br />

und Separatisten<br />

zu unterstützen, die<br />

die Situation in der Region<br />

destabilisieren.<br />

Russland wird einen zusätzlichen<br />

Preis zahlen<br />

müssen, wenn wir keine<br />

konkreten Maßnahmen<br />

zu einer Deeskalation<br />

der Situation sehen.“<br />

Auch das US-Außenministerium<br />

hat Russland<br />

zum wiederholten<br />

Mal vorgeworfen, den<br />

Volksmilizen im Osten<br />

der Ukraine schwere Militärtechnik<br />

zu liefern.<br />

Und zum wiederholten<br />

Male sahen sich die<br />

amerikanischen Offiziellen<br />

nicht im Stande, für<br />

ihren Vorwurf auch Beweise<br />

zu erbringen. Es<br />

blieb bei der Behauptung<br />

des Außenamtes,<br />

Russland liefere über<br />

seine südwestlichen Regionen<br />

Panzer und<br />

Mehrfachraketenwerfer,<br />

insbesondere BM-21<br />

Grad, an die ukrainischen<br />

Aufständischen.<br />

US-Außenamts-Sprecherin<br />

Harf sagte: „Wir<br />

30<br />

Von Florian Stumfall<br />

sehen Zeugnisse für<br />

eine Fortsetzung der<br />

russischen militärischen<br />

Unterstützung von Separatisten<br />

und eine neue<br />

Aufstockung russischer<br />

Streitkräfte an der Grenze.“<br />

Gefragt, ob es Beweise<br />

dafür gebe, dass<br />

die russische Waffen die<br />

Grenze passierten, antwortete<br />

die Sprecherin:<br />

„Ich werde mit Vergnügen<br />

die jüngsten Angaben<br />

überprüfen und präzisieren.“


Konstruktive Diplomatie:<br />

Wladimir Putin besucht Wien<br />

Auf Einladung des österreichischen Bundespräsidenten<br />

Heinz Fischer, ist der russische Präsident Wladimir Putin<br />

morgen zu Gast in Wien. Hierbei handelt es sich um<br />

einen Arbeitsbesuch, der Gelegenheit zur Erörterung vielfältigster<br />

Fragen geben soll. So zum Beispiel aus dem Bereich der bilateralen<br />

Zusammenarbeit sowie die Behandlung aktueller internationaler<br />

Probleme.<br />

Hauptsächlich<br />

jedoch, so meinen<br />

Experten, dürfte<br />

es um die aktuellen<br />

Entwicklungen<br />

in der Ukrainekrise<br />

gehen. Russland<br />

schätzt die österreichischen<br />

Behörden<br />

als um ein<br />

vielfaches neutraler<br />

als deren westlichen<br />

Kollegen<br />

ein. Offiziell verurteilte<br />

Präsident Fischer,<br />

wie die gesamte<br />

EU-Politelite,<br />

den Beitritt der<br />

Krim zu Russland.<br />

Später verwies<br />

Fischer darauf,<br />

dass Russland und<br />

die Ukraine auf<br />

eine gemeinsame Geschichte<br />

blickten, die<br />

sich über einhundert<br />

Jahre erstrecke. Diese<br />

Verbindung komme besonders<br />

im Osten der<br />

Ukraine zum Ausdruck.<br />

Der Westen wünsche<br />

Putin und Fischer. Bild: Kreml<br />

sich eher eine Annäherung<br />

an die Europäische<br />

Union. Noch vor dem<br />

Krim-Referendum hatte<br />

Fischer die Partner in der<br />

EU vor Sanktionen gegen<br />

Russland gewarnt.<br />

31<br />

Von Daniela Disterheft<br />

Der österreichische<br />

Außenminister<br />

Sebastian<br />

Kurz merkte<br />

am Montag an,<br />

dass neben allen<br />

"notwendigen<br />

Sanktionen" gegen<br />

Russland<br />

Gesprächskanäle<br />

offengehalten<br />

werden müssten.<br />

Auch verteidigte<br />

der Außenminister<br />

das<br />

Pipelineprojekt<br />

„South Stream“<br />

mit Russland.<br />

Österreichische<br />

Politologen betonen,<br />

dass Österreich<br />

selbst<br />

sehr an russischem<br />

Geld interessiert<br />

sei. Russland ist einer<br />

der wichtigsten österreichischen<br />

Handelspartner.<br />

Im Vorjahr erreichte der<br />

Warenumsatz beider<br />

Länder einen Wert von<br />

7,5 Milliarden Euro. Doch


Russlands Präsident Putin auf Besuch in Wien. Bild: Kreml<br />

auch Washington setzt<br />

Österreich unter Druck.<br />

In der Bevölkerung jedoch<br />

regt sich auch Widerstand<br />

gegen den Besuch<br />

des russischen<br />

Staatsoberhauptes. So<br />

ist für morgen eine Anti-<br />

Putin-Demonstration geplant,<br />

die um 13:00 Uhr<br />

vom Heldenplatz aus<br />

starten wird. Der grundlegende<br />

Tenor dieser<br />

Protestveranstaltung lautet:<br />

„Für Russland und<br />

die Ukraine ohne Putin“<br />

„Stopp der Falschmeldungen<br />

der russischen<br />

Medien über die Ukraine“<br />

„Wir lieben die Russen<br />

aber nicht Putin“ „Gazprom<br />

finanziert Terroristen!“<br />

„Österreich, hast<br />

du den Schrecken der<br />

Besatzung schon vergessen?“<br />

Die Demonstration<br />

soll um 19:00 Uhr enden.<br />

Auch die österreichischen<br />

Grünen kritisieren<br />

Putins Besuch in<br />

Wien und Bezeichnen die<br />

Einladung Fischers als<br />

das falsche Signal.<br />

Kritik kommt auch von<br />

außerhalb. Der schwedische<br />

Außenminister Carl<br />

Bildt monierte, dass der<br />

Kontakt zu Russland eine<br />

Sache der EU-Institutionen<br />

sei und kein EU-<br />

Land solche Staatsbesuche<br />

alleine durchführen<br />

sollte. Der interimistische<br />

Außenminister der<br />

Ukraine, Pawel Klimkin,<br />

der morgen ebenfalls in<br />

Wien sein wird, forderte<br />

die österreichische Politik<br />

dazu auf, Druck auf den<br />

russischen Präsidenten<br />

auszuüben.<br />

32


Poroschenko: Eile mit Plan B<br />

Wahrscheinlich war dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko<br />

von vornherein klar, dass die abtrünnigen<br />

Gebiete im Osten des Landes samt ihren Volksmilizen<br />

nicht auf seinen Friedensplan eingehen würden. Er ist mehr Drohung<br />

als Angebot, und dass er ihn selbst nicht ernst nimmt, zeigt<br />

sich darin, dass das ukrainische Militär während der ganzen Woche,<br />

die der Waffenstillstand hätte gelten sollen, nicht aufgehört<br />

hat, Milizen wie Zivilisten zu beschießen und zu bombardieren.<br />

Die Frage, was Poroschenko<br />

mit einem Friedensplan<br />

wollte, an den<br />

er sich selbst nicht hielt,<br />

ist leicht beantwortet. Er<br />

war ein Vorwand dafür,<br />

dass man nach dem absehbaren<br />

Scheitern den<br />

eigentlich bevorzugten<br />

Plan B in Kraft setzen<br />

konnte. „Das Friedensszenario<br />

ist unser Plan<br />

A“, hatte Poroschenko<br />

angekündigt. „Diejenigen,<br />

die die Friedensgespräche<br />

lediglich dazu<br />

ausnutzen wollen, Zeit<br />

zu gewinnen und Kräfte<br />

umzugruppieren, die<br />

müssen wissen, dass wir<br />

einen detaillierten Plan B<br />

haben.“ Auf diesen wollte<br />

er nicht genauer eingehen,<br />

denn er nehme<br />

an, dass sein Friedensplan<br />

funktioniere, so seine<br />

Erklärung. Na ja.<br />

Um den Plan B bekannt<br />

zu machen,<br />

schickte Poroschenko<br />

seinen Berater Luzenko<br />

vor, der einst Innenminister<br />

in der Regierung<br />

Timoschenko gewesen<br />

war. „Wer den Waffenstillstand<br />

bricht, bekommt<br />

eine bewaffnete<br />

Antwort“, sagte er und<br />

fuhr fort: „Wenn Donbass<br />

die von der ukrainischen<br />

Regierung gereichte<br />

Hand nicht annimmt,<br />

müssen wir zu<br />

der Sprache greifen, die<br />

sie hören wollen“. Dass<br />

er damit nicht zu warten<br />

gedenkt, zeigte Poroschenko<br />

bei einem Telefonat<br />

mit US-Vizepräsidenten<br />

Biden. Er klagte,<br />

die Volksmilizen hätten<br />

schon dutzende Male die<br />

Waffenruhe verletzt. Damit<br />

ist die Legitimität<br />

von Poroschenkos Plan B<br />

sozusagen notariell hinterlegt,<br />

mit Biden als<br />

Zeugen.<br />

Damit sie auch dabei<br />

ist, und sich die von ihre<br />

vertretene EU gegenüber<br />

dem Washingtoner<br />

33<br />

Von Florian Stumfall<br />

Fähnleinführer botmäßig<br />

zeigt, erklärte auch die<br />

EU-Außenbeauftragte<br />

Ashton: „Unterstützung<br />

für das, was Präsident<br />

Poroschenko versucht zu<br />

tun, ist sehr wichtig.<br />

Ruhe und Friede sind<br />

nötig für die Zukunft des<br />

Landes – nicht nur aus<br />

offensichtlichen Gründen,<br />

um dem Tod und<br />

der Verwundung von<br />

Menschen vorzubeugen,<br />

sondern auch dafür,<br />

dass das Land sich vorwärts<br />

bewegen kann.“<br />

Dann wird ja alles gut<br />

werden.


Kiew kündigt “Filtrationslager”<br />

in Ostukraine an<br />

Michail Kowal, der stellvertretende Verteidigungsminister<br />

der Ukraine, erläutert zu diesem Vorhaben in unten<br />

eingebundenem Video, dass „die vollständige Filtration<br />

von Menschen vorgenommen“ werde. Dort soll, so Kowal, festgestellt<br />

werden, wer von ihnen Verbrechen auf ukrainischem Territorium<br />

begangen habe.<br />

Doch während Kowal<br />

offen zugibt, dass diese<br />

Lager für Seperatisten<br />

und andere Regierungsgegner<br />

gebaut werden,<br />

scheinen die Bauleiter<br />

und Mitarbeiter der<br />

Baufirmen nicht wirklich<br />

zu wissen, wofür diese<br />

Komplexe errichtet werden.<br />

Illegale Immigranten<br />

dürfte es in der<br />

Ukraine, aus der zehntausende<br />

Menschen<br />

nach Russland fliehen,<br />

nämlich kaum welche<br />

geben.<br />

Frage: „Wozu errichtet<br />

man eine solche Betonmauer<br />

mit Stacheldraht?“<br />

(Dieses Lager<br />

befindet sich auf dem<br />

Gelände des ehemaligen<br />

Militärstandortes N 19)<br />

Antwort auf die Frage:<br />

„Der Auftraggeber ist<br />

das Innenministerium<br />

der Ukraine. Der Geldgeber<br />

ist die Europäische<br />

Union. Die Bauabnahme<br />

findet im Sommer<br />

20<strong>14</strong> statt.“<br />

Ein Schild ist zu sehen.<br />

Aufschrift: Unbefugten<br />

ist der Zutritt<br />

verboten. Die Fragestellerin<br />

dieses Videos sagt:<br />

„Die Tür ist zu. Machen<br />

sie uns bitte die Tür<br />

auf! Was wird hier gebaut?<br />

Was ist das für<br />

ein Geheimprojekt?“ Erklärung<br />

aus dem Off:<br />

„Hinter der Mauer befinden<br />

sich auch Baracken,<br />

in denen Demonstranten<br />

aus den Gebieten<br />

Donbass und Lugansk<br />

untergebracht werden<br />

sollen.“<br />

Die Fragestellerin aus<br />

dem Video wird eingelassen.<br />

Sie fragt: „Wer<br />

sind sie? Einer der Bauleiter?<br />

Sind sie aus der<br />

Türkei?“ Antwort des<br />

Mannes: „Ja.“ Fragestellerin:<br />

„Wir würden<br />

gerne wissen, was hier<br />

für ein Objekt gebaut<br />

Von Daniela Disterheft<br />

wird.“ Antwort des Mannes:<br />

„Es gibt unterschiedliche<br />

Berichte<br />

diesbezüglich. Ich zeige<br />

es ihnen. Das Objekt<br />

wird für illegale Immigranten<br />

gebaut.“ Die<br />

Fragestellerin: „Für illegale<br />

Immigranten?“<br />

Mann: „Ja.“ Fragestellerin:<br />

„Wer ist der Auftraggeber?<br />

Das Innenministerium?<br />

Dort hängt<br />

aber die Flagge der Europäischen<br />

Union.“<br />

Mann: „Korrekt. Die Europäische<br />

Union finanziert<br />

das Projekt.“<br />

Fragestellerin: „Welches<br />

Interesse hat die<br />

Europäische Union an<br />

der Errichtung eines<br />

solchen Lagers?“ Mann:<br />

„Diese Frage kann ich<br />

innen nicht beantworten.<br />

Ich bin nur Auftragsausführender.“<br />

Fragestellerin:<br />

„Also es<br />

wird hier ein Objekt für<br />

illegale Migranten ge-<br />

34


aut? Werden diese<br />

Leute dann deportiert<br />

oder bleiben die hier?“<br />

Mann: „Kommen sie<br />

mit, ich zeige es ihnen.“<br />

Stimme aus dem Off:<br />

„Es stellt sich die Frage:<br />

Wozu investiert man<br />

Gelder in ein Lager für<br />

Migranten? Und das bei<br />

der herrschenden Armut<br />

und inmitten der Zerrüttung<br />

der Ukraine? Denn<br />

die Ukraine ist nicht Sizilien<br />

oder Lampedusa,<br />

wo sich tausende afrikanischer<br />

Flüchtlinge aufhalten.“<br />

Fragestellerin: „Wie<br />

viele Flüchtlinge werden<br />

in einer Zelle untergebracht<br />

werden?“ Mann:<br />

„ Entsprechend den Bestimmungen<br />

– ein bis<br />

zwei Personen. Hier<br />

wird es auch Turnhallen<br />

geben.“ Fragestellerin:<br />

„Wie viele Räume wird<br />

es in diesem Gebäude<br />

geben?“ Mann: „Das<br />

kann ich ihnen nicht sagen.“<br />

Fragestellerin:<br />

„Werden Metalltüren<br />

eingebaut?“ Mann: „Es<br />

gibt Metalltüren und<br />

welche aus Holz. Die<br />

Leute werden hier eine<br />

gute Lebensqualität haben.“<br />

35


Kiew will 49 Prozent seines<br />

Gastransportsystems an US- und<br />

EU-Investoren übergeben<br />

Mit dem Teilverkauf des ukrainischen Pipelinesystems<br />

dürften die USA sowie die EU eines ihrer strategischen<br />

Hauptziele erreichen. Was hat die Ukraine noch zu geben,<br />

das man seitens des Westens ausbeuten könnte?<br />

Am 27. Juni soll, im<br />

Rahmen des EU-Gipfels,<br />

das Assoziierungsabkommen<br />

zwischen der<br />

EU und der Ukraine unterzeichnet<br />

werden. 49<br />

Prozent des ukrainischen<br />

Gastransportsystems<br />

gibt es dazu obendrauf.<br />

Und Russland ist jener<br />

Staat, der mit diesen<br />

Aktionen getroffen werden<br />

soll. Ein entsprechender<br />

Gesetzentwurf<br />

wurde inzwischen im<br />

ukrainischen Parlament<br />

eingebracht.<br />

Eine ganze Reihe von<br />

Gesetzen mussten hierfür<br />

vorab geändert werden.<br />

Der genaue Wortlaut<br />

all dieser Änderungen<br />

ist auf der Webseite<br />

der Obersten Rada, dem<br />

ukrainischen Parlament,<br />

zu finden. Der Betreiber<br />

darf demzufolge Ferngasleitungen<br />

sowie<br />

Gasspeicher zur Pacht,<br />

in Verwaltung und, bzw.<br />

oder per Konzession befristet<br />

weitergeben. Ein<br />

Verkauf ist jedoch ausgeschlossen.<br />

Sollte der Gesetzesentwurf<br />

angenommen<br />

werden, ist es der ukrainischen<br />

Regierung darüber<br />

hinaus gestattet,<br />

einen weiteren, gesonderten<br />

Betreiber für die<br />

unterirdischen Gasspeicher<br />

einzusetzen. Ukrainischen<br />

sowie US-Investoren<br />

ist es hierbei<br />

ebenfalls möglich, bis zu<br />

49 Prozent zu erhalten.<br />

Am Mittwoch wurde zusätzlich<br />

ein weiterer Gesetzesentwurf<br />

vorgelegt.<br />

Dieser betrifft die<br />

Möglichkeit der Verhängung<br />

eines Ausnahmezustandes<br />

im Energiebereich.<br />

Die Möglichkeit<br />

zur Verhängung eines<br />

Ausnahmezustandes in<br />

puncto Energieversorgung,<br />

ist als direkte Reaktion<br />

auf die Umstellung<br />

des ukrainischen<br />

Gaskonzerns Naftogaz,<br />

auf ein Vorkassesystem<br />

und die Einstellung der<br />

36<br />

Von Daniela Disterheft<br />

russischen Gaslieferungen<br />

zu verstehen.<br />

In Bezug auf das Gastransportsystem<br />

betonte<br />

der ukrainische Premier<br />

Arsenij Jazenjuk<br />

mehrfach, dass die<br />

Ukraine bereit sei, mit<br />

den USA sowie mit der<br />

EU über einen gemeinsamen<br />

Betrieb, die Modernisierung<br />

und Investitionen<br />

seitens der Partner<br />

zu verhandeln. Er<br />

teilte mit, dass den USA<br />

und der Europäischen<br />

Union bereits eine Reihe<br />

von Angeboten unterbreitet<br />

wurden.


Europas Krise ist<br />

noch lange nicht<br />

vorbei<br />

37


Spanien: Staatsschulden steigen<br />

20<strong>14</strong> auf 99,5 Prozent des BIP<br />

Spanien leidet nach wie vor unter den Folgen der Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise, die sich in dem westeuropäischen<br />

Land vor allem in Form einer geplatzten Immobilienblase<br />

bemerkbar machte. So lange die Zinsen niedrig sind, ist<br />

die Refinanzierung stemmbar – doch wehe, die Zinssätze steigen<br />

wieder an.<br />

Die spanische Staatsverschuldung<br />

erreichte<br />

im ersten Quartal 20<strong>14</strong><br />

einen Rekordwert von<br />

96,8 Prozent der nationalen<br />

Wirtschaftsleistung –<br />

bis zum Ende des Jahres<br />

dürfte ein Wert von 99,5<br />

Prozent erreicht werden.<br />

Konnte der Schuldenberg<br />

– zumindest im Vergleich<br />

zum Bruttoinlandsprodukt<br />

– zwischen 1997<br />

und 2008 stets verringert<br />

38<br />

Von Marco Maier<br />

werden, verzeichnet<br />

das<br />

von der Krise<br />

schwer getroffene<br />

Land<br />

seitdem einen<br />

sprunghaften<br />

Anstieg.<br />

Dies ist<br />

verständlich,<br />

zumal die<br />

spanische<br />

Wirtschaftsleistung<br />

in<br />

den Jahren<br />

zuvor lediglich<br />

durch die<br />

auf Pump<br />

hochgepushte<br />

Bauwirtschaft<br />

aufgebläht<br />

wurde. Von<br />

Nachhaltigkeit<br />

und wirtschaftlicher<br />

Diversifizierung war nicht<br />

viel zu sehen, was sich<br />

jetzt umso mehr bemerkbar<br />

macht.<br />

In absoluten Zahlen<br />

steigt die spanischen<br />

Staatsverschuldung oh-


nehin schon unablässig<br />

an. Bis zum Jahr 2007<br />

nur leicht, danach mit<br />

deutlichen Sprüngen auf<br />

etwa das Zweieinhalbfache<br />

der Summe von<br />

2007. Inzwischen wurde<br />

die Eine-Milliarde-Euro-<br />

Grenze erreicht.<br />

Allein an ausstehenden<br />

Anleihen sind derzeit<br />

rund 458 Milliarden Euro<br />

auf den Finanzmärkten<br />

ausgegeben worden. Davon<br />

werden in den kommenden<br />

fünf Jahren fast<br />

194 Milliarden Euro fällig,<br />

so dass Madrid diese<br />

Schuldtitel neu refinanzieren<br />

– und auf weiter<br />

niedrige Zinsen hoffen -<br />

muss um keine<br />

Staatspleite zu riskieren.<br />

39<br />

Spaniens Glück ist die<br />

Stabilisierung der Wirtschaft.<br />

Im ersten Quartal<br />

20<strong>14</strong> konnte das Land<br />

gegenüber dem Vorjahresquartal<br />

zumindest ein<br />

kleines Plus von 0,4 Prozent<br />

schaffen. Wie nachhaltig<br />

diese Entwicklung<br />

ist, muss sich jedoch erst<br />

noch zeigen, zumal die<br />

Arbeitslosigkeit offiziell<br />

immer noch bei 25,2 Prozent<br />

liegt.


EU-Schulden: Italien will<br />

Verschuldung weiter vorantreiben<br />

Wenn der italienische Premierminister Matteo Renzi am<br />

1. Juli die Präsidentschaft im EU-Ministerrat übernimmt,<br />

möchte er die EU so umkrempeln wie er es<br />

seiner Ansicht nach mit Italien tat. Dafür verlangt er, dass sich<br />

die Staaten höher verschulden dürfen. Dies ist langfristig ein gefährlicher<br />

Weg.<br />

Die Erkenntnis, dass<br />

eine hohe Verschuldung<br />

Staaten gegenüber ihren<br />

Geldgebern erpressbar<br />

macht, sowie einen nicht<br />

unerheblichen Teil der<br />

Steuerleistung von Bürgern<br />

und<br />

Unternehmen<br />

zu<br />

den Kapitalgebern<br />

umverteilt,<br />

scheint in<br />

Italien und<br />

manch anderen<br />

Ländern<br />

der<br />

Europäischen<br />

Union<br />

noch<br />

nicht angekommen<br />

zu sein. Eine nach<br />

wie vor existente Schuldenkrise<br />

mit noch mehr<br />

Schulden lösen zu wollen,<br />

ist ein sehr gewagtes Unterfangen.<br />

Einerseits sollte es<br />

auch dem letzten Keynesianer<br />

klar geworden<br />

sein, dass staatliche Konjunkturprogramme<br />

angesichts<br />

der offenen Märkte<br />

nur sehr marginale Effekte<br />

haben. Andererseits<br />

führte die Wirtschafts-,<br />

Finanz- und Sozialpolitik<br />

Italiens Premierminister Matteo Renzi.<br />

Bild: Flickr / liquene CC-BY 2.0<br />

der letzten Jahre dazu,<br />

dass große Teile der Bevölkerung<br />

der Verelendung<br />

anheim fielen. Teilweise<br />

selbst verschuldet,<br />

da sie stets Politiker<br />

wählten die ihre Wahlgeschenke<br />

mit Schulden bezahlten.<br />

40<br />

Von Marco Maier<br />

Nun erklärte Renzi<br />

kürzlich: „Unsere Regierung<br />

will unterstreichen,<br />

dass die Politik des Rigorismus<br />

und der Austerität<br />

nichts gebracht hat und<br />

für beendet erklärt werden<br />

muss.“<br />

Doch von<br />

wirklicher<br />

Sparsamkeit<br />

der öffentlichen<br />

Haushalte<br />

ist in<br />

den<br />

meisten<br />

Krisenstaaten<br />

nicht viel zu sehen. Seit<br />

Ausbruch der Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise<br />

2008 liegen die staatlichen<br />

Ausgaben im Vergleich<br />

zur Wirtschaftsleistung<br />

durchwegs höher als<br />

zuvor. Auch wenn die<br />

Wirtschaftsleistung in ei-


nigen Ländern sank, so<br />

ist dies eine unverkennbare<br />

Tatsache.<br />

Italien selbst dürfte<br />

den Verschuldungsgrad in<br />

diesem Jahr von 132,6<br />

auf 135,2 Prozent des<br />

Bruttoinlandsprodukts<br />

steigern. Bei einer Einnahmenquote<br />

von rund<br />

47,7 Prozent des BIP bedeutet<br />

dies gar eine tatsächliche<br />

Verschuldung in<br />

Höhe von 283,5 Prozent<br />

der Einnahmen. Zum Vergleich:<br />

In der gesamten<br />

EU belief sich der Schuldenstand<br />

im Jahr 2013<br />

auf 87,1 Prozent des BIP,<br />

was bei einer Einnahmenquote<br />

von 45,7 Prozent<br />

einen tatsächlichen Grad<br />

der Verschuldung von<br />

etwa 190,5 Prozent ergab.<br />

Insgesamt sind die 28<br />

EU-Staaten mit 11,39 Billionen<br />

Euro verschuldet,<br />

darunter die Eurozone<br />

mit 8,89 Billionen Euro.<br />

Das sind gewaltige Summen,<br />

die von den Steuerzahlern<br />

jährlich ihren Tribut<br />

in Form von Zinsen<br />

fordern. Eine Ausweitung<br />

der Verschuldung, wie sie<br />

Renzi vorschlägt, wäre<br />

keine Trendwende für die<br />

wirtschaftliche Entwicklung,<br />

zumal das Zinsniveau<br />

nicht ewig so niedrig<br />

bleiben wird, und die<br />

Belastung der Staatshaushalte<br />

in Sachen<br />

Schuldendienst ohnehin<br />

schon eine tickende Zeitbombe<br />

ist. Jedes Prozent<br />

mehr bei den Zinssätzen<br />

kostet die Steuerzahler<br />

schlussendlich - aufgrund<br />

der Zinseszinsen mit steigender<br />

Tendenz - 1<strong>14</strong><br />

Millionen Euro im Jahr.<br />

Geld, welches entweder<br />

durch neue Steuern oder<br />

durch Sparmaßnahmen<br />

aufgebracht werden<br />

muss, wenn man sie<br />

nicht mit neuen Krediten<br />

begleichen will.<br />

41


EU-Gipfel: Juncker nominiert –<br />

Cameron droht mit “Brexit”<br />

Das Theater rund um die Ernennung des neuen EU-Kommissionschef<br />

erreicht einen vorläufigen Höhepunkt. Mit<br />

der Nominierung Jean-Claude Junckers zieht Brüssel<br />

den Zorn der Briten auf sich. Der britische Premierminister David<br />

Cameron könnte nun einen Schlussstrich ziehen.<br />

Nun ist es fix. Auf<br />

dem heutigen EU-Gipfel<br />

wurde der luxemburgische<br />

Christdemokrat<br />

Jean-Claude Juncker<br />

(jener mit dem berühmten<br />

Satz: "Wir beschließen<br />

etwas, stellen das<br />

dann in den Raum und<br />

warten einige Zeit ab,<br />

was passiert. Wenn es<br />

dann kein großes Geschrei<br />

gibt und keine<br />

Aufstände, weil die<br />

meisten gar nicht begreifen,<br />

was da beschlossen<br />

wurde, dann<br />

machen wir weiter –<br />

Schritt für Schritt, bis es<br />

kein Zurück mehr gibt.")<br />

als neuer Chef der EU-<br />

Kommission nominiert.<br />

Sehr zum Missfallen des<br />

britischen Premierministers.<br />

Jean-Claude Juncker<br />

habe, so David Cameron<br />

bei seiner Ankunft beim<br />

EU-Gipfel, in seinem<br />

ganzen Arbeitsleben<br />

entscheidend dafür gesorgt,<br />

"die Macht von<br />

Brüssel zu stärken und<br />

die Macht der Mitgliedstaaten<br />

zu verringern."<br />

Für Cameron ist der<br />

Christdemokrat "die<br />

falsche Person" um die<br />

EU voranzubringen. David<br />

Lidington, Staatsminister<br />

für Europa im Kabinett<br />

Cameron, warnte<br />

erst am vergangenen<br />

Mittwoch in Berlin davor,<br />

die EU-Kommission könne<br />

eine "Kreatur des EU-<br />

Parlaments" werden:<br />

"Der sogenannte Spitzenkandidaten-Prozess<br />

hat kein klares Fundament<br />

in der EU-Gesetzgebung."<br />

42<br />

Von Marco Maier<br />

Großbritannien, welches<br />

schon seit je her<br />

ein zwiespältiges Verhältnis<br />

zur Europäischen<br />

Union hat, kann sich mit<br />

einem Extrem-Unionisten<br />

wie Juncker als Chef<br />

der EU-Regierung nicht<br />

anfreunden. Nicht umsonst<br />

hat die ausgesprochen<br />

EU-kritische UKIP<br />

bei den jüngsten Europawahlen<br />

den Sieg davongetragen.<br />

Will Cameron<br />

bei den Unterhauswahlen<br />

20<strong>15</strong> nicht untergehen,<br />

muss er seine<br />

latent EU-kritische Haltung<br />

massiv verstärken.<br />

Inzwischen gilt es sogar<br />

als denkbar, dass<br />

sich das politische Zerwürfnis<br />

zwischen London<br />

und Brüssel bald schon<br />

als unüberwindbar erweist.<br />

Bei einer Volksabstimmung<br />

über die Zukunft<br />

des Vereinigten<br />

Königreichs wäre der<br />

Ausgang jedoch ziemlich<br />

deutlich: sowohl die Briten<br />

als auch deren Regierung<br />

würden klar für<br />

einen "Brexit" stimmen.<br />

Die "Vereinigten Staaten<br />

von Europa", welche<br />

Juncker und anderen<br />

Eurokraten vorschwebt,<br />

ist mit dem Inselvolk<br />

nicht zu machen.


Werden Le Pen und Farage zum<br />

Sprengsatz für die EU?<br />

Frankreich befindet sich nach dem Wahlerfolg des rechten<br />

Front National (FN) unter der Führung Marine Le Pens in<br />

einer politischen Krise. Der Misswirtschaft von Hollandes<br />

Sozialisten können die Konservativen keine glaubwürdige Alternative<br />

entgegensetzen. So sammeln sich die Unzufriedenen vor<br />

allem beim FN, aber auch bei den Linkspopulisten um die Parti<br />

de Gauche. Aber auch in Großbritannien sorgt die UKIP für Furore<br />

im politischen Establishment.<br />

Auch wenn es schlussendlich<br />

nur rund 11<br />

Prozent der Wahlberechtigten<br />

waren, die dem<br />

Front National bei der<br />

letzten Europawahl die<br />

Stimme gaben, so sorgte<br />

die niedrige Wahlbeteiligung<br />

für ein Rekordergebnis<br />

von knapp 25<br />

Prozent der abgegebenen<br />

gültigen Stimmen.<br />

Der Frust der Franzosen<br />

richtet sich nicht nur gegen<br />

die Linksregierung<br />

Hollandes, sondern auch<br />

gegen Brüssel.<br />

Die wirtschaftlichen<br />

und finanziellen Probleme<br />

Frankreichs, welche<br />

schon zu Zeiten Sarkozys<br />

offensichtlich wurden, haben<br />

sich nach der Linkswende<br />

noch weiter verschärft.<br />

Zwar darf man<br />

den Einfluss der Finanzkrise<br />

nicht außer Acht<br />

lassen – doch diese<br />

brachte lediglich die vorhandenen<br />

strukturellen<br />

Probleme des Landes ans<br />

Tageslicht. Probleme, die<br />

ihre Ursachen in den vergangenen<br />

Jahrzehnten<br />

haben.<br />

Nicht wenige Franzosen<br />

wünschen sich den<br />

Franc zurück der zwar alles<br />

Andere als stabil war,<br />

es der Zentralbank jedoch<br />

ermöglichte mittels<br />

Abwertungen wenigstens<br />

einen Teil der politischen<br />

Fehler zu kaschieren.<br />

Umso mehr fällt Le Pens<br />

Anti-Euro-Rhetorik in<br />

43<br />

Von Marco Maier<br />

Marine Le Pen. Bild: Flickr / abodftyh CC-BY-SA 2.0<br />

Frankreich auf fruchtbarem<br />

Boden. Sicher, der<br />

Euro als politisches Konstrukt<br />

war eine absolute<br />

Fehlplanung die nicht auf<br />

die realwirtschaftlichen<br />

und wirtschaftspolitischen<br />

Gegebenheiten in Europa<br />

Rücksicht nahm – die europäische<br />

Gemeinschaftswährung<br />

zum Sündenbock<br />

für Frankreichs Versagen<br />

(das BIP/Kopf,<br />

nach Kaufkraftstandards<br />

sank von 116 Prozent des<br />

EU-Durchschnitts im Jahr<br />

2002 auf 108 Prozent im


Nigel Farage. Bild: Flickr / Euro Realist Newsletter CC-BY-SA 2.0<br />

Jahr 2013) zu machen,<br />

ist jedoch auch nicht zielführend.<br />

Zwar finden die nächsten<br />

Parlamentswahlen regulär<br />

erst im Jahr 2017<br />

statt, doch angesichts der<br />

sich zusammenbrauenden<br />

politischen Krise<br />

könnten diese schon früher<br />

stattfinden als gedacht.<br />

Dann jedoch könnte<br />

Le Pens Front National<br />

auch im nationalen Parlament<br />

zur stärksten politischen<br />

Kraft avancieren,<br />

zumal sie schon 2012 mit<br />

13,79 Prozent (+9,11<br />

Prozent) zur stimmenmäßig<br />

drittstärksten Partei<br />

Frankreichs wurde.<br />

Sollte nun 20<strong>15</strong> die<br />

EU-kritische UKIP Nigel<br />

Farages bei den britischen<br />

Unterhauswahlen<br />

ähnlich stark abschneiden<br />

wie bei den Europawahlen,<br />

könnte die Anti-EU-Achse<br />

Paris-London<br />

zu einem Spaltkeil der<br />

Staatengemeinschaft<br />

werden, gegen den selbst<br />

Angela Merkel und ihre<br />

Verbündeten in Sachen<br />

"europäischer Superstaat"<br />

kaum etwas ausrichten<br />

können.<br />

44<br />

Die Europäische Union<br />

steht damit vor einer<br />

großen Zäsur. Die Methode,<br />

innenpolitisch verursachte<br />

Probleme auf<br />

Brüssel abzuwälzen funktioniert<br />

eben immer wieder.<br />

Dabei gäbe es genügend<br />

Vorgänge, die man<br />

wirklich am Brüsseler<br />

Zentralkommando kritisieren<br />

könnte. Vieles jedoch<br />

ist absolut hausgemacht<br />

und ein Ergebnis<br />

der nationalen Politik.<br />

Den Funktionären von<br />

FN, UKIP & Co ist das jedoch<br />

egal. EU-Bashing<br />

um jeden Preis hilft eben<br />

bei der Stimmenmaximierung.<br />

Damit allerdings<br />

verhindern sie eine<br />

wirkliche Reform der Europäischen<br />

Union, die auf<br />

jeden Fall dringend nötig<br />

ist.


Euro & Europa: Nach der Krise<br />

ist vor der Krise<br />

Heute, rund sechs Jahre nach dem Ausbruch der globalen<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise, die insbesondere die südeuropäischen<br />

Länder beinahe in den Abgrund riss,<br />

scheint offiziell wieder alles in Butter zu sein. Jene Menschen,<br />

die den Kollaps der Eurozone kommen sahen, werden heute immer<br />

öfter ausgelacht. Doch man sollte nicht zu früh lachen.<br />

Wenn es darum geht<br />

sich die Realität schönzureden,<br />

sind die Massenmedien<br />

einsame Spitze.<br />

Mit der unreflektierten<br />

Übernahme der Regierungspropaganda,<br />

wonach<br />

sich die Lage stetig<br />

bessert, zeigen sie sich<br />

als willfährige Erfüllungsgehilfen.<br />

Da hilft es<br />

nichts, wenn ab und an<br />

auch Eurokritiker zu Wort<br />

kommen, die jedoch oftmals<br />

nur die Standardphrasen<br />

verlautbaren<br />

dürfen oder können.<br />

Dabei genügt schon<br />

der Blick auf die Schuldenberge,<br />

die sich die<br />

EU-Mitgliedsstaaten derzeit<br />

leisten. Ganze 11,4<br />

Billionen Euro waren dies<br />

für alle 28 EU-Länder zusammen,<br />

davon ganze 9<br />

Billionen allein für die<br />

Mitglieder der Eurozone.<br />

Tendenz nach wie vor<br />

stetig steigend. Das einzige<br />

Glück für die Steuerzahler<br />

– und die Regierungen,<br />

die bislang weitestgehend<br />

von umfassenden<br />

Volksaufständen<br />

verschont blieben – sind<br />

die derzeit niedrigen<br />

Zinssätze. Läge das Niveau<br />

auf jener Höhe, die<br />

noch in den 1980ern und<br />

1990ern normal waren –<br />

wir müssten eine<br />

Staatspleite nach der anderen<br />

verkraften.<br />

45<br />

Von Marco Maier<br />

Sicher, das Zinsniveau<br />

dürfte auch in den kommenden<br />

2-3 Jahren sehr<br />

niedrig bleiben, so dass<br />

sich die Regierungen zumindest<br />

kurzfristig etwas<br />

Luft verschaffen können<br />

– doch wie lange kann<br />

und wird dieses gefährliche<br />

Spiel noch funktionieren?<br />

Immerhin schaffen<br />

es selbst die wirt-


schaftlich etwas robusteren<br />

Staaten kaum, ihre<br />

öffentlichen Haushalte in<br />

Ordnung zu bringen und<br />

mit dem Schuldenabbau<br />

zu beginnen.<br />

Die Schuldenkrise mag<br />

derzeit zwar einigermaßen<br />

unter Kontrolle sein,<br />

zumal selbst Staaten wie<br />

Griechenland und Portugal<br />

"den Weg zurück auf<br />

die Kapitalmärkte"<br />

schafften. Damit allerdings<br />

verlagern sich weitere<br />

Risiken auf jene Kapitalgeber,<br />

die das Geld<br />

von zig Millionen Menschen<br />

verwalten, die mit<br />

diversen Ansparprodukten<br />

der Versicherungen<br />

und Banken für die Rente<br />

vorsorgen möchten. Zu<br />

glauben, dass insbesondere<br />

Griechenland, Portugal<br />

oder Italien mit ihren<br />

Staatshaushalten jemals<br />

in die schwarzen Zahlen<br />

geraten, ist nämlich mehr<br />

als unwahrscheinlich.<br />

Schuldenschnitte somit<br />

unumgänglich.<br />

Fakt ist: die nächste<br />

Staatsschuldenkrise<br />

kommt bestimmt. Entweder,<br />

weil diverse Staaten<br />

trotz niedriger Zinsen immer<br />

mehr Schulden anhäufen<br />

– wie es Frankreich<br />

und Italien auch<br />

weiterhin machen wollen<br />

– und schlussendlich dadurch<br />

in Zahlungsschwierigkeiten<br />

kommen, oder<br />

weil die Zinssätze wieder<br />

ansteigen und damit<br />

selbst jene Länder mit<br />

halbwegs soliden Finanzen<br />

in Bedrängnis bringen.<br />

Nur wird es dann<br />

verstärkt jene Menschen<br />

treffen, deren Vorsorgeund<br />

Anlageprodukte auf<br />

Staatspapiere setzen.<br />

Und das sind nicht wirklich<br />

wenige. Nach der Krise<br />

ist eben vor der Krise.<br />

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